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Geleitwort - Kai Homilius Verlag

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GRH e.V. • SIEGERJUSTIZ?


KAI HOMILIUS VERLAG 2003<br />

EDITION ZEITGESCHICHTE BAND 9


Ich habe ja nichts gegen Klassenjustiz.<br />

Mir gefällt nur die Klasse nicht, die<br />

sie macht. Und daß sie noch so tut, als<br />

sei das Zeug Gerechtigkeit – das ist<br />

hart und bekämpfenswert.<br />

Kurt Tucholsky


IMPRESSUM<br />

Herausgeber: GRH e.V.<br />

mit Beiträgen von:<br />

Hans Bauer,<br />

Eleonore Heyer,<br />

Günther Sarge,<br />

Karli Coburger,<br />

Horst Bischoff,<br />

Erich Buchholz,<br />

Werner Engst,<br />

Herbert Kelle,<br />

<strong>Geleitwort</strong>: Hans Modrow<br />

Einleitung: Arnold Schölzel<br />

Nachwort: Siegfried Mechler<br />

© <strong>Kai</strong> <strong>Homilius</strong> <strong>Verlag</strong> 2003<br />

Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des<br />

<strong>Verlag</strong>es ist es nicht gestattet, dieses Werk oder Teile<br />

daraus auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu<br />

vervielfältigen oder in Datenbanken aufzunehmen.<br />

Titelgestaltung: Thomas K. Müller / KM Design, Berlin<br />

Satz & Layout: KM Design, Berlin<br />

Lektorat: Dr. Gerhard Eichhorn / Egon Schröder<br />

Technische Zuarbeit: Bernhard Riebe<br />

Druck: Ueberreuter, Korneuburg Austria<br />

ISBN: 3-89706-887-7<br />

Preis: € 34<br />

Redaktionsschluss: 12. Mai 2003<br />

www.edition-zeitgeschichte.de<br />

www.sieger-justiz.de<br />

Email: home@<strong>Kai</strong>-Berlin.de<br />

Christburger Strasse 4, 10405 Berlin<br />

Tel.: 030 - 443 423 55 / Fax: 030 - 443 425 97<br />

Die Deutsche Bibliothek-CIP-Einheitsaufnahme<br />

GRH e.V.<br />

Siegerjustiz? / GRH e.V. - Berlin:<br />

<strong>Kai</strong> <strong>Homilius</strong> <strong>Verlag</strong>, 2003<br />

ISBN 3-89706-887-7<br />

Ne: GT


INHALTSVERZEICHNIS<br />

<strong>Geleitwort</strong>, Hans Modrow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />

Einleitung, Arnold Schölzel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

Politische Strafverfolgung im vereinten Deutschland<br />

Hans Bauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Politische und juristische Ausgangslage 29<br />

2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organisation der Verfolgung 33<br />

3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schaffung der juristischen Voraussetzungen 37<br />

4. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organisierter Widerstand gegen die Verfolgung 47<br />

5. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umfang Ergebnisse und Folgen der Verfahren 52<br />

Strafverfolgung von DDR-Juristen<br />

Eleonore Heyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />

Recht oder Unrecht - Um die Wahrheit geht es<br />

Günther Sarge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95<br />

1. . . . Politischer Auftrag und Verfolgungswille zur Verurteilung der DDR 97<br />

2. . . . . . Rechtskonstruktionen kontra Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht 111<br />

3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wertungen und Schlussfolgerung 132<br />

Strafverfolgung von Angehörigen des MfS<br />

Horst Bischoff / Karli Coburger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139<br />

1. . . . . . . . . . . . . . . Gesellschaftliche Ächtung und Ausgrenzung des MfS 141<br />

2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bearbeitung von NS-Verbrechen 152<br />

3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mordvorwürfe 157<br />

4. . . . . . . . . . . . . . . . . Kriminalisierung der Aufklärungstätigkeit des MfS 184<br />

5. . . . . . . . . . . Vorgebliche Nutzung von Röntgenstrahlen und Missbrauch 190<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .der Psychiatrie sowie der Postkontrolle<br />

6. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzmanipulationen 201<br />

7. . . . . . . . . . . . . . . . . .Verschleppung, Rechtsbeugung, Körperverletzung 207<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .und Freiheitsberaubung


8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Kriminalisierung von Inoffiziellen Mitarbeitern 228<br />

9. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Schlussbemerkungen 236<br />

Rechtsfragen der Strafverfolgung von Hoheitsträgern der DDR durch die<br />

bundesdeutsche Justiz<br />

Buchholz, Erich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253<br />

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255<br />

1. . . . . . . . . . . . . Die von Rechts wegen zugrunde zu legende Rechtslage<br />

2. . . . . . . . . . . . . Die Unterwerfung von DDR-Bürgern unter ein fremdes,<br />

258<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .das bundesdeutsche Justizsystem 268<br />

3. . . . . . . . . . . . . Zur Problematik der Rekonstruktion von Sachverhalten<br />

4. . . . . . . . . . . . Die Rekonstruktion zur Verfolgung von Angehörigen der<br />

286<br />

. . . . . . . . . . . . .Grenztruppen der DDR wegen der „Toten an der Mauer“ 309<br />

5. . . . . . . . . . . . . . Die Rekonstruktion zur Verfolgung führender Militärs<br />

. . . . . . . . . . . . . .und Politiker der DDR wegen der „Toten an der Mauer“ 346<br />

6. . . . . . . . . . Die Rekonstruktion zur Verfolgung von DDR-Richtern und<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .-Staatsanwälten 378<br />

7. . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten bei der Verfolgung von in Waldheim<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .tätig gewesenen Richtern und Staatsanwälten 434<br />

8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Aushebelung des Rückwirkungsverbots 453<br />

9. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Aushebelung der Verjährung<br />

10. . . . . . . . . . Missachtung der dem DDR-Strafrecht zu Grunde liegende<br />

461<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .und die ihm innewohnenden Doktrinen 475<br />

11. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse 493<br />

Annex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498<br />

Persönliche Erlebnisberichte von politischer Strafverfolgung durch die<br />

bundesdeutsche Justiz direkt Betroffener<br />

Aufgezeichnet von Werner Engst / Herbert Kelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511<br />

- . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Irmgard Jendretzky 515<br />

- . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerda Klabuhn 529<br />

- . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernhard Geier 539<br />

- . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erich Gaida 553<br />

- . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heinz Geschke 567


Nachwort<br />

Siegfried Mechler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587<br />

Anhang<br />

1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Personenregister 593<br />

2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachwortverzeichnis 601<br />

3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis 631<br />

4. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Verzeichnis der angeführten Rechtsvorschriften<br />

5. . . . . . . . . . . . . . . .Verzeichnis der angeführten Gerichtsentscheidungen<br />

641<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . .nach Gerichtsebene und Zeitfolge der Entscheidung 649<br />

6. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Verzeichnis der angeführten Literatur 655<br />

7. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Weiterführender Literaturhinweise 671<br />

8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Beiträge aus „Informationen“ der GRH 683<br />

9. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Wort- und Begriffserläuterungen 693<br />

10. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dokumentenanhang 695


Gesetz ist lediglich der Ausdruck des<br />

Willens der zur Zeit Stärksten. Deshalb<br />

sind Gesetze nicht beständig, sondern<br />

wandeln sich von Generation zu Genration.<br />

Brooks Adams<br />

US-Amerikanischer Historiker (1848-1927)


<strong>Geleitwort</strong><br />

Hans Modrow<br />

Auch wenn die Kette von Anklagen und Prozessen<br />

gegen Richter, Staatsanwälte, Militärs, Ärzte und<br />

Funktionäre der ehemaligen DDR noch nicht abgerissen ist,<br />

auch wenn über Strafrente und andere Mittel weiterhin<br />

Zehntausende Bürger im Osten des „einig Vaterland“ systematisch<br />

ausgegrenzt und gedemütigt werden, ist doch die<br />

Zeit für eine Bilanz und Wertung dieser Seite der sogenannten<br />

Nachwendezeit gekommen. Mit dem vorliegenden Buch<br />

leisten die Autoren dafür einen wichtigen Beitrag.<br />

Es ist ein politisches Buch, wie auch die diversen Prozesse<br />

einen politischen Charakter trugen und tragen,<br />

wenngleich Vertreter der bundesdeutschen Justiz nicht müde<br />

werden, das zu bestreiten. Gelegentlich rücken sie doch mit<br />

der Wahrheit ’raus. So erklärte der Richter am Sächsischen<br />

Landgericht in meinem Prozess, dass allein die Anklage meiner<br />

Person als Ministerpräsident a.D. der DDR politischen<br />

Charakter trage.<br />

Über den Portalen von Gerichtssälen wird die Dame Justizia<br />

mit verbundenen Augen gezeigt, was symbolisieren soll, dass<br />

die Rechtsprechung unabhängig und frei von äußerer Beeinflussung<br />

durch öffentliche Meinung und Politik urteilt. In der<br />

Praxis ist in keinem gesellschaftlichen System und zu keiner<br />

Zeit dieser Grundsatz konsequent und umfassend durchgesetzt<br />

worden. Politik und Justiz standen und stehen immer in engster<br />

Wechselbeziehung.<br />

Die direkte Abhängigkeit der Rechtsprechung von den politischen<br />

Vorgaben und Weisungen „von oben“ gehört zu den<br />

15


GELEITWORT<br />

dunklen Kapiteln der DDR-Geschichte. Im Bemühen, diese<br />

Fehlentwicklung zu korrigieren, wurden in der Endphase der<br />

DDR Gesetze erlassen, die darauf gerichtet waren, den<br />

Einfluss der Politik auf die Rechtsprechung zurückzudrängen<br />

und die in der Verfassung verankerte Gewaltenteilung zwischen<br />

Parlament, Regierung und Justiz zu achten und zu<br />

wahren. Die Volkskammer setzte am 13. November 1989,<br />

noch vor der Regierungsbildung, einen Sonderausschuss zur<br />

Untersuchung von Amtsmissbrauch und Privilegien ein; den<br />

gleichen Schritt vollzog wenig später die von mir geleitete<br />

Regierung. Die Arbeit beider Ausschüsse harrt noch immer<br />

einer gründlichen Analyse, für die gewiss ein öffentliches<br />

Interesse bestünde.<br />

Wenn heute behauptet wird, die politische Strafverfolgung<br />

von hohen Amtsträgern der DDR habe auf Wink und<br />

Weisung der Modrow-Regierung eingesetzt, so ist das eine<br />

bewusste Irreführung der Öffentlichkeit und dient der<br />

Rechtfertigung der Siegerjustiz. Tatsache ist, dass die Staatsanwaltschaft<br />

der DDR aus eigener Initiative oder auf<br />

Aufforderung des parlamentarischen Ausschusses im Spätherbst<br />

1989 Verfahren eingeleitet hat. Eine Aufforderung<br />

dazu von Seiten der Arbeitsgruppe der Regierung hat es<br />

nicht gegeben. Der vorauseilende Gehorsam mancher Staatsanwälte,<br />

gipfelnd in der Anklage gegen Erich Honecker wegen<br />

Hochverrats, stand im Widerspruch zu dem gültigen Recht<br />

und zur Verfassung der DDR.<br />

Zum vordringlichsten Anliegen in meiner Regierungszeit<br />

gehörte es, in Hinblick auf die sich immer klarer abzeichnende<br />

staatliche Vereinigung die Obhutpflicht gegenüber den<br />

Bürgern der DDR zu erfüllen. Aus diesem Grund haben wir<br />

darauf hingewirkt, dass im Zwei-plus-Vier-Vertrag 1 die Frage<br />

der Eigentumsrechte von 1945-1949 geregelt und über ein<br />

16


Hans Modrow<br />

spezielles Gesetz DDR-Bürgern der Kauf von Häusern und<br />

Boden ermöglicht wurde. Objektiv betrachtet wurden damit<br />

Voraussetzungen für eine Vereinigung der beiden deutschen<br />

Staaten unter annähernd fairen Bedingungen geschaffen.<br />

Dass sich dies nur kurze Zeit später ins Gegenteil verkehrte,<br />

konnte oder wollte zu dieser Zeit noch niemand ahnen. Die<br />

Frage der Strafverfolgung blieb der Willkür der anderen Seite<br />

überlassen, deren Justizminister Kinkel den politischen<br />

Auftrag erteilte, die DDR zu delegitimieren, das heißt zum<br />

Unrechtstaat zu deklarieren und auch so zu behandeln. 2<br />

Auf Anfragen erklärte Michail Gorbatschow später, er habe<br />

seinerzeit mit Helmut Kohl eine mündliche Absprache<br />

getroffen, wonach es keine politisch-juristische Verfolgung<br />

von Bürgern der DDR und ihren Hoheitsträgern geben<br />

werde. Ob das so war, steht dahin. Tatsache ist, dass der<br />

Oberste Sowjet der UdSSR bei der Ratifizierung des Zweiplus-Vier-Vertrages<br />

im März 1991 forderte, dass die<br />

Menschenrechte gegenüber den Bürgern der DDR eingehalten<br />

werden und niemand wegen seiner politischen Motive<br />

verfolgt werden darf.Als ich in dieser Sache Helmut Kohl um<br />

Klarstellung ersuchte, teilte mir das Kanzleramt lakonisch<br />

mit, die Bundesrepublik sei diesbezüglich an keine Absprachen<br />

oder Zusagen gebunden und die Prozesse würden daher<br />

rechtmäßig durchgeführt werden. Und so hat, mit politischem<br />

Segen und Wohlwollen, die bundesdeutsche Justiz ihren<br />

Auftrag ausgeführt und sich als Magd der Politik erwiesen.<br />

Die Mehrzahl der Rechtswissenschaftler bezweifelt in ihren<br />

Kommentaren und Auslegungen die rechtlichen Grundlagen<br />

der geführten Prozesse, weil der politische Charakter offenkundig<br />

war. Geradezu allergisch reagierte die Sonderstaatsanwaltschaft<br />

mit dem Herrn Schaefgen an der Spitze auf den<br />

Vorwurf der Siegerjustiz — aber genau das war es und ist es<br />

17


GELEITWORT<br />

noch, wie die Autoren des vorliegenden Buches an Hand<br />

zahlreicher Beispiele belegen.<br />

Wer wie ich gleich zweimal im Verlauf der 90-er Jahre vor den<br />

Schranken des Gerichtes stand, konnte die Rollenverteilung<br />

aus nächster Nähe beobachten: Die „Ossis“ sind die Angeklagten,<br />

schuldig bis zum Beweis des Gegenteils, allein schon<br />

deswegen, weil sie diesem System gedient hatten, und die<br />

„Wessis“ die Ankläger und Richter.Angeblich sollte das Recht<br />

der DDR zu Grunde gelegt werden, doch wurde gerade dieses<br />

Recht nach Strich und Faden gebeugt. Ich will nicht unterstellen,<br />

dass die Richter und Staatsanwälte von vornherein<br />

aus böser Absicht handelten und sich von schnöden Rachegedanken<br />

leiten ließen. Für sie war die DDR, wie von der<br />

Politik jahraus, jahrein suggeriert, ein feindlicher Staat; nun<br />

hatten sie Gelegenheit, über die Hoheitsträger dieses Staates<br />

und damit auch über den alten sozialistischen Feind zu richten<br />

— was sie mit dem politischen Auftrag im Rücken auch<br />

mehrheitlich taten.Aus antikommunistischer Fremdbewertung<br />

der DDR und ihres Rechtes erwuchs eine Fremdjustiz, die<br />

sich als Siegerjustiz betätigte. Wie dünn das Eis war, auf dem<br />

man sich bewegte, zeigt sich auch darin, dass es bei über<br />

80.000 eingeleiteten Verfahren „nur“ zu mehreren hundert<br />

Prozessen und Verurteilungen kam, was aber nicht für die<br />

Milde der Justiz, sondern für die Fragwürdigkeit ihres<br />

Vorgehens spricht. Wer fragt danach, welches persönliche<br />

Leid, Demütigung, Depression bis hin zum Freitod jene<br />

Verfahren ausgelöst haben, die im Sande verlaufen sind, doch<br />

für immer gezeichnete Menschen hinterlassen haben? Oder<br />

danach, welche soziale Belastung bis zum Rand des Ruins es<br />

bedeutet, in dieser Gesellschaft einen Prozess durchzufechten?<br />

Eine eigene kritische Sicht auf die Justiz der DDR ist gewiss<br />

notwendig — aber wer soll dies leisten, wenn jede objektive,<br />

18


Hans Modrow<br />

vorurteilsfreie Betrachtung Gefahr läuft, Gegenstand von<br />

Gerichtsprozessen zu werden, in denen die Sieger das Sagen<br />

haben? So bleibt das Buch ein guter Anfang, dem noch weitere<br />

Darstellungen folgen mögen.<br />

Hans Modrow<br />

1 - Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland (Zwei-plus-<br />

Vier-Vertrag). 12. September 1990. In: BGB l. II, S. 1318.<br />

2 - Kinkel, Klaus: Begrüßungsansprache vor dem 15. Deutschen Richtertag am 23. September<br />

1991 in Köln. In: DRiZ, Heft 1/1992, S. 4 ff. (S. Dokumentenanhang)<br />

19


Einleitung<br />

Zweierlei Recht<br />

Arnold Schölzel<br />

Am 3. Oktober 1990 wurde aus dem souveränen Staat,<br />

dem Mitglied der Vereinten Nationen DDR, eine<br />

Zone der Bundesrepublik Deutschland. Auf Beschluss der<br />

Volkskammermehrheit, vor allem der „Allianz für Deutschland“<br />

und der von dem Theologieprofessor Richard Schröder<br />

geführten SPD der DDR, verwandelte sich ein formal mit der<br />

BRD gleichberechtigtes Völkerrechtssubjekt in ein Sondergebiet,<br />

in dem die bis dahin auf seinem Territorium gültigen<br />

Rechtsgrundsätze und gesetzlichen Vorschriften abgeschafft,<br />

aber die in der Bundesrepublik gültigen nur in eingeschränkter<br />

Form oder überhaupt nicht in Kraft traten. Weder<br />

Gleichheit vor dem Gesetz noch das Verbot rückwirkender<br />

Strafandrohung konnten von Ex-DDR-Bürgern ab diesem<br />

Datum generell in Anspruch genommen werden. Millionen<br />

Menschen wurde dies in verwaltungs- und arbeitsrechtlichen<br />

Konflikten zu spät bewusst. Spektakuläre Resonanz in den<br />

Medien fanden die Prozesse gegen DDR-Repräsentanten<br />

sowie einige der Verfahren gegen Mitarbeiter des Staatsapparates<br />

oder der Justiz, die in diesem Buch im Vordergrund<br />

stehen. Sie beruhten, wie der Westberliner Jurist Uwe Wesel<br />

konstatierte, auf „abenteuerlichen juristischen Konstruktionen“.<br />

Per Definition, eben durch Schaffung des Sonderrechts,<br />

begann 1990 eine Geschichte rechtsförmiger Unrechtspraxis,<br />

die in der deutschen Geschichte in Umfang, Härte und politisch<br />

motiviertem Vernichtungswillen zwar durch die<br />

Verbrechen der 12 Jahre wütenden Nazi-Justiz übertroffen<br />

wird, deren Rechtsnihilismus vermutlich aber für die weitere<br />

Entwicklung verheerendere Auswirkungen haben wird. Seit<br />

21


EINLEITUNG<br />

150 Jahren ist Antikommunismus in der deutschen politischen<br />

Justiz — mit Ausnahme der DDR — das leitende<br />

Motiv — eine Kontinuität, die vom <strong>Kai</strong>serreich über die<br />

Weimarer Republik, das Nazi-Reich und die Bundesrepublik<br />

das 20. Jahrhundert hindurch fortwirkte. Seit dem Wegfall der<br />

sozialistischen Staaten und vorläufig jeder inneren Bedrohung<br />

der herrschenden Gesellschaftsordnung entfällt der<br />

Zwang, sich wenigstens pro forma an elementaren Rechtsgrundsätzen<br />

zu orientieren.<br />

Im Fall DDR kommt zur grassierenden Verachtung des<br />

Rechts unter den maßgebenden Juristen und Politikern noch<br />

hinzu: Es geht in letzter Instanz um schlichten Diebstahl.<br />

Denn ökonomisch gesehen war der Anschluss der DDR die<br />

Übernahme einer beträchtlichen Immobilie, die juristisch<br />

gesehen die falschen Besitzer hatte — kollektiv und individuell.<br />

Den größten Aufwand und Eifer entfaltete die<br />

Sonderjustiz daher bei Regelung der Eigentumsübertragungen<br />

an Grund und Boden. Spezielle Verfügungen ermöglichen,<br />

dass rechtswidrige Entscheidungen bei der Durchsetzung<br />

des Grundsatzes „Rückgabe vor Entschädigung“<br />

straffrei bleiben. Der in vielen Fällen geringe Widerstand der<br />

Ostdeutschen wird notfalls durch Willkür und Schikane<br />

gebrochen. Es ist gewährleistet, dass der „Rückübertragung“<br />

genannte vermutlich größte Raubzug der Geschichte weitgehend<br />

geräuschlos vonstatten geht. Peter Hacks hat die staatlich<br />

geregelte Plünderei in den neunziger Jahren so beschrieben:<br />

„Regierung, Parlament,<br />

Justiz, die drei Gewalten,<br />

Sind, was man Diebstahl nennt,<br />

In drei Gestalten.“<br />

Dass Staaten in konterrevolutionären und Restaurationszeiten<br />

mit „unkonventionellen“ Mitteln die Ordnung des<br />

Privateigentums wiederherstellen, also zu Räuberhöhlen<br />

werden, gehört zu den Banalitäten der Geschichte. Der<br />

Unterschied zu Restaurationen z.B. des 19. Jahrhunderts ist<br />

22


Arnold Schölzel<br />

aber, dass es sich heute bei der Bundesrepublik nach den<br />

Worten des derzeit amtierenden Bundeskanzlers um eine<br />

„europäische Mittelmacht“ handelt. Sie hat seit 1990 — siehe<br />

ihre Führungsrolle bei der Zerschlagung Jugoslawiens —<br />

weltpolitische Ambitionen. Die offene und die verdeckte<br />

Teilnahme an drei Angriffskriegen — Jugoslawien,<br />

Afghanistan und Irak — war nur konsequent.<br />

Die Leichtigkeit, mit der 1990 elementare Rechtsvorschriften<br />

für Ex-DDR-Bürger außer Kraft gesetzt wurden, ist zur<br />

generellen Haltung bundesdeutscher Politik und Justiz im<br />

Umgang mit nationalem und internationalem Recht geworden.<br />

Der Sozialstaat, eine in mühsamen Auseinandersetzungen<br />

errungene zivilisatorische Errungenschaft, steht<br />

inzwischen offen zur Disposition. Entsprechende UN-Konventionen,<br />

die auch die Bundesrepublik unterzeichnet hat,<br />

werden von Politikern, Medien und Juristen mit Hohn und<br />

Verachtung behandelt. Völkerrechtliche Grundsätze wie das<br />

Verbot des Angriffskrieges, die Strafandrohung des Grundgesetzes<br />

für seine Vorbereitung werden von Politik und obersten<br />

Justizinstitutionen für irrelevant erklärt, in dem<br />

Moment, in dem sie gebrochen werden. Für die 2003 zu verabschiedenden<br />

Verteidigungspolitischen Richtlinien der<br />

Bundeswehr wird von Politikern der CDU wie Wolfgang<br />

Schäuble oder verantwortlichen Militärs wie dem Generalinspekteur<br />

Wolfgang Schneiderhan die „Weiterentwicklung“<br />

des Völkerrechts zum Recht auf „Präventiv“schläge öffentlich<br />

diskutiert. Das fällt zurück hinter die Anerkennung der<br />

Staatensouveränität, die in Europa durch den Westfälischen<br />

Frieden von 1648 etabliert wurde, und macht mittelalterliche<br />

Kreuzzugsideen vom „gerechten“ Krieg hoffähig. Die groteske<br />

Begründung für die „Weiterentwicklung“ des Völkerrechts<br />

lautet häufig, es habe nichts bewirkt. Mit derselben<br />

Begründung könnten angesichts der stetig steigenden<br />

Kriminalitätsquote in der Bundesrepublik sämtliche Strafen<br />

für Diebstahl, Mord oder Korruption „weiterentwickelt“<br />

23


EINLEITUNG<br />

werden. Das geschieht insofern tatsächlich in dem Sinn, dass<br />

insbesondere der 11. September zum Vorwand genommen<br />

wurde, mit einem Gesetzespaket willkürliche Repressionsakte<br />

von Polizei und Justiz zu ermöglichen. Die Bundesrepublik<br />

ist, wie Anfang Mai 2003 bekannt wurde, in kürzester<br />

Zeit z. B. allein bei den Abhörmaßnahmen, die offiziell<br />

registriert wurden, Weltmeister. Die geheimdienstlich veranlassten<br />

Lauschangriffe sind in den veröffentlichten Zahlen<br />

selbstverständlich nicht enthalten.<br />

Die Verdrehung und Missachtung von Grundsatznormen des<br />

Rechts wurde mit dem Anschluss der DDR System. Die<br />

Beseitigung der DDR-Experten in Staat, Wissenschaft,<br />

Medien, Wirtschaft, Kultur und allen Leitungsbereichen<br />

wurde vor allem mit arbeitsrechtlichen und verwaltungsrechtlichen<br />

Verfügungen vollzogen, d. h. außerhalb der<br />

Öffentlichkeit. Zahlreiche Vorschriften des dabei vor 13<br />

Jahren installierten Sonderrechts gelten bis heute oder wirken<br />

bis heute nach. Das betrifft z.B. sämtliche Angehörigen<br />

des öffentlichen Dienstes, also etwa Wissenschaftler oder<br />

Opernsänger, von deren „Dienstalter“ am 3. Oktober 1990<br />

schlicht bis zu acht Jahren verschwanden: Wer zu diesem<br />

Datum 50 war, erhielt Gehalt nach dem Tarif für 42jährige —<br />

selbstverständlich nach dem ostdeutschen Tarif, der bis heute<br />

in den meisten ostdeutschen Bundesländern nicht an den altbundesdeutschen<br />

angeglichen wurde. Dabei wird es bis zur<br />

Rente bleiben. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gilt seit<br />

1990 mit Zustimmung der DGB-Gewerkschaften nicht für<br />

Ex-DDR-Bürger. Die Verhängung von Strafrenten, bis heute<br />

hartnäckig abgestritten, obwohl durch höchste Urteile bestätigt,<br />

ist eine Innovation der bundesdeutschen Justiz. Enteignungen<br />

dieser Art gab es in der deutschen Geschichte bis<br />

dahin nicht. Ostdeutsche Professoren hatten sich — entgegen<br />

den Grundgesetzbestimmungen zur Freiheit der Berufswahl<br />

oder der Freiheit der Lehre — für ihre Lehrstühle neu zu<br />

bewerben. In Westdeutschland niemand. Der „Abwicklung“<br />

24


Arnold Schölzel<br />

genannten pauschalen Schließung ganzer Institute und<br />

Akademien fielen zehntausende Wissenschaftler zum Opfer.<br />

Zum Rechtsnihilismus gehört krimineller Dilettantismus in<br />

der Justiz, die Ersetzung von Rechtsvorschriften durch systematische<br />

Schikane. An die Stelle von Beweisen treten Ignoranz<br />

und politisch motivierte Verdächtigung. Was das für die<br />

einzelne oder den einzelnen bedeutet, schildern von der politischen<br />

Justiz Verfolgte in diesem Buch: Es bedeutet Verhaftung<br />

wegen Fluchtgefahr, wenn man sich gestellt hat, es<br />

bedeutet Entwürdigung, wenn man um menschliche Behandlung<br />

nachsucht, es bedeutet Gesundheitsgefährdung, wenn<br />

man in die Fänge krimineller oder nur karrieregeiler<br />

Staatsanwälte gerät. Es geht aber auch bei diesem Problem<br />

der Kleinlichkeit, Schikane und Willkür um Grundsätzliches.<br />

Zur Illustration sei ein Artikel aus der „Berliner Morgenpost“<br />

vom 6. Mai 2003 angeführt, der mit dem Titel versehen war:<br />

„Brandenburger Gerichte verletzen Grundrecht“. Der Autor<br />

führt ein Urteil des Landesverfassungsgerichtes Brandenburg<br />

an, in dem der Verwaltungsjustiz des Landes attestiert wurde,<br />

regelmäßig durch Verschleppung von Verfahren gegen die<br />

Verfassung zu verstoßen. Das Grundrecht auf ein zügiges<br />

Verfahren werde dadurch verletzt, man kann auch sagen: In<br />

Brandenburg existiert es nicht. Die Zeitung des Springer-<br />

Konzerns verschweigt allerdings, welche Art Verfahren sich<br />

hinter der „extrem hohen Zahl“ von 24 500 verbirgt: Es sind<br />

zum größten Teil Auseinandersetzungen um Rückübertragungs-<br />

und Eigentumsfragen, die durch den „Einigungsvertrag“<br />

in Gang gekommen sind. Einige dieser Verfahren<br />

ziehen sich mehr als ein Jahrzehnt hin, nicht zuletzt deswegen,<br />

weil Seilschaften von westdeutschen Juristen hartnäckig<br />

versuchen, selbst das für Ostdeutsche ungünstige<br />

Recht des Einigungsvertrages noch weiter zu deren Nachteil<br />

zu korrigieren. Das Justizministerium Brandenburg gilt selbst<br />

nach den niedrigen Standards bundesdeutscher Rechtspflege<br />

als Skandaleinrichtung.<br />

25


EINLEITUNG<br />

Dreizehn Jahre nach der deutschen „Einheit“ ist das Sonderrecht<br />

in vielen Bereichen Ostdeutschlands weiter in Kraft<br />

und degradiert dessen Bewohner zu Bürgern zweiter Klasse.<br />

Der Rechtsanwalt und Bundestagsabgeordnete für Bündnis<br />

90/Die Grünen, Christian Ströbele, stellte einmal erstaunt<br />

fest, dass es bei Gerichtsverfahren in Brandenburg vorkomme,<br />

dass er als Verteidiger, der Staatsanwalt und der Richter<br />

aus Westdeutschland seien, nur der Angeklagte Ostdeutscher<br />

sei. Professor Hermann von Berg, Mitte der 80er Jahre aus<br />

der DDR ausgebürgert und nach seiner Rückkehr selbst<br />

Opfer eines mit kriminellen Methoden betriebenen Rückübertragungsverfahrens<br />

in Brandenburg, charakterisiert die<br />

justiziellen Zustände als die eines „verwesenden Rechtsmittelstaates“.<br />

An einem Verfahren — ob gewollt oder ungewollt<br />

— in diesem Justizsystem teilzunehmen, ist zuerst eine<br />

Frage des Einkommens und des Vermögens.<br />

Zweierlei Recht ist in einem Land, dessen Verfassung im<br />

ersten Artikel mit einer Lüge beginnt, Voraussetzung des<br />

juristischen Geschäfts. Die Aussage „Die Würde des<br />

Menschen ist unantastbar“ ist in einer Gesellschaft, deren<br />

Mitglieder zu 99 Prozent gezwungen sind, täglich ihre<br />

Arbeitskraft und sich selbst zu verkaufen, angesichts von<br />

Existenznot Millionen Arbeitsloser, Obdachloser und<br />

Sozialhilfeempfänger mehr als Hohn. Der Satz ist Ausdruck<br />

des real existierenden Justizzynismus, dass die Aussagen des<br />

Rechts nicht für alle gelten, im Zweifel stets nur für eine verschwindend<br />

geringe Minorität. Der Satz „Die Würde des<br />

Menschen soll unantastbar werden“ wäre nicht nur adäquat,<br />

er müsste ein anderes Rechtsverständnis zur Folge haben als<br />

das, von dem in diesem Buch berichtet wird.<br />

Berlin, 12. Mai 2003<br />

Arnold Schölzel<br />

26


POLITISCHE<br />

STRAFVERFOLGUNG IM<br />

VEREINTEN DEUTSCHLAND<br />

Hans Bauer


POLITISCHE STRAFVERFOLGUNG<br />

Hans Bauer<br />

Jg. 1941, 1959 Abitur; 1961 Studium der Rechtswissenschaft, Diplom-Jurist; 1978<br />

Diplom-Gesellschaftswissenschaftler. 1966 Staatsanwalt, seit 1971 beim Generalstaatsanwalt<br />

der DDR, 1973 Stellvertreter und seit 1986 Abteilungsleiter. 1989/90<br />

Stellvertreter des Generalstaatsanwaltes der DDR. Teilnahme an Internationalen<br />

Kriminalitätskongressen der Vereinten Nationen und der sozialistischen Staaten.<br />

Beschäftigung mit Fragen der internationalen Beziehungen und der Menschenrechte im<br />

Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR; mehrjährige Beratertätigkeit<br />

im Ausland. Mitbegründer und Stellvertretender Vorsitzender der „Gesellschaft zur<br />

rechtlichen und humanitären Unterstützung“ e. V. (GRH). Seit 1992 Rechtsanwalt.<br />

28


Hans Bauer<br />

1. Politische und juristische Ausgangslage<br />

Mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten<br />

Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische<br />

Republik am 3. Oktober 1990 begann eine in der<br />

Dimension einmalige historische Abrechnung mit dem durch<br />

friedlichen Beitritt Unterlegenen. Kein gesellschaftlicher<br />

Bereich der DDR blieb von Diskriminierung, Diffamierung<br />

und dem Versuch der Kriminalisierung verschont. Wirtschaft,<br />

Wissenschaft, Kultur, Gesundheits- und Bildungswesen,<br />

Frauen- und Jugendpolitik, Ökologie, Sport, Sicherheit, Recht<br />

und Justiz sowie weitere Bereiche sind bis heute Gegenstand<br />

solcher Angriffe. Millionen und Abermillionen Mark bzw. Euro<br />

von Steuergeldern wurden ausgegeben zur systematischen<br />

und umfassenden „wissenschaftlichen“ Untersuchung der<br />

DDR-Politik mit dem einzigen Ziel, den Beweis für die<br />

Unmenschlichkeit des Sozialismus in der DDR zu erbringen.<br />

Mehrere Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestages<br />

widmeten sich dieser Aufgabe und lieferten, bereichert um<br />

Vermutungen, Spekulationen und Lügen, die Argumente und<br />

Schlagzeilen für Medien und Politiker zur Generalabrechnung<br />

mit dem ersten sozialistischen Versuch auf deutschem Boden. 1<br />

Nach Wolfgang Harich schuf die „Eppelmann-Kommission<br />

die ideologische und zeitgeschichtliche Grundlage für die<br />

Siegerjustiz“. 2 Opfer dieser Politik waren und sind die Bürger<br />

der DDR und ihre Freunde in der BRD.<br />

Alle historischen Erfahrungen und Zusicherungen einer<br />

wirklich friedlichen Vereinigung schienen angesichts der<br />

29


POLITISCHE STRAFVERFOLGUNG<br />

Macht der Sieger, der Wehrlosigkeit der Besiegten und der<br />

Revanchemöglichkeiten der Kalten Krieger vergessen. Und<br />

solche vernünftigen Erfahrungen und Versprechen lagen in<br />

Deutschland vor. So enthielt der Vertrag zwischen der BRD<br />

und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage<br />

von 1956 die Festlegung, dass niemand wegen seiner politischen<br />

Haltung zum Saarproblem verfolgt werden darf. 3<br />

In einem Memorandum der Bundesregierung vom 2. September<br />

1956 „Zur Frage der Wiederherstellung der deutschen<br />

Einheit“ wurde u.a. erklärt:<br />

„Die Errichtung eines neuen Regierungssystems<br />

darf... in keinem Teile Deutschlands zu einer<br />

politischen Verfolgung der Anhänger des alten<br />

Systems führen“ und weiter: „..., dass nach der<br />

Wiedervereinigung Deutschlands niemand wegen<br />

seiner politischen Gesinnung oder nur weil er in<br />

Behörden oder politischen Organisationen eines<br />

Teils Deutschlands tätig gewesen ist, verfolgt<br />

wird.“ 4<br />

Der Einigungsvertrag (EinigV) vom 31. August 1990 zwischen<br />

beiden deutschen Staaten enthielt zwar keine solche<br />

Absichtserklärung, aber er legte zur Anwendbarkeit des<br />

Strafrechts in Artikel 315 Absatz 1 fest, dass auf vor dem<br />

Wirksamwerden des Beitritts der DDR begangene Taten §2<br />

des StGB Anwendung findet. Und §2 StGB bestimmt in<br />

Übereinstimmung mit dem im Grundgesetz (GG) verankerten<br />

Rückwirkungsverbot (Artikel 103, Abs. 2) das zur Tatzeit<br />

geltende Recht für anwendbar. In Artikel 315a regelte der<br />

Einigungsvertrag weiter, dass es bei der nicht eingetretenen<br />

Verfolgungsverjährung bleibt, soweit diese nicht nach dem<br />

Recht der DDR eingetreten ist.5<br />

Dieser Vertrag ging also davon aus, dass in bezug auf<br />

Strafverfolgung gemäß dem Rückwirkungsverbot DDR-<br />

30


Hans Bauer<br />

Recht fortgalt bzw. das mildere Recht angewandt wird und<br />

bereits verjährte Taten auch verjährt bleiben.<br />

Diese Regelung entsprach zivilisierten Auffassungen und<br />

Errungenschaften von Rechtsstaatlichkeit und internationalem<br />

Standard auf dem Gebiet der Menschenrechte.<br />

Solche Worte politischer Vernunft und juristischer Selbstverständlichkeiten<br />

