RhPfalz_Juni_2023

31.05.2023 Aufrufe

4 Zeitung Juni 2023 Bundesverbandstag VdK-Führungsgremien gewählt Delegierte haben darüber abgestimmt, wer sie im Präsidium, Bundesausschuss, Schiedsgericht und in der Revision vertritt 184 Delegierte haben am 16. Mai auf dem 19. Ordentlichen Bundesverbandstag in Berlin über die Zusammensetzung ihrer Führungsgremien entschieden. Die Mitglieder von Präsidium, Bundesausschuss und Schiedsgericht sowie die Revisoren wurden für die kommenden vier Jahre gewählt. Mit farbigen Stimmkarten wurde bei den Wahlen abgestimmt. Der Vorsitzende des Bundesausschusses Friedrich Stubbe (links) mit dem neuen VdK-Präsidium (von links nach rechts): Vizepräsidentin Regina Bunge, Vizepräsident Horst Vöge, Schriftführer Willi Jäger, Schatzmeister Konrad Gritschneder, Präsidentin Verena Bentele, Vizepräsidentin und Vertreterin der Frauen Katharina Batz sowie die Vizepräsidenten Wolfgang Krause und Paul Weimann. Fotos: Henning Schacht Der Bundesverbandstag ist das höchste beschließende Organ des VdK. Er wird in der Regel alle vier Jahre durch das Präsidium einberufen. Durch die Corona-Pandemie musste er um ein Jahr auf 2023 verschoben werden. Organisiert und durchgeführt wurde er von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesgeschäftsstelle. Für die Gremien, die bundesweit zusammenarbeiten, stellen sich VdK-Mitglieder aus den Landesverbänden zur Wahl. Eines davon ist das Präsidium. Dieses führt laut Satzung über die Bundesgeschäftsstelle die Geschäfte des Bundesverbands. Der Bundesausschuss hat die Aufgabe, den Haushalt zu beschließen, die Jahresrechnung festzustellen sowie die Kassenund Revisionsberichte entgegenzunehmen. Die Revisoren prüfen zum Beispiel den Jahresabschluss und das Rechnungswesen. Sie sind nur dem Bundesverbandstag und dem Bundesausschuss gegenüber verantwortlich. Das Schiedsgericht entscheidet über Streitigkeiten, die aus der Satzung des Bundesverbands resultieren. Bundesausschuss, Schiedsgericht und Revision wurden bereits nach der auf diesem Bundesverbandstag neugefassten Satzung gewählt. Diese muss noch im Vereinsregister eingetragen werden. Präsidium Präsidentin Verena Bentele (Bayern), Vizepräsidentin und Vertreterin der Frauen Katharina Batz (Nordrhein-Westfalen), Vizepräsidentin Regina Bunge (Nord), Vizepräsident Wolfgang Krause (Saarland), Vizepräsident Horst Vöge (Nordrhein-Westfalen), Vizepräsident Paul Weimann (Hessen-Thüringen), Bundesschatzmeister Konrad Gritschneder (Bayern) und Schriftführer Willi Jäger (Rheinland-Pfalz). Bundesausschuss Die Vorsitzenden der Landesverbände gehören dem Bundesausschuss automatisch an, es sei denn, sie oder er ist Mitglied im Präsidium. Dann wird stattdessen die oder der stellvertretende Landesvorsitzende in den Bundesausschuss berufen. Weitere 28 Mitglieder sowie Ersatzmitglieder wurden gewählt. Als Vorsitzender des Bundesausschusses wurde Friedrich Stubbe (Landesvorsitzender Niedersachsen-Bremen) im Amt bestätigt. Weitere Mitglieder sind: Ÿ Baden-Württemberg Hans-Josef Hotz (Landesvorsitzender), Werner Raab, Sandra Hertha, Siegfried Staiger. Ersatzmitglieder: Jürgen Neumeister, Angelika Schiele-Baun, Ernst Schilling. Ÿ Bayern Hans-Joachim Werner (stellv. Landesvorsitzender), Heinz Heeg, Antje Dietrich, Hermann Imhof, Erwin Manger, Ulrike Mascher, Beate Schießl-Sedlmeier, Claudia Spiegel, Alexander Wunderlich. Ersatzmitglieder: Werner Böll, Maria Bördlein, Carola Brust, Josef Fürst, Gertrud Gokorsch, Helga Koch, Michael Pausder. Ÿ Berlin-Brandenburg Ralf Bergmann (Landesvorsitzender), Hannelore Schmolling. Ersatzmitglieder: Sigrid Parschauer, Hans-Günter Brochwitz, Steffen Schulz. Ÿ Hamburg Renate Schommer (Landesvorsitzende), Carmen