RhPfalz_Juni_2023
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Gesundheit<br />
Zeitung <strong>Juni</strong> <strong>2023</strong><br />
9<br />
Foto: imago/YAY Images<br />
Hörgeräte können<br />
Demenzrisiko senken<br />
Eine neue Studie hat den Zusammenhang<br />
zwischen Schwerhörigkeit<br />
und einer Demenzerkrankung<br />
untersucht. Die Forschenden kamen<br />
zu dem Schluss, dass das<br />
Tragen eines Hörgeräts einer Demenz<br />
vorbeugen kann.<br />
Ältere schwerhörige Menschen,<br />
die kein Hörgerät tragen, haben<br />
laut Studie ein um 42 Prozent höheres<br />
Risiko, an einer Demenz zu<br />
erkranken, als Menschen, die normal<br />
hören. Tragen sie dagegen ein<br />
Hörgerät, sinkt das Risiko auf das<br />
von Normalhörenden.<br />
In der Studie hat ein Forscherteam<br />
die Daten von 437 704 Menschen<br />
im Alter von 40 bs 69 Jahren<br />
ausgewertet. Das Ergebnis wurde<br />
kürzlich im Fachmagazin „The<br />
Lancet Public Health“ veröffentlicht.<br />
Der konkrete Nutzen der<br />
Hörgeräteversorgung bei der Prävention<br />
von Demenz müsse jedoch<br />
noch weiter untersucht werden, so<br />
die Wissenschaftler.<br />
Ab dem 50. Lebensjahr nimmt<br />
die Leistungsfähigkeit des Gehörs<br />
ab, wie der Deutsche Berufsverband<br />
der Hals-Nasen-Ohrenärzte<br />
auf seiner Webseite schreibt. Ein<br />
klares Signal für Altersschwerhörigkeit<br />
sei es, wenn es schwierig<br />
wird, Gesprächen in einem lauten<br />
Umfeld zu folgen. Dies sollten Betroffene<br />
von einer Ärztin oder einem<br />
Arzt abklären lassen. ken<br />
Ältere sollten sich nicht scheuen, ein<br />
Hörgerät zu tragen.<br />
Betroffene werden mündige Patientinnen<br />
Seltene Lungenkrankheit LAM: Selbsthilfegruppe ist eine Erfolgsgeschichte mit Wurzeln im VdK<br />
Vor mehr als 20 Jahren stand der<br />
Sozialverband VdK in Leipzig Pate<br />
bei der Gründung einer Selbsthilfegruppe<br />
für Menschen, die an der<br />
seltenen Lungenkrankeit LAM leiden.<br />
Daraus hat sich ein lebendiger<br />
Verein entwickelt, der den Erkrankten<br />
nach der Diagnose<br />
wichtige Unterstützung bietet.<br />
Susanne Geiling war 35 Jahre<br />
und arbeitete als Produktdesignerin,<br />
als sie die Diagnose Lymphangioleiomyomatose<br />
(LAM) gestellt<br />
bekam. Das ist eine seltene<br />
Krankheit, die hauptsächlich die<br />
Lunge betrifft und dort ein unkontrolliertes<br />
Wachstum der sogenannten<br />
glatten Muskelzellen<br />
verursacht. Dadurch wird die Atmung<br />
stark beeinträchtigt und der<br />
Körper nicht mehr ausreichend mit<br />
Sauerstoff versorgt. LAM betrifft<br />
fast ausschließlich Frauen und<br />
wird häufig im Alter zwischen 30<br />
und 45 Jahren festgestellt. Die Ursache<br />
ist ein Gendefekt.<br />
Susanne Geiling litt bereits fünf<br />
Jahre unter Symptomen, bis die<br />
Untersuchung einer Lungengewebsprobe<br />
Gewissheit brachte.<br />
Das war im Jahr 1998. „Für mich<br />
war die Diagnose damals zunächst<br />
eine Erleichterung, weil die Krankheit<br />
einen Namen bekam“, erinnert<br />
sich die 59-Jährige. „Allerdings<br />
setzte schnell eine gewisse Aussichtslosigkeit<br />
ein, weil sie nicht<br />
behandelt werden kann.“<br />
Bessere Diagnose<br />
Auch heute gibt es keine heilenden<br />
Medikamente oder Therapien.<br />
Doch anhand von hochauflösenden<br />