waren spätestens nach dem Anschluss der<br />

DDR kaum noch vernehmbar. Es begann sofort die<br />

Umdeutung vertraglicher Regelungen in Abhängigkeit von<br />

Machtinteressen. Die Forderung nach Abrechnung war von<br />

Gegnern der DDR in Ost und West und Feinden des Sozialismus<br />

innerhalb und außerhalb von Parlamenten bereits in der<br />

Wendezeit unüberhörbar und wurde nach dem 3. Oktober<br />

1990 mit allen zu Gebote stehenden Mitteln betrieben.<br />

Es dürfte dabei kein Zufall sein, dass entscheidende Signale<br />

eines solchen strategischen Vorgehens vom Bundesjustizministerium<br />

unter Klaus Kinkel, dem ehemaligen BND-Chef,<br />

ausgingen.<br />

Auf dem „Ersten Forum des Bundesjustizministers am 9. Juli<br />

1991 in Bonn“ lebte die bekannte Hallstein-Doktrin auf, indem<br />

die Staatlichkeit der DDR bestritten und behauptet wurde, es<br />

habe weiterhin ein einheitliches Deutschland gegeben,<br />

„von dem ein gewisser Teil von einer<br />

Verbrecherbande besetzt war“, und „..., dass<br />

selbstverständlich ein einheitliches deutsches<br />

Recht dort galt und auf die Verbrecher wartete...“.<br />

6<br />

In seiner inzwischen berühmt-berüchtigten Begrüßungsansprache<br />

vor dem 15. Deutschen Richtertag am 23. September<br />

1991 in Köln forderte der Bundesministers der Justiz, Dr.<br />

Kinkel, von den Richtern und Staatsanwälten einen wesentlichen<br />

Teil der Aufarbeitung des vierzigjährigen „Unrechtsregimes“<br />

in der DDR zu leisten.<br />

31


POLITISCHE STRAFVERFOLGUNG<br />

„Ich baue auf die deutsche Justiz. Es muss gelingen,<br />

das SED-System zu delegitimieren, das bis<br />

zum bitteren Ende seine Rechtfertigung aus antifaschistischer<br />

Gesinnung, angeblich höheren Werten<br />

und behaupteter absoluter Humanität hergeleitet<br />

hat, während es unter dem Deckmantel des Marxismus-<br />

Leninismus einen Staat aufbaute, der in weiten<br />

Bereichen genauso unmenschlich und schrecklich war<br />

wie das faschistische Deutschland.“ 7<br />

Auf der Grundlage solcher Einschätzungen und Vorgaben<br />

wurde die politisch motivierte Strafverfolgung Teil und Kern<br />

der Abrechnung mit der DDR. Was konnte in den Augen der<br />

— auch internationalen — Öffentlichkeit überzeugender<br />

belegen, dass die DDR ein „Unrechtsstaat“, ein „krimineller“<br />

und „menschenverachtender“ Staat war, als „Im Namen des<br />

Volkes“ verkündete Gerichtsentscheidungen gegen Verantwortungsträger<br />

dieses Staates. Und wenn es gelänge,<br />

besonders für Kernbereiche eines Völkerrechtssubjekts, wie<br />

im Bereich der Sicherheit und der Justiz, den durch Gerichte<br />

„nachgewiesenen“ kriminellen Gehalt in Urteile zu kleiden,<br />

wäre auch nachträglich die staatliche Legitimation in Frage<br />

gestellt und das einst internationale Ansehen der DDR<br />

erheblich beeinträchtigt.<br />

Weit über 80.000 Ermittlungsverfahren und 100.000 unmittelbar<br />

Betroffene im vergangenen Jahrzehnt beweisen, dass<br />

ganz im Sinne dieser Strategie verfahren wurde. Die erhoffte<br />

Wirkung war zwar nur mäßig, verkehrte sich zunehmend<br />

sogar in ihr Gegenteil. Trotzdem stellte diese Verfolgung eine<br />

schwere Belastung für Hunderttausende von Menschen in<br />

ganz Deutschland dar. Sie bewirkte keinen Rechtsfrieden,<br />

sondern schadete der Herstellung einer wirklichen inneren<br />

Einheit.<br />

32


Helmut Rittstieg, Professor für öffentliches Recht an der<br />

Universität Hamburg, klagte diese Politik der Abrechnung<br />

1993 treffend mit folgenden Worten an:<br />

„Die Alternative, für die sich die Bundesrepublik<br />

offenbar entscheidet, ist eine Fortsetzung des<br />

Bürgerkrieges mit den Mitteln des Strafrechts,<br />

der öffentlichen Diffamierung und der beruflichen<br />

und gesellschaftlichen Diskriminierung.<br />

Dies geht zu Lasten des Rechts und der freien<br />

gesellschaftlichen Entwicklung. Das strafrechtliche<br />

Rückwirkungsverbot, die Gleichbehandlung<br />

aller Staatsbürger und die informationelle Selbstbestimmung<br />

sind die menschenrechtlichen Opfer<br />

dieses so unritterlichen Nachtretens gegenüber<br />

den Verlierern im Wettstreit der Gesellschaftssysteme.<br />

Es gibt wichtigere und rühmlichere<br />

Aufgaben für dieses Land und seine Justiz.“ 8<br />

2. Die Organisation der Verfolgung<br />

Hans Bauer<br />

Auffallend für die politische Strafverfolgung nach<br />

der Vereinigung der beiden deutschen Staaten war<br />

ihre zunehmende Intensivierung und Vervollkommnung in<br />

organisatorischer und inhaltlicher Hinsicht im Zuge ihrer<br />

Durchführung selbst. Der Beginn unmittelbar nach dem 3.<br />

Oktober 1990 war allerdings trotz bereits erkennbarer<br />

Zielsetzung und Absicht von Konzeptionslosigkeit und fehlender<br />

Sachkunde gekennzeichnet. Jedes neue Bundesland,<br />

an der Spitze Berlin und Sachsen, war zunächst bestrebt, sich<br />

bei der Umsetzung hervorzutun und offenbar seine Loyalität<br />

zur alten Bundesrepublik unter Beweis zu stellen. Da keine<br />

33


POLITISCHE STRAFVERFOLGUNG<br />

zentrale Verfolgungsbehörde existierte und eine solche auch<br />

unter föderalistischen Gesichtspunkten von den Justizministern<br />

und Parlamentariern abgelehnt wurde (Ausnahme bildeten<br />

u.a. Verfolgungen wegen Spionage), kreierte jedes Land<br />

seine eigene Praxis in der Verfolgung und in der<br />

Rechtsauffassung. Zwischen den Ländern entbrannte ein<br />

regelrechter Wettbewerb, um DDR-Unrecht „kreativ“ (so<br />

vom sächsischen Justizminister Heitmann gefordert) zu ahnden.<br />

Juristen aus den alten Bundesländern übernahmen im<br />

kolonialen Stile die Leitung der Ermittlungen und die<br />

Anklagebehörden.<br />

Oft waren es zweitklassige Strafrechtler oder keine Strafjuristen,<br />

die sich für den „Osten“ verpflichten ließen, um hier<br />

Geld und Karriere zu machen und sich zu profilieren. Mit<br />

zum Teil absurden Praktiken und öffentlichkeitswirksamen<br />

Schlagzeilen wurden „Chefankläger“ gekürt, Verfahren zu<br />

„Pilotverfahren“ erklärt und ländereigene Initiativen propagiert.<br />

Vorausgesagt wurden Ermittlungsverfahren und<br />

Verurteilungen in fünfstelligen Größenordnungen, spektakuläre<br />

Fälle von „Verbrechen“ wurden sensationell enthüllt,<br />

Verdächtige öffentlich vorverurteilt, eine Reihe von ihnen<br />

auch in den Tod getrieben. Besonders Staatsanwälte zeichneten<br />

sich durch unerbittliche Härte und einfallsreiche Prognosen<br />

aus. So sprach der „Chefankläger“ im Bundesland Sachsen,<br />

Meinerzhagen, davon, dass alleine in Sachsen mit ca. 50.000<br />

Verfahren zu rechnen sei. 9 Von so genannten Opfern der<br />

DDR wurde solcherart Vorgehen gern aufgegriffen und für<br />

eigene politische oder persönliche Zwecke genutzt.<br />

Eine treffende Einschätzung der Situation, wie sie von Beginn<br />

der Strafverfolgung bis zu ihrem Abschluss charakteristisch<br />

war, formulierte der Rechtswissenschaftler Uwe Wesel:<br />

„Viele der westdeutschen Staatsanwälte und Richter<br />

34


Hans Bauer<br />

waren mit antikommunistischen Vorurteilen belastet<br />

und außerdem ohne genaue Kenntnis der gesellschaftlichen<br />

und politischen Verhältnisse in der<br />

DDR. Deshalb waren sie nur selten bereit und in<br />

der Lage, nach dem Recht der DDR zu urteilen. Das<br />

aber musste die Grundlage bleiben in diesen<br />

Prozessen. So stand es nicht nur im Einigungsvertrag<br />

von 1990. Es ergab sich schon daraus, dass<br />

spätestens seit dem Grundlagenvertrag 1972 die DDR<br />

für die bundesdeutsche Justiz strafrechtlich<br />

Ausland gewesen ist. Und jeder Angeklagte muss<br />

nach dem Recht beurteilt werden, das am Ort und<br />

zur Zeit seiner Handlung gegolten hat.“ 10<br />

Entsprechend der besonderen Funktion Berlins als<br />

Hauptstadt der DDR kam nach dem Beitritt der Justiz dieser<br />

Stadt eine zentrale Rolle bei der Strafverfolgung zu. Berlin<br />

war Regierungssitz und zugleich Bezirk der DDR. Nach dem<br />

Prinzip des demokratischen Zentralismus wurden in Berlin<br />

die politischen Direktiven und Gesetzgebungsakte, Richtlinien<br />

und Orientierungen für die gesamte Republik erlassen.<br />

Damit war klar, dass sich die Strafverfahren hier konzentrieren<br />

und für die Verfolgung in den übrigen Bundesländern<br />

besonders relevant sein würden. Justizministerkonferenzen<br />

befassten sich seit November 1990 regelmäßig mit der<br />

Strafverfolgung von DDR-Verantwortungsträgern. In mehreren<br />

Beschlüssen trafen sie Festlegungen zur personellen<br />

Sicherstellung der Verfolgung. Noch 1990 wurde in Berlin<br />

eine „Arbeitsgruppe Regierungskriminalität“ bei der Staatsanwaltschaft<br />

gebildet. Von Anfang an gab es akute personelle<br />

Probleme bei der Besetzung der Stellen. Bei allen persönlichen<br />

Vorteilen, die mit einem Einsatz im Beitrittsgebiet<br />

verbunden waren, das Interesse hielt sich in den alten<br />

35


POLITISCHE STRAFVERFOLGUNG<br />

Bundesländern in Grenzen. Zu keinem Zeitpunkt wurden die<br />

Festlegungen der Justizminister in vollem Umfange realisiert.<br />

Zurückzuführen war dies offenbar auf fehlende Einsicht in<br />

die Notwendigkeit dieser Verfolgung, auf manche Bedenken<br />

in die Rechtsstaatlichkeit solcher Arbeit und die Befürchtung,<br />

sich eines Tages selbst wegen der Unrechtmäßigkeit der<br />

Verfolgungen verantworten zu müssen.<br />

Auf der Grundlage einer Vereinbarung der alten Bundesländer<br />

und der Bundesregierung von Mai 1991 über die<br />

personelle und finanzielle Unterstützung sollten nach<br />

Entscheidung der Justizminister 60 zusätzliche Staatsanwälte<br />

und Richter die Berliner Staatsanwaltschaft verstärken. Am<br />

1. Oktober 1994 wurde die Staatsanwaltschaft II beim Landgericht<br />

Berlin gebildet.Als Leiter wurde Generalstaatsanwalt<br />

Christoph Schaefgen ernannt. Damit exisierte bis zu ihrer<br />

Auflösung am 30. September 1999 eine organisatorisch selbständige<br />

Staatsanwaltschaft, deren Gegenstand die Verfolgung<br />

von „DDR-Unrecht“ auf zentraler Ebene und — in einer<br />

besonderen Abteilung 10 — auf Bezirksebene war.<br />

In Anlehnung an Berlin wurden auch in den fünf neuen<br />

Bundesländern ab 1992 schrittweise Schwerpunktabteilungen<br />

bei ausgewählten Staatsanwaltschaften gebildet, so in<br />

Potsdam, später Neuruppin (Land Brandenburg), in Schwerin<br />

(Mecklenburg-Vorpommern), in Dresden (Sachsen), in<br />

Magdeburg (Sachsen-Anhalt) und in Erfurt (Thüringen).<br />

Den Leitern dieser Abteilungen bzw. Oberstaatsanwälten<br />

waren jeweils mehrere Dezernenten (bis zu achtzehn z.B. in<br />

Dresden) beigeordnet. 11<br />

Im Bereich der Polizei wurde in Berlin ähnlich der staatsanwaltschaftlichen<br />

Struktur eine zentrale polizeiliche Ermittlungsstelle<br />

für die Verfolgung angeblicher Regierungs- und<br />

36


Hans Bauer<br />

Vereinigungskriminalität („Zentrale Ermittlungsstelle<br />

Regierungs- und Vereinigungskriminalität“ >ZERV


POLITISCHE STRAFVERFOLGUNG<br />

sondern sie beruhten im wesentlichen auf allgemeinen<br />

Verdachtsmomenten, wie sie von der politischen Lage geliefert<br />

wurden, sowie auf vorhandenen überwiegend ungeprüften<br />

Aktenbergen. Das betraf insbesondere:<br />

• Unterlagen der Zentralen Erfassungsstelle der Landesjustizverwaltungen<br />

in Salzgitter zur Dokumentation von<br />

Gewalttaten durch Staatsorgane der DDR.<br />

Der Beweiswert dieser aus der Zeit des Kalten Krieges stammenden<br />

Unterlagen, die sich vor allem aus Medienberichten<br />

und Berichten ehemaliger DDR-Bürger zusammensetzten<br />

und demzufolge vorrangig von politischen und persönlichen<br />

Interessenlagen bestimmt waren, war nur gering.<br />

• Akten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der<br />

DDR, die von dem Beauftragten der Bundesregierung<br />

Joachim Gauck verwaltet wurden.<br />

Abgesehen davon, dass die Verwendung von Anfang an politisch<br />

determiniert war, hatte die systematische Auswertung<br />

erst begonnen. Seriöse Schlussfolgerungen konnten innerhalb<br />

kurzer Zeit gar nicht erwartet werden (einem wissenschaftlichen<br />

Anspruch entsprechen sie allerdings bis heute nicht).<br />

• Vorgänge aus Rehabilitierungsverfahren, wie sie insbesondere<br />

durch das Rehabilitierungsgesetz in Gang gesetzt worden<br />

waren. 12<br />

Angesichts der völlig veränderten politischen Verhältnisse<br />

und der Möglichkeit, daraus persönliche Vorteile zu erlangen,<br />

war das Interesse an materiellen Entschädigungen wegen<br />

„erlittenem Unrecht“ in der DDR außerordentlich groß.<br />

Selbst Schwerverbrecher bemühten sich — und oft nicht<br />

erfolglos — um Rehabilitierung, um aus den veränderten<br />

Verhältnissen Kapital zu schlagen.<br />

Für viele Verfolgungsbehörden waren in den ersten Jahren<br />

entsprechende Anträge und gerichtliche Entscheidungen zur<br />

Rehabilitierung automatisch mit der Einleitung von Verfahren<br />

gegen die damaligen Verantwortungsträger verbunden.<br />

38


Hans Bauer<br />

• Ermittlungs- und Gerichtsakten der DDR-Justizorgane, die<br />

mit der Wende übernommen worden waren.<br />

Ungeachtet der Fortführung noch laufender Verfahren war<br />

eine systematische Auswertung der Justizakten und die<br />

Beurteilung einer strafrechtlichen Relevanz unter den neuen<br />

gesellschaftlichen Verhältnissen innerhalb kurzer Zeit gar<br />

nicht möglich.<br />

Die in dieser Phase laufenden und neu eingeleiteten Verfahren<br />

betrafen folgende Vorwürfe:<br />

• Wahlfälschung,<br />

• Amtsmissbrauch und Korruption,<br />

• Vorfälle an der Staatsgrenze (Mord, Totschlag, Körperverletzung),<br />

• Verfolgungen durch die DDR-Justiz (Rechtsbeugung in<br />

Tateinheit mit Freiheitsberaubung, Totschlag, Mord),<br />

• geheimdienstliche Agententätigkeit und Landesverrat,<br />

• die weitere Tätigkeit des MfS (Mord, Verschleppung,<br />

Amtsanmaßung, Verletzung des Briefgeheimnisses,<br />

Unterschlagung, Untreue),<br />

• Misshandlungen in Haftanstalten (Körperverletzungen),<br />

• spezielle Wirtschaftstraftaten.<br />

Weitere Vorermittlungen und Verfahren beruhten auf dem<br />

Verdacht von angeblichen Zwangseinweisungen in psychiatrische<br />

Anstalten, Zwangsadoptionen, Misshandlungen in<br />

Jugendeinrichtungen,Vorfällen in Gesundheitseinrichtungen,<br />

kriminellen Organentnahmen und anderen spektakulären<br />

Behauptungen. Erst in der zweiten Hälfte der 90er Jahre<br />

kamen massenhaft Verfahren wegen des Verdachts von<br />

Körperverletzungen durch Doping im Sport der DDR hinzu.<br />

Ebenfalls als Teil dieser politischen Strafverfolgung erwähnenswert,<br />

aber wenig in der Öffentlichkeit beachtet, waren<br />

39


POLITISCHE STRAFVERFOLGUNG<br />

nach 1995 Strafverfahren z.B. gegen ehemalige Angehörige<br />

der Deutschen Volkspolizei (DVP) wegen Anstellungsbetruges.<br />

Hierbei handelte es sich um Personen, die in die<br />

Polizei der Bundesländer übernommen worden waren, ohne<br />

über tatsächliche oder angebliche Kontakte zum MfS bei der<br />

Übernahme informiert zu haben.<br />

Dieses „Verschweigen“ solcher Zusammenarbeit mit dem<br />

Sicherheitsdienst der DDR wurde als Betrug gewertet.<br />

Solche Verfahren erheblichen Umfanges (bekannt aus Berlin<br />

und Thüringen) wurden in der zweiten Hälfte der 90er Jahre<br />

durchgeführt und meistens auch mit Verurteilungen abgeschlossen.<br />

Anlass der Verfahren war im Regelfall die beabsichtigte<br />

Übernahme als Beamte und die damit verbundene<br />

erneute Überprüfung bei der Gauck-Behörde. Die juristische<br />

Unbedenklichkeit solcher Verfolgungen erhielt mit einer<br />

Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH)<br />

vom 18. Februar 1999 höchstrichterliche Bestätigung. 13<br />

Die schnelle und ungeprüfte Einleitung von Verfahren zu<br />

Beginn der 90er Jahre sollte die Staatsanwaltschaften in den<br />

folgenden Jahren noch in arge Schwierigkeiten bringen, wenn<br />

es um den Verfahrensabschluss ging.<br />

Es war aber nicht nur die Anzahl der Verfahren, die erhebliche<br />

Schwierigkeiten verursachte, es waren insbesondere auch<br />

die juristischen Probleme, die unlösbar schienen. Laut<br />

Einigungsvertrag durfte nur Recht der DDR angewandt<br />

werden. Damit stand die bundesdeutsche Justiz vor der komplizierten<br />

Aufgabe, fremdes Recht anzuwenden (Fremdrechtsanwendung).<br />

So sehr die Justiz auch immer wieder<br />

geradezu beschwörend betonte, tatsächlich auch DDR-Recht<br />

anzuwenden, die Rechtsprechung bewies überwiegend das<br />

Gegenteil. Wer von den eingesetzten Staatsanwälten und<br />

40


Hans Bauer<br />

Richtern kannte DDR-Recht überhaupt? Die für diese<br />

Verfahren zuständigen Staatsanwälte und Richter kamen aus<br />

den alten Bundesländern. Sie kannten weder DDR-Recht<br />

noch waren sie ernsthaft um Sachkunde bemüht. Allein der<br />

Vergleich zweier Tatbestände ersetzte nicht die Kenntnis des<br />

fremden Rechts. Kenner des DDR-Rechts waren aus der<br />

Justiz entfernt und viele unterlagen selbst der Verfolgung,<br />

andere kamen für diese Arbeit aus politischen Erwägungen<br />

nicht in Frage (erst Ende der 90er Jahre traten in diesen<br />

Verfahren vereinzelt DDR-Juristen auf).<br />

Zu den Fragen der Fremdrechtsanwendung kamen die durch<br />

die besondere Konstellation komplizierten juristischen<br />

Fragen hinzu. 14<br />

Schließlich stand als brennendes aktuelles Problem, dass laut<br />

Einigungsvertrag viele der kleinen und mittelschweren „Taten“<br />

zu verjähren drohten.<br />

Erste Verfahren vor Gerichten in Berlin, Magdeburg,<br />

Dresden und anderen Städten verliefen für die Staatsanwaltschaften<br />

nicht wunschgemäß. Eine Reihe von Richtern<br />

hatte offensichtlich größere Bedenken, sich bei der Verurteilung<br />

weniger von juristischer Klarheit als von politischer<br />

Überzeugung leiten zu lassen.<br />

Erst die Initiative des Gesetzgebers und die höchstrichterliche<br />

Rechtsprechung von Bundesgerichtshof (BGH) und<br />

Bundesverfassungsgericht (BVerfG) brachten ab 1992/93<br />

eine gewisse Orientierung und Einheitlichkeit in die Strafverfolgung.<br />

Damit wurde zwar nicht den eigenen hehren<br />

Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und schon gar nicht dem<br />

Einigungsvertrag Rechnung getragen, aber weitgehend<br />

Klarheit über Möglichkeiten und Grenzen dieser Verfolgung<br />

geschaffen. Für subjektives Ermessen des Staatsanwaltes und<br />

des Richters bei der Beweiswürdigung und der Rechtsauf-<br />

41


POLITISCHE STRAFVERFOLGUNG<br />

fassung blieb noch ausreichend Raum — und dieser wurde<br />

auch leider meistens zuungunsten der Betroffenen — weitgehend<br />

genutzt.<br />

Zunächst musste angesichts der Verjährungsgefahr die<br />

Regelung im Artikel 315a des Einigungsvertrages aufgehoben<br />

bzw. umgedeutet werden. Das geschah mit drei Verjährungsgesetzen<br />

und der höchstrichterlichen Entscheidung, dass<br />

bestimmte Taten entsprechend dem „ausdrücklichen Willen<br />

der Staats- und Parteiführung“ während der „Herrschaft des<br />

SED-Unrechtsregimes“ nicht geahndet worden seien. Diese<br />

faktische Nichtverfolgung wurde als gesetzliches Verfolgungshindernis<br />

gewertet, so dass im Ergebnis vom 11. Oktober<br />

1949 bis 2. Oktober 1990 in der DDR die Verfolgung ruhte<br />

und somit ab 3. Oktober 1990 neu begann. 15<br />

Die jeweilige Neuregelung (mehrmalige Verjährungsverlängerung)<br />

wurde ganz offen mit den nicht leistungsfähigen<br />

Strafverfolgungsbehörden und fehlenden Auswertungen<br />

durch die Gauck-Behörde begründet. Die Neuberechnung<br />

der Verfolgung erfolgte nunmehr nach bundesdeutschem<br />

Recht, so dass die mittelschweren „Taten“ (z.B. im Regelfall<br />

Rechtsbeugung und Körperverletzung) erst nach der absoluten<br />

Verjährung ab 3. Oktober 2000 nicht mehr verfolgt<br />

werden konnten.<br />

Selbst der in der Endphase der Rechtsbeugungsverfahren<br />

von Verteidigern erhobene Einwand, dass spätestens nach<br />

der Wahl der neuen Volkskammer im März 1990 kein „Wille<br />

der Staats- und Parteiführung“ mehr existierte, somit die<br />

Zeitberechnung einer faktischen Nichtverfolgung falsch sei,<br />

wurde von den „unabhängigen“ Gerichten negiert.<br />

Mit diesem beispiellosen Regelungs- und Rechtsprechungswerk<br />

zur Verjährung lebten bereits verjährte „Taten“ wieder<br />

auf, andere wurden auf ein unerträgliches Maß verlängert.<br />

42


Hans Bauer<br />

Nicht der Sinn des Verjährungsinstituts stand im Vordergrund,<br />

sondern allein der Verfolgungswille.<br />

Diese Gesetzgebungs- und Rechtssprechungspraxis ist geradezu<br />

ein Musterbeispiel dafür, wie das Recht für politische<br />

Zwecke umgedeutet und missbraucht wurde und weiter missbraucht<br />

wird.<br />

Es waren aber auch materiell-rechtliche Fragen, die einer<br />

dringenden Beantwortung bedurften. Dies nahmen die obersten<br />

Gerichte ebenfalls ab 1992/1993 vor.<br />

Zur Rechtsbeugung stellte der BGH insbesondere in seiner<br />

Entscheidung vom 13. Dezember 1993 klar, wann der<br />

Tatbestand erfüllt ist. Er begrenzte die Tatbestandsmäßigkeit<br />

auf drei Fallgruppen, die schwere Menschenrechtsverletzungen<br />

sein sollten:<br />

• die Überdehnung des Straftatbestandes als offensichtliches<br />

Unrecht,<br />

• das unerträgliche Missverhältnis von Strafe und Handlung,<br />

• die Art und Weise des Strafverfahrens als schwere Menschenrechtsverletzung.<br />

16<br />

Maßstab für die Auslegung war aber weiterhin entgegen dem<br />

Einigungsvertrag nicht DDR-Recht, sondern BRD-Recht, so<br />

dass die Verfolgung von DDR-Juristen fortgeführt werden<br />

konnte. Viele der vorschnell eingeleiteten Verfahren hätten<br />

zwar umgehend eingestellt werden können, blieben aber noch<br />

jahrelang ungeklärt und mussten später eingestellt werden<br />

oder sind bis ins Jahr 2002 und darüber hinaus immer noch<br />

nicht abgeschlossen.<br />

Zur Verurteilung von Richtern und Staatsanwälten, die an<br />

den so genannten Waldheim-Prozessen gegen Naziverbrecher<br />

im Jahre 1950 beteiligt gewesen waren, äußerte sich<br />

43


POLITISCHE STRAFVERFOLGUNG<br />

grundlegend ein Beschluss des BGH vom 10. August 1994. 17<br />

Obwohl diese Prozesse in Folge der Naziverbrechen und<br />

unter Mitverantwortung der Siegermacht Sowjetunion auf<br />

der Grundlage Alliierter Rechte stattfanden, wurden auch<br />

hier Maßstäbe angelegt, die jeglichen Realitätssinn vermissen<br />

lassen.<br />

Die Bestrafung von an den Prozessen beteiligten Juristen<br />

wurde für rechtens erklärt, da insbesondere die Verfahrensdurchführung<br />

eine schwere Menschenrechtsverletzung<br />

gewesen sein soll.<br />

Von Bedeutung für die Verfolgung von Rechtsbeugung war<br />

auch das Urteil des BGH vom 16. November 1995, in dem zur<br />

Strafe in schweren Fällen (hier Rechtsbeugung i.V. mit<br />

Totschlag) Stellung genommen wurde. 18 Unter Hinweis auf<br />

die Nichtahndung nationalsozialistischer Justizverbrechen<br />

durch die BRD wurden großzügig mildernde Umstände eingeräumt.<br />

Allein die Verknüpfung nationalsozialistischen Unrechts mit<br />

angeblichem SED-Unrecht zeigt den politischen Geist der<br />

obersten Richter. Die Perfidie der Entscheidung wird noch<br />

deutlicher, wenn man bedenkt, dass es sich bei dem in diesem<br />

Falle verurteilten DDR-Richter um einen ausgewiesenen<br />

Antifaschisten handelte.<br />

Grundlegende gerichtliche Entscheidungen zur MfS-<br />

Problematik klärten die Möglichkeiten strafrechtlicher<br />

Verfolgung dieser am Anfang mit am meisten betroffenen<br />

Gruppe. Nachdem einzelne, aber durchaus ernstgemeinte<br />

Vorschläge und Überlegungen keine Chance hatten, das MfS<br />

zur kriminellen Organisation zu erklären, wurde wegen aller<br />

möglichen erdenklichen Straftaten gegen viele Angehörige<br />

dieses Organs ermittelt. Die Tatbestandsmäßigkeit der meisten<br />

vermuteten kleinen und mittelschweren Straftaten musste<br />

44


Hans Bauer<br />

allerdings bei bestem Willen einer Verurteilung verneint<br />

werden. Dies beschied der BGH durch Beschluss von 1993<br />

und 1995 (u.a. Abhören von Telefonen, Öffnen von Briefsendungen,<br />

Geldentnahme aus Postsendungen, Hausfriedensbruch).<br />

19<br />

Nachdem ein von der damaligen Bundesregierung geplantes<br />

Amnestiegesetz wegen Landesverrats oder geheimdienstlicher<br />

Agententätigkeit gegen die BRD abgelehnt worden<br />

war, liefen in Ost und West Tausende von Ermittlungsverfahren<br />

wegen dieser Delikte. 20<br />

Von grundlegender Bedeutung für die Strafverfolgung<br />

auf diesem Gebiet war der Beschluss des BVerfG vom<br />

15. Mai 1995. 21<br />

Das BVerfG erklärte zwar alle geheimdienstliche Tätigkeit<br />

gegen die BRD für strafbar, unterschied aber mehrere<br />

Gruppen. Für DDR-Bürger wurde eine Strafverfolgung im<br />

Regelfall verneint, so dass viele dieser Verfahren eingestellt<br />

werden mussten. Die Verfahren wegen geheimdienstlicher<br />

Agententätigkeit verjährten am 2. Oktober 2000. Weitergeführt<br />

wurden laufende und neue Verfahren wegen<br />

Landesverrats, da die Verjährungsfrist für diese Delikte 20<br />

Jahre beträgt.<br />

Für die Strafverfahren wegen angeblichen Totschlags an der<br />

Staatsgrenze war von Anfang an eine relativ klare und harte<br />

Verfolgungspraxis kennzeichnend. Während bei den anderen<br />

Deliktsgruppen Einschränkungen und Begrenzungen erfolgen<br />

mussten, wurde hier die einmal eingeschlagene Linie beibehalten<br />

und sogar noch verschärft. Man kann feststellen,<br />

dass sich die Verfolgung zunehmend auf diesen Bereich konzentrierte,<br />

obwohl die Beweisschwierigkeiten und Rechtsprobleme<br />

unübersehbar waren. Maßgeblich für diese Praxis<br />

war offenbar der Stellenwert, den die gesicherte Staatsgrenze<br />

45


POLITISCHE STRAFVERFOLGUNG<br />

der DDR in den Augen der westlichen Politik hatte. Bei der<br />

Verfolgung von Vorkommnissen an der Staatsgrenze wurde<br />

systematisch von unten nach oben vorgegangen. Vom Soldaten<br />

über den Chef der Grenztruppen bis zum Verteidigungsminister<br />

und höchsten Politiker der DDR wurde verfolgt,<br />

angeklagt und verurteilt. Mit seiner Entscheidung vom 26.<br />

Juli 1994 verschärfte der BGH im Urteil gegen höchste<br />

Militärs die Strafverfolgung wesentlich, indem er die Rechtskonstruktion<br />

„Täter hinter dem Täter“ einführte, also eine<br />

besondere Form der mittelbaren Täterschaft. Dass es eine<br />

solche Rechtskonstruktion in der DDR nicht gab und diese<br />

damit contra Einigungsvertrag stand, spielte keine Rolle. 22<br />

Übergreifende Bedeutung für eine „Stabilisierung“ der<br />

Rechtssprechung auf allen Gebieten hatte die Einführung<br />

des „überpositiven Rechts“. Damit konnte geschriebenes<br />

Recht der DDR negiert und contra DDR-Gesetz angeklagt<br />

und verurteilt werden.<br />

Häufig wird die Auffassung vertreten, die BRD habe mit der<br />

Strafverfolgung nur das fortgeführt, was die DDR in der<br />

Wendezeit bereits begonnen hatte. In diesem Zusammenhang<br />

wird von der Verfolgung des „Systemunrechts“ bereits<br />

zu DDR-Zeiten gesprochen.<br />

Richtig ist, dass Strafverfolgungen gegen DDR-Verantwortungsträger<br />

bereits seit Ende 1989 durchgeführt wurden.<br />

Zunächst muss allerdings klargestellt werden, dass dies nicht<br />

wegen des „Systemunrechts“ erfolgte, im Gegenteil, die<br />

Verfolgung wurde in der Absicht geführt, dem „sozialistischen<br />

System“ zu dienen, mögliche Handlungen zum<br />

Schaden des Systems auf ihre strafrechtliche Relevanz zu<br />

untersuchen. Zweitens waren die Angehörigen der Ermittlungsorgane,<br />

die Staatsanwälte und Richter, DDR-Bürger<br />

46


Hans Bauer<br />

und Kenner des DDR-Rechts. Sie waren also im Gegensatz<br />

zu den Westjuristen in der Lage, DDR-Strafrecht sachgemäß<br />

anzuwenden. Drittens war die Anzahl der eingeleiteten<br />

Verfahren vergleichsweise gering und viele der Verfahren<br />

wurden noch zu DDR-Zeiten mangels Strafbarkeit wieder<br />

eingestellt. Nicht wenige dieser Verfahren wurden später von<br />

der BRD-Justiz erneut eingeleitet. Von einer Verfolgungskontinuität<br />

kann also überhaupt nicht gesprochen werden.<br />

Im übrigen gab es auch in der DDR bei der Strafverfolgung<br />

das Legalitätsprinzip. Angesichts der großen gesellschaftlichen<br />

Umbrüche 1989/90 und der damit verbundenen<br />

persönlichen Konflikte und Unsicherheiten gab es viele Verdächtigungen<br />

und Anschuldigungen, die ihren Niederschlag<br />

auch in Anzeigen und Mitteilungen von Bürgern fanden, aber<br />

auch von staatlichen Einrichtungen, ja sogar von speziell<br />

gebildeten Kommissionen, wie dem Volkskammer-Untersuchungsausschuss,<br />

an die Strafverfolgungsorgane. Demzufolge<br />

basierten staatsanwaltschaftliche Untersuchungen und<br />

prozessuale Maßnahmen auf gesetzlicher Grundlage und<br />

unterlagen nicht dem Ermessen der Ermittlungs- und Justizorgane.<br />

Mit den von der BRD-Justiz massenhaft betriebenen<br />

Verfolgungen hatten die zu DDR-Zeiten geführten Ermittlungen<br />

nichts gemein.<br />

4. Organisierter Widerstand gegen die Verfolgung<br />

Mit der sich abzeichnenden Kriminalisierung von<br />

Hoheitsakten der DDR und dem Beginn systematischer<br />

Verfolgung von Verantwortungsträgern entwickelte<br />

sich die Solidarität der DDR-Bürger. Zunächst war es insbesondere<br />

das „Solidaritätskomitee für die Opfer der politi-<br />

47


POLITISCHE STRAFVERFOLGUNG<br />

schen Verfolgung in Deutschland“ (Solikomitee), das<br />

Verfolgten aktive Unterstützung gewährte. Weiterhin leisteten<br />

„nur“ die jeweils verfolgten Berufsgruppen, zumeist isoliert<br />

voneinander, gegenseitigen Beistand. 1992/93 kam es zur<br />

Koordinierung der Arbeit untereinander und schließlich im<br />

Mai 1993 zur Bildung einer Opfer- und Widerstandsorganisation,<br />

der „Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären<br />

Unterstützung (GRH) e.V.“<br />

Schon nach kurzer Zeit zählte sie mehr als 1000 Mitglieder,<br />

unmittelbar Verfolgte, aber auch viele Bürger, die sich von<br />

dieser Art des Umgangs mit der DDR betroffen fühlten. Zu<br />

den Mitgliedern gehörten seit Gründung vor allem Militärs,<br />

Grenzer, Polizisten, Staatsanwälte und Richter, Angehörige<br />

des MfS, Politiker, Kundschafter. Später schlossen sich im<br />

Zuge der „Dopingverfahren“ auch Sportfunktionäre, Sporttrainer<br />

und Mediziner an. Organisationsstrukturen bildeten<br />

sich insbesondere in den ehemaligen Bezirken der DDR,<br />

zunehmend organisierten sich auch Einzelpersonen aus den<br />

alten Bundesländern in der GRH. Die Zahl der Sympathisanten<br />

wuchs ständig; das äußerte sich besonders in großzügigen<br />

und regelmäßigen Geldspenden. Wenn dagegen die<br />

Mitgliederzahl etwa 1700 nicht wesentlich überschritt, so<br />

hatte das vielfach seine Ursache in der öffentlichen Diskriminierung<br />

der „alten Kader“ und mancher Befürchtung, durch<br />

organisatorische Nähe Nachteile zu erfahren. Selbst linke<br />

Kräfte hielten sich politisch, teilweise auch wegen mangelnder<br />

Rechtskenntnisse, zurück und wollten sich nicht zusätzlich<br />

mit solchen Vergangenheitsproblemen belasten.<br />

Ungeachtet dieser Erscheinungen des „Zeitgeistes“ gewann<br />

die GRH an Ansehen und Autorität. Geschätzt wurden ihre<br />

Kompetenz und Sachkunde, ihre organisatorische Geschlossenheit<br />

sowie ihr Einsatz für die Verfolgten und deren<br />

Angehörige. Durch die Vernetzung mit anderen befreunde-<br />

48


ten Organisationen, wie dem „Solidaritätskomitee für die<br />

Opfer der politischen Verfolgung in Deutschland“ (Solikomitee),<br />

der „Gesellschaft für Bürgerrecht und Menschenwürde“<br />

(GBM) und der „Initiativgemeinschaft zum Schutz<br />

der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger bewaffneter<br />

Organe und der Zollverwaltung der DDR e.V.“ (ISOR),<br />

gewann der Gedanke der Solidarität mit den politisch<br />

Verfolgten und der Widerstand gegen diese Vergeltungspolitik<br />

zunehmend in der Öffentlichkeit Einfluss.<br />

Die Tätigkeit der GRH umfasste alle geeigneten Formen, um<br />

sich gegen die vertrags- und gesetzwidrige Strafverfolgung<br />

zur Wehr zu setzen. Das betraf<br />

• die Information der Öffentlichkeit über Charakter,Ausmaß<br />

und Folgen, (Vgl.: Beiträge aus „Informationen“ der GRH, — Anhang 8 sowie:<br />

Weiterführende Literatur — Anhang 7)<br />

Hans Bauer<br />

• die wissenschaftliche Erfassung und analytische Aufbereitung<br />

von Verfahrensunterlagen,<br />

• öffentlichkeitswirksame Aktivitäten mit Parteien, Organisationen<br />

und Einzelpersönlichkeiten mit dem Ziel, die Verfolgung<br />

zu beenden und eine Rehabilitierung anzustreben,<br />

• den Erfahrungsaustausch der Verfolgten,<br />

• rechtlichen Beistand der Betroffenen vom Ermittlungsverfahren<br />

bis zum Gerichtsverfahren, einschließlich der<br />

Zusammenarbeit mit Verteidigern,<br />

• die Betreuung von Gefangenen,<br />

• und vor allem humanitäre und finanzielle Unterstützung<br />

zur individuellen Rechtsverteidigung und in Notfällen.<br />

Der Unwille in der Bevölkerung über die Kriminalisierung<br />

der DDR-Vergangenheit nahm Mitte der neunziger Jahre<br />

spürbar zu. Bei einer Umfrage 1995 sprachen sich über 50%<br />

für eine Beendigung der Verfolgung aus. Ausdruck des<br />

Unwillens großer Teile der Bevölkerung waren mehrere große<br />

Solidaritätsveranstaltungen, Appelle an verantwortliche<br />

49


POLITISCHE STRAFVERFOLGUNG<br />

Politiker mit der Forderung nach einem Schlussgesetz oder<br />

auch mehrere Unterschriftenaktionen. Bei einer Unterschriftenaktion<br />

bekundeten ca. 35.000 Bürger mit ihren<br />

Unterschriften ihre Forderung nach Beendigung der<br />

Verfolgungen. 23<br />

Von besonderer Bedeutung waren und sind die Appelle und<br />

Forderungen der GRH an Politiker, Intellektuelle, Persönlichkeiten<br />

des öffentlichen Lebens, Parteien und Organisationen,<br />

der politischen Verfolgung Einhalt zu gebieten. 24<br />

Viele Persönlichkeiten — Künstler, Schriftsteller, Wissenschaftler<br />

— erklärten sich auch mit eigenen Vorschlägen und<br />

Aufrufen solidarisch.<br />

Stimmen von Politikern, die zum Nachdenken und zur<br />

Umkehr aufforderten, waren allerdings nur vereinzelt und<br />

blieben unbeachtet.<br />

Bemerkenswerte Überlegungen zur Aussöhnung stellte Egon<br />

Bahr auf seiner Dresdener Rede am 10. März 2002 „Die<br />

Vergangenheit darf die Zukunft nicht behindern“ an.<br />

Während er sich 1992 noch für eine Amnestie für teilungsbedingte<br />

Delikte aussprach, korrigierte er sich heute:<br />

„Das Wort Amnestie war falsch. Es konnte nicht<br />

um Straferlass für Menschen gehen, die den<br />

Gesetzen der DDR gefolgt sind. Gemeint war die<br />

Freistellung von strafrechtlicher Verfolgung für<br />

alles mit der Ausnahme von Kapitalverbrechen.“<br />

Und weiter:<br />

„Dass die roten Ehemaligen nicht in den Genuss<br />

der stillen Amnestie gekommen sind, deren sich<br />

die braunen Ehemaligen erfreuen konnten, lag kaum<br />

an später Einsicht und ungutem Gewissen, den früheren<br />

Weg der Integration nicht wiederholen zu<br />

sollen. Damals hatte niemand geglaubt, die Demokratie<br />

könne von Aktenbergen abhängen. Damals war<br />

die Integration der Millionen von Vertriebenen<br />

50


Hans Bauer<br />

und Funktionsträgern der NSDAP geboten, um potenziell<br />

innenpolitischen Sprengstoff zu entschärfen.<br />

Diesmal wurden die Träger des vergangenen<br />

Regimes nicht gebraucht, weil genügend Westler<br />

zur Verfügung standen, um sie zu ersetzen. Beide<br />

Enquete-Kommissionen des Bundestages haben die<br />

Durchsichtigkeit des DDR-Systems erhöht ohne<br />

durchzustoßen zu der Empfehlung eines befreienden<br />

Schlussgesetzes, für das der zehnte Jahrestag<br />

des Mauerfalls noch einmal ein Anlass gewesen<br />

wäre.“ 25<br />

Die meisten Parteien und ihre Fraktionen im Bundestag<br />

lehnten aber unter Bezugnahme auf die „unabhängige“ Justiz<br />

und die bekannten Rechtspositionen jegliches Engagement<br />

zur Beendigung dieser Hexenjagd ab. Lediglich die PDS<br />

entwickelte eigene Initiativen und brachte mehrere Gesetzesvorlagen<br />

in den Bundestag ein mit dem Ziel, die Verfolgung<br />

von Kundschaftern und ehemaligen DDR-Bürgern zu<br />

beenden. 26<br />

Die bisherigen Aussprachen im Parlament zu diesem Thema<br />

zeugen allerdings vom anhaltenden Hass und der grenzenlosen<br />

Diffamierung der DDR, so dass von der politisch herrschenden<br />

Klasse in Deutschland auf lange Zeit keine vernünftige<br />

Alternative zu erwarten sein wird.<br />

Diese seit 1990 unveränderte Situation ist Anlass, die vielfältigen<br />

Formen der Solidarität und des organisierten Widerstandes<br />

zu erhalten und weiter zu festigen.<br />

Selbstverständlich nahm niemand an, dass die Verfolgungen<br />

durch kollektive und individuelle Maßnahmen verhindert<br />

werden könnten. Einfluss konnte aber genommen werden<br />

auf Umfang, Ergebnis und Folgen der Verfahren.<br />

Es mag spekulativ erscheinen, aber wenn die am Anfang von<br />

Politikern und Juristen propagierten und gewünschten<br />

51


POLITISCHE STRAFVERFOLGUNG<br />

Dimensionen nicht annähernd erreicht wurden, so ist das zu<br />

einem wesentlichen Teil auch das Ergebnis des in solidarischer<br />

Gemeinschaft organisierten Widerstandes.<br />

5. Umfang, Ergebnisse und Folgen der Verfahren<br />

Angesichts fehlender Gesamtstatistik gibt es keine<br />

exakten Zahlen der Verfolgung und Verurteilung.<br />

Bisher veröffentlichte Zahlen über den tatsächlichen Umfang<br />

der politischen Strafverfolgung gegen ehemalige Bürger der<br />

DDR durch Behörden auf Bundes- und Länderebene sind<br />

mehrheitlich ungenau und widersprüchlich. Hinzu kommen<br />

zum Teil erheblich voneinander abweichende Erfassungszeitpunkte<br />

und Erhebungsverfahren innerhalb der einzelnen<br />

Bundesländer, die verbindliche Aussagen nicht zulassen. 27<br />

Nach Auswertung eigener Erfassungen und von GRH-Übersichten,<br />

die auf der Grundlage vorliegender Verfahrensdokumente,<br />

Presseveröffentlichungen und allgemein zugänglicher<br />

Publikationen zu diesen die politische Strafverfolgung betreffenden<br />

Sachfragen erarbeitet wurden, kann von einer gesicherten<br />

Zahl von rund 85.000 Ermittlungsverfahren ausgegangen<br />

werden.<br />

Die einzelnen Bundesländer sind dabei etwa mit folgender<br />

Anzahl von Ermittlungsverfahren belastet:<br />

Berlin . . . . . . . . . . BN . . . . . . . . . . . . . . . 25.000 EVerfahren<br />