Zakrzewski. Ersatzmitglieder: keine. Ÿ Hessen-Thüringen Ursula König-Schneyer (stellv. Landesvorsitzende), Dr. Rex- Oliver Wagner, Horst Gunnesch, Gabriele Heinebrodt. Ersatzmitglieder: Hiltrud Korb, Hans-Joachim Prassel, Dr. Daniela Sommer. Ÿ Mecklenburg-Vorpommern Dr. Rainer Boldt (Landesvorsitzender), Kristina Reichert. Ersatzmitglieder: Karin Rosenow, Monika-Irmgard Mehl, Dietrich Raether. Ÿ Niedersachsen-Bremen Friedrich Stubbe (Landesvorsitzender), Anke Erlach. Ersatzmitglieder: Jutta Lorentzen, Miriam Wagner, Gunda Menkens. Ÿ Nord Joachim Falkner (stellv. Landesvorsitzender), Heidi Lyck. Ersatzmitglieder: Peter Lassen, Annelie P. Heydorn, Nicola Bode. Ÿ Nordrhein-Westfalen Peter Jeromin (stellv. Landesvorsitzender), Wilfried Böhm, Thomas Schmidt, Sandra Wehmeier, Josef Weiner. Ersatzmitglieder: Gudrun Pohl, Anja Wagner, Robert Walter, Carsten Ohm. Ÿ Rheinland-Pfalz Werner Faber (stellv. Landesvorsitzender), Anita Winkler, Karl-Rainer Heiderich. Ersatzmitglieder: Veronika Beckel, Christa Schulz, Rainer Zins, Ulrich Stilz. Ÿ Saarland Armin Lang (Landesvorsitzender), Gerlinde Koletzki-Rau. Ersatzmitglieder: Karin Lawall, Daniel Bieber, Wolfgang Steiner. Ÿ Sachsen Horst Wehner (Landesvorsitzender), Marina Lemke. Ersatzmitglieder: Uwe Adamczyk, Ute Franke, Jörg Gebert. Ÿ Sachsen-Anhalt Tino Sorge (Landesvorsitzender). Ersatzmitglieder: keine. Schiedsgericht Heribert Rech (Baden-Württemberg), Martin Wegner (Rheinland-Pfalz), Dr. Michael Schmitt (Nordrhein-Westfalen). Revisoren Thimo Schlär (Rheinland-Pfalz), André Surray (Niedersachsen-Bremen). Stellvertretende Revisoren: Hans Ulrich Wolf (Rheinland- Pfalz), Jürgen Dannhauer (Hessen- Thüringen). Kristin Enge VdK-TV VdK-TV hat den Bundesverbandstag begleitet. Eine Rückschau auf die Veranstaltung finden Sie auf dem VdK-Videoportal: VdK-Videoportal www.vdktv.de Ein großer Dank für ehrenamtliches Engagement VdK-Ehrenamtliche, die aus den Führungsgremien ausgeschieden sind, wurden auf dem Bundesverbandstag geehrt Die vielen ehrenamtlich Engagierten sind das Herz des Sozialverbands VdK. Sie machen den Verband zu dem, was er heute ist: der größte Sozialverband in Deutschland. VdK-Präsidentin Verena Bentele dankte den Mitgliedern, die die positive Entwicklung des VdK in den vergangenen fünf Jahren aktiv mitgestaltet haben, für ihren wertvollen persönlichen Einsatz. Einen großen Dank für ihr Engagement sprach VdK-Präsidentin Verena Bentele den Mitgliedern aus, die aus dem Bundesausschuss ausgeschieden sind, dem VdK aber weiterhin in der aktuellen Wahlperiode als Ersatzmitglieder zur Verfügung stehen: Jürgen Neumeister (Baden-Württemberg), Werner Böll (Bayern), Josef Fürst (Bayern), Steffen Schulz (Berlin-Brandenburg), Jutta Lorentzen (Niedersachsen-Bremen), Annelie P. Heydorn (Nord), Christa Schulz (Rheinland-Pfalz), Rainer Zins (Rheinland-Pfalz) und Karin Lawall (Saarland). Des Weiteren dankte Bentele den Mitgliedern des Bundesausschusses, die nicht mehr zur Wahl angetreten sind, für ihre geleistete Arbeit: Rudi Göbel (Bayern), Helma Schnell-Kretschmer (Hessen- Thüringen), Sigrid Möller, (Mecklenburg-Vorpommern), Bernhard Greßmeyer (Nordrhein-Westfalen), Erika Heckmann (Nordrhein-Westfalen) sowie Werner Faber (Rheinland-Pfalz). Auch Anke Erlach (Niedersachsen-Bremen), die das Amt der Revisorin innehatte, wurde von Bentele für ihr Engagement für den VdK geehrt. Sie scheidet als Revisorin aus, wird sich aber als Mitglied des Bundesausschusses weiterhin für den VdK engagieren. Kristin Enge Nach der Ehrung: Die ehrenamtlich Engagierten, die in der vergangenen Wahlperiode in den bundesweiten VdK-Führungsgremien aktiv waren, mit VdK-Präsidentin Verena Bentele und Bundesgeschäftsführer Andreas Wallenborn (Mitte).

