31.05.2023 Aufrufe

Stahlreport 2023.06

  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

der Vorstand Jürgen Nusser, Paul Heil<br />

und ich. Ich war der Fahrer, es ging<br />

früh los, morgens um sieben Richtung<br />

München zum Beispiel. Ich hab beide<br />

abgeholt und die ganze Fahrt über<br />

wurde über die Branche und die Stahlmärkte<br />

diskutiert. Da habe ich versucht<br />

zu lernen, während ich fuhr.<br />

Also, da haben Dir dann nachher am<br />

Abend die Ohren geklingelt, aber da<br />

habe ich viel mitgenommen und ich<br />

habe einiges aufgesaugt.<br />

In den 20 Jahren ist im Markt ja<br />

einiges passiert, Auf und Ab, Höhen<br />

und Tiefen. Was waren besonders<br />

einschneidende Entwicklungen und<br />

Erlebnisse, im Positiven wie vielleicht<br />

im Negativen?<br />

Also, wenn ich so zurückdenke,<br />

waren es vor allem schwierige Situationen,<br />

die besonders herausragen.<br />

2009 ist uns zum Beispiel die Stahlhandelsstatistik<br />

von der EU gestrichen<br />

worden, das Statistische Bundesamt<br />

hatte die Maßgabe bekommen,<br />

sie einzustellen. Das war für uns ein<br />

Schlag ins Kontor. Wir haben sofort<br />

entschieden, dass wir diese Zahlen<br />

dennoch weiterhin brauchen.<br />

Und wenn es das Statistische Bundesamt<br />

nicht macht, müssen wir halt<br />

was selbst machen. Ich bin dann<br />

selbst zum Statistischen Bundesamt<br />

nach Bonn gefahren und habe dort<br />

lange mit dem zuständigen Abteilungsleiter<br />

gesprochen, einem sehr<br />

netten, fachkundigen Herrn. Der hat<br />

sich regelrecht gefreut, dass seine<br />

Statistik weitergeführt wird. Das<br />

ganze lief dann positiv weiter. Wir<br />

haben ein neutralen Dienstleister ins<br />

Boot geholt, weil wir im Verband ja<br />

keine unternehmensspezifischen<br />

Zahlen sehen dürfen. Seit 2009 sind<br />

die Zahlen nun verlässlich vergleichbar<br />

mit den Vorjahren. Und wir sind<br />

wesentlich schneller als das Statistische<br />

Bundesamt.<br />

Dann sind wir im Sommer 2014<br />

ganz böse von Reverse Charge<br />

erwischt worden, also von der Umkehr<br />

der Umsatzsteuerschuld für Stahlund<br />

Metallerzeugnisse. Da hatten wir<br />

richtig zu tun. Da haben wir rotiert<br />

und haben es innerhalb weniger<br />

Monate geschafft, dass die Regelung<br />

wieder zurückgenommen wurde. Das<br />

ist eine enorme Erleichterung für die<br />

Branche. Da haben wir auch von sehr,<br />

sehr vielen Mitgliedsunternehmen<br />

großes Lob bekommen, dass wir das<br />

geschafft haben, zusammen mit den<br />

Kollegenverbänden WGM und VDM.<br />

Wir haben in der zweiten Jahreshälfte<br />

2014 kaum andere Themen bespielt<br />

als Reverse Charge.<br />

Wie hat sich der Stahlhandel eigentlich<br />

in Deinen Augen heute verändert<br />

– verglichen mit damals?<br />

Ich denke, heute sind die Strukturen<br />

anders. Wir hatten früher noch einen<br />

größeren Einfluss der sogenannten<br />

Konzerngesellschaften. Das spiegelt<br />

sich auch in der Besetzung des<br />

BDS-Vorstandsrats, unserem Präsididium,<br />

wider. Der große Stahlhändler<br />

mit vielen Niederlassungen in<br />

Deutschland, der spielt immer noch<br />