Brandenburg . . . . BB . . . . . . . . . . . . . . . 23.000 EVerfahren<br />

Sachsen . . . . . . . . . SN . . . . . . . . . . . . . . . 13.000 EVerfahren<br />

Sachsen-Anhalt . . ST . . . . . . . . . . . . . . . . 7.000 EVerfahren<br />

Thüringen . . . . . . TH . . . . . . . . . . . . . . . . 6.000 EVerfahren<br />

52


Hans Bauer<br />

Mecklenburg-Vorpommern . . . MV . . . . . 4.500 EVerfahren<br />

Bund u. Länder (Spionage) . . . . . . . . . . . . 7.000 EVerfahren<br />

Berücksichtigt man die Sachverhalte, bei denen sogenannte<br />

Vorprüfungen stattfanden, ist von über 100.000 Verfahren<br />

auszugehen.<br />

Die Zahl der Beschuldigten wurde von Generalstaatsanwalt<br />

Schaefgen selbst mit ca. 100.000 angegeben. 28<br />

Insgesamt wird die Zahl der rechtskräftig Verurteilten auf<br />

etwa 900 Personen geschätzt.<br />

Bei den ca. 650 verurteilten DDR-Bürgern handelt es sich in<br />

der überwiegenden Zahl der Fälle, in ca. 80%, um Freiheitsstrafen,<br />

die auf Bewährung ausgesetzt wurden; die übrigen<br />

Strafen sind Geldstrafen und in ca. 50 Fällen Freiheitsstrafen,<br />

die größtenteils auch vollzogen wurden.<br />

Die meisten Verurteilungen von DDR-Bürgern erfolgten in<br />

Berlin (ca. 300), gefolgt von Sachsen (ca. 200). Die Anzahl der<br />

Verurteilungen in den anderen neuen Bundesländern war<br />

trotz vieler Ermittlungsverfahren relativ gering, was auf eine<br />

sehr unterschiedliche Verfolgungsintensität in den Ländern<br />

schließen lässt.<br />

Die von der Verfolgung zahlenmäßig am stärksten betroffene<br />

Gruppe waren die Juristen wegen angeblichem Justizunrecht<br />

mit etwa 50.000 Ermittlungsverfahren. Charakteristisch bei<br />

dieser Gruppe ist, dass im Regelfall gegen einen Beschuldigten<br />

eine Vielzahl Verfahren eingeleitet und durchgeführt wurde,<br />

gegen einzelne Verfolgte sogar mehrere hundert Verfahren.<br />

Staatsanwälte und Richter, die langjährig in den entsprechenden<br />

Abteilungen, Kammern und Senaten der Bezirke bzw. in<br />

den zentralen Einrichtungen tätig gewesen waren, standen<br />

dabei im Zentrum der Verfolgung.<br />

53


POLITISCHE STRAFVERFOLGUNG<br />

Insgesamt beläuft sich die Zahl der verurteilten Juristen auf<br />

etwa 150 — neben Staatsanwälten und Richtern auch<br />

Angehörige des MfS-Untersuchungsorgans.<br />

Gegen 10 Juristen wurden Freiheitsstrafen bis zu 4 Jahren<br />

verhängt. Das betraf u.a. Fälle, in denen den Betroffenen<br />

Rechtsbeugung in Tateinheit mit Totschlag (Mitwirkung an<br />

Todesurteilen) vorgeworfen wurde. Die übrigen Verurteilungen<br />

waren Freiheitsstrafen bis zu 2 Jahren, zur Bewährung<br />

ausgesetzt, und Geldstrafen.<br />

Gegen sogenannte Waldheim-Richter und -Staatsanwälte<br />

wurde in sechs Fällen Anklage erhoben. Zwei der Verurteilten<br />

wurden mit mehrjährigen Freiheitsstrafen belegt.<br />

Weitere Verfahren konnten nicht durchgeführt werden, weil<br />

die Betroffenen zwischenzeitlich verstorben oder verhandlungsunfähig<br />

waren.<br />

Hunderte von Verfahren wurden wegen Strafvorwürfen im<br />

Zusammenhang mit Todesfällen und Körperverletzungen bei<br />

der Sicherung der Staatsgrenze der DDR eingeleitet. Überwiegend<br />

handelte es sich um Vorwürfe des Totschlags wegen<br />

eines konstruierten Schießbefehls und der Minenverlegung<br />

an der Grenze; nur in wenigen Fällen betrafen die Vorwürfe<br />

Körperverletzungen. Betroffen von dieser Verfolgung waren<br />

Angehörige der Grenztruppen (GT), NVA-Offiziere, die<br />

militärische Führung auf allen Ebenen, MfS- und Zollangehörige<br />

sowie die politische Führung der DDR bis hin zum<br />

Staatsratsvorsitzenden.<br />

Eine Besonderheit bei diesen Verfahren bestand darin, dass<br />

wegen ein- und desselben Grenzvorfalls Dutzende von<br />

Personen in den unterschiedlichsten Verantwortungsbereichen<br />

verfolgt und verurteilt wurden — vom einfachen<br />

Grenzer bis zum höchsten Amtsträger der DDR.<br />

54


Hans Bauer<br />

Verurteilt aus diesem Bereich wurden ca. 250 Personen zu überwiegend<br />

Freiheitsstrafen auf Bewährung. Gegen 29 Verfolgte<br />

davon wurden Freiheitsstrafen bis zu 10 Jahren ausgesprochen.<br />

Strafverfahren gegen Angehörige des MfS gingen in die<br />

Zehntausende. Die meisten Verfahren mussten wegen fehlender<br />

Tatbestandsmäßigkeit wieder eingestellt werden. Besonders<br />

gegen diese Personengruppe wurde von Anfang an mit<br />

großer Intensität und drakonischen prozessualen Zwangsmaßnahmen,<br />

teilweise mit langer Untersuchungshaft, vorgegangen.<br />

Das betraf Kundschafter, aber auch andere Verfolgte<br />

in spektakulären Einzelverfahren; die letzteren Verfahren<br />

endeten allerdings zumeist mit Einstellung oder Freispruch.<br />

Die große Differenz zwischen der Anzahl der Ermittlungsverfahren<br />

(ca. 20.000 – 30.000) und der relativ geringen Zahl<br />

verurteilter von in der DDR tätig gewesenen MfS-<br />

Angehörigen (ca. 60 Verurteilte, aber auch 50 Freisprüche),<br />

zeugt davon, dass „bei bestem Verurteilungswillen“ der<br />

jeweilige Strafvorwurf nicht haltbar war.<br />

Am härtesten betroffen von der Verfolgung waren die wegen<br />

geheimdienstlicher Agententätigkeit und Landesverrat verfolgten<br />

Kundschafter. Über 250 Personen wurden verurteilt,<br />

davon über 50 Kundschafter zu Freiheitsstrafen bis zu 12<br />

Jahren. (Vgl. Beitrag von Bischoff / Coburger, Seite 186)<br />

Die in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre wegen angeblicher<br />

Körperverletzung infolge Dopings durchgeführten<br />

Verfahren richteten sich gegen ca. 1000 Personen. Mehr als 70<br />

Betroffene wurden verurteilt, fast ausnahmslos zu Geldstrafen.<br />

Mit rechtlich fragwürdigen Methoden gingen die<br />

Ermittlungsbehörden in diesen „Dopingverfahren“ vor. So<br />

verschickte die „ZERV“ Hunderte von Zeugen-Fragebogen<br />

an DDR-Sportler, um „Opfer“ ausfindig zu machen und<br />

Bürger zur Denunziation zu bewegen.<br />

55


POLITISCHE STRAFVERFOLGUNG<br />

Gemessen an der Zahl der Ermittlungsverfahren und der<br />

davon betroffenen Bürger ist die Zahl der durch rechtskräftiges<br />

Urteil abgeschlossenen Verfahren und Verurteilten nur<br />

gering. Es mag etwa stimmen — wie oft behauptet —, dass in<br />

ca. 2% der Fälle Anklage erhoben wurde und nur 1% zu<br />

einer Verurteilung führte.<br />

Dieses Verhältnis wird oft in Entgegnung des Vorwurfs einer<br />

Abrechnung und Siegerjustiz als Beweis von Rechtsstaatlichkeit,<br />

Humanität und Angemessenheit dargestellt.<br />

Verfechter eines schärferen Durchgreifens gegen angebliches<br />

DDR-Unrecht beklagen dagegen das Missverhältnis als<br />

Zeichen eines zu milden Vorgehens und schließlich einer<br />

gescheiterten juristischen Ahndung des Unrechts.<br />

Tatsächlich ist das mit dieser politischen Verfolgung<br />

begangene Unrecht der BRD und ihrer Justiz nicht allein und<br />

gar nicht in erster Linie an der Zahl der Verfahren, der<br />

Anklagen, der Urteile und an der Art und Höhe der Strafen<br />

zu messen. Um das Ausmaß der Folgen und die Auswirkungen<br />

der willkürlichen Kriminalisierung zu erfassen, bedarf es<br />

einer viel komplexeren Betrachtung:<br />

Zunächst muss berücksichtigt werden, dass es sich bei den mit<br />

Strafverfahren Verfolgten um Bürgerinnen und Bürger handelt,<br />

die über viele Jahre verantwortungsbewusst und gesetzestreu,<br />

oft unter Zurückstellung persönlicher Interessen,<br />

ihre staatliche und gesellschaftliche Pflicht in der DDR und<br />

für die DDR erfüllt haben. In ihrem Handeln haben sie sich<br />

von der Überzeugung leiten lassen, an einer gerechten, humanen<br />

und sozialen Gesellschaft mitzuwirken. In diesem<br />

Zusammenhang wird auf die beispielhafte Darstellung von<br />

Überzeugung, Erfahrung und Motivation von Verfolgten in<br />

diesem Buch verwiesen. (Vgl.: Persönliche Erlebnisberichte von politischer<br />

Strafverfolgung durch die bundesdeutsche Justiz direkt Betroffener, Seite 511)<br />

Allein die Annahme bzw. der Verdacht kriminellen Handelns<br />

wegen ihres gesellschaftlichen Engagements für die DDR war<br />

56


Hans Bauer<br />

für viele ein unerträglicher Vorwurf. Da die meisten der<br />

Betroffenen im fortgeschrittenen Lebensalter standen, viele<br />

von ihnen bereits Rentner (die ältesten über 90 Jahre),<br />

erschien mit den Tatvorwürfen das gesamte Leben als kriminelles<br />

Unrecht. Die persönliche Situation, oft krank und<br />

alleinstehend, und das Verhalten gewissenloser Medien verschlimmerte<br />

oft die Lage der Betroffenen und auch deren<br />

nächsten Angehörigen dramatisch. Besonders in den ersten<br />

Jahren der Verfolgung kam es in einer bewusst angeheizten<br />

und manipulierten Atmosphäre zu schwerwiegenden persönlichen<br />

Folgen — bis hin zu Suicidfällen.<br />

Eigenständige Bedeutung für die Situation der Betroffenen<br />

und ihren Angehörigen hatte die Art und Weise der<br />

Verfahrensdurchführung.<br />

Das begann bereits bei der Mitteilung über die Einleitung<br />

von Ermittlungsverfahren. Da z.B. bei den Rechtsbeugungsverfahren<br />

einem Beschuldigten zumeist viele Einzelhandlungen<br />

vorgeworfen wurden, erhielt er in diesen Fällen zu<br />

Verfahrensbeginn über einen Zeitraum von mehreren<br />

Wochen Postzustellungen von der Polizei. Allein die nahezu<br />

tägliche Information über neue Verfahren und die damit<br />

angedrohten nicht absehbaren Folgen hatten ihre eigene<br />

psychologische Wirkung.<br />

Die Verfahren selbst wurden oft nicht miteinander verbunden<br />

und insgesamt angeklagt und verhandelt, sondern willkürlich<br />

separiert; auf diese Weise wurde mancher Betroffene<br />

mehrmals angeklagt und verurteilt. Einzelhandlungen wurden<br />

aus nicht nachvollziehbaren Gründen abgetrennt, auch<br />

eingestellt, andere hingegen angeklagt. Da die Einstellungen<br />

nur vorläufig erfolgten, musste bei Freispruch oder unbotmäßigem<br />

Verhalten der Angeklagten mit Wiederaufnahme dieser<br />

Verfahren gerechnet werden. Geradezu makaber gestaltete<br />

sich der Abschluss der Rechtsbeugungsverfahren vor der<br />

absoluten Verjährung am 2. Oktober 2000. In einem regel-<br />

57


POLITISCHE STRAFVERFOLGUNG<br />

rechten Handel wurden Verfahren abgetrennt, nur um mit<br />

einem Rest noch in letzter Minute eine Verurteilung zu<br />

ermöglichen.<br />

Die meisten Verfahren schleppten sich über einen langen<br />

Zeitraum hin. Regelmäßig dauerte es mehrere Jahre, bis eine<br />

staatsanwaltliche, geschweige gerichtliche Entscheidung<br />

erging. Im Einzelfall bis zu zehn Jahren. Selbst nach Anklageerhebung<br />

vergingen oft noch Jahre, bis das Gericht etwas von<br />

sich hören ließ. Nachermittlungen wurden aber offenkundig<br />

nicht geführt.<br />

Zeugenvernehmungen vor Gericht, Wohnungsdurchsuchungen<br />

(z.B. bei „Dopingverfahren“), Ladungen zum Strafantritt<br />

erfolgten teilweise in einer Weise, die mehr für die Öffentlichkeit<br />

denn für das eigentliche Verfahren gedacht war.<br />

Detaillierte und langwierige Vernehmungen von so genannten<br />

Opfern und andere Beweiserhebungen gestalteten viele<br />

Verhandlungen zu Schauprozessen und sollten die Angeklagten<br />

demütigen.<br />

Die über Wochen und oft Monate sich hinziehenden<br />

Verhandlungen, häufig lange Fahrzeiten zum Gericht, die sie<br />

in Kauf nehmen mussten, verlangten den Betroffenen besonders<br />

bei eingeschränkter Verhandlungsfähigkeit oft große<br />

körperliche und psychische Kraft ab.<br />

So z.B. im Falle einer fast 80-jährigen ehemaligen Richterin,<br />

die zu jeder Verhandlung von Berlin nach Leipzig fahren<br />

musste.<br />

Belehrungen und politische Beschimpfungen in Hauptverhandlungen<br />

waren teilweise von unerträglicher Arroganz und<br />

Diskriminierung, die mit der vielgerühmten Unparteilichkeit<br />

und Unbefangenheit nichts zu tun hatten. Besonders bei<br />

Freisprüchen wurde oft die fehlende juristische Verurteilung<br />

durch politische Schlagworte über das DDR-Unrecht ersetzt.<br />

Alles das spielte sich auf Kosten der Verfolgten ab. Sinn und<br />

Zweck solcher „Verfahrens- und Verhandlungsstrategien“<br />

58


Hans Bauer<br />

lassen sich nicht mit Prozesserfordernissen erklären, sondern<br />

sie waren eindeutig auf Einschüchterung, Unterwerfung und<br />

Diskreditierung gerichtet. Mit Achtung der menschlichen<br />

Würde hatte das nichts gemein.<br />

Solches Prozessverhalten insbesondere von Staatsanwälten<br />

und Richtern widerspricht dem Grundgesetz und verletzt<br />

auch Internationale Konventionen.<br />

In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass<br />

es insbesondere einige Richter waren, die sich — bei allem<br />

Unrecht des materiellen Inhalts — wohltuend in der<br />

Verhandlungsführung abhoben und besonders auch die<br />

Würde der Angeklagten zu wahren wussten. Mit zunehmendem<br />

Zeitablauf steigerte sich auch der Unmut mancher<br />

Richter gegen den nicht nachlassenden Verfolgungsdrang der<br />

Staatsanwälte.<br />

Nicht zuletzt soll erwähnt werden, dass auch nach 12 Jahren<br />

der Vereinigung noch viele Ermittlungsverfahren nicht abgeschlossen<br />

sind. Sicher wurde bei einer Vielzahl aus<br />

Nachlässigkeit oder auch mit Absicht die entsprechende<br />

Mitteilung über die Einstellung vergessen. Bekannt ist aber,<br />

dass tatsächlich noch Dutzende von Verfahren gegen<br />

„Grenzer“ anhängig sind, sowohl in den Ermittlungen als auch<br />

nach Anklageerhebung bei Gericht. Ebenfalls offen sind<br />

Verfahren wegen Rechtsbeugung, soweit vor der Verjährung<br />

zwar noch ein Urteil erging, dieses aber wegen eingelegter<br />

Rechtsmittel bisher keine Rechtskraft erlangte.<br />

Schließlich befinden sich auch im Jahre 2003 noch mindestens<br />

zwei Verurteilte in Haft, und weitere sind vom Vollzug einer<br />

Freiheitsstrafe bedroht.<br />

Viele Verfolgte sind also noch unmittelbar betroffen bzw. für<br />

sie besteht weiterhin Ungewissheit über den Verfahrens-<br />

59


POLITISCHE STRAFVERFOLGUNG<br />

fortgang. Die mit der Verfolgung verbundene psychische und<br />

teilweise auch physische Belastung dauert an.<br />

Unabhängig von der Verfahrensbelastung und der Strafe<br />

stellt sich die mit einer Verfolgung verbundene finanzielle<br />

Last als besonders gravierend dar. Die „Strafe nach der<br />

Strafe“ ist für viele einschneidender und länger andauernd<br />

als das Verfahren selbst. Keiner der Verfolgten lebte —<br />

gemessen an BRD-Maßstäben — in gehobenen materiellen<br />

Verhältnissen. Die von der Verfolgung Betroffenen wurden<br />

allein durch die gesellschaftlichen Veränderungen ins soziale<br />

Abseits gestellt. Wer 1990 noch im arbeitsfähigen Alter war,<br />

wurde arbeitslos und fand in der Folgezeit kaum noch eine<br />

Erwerbstätigkeit. De facto erhielten DDR-Verantwortungsträger<br />

aufgrund ihrer Vergangenheit Berufsverbot. Soweit<br />

Betroffene Vor- oder Altersrente beanspruchten, war diese<br />

aus politischen Gründen willkürlich reduziert worden. Vor<br />

allem Angehörige des MfS und Verantwortliche höherer<br />

Gehaltsgruppen waren und sind weiterhin von solcher<br />

Strafrente betroffen.<br />

Die also ohnehin schwierige soziale Situation wurde mit der<br />

Strafverfolgung noch verschärft. Rechtsbeistand im Verfahren<br />

kostet Geld. Wer sich professionell verteidigen, sein<br />

Recht suchen will, muss Rechtsanwälte in Anspruch nehmen.<br />

Bereits die Ermittlungsverfahren kostete den Verfolgten im<br />

Regelfall mehrere tausend Euro. Völlig andere finanzielle<br />

Belastungen entstanden aber, wenn Anklage erhoben wurde<br />

und ein Gerichtsverfahren mit Verurteilung, möglicherweise<br />

sogar mit Strafvollzug folgte. Die Inanspruchnahme von<br />

Rechtsmitteln und Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht<br />

(BVerfG) sowie bei internationalen Rechtsgremien<br />

(Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte >EGMR<<br />

und Menschenrechtsausschuss) wurde zwar vorwiegend durch<br />

die Solidarität in der GRH und anderer Gemeinschaften<br />

60


Hans Bauer<br />

finanziert, die entstandenen Gesamtkosten konnten aber<br />

durch Spenden nicht aufgebracht werden.<br />

Zumeist in erheblichem zeitlichen Abstand nach der<br />

Verurteilung kamen die Aufforderungen der Justizkassen zur<br />

Zahlung von Geldstrafen, Gebühren für beigeordnete<br />

Verteidiger, Nebenkläger, Gerichtskosten, Gutachten und<br />

Zeugenauslagen. Je nach Umfang und Dauer des Verfahrens<br />

beliefen sich die Forderungen des Staates von mehreren tausend<br />

bis über 50.000 Euro. Ein Nachvollzug und eine eigene<br />

Prüfung der Rechnungen war kaum möglich, besonders wenn<br />

— wie so häufig — es sich um mehrere Verurteilte handelte<br />

bzw. wenn Kosten für nicht mehr zahlungsfähige Verurteilte<br />

von den anderen im gleichen Verfahren Verurteilten mit<br />

übernommen werden mussten. Die von den Verfolgten aufzubringenden<br />

Beträge belaufen sich insgesamt auf mehrere<br />

Millionen Euro. Dutzende von Verurteilten zahlen seit<br />

Geltendmachung der Forderungen Monat für Monat von<br />

ihrer zumeist nicht sehr hohen Rente ihre Raten ab. Dabei<br />

bestimmt sich die Ratenhöhe grundsätzlich nach dem pfändungsfreien<br />

Betrag; im Einzelfall nach dem Wohlwollen und<br />

der Gnade, sicher auch dem menschlichen Verständnis des<br />

jeweiligen Beamten. Viele der Verurteilten werden bis zu<br />

ihrem Lebensende ihre Schulden nicht mehr abzahlen können.<br />

Betroffene dieser „Strafe nach der Strafe“ waren und<br />

sind damit selbstverständlich auch die Angehörigen und<br />

sogar die Erben.<br />

Das entspricht genau der speziellen Umsetzung jenes<br />

Ausspruchs eines westdeutschen CDU-Politikers, der im<br />

Frühjahr 1991 in Wildbad Kreuth zum Umgang mit den<br />

Intellektuellen Ostdeutschlands erklärt hat:<br />

„Wir werden sie nicht in Lager sperren, das haben<br />

wir nicht nötig. Wir werden sie an den sozialen<br />

Rand drängen.“<br />

61


POLITISCHE STRAFVERFOLGUNG<br />

Treffend dazu stellte Prof. Detlef Joseph in seinem<br />

Redebeitrag auf einer Solidaritätsveranstaltung am 29. Mai<br />

1999 in Berlin fest, dass<br />

„diese Tatsache regelmäßig verdeckt wird, wenn<br />

behauptet wird, von Siegerjustiz könne schon deshalb<br />

keine Rede sein, da nur verhältnismäßig<br />

wenig Verurteilungen und noch weniger Haftstrafen<br />

ausgesprochen wurden.“ 29<br />

All die hier genannten wirtschaftlichen und sozialen Folgen<br />

der juristischen Abrechnung treffen in gleicher Weise und oft<br />

noch schärfer auf die verurteilten Kundschafter zu. Viele von<br />

ihnen wurden ihres Eigentums, ihres Vermögens, ihrer<br />

Rentenanwartschaften beraubt, mit außerordentlich hohen<br />

Justizforderungen belegt und damit zu Sozialfällen.<br />

Wenn hier über die Folgen der Verfahren gesprochen wird,<br />

muss auch auf die außergewöhnlichen Verfahrenskosten hingewiesen<br />

werden, die über die persönliche Belastung der<br />

Betroffenen hinaus dem Steuerzahler entstanden sind. Wie<br />

oben dargelegt, ist eine riesige Anzahl von Verfahren in Gang<br />

gesetzt worden, von denen sich letztlich nur ein ganz geringer<br />

Bruchteil — wenn auch dem Gesetz der DDR widersprechend<br />

— aus bundesdeutscher Sicht als haltbar erwiesen hat.<br />

Das politische Vorurteil und seine juristische Umsetzung<br />

haben also außer der Beschädigung des Rechtsstaates und<br />

der Verletzung menschlicher Würde zusätzlich Millionensummen<br />

verschlungen.<br />

62


Hans Bauer<br />

1 - DBT, 12.Wahlperiode, Schlussbericht 1994:Aufarbeitung von Geschichte und Folgen<br />

der SED-Diktatur in Deutschland. Neun Bände. Hrsg.: DBT Nomos <strong>Verlag</strong> /<br />

Suhrkamp <strong>Verlag</strong>, Baden-Baden — Frankfurt a. M., 1995.<br />

1 - DBT, 13. Wahlperiode, Schlussbericht 1998: Überwindung und Folgen der SED-<br />

Diktatur im Prozess der deutschen Einheit. Acht Bände. Hrsg.: DBT Nomos <strong>Verlag</strong><br />

/ Suhrkamp <strong>Verlag</strong>, Baden-Baden – Frankfurt a. M., 1999.<br />

2 - Harich, Wolfgang: Unrechtsstaat? Politische Justiz und die Aufarbeitung der DDR-<br />

Vergangenheit. VSA-<strong>Verlag</strong>, Hamburg, 1994.<br />

3 - Vertrag zwischen der BRD und der Französischen Republik zur Regelung der<br />

Saarfrage vom 27. Oktober 1956. In: BGBl. II, 1956, S. 1639.<br />

4 - Memorandum der Bundesregierung, 2. September 1956, „Zur Frage der Wiederherstellung<br />

der deutschen Einheit“. In: Bulletin des Presse- und Informationsamtes<br />

der Bundesregierung, 8. September 1956, Nr. 169, S. 1625 ff. (übergeben durch die<br />

Botschafter der Bundesrepublik in Moskau, Washington, Paris und London). (Siehe<br />

Dokumentenanhang)<br />

5 - Vertrag zwischen der BRD und der DDR über die Herstel1ung der Einheit<br />

Deutschlands. Einigungsvertrag, 31. August 1990. In: GBl. I, Nr. 64, 28. September<br />

1990, S. 1629 ff.Vgl.: BGBl. II, 1990, S.889 ff.; Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch<br />

(EGStGB), 2. März 1974. In: BGBl. I, S. 469, idF. des Einigungsvertrages vom 31.<br />

August 1990 (Anlage I, Kapitel III, Sachgebiet C, Abschnitt II, 1 b);<br />

5 - StGB, 15. Mai 1871 (RGBl. S. 127) idFdB. vom 13. November 1998. In: BGBl. I, S.<br />

3322, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2001. In: BGBl. I, S. 3983;<br />

Grundgesetz (GG), 23. Mai 1949. In: BGBl. I, S. 1, zuletzt geändert durch Gesetz zur<br />

Änderung des Grundgesetzes vom 26. Juli 2002. In: BGBl. I, S. 2863. (Siehe<br />

Dokumentenanhang)<br />

6 - von Loewenstern, Enno: 40 Jahre SED-Unrecht. Eine Herausforderung für den<br />

Rechtsstaat. Redebeitrag vor dem Ersten Forum des Bundesministers der Justiz am<br />

9. Juli 1991 in Bonn. In: Sonderheft der Zeitschrift für Gesetzgebung (ZG) 1991,<br />

S. 41. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

7 - Kinkel, Klaus: Begrüßungsansprache vor dem 15. Deutschen Richtertag am 23.<br />

September 1991 in Köln. In: DRiZ, Heft 1/1992, S. 4 ff. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

8 - Rittstieg, Helmut: Zur bundesdeutschen Politik der Abrechnung mit der DDR als<br />

„Fortsetzung des Bürgerkrieges mit den Mitteln des Strafrechts, der öffentlichen<br />

Diffamierung und der beruflichen und gesellschaftlichen Diskriminierung“. In:<br />

63


POLITISCHE STRAFVERFOLGUNG<br />

„Freitag“, 10.September 1993.<br />

9 - Meinerzhagen, „Chefankläger“ von Sachsen. In: „Sächsische Zeitung“, 16. März 1993.<br />

10 - Wesel, Uwe: Der Ruf nach dem Richter. In: „BZ“, 29./30. April 2000.<br />

11 - Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes<br />

(GVG), 12. Juli 1994. In: Berliner GVBl. S. 234. (Errichtung der Sonderstaatsanwaltschaft<br />

II am 1. Oktober 1994) Vgl.: Beschlüsse der Justizministerkonferenzen<br />

vom November 1990, November 1991 und Mai 1992; Konferenz der<br />

Justizminister der 5 Neuen Bundesländer, 29. August 1994. In: ND, 30. August 1994;<br />

Bildung der Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Verfolgung politisch motivierter<br />

und unter Missbrauch politischer Macht begangener Straftaten in der ehemaligen<br />

DDR. In:AV des MJ vom 18. Dezember 1992 — 3262-302-29 — Ministerialblatt Nr.<br />

7/1993 des Landes Sachsen-Anhalt.<br />

12 - Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger<br />

Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet — Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz<br />

(StrRehaG), 29. Oktober 1992. In: BGBl. I, S. 1814, idFdB. vom 17.<br />

Dezember 1999. In: BGBl. I, S. 2664, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.<br />

Dezember 2001. In: BGBl. I, S. 3986.<br />

13 - BGH-Beschluss, 18. Februar 1999, AZ 5 StR 193/98. In: JR, Heft 4/2000, S.161 ff.<br />

Vgl.: Kenzler, Evelyn: In: ICARUS, Heft 4/1996, S. 26.<br />

14 - Buchholz, Erich: Probleme legitimer Fremdrechtsanwendung, dargestellt an der<br />

bundesdeutschen Strafrechtsprechung. Beitrag zur Festschrift für Prof. Dr.<br />

Dionysios Spinellis: Die Strafrechtswissenschaften im 21. Jahrhundert. Abt. für<br />

Strafrechtswissenschaft, Juristische Fakultät, Universität Athen — Sonderdruck —<br />

ANT. N. Sakkoulas <strong>Verlag</strong>, 2001.<br />

15 - Gesetz über das Ruhen der Verjährung bei SED-Unrechtstaten<br />

(Verjährungsgesetz), 26. März 1993. In: BGBl. I, S. 392. Zweites Gesetz zur<br />

Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen (Zweites Berechnungsgesetz),<br />

27. September 1993. In: BGBl. I, S. 1657. Gesetz zur weiteren Verlängerung strafrechtlicher<br />

Verjährungsfristen (3. Verjährungsgesetz), 22. Dezember 1997.<br />

In: BGBl. I, S. 3223.<br />

16 - BGH-Urteil, 13. Dezember 1993, AZ 5 StR 76/93. In: BGHSt Bd. 40, S. 30/34.<br />

Vgl.: StV, Heft 4/1995, S. 206; NJ, Heft 3/1994, S. 130.<br />

17 - BGH-Beschluss, 10. August 1994, AZ 3 StR 252/94.<br />

18 - BGH-Urteil, 16. November 1995, AZ 5 StR 747/94. In: NJ, Heft 3/1996, S. 154 ff.<br />

64


Hans Bauer<br />

19 - BGH-Beschluss, 9. Dezember 1993, AZ 4 StR, 416/93. In: BGHSt Bd. 40, S. 8 ff.<br />

sowie BGH-Beschluss, 25. Juli 1995, AZ GSSt, 1/95. In: BGHSt Bd. 41, S. 187 ff.<br />

Vgl.: MDR, Heft 2/1996, S. 185; NJW, Heft 6/1996, S. 402; NJ, Heft 2/1996, S. 93.<br />

20 - Schäuble, Wolfgang: Der Vertrag. Wie ich über die deutsche Einheit verhandelte.<br />

Deutsche <strong>Verlag</strong>s-Anstalt, Stuttgart, 1991, Seite 270.<br />

21 - BVerfG-Beschluss, 15. Mai 1995, AZ 2 BvL 19/91, AZ 2 BvR, 1206/91; AZ 2 BvR<br />

1584/91; AZ 2 BvR 2601/93. In: BVerfGE Bd. 92, S. 277 ff. Vgl.: NJW, Heft 28/1995,<br />

S. 1811 ff.<br />

22 - BGH-Urteil, 26. Juli 1994, AZ 5 StR 98/94. In: BGHSt Bd. 40, S. 218, 230 ff.<br />

Vgl.: NStZ, Heft 1/1995, S. 26 ff.; NJ, Heft 11/1994, S. 532 ff.<br />

23 - Gründungsaufruf der GRH vom 19. Mai 1993. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

Berliner Kurier, 16. Januar 1995. Vgl.: Memorandum zur juristischen Verfolgung<br />

von Bürgern der DDR durch Justizorgane der BRD, November 1996. In:<br />

Solikomitee-Dokumentation, Heft VII, April 1997, S. 1 ff.<br />

23 - Ostdeutscher Kongress, 23./24. Mai 1997:Für eine gesicherte Zukunft Deutschlands.<br />

Workshop: Rechtsstaat und politische Strafverfolgung, Berlin, 1997. In: ICARUS,<br />

Sonderheft 1997.<br />

23 - Erklärung führender Persönlichkeiten der DDR zur Diskriminierung und<br />

Verfolgung ehemaliger Bürgerinnen und Bürger der DDR in der Bundesrepublik<br />

Deutschland. 10. Februar 1998. In: Solikomitee-Dokumentation, Heft XXII,<br />

Dezember, 1998, S. 36 ff.<br />

23 - Antidiskriminierungskonferenz, Berlin, 6. Dezember 1997. In: ICARUS, Heft<br />

1/1998, S. 20 ff.<br />

24 - Vgl.: Monatliche „Mitteilungen“ und „Informationen“ der Gesellschaft zur rechtlichen<br />

und humanitären Unterstützung e.V. (GRH); Vertreterkonferenzen der<br />

GRH von 1993 bis 2002.<br />

25 - Bahr, Egon: Die Vergangenheit darf die Zukunft nicht behindern. Rede am 10.<br />

März 2002 in Dresden. In: Archiv des Verlegers.<br />

26 - Strafverfolgungsbeendigungsgesetz. Entwurf eines Gesetzes über die Beendigung<br />

der Strafverfolgung für hoheitliches Handeln von DDR-Bürgern und über die<br />

Gewährung von Straffreiheit für Handlungen, bei denen der Strafzweck mit<br />

Herstellung der deutschen Einheit entfallen ist. BDT-Drucksache 13/1823 vom 19.<br />

Juni 1995.<br />

27 - Marxen, Klaus / Werle, Gerhard: Die strafrechtliche Aufarbeitung von DDR-<br />

65


POLITISCHE STRAFVERFOLGUNG<br />

Unrecht. Eine Bilanz. Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin, 1999, S. 143 ff.<br />

28 - Schaefgen, Christof: Zehn Jahre Aufarbeitung des Staatsunrechts in der DDR. In:<br />

NJ, Heft 1/2000, S. 1 ff.<br />

29 - Joseph, Detlef: Der Rechtsstaat und die ungeliebte DDR. GNN-<strong>Verlag</strong>,<br />

Sachsen/Berlin mbH, Berlin, 1997, S. 177.<br />

29 - Vgl.: Richter, Wolfgang (Hrsg.): Unfrieden in Deutschland. Weißbuch, Bd. 2,<br />

Wissenschaft und Kultur im Beitrittsgebiet. KOLOG-<strong>Verlag</strong> GmbH i.G., Berlin,<br />

1993, S. 7.<br />

66


STRAFVERFOLGUNG VON<br />

DDR-JURISTEN<br />

Eleonore Heyer


STRAFVERFOLGUNG VON DDR-JURISTEN<br />

Eleonore Heyer<br />

Jg. 1930; 1949 Abitur,<br />

danach Studium der Rechtswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin mit<br />

Abschluss 1954 als Diplomjurist.<br />

Berufung als Staatsanwalt auf dem Gebiet des Strafrechts in Berliner Dienststellen der<br />

Staatsanwaltschaft.<br />

1979 Abteilungsleiterin bis zum Ausscheiden aus dem Justizdienst 1990.<br />

Seit Anfang der 90er Jahre strafverfolgt und mehrfach durch bundesdeutsche Gerichte<br />

wegen staatsanwaltlicher Tätigkeit in der DDR verurteilt.<br />

Gründungsmitglied der „Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung“<br />

e. V. (GRH). Rentnerin.<br />

68


Mit der Bundesrepublik Deutschland kam über<br />

Richter und Staatsanwälte der DDR eine wahre<br />

Verfolgungsflut. Etwa 50.000 Strafverfahren wurden gegen<br />

DDR-Juristen eingeleitet, nach meist vieljährigen Ermittlungen<br />

Anklage erhoben und letztlich ca. 150 Verurteilungen<br />

ausgesprochen.<br />

Zu den exakten Zahlen gibt es keine veröffentlichten umfassenden<br />

Statistiken, jedoch mehrfache Äußerungen von<br />

Generalstaatsanwälten der Länder bzw. von leitenden<br />

Staatsanwälten der speziell für die Verfolgung so genannten<br />

DDR-Unrechts gebildeter Sonderstaatsanwaltschaften oder<br />

besonderer Abteilungen. So erklärte der Leitende Oberstaatsanwalt<br />

der Schwerpunktstaatsanwaltschaft des Landes<br />

Brandenburg, Schnittcher, die Aufarbeitung von DDR-<br />

Unrecht wäre nunmehr — im Oktober 2001 — abgeschlossen<br />

worden. Von den 23.300 Verfahren, die bearbeitet worden<br />

wären, hätte es sich in 19.000 Fällen um Verfahren wegen<br />

Rechtsbeugung gehandelt. Diese Zahl bezieht sich, wohlgemerkt,<br />

auf ein einziges Bundesland!<br />

Für Berlin erklärte Oberstaatsanwalt Procher von der<br />

Staatsanwaltschaft II (Bekämpfung von Regierungs- und<br />

Vereinigungskriminalität), dass dort bis April 1998 13.000<br />

Verfahren wegen Rechtsbeugung eingeleitet worden wären,<br />

wovon nur 65 zu Anklagen geführt hätten.<br />

Es folgen nach der Anzahl der wegen Rechtsbeugung gegen<br />

DDR-Juristen eingeleiteten Strafverfahren die Länder<br />

Sachsen, Sachsen-Anhalt und mit größerer Zurückhaltung<br />

Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern. (Vgl. Beitrag von Hans<br />

Bauer, Seite 52)<br />

Eleonore Heyer<br />

Insgesamt ist das eine Strafverfolgungsflut, wie es sie gegen<br />

Richter und Staatsanwälte weder in Deutschland noch in<br />

einem anderen Land jemals gegeben hat. Nirgendwo hat<br />

69


STRAFVERFOLGUNG VON DDR-JURISTEN<br />

auch ein politischer Systemwechsel zu nur annähernd ähnlicher<br />

Verfolgung von Juristen geführt.<br />

In der Bundesrepublik Deutschland wie vorher im Deutschen<br />

Reich gab es seit Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuchs<br />

von 1871 — also in ca. 120 Jahren — etwa 70 veröffentlichte<br />

Entscheidungen wegen Rechtsbeugung, die sich im übrigen<br />

nicht nur gegen Richter und Staatsanwälte sondern auch<br />

gegen andere entscheidungsbefugte Personen, wie zum<br />

Beispiel Finanzbeamte, richteten.<br />

Dass kein Richter des berüchtigten NS-Volksgerichtshofs, der<br />

in 10 Jahren 5.243 Todesurteile aussprach, durch bundesdeutsche<br />

Gerichte rechtskräftig verurteilt wurde, ist allgemein<br />

bekannt. 1<br />

Noch 1968 wurde der frühere Richter an diesem NS-<br />

Volksgerichtshof, Kammergerichtsrat Rehse, durch das<br />

Berliner Landgericht vom Vorwurf der Mitwirkung an rechtsbeugerischen<br />

Todesurteilen freigesprochen, nachdem eine<br />

vorhergehende Verurteilung durch den Bundesgerichtshof<br />

aufgehoben worden war.<br />

Auch Staatsanwälte und Richter hätten dem durch<br />

Führerbefehl geprägten Rechtsdenken während der Zeit des<br />

Nationalsozialismus erlegen sein können und deshalb dann<br />

kein Unrechtsbewusstsein gehabt, meinte man. „Rechtsblindheit“<br />

wäre mit dem Vorsatz der Rechtsbeugung nicht zu<br />

vereinbaren. In der mündlichen Urteilsverkündung wurde<br />

erklärt, für die Bewertung der ihm zur Last gelegten<br />

Todesurteile müsse das Recht jedes Staates auf Selbstbehauptung<br />

berücksichtigt werden. Jeder Staat, auch ein totalitärer,<br />

habe ein Recht auf Selbstbehauptung. Rehse, der an<br />

231 Todesurteilen am Volksgerichtshof mitgewirkt und auch<br />

den später als Regimekritiker in der DDR bekannt gewordenen<br />

Robert Havemann zum Tode verurteilt hatte, war, wie<br />

eine große Zahl anderer ähnlich belasteter Nazi-Juristen, bis<br />

zu seiner Pensionierung in der bundesdeutschen Justiz tätig.<br />

70


Eleonore Heyer<br />

Später hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidungvom<br />

16. November 1995, die einen DDR-Juristen betraf, auf die<br />

misslungene juristische Auseinandersetzung mit den Nazi-<br />

Juristen hingewiesen. 2 Auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs<br />

habe wesentlichen Anteil daran gehabt, dass<br />

keine am Volksgerichtshof tätig gewesenen Richter und<br />

Staatsanwälte sowie Richter der Sondergerichte und Kriegsgerichte<br />

jemals wegen Rechtsbeugung verurteilt wurden.<br />

Aber keiner hat je gegen die dafür verantwortlichen bundesdeutschen<br />

Richter und Staatsanwälte den Vorwurf der<br />

Rechtsbeugung erhoben.<br />

Als nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />

vom 21. März 1961 praktisch erwiesen war, dass Urteile gegen<br />

Kommunisten in den 50er Jahren — nach dem so genannten<br />

„Blitzgesetz“ — dem im Grundgesetz postulierten Verbot der<br />

Rückwirkung von Strafgesetzen eindeutig widersprochen<br />

hatten, wozu der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung<br />

vom 30. Januar 1958 die Grundsätze geschaffen hatte, wurden<br />

die Verantwortlichen für eine solche Rechtsbeugung nicht<br />

etwa zur Rechenschaft gezogen.<br />

Zur Erinnerung: Mit diesem Urteil hatte der Bundesgerichtshof<br />

mit verklausulierter Begründung erklärt,Tätigkeit für die<br />

KPD wäre selbst dann strafbar, wenn sie vor dem die Partei<br />

für verfassungswidrig erklärenden und sie auflösenden Urteil<br />

des Bundesverfassungsgerichts vom 17.August 1956 ausgeübt<br />

worden wäre, d.h. in einer Zeit, da die KPD eine normal zugelassene,<br />

in den Länderparlamenten und im Bundestag durch<br />

Abgeordnete vertretene Partei war. 3 (Zum Umfang der politischen<br />

Strafverfolgung in den 50er und 60er Jahren in der damaligen BRD siehe Beitrag von<br />