So hilft der VdK Zeitung Juni 2023 5 Erst ein Brief an den Vorstand half VdK erkämpfte Elektrorollstuhl für Mitglied, nachdem die Krankenkasse sich mit allen Mitteln verweigert hatte Die Krankenkasse brauchte vier Monate, um den Antrag von Mustafa B.* auf einen Elektrorollstuhl zu prüfen – und lehnte dann ab. B. stand plötzlich ohne funktionierenden Rollstuhl da, weil in der Zwischenzeit die Gewährleistung für sein defektes Modell abgelaufen war. Der VdK Niedersachsen- Bremen setzte eine Übergangsversorgung durch und legte Widerspruch gegen die Ablehnung ein. Doch erst ein Brief des VdK an den Krankenkassenvorstand half. Mustafa B. und die beiden jungen VdK-Mitglieder Eva und Simon, die sich über das gewonnene Verfahren gemeinsam freuten. Foto: privat Mustafa B. ist ein Kämpfer. Als junger Mann hat er geboxt, Fußball gespielt, im Sport immer alles gegeben. Doch vor 20 Jahren begann sein rechtes Knie zu schmerzen. Es war ständig entzündet. Als das Gelenk 2007 zudem bei einem Verkehrsunfall verletzt wurde, erhielt er ein künstliches Knie. Zahlreiche Operationen später geht es ihm allerdings nicht besser. Seit zehn Jahren sitzt der 58-Jährige im Rollstuhl und leidet unter chronischen Schmerzen. Im vergangenen Jahr kam zu seiner Leidensgeschichte ein weiteres Kapitel hinzu. Seine Krankenkasse verweigerte ihm beharrlich die Weiterversorgung mit einem E-Rollstuhl. „Die haben mir immer wieder Steine in den Weg gelegt. Das hat mich nervlich sehr belastet“, sagt das VdK-Mitglied. Was war passiert? B. hatte im Sommer 2022 einen Elektrorollstuhl beantragt. Der Gewährleistungszeitraum für seinen bisherigen Rollstuhl lief im Oktober ab. Bis dahin, dachte er, wird die Kasse den Antrag bearbeitet haben. VdK stellt Eilantrag Doch das war ein Irrtum. Die Krankenkasse zog die Antragsprüfung mit vielen Nachfragen in die Länge – obwohl B. Atteste und eine Verordnung einreichte, die belegten, dass das beantragte Modell für ihn aus medizinischer Sicht notwendig ist. B. leidet sowohl in der Schulter als auch in den Händen an Arthrose. Deshalb sollte der Rollstuhl elektrisch verstellbar sein. Die Kostenrechnung für das Modell lag bei 15 000 Euro. Als die Kasse den Antrag im Dezember ablehnte, war sein bisheriger Rollstuhl kaputt und konnte nicht mehr repariert werden. VdK-Rechtsberater Kai Pöpken stellte daraufhin einen Eilantrag beim Sozialgericht Oldenburg, weil sein Mandant ohne Rollstuhl das Haus nicht mehr verlassen konnte. Darunter litt er auch psychisch. Die Krankenkasse sah jedoch keine Eilbedürftigkeit und weigerte sich, die Kosten für einen Rollstuhl zu übernehmen. Als das Sozialgericht sie dazu verpflichtete, erhielt B. ein zehn Jahre altes Modell – und die Krankenkasse wollte weiterhin nicht zahlen. Pöpken legte dagegen Beschwerde beim Landessozialgericht ein und bekam Recht. Die Kostenübernahme für den geliehenen E-Rollstuhl war geklärt, doch der eigentliche Antrag auf einen neuen E-Rollstuhl noch immer nicht. Der VdK legte also Widerspruch gegen die Ablehnung ein. Als die Krankenkasse darauf nicht reagierte, schrieb Pöpken kurzerhand den Krankenkassenvorstand direkt an und setzte eine Frist, um weitere Verzögerungen zu vermeiden. Er teilte dem Vorstand mit, dass die Krankenkasse entgegen der Einschätzung des Medizinischen Dienstes und der Gerichte „mit fadenscheinigen und zum Teil widersprüchlichen Argumenten“ die Versorgung ablehne. Dann die Überraschung: Nach einer guten Woche erhielt Mustafa B. die Bewilligung für die Versorgung mit dem beantragten Rollstuhl. Auch wenn sich die Lieferung verzögert, ist Mustafa B. heilfroh über das gute Ende: „Ich bin dem VdK dankbar, dass er an meiner Seite stand und mir geholfen hat, als es mir sehr schlecht ging.