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Kölner Stadtteilliebe Sommer 2023

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16 Koelner-StadtteilLiebe.de<br />

„Mama, Du lebst!“<br />

Wie man mit einem Bein zurück ins Leben kommt<br />

Caty hat eigentlich ihren Traumberuf gefunden und dafür<br />

richtig kämpfen müssen. Sie ist Kindergärtnerin in der katholischen<br />

KiTa Remigius in Sürth. Zuhause lebte sie in einer wunderbaren<br />

Familie mit ihrem Ehemann und ihren vier Kindern.<br />

Vor drei Jahren wurde sie brutal aus dieser Idylle gerissen,<br />

Caty verlor ein Bein, es stand alles auf Anfang.<br />

Job und Familie - das Leben war perfekt<br />

Vor 29 Jahren kam Caty aus Peru, schon dort musste sie<br />

kämpfen, da das gewünschte Studium in Peru nur schwer<br />

zu bezahlen war. „Geh doch nach Europa, da ist das einfacher“,<br />

wurde ihr von der Patentante gesagt. Warum auch<br />

nicht, sagte sich Caty als junges Mädchen, ging nach<br />

Deutschland und merkte, das war doch nicht ganz so einfach.<br />

Sie arbeitete als Ergänzungskraft für ein Jahr, studierte in<br />

Deutschland Sozialarbeit und gründete ihre eigene Familie.<br />

Wie bei vielen Frauen war erstmal Pause, sie zog die Kinder<br />

groß. Danach stieg sie ins Berufsleben ein, wollte Erzieherin<br />

werden. „Ich wollte unbedingt in die KiTa Remigius, da kannte<br />

ich alle und meine Kids waren auch dort.“ Aber das war<br />

überhaupt nicht so einfach. Einmal wurde ihr die Ausbildung<br />

aus Peru nicht anerkannt, weiter war sie evangelisch, was in<br />

einer katholischen KiTa gar nicht geht. Zunächst wurde die<br />

deutsche Ausbildung nachgeholt. Nach vielem hin und her<br />

mit dem Erzbistum und einer Unterschriftenaktion der Eltern<br />

erteilte das Bistum schließlich eine Sondergenehmigung. So<br />

konnte sie erst zunächst als Ergänzungskraft, später wegen<br />

Personalmangel als Erzieherin auf einer unbefristeten Stelle<br />

arbeiten. Alles im Leben war erreicht - und dann kam dieser<br />

Tag, der alles verändern sollte.<br />

Unfall und Bein amputiert - das Leben begann von vorne<br />

„Ich fuhr mit dem Fahrrad<br />

auf der Straße, ein LKW<br />

kam mir rückwärts entgegen.“<br />

Um ihm auszuweichen,<br />

wechselte Caty<br />

auf den Gehweg, doch<br />

der LKW wollte in eine<br />

Baustelle einbiegen, fuhr<br />

auch auf den Gehweg,<br />

hat Caty nicht gesehen -<br />

und schon lag sie unter<br />

dem tonnenschweren<br />

Lastwagen. „Ich spürte<br />

einen Höllenschmerz, viele<br />

Leute kamen, um mir zu<br />

helfen, die Sanitäter legten<br />

mir eine Maske um,<br />

da war ich erstmal weg.“<br />

Im Krankenhaus kam<br />

die böse Überraschung:<br />

„Mein Mann und meine<br />

Kinder saßen am Bett, der<br />

Arzt kam und eröffnete<br />

mir, dass mein rechtes Bein amputiert sei.“ Der Schock ließ<br />

Caty erstmal erstarren. „Ich konnte das nicht glauben, in<br />

meinem Kopf schwirrte alles hin und her, ich schrie einfach<br />

nur.“ Dann kam der Satz, den Caty nie vergessen wird, der sie<br />

komplett ins Leben zurückholte: „Mama, du lebst“, flüsterte ihr<br />

Sohn ins Ohr. „Das und mein Glaube an Gott hat mir die Kraft<br />

gegeben, ins Leben zurückzukommen.<br />

Prothese und gehen lernen - zurück im Leben<br />

Dann begann erst einmal die Auseinandersetzung mit dem<br />

neuen Leben. „Ich muss auf einiges verzichten. Kann den<br />

Kindern nicht hinterherrennen, muss flache Schuhe tragen,<br />

kann kein Fahrrad mehr fahren - aber ich lebe!“ Zunächst<br />

ging es in den Rollstuhl, „ich musste lernen, die Treppen<br />

hochzuhüpfen“, dann kam die Prothese „so etwas kannte<br />

ich gar nicht“, viel Reha, Gehschulen, diverse Operationen,<br />

um die Prothese anzupassen. „Ich habe eine großartige Familie,<br />

wunderbare Freunde, ich kann wieder am Leben teilnehmen.“<br />

Das bedeutet, allein laufen, wieder arbeiten, mit<br />

einem umgebauten Auto fahren und in einer ihrer Situation<br />

angepassten Wohnung leben. „In der KiTa sind so tolle Kollegen<br />

und Eltern, die mich unterstützen.“ So übernehmen andere<br />

das „Einfangen“ der Kids, sie macht dafür mehr Spiele<br />

und Gespräche mit den Kindern. „Was ist mit Deinem Bein,<br />

warum wächst das nicht nach?“ wird sie von den Kleinen<br />

gefragt. „Das ist mein Himmelbein“, ist die Antwort. Wenige<br />

Freunde oder Eltern haben Probleme damit umzugehen und<br />

sind eher auf Distanz gegangen. Caty geht ganz offen mit<br />

der Prothese um: „Ich zeige die jedem, das ist ein Teil von<br />

mir.“ Karneval war sie damit klar im Vorteil. Sie ist als Piratin<br />

gegangen, das Prothesenbein nicht bedeckt. „Das sah einfach<br />

perfekt aus.“ Eins möchte sie zum Abschluss des Gesprächs<br />

noch unbedingt loswerden: „Ich bin so dankbar, das<br />

ich lebe und dass ich jeden Tag so viele nette Leute begegnen<br />

kann. Wir Prothesenträger gehören zur Gesellschaft wie<br />

jeder anderer, wir sehen anders aus, aber haben genauso<br />

ein Herz wie jeder andere.<br />

Caty - eine selbstbewusste Frau, die einfach Optimismus ausstrahlt.

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