Bischoff/Coburger, Seite 152.)<br />

Auch in diesem Zusammenhang wurde nicht etwa wenigstens<br />

der Verdacht von Rechtsbeugungen geprüft. Warum auch?<br />

Diese Juristen kamen, wie übrigens auch die Nazi-Juristen,<br />

71


STRAFVERFOLGUNG VON DDR-JURISTEN<br />

aus der alten reichsdeutschen Juristentradition mit deren<br />

Auffassungen und Zielrichtungen.<br />

Anders die Juristen aus der DDR. Sie waren „Fremde“, hatten<br />

dem anderen deutschen Staat mit einer anderen<br />

Gesellschaftsordnung gedient und hatten dazu noch den<br />

Makel des Verlierers, den man ausgrenzen, materiell benachteiligen,<br />

demütigen und verfolgen könne.<br />

Nachdem die DDR generell zum Unrechtsstaat erklärt worden<br />

war, sollte das auch durch gerichtliche Strafverfolgung<br />

von Richtern und Staatsanwälten detailliert bewiesen werden.<br />

So haben sich DDR-Juristen im Prinzip dafür zu verantworten,<br />

dass sie dem untergegangenen Staat, der Sozialismus auf<br />

seine Fahnen geschrieben hatte, gedient haben. Man müsse<br />

damit den verständlichen Wünschen und Interessen der<br />

Opfer Rechnung tragen, heißt es.<br />

Bezeichnend für den Charakter der Strafverfolgung ist aber<br />

die verschwindend geringe Zahl von Strafverfahren, die<br />

tatsächlich auf Anzeigen von Bürgern zurückgehen. In den<br />

Gerichtsverhandlungen zeigten die meisten als Zeugen vernommenen<br />

Betroffenen kaum Interesse an der Verfolgung<br />

oder lehnten sie sogar in einigen Fällen, wie zum Beispiel<br />

Rudolf Bahro und Wolfgang Harich, überhaupt ab.<br />

Und gerade diejenigen, die eine Strafverfolgung anstrebten,<br />

waren in ihren Aussagen oft substanzlos und von mangelnder<br />

Sachlichkeit geprägt, so dass selbst Freisprüche erfolgten<br />

oder haltlose Anklagen, die sich auf solche Aussagen gestützt<br />

hatten, gerichtlich nicht angenommen wurden. Die Strafverfolgung<br />

wurde vielmehr vorrangig auf der Grundlage von<br />

Rehabilitierungsakten durchgeführt. Rehabilitierungen<br />

haben aber nichts mit gesetzwidrigen Entscheidungen und<br />

Rechtsbeugung zu tun.<br />

Nach dem so genannten 1. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz<br />

vom 29. Oktober 1992 sollten diejenigen rehabilitiert werden,<br />

72


Eleonore Heyer<br />

die in der DDR wegen solcher strafbaren Handlungen verfolgt<br />

worden waren, welche in einem im Gesetz enthaltenen<br />

Katalog von Delikten aufgeführt waren, wie Spionage,<br />

Hochverrat, Fahnenflucht, Menschenhandel, Geheimnisverrat,<br />

Landesverräterische Nachrichtenübermittlung, ungesetzlicher<br />

Grenzübertritt, Beeinträchtigung staatlicher<br />

Tätigkeit u.a. Dabei wurde zum Kriterium der Beurteilung<br />

eine Rechtsstaatswidrigkeit nach dem bundesdeutschen<br />

Grundgesetz gemacht. 4<br />

Das hatte zwar nichts mit vorsätzlich gesetzwidrigen<br />

Entscheidungen nach den Gesetzen der DDR zu tun, führte<br />

aber letztlich in allen Anklagen und in den Urteilen gegen<br />

DDR-Juristen zu Textformulierungen, wonach eine auf diesen<br />

oder jenen Tatbestand gestützte Verurteilung in der DDR<br />

regelmäßig rechtsstaatswidrig gewesen wäre. Auch die<br />

Freisprüche enthalten solche von vornherein diffamierenden<br />

Formulierungen.<br />

Die außerordentlich große Zahl von Strafverfahren gegen<br />

DDR-Juristen muss, um das Ausmaß richtig einschätzen zu<br />

können, im Zusammenhang mit den in der DDR durchgeführten<br />

Strafverfahren überhaupt sowie mit der Anzahl von<br />

Richtern und Staatsanwälten gesehen werden, die in der<br />

DDR tätig waren. Insbesondere geht es dabei um die auf dem<br />

Gebiet der Verfolgung von Angriffen gegen den Staat sowie<br />

die staatliche und öffentliche Ordnung tätig gewesenen<br />

Juristen, denn insoweit wird ihnen Rechtsbeugung in großem<br />

Umfang vorgeworfen.<br />

In der DDR gab es in Relation zu der Bevölkerungszahl allgemein<br />

keine sehr große Zahl von Strafverfahren, zumal<br />

auch die Möglichkeiten staatlicher und gesellschaftlicher<br />

Kriminalitätsvorbeugung, durch Verfassung und Strafgesetze<br />

gefordert, bewusst genutzt wurden. So wurden seit Gründung<br />

der DDR im Durchschnitt der Jahre ca. 120.000 Ermittlungs-<br />

73


STRAFVERFOLGUNG VON DDR-JURISTEN<br />

verfahren eingeleitet, wovon zwischen 50.000 bis 80.000 zu<br />

Verurteilungen durch die Gerichte führten. In 90% der Fälle<br />

mindestens handelte es sich dabei um Fälle der so genannten<br />

allgemeinen Kriminalität, wie Diebstahl, Betrug, Körperverletzung,Tötungsdelikte,<br />

Sexualdelikte,Verkehrsstraftaten,<br />

Wirtschaftsstraftaten u.s.w.<br />

Weniger als 10% der Verfahren hatten einen politischen<br />

Bezug, wie man leicht aus den Statistiken ersehen kann, die<br />

beim Generalstaatsanwalt der DDR geführt wurden, und die<br />

Strafen in diesen Fällen ragten nicht etwa unverhältnismäßig<br />

aus dem allgemeinen Rahmen der Strafpraxis des Landes<br />

heraus.<br />

Insgesamt nicht viel mehr als 1.400 Richter und 1.200 Staatsanwälte<br />

gab es in der DDR, wobei natürlich nur ein Teil von<br />

ihnen in ihrer Tätigkeit mit den verschiedenen Bereichen des<br />

Strafrechts befasst waren. Zum Beispiel waren in allen<br />

Abteilungen IA bei den 15 Staatsanwälten der Bezirke und<br />

dem Generalstaatsanwalt der DDR (das waren die Abteilungen,<br />

die sich mit Angriffen auf den Staat und die staatliche<br />

Ordnung zu befassen hatten) zusammengenommen<br />

weniger Staatsanwälte tätig, als in der Staatsanwaltschaft II<br />

bei dem Berliner Landgericht damit befasst waren, so<br />

genanntes DDR-Systemunrecht allein in Berlin zu verfolgen.<br />

Es waren nämlich weniger als 70 Staatsanwälte. Gegen sie,<br />

wie gegen Richter in zahlenmäßig etwa gleichem Umfang,<br />

richtete sich die Verfolgungsflut, von Anfang an zielgerichtet. 5<br />

Dazu kamen einige Staatsanwälte und Richter, die früher auf<br />

diesem Gebiet gearbeitet hatten, einige vorgesetzte<br />

Staatsanwälte und Richter, einige Militärstaatsanwälte und<br />

sogar Arbeitsrichter. Gegen diesen begrenzten Personenkreis<br />

wurden Zehntausende von Strafverfahren eingeleitet, gegen<br />

einige von ihnen mehr als 100 Verfahren, von denen später<br />

auch ein Großteil — vorwiegend vorläufig — eingestellt wurden.<br />

Diese Verfahren haben die Juristen in einem Nerven-<br />

74


Eleonore Heyer<br />

krieg über Jahre, praktisch ein Jahrzehnt, belastet und belasten<br />

sie noch heute, zumal es auch meist uneinsehbar war,<br />

nach welchen Gesichtspunkten die in blindem Verfolgungseifer<br />

aufgehäuften Verfahren zur Einstellung, andere zur<br />

Anklage und letztlich zur Verurteilung führten. Es sei denn,<br />

dass man bei der großen Anzahl der Verfahren sich in der<br />

vielleicht auch internationalen Öffentlichkeit womöglich die<br />

nicht unbegründete Frage stellen lassen musste, weshalb<br />

DDR-Juristen massenhaft die eigenen Gesetze vorsätzlich<br />

verletzt haben sollten, für deren Durchsetzung sie Verantwortung<br />

trugen.<br />

Die Frage stellen heißt aber, sie zu beantworten. Es wäre<br />

doch von vornherein in höchstem Maße unwahrscheinlich,<br />

dass solches massenhaft geschehen sein konnte.<br />

Dabei gab es natürlich in der DDR, wie in jedem Staat, falsche<br />

Rechtsanwendung und dadurch Unrecht. Aber nicht<br />

jeder Fehler stellt Rechtsbeugung dar. Vielmehr bestehen<br />

gerade deshalb im Strafprozessrecht die entsprechenden<br />

Möglichkeiten, durch Rechtsmittel obere Gerichte zur<br />

Korrektur zu veranlassen.<br />

Anknüpfend an die frühere Rechtsprechung der bundesdeutschen<br />

Gerichte hätte man mit einiger Logik Richter und<br />

Staatsanwälte der DDR nicht der Strafverfolgung aussetzen<br />

können. Es musste vielmehr eine spezielle Rechtsprechung<br />

gegen sie entwickelt werden, nach Gesichtspunkten, die für<br />

bundesdeutsche Richter und Staatsanwälte nie gegolten haben<br />

und auch bis jetzt nicht gelten. Darüber waren sich die mit der<br />

Verfolgung der DDR-Juristen befassten bundesdeutschen<br />

Staatsanwaltschaften wohl auch im klaren, die in ihren ersten<br />

Anklagen die Verfahren als „Pilotverfahren“ bezeichneten.<br />

Das heißt, sie hielten sie für eine Art Versuchsverfahren.<br />

Nun waren die Landgerichte und insbesondere der Bundesgerichtshof<br />

gefragt.<br />

75


STRAFVERFOLGUNG VON DDR-JURISTEN<br />

Sie entwickelten im Laufe der Jahre eine Vielzahl von<br />

Rechtsauffassungen und Fallgruppen, um dadurch so genannte<br />

„gefestigte Rechtsstandpunkte“ zur Begründung der Verurteilungen<br />

von DDR-Juristen zu schaffen. Die Gerichte hatten<br />

sich in der Rechtsprechung nicht nach den DDR-<br />

Gesetzen zu richten, nach denen man doch zu urteilen hatte,<br />

sondern nach diesen „gefestigten Rechtsstandpunkten“.<br />

Selbst Vorsitzende von Strafkammern äußerten sich<br />

gelegentlich gegenüber Verteidigern und Angeklagten dahingehend,<br />

dass doch sicher bekannt wäre, wie der Bundesgerichtshof<br />

entschieden habe, und machten dabei unverkennbar<br />

deutlich, dass sie sich letztlich daran zu halten hätten. Die<br />

meisten Urteile weisen durch ständige fast wörtliche<br />

Wiederholungen von Rechtsstandpunkten des Bundesgerichtshofs<br />

große Ähnlichkeiten auf.<br />

Es gab jedoch auch Fälle, wo Gerichte der so genannten<br />

gefestigten Rechtsprechung nicht blindlings folgten. Das<br />

führte gelegentlich zu — sogar mehrfachen — Aufhebungen<br />

freisprechender Urteile durch den Bundesgerichtshof. So<br />

wurde ein leitender DDR-Jurist, der Berliner Generalstaatsanwalt,<br />

durch Urteil der 12. Großen Strafkammer des<br />

Landgerichts Berlin in einem Strafverfahren 1997 vom<br />

Vorwurf der Rechtsbeugung freigesprochen. Auf Revision<br />

der Staatsanwaltschaft wurde dieses Urteil durch den 5.<br />

Strafsenat des Bundesgerichtshofs aufgehoben und die Sache<br />

zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen.<br />

Nunmehr verhandelte die 10. Große Strafkammer des<br />

Landgerichts. Sie sprach den DDR-Juristen ebenfalls frei, was<br />

nach erneuter Revision durch die Staatsanwaltschaft zur<br />

Aufhebung auch dieses Urteils durch den Bundesgerichtshof<br />

führte. Jetzt war die 22. Große Strafkammer des Landgerichts<br />

Berlin mit der Sache befasst. Auch sie gelangte im Ergebnis<br />

der von ihr durchgeführten Verhandlung — inzwischen im<br />

76


Eleonore Heyer<br />

Jahre 2001 — zu einem freisprechenden Urteil. Die dagegen<br />

eingeleitete Revision nahm die Staatsanwaltschaft letztlich<br />

zurück, so dass das dritte freisprechende Urteil dann doch<br />

noch Rechtskraft erlangte. 6<br />

Tiefgreifende rechtliche Bedenken gegen die Strafverfolgung<br />

von DDR-Juristen wegen Rechtsbeugung, die von Rechtswissenschaftlern,<br />

auch aus den alten Bundesländern, vorgetragen<br />

wurden, blieben unbeachtet bzw. wurden ausdrücklich<br />

verworfen.<br />

Prof. Vormbaum von der Universität Münster hatte unter<br />

anderem darauf hingewiesen, dass nach dem Einigungsvertrag<br />

und nach §2 StGB jede vor dem 3. Oktober 1990 in<br />

der DDR begangene Tat, welche auch immer, eben nur dann<br />

strafbar sein könne, wenn sie sowohl nach den in der DDR<br />

geltenden und mit dem Einigungsvertrag aufgehobenen<br />

Bestimmungen strafbar war und nach dem Recht der<br />

Bundesrepublik in gleicher Weise Strafbarkeit, also so<br />

genannte Unrechtskontinuität, vorliegt.<br />

Tatsächlich sind aber bezüglich der Rechtsbeugung die entsprechenden<br />

Straftatbestände des StGB und des StGB/DDR<br />

nicht in ihrem Wesen identische Regelungen. Sie schützen<br />

völlig unterschiedliche Rechtsordnungen und Rechtsgüter<br />

und sind auch in ihren Texten unterschiedlich.<br />

So ist eine „wissentlich gesetzwidrige Entscheidung bei der<br />

Durchführung eines gerichtlichen oder eines Ermittlungsverfahrens…“<br />

nach §244 StGB/DDR nicht identisch mit der<br />

„Beugung des Rechts bei der Leitung oder Entscheidung<br />

einer Rechtssache…“ nach §339 StGB.<br />

Rechtsbeugung nach dem Recht der DDR beging derjenige,<br />

der gesetzwidrig, dass heißt unter Verletzung der<br />

DDR-Gesetze, Entscheidungen traf und zwar vorsätzlich<br />

zum Vor- oder Nachteil eines Verfahrensbeteiligten. Die<br />

allgemeine Bezugnahme auf Rechtsauffassungen und<br />

77


STRAFVERFOLGUNG VON DDR-JURISTEN<br />

Anschauungen, die nicht in einem DDR-Gesetz formuliert<br />

waren, können deshalb nicht geeignet sein, den Vorwurf der<br />

Rechtsbeugung zu begründen. 7<br />

In der bundesdeutschen Rechtsprechung galt als Voraussetzung<br />

für die Einschätzung einer Entscheidung als rechtsbeugerisch,<br />

dass eine außergewöhnliche Schwere, ein Rechtsbruch<br />

vorliegen müsse. Nur der Richter oder Staatsanwalt könne<br />

Rechtsbeugung begehen, der sich bewusst in schwerwiegender<br />

Weise von Gesetz und Recht entfernt und sein Handeln<br />

stattdessen an seinen eigenen Maßstäben ausrichtet. 8<br />

Das kann im Prinzip auch nicht anders sein, weil es Irrtümer<br />

und Fehleinschätzungen wie unterschiedliche Rechtsauffassungen<br />

unter Juristen gibt und weil sonst jede im Wege der<br />

Revision aufgehobene Entscheidung den Anfangsverdacht<br />

einer Rechtsbeugung begründen und ein Ermittlungsverfahren<br />

gegen den Sachrichter auslösen würde. Die Konsequenzen<br />

für die allgemeine Rechtssicherheit mag man sich<br />

vorstellen.<br />

Für Juristen der DDR gilt ähnliches, nur dass sie eben an die<br />

geschriebenen Gesetze der DDR gebunden waren, die sie im<br />

Rahmen ihrer Rechtsordnung und Maßstäbe anzuwenden<br />

hatten, nicht an allgemeine Rechtsanschauungen, wie z.B. des<br />

Naturrechts, die es in der DDR nicht gab.<br />

Davon gehen die bundesdeutschen Gerichte auch zunächst<br />

aus, wenn sie §244 StGB/DDR als milderes Gesetz im Sinne<br />

von §2 StGB anzuwenden erklären. Aber in der tatsächlichen<br />

Rechtsanwendung werden die Gesetze der DDR so interpretiert<br />

und durch bundesdeutsche Maßstäbe verändert, dass<br />

dieses der Schaffung neuer Gesetze gleichkommt. Dadurch<br />

werden Juristen der DDR an Maßstäben gemessen, die für<br />

sie nie gegolten haben, denn weder völkerrechtlich noch<br />

sonst wie bestand für sie die Pflicht und Veranlassung, sich die<br />

78


Eleonore Heyer<br />

Maßstäbe des Rechtes der Bundesrepublik zu eigen zu<br />

machen, genau so wenig, wie sie innerhalb ihres Landes dem<br />

Recht anderer Staaten zu folgen hatten.<br />

Erinnert sei dazu an den Grundlagenvertrag zwischen der<br />

BRD und der DDR vom 21. Dezember 1972, in dem die<br />

Beschränkung der Hoheitsgewalt jedes der beiden Staaten<br />

auf sein Staatsgebiet und die Respektierung ihrer<br />

Unabhängigkeit und Selbstständigkeit in den inneren und<br />

äußeren Angelegenheiten ausdrücklich bekräftigt wurden.<br />

Das galt für die Zeit des Bestehens der beiden deutschen<br />

Staaten. Jetzt aber wird so getan, als hätte es diese von beiden<br />

Seiten zu respektierenden Festlegungen im Grundlagenvertrag<br />

nie gegeben. 9<br />

Die Rechtsauffassungen, aber auch Arbeitsweisen, Unterstellungsverhältnisse,<br />

Leitungs- und Anleitungsformen und<br />

-methoden und selbst die Aktenführung, wie sie sich aus der<br />

DDR-Verfassung und den gesetzlichen Regelungen des weitgehend<br />

zentralistisch aufgebauten Staates ergaben, waren für<br />

die mit der Strafverfolgung befassten bundesdeutschen<br />

Juristen von Anfang an mindestens verdächtig, zumal ihnen<br />

das Recht der DDR als Gesamtheit der Gesetze und ihrer<br />

Anwendung dem Wesen nach fremd war und sie vor allem<br />

völlig andere Bewertungsmaßstäbe haben. So wird, was in der<br />

DDR, auch nach oberst-gerichtlicher Rechtsprechung, als<br />

schwerwiegend die staatliche Ordnung und Sicherheit gefährdend<br />

angesehen werden musste, von den früheren Gegnern<br />

als Bagatelle betrachtet, die man nicht, zumal nicht mit<br />

Freiheitsstrafe hätte belangen dürfen.<br />

In den ersten Jahren der Verfolgung von DDR-Juristen gab<br />

es, insbesondere in Urteilen des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs<br />

noch das Bestreben, der Bindung der DDR-<br />

Juristen an die für sie verbindlichen Strafgesetze der DDR in<br />

79


STRAFVERFOLGUNG VON DDR-JURISTEN<br />

gewisser Weise gerecht zu werden und davon auszugehen,<br />

dass das Verbot rückwirkender Bestrafung nach Art. 103 Abs.<br />

2 des Grundgesetzes es nicht zulässt, auf Wertvorstellungen<br />

abzustellen, die in der Bundesrepublik gelten.<br />

Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auf solche<br />

Urteile, wie das vom 06. Oktober 1994 und die beiden Urteile<br />

vom 30. November 1995, obwohl auch in diesen Urteilen<br />

Bewertungsmaßstäbe herangezogen wurden, die für die<br />

angeklagten DDR-Juristen fremd waren, in ihrer Tätigkeit<br />

nicht gegolten hatten und die letztlich in anderen<br />

Zusammenhängen wiederum die Grundlage für die Begründung<br />

von Verurteilungen anderer DDR-Juristen bildeten. 10<br />

Unverkennbar gab es eine ständige Verschärfung der<br />

Bestrafungskriterien, wozu ein ganzes Gewirr von Rechtskonstruktionen<br />

zur Verfolgung von Richtern und Staatsanwälten<br />

der DDR entwickelt wurde, das darzulegen hier zu<br />

weit führen würde. Deshalb dafür nur einige wenige Beispiele,<br />

die sich aber fortsetzen ließen, besonders im Hinblick<br />

auf die Auswirkungen für die Entscheidungen der verschiedenen<br />

Landgerichte.<br />

Im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Dezember 1993<br />

führte der 5. Strafsenat zur Anwendung des Rechtsbeugungstatbestands<br />

gem. §244 StGB/DDR aus, dass, von Einzelexzessen<br />

abgesehen, eine Bestrafung auf Fälle zu beschränken<br />

sei, in denen die Rechte, hauptsächlich die Menschenrechte<br />

anderer, schwerwiegend verletzt worden wären, weshalb sich<br />

die entsprechenden Entscheidungen als Willkürakt darstellen<br />

würden. Orientierungsmaßstab wäre jedenfalls die offensichtliche<br />

Verletzung von Menschenrechten, wofür 3 Fallgruppen in<br />

Betracht kämen, nämlich Überdehnung des Straftatbestandes,<br />

unerträgliches Missverhältnis zwischen Strafe und abgeurteilter<br />

Tat sowie schwere Menschenrechtsverletzung durch die Art<br />

und Weise der Verfahrensdurchführung. 11<br />

80


Eleonore Heyer<br />

Obwohl damals sogar der Eindruck entstand, der Senat wolle<br />

die Verfolgungsmöglichkeiten begrenzen, zumal es sich um<br />

ein freisprechendes Urteil handelte, wurden durch dieses<br />

Urteil praktisch neue Tatbestandsmerkmale geschaffen, die<br />

mit den Gesetzen der DDR nichts zu tun hatten, sie vielmehr<br />

ersetzen sollten und fast unbegrenzt subjektiv auslegungsfähig<br />

waren. Eine Bezugnahme auf dieses Urteil befindet sich<br />

inzwischen in fast allen Urteilen gegen DDR-Juristen, verbunden<br />

mit weiteren Wertungen.<br />

Mit dem Urteil vom 09. Mai 1994 erweiterte dieser Senat<br />

dann seine Grundsätze, indem er erklärte, auch ohne unmittelbare<br />

Eingriffe in Menschenrechte oder das Vorliegen eines<br />

Einzelexzesses könne Rechtsbeugung begangen sein, wenn<br />

nämlich die zu beurteilende Entscheidung sich als Willkürakt<br />

darstelle, der einer Menschenrechtsverletzung gleich käme. 12<br />

Als die 15. Strafkammer des Landgerichts Berlin ihre<br />

freisprechende Entscheidung vom 19. April 1996 damit<br />

begründet hatte, sie habe sich an einer Verurteilung gehindert<br />

gesehen, weil sie in der zu entscheidenden Sache eine<br />

Menschenrechtsverletzung nicht habe feststellen können,<br />

auch nicht einen Akt vergleichbarer Schwere, modifizierte<br />

der 5. Senat seine ursprüngliche Konstruktion und erklärte<br />

im Urteil vom 21. August 1997, mit dem es die landgerichtliche<br />

Entscheidung aufhob, es komme auf das Vorliegen von<br />

Menschenrechtsverletzungen überhaupt nicht an, auch nicht<br />

auf das Vorliegen von Einzelexzessen. 13<br />

So wurde mit wechselnden Konstruktionen die Rechtsprechung<br />

der beabsichtigten Verfolgung angepasst.<br />

Mit dem Urteil vom 15. September 1995 wurde unter anderem<br />

darauf orientiert, dass in Fällen, in denen nicht festzustellen<br />

war, dass Richter oder Staatsanwälte die Grenze<br />

zulässiger Gesetzesanwendung nach DDR-Recht überschritten<br />

hatten, gleichwohl Rechtsbeugung durch sie vorliegen<br />

81


STRAFVERFOLGUNG VON DDR-JURISTEN<br />

könne, wenn eine im Gesetz angedrohte Freiheitsstrafe<br />

verhängt oder beantragt wurde, und zwar dann, wenn die<br />

Tatbestandserfüllung „im Grenzbereich des Gesetzes“ gelegen<br />

habe. 14<br />

Die Entscheidung löste eine Vielzahl weiterer Verurteilungen<br />

aus, mit denen in der Verhängung von Freiheitsstrafen in<br />

solchen so genannten „Fallgruppen“ generell menschenrechtswidrige<br />

Bestrafungen gesehen wurden, auch wenn diese<br />

sich an der unteren Grenze der gesetzlichen Strafandrohung<br />

bewegt hatten. Damit wurden, entgegen den im Strafgesetzbuch<br />

der DDR enthaltenen Regelungen über Strafzumessungskriterien<br />

und entgegen der Grundsatzregelungen des<br />

Allgemeinen Teils dieses Gesetzbuchs überhaupt, Wertmaßstäbe<br />

angelegt, die in der DDR und damit für die angeklagten<br />

Richter und Staatsanwälte nie gegolten hatten.<br />

Die Reihe der mit Entscheidungen des Bundesgerichtshofs<br />

verbundenen Orientierungen für die Rechtsprechung der<br />

Gerichte kann weiter fortgesetzt werden<br />

• bis zur Ableitung des Vorsatzes aus der beruflichen<br />

Qualifikation eines Richters der DDR, die ihn — das verbirgt<br />

sich letztlich dahinter — hätte erkennen lassen<br />

müssen, welche Rechtsauffassungen Jahre später in der<br />

Bundesrepublik entwickelt werden und für ihn maßgeblich<br />

sein würden;<br />

• bis zu der Feststellung, dass auch dann Rechtsbeugung vorliegen<br />

würde, wenn zwar durch DDR-Juristen weder<br />

Straftatbestände überdehnt noch unverhältnismäßige<br />

Strafen ausgesprochen oder beantragt wurden, aber<br />

Einflussnahme von außen vorgelegen habe, dass Anträge<br />

von Staatsanwälten, über die Gerichte zu entscheiden hatten,<br />

Rechtsbeugung in Täterschaft wäre, und so weiter.<br />

Insgesamt geht es um ein Netz von Rechtskonstruktionen,<br />

die für sich genommen und im Zusammenhang ihrer<br />

Aussagen deutlich machen, dass es hier um politisch gepräg-<br />

82


Eleonore Heyer<br />

te Verfahren und Entscheidungen zur Abrechnung mit dem<br />

früheren Gegner ging, die mit den selbst erklärten rechtsstaatlichen<br />

Ansprüchen nicht zu vereinbaren sind.<br />

Allein der Vorwurf, wissentlich geltende Gesetze zugunsten<br />

oder, wie hier gemeint, zuungunsten von Bürgern gebrochen<br />

zu haben, ist für Richter und ebenso für Staatsanwälte in<br />

hohem Maße diskriminierend, und es empört die damit verbundene<br />

Behauptung, sie hätten ihren Beruf, den sie in der<br />

DDR meist lange Jahre verantwortungsbewusst ausgeübt<br />

hatten, gewissenlos zum Schaden anderer missbraucht. Sich<br />

dann aber als Angeklagte vor Gericht wiederzufinden und,<br />

ohne dass sie irgendein Unrechtsbewusstsein haben konnten,<br />

sich auch noch der Bestrafung ausgesetzt zu sehen, war für<br />

Richter und Staatsanwälte aus der DDR eine nahezu unerträgliche<br />

Belastung.<br />

Dazu kommt die Voreingenommenheit, die ihnen vielfach<br />

entgegenschlug, die Vorverurteilungen in den Medien, die<br />

Jagd, die besonders in den ersten Jahren von Reportern,<br />

Pressefotografen und Kameraleuten auf sie gemacht wurde,<br />

bis zur Belagerung ihrer Wohnungen.<br />

Die Vielzahl der gegen sie eingeleiteten Verfahren,<br />

mehrfache Anklagen und die Verunsicherung durch überlange<br />

Verfahrensdauer stellten eine große Belastung dar. So<br />

liefen gegen DDR-Juristen zum Teil mehrere langandauernde<br />

Gerichtsverhandlungen nacheinander oder sogar nebeneinander,<br />

auch vor verschiedenen Gerichten und in verschiedenen<br />

Städten entfernt von ihrem Wohnort, was besonders in<br />

höherem Alter und bei angegriffener Gesundheit mit dem<br />

Anspruch auf ein faires Verfahren nicht zu vereinbaren ist.<br />

Dass eine nicht einmal geringe Anzahl der strafverfolgten<br />

Juristen psychisch und physisch so beeinträchtigt war, dass sie<br />

wegen Erkrankung nicht mehr verhandlungsfähig sein konnten,<br />

ist auch eine Tatsache. Deshalb waren einige ältere,<br />

83


STRAFVERFOLGUNG VON DDR-JURISTEN<br />

gesundheitlich angegriffene Juristen auf entsprechende<br />

Angebote der Staatsanwaltschaft auch bereit, durch Zahlung<br />

einer Geldbuße eine Anklage abzuwenden, weil sie die mit<br />

einer gerichtlichen Hauptverhandlung verbundene insbesondere<br />

psychische Belastung nicht zu ertragen vermochten.<br />

Wie durch überlange Verfahrensdauer und wechselnde<br />

Beschuldigungen die Strafverfolgung zu einer andauernden<br />

Tortur gemacht werden kann, zeigt neben einer Reihe anderer<br />

Strafverfahren das Vorgehen gegen einen Oberrichter an<br />

einem Bezirksgericht, gegen den 1991 mehrere Strafverfahren<br />

eingeleitet wurden, deren Abschluss letztlich 1999 erfolgte.<br />

Dazwischen fand 1993/94 eine umfangreiche Hauptverhandlung<br />

vor dem Landgericht Dresden statt, in der die<br />

Staatsanwaltschaft Rechtsbeugung in 28 Fällen, auch in<br />

Tateinheit mit Freiheitsberaubung, als erwiesen ansah, eine<br />

Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten beantragte und<br />

später in Revision ging, nachdem die Strafkammer des<br />

Landgerichts in 26 Fällen freigesprochen sowie eine Freiheitsstrafe<br />

von 1 Jahr 6 Monaten zur Bewährung ausgesetzt<br />

hatte. Darüber entschied der Bundesgerichtshof 1995, hob<br />

das landgerichtliche Urteil teilweise auf und gab die Sache<br />

zurück an das Landgericht. 4 Jahre später wurde vor dem<br />

Landgericht erneut verhandelt. Die Staatsanwaltschaft hatte<br />

inzwischen 2 weitere Anklagen mit dem Vorwurf von 13 weiteren<br />

Fällen der Rechtsbeugung erhoben, die nun auch in das<br />

Verfahren eingezogen wurden. Bezüglich einiger Fälle wurde<br />

das Verfahren dann auch wieder eingestellt und letztlich<br />

durch die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von mehr<br />

als 2 Jahren beantragt. Mit einem Urteil über eine zur<br />

Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von 2 Jahren und<br />

einer Geldbuße ging im August 1999 das im Jahr 1991 begonnene<br />

Strafverfahren zu Ende. Der verurteilte Jurist mochte<br />

nach so langer Verfahrensdauer nicht mehr Revision einle-<br />

84


Eleonore Heyer<br />

gen. Er hätte sie auch nicht bezahlen können. Zudem kamen<br />

hohe Gerichtskosten auf ihn zu.<br />

Das durch die Medien sehr bekannt gewordene Strafverfahren<br />

gegen 5 Richter und 2 Staatsanwälte der DDR, die<br />

Ende der 70er Jahre mit einem Verfahren zur Aufenthaltsbeschränkung<br />

oder einem weiteren wegen eines Devisendelikts<br />

gegen Robert Havemann befasst waren, zog sich über 108<br />

Verhandlungstage ab Juli 1995 bis September 1997 hin und<br />

setzte sich für diejenigen, deren Urteil durch das Bundesgerichtshof<br />

aufgehoben worden waren, noch vor einem anderen<br />

Landgericht über 26 Tage fort. 15<br />

Bei den strafverfolgten Richtern und Staatsanwälten jüngeren<br />

Lebensalters, darunter Frauen mit noch schulpflichtigen<br />

Kindern, bestand eine zusätzliche Sorge darin, dass sie nach<br />

Verlust ihres Berufs eine oft mühsam neu aufgebaute berufliche<br />

Existenz und Unterhaltsgrundlage für die Familie verlieren<br />

könnten. Sie waren deshalb mit Hilfe ihrer Verteidiger um<br />

einen möglichst geringen Zeitaufwand bei den Gerichtsverhandlungen<br />

bemüht, weil sie Arbeitsausfall in ihrer beruflichen<br />

Tätigkeit vermeiden wollten, um sie nicht zu gefährden.<br />

Sich in den Strafverfahren zu den erhobenen Vorwürfen zu<br />

äußern, um sich dadurch natürlich auch zu verteidigen, war<br />

generell kompliziert. Wenn Richter und Staatsanwälte sich<br />

mit dem Abstand von manchmal Jahrzehnten zu ihren früheren<br />

Entscheidungen nachdenklich zeigten, mussten sie<br />

befürchten, dass darin ein Eingeständnis vorhandenen<br />

Unrechtsbewusstseins gesehen würde, auch mit negativen<br />

Auswirkungen auf andere. Wenn sie die Gesetzlichkeit ihrer<br />

früheren Entscheidungen mit Nachdruck verteidigten, wurden<br />

sie womöglich als verbohrt und fanatisch angesehen, als<br />

jemand, der völlig „indoktriniert“ wäre.<br />

85


STRAFVERFOLGUNG VON DDR-JURISTEN<br />

Wer in der Hauptverhandlung bestätigte, dass er einen dem<br />

Gericht vorliegenden Antrag während seiner beruflichen<br />

Tätigkeit in der DDR-Justiz gestellt, eine Anklage erhoben,<br />

ein Urteil gesprochen hätte usw., konnte damit rechnen, dass<br />

zumindest der Staatsanwalt das als ein Teilgeständnis wertet.<br />

Sich nicht zu äußern musste deshalb oft als die beste Lösung<br />

angesehen werden, wenngleich das Juristen naturgemäß<br />

schwer fällt.<br />

Welche Verfahren waren es, in denen rechtsbeugerische Entscheidungen<br />

getroffen zu haben, den Juristen aus der DDR<br />

vorgeworfen wird ?<br />

Einige hochbetagte Männer und Frauen, die als Staatsanwälte<br />

und Richter 1950 an Prozessen in Waldheim mitgewirkt<br />

hatten, wurden wegen Rechtsbeugung, Freiheitsberaubung<br />

und sogar wegen Mord verfolgt und zu Freiheitsstrafen<br />

verurteilt. Diese damaligen Prozesse waren gegen mehr als<br />

3.000 internierte Personen im Auftrag und unter unmittelbarer<br />

Aufsicht und Kontrolle der sowjetischen Besatzungsmacht<br />

zur Strafverfolgung von NS-Verbrechen durchgeführt<br />

worden und zwar nach dem von allen 4 Alliierten der Anti-<br />

Hitlerkoalition erlassenen Kontrollratsgesetz (KRG) Nr. 10<br />

und der Kontrollratsdirektive (KRD) Nr. 38, also nach<br />

Besatzungsrecht. 16<br />

(Zu den Besonderheiten bei der Verfolgung von in Waldheim tätig gewesenen Richtern<br />

und Staatsanwälten sowie generell zur damaligen Rechtslage siehe Beitrag von Erich<br />