“ Jörg Ciszewski *Name der Redaktion bekannt Schwieriger Kampf um Anerkennung VdK erreicht Merkzeichen für Mitglied mit Fetalen Alkoholspektrum-Störungen Foto: picture alliance/Zoonar rotoGraphics Jährlich kommen in Deutschland etwa 10 000 Kinder mit einer schweren Erkrankung auf die Welt, den sogenannten Fetale Alkoholspektrum-Störungen (Fetal Alcohol Spectrum Disorders, FASD). Die Symptome sind vielschichtig und werden oft fehlgedeutet. Betroffene müssen um die Anerkennung als Menschen mit einer lebenslangen Behinderung kämpfen. Der VdK half dem Mitglied Kevin T. dabei. Ursache für die Erkrankung ist Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft. Patienten mit FASD fehlt häufig die Fähigkeit, vorausschauend zu handeln, Gelerntes umzusetzen, Vereinbarungen einzuhalten und Konflikte zu lösen, was in ihrem Umfeld immer wieder zu Unverständnis und Spannungen führt. Alkoholkonsum in der Schwangerschaft ist gefährlich für das Kind. Auch VdK-Mitglied Kevin T. aus dem Landkreis Soest leidet an FASD. Aufgrund dieser Diagnose wurde ihm ein Grad der Behinderung von 50 zuerkannt, der später auf 70 heraufgesetzt wurde. Ein Gutachten bescheinigte Kevin T. eine unterdurchschnittliche Intelligenz und Verhaltensauffälligkeiten. Seinen Führerschein musste er abgeben, seine Ausbildung zum Pferdepfleger brach er ab. Für ihn wurde außerdem das Merkzeichen „H“ für Hilflosigkeit beantragt, was das Landratsamt Soest allerdings ablehnte. Auf Hilfe angewiesen Als „hilflos“ im Sinne des Sozialrechts gilt, wer für regelmäßig wiederkehrende, alltägliche Verrichtungen auf fremde Hilfe angewiesen ist oder ständig dabei überwacht oder angeleitet werden muss. Genauso beschreiben die Pflegeeltern von Kevin T. das Leben mit ihrem Sohn. Er sei nicht in der Lage, seinen Tagesablauf sinnvoll und selbstständig zu gestalten. Ohne ihre Unterstützung würde er morgens nicht aufstehen, sich nicht waschen, anziehen oder etwas essen oder trinken. Jede Störung des vertrauten Ablaufs werfe ihn vollends aus der Bahn. Einkaufen gehen könne er nicht, weil er keinen Begriff vom Wert des Geldes habe. Im Straßenverkehr würde er Risiken falsch einschätzen. Der VdK legte Widerspruch gegen die Ablehnung des Merkzeichens „H“ ein. Das Landratsamt wies diesen zurück. Was folgte, war die Klage vor dem Sozialgericht in Dortmund, wo T. durch die dortige VdK-Rechtsabteilung vertreten wurde. VdK-Juristin Elahe Jafari-Neshat konnte erreichen, dass Professor Hans-Ludwig Spohr, Kinderarzt und Gründer des FASD-Zentrums an der Berliner Charité, als Gutachter hinzugezogen wurde. In seinem Gutachten hob er hervor, dass die notwendige Überwachung von T. vor allem, wenn er sich außerhalb der häuslichen Umgebung bewege, „einen wesentlichen Anteil der Pflegeverrichtung“ ausmache. Außerdem müsse er in seiner körperlichen und geistigen Entwicklung ständig beobachtet und gefördert werden, wodurch seine Hilflosigkeit begründet sei. Das Dortmunder Sozialgericht schloss sich schließlich dieser Meinung an und verurteilte das Landratsamt Soest dazu, das Merkzeichen „H“ bei Kevin T. anzuerkennen. Alles, was zur Alltagsbewältigung dazugehöre, sei bei dem jungen Mann nur mit „Druck und Kontrolle“ möglich. Das Merkzeichen „H“ ist unter anderem ausschlaggebend für steuerliche Vorteile, für den Anspruch auf Kraftfahrzeughilfe oder die kostenfreie Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs. Barbara Goldberg *Name der Redaktion bekannt