CT-Aufnahmen können Ärzte<br />
die Krankheit schneller erkennen<br />
und die Lebenserwartung der Betroffenen<br />
ist durch bessere Behandlungsmöglichkeiten<br />
gestiegen.<br />
Bis Geiling damals einen Arzt<br />
fand, der bereit war, sie zu behandeln,<br />
verging Zeit. Denn es fehlte<br />
an Informationen über die Krankheit<br />
und an Erfahrungen mit ihrem<br />
Die Mitglieder beim Treffen der LAM-Selbsthilfegruppe im vergangenen Jahr.<br />
Verlauf. Ein Arzt habe ihr nach der<br />
Diagnose gesagt, sie werde keine<br />
Betroffene finden, die auch an<br />
LAM erkrankt ist.<br />
Susanne Geiling fing also an, im<br />
Internet nach anderen Betroffenen<br />
zu recherchieren, und suchte sich<br />
Hilfe beim VdK im damaligen Regierungsbezirk<br />
Leipzig. Der dortige<br />
Beratungsstellenleiter Detlef<br />
Meding setzte für sie im Widerspruchsverfahren<br />
eine Erwerbsminderungsrente<br />
durch, denn<br />
Geiling musste wegen ihrer Krankheit<br />
die Arbeit aufgeben.<br />
Nachdem sie über das Internet<br />
tatsächlich Leidensgenossinnen<br />
gefunden hatte, gründete sie mit<br />
Unterstützung von Detlef Meding<br />
eine LAM-Selbsthilfegruppe unter<br />
dem Dach des VdK. „Wir haben die<br />
Gruppe damals wie einen<br />
VdK-Ortsverband behandelt und<br />
ihn mit Vorträgen über das<br />
Schwerbehindertenrecht und das<br />
Sozialrecht sowie organisatorisch<br />
unterstützt“, erinnert sich Meding.<br />
Im Jahr 2002 zählte die Gruppe<br />
zwölf Mitglieder. Mit der Unterstützung<br />
des VdK konnte damals<br />
das erste Treffen organisiert werden,<br />
zu dem Teilnehmerinnen aus<br />
ganz Deutschland kamen.<br />
Die Treffen hatten immer größeren<br />
Zulauf. In den Fokus rückte<br />
neben dem persönlichen Austausch<br />
auch die fachliche Information<br />
über die Krankheit. Es konnten<br />
neben der sozialrechtlichen Beratung<br />
zunehmend Medizinerinnen<br />
und Mediziner gewonnen werden,<br />
die Fachvorträge hielten.<br />
Vereinsgründung<br />
Im Jahr 2005 wurde die „LAM<br />
Selbsthilfe Deutschland“ ein eingetragener<br />
Verein, dem damals<br />
rund 100 Patientinnen angehörten.<br />
Es entstanden in der Folge deutschlandweit<br />
Regionalgruppen, deren<br />
Mitglieder oft dem VdK beitraten.<br />
Heute zählt die Gruppe rund 320<br />
Mitglieder, berichtet Catrin Ender,<br />
Vorsitzende der Gruppe, darunter<br />
seien auch viele Angehörige von<br />
Patientinnen. „Wir verstehen uns<br />
als Anlaufstelle für Neuerkrankte,<br />
die Rat brauchen, die auf der Suche<br />
nach einer guten Behandlung bei<br />
Fachleuten sind“, sagt die Vereinsvorsitzende.<br />
Sie besuchen auch<br />
Ärztekongresse, um dort auf die<br />
Krankheit aufmerksamzu machen,<br />
oder unterstützen Erkrankte bei<br />
der Listung für eine Lungentransplantation.<br />
Mit ihrer Vorstandsarbeit<br />
möchte Ender der Selbsthilfegruppe,<br />
der sie vieles zu verdanken<br />
habe, etwas zurückgeben, sagt sie.<br />
Das nächste Treffen des Vereins<br />
soll im Frühjahr 2024 in Fulda<br />
stattfinden. Jörg Ciszewski<br />
Info<br />
Interessierte können die<br />
LAM-Selbsthilfegruppe per<br />
E-Mail oder telefonisch kontaktieren.<br />
Bei einem Anruf der kostenpflichtigen<br />
Rufnummer können<br />
Sie um Rückruf bitten, damit<br />