Buchholz, Seite 434.)<br />

In geringen Einzelfällen erfolgten Verurteilungen von DDR-<br />

Juristen wegen deren Tätigkeiten als Richter oder Staatsanwalt<br />

in Strafprozessen, die in der DDR wegen staatsfeindlicher<br />

Handlungen geführt wurden und zwar sowohl während<br />

der Zeit der Geltung des Artikels 6 der ersten DDR-<br />

Verfassung als unmittelbar geltendes Strafrecht, als auch in<br />

86


Eleonore Heyer<br />

der späteren Zeit wegen solcher Staatsverbrechen, wie<br />

Spionage, Nachrichtenübermittlung, staatsfeindliche Hetze<br />

und andere nach den DDR-Gesetzen strafbare schwerwiegende<br />

Handlungen.<br />

In der übergroßen Mehrheit der Fälle, in denen DDR-<br />

Juristen Rechtsbeugung zur Last gelegt wurde, handelt es sich<br />

um Verfahren, die im Zusammenhang mit Bestrebungen zur<br />

Ausreise aus der DDR gestanden hatten und in den 80er<br />

Jahren vor DDR-Gerichten gelaufen waren. Bei den damals<br />

Betroffenen ging es sowohl um Grenzverletzer wie auch vorwiegend<br />

um Personen, die ihre nicht genehmigte oder noch<br />

nicht genehmigte Ausreise aus der DDR zu erzwingen versuchten,<br />

indem sie Druck auf staatliche Organe unmittelbar<br />

ausübten oder von außerhalb der DDR zu erreichen suchten.<br />

Darunter waren auch solche Personen, die den Staat durch<br />

Provokationen herausforderten und bewusst Handlungen<br />

durchführten, deren Strafbarkeit nach DDR-Gesetzen ihnen<br />

bekannt war. Sie strebten eine Strafverfolgung geradezu an,<br />

um, wie sie hofften, im Wege eines so genannten Häftlingsfreikaufs<br />

in die BRD zu gelangen. Deshalb legten sie zum<br />

Beispiel auch keine Rechtsmittel ein.<br />

Dieses war in der BRD auch seit langem bekannt, da eine<br />

größere Anzahl solcher verurteilter Personen tatsächlich,<br />

meist kurzfristig, nach Bemühungen der bundesdeutschen<br />

Behörden in diesem „Häftlingsfreikauf“ in die BRD ausreisten<br />

und dort polizeilich, staatsanwaltlich oder geheimdienstlich<br />

vernommen wurden.<br />

Trotzdem hat der spätere Bundesjustizminister und auch<br />

Bundesaußenminister Kinkel, der den bundesdeutschen<br />

Richtern sozusagen den Auftrag zur Delegitimierung der<br />

DDR gab, niemals vorher Einwendungen gegen die<br />

Strafverfolgung durch die Gerichte der DDR in diesem<br />

Zusammenhang erhoben, obwohl er zur Zeit der Existenz<br />

der DDR gute Gelegenheit dazu gehabt hätte. Als damaliger<br />

87


STRAFVERFOLGUNG VON DDR-JURISTEN<br />

Staatssekretär im Bundesjustizministerium war er nämlich<br />

von Seiten der BRD, ähnlich wie von Seiten der DDR<br />

Staatssekretär Ranke, Verhandlungsführer in einer Vielzahl<br />

von Gesprächsrunden, die nach dem Grundlagenvertrag vom<br />

21. Dezember 1973 bis zum Ende der DDR abwechselnd in<br />

Bonn und Berlin zur Vorbereitung eines Rechtshilfeabkommens<br />

zwischen den beiden Staaten geführt wurden<br />

und an der Frage der Staatsbürgerschaftsauffassungen scheiterten.<br />

In den exakt protokollierten Beratungen, die in der<br />

Öffentlichkeit bisher wohl nie eine Rolle gespielt haben, hat<br />

er niemals rechtliche oder anderweitige Bedenken gegen<br />

diese Verfahren vorgetragen, die dann aber nach dem<br />

Einigungsvertrag zur massenweisen Verfolgung von DDR-<br />

Juristen benutzt wurden.<br />

Der DDR wurde mit dieser Strafverfolgung nachträglich das<br />

Recht abgesprochen, ihr Strafrecht, wie jeder andere Staat,<br />

als Instrument der Selbstverteidigung zu handhaben und<br />

zwar auch im Rahmen ihrer politisch motivierten Strafgesetze,<br />

die sich, wie selbst der BGH einräumen musste, im<br />

Rahmen der elementaren Gebote der Gerechtigkeit und der<br />

Menschenrechte gehalten und ihnen nicht etwa widersprochen<br />

haben.<br />

Im Oktober des Jahres 2000 trat mit der Verjährung der so<br />

genannten mittelschweren Straftaten die absolute Verjährung<br />

der Strafverfolgung wegen Rechtsbeugung ein — nach 10<br />

Jahren Verfolgung und zwischenzeitlichen Verlängerungen<br />

der zum Teil schon vor 1990 in der DDR abgelaufenen<br />

Verjährungsfristen, die mit abenteuerlichen Begründungen<br />

für ungültig erklärt worden waren. 17<br />

Seitdem wird der Eindruck erweckt, es gäbe nun keinerlei<br />

Strafverfolgung der DDR-Juristen mehr. In der Öffentlichkeit<br />

wird keine Notiz davon genommen. Die Sache ist sozusagen<br />

abgehakt.<br />

88


Eleonore Heyer<br />

Tatsächlich sind aber noch nicht alle Verfahren abgeschlossen,<br />

obwohl schon Anfang der 90er Jahre begonnen, so zum<br />

Beispiel, wenn es Revisionen gegeben hatte.<br />

Manche sind der Meinung, die Verfolgung wäre maßvoll<br />

gewesen, die Juristen wären doch gut davon gekommen,<br />

zumal die durch Urteil ausgesprochenen Freiheitsstrafen auf<br />

Bewährung ausgesetzt wurden. Das letztere stimmt in dieser<br />

Absolutheit zunächst nicht. Es wurden sehr wohl zu vollstreckende<br />

Freiheitsstrafen ausgesprochen, wenn sie auch zum<br />

Teil, und zwar wegen Todeseintritt oder wegen schwerer<br />

Krankheit und sehr hohen Alters, nicht mehr vollstreckt werden<br />

konnten.<br />

Auch jetzt befindet sich ein 72 jähriger herzkranker DDR-<br />

Staatsanwalt noch im Strafvollzug.<br />

Dass eine über 70 jährige ehemalige DDR-Oberrichterin in<br />

Berlin auf offener Straße wie ein Schwerverbrecher festgenommen<br />

und in den Strafvollzug gebracht wurde, ist inzwischen<br />

in der Erinnerung der Öffentlichkeit gelöscht.<br />

Jahre quälender Ungewissheit dauerte es für eine ehrwürdige<br />

80 Jahre alte Dame, die wegen ihrer richterlichen Tätigkeit<br />

aus dem Jahre 1950 zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe<br />

verurteilt worden war, bis man sich bereit fand, auf vielerlei<br />

Anträge von verschiedenen Seiten, ihr den Aufenthalt im<br />

Strafvollzug zu „ersparen“.<br />

Allerdings ist es zutreffend, dass in der großen Zahl der<br />

Strafverfahren die Gerichte Freiheitsstrafen auf Bewährung,<br />

in einigen Fällen Geldstrafen oder auch beides aussprachen.<br />

In jedem Fall handelte es sich aber um die Verurteilung von<br />

Menschen, die keinerlei Unrechtsbewusstsein hatten und<br />

auch nicht haben konnten. Die Strafverfahren überhaupt, die<br />

häufig mehrfachen Anklagen, über Wochen, Monate oder gar<br />

Jahre sich hinziehende Gerichtsverhandlungen mit Verurteilungen<br />

oder letztlich auch Freisprüchen, bedeuteten für<br />

89


STRAFVERFOLGUNG VON DDR-JURISTEN<br />

alle Betroffenen, die wegen ihrer pflicht- und rechtmäßigen<br />

Tätigkeit als Juristen in der DDR verfolgt wurden,<br />

Diskriminierung und Demütigung sowie psychische und körperliche<br />

Belastungen, die durch die vielfältig erfahrene<br />

Solidarität zwar nicht behoben, aber doch erträglicher<br />

gemacht werden konnten.<br />

Viele sind durch hohe Gerichts- und Anwaltskosten hoffnungslos<br />

verschuldet, vermutlich bis an ihr Lebensende. Wer<br />

Ratenzahlung anstrebt, da er keinerlei Möglichkeiten hat,<br />

mehrere Zehntausende von Mark bzw. Euro zu bezahlen,<br />

muss damit rechnen, dass ihm selbst die Abtretung seiner<br />

Rente an die Justizkasse abverlangt wird. Darüber hinaus<br />

droht die Vererbung der Schulden an die Nachkommen.<br />

Das alles wirkt sich nicht nur auf die von der Strafverfolgung<br />

unmittelbar Betroffenen aus, sondern für ganze Familien,<br />

zumal die Verfahrensfolgen verbunden sind mit dem Verlust<br />

des Berufs und für die Älteren mit ohnehin schon reduzierten<br />

Strafrenten. Das ist perfide Mehrfachbestrafung, die mit<br />

dem Schutz der Würde und der Rechte des Menschen nichts<br />

gemein hat.<br />

Der Vorwurf einer bewusst ausgeübten Rachejustiz ist deshalb<br />

offensichtlich nicht weit hergeholt und sollte allen zu<br />

denken geben, die sich darüber wundern, dass die psychischen<br />

Grenzmauern zwischen Ost und West in der<br />

Bundesrepublik Deutschland 12 Jahre nach dem Einigungsvertrag<br />

immer noch fortbestehen. Es ist höchste Zeit, dass die<br />

nötigen Schlussfolgerungen gezogen werden, um die Folgen<br />

dieses Unrechts, soweit überhaut noch möglich, zu beseitigen.<br />

90


Eleonore Heyer<br />

1 - Friedrich, Jörg: Freispruch für die Nazi-Justiz, Reinbeck bei Hamburg. rororo<br />

Taschenbuch 1983.<br />

1 - Jahntz, B. / Kähne, V.: Darstellung der Ermittlungen der Staatsanwaltschaften bei<br />

dem Landgericht Berlin gegen ehemalige Richter und Staatsanwälte am Volksgerichtshof.<br />

Berlin (West). Der Senator für Justiz und Bundesangelegenheiten,<br />

Berlin, 1986.<br />

1 - Vgl.: Wieland, Günther: Das war der Volksgerichtshof. Ermittlungen, Fakten,<br />

Dokumente. Staatsverlag der DDR, Berlin, 1989.<br />

1 - Taler, Conrad: Zweierlei Maß oder: Juristen sind zu allem fähig. PapyRossa <strong>Verlag</strong>s-<br />

GmbH & Co., Köln, 2000. S.86 f.<br />

2 - BGH-Urteil, 16. November 1995, AZ 5 StR 747/94. Vgl.: NJ, Heft 3/1996, S. 154;<br />

NStZ, Heft 8/1996, S. 389; NJ, Heft 11/1996, S. 561.<br />

3 - BVerfG-Urteil, 21. März 1961. In: BVerfGE Bd.12, S. 296. BGH-Urteil, 30. Januar<br />

1958, AZ 1 StE 10/57. In: BGHSt Bd.11, S. 57. BVerfG-Urteil, 17. August 1956, AZ 1<br />

BvB 2/51. In: BVerfGE Bd. 5, S. 85.<br />

3 - Vgl.: Posser, Diether: Anwalt im Kalten Krieg. Ein Stück deutscher Geschichte in<br />

politischen Prozessen 1951 — 1968. München, 1991, S. 210.<br />

3 - Erstes Strafrechtsänderungsgesetz (sog. „Blitzgesetz“), 30. August 1951. In: BGBl. I,<br />

S. 739.<br />

4 - Erstes Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht (1. SED-UnBerG) mit dem Gesetz<br />

über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger<br />

Strafverfolgung im Beitrittsgebiet — Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz —<br />

(StrRehaG), 29. Oktober 1992. In: BGBl. I, S. 1814 ff. idFdB. 17. Dezember 1999.<br />

In:BGBl. I, S. 2664, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2001. In: BGBl.<br />

I, S. 3986. Zweites Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht (2. SED-UnBerG), 23.<br />

Juni 1994. In: BGBl. I, S. 1311 ff.<br />

5 - Rautenberg, Erardo / Burges, Gerd: Anfangsverdacht wegen Rechtsbeugung gegen<br />

Staatsanwälte und Richter der früheren DDR. In: DtZ, Heft 3/1993, S. 71 ff.<br />

6 - Taler, Conrad: Zweierlei Maß. S.87, a.a.O. (Fn. 1)<br />

7 - Vormbaum, Thomas: Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Richtern wegen<br />

Rechtsbeugung. Anmerkungen zum Urteil des LG Berlin vom 17. August 1992, AZ<br />

(515) 76 Js 1589/91 Kls 26/92. In: NJ, Heft 5/1993, S.212 ff. Vgl.: NJ, Heft 1/1993, S. 37.<br />

Vertrag zwischen der BRD und der DDR über die Herstellung der Einheit<br />

Deutschlands, 31. August 1990. In: GBl. I, Nr. 64, 28. September 1990, S. 1629 ff. und<br />

91


STRAFVERFOLGUNG VON DDR-JURISTEN<br />

BGBl. II, 1990, S. 889 ff. sowie Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB),<br />

2. März 1974. In: BGBl. I, S.469; idF. des Einigungsvertrages vom 31. August 1990.<br />

(Anlage I, Kapitel III, Sachgebiet C, Abschnitt II, Ziff. 1 b).In: BGBl. II, S. 889.<br />

7 - StGB, 15. Mai 1871 (RGBl. S. 127) idFdB. vom 13. November 1998. In: BGBl. I, S.<br />

3322, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2001. In: BGBl. I, S. 3983.<br />

StGB/DDR, 12. Januar 1968. In: GBl. I, S. 1 ff. idNF. vom 19. Dezember 1974, GBl. I,<br />

Nr. 3/1975, S. 14, sowie idF. des 3. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 28. Juni 1979. In:<br />

GBl. I, Nr. 17, S. 139 ff. Vgl.: Textausgabe, Staatsverlag der DDR, Berlin 1986. (S.<br />

Dokumentenanhang)<br />

8 - BGH-Urteil, 23. Mai 1984, AZ 3 StR 102/84. In: BGHSt Bd. 32, S.357 ff.<br />

9 - Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der DDR und der BRD<br />

(Grundlagenvertrag), 21. Dezember 1972. In: Für Entspannung und dauerhaften<br />

Frieden in Europa. Dokumente. Herausgegeben vom Ministerium für Auswärtige<br />

Angelegenheiten der DDR (MfAA). Staatsverlag der DDR, Berlin, 1976, S. 100 ff.<br />

Vgl.: BGBl. II, 1973, S. 559 ff. (S. Dokumentenanhang)<br />

10 - BGH-Urteil, 6. Oktober 1994, AZ 4 StR 23/94. In: BGHSt Bd. 40, S. 272. Vgl.: NJ,<br />

Heft 12/1994, S. 583; JR, Heft 5/1995, S. 211 ff. BGH-Urteil, 30. November 1995, AZ<br />

4 StR 714/94. In: NStZ-RR, Heft 3/1996, S. 69. BGH-Urteil, 30. November 1995, AZ<br />

4 StR 777/94. In: Ebenda, S. 65 ff.<br />

10 - Grundgesetz (GG), 23. Mai 1949. In: BGBl. I, S. 1, idF. vom 27. Oktober 1994,<br />

BGBl. I, S. 3146, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des<br />

Grundgesetzes vom 26. Juli 2002. In: BGBl. I, S. 2863. (S. Dokumentenanhang)<br />

11 - BGH-Urteil, 13. Dezember 1993, AZ 5 StR 76/93. In: BGHSt Bd.40, S.30, 34.<br />

Vgl.: StV, Heft 4/1995, S. 206; NJ, Heft 3/1994, S. 130.<br />

12 - BGH-Urteil, 9. Mai 1994, AZ 5 StR 354/93. In: BGHSt Bd. 40, S.169. Vgl.: StV, Heft<br />

4/1995, S. 18 ff.; NJ, Heft 9/1994, S. 422.<br />

13 - BGH-Urteil, 21. August 1997, AZ 5 StR 652/96 gültig. In: NJ, Heft 11/1997, S. 594 ff.<br />

14 - BGH-Urteil, 15. September 1995, AZ 5 StR 713/94. In: BGHSt Bd. 41, S. 247 ff.<br />

Vgl.: StV, Heft 1/1996, S. 34 ff.; NJW, Heft 50/1995, S. 3324; NJ, Heft 12/1995, S. 653.<br />

15 - Grutza, Hans-Günther: Robert Havemann und seine Richter. Ein Gerichtsprotokoll<br />

aus der Perspektive eines angeklagten ehemaligen DDR-Richters. Politik<br />

& Gesellschaft, Frieling & Partner GmbH, Berlin, 2000.<br />

16 - Kontrollratsgesetz (KRG) Nr.10, vom 20. Dezember 1945. In: Amtsblatt des<br />

Kontrollrates Nr. 3/1946, S. 50 ff.;<br />

92


Eleonore Heyer<br />

16 - Kontrollratsdirektive (KRD), Nr.38, vom12. Oktober 1946. In: Amtsblatt des<br />

Kontrollrates Nr. 11/1946, S. 184 ff. Vgl.: ZVOBl. Nr. 13 vom 25. August 1947, S. 153<br />

sowie Nr. 18 vom 9. Oktober 1947, S. 203. Der Alliierte Kontrollrat für Deutschland.<br />

Hrsg.: SMA-<strong>Verlag</strong>, Sammelheft 1 und 2, 1945, Berlin, 1946. (Zitiert nach: Deutsche<br />

Außenpolitik, Sonderheft 1/1965, S. 53). Vgl.: Strafgesetzbuch und andere<br />

Strafgesetze. VEB Deutscher Zentralverlag, Berlin 1954. (S. Dokumentenanhang)<br />

17 - Gesetz über das Ruhen der Verjährung bei SED-Unrechtstaten (Verjährungsgesetz),<br />

26. März 1993. In: BGBl. I, S. 392. Zweites Gesetz zur Berechnung strafrechtlicher<br />

Verjährungsfristen bei SED-Unrechtstaten (Zweites Berechnungsgesetz),<br />

27. September 1993. In: BGBl. I, S. 1657. Gesetz zur weiteren Verlängerung<br />

strafrechtlicher Verjährungsfristen (3. Verjährungsgesetz), 22. Dezember 1997. In:<br />

BGBl. I, S. 3223.<br />

93


RECHT ODER UNRECHT — UM<br />

DIE WAHRHEIT GEHT ES<br />

Günther Sarge


RECHT ODER UNRECHT<br />

Dr. Günther Sarge<br />

Jg. 1930; Abschluss der Volks- und Mittelschule;<br />

nach 1945 zunächst Landarbeiter<br />

1949 bis 1977 Kasernierte Volkspolizei bzw. Nationale Volksarmee.<br />

Studium der Rechts- und Gesellschaftswissenschaften; 1961 Promotion.<br />

Militärjurist .Vorsitzender des Militärkollegiums des Obersten Gerichts.<br />

Letzter militärischer Dienstgrad Generalmajor.<br />

1978 1. Vizepräsident und ab 1986 Präsident des Obersten Gerichts der DDR.<br />

1985 bis 1990 Präsident der Juristenvereinigung der DDR.<br />

Nach 1990 Rechtsanwalt, jetzt Rentner.<br />

Gründungsmitglied der „Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung“<br />

e.V. (GRH) und Mitglied der AG Recht der GRH.<br />

Gründungsmitglied des „Solidaritätskomitees für die Opfer der politischen Verfolgung<br />