So hilft der VdK<br />

Zeitung <strong>Juni</strong> <strong>2023</strong><br />

5<br />

Erst ein Brief an den Vorstand half<br />

VdK erkämpfte Elektrorollstuhl für Mitglied, nachdem die Krankenkasse sich mit allen Mitteln verweigert hatte<br />

Die Krankenkasse brauchte vier<br />

Monate, um den Antrag von<br />

Mustafa B.* auf einen Elektrorollstuhl<br />

zu prüfen – und lehnte dann<br />

ab. B. stand plötzlich ohne funktionierenden<br />

Rollstuhl da, weil in der<br />

Zwischenzeit die Gewährleistung<br />

für sein defektes Modell abgelaufen<br />

war. Der VdK Niedersachsen-<br />

Bremen setzte eine Übergangsversorgung<br />

durch und legte Widerspruch<br />

gegen die Ablehnung ein.<br />

Doch erst ein Brief des VdK an den<br />

Krankenkassenvorstand half.<br />

Mustafa B. und die beiden jungen VdK-Mitglieder Eva und Simon, die<br />

sich über das gewonnene Verfahren gemeinsam freuten. Foto: privat<br />

Mustafa B. ist ein Kämpfer. Als<br />

junger Mann hat er geboxt, Fußball<br />

gespielt, im Sport immer alles<br />

gegeben. Doch vor 20 Jahren begann<br />

sein rechtes Knie zu schmerzen.<br />

Es war ständig entzündet. Als<br />

das Gelenk 2007 zudem bei einem<br />

Verkehrsunfall verletzt wurde,<br />

erhielt er ein künstliches Knie.<br />

Zahlreiche Operationen später<br />

geht es ihm allerdings nicht besser.<br />

Seit zehn Jahren sitzt der 58-Jährige<br />

im Rollstuhl und leidet unter<br />

chronischen Schmerzen.<br />

Im vergangenen Jahr kam zu<br />

seiner Leidensgeschichte ein weiteres<br />

Kapitel hinzu. Seine Krankenkasse<br />

verweigerte ihm beharrlich<br />

die Weiterversorgung mit einem<br />

E-Rollstuhl. „Die haben mir<br />

immer wieder Steine in den Weg<br />

gelegt. Das hat mich nervlich sehr<br />

belastet“, sagt das VdK-Mitglied.<br />

Was war passiert? B. hatte im<br />

Sommer 2022 einen Elektrorollstuhl<br />

beantragt. Der Gewährleistungszeitraum<br />

für seinen bisherigen<br />

Rollstuhl lief im Oktober ab. Bis<br />

dahin, dachte er, wird die Kasse<br />

den Antrag bearbeitet haben.<br />

VdK stellt Eilantrag<br />

Doch das war ein Irrtum. Die<br />

Krankenkasse zog die Antragsprüfung<br />

mit vielen Nachfragen in die<br />

Länge – obwohl B. Atteste und<br />

eine Verordnung einreichte, die<br />

belegten, dass das beantragte Modell<br />

