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Der Wein - Pro Stuttgart

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12<br />

<strong>Wein</strong>-Boulevard<br />

Es steckt mehr<br />

Philosophie in einer<br />

Flasche <strong>Wein</strong>, als in<br />

allen Büchern<br />

dieser Welt.“<br />

Louis Pasteur<br />

Geschmackvoll:<br />

Im richtigen Stielglas<br />

entwickeln <strong>Wein</strong>e ihr<br />

volles Aroma.<br />

Fotolia<br />

spruchsvolle <strong>Wein</strong>e ist für sie aber<br />

doch das Stielglas erste Wahl.<br />

Im „Vetter“, der eher modernen<br />

<strong>Wein</strong>stuben-Variante am Rand<br />

des Heusteigviertels, sieht man<br />

keine Henkelgläser – dafür spielen<br />

<strong>Wein</strong>e aus ganz Deutschland und<br />

Europa mindestens so eine wichtige<br />

Rolle wie die Württemberger.<br />

Hier wird weniger geschlotzt, sondern<br />

auch mal in 0,1 Liter-Mengen<br />

„probiert“. Für den „klassischen“<br />

<strong>Wein</strong>stuben-Schwa ben ein<br />

unübliches Verfahren. Aber Achtung:<br />

Das „Vetter“ nennt sich ja<br />

auch nicht <strong>Wein</strong>stube, deshalb<br />

gibt’s au nix zom Bruddla.<br />

Die Stilfrage ist auch eine Frage<br />

des Geschmacks – nicht nur des<br />

ästhetischen. Vincent Klink, Sternekoch<br />

und Inhaber der Wielandshöhe,<br />

setzt durchaus auf<br />

Tradition. Er und sein Lokal<br />

stehen für regionale Gerichte<br />

und <strong>Wein</strong>e. Auf die Traditionsgläser<br />

verzichtet er aber.<br />

„Für Trollinger und einfache<br />

<strong>Wein</strong>e ist das Henkelglas angemessen“,<br />

meint er, hält es<br />

darüber hinaus aber für<br />

überholt: „Das Henkelglas<br />

kommt aus einer Zeit, in der<br />

man noch sechs Viertele<br />

getrunken hat, wie mein<br />

Vater“, so der schwäbische<br />

Gastronom. Anspruchsvollere<br />

<strong>Wein</strong>e, die nach gebührender<br />

Anerkennung<br />

und Aufmerksamkeit verlangen,<br />

verlangen gleichzeitig<br />

nach einem anderen<br />

Glas: „<strong>Der</strong> <strong>Wein</strong> erwärmt<br />

sich nicht so schnell, wenn<br />

man es am Stiel hält und er<br />

entfaltet sich besser“, sagt der<br />

Genussmensch. Denn das Glas<br />

spielt eine Riesenrolle in der<br />

<strong>Wein</strong>welt – nicht ohne Grund gibt<br />

es zig Ausprägungen und für fast<br />

jede Rebsorte eine eigene Glasform.<br />

„Aus dem Stielglas entwickeln<br />

sich die Aromen auf der<br />

Zunge anders“, erklärt Sommelier<br />

Andreas Scherle. „Ein frischer,<br />

fruchtiger Riesling kommt am<br />

besten zur Geltung aus dem Tulpenglas<br />

mit leicht nach außen gebogenem<br />

Rand, das Burgunderglas<br />

verstärkt die cremigen No-<br />

ten.“ Wer sich intensiver mit<br />

<strong>Wein</strong> beschäftigen will, kann das<br />

selbst ausprobieren – und kommt<br />

tatsächlich zu verblüffenden Ergebnissen:<br />

Ein Riesling aus dem<br />

Ballonglas verliert seine Frische<br />

und Fruchtigkeit, der Burgunder<br />

aus dem kleinen Tulpenglas wird<br />

flach und hart. Und aus dem Henkelglas?<br />

„Da können sich die Aromen<br />

nicht entwickeln“, bedauert<br />

der Experte in Sachen <strong>Wein</strong>. Wer<br />

einmal versucht hat, das Viertelesglas<br />

zu schwenken, hat nicht<br />

mehr Aromen im Glas, sondern<br />

weniger <strong>Wein</strong>. Viele <strong>Wein</strong>liebhaber<br />

schwenken daher um – und<br />

verwenden ausschließlich das<br />

Stielglas.<br />

Viertelesglas ist gefragt<br />

„Die Nachfrage nach dem Vierteleshenkelglas<br />

ist stabil geblieben“,<br />

erklärt Manfred Wansner, Vertriebsleiter<br />

des schwäbischen<br />

Glasherstellers Böckling. <strong>Der</strong><br />

„schwäbische <strong>Wein</strong>seidel“, so die<br />

offizielle, arg seelenlos-nüchterne<br />

Bezeichnung in der Glaswelt, wird<br />

hauptsächlich von <strong>Wein</strong>gärtnergenossenschaften<br />

in größeren<br />

Mengen abgenommen. „Auch bei<br />

<strong>Wein</strong>festen gibt es mittlerweile oft<br />

Stielgläser.“ Es sei allerdings auch<br />

eine Frage des Preises: „Die Henkelgläser<br />

sind alle mundgeblasen<br />

und damit teuer, das geht nicht<br />

anders“, so der Vertriebsmann.<br />

Wenn das traditionelle Glas aussterben<br />

sollte, ist also der Schwabe<br />

im Schlotzer selbst schuld.<br />

Aber: „Wenn es in 100 Jahren<br />

noch <strong>Wein</strong>stuben gibt, gibt es in<br />

100 Jahren auch noch Henkelgläser“,<br />

ist Wansner überzeugt.<br />

Für sein Gourmet-Restaurant „Zur<br />

<strong>Wein</strong>steige“ hat Andreas Scherle<br />

einen Kompromiss gefunden:<br />

Auch hier kommt der Württemberger<br />

als Viertele in die Gläser,<br />

aber in solche mit Stiel und aus<br />

kleinen Karaffen im Schwabenmaßstab.<br />

Wie heißt es so schön:<br />

Da trifft Tradition auf Moderne.<br />

Oder auch: Qualität trifft auf<br />

Quantität – wenn das dem Schwaben<br />

nicht entgegen kommt ...<br />

Karin Wiemer

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