in Deutschland“.<br />

96


Günther Sarge<br />

1. Politischer Auftrag und Verfolgungswille zur<br />

Verurteilung der DDR<br />

Am Anfang der Verfolgungswelle gegen die DDR-<br />

Eliten und vieler einfacher Bürger der DDR durch<br />

die westdeutsche Justiz nach der Eingliederung der DDR in<br />

die BRD stand das Wort, gab es die Order der Politik.<br />

Dabei bemühte man sich nicht einmal sonderlich das<br />

Verfolgungsvorhaben juristisch zu verbrämen. 1<br />

Das folgende Jahrzehnt hat deutlich werden lassen, dass die<br />

angeblich so unabhängige Justiz sich überwiegend sehr wohl<br />

nach den politischen Vorgaben und Kampfbegriffen ausgerichtet<br />

und entsprechend gehandelt hat.<br />

Von Anfang an der Verfahren gegen Hoheitsträger, Militärs,<br />

Juristen, Polizei- und Sicherheitsbeamte, Sportfunktionäre,<br />

Ärzte usw. der vereinnahmten DDR stand der politische<br />

Wille, mit Hilfe der Justiz und unter Missbrauch der staatlichen<br />

Macht die DDR pauschal zu verurteilen, ihr im<br />

Ausland vorhandenes akzeptables Image zu zerstören und<br />

Rache zu nehmen für den sozialen Aufbruch, den die im<br />

Osten Deutschlands 40 Jahre lang gegen die Interessen des<br />

deutschen Finanz- und Industriekapitals gewagt hatten.<br />

Dabei wurden die hundertfachen Verträge und Absichtserklärungen<br />

zu den zwei deutschen Staaten und die vielen<br />

Abkommen zwischen der BRD und der DDR — wie z.B. der<br />

Grundlagenvertrag vom 21. Dezember 1972 — völlig ausgeblendet<br />

und so getan, als wäre es schon immer das natürliche<br />

Recht der alten BRD gewesen, die DDR-Bürger als<br />

Abtrünnige zur Rechenschaft zu ziehen. 2<br />

97


RECHT ODER UNRECHT<br />

Eine der gewollten und bedachten Erstmaßnahmen zur<br />

Sicherung einer wirkungsvollen und störungsfreien<br />

Verfolgungswelle war die Installation der Sonderstaatsanwaltschaften<br />

(insbesondere der Staatsanwaltschaft II beim<br />

Landgericht Berlin) und der polizeilichen Sondertruppe<br />

„Zentrale Ermittlungsgruppe Regierungs- und Vereinigungskriminalität<br />

(ZERV)“. 3<br />

Es mutet wie ein Witz der Geschichte an, dass auch eine der<br />

ersten Maßnahmen der Nazis im Jahre 1933 darin bestand,<br />

Sondergerichte und Sonderstaatsanwaltschaften zur gnadenlosen<br />

Bekämpfung ihrer politischen Gegner zu schaffen. 4<br />

In der Sonderstaatsanwaltschaft II Berlin, hatte sich eine<br />

Truppe etabliert, die schon deshalb an einer Objektivität —<br />

wie es das Gesetz vorschreibt — behindert war, weil vom vorgegebenen<br />

Verfolgungserfolg ihre Existenz, die lukrativen Jobs,<br />

die Aufstiegchancen, die Publizität und weiteres abhingen.<br />

Wie es sich gezeigt hat, waren darunter hasserfüllte Antikommunisten,<br />

notorische Gegner der DDR, Ignoranten des<br />

anzuwendenden DDR-Rechts und einfach auch Leute, die<br />

ihrer bisherigen beruflichen Praxis wegen, völlig überfordert<br />

waren. Die sich um Objektivität bemühenden Ankläger<br />

waren eine Minderheit.<br />

Historisch gesehen, gibt es eine beachtliche Kontinuität in<br />

der westdeutschen Justiz, die über die Leitlinien der<br />

Nazijustiz, den Bestrebungen zum Erhalt des konservativen<br />

Juristenstamms nach dem Kriege, der Ausprägung der<br />

Wertvorstellungen der Juristen vom Antikommunismus und<br />

DDR-Feindlichkeit, dem Verfolgungseifer im Auftrage der<br />

Politik gegen Kommunisten und DDR-Sympathisanten in<br />

den 50er und 60er Jahren, über Mutlangen bis zur Verfolgung<br />

der DDR-Eliten im nunmehr größeren Deutschland, geht. 5<br />

Zur reibungslosen und glaubhaften juristischen Verfolgung<br />

und zur Beseitigung von grundsätzlichen rechtlichen<br />

98


Bedenken bei den Verfolgungsorganen hat die politische<br />

Klasse in Deutschland — wie auch schon zu früheren Zeiten<br />

zur Verfolgung ihrer Ziele — Wortschöpfungen und<br />

Sprechblasen immer wieder und zu allen Anlässen vorgegeben,<br />

die auch den letzten bayrischen Hinterwäldler davon<br />

überzeugen sollten, wie schlecht die DDR und wie edel die<br />

BRD doch waren.<br />

Dazu gehörten und gehören:<br />

Günther Sarge<br />

1. Die DDR war der deutsche Unrechtsstaat, die BRD war<br />

und ist der deutsche Rechtsstaat.<br />

Diese unwissenschaftliche und zutiefst ahistorische Polarisierung<br />

lehrt man heute den Grundschülern ebenso wie den Studenten,<br />

man findet sie in der wissenschaftlichen Literatur wie in den<br />

meisten Anklagen und Urteilen gegen DDR-Bürger.<br />

Einmal von der Politik vorgegeben, braucht sie niemand<br />

mehr begründen. Abgesehen davon, dass es den Begriff<br />

„Unrechtsstaat“ weder im Völkerrecht noch im bisherigen<br />

deutschen Sprachgebrauch gab, gibt es keine wissenschaftliche<br />

Erklärung dafür, warum die DDR ein „Unrechtstaat“<br />

gewesen sein soll.<br />

Etwa wegen des Fehlens eines Verfassungsgerichts, von<br />

Sozialgerichten oder von Finanzgerichten?<br />

Die haben andere Länder auch nicht und niemand kommt<br />

daher auf den Gedanken, sie Unrechtstaat zu nennen.<br />

Wegen der Geltung und Anwendung der Todesstrafe?<br />

Die wurde 1981 letztmalig angewendet und 1987 endgültig<br />

abgeschafft. Die USA, die Türkei, China usw. richten noch<br />

heute munter hin.<br />

Wegen der Kriminalitätsrate?<br />

Die war in der DDR etwa 10 x niedriger als in der früheren<br />

und heutigen BRD.<br />

99


RECHT ODER UNRECHT<br />

Etwa wegen der Strafpolitik?<br />

In den 40 Jahren der Existenz der DDR gab es 2.600.962<br />

gerichtliche Strafurteile, das sind ca. 65.000 pro Jahr. Davon<br />

waren etwa 60% ohne einen Freiheitsentzug ausgestaltet.<br />

Nur ca. 4% aller Verurteilungen wurden mit einem Freiheitsentzug<br />

von über 2 Jahren beendet.<br />

Rund 20% aller Urteile der 1. Instanz gingen in die 2. Instanz,<br />

davon bis zu 50% mit Erfolg, zumeist zu Gunsten des<br />

Verurteilten. Welches Rechtssystem kann eine derartige<br />

Akzeptanz zu den Verurteilungen 1. Instanz aufweisen?<br />

Zumal in der DDR das Strafverfahren praktisch kostenlos war<br />

und jeder Verurteilte die rechtliche Gewissheit hatte, dass eine<br />

Anrufung der höheren Gerichte zu keinerlei Schlechterstellung<br />

führen durfte.<br />

War es das gerichtliche Verfahren selbst, das in der DDR<br />

unfair, gesetzwidrig geführt wurde?<br />

Die StPO der DDR ist noch tausendfach vorhanden und jeder<br />

der guten Willens ist, kann vergleichen.<br />

Solche Dinge von heute, wie Beugehaft, Deals, nichtgewählte<br />

Schöffen ohne Aktenkenntnis, Kostenexplosionen im Strafverfahren,<br />

Freikauf von Politikern und dem Geldadel,<br />

Fesselungen im Gerichtssaal, unwürdige Sicherheitskontrollen,<br />

Differenzen zwischen mündlichen und schriftlichen Urteilen,<br />

begrenzte Revisionsmöglichkeiten usw. waren dem Strafrecht<br />

der DDR unbekannt.<br />

War es die Strafverfolgung mit einem politischen Hintergrund?<br />

Etwa 5 bis 8% aller Strafverfahren in der DDR hatten einen<br />

derartigen Charakter.<br />

Was zählte dazu?<br />

Spionage, Diversion, Terrorismus, Krimineller Menschenhandel,<br />

Hetze und Staatsverleumdung, Nötigung der Staatsorgane,<br />

Angriffe auf Verfassungsorgane usw. Der Katalog der<br />

Normen, die Staat und Gesellschaft vor Anschlägen schützen<br />

100


Günther Sarge<br />

sollte, ging über die Regelungen, wie sie in allen zivilisierten<br />

Staaten zu finden sind, nicht hinaus.<br />

Es ist in gewisser Weise makaber, wenn ausgerechnet der Staat,<br />

der an den Anschlägen gegen die DDR vielfach geistige und<br />

praktische Urheberschaft hatte, dem angegriffen Staat nunmehr<br />

unterstellt, dass eben diese Abwehrmaßnahmen rechtliches<br />

Unrecht waren.<br />

Seit dem Terrorakt vom 11. September 2001 gegen die USA<br />

wird nunmehr allseitig anerkannt, dass Sicherheit vor individueller<br />

Freiheit geht. Als die DDR das zur Behauptung ihres<br />

Staates genauso betonte, wurde das als Unrecht deklariert.<br />

Bleibt die Unabhängigkeit der Richter.<br />

Eine völlig unabhängige Justiz ist eine Maer.<br />

Staatsanwälte sind ohnehin nicht unabhängig, da sie einem<br />

Weisungsrecht übergeordneter Staatsanwälte unterliegen und<br />

ihre Dienstherren die politischen Justizminister sind.<br />

Im übrigen war die Staatsanwaltschaft der DDR viel unabhängiger,<br />

da sie weder dem Justizministerium noch der<br />

Regierung unterstand.<br />

Was war also mit den Richtern der DDR?<br />

Die Antwort ist relativ einfach.<br />

Der DDR-Richter, vom Volk gewählt, konnte — sowohl von<br />

der Verfassung wie von den Gesetzen garantiert — in jeder<br />

Rechtssache nach seinem richterlichen Ermessen und<br />

Gewissen auf der Grundlage geschriebener und geltender<br />

Gesetze entscheiden, wobei sicherlich solche Eigenschaften,<br />

wie politische Anschauungen, Einstellung zu seinem Staat,<br />

Erziehung und Ausbildung sowie das gesamte Persönlichkeitsbild<br />

mitwirkten.<br />

Was ist daran kritikwürdig?<br />

Auch in der BRD gab und gibt es zu der Frage der Engen und<br />

Weiten der richterlichen Unabhängigkeit kontroverse Meinungen,<br />

die allerdings im Zuge der Verteufelung der DDR-<br />

Richterschaft nach 1990 zeitweilig Zurückstellung erfuhren.<br />

101


RECHT ODER UNRECHT<br />

Wie wird die BRD-Richterschaft eingeschätzt?<br />

„Das Bild des nur dem Gesetz unterworfenen<br />

Richters ist nicht die Realität. Hochwirksam für<br />

die Urteilsfindung und zugleich am wenigsten<br />

nachprüfbar sind jene Einflüsse, welche die<br />

Persönlichkeit eines Richters geformt haben und<br />

formen, die also bewirken, dass er bestimmte<br />

Anschauungen vom Recht, Staat, Gesellschaft und<br />

vom Leben überhaupt hat.“ 6<br />

Und der ehemalige Präsident des Bundesgerichtshofes, G.<br />

Pfeiffer, kommt zu der Feststellung:<br />

„Zu den die innere Unabhängigkeit betreffenden<br />

Faktoren, die für das Vorverständnis des Richters<br />

prägend sind und seine Entscheidungsfindung beeinflussen<br />

können, gehören die Herkunft des<br />

Richters, seine Zugehörigkeit zu bestimmten<br />

sozialen Schichten, seine Konfession sowie sein<br />

schulischer und beruflicher Werdegang.“ 7<br />

Sollte das für den Richter der DDR nicht gelten?<br />

Wie der Richter der BRD, so hatte auch der DDR-Richter eine<br />

politische Treuepflicht.<br />

Priepke, Walther, damals leitender Mitarbeiter des BRD-<br />

Justizministeriums schrieb noch 1991:<br />

„Unverzichtbar ist, dass der Richter den Staat —<br />

ungeachtet seiner Mängel — und die geltende<br />

verfassungsrechtliche Ordnung, so wie sie in<br />

Kraft ist, bejaht, sie als schützend anerkennt,<br />

in diesem Sinne sich zu ihr bekennt und aktiv für<br />

sie eintritt. ...Zur Treuepflicht des Richters<br />

gehört als Kern die politische Treuepflicht.“ 8<br />

Zu den traditionellen Wertvorstellungen über einen Staatsdiener<br />

in Deutschland gehört doch wohl, dass nicht seine<br />

politische Wandlungsfähigkeit, seine Anpassungsbereitschaft<br />

102


Günther Sarge<br />

an die jeweiligen Machtverhältnisse und ein verlangtes oder<br />

vorauseilendes Abschwören, sondern Verantwortungsbewusstsein<br />

und ein Eintreten für seinen Staat Maßstab sein<br />

muss. Das gilt vollinhaltlich für einen Richter.<br />

Sowohl in der Rechtspraxis wie auch in der Rechtswissenschaft<br />

der DDR wurde der Unabhängigkeit der Richter<br />

beachtliche Aufmerksamkeit gewidmet.<br />

So schrieb der damalige Präsident des Obersten Gerichts der<br />

DDR u.a. dazu:<br />

,,Von grundlegender Bedeutung für die Rechtssicherheit<br />

ist die Unabhängigkeit der Richter.<br />

Eine Einflussnahme in die Rechtsprechung der<br />

Richter durch andere Organe ist strikt verboten.<br />

Eine Fehlentscheidung des Richters wird auf<br />

gesetzlichem Wege angefochten und geändert.“ 9<br />

Das war deutlich und wurde auch so gehandhabt.<br />

Die verbreitete Theorie von der absoluten Unabhängigkeit<br />

der BRD-Richter und der absoluten Abhängigkeit der DDR-<br />

Richter ist und bleibt eine Behauptung ohne Beweiswert.<br />

Wovon sie beide gleichermaßen abhängig waren, ist, dass die<br />

Gesellschaft, der Staat oder der Steuerzahler ihre Ausbildung<br />

finanzierten, ihnen Gebäude und Einrichtungen übergaben,<br />

ihnen das Arbeiten ermöglichten, Gehalt und Aufwendungen<br />

zahlten und für ihren Lebensabend sorgten.<br />

Eine Unabhängigkeit der Richter ist hier wie dort nur in der<br />

zu entscheidenden Rechtssache gegeben. Alles andere ist<br />

Unsinn und geht am Leben vorbei.<br />

Das mit dem „Unrechtstaat DDR“ ist also eine politische<br />

Kampfformel, ein für politische Zwecke erfundenes Phantom.<br />

Was ist mit dem gepriesenen „Rechtstaat BRD“ los?<br />

Als Kernstück werden die Bindung der Organe an eine<br />

103


RECHT ODER UNRECHT<br />

Rechtsordnung, eine Verfassung, die die Rechte des Staates<br />

definiert und unabhängige Gerichte genannt, die einen Schutz<br />

gegen staatliche Willkür sichern.<br />

Was das Letztere anbetrifft, so können die Bürger der DDR<br />

nach 1990 ein Lied davon singen, dass der gerichtliche Schutz<br />

gegen Behördenwillkür in Fragen der Enteignungen, der<br />

Restitution, der Entlassungen, der Rentenfragen usw. im<br />

wesentlichen versagte oder einfach nicht vorhanden war.<br />

Von der Rechtssicherheit, dem Schutz vor Kriminalität und<br />

Abzockertum, der ausufernden Bürokratie, der Firmenwillkür,<br />

dem Abbau der Demokratie u.a. ganz zu schweigen.<br />

Woran wird ein Rechtsstaat eigentlich gemessen, woran muss<br />

er sich messen lassen?<br />

Ein Gesellschaftssystem, das sich Rechtstaat nennt, sollte in<br />

erster Linie daran gemessen werden, wie Staat, Ämter,<br />

Verwaltung, Polizei und vor allem die Justiz fähig und willens<br />

sind, dem Bürger seine berechtigten Interessen zu sichern und<br />

durchsetzen zu helfen, sein Leben, seine Gesundheit und sein<br />

Eigentum zu schützen, vernünftige Regularien eines kommunalen<br />

Zusammenlebens der Menschen zu gewährleisten, überschaubare<br />

und bürgerfreundliche Gesetze zu haben und ebenso<br />

anzuwenden, die Gleichheit vor dem Gesetz zu praktizieren,<br />

die Achtung vor dem Gesetz für und durch jedermann zu<br />

gewährleisten und zu sichern, dass unbeschadet seiner politischen<br />

und sozialen Stellung jeder gleichermaßen fair und nach<br />

dem geschriebenen, geltenden Recht Behandlung findet.<br />

Von vielen dieser Prämissen ist die heutige BRD weit entfernt.<br />

Politiker und Finanz- und Industriebosse kaufen sich zunehmend<br />

für erwiesene Unrechtstaten frei.<br />

Die Verbindung von Politik — Ökonomie — Kriminalität hat<br />

bisher nicht gekannte Ausmaße erreicht.<br />

Die Angst, Opfer von Kriminalität und Brutalität zu werden,<br />

ist ständiger Begleiter des Lebens der Bundesbürger.<br />

104


Günther Sarge<br />

Widerliche Erscheinungen der globalisierten Welt, wie organisierte<br />

Kriminalität, Drogenmilieu, Prostitution, skrupellose<br />

Abzockerei, Kinderschändungen, Obdachlosigkeit und Müßiggang,<br />

usw. sind nicht beherrschbarer Bestandteil des Lebens<br />

im Deutschland von heute.<br />

Angesichts dieser und vieler weiterer Gebrechen des politischen<br />

und staatlichen Systems der heutigen BRD vom<br />

Rechtsstaat zu sprechen und zugleich die DDR Unrechtsstaat<br />

zu nennen, ist pure Heuchelei.<br />

Mit jedem weiteren Tag der möglichen Vergleiche wird das<br />

deutlicher und nachvollziehbarer.<br />

2. Die Formel über die DDR als „Zweite deutsche Diktatur“.<br />

Diese Worterfindung westdeutscher politischer Eliten verfolgt<br />

viele Ziele, so unter anderem:<br />

• Wer einer Diktatur gedient hat, ist von vorneherein<br />

schuldig;<br />

• eine Diktatur ist undemokratisch und ihre völkerrechtliche<br />

Legalität ist zweifelhaft;<br />

• Verfassung, Gesetze, Politik, staatliches Handeln usw. sind<br />

mit Unrecht verbunden;<br />

• eine annähernde Gleichsetzung der DDR mit der<br />

Hitlerdiktatur ist möglich und dadurch bekommt die DDR<br />

verbrecherische Züge, die man nicht begründen muss.<br />

Das ist — bezogen auf die DDR — natürlich kompletter<br />

Unsinn, denn kein Gremium der UNO, keine UN-Vollversammlung,<br />

kein anderer Staat hat die DDR zu Zeiten ihrer<br />

Existenz als Diktatur eingeschätzt.<br />

Allgemein wird eine Diktatur als Staatsform bezeichnet, die<br />

auf der unbeschränkten Machtausübung eines einzelnen oder<br />

einer Gruppe beruht.<br />

105


RECHT ODER UNRECHT<br />

Dass Nazi-Deutschland eine Diktatur war, hat die Völkergemeinschaft<br />

unmissverständlich festgestellt.<br />

Nach der klassischen Definition der Diktatur war das deutsche<br />

<strong>Kai</strong>serreich bis 1918 ebenfalls eine.<br />

Auch in der Weimarer Republik war der Reichspräsident in<br />

Anwendung des Artikels 48 der Verfassung Diktator, als er<br />

1923 die Grundrechte außer Kraft setzte und die gesetzgebende<br />

Gewalt alleine ausübte.<br />

Das deutsche politische Gedächtnis wird pragmatisch auf die<br />

Zeitfragen ausgerichtet, so auch in Sachen DDR.<br />

Die im 19. Jahrhundert angesichts der Niederlage der Pariser<br />

Kommune von Marx entwickelte These von der Diktatur des<br />

Proletariats wurde und wird willkürlich als Ausdruck der<br />

Staatsform der DDR als Diktatur benutzt, obwohl Marx im<br />

Kern nichts anderes als die Übernahme der Staatsgewalt<br />

durch die damals stärkste Bevölkerungsschicht — eben das<br />

Proletariat — im Sinn hatte.<br />

Die DDR war nicht das Ebenbild westlicher Demokratien,<br />

wollte es nicht und brauchte es nicht sein. Sie war in vielen<br />

Bereichen — wenn man das Wort „Demokratie“ auf ihren<br />

eigentlichen Sinn zurückführt — demokratischer als die alte<br />

und heutige BRD.<br />

Die Demokratie am wichtigsten Lebensbereich des Menschen,<br />

dem Arbeitsplatz, war ausgeprägt und sucht seinesgleichen.<br />

Die Rechtspflege hatte tiefes demokratisches Gepräge ( Alle<br />

Richter wurden durch Volksvertretungen gewählt, die rund<br />

60.000 Schöffen stellten sich einem demokratischen Wahlverfahren,<br />

es gab ca. 250.000 gewählte Mitglieder gesellschaftlicher<br />

Gerichte, dazu zählen auch die gesellschaftlichen Ankläger,<br />

Verteidiger, Bürgschaften der Arbeitskollektive, usw.)<br />

Die Verfassung von 1968 wurde durch eine demokratische<br />

Volksabstimmung verabschiedet.<br />

Wichtige Gesetzesvorhaben wurden dem Volk zur Beratung<br />

unterbreitet. Z.B. Jugendgesetz, 1974, 5,4 Mio. Teilnehmer,<br />

106


Günther Sarge<br />

4821 Vorschläge; Arbeitsgesetzbuch, 1977, 5,8 Mio. Teilnehmer,<br />

39533 Vorschläge; LPG-Gesetz, 850.000 Teilnehmer,<br />

34000 Vorschläge; usw.<br />

Für die in Ehrenämter gewählten Bürger, die sich für die vielfältigsten<br />

Belange der Bevölkerung einsetzten, war das<br />

demokratischer Alltag in der DDR wie für alle anderen<br />

Bürger auch.<br />

Wie viele andere Länder dieser Welt hatte die DDR ihre<br />

demokratischen Stärken und Schwächen. Eine Diktatur im<br />

negativen Sinne war die DDR nun wirklich nicht.<br />

Sie hatte eine moderne, vom Volk bestätigte Verfassung,<br />

besaß überschaubare und dem internationalen Standard<br />

angepasste, vom Parlament verabschiedete Gesetze, ein<br />

gewähltes Parlament pluralistischer Zusammensetzung, Verfassungsorgane<br />

und eine Regierung, die von einem gewählten<br />

Ministerpräsidenten geleitet wurde, überschaubare und kompetente<br />

Kommunalorgane und eine unabhängige Justiz.<br />

Die Personalunion zwischen Staatsoberhaupt und den<br />

Vorsitzenden der stärksten Partei war in der DDR sicherlich<br />

nicht die beste Lösung, ist aber in dieser Form in den westlichen<br />

Staaten nicht unbekannt. Der Vorsitzende des<br />

Staatsrates der DDR — also das Staatsoberhaupt — hatte<br />

weniger Machtbefugnisse als sie z.B. die Präsidenten der USA<br />

oder Frankreichs oder der Kanzler der BRD heute haben.<br />

Die politische Wortschöpfung von der „DDR als 2. deutsche<br />

Diktatur“ im 20. Jahrhundert ist ahistorisch und in der Sache<br />

falsch, es ist eine politisch determinierte üble Behauptung.<br />

Sie diente und dient allein dem westdeutschen Verfolgungsanspruch<br />

gegenüber den Eliten der DDR und der DDR insgesamt.<br />

Und sie diente und dient der Justiz der BRD als Alibi<br />

ihres Verfolgungsfeldzuges gegen DDR-Bürger.<br />

107


RECHT ODER UNRECHT<br />

3. Zur These, dass die DDR das Prinzip der „Gewaltenteilung“<br />

verletzt hätte und damit von vornherein Unrechtsstaat<br />

sei.<br />

Die Staatslehre der Aufklärung ( Montesquieu, Locke, u.a.)<br />

ging im Kampf gegen die feudalistischen Staatsstrukturen<br />

davon aus, dass es im Interesse der bürgerlichen Gesellschaft<br />

läge, eine Gewaltenteilung einzuführen, die in der Legislative,<br />

der Exekutive und der Jurisdiktion, die voneinander unabhängig<br />

seien, bestehen müsste.<br />

Die Unabhängigkeit der „drei Gewalten“ voneinander ist in<br />

der modernen Gesellschaft — in der heutigen Parteienlandschaft<br />

— schon lange ausgehöhlt und eine Schimäre.<br />

Die herrschende Partei oder Koalition bestimmt Dank ihrer<br />

Parlamentsmehrheit die ihr genehmen Gesetze, die für alle<br />

Ämter und Gerichte verbindlich sind.<br />

Diese Gesetze werden vor dem parlamentarischen Erlass von<br />

der Regierung initiiert und verabschiedet, die ebenfalls der<br />

regierenden Partei zugehört.<br />

Hieraus ergibt sich regelmäßig eine Einheit von Exekutive,<br />

Parlament und in der Folge auch von Rechtsprechung. Auch<br />

das Berufsbeamtentum trägt dazu bei.<br />

Ein gewisses rechtsstaatliches Feigenblatt ist dem Verfassungsgericht<br />

— das es nicht in allen Ländern der westlichen<br />

Welt gibt — zugeordnet. Wie die Praxis zeigt, kann es zwar<br />

bestimmte Oberflächlichkeiten und Ungereimtheiten der<br />

Gesetzgebung oder auch Rechtsprechung korrigieren, nicht<br />

jedoch die Leitlinien der Politik ändern.<br />

Das beste Beispiel ist die gewollte Untätigkeit des BVerfG<br />

der BRD auf die völkerrechts-widrigen und von einem eklatanten<br />

Verfassungsbruch begleiteten Kriegseinsätze der<br />

Bundeswehr gegen Jugoslawien.<br />

Im übrigen wird der Richterbestand dieses Gerichts von den<br />

etablierten Parteien beschickt.<br />

Betrachtet man die heutige deutsche Gesellschaft (und nicht<br />

108


Günther Sarge<br />

nur diese), so kann nicht übersehen werden, dass der<br />

Grundgedanke der staatlichen Gewaltenteilung schon lange<br />

ad acta gelegt ist und nur noch die äußere Hülle bürgerlicher<br />

Demokratie darstellt. Neue, von den Staatsorganen weitgehend<br />

unabhängige mächtige Gewalten sind auf den Plan<br />

getreten.<br />

Das sind zum ersten die Wirtschaftsverbände, die z.B. in<br />

Deutschland wesentlich mitbestimmen, wie die Politik auszusehen<br />

hat, welche Gesetze in welcher Form erlassen werden,<br />

wie das soziale Klima gestaltet wird usw. und die u.a. durch<br />

ihre Lobbyisten einen ungeheuren Einfluss auf Regierung<br />

und Parlament haben.<br />

Das Typische ihres Wirkens ist ihre Demokratiefeindlichkeit<br />

und das Gewinnstreben über alle sozialen und ethischen<br />

Schranken hinweg.<br />

Zum anderen haben die unabhängigen Medien eine Macht<br />

erreicht, die in einem bisher nicht gekannten Ausmaß auf<br />

Politik, Gesetzgebung, Regierungsarbeit, öffentliche Dienste,<br />

Kommunen, Gerichte, Polizei, Armee, usw. einwirken.<br />

Die Konzentration der Medien in wenigen Händen oder<br />

Interessengruppen vernichtet einen Pluralismus bei der<br />

Information und schafft uniformierte Berichterstattung zur<br />

rigorosen Durchsetzung politischer und kommerzieller<br />

Interessen.<br />

Was die DDR anbetrifft, so waren diese letztgenannten<br />

Machtfaktoren eher marginal.<br />

Die DDR kannte ebenfalls die Eigenverantwortung des<br />

Parlaments, der vollziehenden Gewalt und der Justiz.<br />

Wie auch in den bürgerlichen Gesellschaften bestimmte die<br />

an der Macht befindliche Partei im wesentlichen die<br />

Leitlinien der Politik.<br />

Im Gegensatz zur BRD versteckte sich die DDR nicht hinter<br />

einer ohnehin nicht vorhandenen Gewaltenteilung, sondern<br />

109


RECHT ODER UNRECHT<br />

ging von der Einheitlichkeit der Staatsmacht, bei klarer<br />

Eigenverantwortung aller Verfassungsorgane, aus.<br />

Dabei ging es der DDR nicht um eine theoretische Spielerei,<br />

sondern darum, die Staatsorgane auf einheitliche Ziele zu<br />

lenken und zu einem wirkungsvollen einheitlichen Handeln<br />

zu veranlassen.<br />

Es sollten vor allem jene Reibungen und Verluste minimiert<br />

werden, die mit Kompetenzgerangel, ausufernder Bürokratie<br />

u.a. entstehen. Dem Bürger sollte ein Staatsgebilde dargestellt<br />

werden, das einheitlich handelt und so auch seine<br />

Interessen vertritt.<br />

Die klassischen Merkmale eines Parlaments, einer Exekutive<br />

und einer Jurisdiktion wurden dabei nicht aufgehoben.<br />

Jedes dieser Verfassungsorgane hatte die ihm zukommende<br />

eigene Verantwortung und seine verfassungsgemäße Unabhängigkeit<br />

von den anderen Organen.<br />

Das Bestreben, im Vorfeld, nicht aber öffentlich im<br />

Parlament zu den Gesetzen und zur Politik überhaupt die<br />

kontroversen Meinungen auszutragen, stand der DDR nicht<br />

gut zu Gesicht, erzeugte Misstrauen über den Willen zu notwendigen<br />

Veränderungen und machte die wirklichen Probleme<br />

des Landes für die Menschen nicht transparent.<br />

Eine solche Praxis verfälschte den Pluralismus der<br />

Parteienlandschaft und war zu keiner Zeit notwendig.<br />

Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass in der DDR ein<br />

Widerwille gegen den bürgerlichen Parlamentarismus und<br />

das Berufsbeamtentum sehr verbreitet war, der ständig<br />

Nahrung erhielt durch die politischen und persönlichen<br />

Schlammschlachten, den Missbrauch der Parlamente für rüde<br />

Wahlkämpfe, der Lobbyistenrealität, der Missachtung des<br />

Volkswillens, usw. in den bürgerlichen Parlamenten.<br />

Die DDR wollte es anders machen. Sie hätte das auch können.<br />

In der Endkonsequenz wurde die Volkskammer ein<br />

110


Günther Sarge<br />

Zustimmungsorgan zu Entscheidungen, die anderswo bereits<br />

gefallen waren. Der Imageschaden war enorm.<br />

2. Rechtskonstruktionen kontra<br />

Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht<br />

Die Bundesrepublik Deutschland hat seit ihrer Existenz<br />

drei große Wellen der justiziellen Arbeit erlebt.<br />

1.1949 bis Mitte der 50er Jahre zur Rehabilitierung und juristischen<br />

Reinwaschung der Nazi-Justiz. Dabei ging es vor<br />

allem um den generellen Freispruch eines schwer-belasteten<br />

eigenen Berufsstandes und um den Erhalt eines konservativen<br />

juristischen Personalbestandes. Es ist bezeichnend, dass<br />

in der BRD nicht ein belasteter Richter oder Staatsanwalt je<br />

rechtskräftig verurteilt wurde. Die von den Gerichten, insbesondere<br />

dem BGH, damals erfundenen Rechtskonstruktionen<br />

spotteten dem Völkerrecht, vor allem dem Recht des<br />

Internationalen Militärtribunals von Nürnberg, und auch den<br />

eigenen humanistischen Rechtstraditionen Hohn. 10<br />

2.Die 2. Welle war umgekehrter Natur. In der Zeit von etwa<br />

Anfang der 50er Jahre bis Ende der 60er gab es ca. 10.000<br />

Verurteilungen von Kommunisten, politisch organisierten<br />

Jugendlichen, Antifaschisten, Einheitsbefürworter, Gewerkschafter,<br />

DDR-Sympathisanten, usw. Damals steuerte der<br />

politische 2. Senat ( bis 1954), der politische 6. Senat und dann<br />

der 3. BGH-Staatsschutzsenat die Rechtsprechung der<br />

Gerichte teilweise mit Rechtskonstruktionen die mehr oder<br />

weniger auf das in der Nazizeit entwickelte Verfolgungsrecht<br />

zurückgriffen. Als strafverschärfend wurde z.B. angesehen,<br />

111


RECHT ODER UNRECHT<br />

wenn jemand wegen des politischen Widerstandes durch die<br />

Nazi-Justiz vorbestraft war. 11<br />

3.Die ab 1991 einsetzende Verfolgungswelle dürfte die<br />

bedeutsamste in der Geschichte der Justiz der BRD sein.<br />

Ging und geht es doch darum, über einen anderen, souveränen<br />

Staat, die DDR, mit der die BRD tausendfache Verbindungen<br />

und Verträge hatte und der geachtetes Mitglied der Weltorganisation<br />

und ihrer Gliederungen war, zu Gericht zu sitzen.<br />

Den die Verfolgung betreibenden politischen Eliten und den<br />

ausführenden Juristen dürfte klar gewesen sein, dass eine<br />

strafrechtliche Verfolgung nur unter Missachtung des laut<br />

Einigungsvertrag in Frage kommenden DDR-Rechts, der<br />

Verletzung der anerkannten Normen des Völkerrechts, der<br />

Aufgabe eigener Rechtsprinzipien und Lehrsätze und unter<br />

Inkaufnahme der Beschädigung rechtsstaatlicher Grundsätze<br />

möglich war. 12<br />

Im Interesse der Rechtsverwirklichungsziele gegen alles was<br />

die DDR war und in der Hoffnung, dass das wiedererstarkte<br />

Deutschland dafür wenig Kritiker haben wird, wurde und<br />

wird an die Rechtspraxis des Kalten Krieges angeknüpft und<br />

Gesetzesverletzungen und selbst die Beugung des Rechts in<br />

Kauf genommen.<br />

Das Neue bestand darin, dass unter faktischer Außerkraftsetzung<br />

des Artikels 3 des Grundgesetzes für eine Minderheit<br />

von 16 Mio. Menschen in DDR das Gleichheitsprinzip aufgehoben<br />

und eine fortdauernde „Lex DDR“ (also Sonderrecht<br />

für DDR-Bürger) geschaffen wurde. Die übereifrigen<br />

„Verteidiger der Menschenrechte“ führen sich mit dieser den<br />

anerkannten Normen des Völkerrechts widersprechenden<br />

Praxis selbst ad absurdum.<br />

Die Situation in den Gerichtssälen gegen DDR-Bürger war<br />

und ist zumeist unbefriedigend, oft chancenlos und oftmals<br />

beängstigend. Es trifft voll das zu, was Arnold in seinem<br />

112


Günther Sarge<br />

Vortrag zum Gustav-Radbruch-Forum am 27. September<br />

1997 in Heidelberg feststellte,<br />

,,dass täterbelastende Rechtsprechungsänderungen<br />

an der Tagesordnung sind. Dazu kommt, dass die<br />

Tragweite des Grundsatzes in dubio pro reo (im<br />

Zweifelsfalle für den Angeklagten zu entscheiden)<br />

umstritten ist. Bei Zweifeln hinsichtlich<br />

der Auslegung der Rechtsnorm darf das Gericht die<br />

für den Betroffenen ungünstigere Variante wählen.<br />

...Tatbestände des Besonderen Teils des StGB<br />

erfreuen sich immer ausufernder Auslegung. Noch<br />

gravierender ist die Entwicklung im Strafverfahrensrecht.<br />

Hier fallen die Schranken für die<br />

Verwertung der Aussagen von V-Leuten und verdeckten<br />

Ermittlern, der Deal im Strafprozess ist<br />

ohne gesetzliche Grundlage durch Rechtsprechung<br />

legalisiert worden. Vor diesem Hintergrund kann<br />

es nicht verwundern, dass auch bei der strafrechtlichen<br />

Aufarbeitung der DDR strikte Rechtstaatlichkeit<br />

nicht feststellbar ist, sondern<br />

immer neue Konstruktionen.“ 13<br />

Zu den gegen DDR-Eliten und andere DDR-Bürger entwickelten<br />

Rechtskonstruktionen, die kontra Rechtsstaatlichkeit und<br />

Völkerrecht auch praktiziert wurden und werden, gehören u.a.:<br />

• Die Aushebelung des Rückwirkungsverbotes gemäß<br />

Artikel 103, Absatz 2 des Grundgesetzes.<br />

Der Grundsatz „eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die<br />

Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen<br />

wurde“ ist nicht schlechthin deutsches Recht (in der DDR<br />

galt dieser Grundsatz genau so), sondern gehört zur Rechtskultur<br />

aller zivilisierten Staaten.<br />

Nach dem 2. Weltkrieg wurde — vor allem auch angesichts<br />

113


RECHT ODER UNRECHT<br />

des massenhaften Rechtsmissbrauchs im faschistischen<br />

Deutschland — dieser Grundsatz allerorts hervorgehoben.<br />

Mit der Proklamation des Alliierten Kontrollrates Nr. 3 vom<br />

20. Oktober 1945 wurde unter II. 1. erklärt:<br />

,,Strafrechtliche Verantwortlichkeit besteht nur für rechtlich als<br />

strafbar erklärte Handlungen“<br />

und unter Punkt 3 heißt es:<br />

,,Kein Gericht darf irgendeine Handlung auf Grund von<br />

„Analogie“ oder im Hinblick auf das sogenannte „gesunde<br />

Volksempfinden“ als strafbar erklären, wie das im Deutschen<br />

Strafgesetzbuch der Fall war.“ 14<br />

Die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“, die die<br />

UNO am 10. Dezember 1948 verkündete, hatte daher auch im<br />

Artikel 11, Absatz 2 aufgenommen:<br />

,,Niemand kann wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt<br />

werden, die im Zeitpunkt, da sie erfolgte, auf Grund des<br />

nationalen oder internationalen Rechts nicht strafbar war.“ 15<br />

Die „Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte<br />

und Grundfreiheiten“ hat mit Art. 7, Abs. 1 den o.g.<br />

Wortlaut übernommen, jedoch mit der klareren Ergänzung<br />

(Absatz 2), dass Straftaten, die zum Zeitpunkt ihrer<br />

Begehung gegen die anerkannten Normen des Völkerrechts<br />

verstoßen, verfolgt werden können. 16<br />

Nach der Konvention der UNO vom 9. Dezember 1948 dürfte<br />

es sich dabei vorrangig um Völkermord handeln. 17<br />

Auch in Artikel 15 des „Internationalen Paktes über<br />

Bürgerrechte und politische Rechte“ (IPbürgR) vom 16.<br />

Dezember 1966 findet sich der o.g. Wortlaut wieder, wobei<br />

Artikel 14 u.a. bestimmt:<br />

„Alle Menschen sind vor Gericht gleich.“ 18<br />

Die Bundesregierung erhob zu Artikel 7, Abs. 2 der<br />

Europäischen Konvention einen prinzipiellen Einwand und<br />

erklärte u.a., dass sich die Konvention mit dem Ausdruck<br />

„Rechtsgrundsätze“ in den Bereich des Metajuristischen und<br />

114


Günther Sarge<br />

lediglich Moralischen begebe. Kiesinger (CDU) erklärte dazu<br />

im Bundestag:<br />

,,...dass auch wir der Meinung sind, dass es notwendig<br />

ist, den Vorbehalt zu Artikel 7, Abs. 2<br />

zu machen. Es ist eine ernste Frage, um die es<br />

sich da handelt; aber wir haben in der Geschichte<br />

des Dritten Reiches in der Tat erleben müssen,<br />

dass, nachdem einmal der Grundsatz, dass kein<br />

Verbrechen als solches bestraft werden durfte,<br />

ohne dass dafür eine klare gesetzliche Norm vorhanden<br />

war, verlassen war, der Willkür und dem<br />

Unrecht Tür und Tor geöffnet waren.“ 19<br />

Der Bundestag ratifizierte schließlich die Konvention einschließlich<br />

des bis heute geltenden Vorbehalts zu Artikel 7,<br />

Absatz 2. 20<br />

Das BVerfG hat sich über alle diese Fragen hinweggesetzt<br />

und am 24. Oktober 1996 faktisch erklärt, dass Artikel 103,<br />

Absatz 2 des Grundgesetzes für Bürger der DDR nicht oder<br />

nur eingeschränkt gelte und hat damit eine „Lex-DDR“<br />

geschaffen.<br />

Die Hüter der Verfassung haben damit am Gesetzgeber vorbei<br />

die Verfassung selbst ausgehebelt.<br />

„Ein Gesetz mit rückwirkender Macht ist moralisch und<br />

juristisch ein Unding, das in das Arsenal der Tyrannei gehört,<br />

aber nicht in das eines demokratischen Rechtsstaates.“ 21<br />

Im übrigen wird auf die vielfältige Literatur verwiesen, die<br />

dazu Stellung genommen hat.<br />

• ,,Gerechtigkeit“ kontra positives Recht<br />

Das BVerfG hat mit dem Beschluss vom 24. Oktober 1996<br />

(S. 53/54) die vom BGH entwickelte Linie ausdrücklich als<br />

115


RECHT ODER UNRECHT<br />

eine Bewertung gekennzeichnet, die dem Grundgesetz entspricht.<br />

Dabei wird u.a. festgestellt:<br />

„Der Verstoß ( hier die Anwendung der Schusswaffe gemäß<br />

den Schusswaffengebrauchsbestimmungen der DDR, die den<br />

gleichen Wortlaut derjenigen der BRD besitzen ) wiegt so<br />

schwer, dass er die allen Völkern gemeinsame, auf Wert und<br />

Würde des Menschen bezogene Rechtsüberzeugung verletzt. In<br />

einem solchen Fall muss das positive Recht der Gerechtigkeit<br />

weichen.“ 22<br />

Der Begriff „Gerechtigkeit“ wird weder in der StPO noch im<br />

StGB der BRD beschrieben. Er findet sich im Grundgesetz<br />

(Art. 1, Abs. 2) als allgemeinster Begriff (,,Gerechtigkeit in<br />

der Welt“). Damit kann eine individuelle Strafbarkeit in keinem<br />

Fall gegen das geschriebene Gesetz begründet werden.<br />

Auch in den anerkannten Normen des Völkerrechts (Konventionen,<br />

UNO-Resolutionen, Verträgen u.a.) gibt es keine<br />

begrifflichen Bestimmungen für „Gerechtigkeit“. und schon<br />

gar nicht eine Aufforderung zur Negierung des positiven<br />

Rechts.<br />

Das eherne Prinzip:<br />

„Nullum crimen sine lege, nulla poena sine lege!“,(Keine<br />

Straftat ohne Gesetz, keine Strafe ohne Gesetz!) ist ein zivilisatorisches<br />

Prinzip der Völkergemeinschaft und jedwede<br />

Auflösung dieses Prinzips verletzt eklatant „die allen Völkern<br />

gemeinsame, auf Wert und Würde des Menschen bezogene<br />

Rechtsüberzeugung“.<br />

Verletzungen dieser Grundsätze — von wem auch und zu welchen<br />

Zwecken vorgenommen — sind daher völkerrechtswidrig.<br />

Gerechtigkeit ist ein ethisch, moralisches Prinzip und gilt allgemein<br />

als Maßstab sozialen Verhaltens von Gleichberechtigten<br />

und Gleichverpflichteten in einer bestimmten Gesellschaft.<br />

Gerechtigkeit tangiert das Recht, ersetzt es aber nicht.<br />

116


Günther Sarge<br />

Der Allgemeinbestimmtheit wegen wurde dieser Begriff in<br />

Vergangenheit und Gegenwart von den jeweils Herrschenden<br />

zur Begründung eigener Machtansprüche und zur Ausschaltung<br />

oder Ausgrenzung politischer Gegner missbraucht.<br />

Das Ausweichen der Richter des Zweiten Senats des<br />

Bundesverfassungsgerichts auf den Begriff „Gerechtigkeit“<br />

mit dem Ziel, das positive Recht zu verlassen, um trotzdem<br />

DDR-Bürger bestrafen zu können, ist allerdings nicht ohne<br />

Vorbild im deutschen Recht.<br />

Das StGB und die StPO für das Deutsche Reich in der<br />

Fassung vom 28. Juni 1935 missbrauchten den Begriff<br />

„Gerechtigkeit“ zur willkürlichen Verfolgung und Ausschaltung<br />

jeglicher Opposition im Nazireich.<br />

So hieß es dann z.B. auch in §267a StPO (RStPO):<br />

„Ergibt die Hauptverhandlung, dass der Angeklagte eine Tat<br />

begangen hat, die nach gesundem Volksempfinden eine<br />

Bestrafung verdient, die aber im Gesetz nicht für strafbar<br />

erklärt ist, so hat das Gericht zu prüfen, ob auf die Tat der<br />

Grundgedanke eines Strafgesetzes zutrifft und ob durch entsprechende<br />

Anwendung dieses Strafgesetzes der Gerechtigkeit<br />

zum Siege verholfen werden kann.“ 23<br />

Das Ergebnis dieser Justizwillkür ist den Völkern nur zu gut<br />

bekannt. Deshalb wurden auch mit der Proklamation des<br />

Alliierten Kontrollrates Nr. 3 vom 20. Oktober 1945 und mit<br />

dem Kontrollrats-Gesetz Nr. 11 vom 30. Januar 1946 diese<br />

Bestimmungen aufgehoben und ihre weitere Anwendung<br />

ausdrücklich unter Strafe gestellt. 24<br />

Dass die entscheidenden Richter des BVerfG im Jahre 1996<br />

trotzdem zum Grundgedanken dieser inhumanen Gesetzgebung<br />

und Rechtspraxis zurückkehren und ihre Anwendung<br />

durch die Gerichte der heutigen BRD ausdrücklich bestätigen,<br />

ist schon mehr als erstaunlich und verdient internationale<br />

Aufmerksamkeit.<br />

117


RECHT ODER UNRECHT<br />

• Missbrauch der „Radbruch’schen Formel“.<br />

Überall in den Gerichtssälen, — soweit die Angeklagten<br />

DDR-Funktionäre waren — geistert als Rechtfertigung ihrer<br />

Strafbarkeit die „Radbruchformel“, das „überpositive Recht“,<br />

das „Naturrecht“ herum.<br />

Es sollte als Ersatz immer dann gelten, wenn eine Verletzung<br />

von DDR-Recht nicht vorhanden war.<br />

In seinem berühmten Aufsatz von 1946 als Antwort auf die<br />

Verbrechen der Nazis folgerte Radbruch u.a.:<br />

„Der Konflikt zwischen der Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit<br />