für ihn aus medizinischer<br />

Sicht notwendig ist. B. leidet sowohl<br />

in der Schulter als auch in<br />

den Händen an Arthrose. Deshalb<br />

sollte der Rollstuhl elektrisch verstellbar<br />

sein. Die Kostenrechnung<br />

für das Modell lag bei 15 000 Euro.<br />

Als die Kasse den Antrag im Dezember<br />

ablehnte, war sein bisheriger<br />

Rollstuhl kaputt und konnte<br />

nicht mehr repariert werden.<br />

VdK-Rechtsberater Kai Pöpken<br />

stellte daraufhin einen Eilantrag<br />

beim Sozialgericht Oldenburg,<br />

weil sein Mandant ohne Rollstuhl<br />

das Haus nicht mehr verlassen<br />

konnte. Darunter litt er auch psychisch.<br />

Die Krankenkasse sah jedoch<br />

keine Eilbedürftigkeit und<br />

weigerte sich, die Kosten für einen<br />

Rollstuhl zu übernehmen. Als das<br />

Sozialgericht sie dazu verpflichtete,<br />

erhielt B. ein zehn Jahre altes<br />

Modell – und die Krankenkasse<br />

wollte weiterhin nicht zahlen. Pöpken<br />

legte dagegen Beschwerde<br />

beim Landessozialgericht ein und<br />

bekam Recht.<br />

Die Kostenübernahme für den<br />

geliehenen E-Rollstuhl war geklärt,<br />

doch der eigentliche Antrag<br />

auf einen neuen E-Rollstuhl noch<br />

immer nicht. Der VdK legte also<br />

Widerspruch gegen die Ablehnung<br />

ein. Als die Krankenkasse darauf<br />

nicht reagierte, schrieb Pöpken<br />

kurzerhand den Krankenkassenvorstand<br />

direkt an und setzte eine<br />

Frist, um weitere Verzögerungen<br />

zu vermeiden. Er teilte dem Vorstand<br />

mit, dass die Krankenkasse<br />

entgegen der Einschätzung des<br />

Medizinischen Dienstes und der<br />

Gerichte „mit fadenscheinigen und<br />

zum Teil widersprüchlichen Argumenten“<br />

die Versorgung ablehne.<br />

Dann die Überraschung: Nach<br />

einer guten Woche erhielt Mustafa<br />

B. die Bewilligung für die Versorgung<br />

mit dem beantragten Rollstuhl.<br />

Auch wenn sich die Lieferung<br />

verzögert, ist Mustafa B.<br />

heilfroh über das gute Ende: „Ich<br />

bin dem VdK dankbar, dass er an<br />

meiner Seite stand und mir geholfen<br />

hat, als es mir sehr schlecht<br />

ging.“ <br />

Jörg Ciszewski<br />

*Name der Redaktion bekannt<br />

Schwieriger Kampf um Anerkennung<br />

VdK erreicht Merkzeichen für Mitglied mit Fetalen Alkoholspektrum-Störungen<br />