eine wichtige Rolle. Aber meines<br />

Erachtens hat der Mittelstand in den<br />

letzten 15 bis 20 Jahren stark aufgeholt.<br />

Sehr viele Stahlhandelsunternehmen<br />

haben viel investiert, besonders<br />

in die Anarbeitung. Der<br />

Stahlhandel 2023 ist gerade beim<br />

Thema Service und Anarbeitung<br />

anders aufgestellt ist, als er das noch<br />

2003 war. Die Unternehmen sind<br />

natürlich auch digitaler geworden.<br />

Das war ein schleichender Prozess,<br />

der eigentlich schon in den frühen<br />

2000er-Jahren angefangen hat, der<br />

dann vor zehn Jahren Fahrt aufgenommen<br />

hat, und der noch längst<br />

nicht beendet ist.<br />

Und wenn Du in die Glaskugel guckst,<br />

wo siehst Du den Stahlhandel in 20<br />

Jahren? Wo glaubst du, geht die Entwicklung<br />

hin?<br />

Ich glaube, die Rolle des Stahlhandels<br />

ist in den letzten Jahren sogar<br />

noch wichtiger geworden und wird<br />

weiter wichtiger, weil es komplizierter<br />

wird. Wir haben beispielsweise<br />

aktuell ein großes Thema, das ist die<br />

Nachhaltigkeit, also dass auf den<br />

CO 2 -Fußabdruck von Stahlerzeugnissen<br />

geschaut wird, wie sie produziert<br />

werden, und dann auch nachher, wie<br />

sie gehandelt und weiterverarbeitet<br />

werden. Da kommt dann auch der<br />

Stahlhandel ins Spiel. Wir werden ab<br />

2026 das Thema CBAM haben, da<br />

kommt ein hoher administrativer Aufwand<br />

auf den Stahlhandel zu. Das ist<br />

auf der einen Seite lästig, das kostet<br />

Zeit und kostet Geld, aber dieser Service<br />

des Handels bringt seinen Kunden<br />

einen enormen Vorteil. Denn ich<br />

kann mir nicht vorstellen, dass ein<br />

Stahlverarbeiter sich zusätzlich auch<br />

noch mit dem Thema beschäftigen<br />

möchte. Er wird dann gerne seine Lieferanten,<br />

den Stahlhandel an seiner<br />

Seite haben, der sich darum kümmert.<br />

Eine letzte Frage noch: Was gefällt Dir<br />

eigentlich am Stahlhandel?<br />

Ich bin seit 20 Jahren dabei, da muss<br />

es mir wohl gefallen. Und das tut es<br />

auch. Erst mal gefällt mir unser Werkstoff.<br />

Wenn wir rausschauen, unsere<br />

Gebäude, unsere Autos, unsere Brücken,<br />

unsere Infrastruktur, das ist<br />

alles ist ohne Stahl nicht denkbar. Das<br />

hört sich zwar erstmal platt an, und<br />

das habe ich vor 20 Jahren sicher auch<br />

noch nicht so gesehen. Doch je länger<br />

ich mich damit beschäftige, desto<br />

mehr bin ich von diesem Werkstoff<br />

begeistert. Stahl hat eine Zukunft.<br />

Stahl ist nachhaltig, Stahl kann zu<br />

100 % recycelt werden. Und Stahl ist<br />

auf dem besten Wege, auch CO 2 -neutraler<br />

zu werden.<br />

Und ich mag die Menschen im<br />

Stahl. Ich habe den Eindruck, dass<br />

die Menschen im Stahlhandel – und<br />

auch die Kunden und die Hersteller<br />

– bodenständig sind, handfest, angenehm<br />

im Umgang, nicht abgehoben.<br />

Das mag ich an der Branche.<br />

Jörg, vielen Dank für das Gespräch.<br />

Frisch gebackener<br />

Wirtschaftsjurist:<br />

Im Juli 2003 trat Jörg<br />

Feger seine neue<br />

Stelle beim BDS an.<br />

<strong>Stahlreport</strong> 6|23<br />

33

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!