dürfte dahingehend zu lösen sein, dass das positive,<br />

durch Satzung und Macht gesicherte Recht auch dann den<br />

Vorrang hat, wenn es inhaltlich ungerecht und unzweckmäßig<br />

ist...“ (GRGA S. 89)<br />

Radbruch kannte ganz genau die vom Verlassen des positiven<br />

Rechts ausgehenden Gefahren.<br />

Im Jahre 1947 hat er in seinem Aufsatz „Gesetz und Recht“<br />

das noch wesentlich deutlicher gemacht und faktisch seine<br />

1946 dargestellte Formel präzisiert.<br />

„In aller Regel muss die positivistische Lehre in Geltung bleiben,<br />

dass das Gesetz ohne Rücksicht auf seinen Inhalt als verbindliches<br />

Recht zu erachten sei. Rechtsstaat und Rechtssicherheit<br />

fordern die grundsätzliche Bindung an das Gesetz,<br />

nur in ganz singulären Ausnahmefällen darf sie gelockert<br />

werden, nur in Fällen wie wir sie in der Nazizeit erlebt haben<br />

und hoffentlich nie wieder erleben werden… jedenfalls dann<br />

scheint ein gesetzliches Unrecht gegeben zu sein, wenn der<br />

Machthaber die Anwendung der Rechtsidee, der Gerechtigkeit<br />

und der Humanität nicht einmal erstrebte, wenn er sich,<br />

wie in den Nürnberger Gesetzen, von dem Gedanken der<br />

rechtlichen Gleichheit, dem Gedanken gleicher Menschenrechte<br />

für alles, was Menschenantlitz trägt, bewusst entband,<br />

wenn er also bloße Machtansprüche erließ, aber keine<br />

Rechtsnormen.“ (GRGA S. 99)<br />

118


Günther Sarge<br />

Und an anderer Stelle:<br />

„Es darf nicht verkannt werden — gerade nach den<br />

Erlebnissen jener zwölf Jahre — welche furchtbaren Gefahren<br />

für die Rechtssicherheit der Begriff des >gesetzlichen<br />

Unrechts


RECHT ODER UNRECHT<br />

Jahres 1791 „die natürlichen, unveräußerlichen und heiligen<br />

Rechte“ als Grund und Ziel des Staates proklamiert.<br />

Die natürlichen Rechte der Menschen wie Gleichheit, Freiheit,<br />

Brüderlichkeit, Recht auf Leben, auf Arbeit, auf Nahrung<br />

und Wohnung, auf soziale Sicherheit, auf Bildung usw.<br />

sind heute im internationalen Recht (z.B. Deklaration der<br />

UNO vom 10. Dezember 1948. sowie in der nationalen Gesetzgebung<br />

mehr oder weniger verbindlich festgeschrieben. 28<br />

Überpositives Recht anstelle des geschriebenen Rechts zu<br />

stellen, das kann zum „Führerrecht“, zur Rechtswillkür, zum<br />

Machtmissbrauch führen.<br />

Politiker und Juristen der BRD möchten zwar das Recht zur<br />

Ausreise z.B. aus der DDR als natürliches Recht deklarieren,<br />

die heutige Einreise in die BRD durch politisch Verfolgte<br />

oder andere Asylsuchende aber den strengen geschriebenen<br />

Gesetzen der BRD unterordnen. Bei der Verfolgung von<br />

DDR-Bürgern auf Radbruch zurückzugreifen, das heißt ihn<br />

und sein Anliegen verfälschen.<br />

Sich auf überpositives Recht zu stützen, das muss in der heutigen<br />

Zeit in Justizwillkür münden.<br />

Naturrecht dem positiven Recht entgegenzusetzen, das muss<br />

zur Demontage des Rechtsstaates führen.<br />

Offensichtlich wurde der Vorstoß vieler Gerichte zur<br />

Anwendung von Naturrecht und überpositivem Recht gegen<br />

DDR-Bürger ab der 2. Hälfte der 90er Jahre sehr bedenklich,<br />

denn die spätere Orientierung der höchsten Gerichte der<br />

BRD ging von der Verletzung des positiven Rechts, also des<br />

DDR-Rechts, aus.<br />

Da man eine Verletzung des geschriebenen Rechts der DDR<br />

aber in den seltensten Fällen zu beweisen vermochte und<br />

auch Tatbestandsgleichheiten zum Recht der BRD und anderer<br />

westlicher Staaten vorfand, kam man auf den Gedanken,<br />

das jeweilige Strafmaß, das DDR-Richter ausgesprochen<br />

120


Günther Sarge<br />

oder Staatsanwälte beantragt hatten, zur Grundlage einer<br />

angenommenen Rechtsbeugung zu machen.<br />

Das ist vom Standpunkt der Unabhängigkeit der Richter und<br />

der Ermessensfreiheit des Gerichts im Rahmen des geltenden<br />

Gesetzes absurd, denn mehr als in der DDR werden in<br />

der heutigen BRD völlig unterschiedliche Strafen für gleiche<br />

Sachverhalte ausgesprochen. Und jeder findet das normal. Im<br />

Grunde genommen ging es den Strafverfolgungsbehörden<br />

der BRD nur darum, eine Möglichkeit zu finden, DDR-<br />

Funktionäre um jeden Preis zu verurteilen.<br />

• Die Wiederentdeckung der „Finalen Handlungslehre“<br />

Fast allen Anklagen und Gerichtsurteilen gegen DDR-<br />

Funktionäre durch die bundesdeutsche Justiz haftete an, dass<br />

die Fragen der Schuld umgangen, wider besseren Wissens<br />

behauptet oder einfach ohne jeglichen Beweis angenommen<br />

wurden.<br />

Die verfolgenden Justizorgane waren sich wohl darüber im<br />

Klaren, dass die Fragen der Schuld die Gretchenfrage der<br />

strafrechtlichen Verfolgung war, denn einerseits DDR-Recht<br />

anwenden zu müssen, andererseits aber Leute verfolgen zu<br />

wollen, die sich konsequent an Verfassung und Gesetze der<br />

DDR gehalten haben, das war und ist ein Teufelskreis, zumal<br />

die Frage der Schuld im Strafrecht zivilisierter Staaten die<br />

Kernfrage des modernen Strafrechts ist und bleibt.<br />

Im Strafrecht der DDR hatte die exakte Feststellung der<br />

Schuld eines Menschen einen hohen Stellenwert.<br />

Der genaue Nachweis von Schuld oder Unschuld eines<br />

Menschen gehörte in der Rechtspraxis der DDR zu den<br />

erstrangigen Werten des Beweisrechts. ( siehe auch §§5 bis 16<br />

StGB/DDR.) 29<br />

Auch nach bundesdeutschem Recht ( z.B. §46 StGB ) besteht<br />

eine Rechtspflicht der Gerichte zur exakten Feststellung von<br />

Schuld oder Nichtschuld eines Angeklagten. 30<br />

121


RECHT ODER UNRECHT<br />

Der „Rechtsstaat“ BRD hat, um DDR-Bürger, die die<br />

Gesetze ihres Landes weder vorsätzlich noch wissentlich<br />

gebrochen haben, dennoch bestrafen zu können, neben vielen<br />

anderen Rechtskonstruktionen, auch die „Finale Handlungslehre“<br />

— ohne sie so zu nennen — wiederentdeckt.<br />

Die philosophische Kategorie der Finalität beinhaltet die<br />

Zweckbestimmtheit menschlichen Handelns, einen in einer<br />

Handlung liegenden Schluss.<br />

Die höchsten Gerichte und die Rechtswissenschaft des<br />

Nazireiches entwickelten die „Finale Handlungslehre“ als<br />

Rechtsinstitut, um schneller und reibungsloser Gegner des<br />

Systems mittels Rechtsprechung ausschalten zu können.<br />

Kern dieser „Lehre“ war die Schaffung einer theoretischen<br />

Möglichkeit für alle Strafverfolgungsorgane, die Schuld eines<br />

Menschen nicht mittels des Beweisrechts exakt nachweisen<br />

zu müssen, sondern aus der Handlung selbst die Schuld<br />

behaupten zu können.<br />

Polizisten, Staatsanwälte und Richter konnten also die Schuld<br />

eines Menschen aus dem Geschehen selbst — ohne Prüfung<br />

der subjektiven Willensentscheidung — behaupten. Und sie<br />

taten das nur zu willfährig.<br />

Teile der bundesdeutschen Justiz erwiesen sich als gelehrige<br />

Schüler und zwar dann, wenn es gegen die DDR-Eliten ging.<br />

In Anklageschriften — vor allem bei den sogenannten Rechtsbeugedelikten<br />

— wurde eine tatsächliche Schuld fast ausschließlich<br />

aus dem Sachverhalt behauptet.<br />

Der verlangte Vorsatz und die Wissentlichkeit erfuhren keine<br />

Begründung.<br />

Die Gerichte verfuhren in der Regel ebenso. Selbst die<br />

Urteile des 5. Senats des BGH wichen in den meisten Fällen<br />

einem Schuldbeweis aus.<br />

Ein eklatantes Beispiel der Wiederentdeckung der „Finalen<br />

Handlungslehre“ ist die Entscheidung der 2. Kammer des<br />

Zweiten Senats des BVerfG vom 7. April 1998. 31<br />

122


Günther Sarge<br />

Sie wurde verschämt mit dem Vermerk versehen:<br />

„Nicht zur Veröffentlichung bestimmt in der Entscheidungssammlung<br />

des Bundesverfassungsgerichts.“<br />

Völlig richtig wird in dieser Entscheidung (S. 17) u.a. festgestellt:<br />

„Der Grundsatz >Keine Strafe ohne Schuld< hat Verfassungsrang;<br />

er findet seine Grundlage im Gebot der Achtung der<br />

Menschenwürde sowie in Art. 2 Abs. 1 GG im Rechtsstaatsprinzip.“<br />

32<br />

Zwei Seiten weiter wird dann allerdings in völliger<br />

Umkehrung des eben genannten Grundsatzes ausschließlich<br />

bezogen auf DDR-Juristen ausgeführt:<br />

,,Bei Berufsrichtern kann der Strafrichter auf die Schwere des<br />

Rechtsverstoßes regelmäßig die Feststellung stützen, der<br />

Betreffende habe wissentlich gegen das Gesetz verstoßen“<br />

Die „Schwere des Verstoßes“ bestand darin, dass die betreffende<br />

DDR-Richterin in völliger Übereinstimmung mit den<br />

geltenden Gesetzen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung<br />

der DDR entschieden hatte.<br />

Also keine exakte Feststellung der Schuld, keine Beweiserhebung<br />

zur Schuldfrage, keine Feststellung zur Motivation<br />

des Handelns, bloße Annahme der Schuld aus einem konstruierten<br />

Sachverhalt; d.h. „Finale Handlungslehre“ pur!<br />

Diese Entscheidung des BVerfG ist auch in anderer Hinsicht<br />

beachtungswert.<br />

Die Beschwerdeführer hatten u.a. gerügt, dass durch die<br />

Manipulation des BGH sie dem gesetzlichen Richter entzogen<br />

wurden und damit ein Verstoß nach Art. 101, Abs. 1, Satz<br />

2, Grundgesetz gegeben sei.<br />

Auf der selben Seite 19 ihrer Entscheidung stellten dazu die<br />

Richter des BVerfG fest:<br />

„Art. 101, Abs.l, Satz2 GG schützt insoweit aber nur vor einem<br />

willkürlichen Abgehen von der Vorlage, nicht dagegen vor der<br />

123


RECHT ODER UNRECHT<br />

irrtümlichen Verletzung der Vorlagepflicht durch das Gericht.“<br />

Welch ein Zynismus!<br />

Die DDR-Richter haben bei einer den bundesdeutschen<br />

Gerichten nicht genehmen Rechtsprechung nach DDR-<br />

Recht immer wissentlich gegen DDR-Recht verstoßen ; die<br />

Richter des Bundesgerichtshofes haben nur „irrtümlich“<br />

gehandelt, wenn sie zu Ungunsten von DDR-Bürgern gegen<br />

Verfassung und Gesetz verstoßen haben. Diese zweifelhafte<br />

Logik des höchsten deutschen Gerichts ist der rechtliche<br />

Ausfluss der allgemeinen Staatspraxis im heutigen<br />

Deutschland, alles, was DDR war, zu verteufeln und zu kriminalisieren<br />

• Die Aushöhlung des Verfahrensrechts.<br />

Im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Verfolgung von<br />

DDR-Bürgern wurden zunehmend auch verfahrensrechtliche<br />

Prinzipien außer Acht gelassen.<br />

Die großsprecherischen Vorzüge des Rechtsstaates BRD<br />

gegenüber der Rechtsordnung der DDR wurden — soweit es<br />

DDR-Bürger betraf — zu den Akten gelegt.<br />

Die Mitteilungen über die Einleitung von Ermittlungsverfahren<br />

erfolgten erst Jahre nach der Einleitung oder überhaupt<br />

nicht, Zeugenladungen erfolgten gegen gesetzliche<br />

Bestimmungen (z.B. bei Dopingverdacht), obwohl die Staatsanwaltschaft<br />

gemäß §160, Abs. 2 StPO entlastende Umstände<br />

ebenfalls zu ermitteln hat, tat sie das in der Regel nicht, die<br />

Entlastungsbeweisanträge der Verteidigung wurden durch<br />

die Gerichte reihenweise abgelehnt, die völlig neben der Sache<br />

liegende Anträge der Ankläger dagegen zugelassen, usw. 33<br />

Es hatte den Anschein, dass die Mehrzahl der mit der<br />

Verfolgung befassten Staatsanwälte und Richter der<br />

Auffassung waren, den DDR—Bürgern stände kein faires,<br />

rechtsstaatliches Verfahren zu.<br />

124


Günther Sarge<br />

In den zur Kenntnis gelangten Anklageschriften und in den<br />

Gerichtssälen der letzten 10 Jahre waren insbesondere folgende<br />

Trends zu beobachten:<br />

a. Die kollektive Schuldvermutung und Verletzungen des<br />

Beweisrechts.<br />

Es waren vor allem die Wahrheits- und Beweiskonstruktionen,<br />

die zum Teil auf kollektive Schuldvermutungen<br />

beruhten und von vorneherein die gesetzliche Unvoreingenommenheit<br />

ad absurdum führten. Solche politischen<br />

Schlagworte, wie „Unrechtsstaat DDR“, „Zweite deutsche<br />

Diktatur“, „Justizunrecht DDR“, „Stasi-Staat“, „Mauerschützen“<br />

u.a. waren für viele Gerichte „offenkundig“,<br />

bedurften keines Beweises und verhinderten letztendlich<br />

eine exakte Feststellung individueller Schuld.<br />

Mit der Maßgabe von „Allgemeingültigkeit“ blieb die<br />

Erforschung der objektiven Wahrheit oft auf der Strecke.<br />

Großaufgemachte Storys der Medien hatten oftmals mehr<br />

Gewicht, als die konkrete Wahrheitserforschung. Die anklagenden<br />

Staatsanwälte hatten vielfach zum Beweisrecht ein<br />

gestörtes Verhältnis.<br />

Die intellektuelle Redlichkeit zum Recht und zur Gerechtigkeit<br />

war bei vielen nicht sehr ausgeprägt.<br />

Sie verstanden ihren Berufsethos vor allem darin, um jeden<br />

Preis eine Verurteilung der DDR-Eliten zu erreichen.<br />

Ihre Rolle in den Prozessen war mitunter zwielichtig. Neben<br />

einer notorischen Unkenntnis des DDR-Rechts und der<br />

DDR-Rechtsprechung zeichneten sie sich vor allem darin<br />

aus, durch eine Vielzahl von Nebensächlichkeiten und nicht<br />

zur Sache gehörenden Anträgen den Prozess unendlich in die<br />

Länge zu ziehen in der Hoffnung, dass irgend etwas schon<br />

hängen bleiben wird.<br />

Insbesondere in den sogenannten Rechtsbeugeverfahren<br />

wurden völlig unwichtige Papiere, die als Entwürfe von<br />

125


RECHT ODER UNRECHT<br />

Standpunkten der Senate des Obersten Gerichts der DDR<br />

gefertigt waren, als Hauptbeweismittel vorgelegt.<br />

Mit viel Aufwand wurde z.B. ermittelt, mit welchem<br />

Schreibmaschinentyp ein Dokument gefertigt wurde. Der<br />

Inhalt war dabei Nebensache. Nur eines wurde von allen<br />

Staatsanwälten und Richtern ausgespart; das Kerndokument<br />

des Obersten Gerichts in Strafsachen, die Beweisrichtlinie<br />

vom 15. Juni 1988 und ihre Vorläuferin vom 16. März 1978. 34<br />

Diese Grunddokumente waren im Gesetzblatt der DDR<br />

sowie in den „Informationen des Obersten Gerichts“ veröffentlicht,<br />

befanden sich in den Händen jedes Richters, jedes<br />

Staatsanwalts, der Ermittlungsbehörden, der Rechtsanwälte<br />

und jeder Bürger hatte ungehinderten Zugang zu ihnen.<br />

Die etwa 70 Richter des Plenums des OG hatten nach gründlicher<br />

Diskussion mit der Rechtswissenschaft, der Richterschaft,<br />

den Juristen des Landes sowie den Ermittlungsbehörden<br />

diese Richtlinien erlassen. Sie waren nicht nur im<br />

tatsächlichen, sondern auch im geistigen Besitz der DDR-<br />

Richterschaft.<br />

Es ist nur zu verständlich — wenn auch unentschuldbar —<br />

dass die westdeutschen Verfolgungsorgane diese Grunddokumente<br />

der DDR-Strafrechtsprechung wie der Teufel das<br />

Weihwasser fürchteten und sie deshalb einfach totschwiegen,<br />

weil die analoge Anwendung der Grundsätze dieser<br />

Richtlinien in den westdeutschen Gerichtssälen die ganze<br />

Haltlosigkeit der Gerichtsverfahren gegen DDR-Bürger zu<br />

Tage gebracht hätte.<br />

Worum ging es in den genannten Richtlinien vor allem:<br />

• Grundsätze der Beweisführung<br />

• Beweisführungspflicht des Gerichts<br />

• Wissenschaftlichkeit und Unvoreingenommenheit der<br />

Beweisführung<br />

• Gesetzlichkeit der Beweisführung<br />

• Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme<br />

126


Günther Sarge<br />

• Pflichten des Gerichts bei der Eröffnung des Hauptverfahrens.<br />

• Gründliche Vorbereitung der gerichtlichen Beweisaufnahme<br />

• Maßnahmen des Gerichts zur Wahrheitsfindung<br />

• Sicherung der Rechte des Angeklagten im Beweisverfahren.<br />

So heißt es in der Beweisrichtlinie des Jahres 1988 u.a.:<br />

„Richterliche Unabhängigkeit und Wissenschaftlichkeit bedingen<br />

einander. Sie gewährleisten die objektive und allseitige<br />

Feststellung der Wahrheit über jede Straftat durch gesetzliche,<br />

unvoreingenommene Beweisführung und sind die Grundlage<br />

eigenverantwortlicher Entscheidungen des Gerichts.<br />

Die Bestimmungen zur Gewährleistung der richterlichen<br />

Unvoreingenommenheit, über die Ausschließung und Ablehnung<br />

von Richtern (§ 7 GVG, §§ 156 ff. StPO) und die Art und<br />

Weise der Beratung und Abstimmung des Gerichts über die<br />

Entscheidung (§§ 178 ff. StPO) sind strikt zu beachten.<br />

Wissenschaftlichkeit und Unvoreingenommenheit der Beweisführung<br />

stehen in enger Beziehung zur Präsumtion der<br />

Unschuld.“ 35<br />

Es zeugt schon von einer erstaunlichen Arroganz und Ignoranz,<br />

vielleicht auch von grenzenloser Unwissenheit, wenn<br />

ein Berichterstatter des 5. Senats des BGH in einen von ihm<br />

gefertigten Beschluss vom 15. Mai 1997 hineinformuliert, dass<br />

,,auch eine entsprechende einheitliche Strafpraxis, selbst wenn<br />

sie im Einklang mit — indes an das Gesetz gebundenen, mithin<br />

insoweit ihrerseits rechtsbeugerischen — Richtlinien und<br />

Orientierungen stand, am Tatbestand der Rechtsbeugung ebenso<br />

wenig etwas zu ändern“... vermag … „wie am Vorliegen des<br />

erforderlichen direkten Vorsatzes.“ 36<br />

Es geht also um die Richtlinien des Obersten Gerichts der<br />

DDR, die dieser Richter oder auch Senat des BGH als an sich<br />

127


RECHT ODER UNRECHT<br />

rechtsbeugerisch einschätzt. Nach der Diktion des BGH<br />

wären demnach die an der Erarbeitung und Verabschiedung<br />

der Richtlinien befassten etwa 70 Richter des Plenums des<br />

Obersten Gerichts, denn nur das Plenum konnte Richtlinien<br />

verabschieden, Rechtsbeuger.<br />

Welcher richterlichen Verblendung sehen wir uns hier ausgesetzt?<br />

Wie beschreibt das doch der Amsterdamer Prof.<br />

Blankenburg?<br />

„Prozessuale Künste und dogmatische Konstruktionen, mit<br />

denen DDR-Recht von den Richtern der BRD nachträglich<br />

im Lichte internationaler Menschenrechte neu interpretiert<br />

wird, lassen keine Katharsis aufkommen.“ 37<br />

Richtlinien gehörten zur verfassungsmäßigen Leitungskompetenz<br />

des Obersten Gerichts der DDR. Sie waren Akte der<br />

Rechtsfortbildung in Übereinstimmung mit der Verfassung<br />

und den geltenden Gesetzen.<br />

Trotz dieser unseligen Vorgaben des 5. Senats des BGH gab<br />

es nicht eine Anklage, nicht ein Gerichtsverfahren das auf die<br />

Richtlinien oder Beschlüsse des Obersten Gerichts Bezug<br />

genommen hätte. Auch der unwilligste Jurist der BRD musste<br />

erkennen, dass mit den Richtlinien des Obersten Gerichts<br />

der DDR sorgsam verfahren wurde, dass sie nicht mehr und<br />

nicht weniger Gesetzestreue verlangten und dass sie der<br />

Unabhängigkeit der Richter dienten.<br />

Der Hauptgrund der Nichteinbeziehung der strafrechtlichen<br />

Kerndokumente des OG der DDR in die Verfahren vor den<br />

Landgerichten dürfte die Furcht gewesen sein, bekennen zu<br />

müssen, dass in der DDR die Einheitlichkeit der Rechtsprechung,<br />

die Wissenschaftlichkeit des Beweisverfahrens,<br />

die Ökonomie der Verfahren, die Korrektheit der Prozessaufzeichnung<br />

und auch die Rechte der Angeklagten einen höheren<br />

Stellenwert als in den Gerichtssälen der BRD hatten.<br />

Bei der Verfolgung der DDR-Bürger wählte man eher den<br />

128


Günther Sarge<br />

Weg der jahrelangen Verschleppung der Verfahren, des<br />

Abwartens auf höchstrichterliche Entscheidungen als Alibi<br />

für die eigene Unsicherheit und Untätigkeit, des Ausweichens<br />

auf bedeutungslose Nebensächlichkeiten im Beweisverfahren,<br />

der unendlichen Verlesung irgendwelcher —<br />

zumeist fremdbestimmter — Dokumente, der Redeschlachten<br />

der Juristen über die Köpfe der Angeklagten hinweg, des<br />

Taktierens in Verfahrensfragen und der reihenweisen Ablehnung<br />

der Anträge der Angeklagten.<br />

Bis heute ist nicht völlig klar, ob die ständige, willkürliche<br />

Verschleppung der Prozesse aus Faulheit, Unsicherheit,<br />

Rückversicherung oder aus dem bösartigen Motiv erfolgte,<br />

die Kosten so hoch zu treiben, dass die Verurteilten ihr Leben<br />

lang ins soziale Abseits gedrängt werden.<br />

Zu den Fragen, die im Beweisverfahren gegen DDR-Bürger<br />

keine geringe Rolle spielten, gehört die Notorität, d.h. die<br />

Gerichtskundigkeit. Mit der sogenannten Gerichtskundigkeit<br />

wurde und wird Missbrauch getrieben, denn sie muss herhalten<br />

für die reihenweise Ablehnung der Beweisanträge mit<br />

dem Argument, dass das dem Gericht bekannt ist und folglich<br />

die Anträge keine Berechtigung haben.<br />

Das Reichsgericht hat dazu bereits 1887 u.a. festgestellt:<br />

„Die sämtlichen Vorschriften der Strafprozessordnung über<br />

die Beweiserhebung in der Hauptverhandlung beruhen darauf,<br />

dass alles, was auf der Wahrnehmung beruht, durch die<br />

Vernehmung des Wahrnehmenden, alles was beurkundet,<br />

durch Verlesung der Urkunde, alles was der Richter selbst gesehen<br />

hat, durch die richterliche Augenscheinnahme in der<br />

gesetzlich vorgeschriebenen Form festzustellen ist...<br />

Daneben kennt das Gesetz keine Gerichtskundigkeit in bezug<br />

auf Thatsachen, welche die Existenz des Verbrechens in objektiver<br />

oder subjektiver Hinsicht bedingen.<br />

In bezug auf alle diese Thatsachen ist der Beweis in der gesetzlichen<br />

Form durch die Hauptverhandlung zu erbringen.“ 38<br />

129


RECHT ODER UNRECHT<br />

Auch dieser an und für sich vernünftige Standpunkt wurde in<br />

der Nazi-Zeit durch die sogenannte „Große Strafrechtsreform“<br />

des Jahres 1935 aufgelöst und auch die „Offenkundigkeit“<br />

eingeführt, die vom BRD-Recht kritiklos übernommen wurde.<br />

Es ist schon beachtlich, dass die Beweisregeln des Jahres 1935<br />

sich im wesentlichen in §244 StPO der BRD wiederfinden<br />

und in den Verfahren gegen DDR-Bürger ihre Renaissance<br />

erlebten. 39<br />

b. Analogie in der Kronzeugenregelung.<br />

Das Gesetz über Kronzeugen betrifft ausschließlich Straftaten<br />

nach §129a StGB oder damit zusammenhängende<br />

Straftaten. 40<br />

Es hat sich gezeigt, dass die Sonderstaatsanwaltschaften<br />

bestimmte Verfahren gegen DDR-Bürger außerhalb der<br />

Kronzeugenregelung nach §170 StPO mit den fadenscheinigsten<br />

Begründungen eingestellt haben, allerdings mit der<br />

Erwartung, den Betreffenden als „Kronzeugen“ zur Verfügung<br />

zu haben.<br />

So sollten Solidarität und Vertrauen untergraben und günstige<br />

Voraussetzungen für die Belastung anderer geschaffen<br />

werden. Das widerspricht zwar dem Legalitätsprinzip und<br />

dem Gleichheitsgebot der Verfassung, wurde aber praktiziert.<br />

Am Sichtbarsten wurde das bei den Dopingverfahren, aber<br />

auch in anderen Prozessen.<br />

Dass der Erfolg mit einer solchen ungesetzlichen Methode<br />

gering blieb, lag an der Solidarität der Beschuldigten, vor<br />

allem aber in der Tatsache begründet, dass es „Kronzeugen“<br />

überwiegend unmöglich war, den Beschuldigten eine bewusste<br />

Verletzung der DDR-Verfassung und des DDR-Rechts<br />

nachzusagen.<br />

c. Der Deal.<br />

Es handelt sich beim sogenannten Deal um im Gesetz nicht<br />

130


Günther Sarge<br />

vorgesehene Absprachen verschiedener Art.<br />

In den Verfahren gegen DDR-Bürger wurde diese Art —<br />

zumeist eine Verfahrenseinstellung mit Geldbuße — oft<br />

praktiziert.<br />

Der „Handel“ ging oft am Angeklagten vorbei, betraf ihn<br />

aber. Oftmals wurde er von der Anklagebehörde mit bestimmten<br />

Versprechungen angeboten, vor allem dann, wenn<br />

die Staatsanwaltschaft ein Festfahren des Prozesses aus<br />

Beweisnot oder einen Freispruch befürchtete. Zu einem Deal<br />

neigten sehr schnell vor allem Rechtsanwälte aus den alten<br />

Bundesländern.<br />

Normalerweise hätte sich kein DDR-Bürger auf einen solchen<br />

„Handel“ einlassen müssen, da sie in der Regel völlig<br />

schuldlos angeklagt wurden.<br />

Die Unberechenbarkeit der Gerichte, die Befürchtung beruflicher<br />

und sozialer Folgen, die sich anhäufenden Kosten und<br />

die seelische Belastungen waren Grund auf einen angebotenen<br />

Deal einzugehen.<br />

d. Ausdehnung der Vereidigung.<br />

In vielen Gerichtsverfahren gegen DDR-Bürger wurden<br />

Zeugen endlos vernommen und zwar oft zu Gegenständen<br />

und Sachverhalten, die mit der anstehenden Sache nichts<br />

oder wenig zu tun hatten.<br />

Regelmäßig erfolgte eine Vereidigung gemäß §59 StPO.<br />

Dabei wurde oft auf den konkreten Gegenstand der Vereidigung<br />

nicht mehr eingegangen.<br />

Es bestand die Gefahr, dass derartig vernommene Zeugen in<br />

eine „Meineidsfalle“ mit beachtlichen persönlichen Folgen<br />

tappen sollten.<br />

Insgesamt gesehen brachte diese Praxis den verfolgenden<br />

Gerichten und den anklagenden Staatsanwälten nichts, denn<br />

das Vorbringen der Zeugen beruhte auf Wahrheit; es gab<br />

131


RECHT ODER UNRECHT<br />

nichts zu verbergen, weil kein Rechtsbruch vorlag.<br />

3. Wertungen und Schlussfolgerungen<br />

Der politische Auftrag, den die Machtelite der BRD<br />

durch den damaligen Justizminister, Kinkel, am 23.<br />

September 1991 vor dem15. Deutschen Richtertag verkünden<br />

ließ, mittels der Strafjuristen die DDR zu delegitimieren,<br />

ist im Wesentlichen gescheitert.<br />

Das lag nicht an der Unfähigkeit oder dem Unwillen westdeutscher<br />

Juristen, sondern an der Tatsache, dass sich die<br />

überwiegende Mehrzahl der Funktionsträger der DDR in<br />

ihrem Handeln korrekt an Verfassung und den Gesetzen der<br />

DDR gehalten hatten und die anerkannten Normen des<br />

Völkerrechts achteten. Spektakuläre Fälle bzw. eine von der<br />

Partei- und Staatsführung der DDR initiierte oder angeordnete<br />

Verletzung der Verfassung oder des Rechts als Staatsdoktrin<br />

konnte nicht bewiesen werden, weil es sie nicht gab.<br />

Die zu Beginn der Verfolgungswelle gegen DDR-Bürger<br />

großaufgemachten und auf billigen Populismus bedachten<br />

Behauptungen von „Auftragsmorden“, „Missbrauch der<br />

Psychiatrie“, „Organentnahme für SED-Funktionäre“,<br />

„Zwangsadoptionen“, „Frühchentötungen“, „Strahlenmissbrauch“,<br />

„Unterstützung des internationalen Terrorismus“<br />

sowie die Behauptung der maßlosen Bereicherung der<br />

Funktionäre der DDR sind wie Seifenblasen zerplatzt und<br />

wurden mehr oder weniger zu den Akten gelegt.<br />

Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dass nach den<br />

Terroranschlägen gegen die USA nunmehr die Antiterrormaßnahmen<br />

des Sicherheitsdienstes der DDR willkommene<br />

Grundlagen der Rasterfahndung der heutigen Abwehr-<br />

132


Günther Sarge<br />

organe der BRD sind.<br />

Alles was bisher an der Sicherheitsdoktrin der DDR verteufelt<br />

wurde und man auch zur Grundlage einer nie da gewesenen<br />

Verfolgungswelle nutzte, wird heute durch die eigenen<br />

Sicherheitsmaßnahmen relativiert und weit übertroffen.<br />

Um trotzdem zu einer dem politischen Rache- und<br />

Verfolgungswillen gerecht werdenden Justizpraxis zu gelangen,<br />

wurden vor allem drei Wege eingeschlagen:<br />

1. Die zentral gesteuerte mediale Vorverurteilung und die<br />

maßlose Aufbauschung irgendwelcher in der DDR tatsächlich<br />

erfolgter Geschehnisse, die so oder krasser in jedem<br />

Land der Welt passieren können und auch geschehen.<br />

In dieser Hinsicht erleben wir seit 1991 ein unheilvolles<br />

Zusammenspiel von Politik, Justiz und Medien. Dabei wurden<br />

massenhaft Verletzungen des §353d StGB, der die<br />

Mitteilung von Verfahrensdokumenten vor einer Erörterung<br />

in einer gerichtlichen Hauptverhandlung unter Strafe stellt,<br />

in Kauf genommen.<br />

Bei der strafrechtlichen Verfolgung von DDR-Eliten wurde<br />

das Recht der BRD zum Experimentierfeld um zu testen, wie<br />

weit man den westdeutschen Rechtsstaat zur Ausschaltung<br />

des politischen Gegners dehnen und inwieweit man eine<br />

„Lex DDR“ durchsetzen kann.<br />

Rechtsinstitute aus der Mottenkiste des Strafrechts, wie das<br />

Naturrecht, das überpositive Recht, die Finale Handlungslehre,<br />

selbst Teile des Nazi-Rechts wurden zu diesem Zweck<br />

neu belebt.<br />

Die höchstrichterliche Rechtsprechung nahm eine Überdehnung<br />

eigenen Rechts in Kauf und legte DDR-Gesetze nach<br />

133


RECHT ODER UNRECHT<br />

eigenen Maßstäben willkürlich aus.<br />

Zugleich sollte getestet werden, inwieweit Staatsanwaltschaft<br />

und Richter sich dieser Aufgabe zuverlässig erweisen.<br />

2. Die ungezügelte Einleitung von Ermittlungsverfahren sollte<br />

dokumentieren, wie „schrecklich umfangreich“ die Verletzung<br />

der Gesetze in der DDR doch war.<br />

Quantität sollte Qualität ersetzen.<br />

Das Ziel ist klar erkennbar: Mit einer Flut von willkürlichen<br />

Ermittlungsverfahren sollte der Eindruck eines „gewaltigen<br />

Unrechts“, des „Unrechtsstaates DDR“ erweckt werden, die<br />

Beschuldigten sollten gedemütigt und verunsichert werden<br />

und die Justiz sollte die Möglichkeit erhalten, aus der großen<br />

Zahl doch noch zu Verurteilungen zu kommen.<br />

Diese Art der „Vergangenheitsbewältigung“ kommt dem<br />

Steuerzahler in Deutschland teuer zu stehen und dürfte das<br />

aufwändigste und nutzloseste Projekt von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen<br />

in Polizei und Justiz sein.<br />

3. In der internationalen Öffentlichkeit sollte der Eindruck<br />

erweckt werden, dass die BRD aus den Lehren und Fehlern<br />

der Vergangenheit gelernt hat und nun das Richtige bei der<br />

Verfolgung der DDR-Eliten tut.<br />

Obwohl sie den politischen Auftrag zur Verfolgungswelle<br />

gegen alles was DDR war gab, zog sie sich immer dann auf<br />

die Unabhängigkeit der Justiz zurück, wenn diesbezügliche<br />

Kritik aus dem Ausland erfolgte.<br />

Vor allem ging es den politischen Kräften in der BRD darum,<br />

die anerkannten Normen des Völkerrechts auf ihr neues<br />

Großmachtstreben zu zuschneiden.<br />

Dass sie damit gewissen Erfolg haben, zeigen u.a. die zwei<br />

bisher bekannten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes<br />

für Menschenrechte zu Ungunsten von DDR-Bürgern.<br />

Die Verfolgungswelle gegen DDR-Bürger ist nicht beendet.<br />

134


Günther Sarge<br />

Noch finden Gerichtsverfahren statt, noch sind Unschuldige<br />

der Freiheit beraubt, die sozialen und psychischen Folgen<br />

werden lange nachwirken.<br />

Die exakte und langwierige Aufarbeitung der Geschehnisse<br />

gegen DDR-Bürger seit 1991 wird mithelfen, die Wahrheit<br />

über die DDR zu erkennen und den Rechtsstaat Deutschland<br />

vor Schaden zu bewahren.<br />

1 - Kinkel, Klaus: Begrüßungsansprache als damaliger Bundesminister der Justiz vor<br />

dem 15. Deutschen Richtertag, 23. September 1991 in Köln. In: DRiZ, Heft 1/1992, S.<br />

4 ff. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

2 - Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der DDR und der BRD<br />

(Grundlagenvertrag), 21. Dezember 1972. In: Für Entspannung und dauerhaften<br />

Frieden in Europa. Dokumente. Herausgegeben vom Ministerium für Auswärtige<br />

Angelegenheiten der DDR (MfAA). Staatsverlag der DDR. Berlin, 1976.<br />

Vgl.: BGBl. II, 1973, S. 559. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

3 - Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes<br />

(GVG), 12. Juli 1994. In: Berliner GVBl., S. 234. (Errichtung der<br />

Sonderstaatsanwaltschaft II am 1. Oktober 1994). Vgl.: Beschlüsse der Justizministerkonferenzen<br />

der BRD vom November 1990, November 1991 und Mai 1992<br />

sowie Konferenz der Justizminister der 5 Neuen Bundesländer, 29. August 1994.<br />

In: ND, 30. August 1994.<br />

4 - Verordnung der Reichsregierung über die Bildung von Sondergerichten, 21. März<br />

1933. In: RGBl., S. 136 ff.<br />

5 -Podewin, Norbert (Hrsg.): Braunbuch. Kriegs- und Naziverbrecher in der BRD und<br />

in Berlin (West). Reprint der Ausgabe 1968 (3.Auflage). Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das<br />

Neue Berlin,<strong>Verlag</strong>sgesellschaft mbH, Berlin, 2002.<br />

6 - Zeigert, Konrad: Zur inneren Unabhängigkeit des Richters. Festschrift zum 70.<br />

Geburtstag für Fritz Hippel. Hrsg.: Esser, Josef und Thieme, Hans.<strong>Verlag</strong>: J. C. B.<br />

Mohr (Paul Siebeck), Tübingen, 1967, S. 711 ff., hier: S. 715.<br />

7 - Pfeiffer, G.: Zur inneren Unabhängigkeit des Richters. In: „FAZ“, 5. Dezember 1987,<br />

S. 10.<br />

135


RECHT ODER UNRECHT<br />

8 - Priepke, Walther: Die Treupflicht des Richters. In: DRiZ, Heft 1/1991, S. 4 ff.<br />

9 - Sarge, Günther: Gesetzlichkeit und Humanismus unserer Rechtspflege. In: „Einheit“,<br />

Nr.8/1988, S. 703 ff.<br />

10 - Müller, Ingo: Furchtbare Juristen. Kindler <strong>Verlag</strong> GmbH, München, 1987.<br />

11 - Gössner, Rolf: Die vergessenen Justizopfer des Kalten Krieges. Verdrängung im<br />

Westen — Abrechnung mit dem Osten. Aufbau-Taschenbuchverlag GmbH, Berlin,<br />

1998.<br />

12 - Vertrag zwischen der BRD und der DDR über die Herstellung der Einheit<br />

Deutschlands. Einigungsvertrag 31. August 1990. (Anlage I, Kapitel III, Sachgebiet<br />

C, Abschnitt II, Ziff. 1 b). In: GBl. I, Nr.64, 28. September 1990, S. 1629 ff.; BGBl. II,<br />

1990, S.889 ff. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

13 - Arnold, Jörg: Strafrechtliche Auseinandersetzung mit Systemvergangenheit — am<br />

Beispiel der DDR. Vortrag zum Gustav-Radbruch-Forum, 27. September 1997 in<br />

Heidelberg. Nomos <strong>Verlag</strong>sgesellschaft Baden / Baden, 2000, S. 15 ff.<br />

14 - Proklamation Nr.3 des Alliierten Kontrollrates, 20. Oktober 1945. In: Deutsches<br />

Strafgesetzbuch, Textausgabe von E. Kohlrausch.Walter de Gruyter & Co, Berlin,<br />

1947, S. 11 ff. Vgl.: Amtsblatt des Kontrollrates, 1946, S. 22.<br />

15 - Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AMRK), 10. Dezember 1948. In:<br />

Völkerrechtliche Verträge, Beck-Texte, 7. Auflage, <strong>Verlag</strong> C. H. Beck, München,<br />

1995, S. 151 ff. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

16 - Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten<br />

(EMRK), 4. November 1950. In: BGBl. II, 1952, S. 686. Geändert durch Prot. Nr. 3<br />

vom 6. Mai 1963. In: BGBl. II, 1968, S. 1116. Die Konvention ist gemäß der<br />

Bekanntmachung vom 15. Dezember 1953 für die BRD am 3. September 1953 in<br />

Kraft getreten; danach gilt für die BRD der Vorbehalt, dass Art. 7, Abs.2, der<br />

Konvention nur in den Grenzen von Art. 103, Abs. 2 gültig GG (Nr.1) angewendet<br />

wird. In: BGBl. II, 1954, S. 14. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

17 - Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes, 9. Dezember<br />

1948. In: Völkerrechtliche Verträge, Beck-Texte, 7. Auflage, <strong>Verlag</strong> C. H. Beck,<br />

München, 1995, S. 158 ff.<br />

18 - Internationaler Pakt über Bürgerrechte und politische Rechte (IPbürgR), 16.<br />

Dezember 1966. In: GBl. II, 1974, Nr.6, S.58 ff. (Siehe Dokumentenanhang). Vgl.:<br />

Gesetz zu dem Internationalen Pakt über Bürgerrechte und politische Rechte, 16.<br />

Dezember 1966, verkündet am 20. November 1973. In: BGBl. II, S. 1533.<br />

136


Günther Sarge<br />

19 - Protokoll des Deutschen Bundestages (DBT), 217. Sitzung, 10. Juni 1952, S. 9510.<br />

20 - Ratifizierung der EMRK vom 4. November 1950 am 5. Dezember 1952 mit Vorbehaltserklärung<br />

der Bundesregierung zu Art. 7, Abs. 2 der Konvention, a.a.O. (Fn. 16)<br />

21 - BVerfG-Beschluss, 24. Oktober 1996, AZ 2 BvR 1851/94 bis 1853/94 und 1875/94.<br />

In: BVerfGE Bd.95, S. 96 ff. Vgl.: NJW, Heft 14, S. 229; JZ, Heft 3/1997, S.142; NJ,<br />

Heft 1/1997, S.19 ff.; StV, Heft 1/1997, S. 14;<br />

21 - Rovan, J.: In: „FAZ“, 17. Oktober 1997.<br />

22 - BVerfG-Beschluss, 24. Oktober 1996, AZ 2 BvR 1851/94 bis 1853/94 und 1875/94,<br />

a.a.O. (Fn. 21)<br />

23 - Strafprozessordnung für das Deutsche Reich (RStPO, 1. Februar 1877). In: RGBl.<br />

S. 253, idFdB. vom 22. März 1924. In: RGBl. I, S. 322 sowie idF. des Gesetzes vom 28.<br />

Juni 1935. In: RGBl. I, S. 839 ff. Zusammengestellt nach dem Stand vom 1. Oktober<br />

1935 im Reichsjustizministerium. Berlin, 1935. Beck’sche <strong>Verlag</strong>sbuchhandlung<br />

(Oskar Beck), München.<br />

24 - Proklamation des Alliierten Kontrollrates Nr.3, vom 20. Oktober 1945, a.a.O. (Fn.<br />

14); Kontrollratsgesetz Nr.11, vom 30. Januar 1946. In: Amtsblatt des Kontrollrates,<br />

S. 55. Vgl.: Der Alliierte Kontrollrat in Deutschland. Hrsg.: SMA-<strong>Verlag</strong>, Sammelheft<br />

1 und 2, Berlin, 1946 (Zitiert nach: Deutsche Außenpolitik, Sonderheft 1/1965,<br />

S. 53).<br />

25 - Gustav-Radbruch-Gesamtausgabe (GRGA) Bd.3, S. 89/90 und 99 sowie<br />

Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht. In: SJZ, Heft 5/1946, S. 105 - 108.<br />

26 - Protokoll des Deutschen Bundestages, 10. Juni 1952, a.a.O. (Fn. 19)<br />

27 - Kaufmann, Arthur: Gustav Radbruch, Rechtsdenker, Philosoph, Sozialdemokrat.<br />

München, 1987, S. 27.<br />

28 - Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AMRK), 10. Dezember 1948,<br />

a.a.O. (Fn. 15)<br />

29 - StGB/DDR, 12. Januar 1968. In: GBl. I, S. 1 ff., idNF. vom 19. Dezember 1974. In:<br />

GBl. I Nr. 3/1975, S. 14 sowie idF. des 3. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 28. Juni<br />

1979. In: GBl. I, Nr. 17, S. 139 ff. Vgl.: Textausgabe, Staatsverlag der DDR, Berlin<br />

1986. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

30 - StGB, 15. Mai 1871 (RGBl. S. 127) idFdB. vom 13. November 1998. In: BGBl. I, S.<br />

3322, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2001. In: BGBl. I, S. 3983.<br />

(Siehe Dokumentenanhang)<br />

31 - BVerfG-Beschluss, 7. April 1998, AZ 2 BvR 2560/95. In: NJ, Heft 6/1998, S. 314 (mit<br />

137


RECHT ODER UNRECHT<br />

Vermerk: Nicht zur Veröffentlichung bestimmt in den Entscheidungssammlungen<br />

des BVerfG).<br />

32 - Grundgesetz (GG), 23. Mai 1949. In: BGBl. I, S. 1, idF. vom 27. Oktober 1994. In:<br />

BGBl. I, S. 3146, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes<br />

vom 26. Juli 2002. In: BGBl. I, S. 2863. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

33 - StPO, 1. Februar 1877 (RGBl. S. 253), idFdB. vom 7. April 1987. In: BGBl. I, S. 1074,<br />

zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Februar 2002. In: BGBL. I, S. 682. (Siehe<br />

Dokumentenanhang)<br />

34 - Beweisrichtlinie des Obersten Gerichts der DDR, 15. Juni 1988 (Vorläuferin:<br />

16.März 1978). In: GBl. I, Nr.14/1978, S. 169. Vgl.: Das Oberste Gericht der DDR,<br />

Staatsverlag der DDR, Berlin, 1989, S. 242 ff.<br />

35 - StPO/DDR, Gesetz über das Verfahren in Strafsachen, 2. Oktober 1952. In: GBl. I,<br />

S. 996 ff.; StPO/DDR, 12. Januar 1968. In: GBl. I, S. 49, idNF. der StPO durch das<br />

Gesetz zur Änderung der StPO/DDR vom 19. Dezember 1974. In: GBl. I, 1975,<br />

S. 62 sowie idF. des 3. Strafrechtänderungsgesetzes vom 28. Juni 1979. In: GBl. I, Nr.<br />

17, S. 139 ff. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

35 - Gerichtsverfassungsgesetz der DDR (GVG), Gesetz über die Verfassung der<br />

Gerichte der DDR, 27. September 1974. In: GBl. I, S. 457. Vgl.: Textausgabe,<br />

Staatsverlag der DDR, Berlin, 1984.<br />

36 - BGH-Beschluss, 15. Mai 1997, AZ 5 StR 580/96. In: NJ, Heft 10/1997, S. 547.<br />

37 - Blankenburg, Erhard: Rezension zu Heitmann, Steffen: Die Revolution in der Spur<br />

des Rechts. Reuter & Klöckner <strong>Verlag</strong>, Hamburg, 1996. In: NJ, Heft 12/1997, S. 642.<br />

38 - Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (RGSt), Bd. 16, S. 327, 331 ff.<br />

39 - StPO, 1. Februar 1877 (RGBl. S. 253), idFdB. vom 7. April 1987, a.a.O. (Fn. 33)<br />

40 - Gesetz zur Änderung des StGB, der StPO und des Versammlungsgesetzes und zur<br />

Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten, 9. Juni 1989,<br />

BGBl. I, S. 1059, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Januar 1996. In: BGBl. I, S.<br />

58 ff. Vgl.: Deutsche Taschenbuchreihe, C. H. Beck’sche Buchdruckerei, 22. neubearbeitete<br />

Auflage, Stand: 1. November 1989.<br />

138


STRAFVERFOLGUNG VON<br />

ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

Horst Bischoff / Karli Coburger


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

Prof. Dr. sc. jur. Horst Bischoff<br />

Jg. 1936, erlernter Beruf Maurer.<br />

Seit 1957 Angehöriger der Zollverwaltung der DDR.<br />

1960 Besuch der Mittleren Polizeischule Aschersleben (Fachrichtung Kriminalpolizei),<br />

danach Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin, Diplomkriminalist<br />

1972 Promotion (Dr. jur.), 1985 Promotion B (Dr. sc. jur.)<br />

1975 Fachschuldozent, 1985 ordentlicher Professor für Staatsrecht. Mitglied des Wiss.<br />

Rates der Hochschule der Deutschen Volkspolizei „Karl Liebknecht“, Berlin.<br />

1972 1. Stellv. des Direktors an der Fachschule; 1981 Stellv. für Forschung, danach Leiter<br />

einer Sektion am Institut der Zollverwaltung „Heinrich Rau“ (wiss. Einrichtung mit<br />

Hochschulcharakter, Diplomrecht). Zollhauptinspekteur.<br />

Gründungsmitglied, derzeit Stellv. Vorsitzender der „Initiativgemeinschaft zum Schutz<br />

der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger bewaffneter Organe und der Zollverwaltung<br />

der DDR“ e.V. (ISOR) sowie Mitglied der AG-Recht in der „Gesellschaft<br />

zur rechtlichen und humanitären Unterstützung“ e. V. (GRH).<br />

Dr. Karli Coburger<br />

Jg. 1929; Abschluss der Handelsschule, der Fachschule für Wirtschaft und Verwaltung,<br />

Abitur;<br />

1948 Volontär, danach Besuch des Einjahreslehrganges an der Deutschen Verwaltungsakademie<br />

„Walter Ulbricht“ in Forst-Zinna.<br />

1952 Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit.<br />

1957 Fernstudium an der Zentralschule der Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei<br />

Aschersleben.<br />

1962 Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin mit Abschluss Diplomkriminalist.<br />

1976 Promotion (Dr. jur.).<br />

Zuletzt Hauptabteilungsleiter im Ministerium für Staatssicherheit; Generalmajor.<br />

Teilnahme an internationalen Konferenzen in Moskau, Warschau und Berlin zur weltweiten<br />

Förderung der Nichtverjährung von Kriegs- und Verbrechen gegen die<br />

Menschlichkeit. Mitglied wiss. Beiräte, Mitautor an dem Sachbuch „Die Sicherheit“ und<br />

Mitglied der AG Recht der „Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären<br />

Unterstützung“ e. V. (GRH).<br />

140


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

1. Gesellschaftliche Ächtung<br />

und Ausgrenzung des MfS<br />

Gemessen an den hochgesteckten Zielen, durch<br />

Dämonisierung und Kriminalisierung des MfS die<br />

„schreckliche Stasivergangenheit zu entmystifizieren, um die<br />

Menschen angstfrei zu machen“ und den „Unrechtsstaat“<br />

DDR für immer in den Orkus der Geschichte zu verbannen<br />

und von der eigenen kriminellen Geschichte abzulenken,<br />

erweist sich die Strafverfolgung von Angehörigen des MfS als<br />

der größte Flop der deutschen Rechtsgeschichte. 1<br />

Jemand, der es wissen musste, Oberstaatsanwalt Bernhard<br />

Procher, seinerzeit Leiter der Abteilung 1 in der Staatsanwaltschaft<br />

II zur Bekämpfung von Regierungs- und<br />

Vereinigungskriminalität, schätzte 1998 im Gesprächskreis<br />

„Zwie-Gespräch“ in der Berliner Erlöserkirche ein, dass die<br />

Summe von Exzessen bei Mitarbeitern des MfS nicht auffallend<br />

und durchaus mit BRD-Behörden vergleichbar sei.<br />

Dessen ungeachtet, schüren auch noch 12 Jahre nach der<br />

Einverleibung der DDR die der Diktatur des Geldes verpflichteten<br />

meinungsbildenden Medien eine Psychose, nach<br />

der MfS und verbrecherisches Handeln als Synonyme zu<br />

gelten haben. Noch immer erweckt eine gegenüber bundesdeutschen<br />

Verfolgungsbehörden zu NS-Verbrechen um das<br />

zwanzigfache überdimensionierte Behörde zur Verwaltung<br />

von MfS-Unterlagen den Eindruck, es gelte eine ungeheure<br />

Zahl bisher unentdeckter Verbrechen des MfS aufzuspüren.<br />

Noch immer werden entsprechend präparierte ehemalige<br />

Untersuchungshaftanstalten des MfS einem unbedarften<br />

Publikum als Orte des Grauens vorgeführt.<br />

141


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

Bereits am 17. April 1991 machte der damalige Vorsitzende<br />

der Gruppe der PDS/Linke Liste im Bundestag Gregor Gysi<br />

aufmerksam, dass die im Bundestag vertretenen Parteien mit<br />

der Darstellung des MfS als „verbrecherisches Organ“ darauf<br />

abstellen, dieses DDR-Ministerium mit den Machtorganen<br />

des faschistischen Deutschland gleichzusetzen, — nach seiner<br />

Wertung „eine unglaubliche Bagatellisierung der faschistischen<br />

Verbrechen“. 2<br />

Es ist daran zu erinnern, dass die BRD seit Beginn ihrer<br />

Existenz die Politik der Einverleibung des „östlichen Teils“<br />

Deutschlands betrieb. 3<br />

Dazu wurden im Rahmen des Kalten Krieges gegen die DDR<br />

ganze Systeme von Sondergesetzen geschaffen, zu denen<br />

bekanntlich auch das Erste Strafrechtsänderungsgesetz vom<br />

30. August 1951, das so genannte Blitzgesetz, gehörte. 4<br />

Es enthielt so weit gefasste Tatbestände, dass es selbst<br />

westdeutsche Juristen als Gesinnungsstrafrecht bewerten<br />

mussten. 5<br />

Die damals gesammelten Erfahrungen aus der Verfolgung<br />

von Zehntausenden westdeutschen Bürgern fanden nunmehr<br />

erneute Anwendung gegen Angehörige des MfS:<br />

Im engen Zusammenspiel von Politik, Justiz und Massenmedien<br />

wurde das gesamte Instrumentarium des Kalten<br />

Krieges aktiviert, um die Abwicklung der DDR durch die<br />

Diffamierung sozialistischer Errungenschaften sowie zur<br />

Dämonisierung des MfS zu bewerkstelligen und zugleich von<br />

den Fehlern der eigenen Politik abzulenken.<br />

MfS-Angehörige wurden als Täter für alles verantwortlich<br />

gemacht, was der DDR an Verwerflichem anlastbar schien.<br />

Voraussetzungslos wurden gegen sie neben Strafverfolgungen<br />

pauschal Grundrechte eingeschränkt, entgegen bestehender<br />

Rechtsordnung Rechte und Ansprüche aus bisherigem<br />

Erwerbsleben beschnitten, Strafrenten eingeführt, berufliche,<br />

142


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

politische und gesellschaftliche Ausgrenzungen betrieben,<br />

Berufsverbote verfügt und ganze Existenzen vernichtet.<br />

Bereits Ende 1989, als Partei-, Staats- und gesellschaftliche<br />

Strukturen zunehmend zerfielen, Führungspositionen neu zu<br />

besetzen und fast alle DDR-Medien bereits westdeutsch<br />

dominiert waren, setzten starke Tendenzen ein, neben der<br />

alten Partei- und Staatsführung das MfS als verantwortlich<br />

für fast alles anzugreifen, was vermeintlich als ursächlich<br />

für Fehlentwicklungen in der DDR betrachtet oder „entdeckt“<br />

wurde.<br />

Das führte am 22. Dezember 1989 zur Verhaftung des Leiters<br />

der Hauptabteilung Personenschutz und seines für die<br />

Betreuung des Wohnobjekts der Familien der Mitglieder des<br />

Politbüros der SED in Wandlitz bei Berlin verantwortlichen<br />

Abteilungsleiters wegen des Vorwurfs der Veruntreuung<br />

staatlicher Mittel im Zusammenhang mit der Versorgung der<br />

dortigen Bewohner mit westlichen Konsumgütern.<br />

Bis zur Einverleibung der DDR zeichnete sich ab, dass die<br />

beiden letzten Regierungen und die Volksvertretungen<br />

zunehmend vom MfS abrückten, dem Druck der Straße<br />

folgend die Stigmatisierung des MfS unterstützten und zum<br />

Teil selbst betrieben.<br />

Unter diesen Bedingungen leitete die Staatsanwaltschaft der<br />

DDR, selbst von der öffentlichen Hysterie verunsichert,<br />

zumeist ohne hinreichende Vorprüfung zahlreiche Untersuchungen<br />

und Ermittlungsverfahren gegen Leiter und<br />

Mitarbeiter des MfS ein. Teilweise waren die erhobenen<br />

Vorwürfe außerordentlich diffus und auch nicht durch gesetzliche<br />

Tatbestände gedeckt. Folgerichtig mussten bis zum<br />

Oktober 1990 alle derartigen Verfahren wieder eingestellt<br />

werden, weil sich die Anschuldigungen nicht bestätigten.<br />

143


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

Im Prozess der Auflösung des MfS versuchte eine Beratergruppe<br />

aus ehemals leitenden Angehörigen des MfS eine<br />

möglichst ordnungsgemäße Abwicklung zu sichern, insbesondere<br />

die Strafverfolgung von offiziellen und inoffiziellen<br />

Mitarbeitern durch die BRD zu verhindern. Sie führte<br />

hierzu Gespräche mit maßgeblichen Vertretern der Regierung<br />

der BRD.<br />

Trotz weitgehend erreichter Übereinstimmung, zumindest<br />

ein Amnestiegesetz zu erlassen, — so fragwürdig eine solche<br />

Regelung auch sein mochte — wurden die Beratungen ab<br />

einem bestimmten Zeitpunkt von bundesdeutscher Seite<br />

abrupt abgebrochen. Offenbar waren inzwischen neue politische<br />

Weichenstellungen in Richtung Strafverfolgung erfolgt.<br />

Mit gleicher Energie wandten sich die Mitglieder der erwähnten<br />

Gruppe gegen den Missbrauch der Unterlagen des MfS,<br />

die zwischenzeitlich bereits durch Plünderungen und auf andere<br />

Weise in Geheimdienst- und Medienbereichen gehandelt<br />

und zu Propagandazwecken gegen das MfS ausgeschlachtet<br />

wurden. Die hierzu angeschriebenen Ministerpräsidenten der<br />

Länder reagierten nicht mehr.<br />

Noch während der Existenz der DDR und danach schwärmten<br />

Gruppen von Mitarbeitern bundesdeutscher und anderer,<br />

vorwiegend westlicher Geheimdienste aus, um Leiter und<br />

Mitarbeiter operativer Diensteinheiten, die Quellen außerhalb<br />

der DDR geführt hatten, zum Verrat der von ihnen geführten<br />

IM zu bewegen. Es wurden zum Teil astronomische Geldsummen<br />

angeboten oder inoffizielle Zusammenarbeit auch mit<br />

Rentenanspruch und anderen Vergünstigungen zugesichert.<br />

Soweit bekannt, lehnten die MfS-Offiziere bis auf wenige<br />

Ausnahmen derartige Ansinnen ab.<br />

Um so schmerzlicher sind Einzelfälle, in denen es zum<br />

Verrat kam. 6<br />

144


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Unmittelbar nach dem Anschluss der DDR konzentrierten<br />

sich die Anstrengungen der Strafverfolgungsbehörden der<br />

BRD auf das Aufspüren von ehemaligen Kundschaftern des<br />

MfS in der BRD und in Westberlin, den früheren Operationsgebieten<br />

der HVA und mehrerer Abwehrdiensteinheiten<br />

des MfS.<br />

Gegen mehrere Leiter entsprechender Diensteinheiten wurden<br />

Ermittlungsverfahren eingeleitet und Verhaftungen<br />

durchgeführt. Parallel dazu wurden die nunmehr erbeuteten<br />

Unterlagen des MfS durchforstet, um rasche Erkenntnisse<br />

über Stützpunkte des bisherigen Gegners im Lande aufzudecken<br />

— übrigens gegen heftige Proteste vor allem der<br />

Vertreter der „Bürgerbewegung“, die in zahlreichen Fällen<br />

offensichtlich persönliche Konsequenzen für sich selbst<br />

befürchteten, wenn ihre tatsächliche Rolle in der DDR offenbar<br />

würde.<br />

Es ist bemerkenswert, dass sich unter den nunmehr<br />

Verfolgten zuallererst auch die ehemaligen Verhandlungspartner<br />

des MfS befanden, die eine politische Lösung und<br />

Regelung dieser Fragen mit den westdeutschen Regierungsvertretern<br />

versucht hatten sowie diejenigen Offiziere, die<br />

Verratshandlungen strikt abgelehnt hatten (in den Gesprächen<br />

mit letzteren war ihnen allerdings schon für den Fall<br />

der Ablehnung eine Strafverfolgung angekündigt worden;<br />

nun wurde das realisiert).<br />

Die Konzentration auf das MfS erschien den neuen<br />

Machthabern offenbar auch besonders dringlich, weil in diesen<br />

Personenkreisen vor allem Träger brisanter Informationen<br />

vermutet wurden, zumal sie allgemein über eine hohe<br />

fachliche Ausbildung verfügten. Nicht ohne Grund wurde<br />

angenommen, dass sich in diesen Organen die entschiedensten<br />

Vertreter des gesellschaftlichen Systems der DDR<br />

145


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

befanden. Potentielle Gefahren für das neu installierte<br />

System wurden so nicht ausgeschlossen.<br />

Insofern sollten mit der Strafverfolgung gleichzeitig mehrere<br />

Ziele verfolgt werden:<br />

1. Es sollte der „Unrechtsstaat DDR“ dauerhaft vor allem<br />

ideologisch bewältigt werden. Von daher schien die verkürzende<br />

Suggestion geboten, die DDR hätte die Kraft seiner<br />

Sicherheitsorgane vor allem gegen seine eigenen Bürger<br />

gerichtet, indem jegliche abweichende Meinung und<br />

Handlung und vor allem die Übersiedlung nach dem Westen<br />

verfolgt und unterbunden wurde.<br />

Im Prozess der Umdeutung der gesellschaftlichen Entwicklungen<br />

seit dem Kriegsende 1945 wurden dabei nahezu alle<br />

subversiven und politischen Aktivitäten der Kräfte und<br />

Organe der BRD gegen die DDR ausgeblendet oder als legitim<br />

charakterisiert, auch dann, wenn diese mit offensichtlich<br />

verbrecherischen Mitteln und Methoden vorgetragen worden<br />

waren (z.B. des Terrors und schwerer Gewaltverbrechen).<br />

Auf diese Weise wird das Ministerium für Staatssicherheit als<br />

ausschließliches Instrument zur Unterdrückung nach Innen<br />

proklamiert.<br />

2. Bei der Strafverfolgung von Mitarbeitern des MfS sollte<br />

durch die Hervorkehrung des angeblich kriminellen Charakters<br />

der angewandten Methoden eine nachträgliche und<br />

nachhaltige gesellschaftliche Isolation erfolgen.<br />

Durch die Kombination von Strafverfolgung und Medienaktionen<br />

wurde versucht, die umfassende und breite<br />

Unterstützung des MfS durch die Bevölkerung zu verdrängen<br />

und zu verkleinern. Die Hervorkehrung angeblichen Druckes<br />

bei der Gewinnung inoffizieller Mitarbeiter sollte jegliche<br />

Identifizierung mit den ehemaligen Mitarbeitern des MfS<br />

und ihren damaligen Aufgaben unterbinden.<br />

146


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

3. Mit der Einrichtung des Bundesbeauftragten für die<br />

sogenannten Stasi-Unterlagen erhielt die Strafverfolgung<br />

von ehemaligen Angehörigen des MfS sowie die parallele,<br />

nicht selten sogar vorauseilende Medienaktivität, eine besondere<br />

Wirksamkeit.<br />

Es ist naheliegend, dass die durch die Geheimhaltung geprägte<br />

Arbeitsweise des MfS das Interesse breiter Bevölkerungskreise<br />

fand und bis heute findet. Durch recht geschickte Argumentationen,<br />

vor allem im Fernsehen oder in der Boulevardpresse,<br />

wurde und wird die Aufmerksamkeit wach gehalten.<br />

Im Zuge der Deutungshoheit der Bundesrepublik über die<br />

DDR und ihre Geschichte fallen dominierend die Hervorhebung<br />

von Gegnern der damaligen gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse und die Beschreibung von „Opfern“ und ihre<br />