Foto: picture alliance/Zoonar rotoGraphics<br />

Jährlich kommen in Deutschland<br />

etwa 10 000 Kinder mit einer<br />

schweren Erkrankung auf die Welt,<br />

den sogenannten Fetale Alkoholspektrum-Störungen<br />

(Fetal Alcohol<br />

Spectrum Disorders, FASD). Die<br />

Symptome sind vielschichtig und<br />

werden oft fehlgedeutet. Betroffene<br />

müssen um die Anerkennung als<br />

Menschen mit einer lebenslangen<br />

Behinderung kämpfen. Der VdK half<br />

dem Mitglied Kevin T. dabei.<br />

Ursache für die Erkrankung ist<br />

Alkoholkonsum der Mutter während<br />

der Schwangerschaft. Patienten<br />

mit FASD fehlt häufig die Fähigkeit,<br />

vorausschauend zu handeln,<br />

Gelerntes umzusetzen,<br />

Vereinbarungen einzuhalten und<br />

Konflikte zu lösen, was in ihrem<br />

Umfeld immer wieder zu Unverständnis<br />

und Spannungen führt.<br />

Alkoholkonsum in der Schwangerschaft<br />

ist gefährlich für das Kind.<br />

Auch VdK-Mitglied Kevin T. aus<br />

dem Landkreis Soest leidet an<br />

FASD. Aufgrund dieser Diagnose<br />

wurde ihm ein Grad der Behinderung<br />

von 50 zuerkannt, der später<br />

auf 70 heraufgesetzt wurde. Ein<br />

Gutachten bescheinigte Kevin T.<br />

eine unterdurchschnittliche Intelligenz<br />

und Verhaltensauffälligkeiten.<br />

Seinen Führerschein musste<br />

er abgeben, seine Ausbildung zum<br />

Pferdepfleger brach er ab. Für ihn<br />

wurde außerdem das Merkzeichen<br />

„H“ für Hilflosigkeit beantragt,<br />

was das Landratsamt Soest allerdings<br />

ablehnte.<br />

Auf Hilfe angewiesen<br />

Als „hilflos“ im Sinne des Sozialrechts<br />

gilt, wer für regelmäßig<br />

wiederkehrende, alltägliche Verrichtungen<br />

auf fremde Hilfe angewiesen<br />

ist oder ständig dabei überwacht<br />

oder angeleitet werden<br />

muss. Genauso beschreiben die<br />

Pflegeeltern von Kevin T. das Leben<br />

mit ihrem Sohn. Er sei nicht in<br />

der Lage, seinen Tagesablauf sinnvoll<br />

und selbstständig zu gestalten.<br />

Ohne ihre Unterstützung würde er<br />

morgens nicht aufstehen, sich<br />

nicht waschen, anziehen oder etwas<br />

essen oder trinken. Jede Störung<br />

des vertrauten Ablaufs werfe<br />

ihn vollends aus der Bahn. Einkaufen<br />

gehen könne er nicht, weil<br />

er keinen Begriff vom Wert des<br />

Geldes habe. Im Straßenverkehr<br />

würde er Risiken falsch einschätzen.<br />

Der VdK legte Widerspruch<br />

gegen die Ablehnung des Merkzeichens<br />

„H“ ein. Das Landratsamt<br />

wies diesen zurück. Was folgte, war<br />

die Klage vor dem Sozialgericht in<br />

Dortmund, wo T. durch die dortige<br />

VdK-Rechtsabteilung vertreten<br />

wurde.<br />

VdK-Juristin Elahe Jafari-Neshat<br />

konnte erreichen, dass Professor<br />

Hans-Ludwig Spohr, Kinderarzt<br />

und Gründer des FASD-Zentrums<br />

an der Berliner Charité, als Gutachter<br />

hinzugezogen wurde. In<br />

seinem Gutachten hob er hervor,<br />

dass die notwendige Überwachung<br />

von T. vor allem, wenn er sich außerhalb<br />

der häuslichen Umgebung<br />

bewege, „einen wesentlichen Anteil<br />

der Pflegeverrichtung“ ausmache.<br />

Außerdem müsse er in seiner<br />

körperlichen und geistigen Entwicklung<br />

ständig beobachtet und<br />

gefördert werden, wodurch seine<br />

Hilflosigkeit begründet sei. Das<br />

Dortmunder Sozialgericht schloss<br />

sich schließlich dieser Meinung an<br />

und verurteilte das Landratsamt<br />

Soest dazu, das Merkzeichen „H“<br />

bei Kevin T. anzuerkennen. Alles,<br />

was zur Alltagsbewältigung dazugehöre,<br />

sei bei dem jungen Mann<br />

nur mit „Druck und Kontrolle“<br />

möglich.<br />

Das Merkzeichen „H“ ist unter<br />

anderem ausschlaggebend für steuerliche<br />

Vorteile, für den Anspruch<br />

auf Kraftfahrzeughilfe oder die<br />

kostenfreie Nutzung des öffentlichen<br />

Personennahverkehrs.<br />

Barbara Goldberg<br />

*Name der Redaktion bekannt

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