die Kosten gering ausfallen.<br />
LAM Selbsthilfe<br />
Deutschland e.V.<br />
Bahnhofstraße 17<br />
75210 Keltern-Dietlingen<br />
• (01805) 227117793<br />
(0,14 Euro/Min.)<br />
kontakt@lam-info.de<br />
www.lam-info.de<br />
Foto: Raphael Götz<br />
Solidarisch und gerecht<br />
Große Mehrheit für einheitliche Kranken- und Pflegeversicherung<br />
Der Sozialverband VdK fordert<br />
eine einheitliche solidarische<br />
Krankenversicherung, in die alle<br />
einzahlen. Der WIdO-Monitor, für<br />
den über 2000 Personen im Auftrag<br />
des Wissenschaftlichen Instituts<br />
der AOK (WIdO) befragt wurden,<br />
zeigt den großen Rückhalt,<br />
den ein solcher Systemwechsel in<br />
der Bevölkerung hat.<br />
So befürworten 76 Prozent der<br />
befragten gesetzlich Versicherten<br />
den Vorschlag, die gesamte Bevölkerung<br />
in einer gesetzlichen Krankenversicherung<br />
(GKV) zu versichern.<br />
Bei den Befragten der privaten<br />
Krankenversicherung (PKV)<br />
waren es immerhin 48 Prozent.<br />
Bemerkenswert ist, dass die Zustimmung<br />
seit dem Jahr 2012 weiter<br />
gewachsen ist.<br />
„Diese Entwicklung bestärkt uns<br />
in unserer Forderung“, sagt VdK-<br />
Präsidentin Verena Bentele. „Damit<br />
würden die Kranken- und die<br />
Pflegeversicherung gerechter und<br />
besser finanzierbar. Ich bin überzeugt,<br />
dass dieser Systemwechsel<br />
allen Versicherten nutzt, wenn die<br />
Versorgungsstruktur neu geplant<br />
wird.“<br />
Auch das Nebeneinander von<br />
gesetzlicher und privater Pflegeversicherung<br />
lehnt eine große Mehrheit<br />
unter den Befragten ab (GKV:<br />
86 Prozent, PKV: 64 Prozent). Zudem<br />
befürworten rund drei Viertel<br />
von ihnen eine Abkehr vom Teilleistungsprinzip:<br />
Pflegebedürftige<br />
sollten für die Pflege nur einen festen<br />
Sockelbetrag zahlen müssen,<br />
während die Pflegekasse alle weiteren<br />
Kosten übernimmt. „Das ist<br />
ein klarer Auftrag an die Politik“,<br />
so Bentele. „Derzeit liegt die große<br />
finanzielle Last bei den Pflegebedürftigen,<br />
weil die Kosten genau<br />
andersherum verteilt werden.“<br />
Wie der WIdO-Monitor zeigt,<br />
stößt auch das in der GKV verankerte<br />
Solidarprinzip auf große<br />
Akzeptanz bei den Bürgerinnen<br />
und Bürgern. Vorschläge, die dieses<br />
Solidarprinzip aushebeln – etwa<br />
mehr private Zuzahlungen und<br />
Eigenanteile oder private Zusatzversicherungen<br />
– werden von den<br />
Befragten weitgehend abgelehnt.<br />
„Jede Eigenbeteiligung macht die<br />
Gesundheitsversorgung vom Geldbeutel<br />
abhängig. Das ist weder solidarisch<br />
noch gerecht“, so Bentele.<br />
Eine deutliche Mehrheit spricht<br />
sich für einen gleichen Beitrag von<br />
gesunden und kranken Versicherten<br />
aus (GKV: 82 Prozent, PKV: 80<br />
Prozent) und dafür, dass Kinder<br />
und Jugendliche kostenfrei mitversichert<br />
sein sollten (GKV: 93 Prozent,<br />
PKV: 83 Prozent). Auch dass<br />
Besserverdienende mehr bezahlen<br />
sollten als Geringverdienende,<br />
befürwortet eine Mehrheit (GKV:<br />
73 Prozent, PKV: 68 Prozent).<br />
Das Sozialforschungsinstitut<br />
Forsa hat für den WIdO-Monitor<br />
Anfang <strong>2023</strong> insgesamt 2004 Personen<br />
über 18 Jahre befragt. 1000<br />
von ihnen waren privat, 1004 gesetzlich<br />
versichert. Kristin Enge