Schicksale ins Auge. Für all das seien Mitarbeiter des MfS im<br />

Rahmen der Strafverfolgung zur Verantwortung zu ziehen.<br />

Allerdings bereitet indes der letztlich überzeugende<br />

Nachweis einer beträchtlichen Gegnerschaft zu den gesellschaftlichen<br />

Verhältnissen durchaus Schwierigkeiten: Die<br />

Zuordnung jeglicher Bestrebungen zur Übersiedlung aus der<br />

DDR in die BRD z.B. als Feindschaft gegenüber dem Staat<br />

DDR war und bleibt äußerst problematisch.<br />

Wenn sich mancher ehemalige DDR-Bürger nach „Akteneinsicht“<br />

als „Opfer“ sieht, kann das entsprechend dem<br />

Zeitgeist und dem zum Teil menschlich einfühlbaren<br />

Anpassungsverhalten kaum verwundern:<br />

Immerhin war mit der Einrichtung des Bundesbeauftragten<br />

für die sogenannten Stasi-Unterlagen ein Instrument geschaffen<br />

worden, wo mit dem Nachweis auch nur geringster<br />

Kontakte zum MfS gegen ehemalige Staatsfunktionäre,<br />

Mitarbeiter des Staatsapparates und mit dem Gesellschaftssystem<br />

der DDR verbundene Bürger scheinlegal aus ihren<br />

bisherigen Arbeits- und Dienstverhältnissen — im öffentlichen<br />

Dienst zumeist zu Gunsten aus dem Westen delegier-<br />

147


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

ter „zuverlässiger“ Mitarbeiter — entfernt werden konnten,<br />

— oder auch nicht. Die ständige Bedrohung mit dem Verlust<br />

des Arbeitsplatzes zeitigte enorme Disziplinierungseffekte<br />

und unübersehbaren Anpassungsdruck bei Arbeitern und<br />

Angestellten. 7<br />

Der Austausch der Eliten wurde legalisiert ermöglicht, ohne<br />

die tatsächlichen Hintergründe offenbaren zu müssen.<br />

Manche „Opferbiografie“ hat insofern sehr handfeste existenzielle<br />

Hintergründe, die man nicht übersehen sollte.<br />

4. Die Strafverfolgung ehemaliger Angehöriger des MfS hat<br />

zugleich durchaus auch mit Rache und Vergeltung zu tun.<br />

Das betrifft die Einrichtungen der Aufklärung ebenso wie die<br />

der Abwehr.<br />

Es ist schon eindrucksvoll und sicher auch peinlich, wenn<br />

über 90% der BND-Quellen in der DDR für das MfS arbeiteten,<br />

der BND also durch Nachrichtenspiele der Spionageabwehr<br />

recht gekonnt und gründlich desinformiert wurde. 8<br />

Es passt in diesen Sachverhalt, wenn auch in einer neueren<br />

Publikation der Bundeszentrale für politische Bildung formuliert<br />

wird, dass in den 80er Jahren „Spionagefälle kaum<br />

noch verzeichnet wurden“ 9<br />

Warum sollte das MfS bekannte Spione festnehmen und<br />

erneute Werbungen damit anregen, wenn ihre Informationen<br />

unter Kontrolle standen?<br />

Die jahrzehntelangen Niederlagen der BRD-Geheimdienste<br />

durch die überlegene Arbeit des MfS haben diese Einrichtungen<br />

eklatant bloßgestellt, was ihre Autorität nicht nur<br />

in den neuen Bundesländern beeinträchtigt hat. 10<br />

Um die einsetzende Strafverfolgung zu ermöglichen, verließ<br />

sich der Staat BRD vor allem auf die deutsche Justiz, die<br />

erfahrungsgemäß bisher jedem System mit schöpferischer<br />

Rechtsprechung gedient hatte.<br />

148


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Zügig wurden entsprechende Gesetzesgrundlagen geschaffen.<br />

Zu erwähnen sind hier insbesondere:<br />

• das „SED-Unrechtsbereinigungsgesetz“. 11<br />

Es ermöglichte, unter Berufung auf den Vertrag zwischen der<br />

BRD und der DDR über die Herstellung der Einheit<br />

Deutschlands vom 31. August 1990 (Einigungsvertrag), alle<br />

im wesentlichen von den Untersuchungsorganen des MfS<br />

untersuchten Straftaten neu zu bewerten. Die bisherigen<br />

Straftäter wurden zu Opfern erklärt, rehabilitiert, materiell<br />

entschädigt und zu Zeugen gegen das MfS gewandelt. 12<br />

Die auf der Grundlage der Rechtsordnung der DDR mit der<br />

Aufklärung befassten Untersuchungsführer, Staatsanwälte<br />

und Richter waren nun die neuen Straftäter geworden.<br />

• die drei sogenannten Verjährungsgesetze, die mögliche Verjährungen<br />

nach DDR-Recht ausschlossen und denen zufolge<br />

dann vorrangig für rechtmäßige Handlungen in der Zeit von<br />

1949 bis 1990 in der DDR, die man nunmehr als Straftaten<br />

sehen wollte, weite Handlungsräume eröffnet wurden.<br />

Diese weit über die Verjährungsgesetze für Naziverbrechen<br />

und Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinausgehenden<br />

Regelungen können für sich beanspruchen, einmalig in der<br />

Welt in ihrer Begründung und Ausdehnung zu sein; 13<br />

• das „Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes<br />

der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik“,<br />

wonach Unterlagen für die Medien und vor allem als<br />

Beweisquelle für die Strafverfolgswelle genutzt werden konnten<br />

— und offenbar auch sollten. 14<br />

Diese Unterlagen, die bis auf wenige Ausnahmen nicht für<br />

Beweiszwecke geschaffen worden waren, genügen überwiegend<br />

nicht den elementaren Ansprüchen an aussagefähige<br />

Beweise. Sie flossen dennoch ohne Skrupel in die Prozessmaterialien<br />

der Verfolger ein. Selbst Bedenken bundesdeut-<br />

149


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

scher Gerichte gegen die Verwendung solcher Unterlagen als<br />

Beweise blieben bei der Verfolgungswut auf der Strecke.<br />

Die bereits erwähnten von den DDR-Staatsanwaltschaften<br />

eingestellten Ermittlungsverfahren wurden mit der Begründung<br />

wieder aufgenommen, sie seien „rechtsfehlerhaft“<br />

eingestellt gewesen.<br />

Dem Bemühen, quantifizierte statistische Aussagen zu den<br />

Strafverfolgungen zu treffen, sind Grenzen gesetzt. Auffällig<br />

sind das Unvermögen und die Unlust der Behörden, der<br />

Öffentlichkeit den gesamten Umfang der Strafverfolgung<br />

ausweisende statistische Angaben und Zahlen vorzulegen.<br />

Angeblich gibt es keine, schon gar keine einheitliche und<br />

schon gar nicht eine zentrale statistische Gesamtübersicht, —<br />

ein Umstand, der sich angesichts der sonstigen umtriebigen<br />

Gewissenhaftigkeit der Verfolger recht eigenartig ausnimmt.<br />

Sei es, wie es sei: Es blieb deswegen zum gegenwärtigen<br />

Zeitpunkt nur möglich, aus Medienberichten, sonstigen<br />

Publikationen, vereinzelten parlamentarischen Auskünften,<br />

persönlichen Benachrichtigungen und vereinzelten Behördenauskünften<br />

Schätzungen abzuleiten und hochzurechnen.<br />

Danach dürften in den zwölf Jahren der Strafverfolgung etwa<br />

20.000 bis 30.000 Ermittlungsverfahren gegen Angehörige<br />

des MfS und inoffizielle Mitarbeiter eingeleitet und geführt<br />

worden sein.<br />

Für den Zeitraum 1. Januar 1991 bis 31. Juli 1997 liegen konkretere<br />

Angaben der Bundesregierung auf eine Kleine<br />

Anfrage der PDS im Bundestag vom 4. Oktober 2000 vor, die<br />

die Strafverfolgung von Bürgern wegen Spionage betreffen.<br />

Danach wurden 5.656 Ermittlungsverfahren gegen 7.099<br />

Beschuldigte eingeleitet (gegen etwa 50 Beschuldigte waren<br />

bereits zuvor Ermittlungsverfahren eingeleitet worden),<br />

davon gegen 4.171 Bürger der DDR und 2.928 Bürger aus<br />

150


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

den alten Bundesländern. Es wurden 253 (5%) der Bürger<br />

aus den alten Bundesländern und 25 ehemalige DDR-Bürger<br />

(3%) in gerichtlichen Verfahren verurteilt. Mehr als 95% der<br />

Verfahren mussten eingestellt werden.<br />

Die Befürworter der Strafverfolgung stellen auf der Grundlage<br />

solcher statistischer Angaben gewöhnlich die vermeintliche<br />

Objektivität der deutschen Justiz heraus sowie deren<br />

Milde und Zurückhaltung in den Urteilen. Sie übersehen<br />

geflissentlich, dass die hohen Einstellungsquoten bei Ermittlungsverfahren<br />

tatsächlich und in erster Linie Beleg sind für<br />

das Missverhältnis der Anklagewut der Strafverfolgungsbehörden<br />

und der ihr begründend zur Verfügung stehenden<br />

Beweise, oder — anders ausgedrückt -: sie belegen die außerordentlich<br />

niedrige Schwelle der Auslösung staatsanwaltschaftlicher<br />

und polizeilicher Repressivmaßnahmen im<br />

Verdachtsfall in politischen Verfahren gegen Linke.<br />

Sie ignorieren zielbewusst die hohen Belastungen, die den<br />

Beschuldigten, ihren Familien, Freunden und den Zeugen<br />

sowie deren gesamtem Umfeld zugemutet werden und kalkulieren<br />

die Folgen der „Strafe nach der Strafe“ als<br />

Bestandteil politisch motivierter Repression mit ein.<br />

Die Mehrzahl der verurteilten Bürger der alten BRD oder<br />

der DDR haben heute noch und oft bis an ihr Lebensende<br />

enorme finanzielle Belastungen aus der Begleichung horrender<br />

Rechnungen über „Verfallsgelder“, Geldbußen und<br />

Gerichtskosten zu tragen. Selbst die erst in späteren Jahren<br />

zu erwartenden Rentenansprüche wurden in einigen Fällen<br />

bereits „vorsorglich“ gepfändet. Insofern entsteht der<br />

Eindruck, es handele sich durchaus um zusätzlich gezielte<br />

Repression gegen einen politisch missliebigen Personenkreis<br />

und es drängen sich Parallelen zum Instrumentarium des<br />

überkommenen politischen Strafrechts der BRD auf:<br />

151


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

„Zur Durchsetzung dieses Gesinnungsstrafrechts<br />

fanden 1951-1964 nach Angaben von Werner Maihofer<br />

100.000 bis 150.000 Ermittlungsverfahren statt“<br />

— teilte bereits 1977 Joachim Blau zu den Methoden der<br />

Kommunistenverfolgung in den 50er und 60er Jahren in der<br />

BRD mit. Hierzu sei „aber festzuhalten, dass häufig<br />

von einem Ermittlungsverfahren mehrere Personen<br />

erfasst wurden.“<br />

Verurteilt wurden in dieser Zeit ca. 5.000 bis 6.000 Personen<br />

— hauptsächlich Mitglieder der FDJ, der KPD und des<br />

Hauptausschusses für Volksbefragung gegen Remilitarisierung<br />

wegen der Herausgabe von Druckschriften, der<br />

Mitgliedschaft in verfassungsfeindlichen bzw. in „kommunistisch<br />

unterwanderten“ Organisationen.<br />

Ihren Höhepunkt erreichte diese Praxis in den Jahren 1960-<br />

1962, in denen jährlich 12.000 bis 14.000 staatsanwaltliche<br />

Ermittlungsverfahren gegen Kommunisten und andere<br />

Demokraten anhängig waren und jährlich bis zu 500 davon<br />

verurteilt wurden“. 15<br />

Offensichtlich werden heute im Kampf gegen die DDR<br />

bereits früher erprobte Szenarien im Kampf gegen Kommunisten<br />

und Linke in der BRD reaktiviert.<br />

2. Bearbeitung von NS-Verbrechen<br />

Besonders nach dem Ende der DDR wurden verstärkt<br />

Behauptungen einer angeblichen „Kumpanei zwischen<br />

Nazis und Kommunisten“ in der DDR aufgestellt sowie<br />

Anschuldigungen gegen die Untersuchungsorgane des MfS<br />

und andere operative Diensteinheiten mit dem Vorwurf<br />

152


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

erhoben, sie hätten<br />

• vor allem Archivunterlagen zur Erpressung von Personen<br />

innerhalb und ausserhalb der DDR benutzt,<br />

• NS-Verbrecher „unzulässig gedeckt“ (,,Täterschutz“),<br />

• Darstellungen über die Zeit des Faschismus und des antifaschistischen<br />

Widerstandskampfes politisch verzerrt, sowie<br />

• die operativen Aufklärungsergebnisse zu Kriegsverbrechen<br />

und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Bedarfsfall<br />

entsprechend frisiert. 16<br />

Alle kriminalistischen und juristischen Verifizierungsversuche<br />

blieben ohne Erfolg.<br />

Bereits unmittelbar mit der Bildung des Ministeriums für<br />

Staatssicherheit am 8.Februar 1950 wurden den Organen des<br />

MfS gleichfalls exekutive Befugnisse als Rechtspflegeorgan<br />

übertragen. Die Untersuchungsorgane des MfS waren somit<br />

— neben denen des Ministeriums des Innern und der<br />

Zollverwaltung — durch die Strafprozessordnung der DDR<br />

(§88 Ziff. 2) als staatliche Untersuchungsorgane bestimmt. 17<br />

Untersuchungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen gegen<br />

Personen, die von DDR-Gerichten wegen Nazi- und<br />

Kriegsverbrechen und/oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit<br />

verurteilt wurden, sind bis 1955 vornehmlich durch<br />

die Diensteinheiten der Kriminalpolizei geführt worden.<br />

Im Gefolge des Kalten Krieges und der bekannten Haltung<br />

bundesdeutscher Behörden zur Verfolgung von NS-<br />

Verbrechen erlangten diese Untersuchungen und die strafrechtliche<br />

Verurteilung von Verdächtigen zunehmend auch<br />

sicherheitspolitische Bedeutung und gingen deshalb schrittweise<br />

in die Verantwortung des Ministeriums für Staatssicherheit<br />

über.<br />

So wurden entsprechende Ermittlungs- und Untersuchungsverfahren<br />

zunächst (1950-1955) in geringem Umfang (50 von<br />

153


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

674 Verfahren), danach (1956-1960) zunehmend (14 von 18<br />

Verfahren) und ab Anfang der 60er Jahre ausschließlich von<br />

den Untersuchungsorganen des MfS bearbeitet. Insgesamt<br />

wurden 165 Personen verurteilt, die zuvor durch die Untersuchungsorgane<br />

des MfS ermittelt und ihrer Teilnahme an völkerrechtswidrigen<br />

NS-Verbrechen überführt werden konnten.<br />

In Auswertung aller dieser verfügbaren Unterlagen und<br />

Materialien entstand eine umfangreiche Dokumentations- und<br />

Aktensammlung mit über zwei Millionen in den Archivalien<br />

genannten Personen und Sachverhalten aus der Zeit von 1933<br />

bis 1945. Forschungsanfragen aus dem In-und Ausland an<br />

entsprechende Einrichtungen in der DDR zu diesen Datensammlungen<br />

wurden im Rahmen eines offiziellen Zusammenwirkens<br />

mit diesen Einrichtungen entsprechend unterstützt.<br />

Auch den Behörden der (Alt-)BRD wurden in großem<br />

Umfange beweiskräftige Materialien zu Tatverdächtigen<br />

übergeben, ohne dass von den Empfängern — von<br />

Einzelfällen abgesehen — ernsthafte Maßnahmen erfolgten.<br />

Zu keiner Zeit gab es für die Untersuchungsorgane des MfS<br />

im Rahmen ihrer Ermittlungs- und Untersuchungstätigkeit<br />

weder irgendwelche Sonderregelungen und Ausnahmerechte<br />

noch existierten im MfS interne Weisungen oder Befehle, die<br />

im Widerspruch zu den geltenden Rechtsnormen standen.<br />

In diesem Zusammenhang wird auf das Fachgespräch vom<br />

25.Oktober 2002 in Berlin verwiesen, das anlässlich der<br />

Präsentation der zweibändigen Buchausgabe „DDR-Justiz<br />

und NS-Verbrechen“ — Sammlung ostdeutscher Strafurteile<br />

wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen — stattfand. 18<br />

Prof. Dr. C. F. Rüter (Universität Amsterdam, Lehrstuhl Strafrecht,<br />

und Herausgeber dieser zweibändigen Buchausgabe)<br />

154


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

bestätigte in seinem Redebeitrag dem Untersuchungsorgan<br />

MfS bezüglich deren Ermittlungstätigkeit in vorliegenden NS-<br />

Verfahren Professionalität und — wie in zivilisierten Staaten<br />

üblich — kriminalistisches und juristisches Handeln.<br />

Zwölf Jahre nach der „Wende“ seien die vielen Hundert von<br />

Namen und Fällen ehemaliger Nazis in der DDR, die, wie<br />

behauptet wurde, angeblich durch den Schutz der DDR-<br />

Organe der Strafverfolgung entgehen konnten, noch immer<br />

nicht aufgetaucht. Er habe persönlich bei 40 Behörden, vom<br />

Bundesjustizministerium über die Gauck-Behörde bis bin<br />

zum letzten Landesarchiv recherchiert und sei nicht fündig<br />

geworden. Eben so wenig hätten sie Staatsanwälte der<br />

„Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen“ in Ludwigsburg<br />

(Vorermittlungsbehörde zur Aufklärung von NS-<br />

Verbrechen) zutage fördern können.<br />

Erklärend dazu sei angefügt, dass sich z.B. Simon Wiesenthal<br />

(„Dokumentationszentrum des Bundes jüdischer Verfolgter<br />

des Naziregime“ in Wien) nach 1989/90 über angeblich in der<br />

DDR vor Strafverfolgung geschützte NS-Täter beklagte und<br />

für Januar 1992 angekündigt hatte, an den damaligen<br />

Bundesjustizminister Klaus Kinkel eine entsprechende Liste<br />

mit mehreren Hundert Namen von Personen zu übergeben.<br />

Doch bisher konnte er keinen einzigen derartigen Fall namhaft<br />

machen.<br />

Trotzdem, so Prof. Dr. C. F. Rüter, werde dem MfS nach wie<br />

vor die abgrundtiefe Schlechtigkeit unterstellt. Gegenbeweise<br />

seien bei den Sachverhaltsfeststellungen nicht zugelassen<br />

worden. Rechtswidriges Handeln des MfS könne<br />

vorausgesetzt werden, weil aus der DDR nichts Rechtes<br />

kommen könne. Die Schuldfrage werde floskelhaft abgehakt<br />

und schon eile man „schuldig — schuldig“ rufend zum<br />

Urteilsspruch. Seine Quintessenz dazu lautete: „Was man der<br />

Stasi vorwirft, macht man im Westen“.<br />

155


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

Noch deutlicher beschäftigte sich Staatsanwältin a.D. Ursula<br />

Solf in ihrem Beitrag mit der Ermittlungstätigkeit des MfS in<br />

NS-Verfahren. Als Staatsanwältin war sie für viele Jahre an<br />

die „Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen“ in<br />

Ludwigsburg abgeordnet und von dort mit der Sichtung und<br />

Überprüfung von Untersuchungsvorgängen des MfS und<br />

weiteren Archivmaterialien beauftragt, die sich im Besitz des<br />

MfS befanden.<br />

Ihren Feststellungen zufolge habe die Staatssicherheit wie<br />

eine übliche Ermittlungsbehörde gehandelt. Anhand detaillierter<br />

Ausführungen zur Untersuchungstätigkeit bescheinigte<br />

sie dem MfS die gründliche und umfassende Beweisführung<br />

sowohl in belastender als auch entlastender Hinsicht.<br />

Sie hob hervor, dass besonderer Wert auf den individuellen<br />

Tatbeitrag, die Persönlichkeit und deren Verhalten vor und<br />

nach der Tat, wie gesetzlich vorgeschrieben, gelegt wurde.<br />

Die Vernehmungen seien nicht zu beanstanden gewesen.<br />

Fragen des Ermittlers und Antworten des Beschuldigten<br />

wurden genau protokolliert einschließlich der Pausen, des<br />

Beginns und deren Ende. Die Protokolle wurden von den<br />

Beschuldigten und den Untersuchungsführern durch Unterschrift<br />

bestätigt.<br />

In der Zusammenfassung ihres Vortrages hob sie aus der<br />

Sicht einer ermittelnden Staatsanwältin hervor: „Zum<br />

Schluss komme ich zu dem Ergebnis, dass das MfS gründlich<br />

wie eine Kriminalpolizei in NS-Verfahren die Täter und die<br />

Straftaten ermittelt hat.“<br />

Warum sollte das MfS bei der Untersuchung von NS-<br />

Verbrechen auch anders gearbeitet haben als bei der<br />

Untersuchung anderer Straftaten, zumal gleiche Grundsätze<br />

landesweit galten und deren Einhaltung durch Kontrollgruppen<br />

seit Existenz des MfS überprüft wurde.<br />

156


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

3. Mordvorwürfe<br />

Breiten Raum in der Verfolgung von Angehörigen des<br />

MfS und deren medienwirksame Vermarktung nahmen<br />

Strafverfahren mit Mordvorwürfen ein.<br />

Voranzustellen ist allerdings die Misere der Verfolger, dass<br />

trotz intensiver Suche weder Mordbefehle noch derartige<br />

Anweisungen, Orientierungen oder Bestätigungen in den<br />

Akten des MfS oder in anderen Archiven der DDR gefunden<br />

werden konnten, wenngleich die Gauck-Behörde ihre<br />

Anstrengungen gerade darauf seit Jahren konzentriert.<br />

Die Erfolglosigkeit der Suche hat ihren einfachen Grund darin,<br />

dass Morde eben nicht zum Repertoire des MfS gehörten, auch<br />

wenn staatlich hoch besoldete Ermittler – ggf. durch Interpretationsübungen<br />

zu vorgefundenen Texten – das belegen möchten.<br />

Gegen hauptamtliche und inoffizielle Mitarbeiter des MfS<br />

wurden von den Strafverfolgungsbehörden — koordiniert<br />

mit der Gauck-Behörde — eine Vielzahl von Ermittlungsverfahren<br />

eingeleitet. Sie endeten zumeist ohne Erfolg mit<br />

der Einstellung der Verfahren und in nur wenigen Fällen mit<br />

gerichtlichen Verhandlungen.<br />

In keinem dieser Verfahren konnte der Nachweis erbracht<br />

werden, dass Aufträge oder Orientierungen zur Tötung von<br />

Feinden der DDR oder Andersdenkenden erteilt worden<br />

waren. Selbst die bewusste und zielgerichtete Fehldeutung<br />

von dienstinternem Vokabular des MfS als Mordauftrag (z.B.<br />

der Begriff „Liquidierung“ für Beendigung eines Vorgangs,<br />

Klärung eines Sachverhalts, — im Wirtschaftsrecht übrigens<br />

eine durchaus ebenfalls geläufige Vokabel für die<br />

Beendigung eines Unternehmens), erwies sich letztendlich<br />

als nicht gerichtsfeste, unhaltbare Konstruktion. 19<br />

157


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

Zunächst wurden Verfahren gegen den Minister für<br />

Staatssicherheit, Erich Mielke, und seinen Stellvertreter, Dr.<br />

Gerhard Neiber eröffnet.<br />

Obwohl der Minister für Staatssicherheit in der Öffentlichkeit<br />

für alle erdenklichen „Untaten“ des MfS verantwortlich<br />

gemacht wurde, klagten ihn die Strafverfolgungsbehörden<br />

der BRD zunächst des Mordes an zwei Polizisten an, —<br />

angeblich durch ihn begangen vor mehr als 60 Jahren — im<br />

Jahre 1931 — in Berlin auf dem Bülow-Platz.<br />

Mielke wurde 1993 vorwiegend auf der Grundlage von nachweislich<br />

fragwürdigen Beweisen zu sechs Jahren Haft verurteilt<br />

und in Haft behalten.<br />

Seriöse Zeitungen kommentierten den Prozess als „peinlich“<br />

und als Gerichtsposse, auch mit Blick auf die im Prozess<br />

gegen Mielke 1934 vertreten gewesenen Richter, die „später<br />

an den berüchtigten Bluturteilen beteiligt waren und ihre<br />

Dienstzeit möglicherweise bis in die bundesdeutsche Nachkriegsjustiz<br />

führten“, deren Beweiserhebungen und Prozessakten<br />

der jetzigen Verurteilung mit zugrunde gelegt wurden. 20<br />

Nachfolgend wurden gegen Mielke eine Vielzahl von<br />

Ermittlungsverfahren eröffnet und wieder eingestellt.<br />

Verurteilungen wegen seiner Tätigkeit als Minister für<br />

Staatssicherheit oder Handlungen in dieser Funktion wurden<br />

zwar angestrebt, erreichten aber sämtlich ihr Ziel nicht.<br />

Erich Mielke verstarb am 21. Mai 2000 im Alter von 92 Jahren<br />

in Berlin. Seine Haft hatte länger gedauert, als die aller in der<br />

DDR inhaftiert gewesenen sogenannten „Bürgerrechtler“.<br />

Ähnlich wurde mit dem Stellvertreter des Ministers, Generalleutnant<br />

Dr. Gerhard Neiber verfahren. Er wurde im März<br />

1991 unter der Anschuldigung verhaftet, für die Planung und<br />

Umsetzung der Ausbildung von aktiven Mitgliedern der RAF<br />

158


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

und für konkrete Terroranschläge verantwortlich gewesen zu<br />

sein. Die Medien überschlugen sich förmlich: „Stasi half bei<br />

RAF-Terror“, und „Größter Schlag gegen die Stasi“, — ihr<br />

„Urteil“ stand bereits fest.<br />

Vertreter der Bundesregierung empörten sich. Der damalige<br />

Bundesinnenminister Schäuble bekundete — allerdings mit<br />

feinem Vorbehalt —, falls die Veröffentlichungen zuträfen,<br />

würde dies ein neues, zusätzliches Licht auf das dunkle,<br />

verbrecherische Treiben des Stasi-Apparates werfen.<br />

Im August 1991 sah sich die Bundesanwaltschaft allerdings<br />

veranlasst, den Haftbefehl wieder aufzuheben. Mitte<br />

September 1994 teilte sie kleinlaut mit, dass die erhobenen<br />

Anschuldigungen haltlos waren und sämtlich nicht bewiesen<br />

werden können. Die Ermittlungsverfahren in dieser Sache<br />

gegen Dr. Neiber und alle anderen beschuldigten Mitarbeiter<br />

des MfS — einschließlich Minister Mielke — wurden eingestellt.<br />

Die unschuldig Verhafteten wurden — außer Minister<br />

Mielke — nach sechs Monaten aus der Haft entlassen.<br />

Tatsache war, dass das MfS durch zentrale Entscheidung ehemalige<br />

RAF-Mitglieder, die ihre Tätigkeit beenden wollten<br />

und in der DDR um Aufnahme ersucht hatten, zu betreuen<br />

und zu überwachen hatte.<br />

Dadurch, dass von diesen Personen durch Betreuung und<br />

Überwachung nunmehr weder für die DDR noch für die<br />

BRD Gefahren für die Sicherheit ausgehen konnten, leisteten<br />

die damit beauftragten Angehörigen des MfS einen<br />

wesentlichen Beitrag zur Verhinderung weiterer terroristischer<br />

Anschläge.<br />

Von Seiten der BRD wurde während der Zeit des Aufenthalts<br />

dieser Personen in der DDR weder ein offizielles<br />

Auslieferungsersuchen gestellt noch anderweitig um Rechtshilfe<br />

ersucht, obwohl zuständige Kreise der BRD vom<br />

Aufenthalt dieser Personen in der DDR zuverlässig Kenntnis<br />

159


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

erhalten hatten. Man war sichtlich mit der Lösung der<br />

Probleme sehr zufrieden, als dass man Anstrengungen zur<br />

Verfolgung unternahm und damit die befriedende Wirkung in<br />

Frage stellte.<br />

Am 18. Mai 1993 erfolgte erneut die Verhaftung Dr. Neibers,<br />

diesmal unter der Anschuldigung „Verdacht der versuchten<br />

Entführung und des versuchten Mordes an einem geflüchteten<br />

Grenzsoldaten“. 21<br />

Grundlage dieser Verdächtigungen durch die „Arbeitsgruppe<br />

Regierungskriminalität“ der Staatsanwaltschaft waren angebliche<br />

Planungen des Beschuldigten, den 1975 in die BRD<br />

desertierten Doppelmörder Weinhold zu ermorden oder zu<br />

entführen, worauf noch gesondert einzugehen ist.<br />

Im Januar 1994 hob das Kammergericht Berlin den<br />

Haftbefehl gegen Dr. Neiber und seine Genossen auf. Die<br />

Justizpressestelle teilte mit, nach Auffassung des Gerichts<br />

rechtfertigten die von der Anklage erhobenen Beschuldigungen<br />

nicht die Annahme eines dringenden Tatverdachts.<br />

Mit der gleichen Begründung wies das LG Berlin im April<br />

1994 auch die Anklage ab.<br />

Dr. Neiber und seine Mitarbeiter hatten jedoch von Mai 1993<br />

bis Januar 1994 aufgrund des unhaltbaren Tatvorwurfs unter<br />

strenger Isolation in Untersuchungshaft gesessen, — wie sich<br />

erwies schuldlos, was für die Medien offensichtlich keinen<br />

Nachrichtenwert hatte.<br />

Gegen den Stellvertreter des Ministers für Staatssicherheit<br />

und Leiter der HVA, Generaloberst Werner Großmann und<br />

seinen Vorgänger, Generaloberst Markus Wolf, sowie weitere<br />

leitende Offiziere, wurden zur Kriminalisierung der<br />

Aufklärungstätigkeit eine Vielzahl von Ermittlungsverfahren<br />

eingeleitet, Inhaftierungen verfügt und gerichtliche Verurteilungen<br />

erwirkt, bevor sich das Bundesverfassungsgericht<br />

160


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

im Mai 1995 in einer Grundsatzentscheidung zu einer<br />

Kurskorrektur entschloss.<br />

Gegen den letzten Leiter des Amtes für Nationale Sicherheit<br />

(AfNS), Generalleutnant Dr. Wolfgang Schwanitz (vormals<br />

Stellvertreter des Ministers für Staatssicherheit) wurden von<br />

1990 bis 1998 vierzehn Ermittlungsverfahren mit verschiedenen<br />

Schuldvorwürfen, eingeleitet, die sämtlich wieder eingestellt<br />

werden mussten. Zu einer Anklageerhebung kam es<br />

in keinem Falle.<br />

Beschuldigt wurde er des Mordes, des Totschlags, der<br />

Verletzung des Briefgeheimnisses, der Erpressung, der<br />

Rechtsbeugung und der Begünstigung, der Verletzung des<br />

Fernmeldegeheimnisses, der Amtsanmaßung und der geheimdienstlichen<br />

Agententätigkeit (die Mordbeschuldigung beruhte<br />

allein auf der textlichen Formulierung „Liquidierung“ in<br />

einer dienstlichen Weisung, die nicht auf eine Person bezogen<br />

war sondern auf die Beendigung einer Aufgabenstellung).<br />

Da alles das ohne Ergebnis verlief, sollte er zumindest zivilrechtlich<br />

geschädigt werden, und so wurde ihm die Ausübung<br />

des Eigentumsrechts an seinem Motorboot verweigert, weshalb<br />

er zu zivilrechtlicher Klage beim Amtsgericht Berlin-<br />

Köpenick auf Herausgabe gezwungen wurde.<br />

Der Rechtsstreit endete erst drei Jahre später vor dem<br />

Landgericht Berlin mit dem Ergebnis, dass der Beklagte das<br />

Motorboot herauszugeben und die Kosten des Verfahrens zu<br />

tragen hatte.<br />

All dies wurde dennoch systematisch genutzt, um Dr.<br />

Schwanitz mit Hilfe der Medien in der Öffentlichkeit zu verleumden<br />

und zu diskriminieren. 22<br />

Der erste, großangelegte „Auftragsmordprozess“ wurde am<br />

8. März 1992 vor dem 2. Strafsenat beim Kammergericht<br />

161


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

Berlin als Pilotprozess gegen eine operative Linie, die HA<br />

VIII des MfS (Beobachtung und Ermittlungen), eröffnet, —<br />

sinnigerweise in eben dem Großen Saal des ehemaligen<br />

Reichskriegsgerichts, in dem die Mitglieder der „Roten<br />

Kapelle“ von den Nazis in der Regel zum Tode verurteilt<br />

worden waren.<br />

Angeklagt wurden zwei Generale der Hauptabteilung VIII<br />

— Beobachtung und Ermittlung — (Dr. Coburger und Dr.<br />

Schubert), ein Führungsoffizier (Oberstleutnant Kusche) und<br />

ein inoffizieller Mitarbeiter aus der BRD (Heinrich<br />

Schneider). Ein knappes Jahr zuvor war deren Verhaftung<br />

erfolgt, — natürlich sofort und spektakulär mit auch international<br />

verbreiteten Sensationsmeldungen begleitet über eine<br />

„bundesweite Razzia“ gegen „Auftragskiller“, eine „Stasi-<br />

Gang“, die die BRD mit einem „flächendeckenden Agentennetz“<br />

überzogen hätte. Der Generalbundesanwalt hatte noch<br />

vor Verkündung der Haftbefehle durch den Bundesgerichtshof<br />

erklärt, die für die „Auftragsmorde“ spezialisierte<br />

Diensteinheit im MfS aufgedeckt zu haben.<br />

Die öffentliche Vorverurteilung erreichte durch gezielte<br />

Medienkampagnen einen zweiten Höhepunkt vor Beginn<br />

und aus Anlass der Hauptverhandlung.<br />

Die Euphorie ebbte allerdings ab, als in der Vernehmung des<br />

Hauptangeklagten Dr. Coburger festgestellt werden musste,<br />

dass er zur Zeit der angeblichen Mordanschläge nicht einmal<br />

Angehöriger der Hauptabteilung VIII, geschweige denn ihr<br />

Befehlsgeber gewesen war, und er offenbar nur verhaftet und<br />

in Untersuchungshaft gehalten wurde, weil er — wesentlich<br />

später — die Leitung dieser Diensteinheit übernommen<br />

hatte, in der man – Opfer der eigenen Propaganda – festinstallierte<br />

„Mordkommandos“ des MfS vermutet hatte, wofür<br />

es außer eben der Wunschvorstellung der Verfolgungsbehörde<br />

keinen Beweis gab.<br />

162


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Das Verfahren wurde nach zweimonatiger Verhandlungsdauer,<br />

in der keinerlei Anhaltspunkte für ein von ihm geleitetes<br />

„Mordkommando“ erbracht werden konnten, abgetrennt.<br />

Wegen „geheimdienstlicher Agententätigkeit“ wurde Dr.<br />

Coburger dann allerdings, offenbar hilfsweise, — denn man<br />

mochte wohl den so groß eingeläuteten Prozess nicht einfach<br />

sang- und klanglos untergehen lassen, zumal schon der<br />

Mitangeklagte Generalmajor Dr. Schubert bereits kurz nach<br />

Eröffnung der Hauptverhandlung wegen Krankheit prozessunfähig<br />

geworden war und das Verfahren gegen ihn eingestellt<br />

werden musste, — vom LG Berlin am 14. Mai 1993 zu 1<br />

Jahr und neun Monaten Freiheitsentzug verurteilt. 23<br />

Bei mehreren anderen Leitern von MfS-Diensteinheiten<br />

gegen die zur gleichen Zeit derartige Pilotverfahren sowie<br />

wegen der Führung von Kundschaftern in der BRD Ermittlungsverfahren<br />

liefen, wurden die Anklagen wegen der zu<br />

erwartenden abweichenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />

in diesen Sachen zur Verhandlung ausgesetzt.<br />

Das Gericht musste dem Angeklagten Dr. Coburger bestätigen,<br />

dass er seiner Verantwortung als Leiter der Hauptabteilung<br />

VIII ordnungsgemäß nachgekommen ist und dass<br />

er sich streng an die Gesetze der DDR gehalten hat.<br />

Der führte seinerseits in seinem Schlusswort aus:<br />

„Durch meine über 35jährige Tätigkeit im MfS weiß<br />

ich, — häufig aus eigenem Erleben — , dass vom Boden<br />

der BRD und Westberlins ausgehend gefährliche und<br />

heimtückische Angriffe gegen die Existenz der DDR<br />

vorgetragen wurden. Das ist öffentlich hinreichend<br />

bekannt. Bei deren Abwehr unterstützten uns offiziell<br />

und inoffiziell viele Menschen, denen nach<br />

wie vor meine Hochachtung gilt, denen ich mich auch<br />

jetzt noch menschlich verbunden fühle.<br />

163


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

Heute, im Nachhinein, der DDR, einem völkerrechtlich<br />

anerkannten und geachteten Staat das<br />

originäre Recht auf Selbstschutz abzusprechen,<br />

ist die nahtlose Fortsetzung der überlebten<br />

Doktrinen des Kalten Krieges.<br />

Ich habe gelernt, dass politische Verhältnisse<br />

nicht für die Ewigkeit existieren.<br />

Die Stimmung des Volkes wandelt sich oft rasch.<br />

Früher oder später wird das Unrecht der Vereinigung<br />

beseitigt werden.<br />

Das Gericht wird selbst wissen, was es dem inneren<br />

Frieden in diesem Lande schuldig ist.<br />

Sogenanntes ‘Gesundes Volksempfinden’ hat diesem<br />

Lande schon zuviel Schaden zugefügt.“<br />

Die beiden anderen Angeklagten wurden zu Freiheitsstrafen<br />

verurteilt, obwohl ihnen nicht — wie vom Staatsanwalt<br />

behauptet — nachgewiesen werden konnte, dass sie versucht<br />

hätten, einen Grenzterroristen sowie einen kriminellen<br />

Menschenhändler zu töten.<br />

Der Versuch, aus operativen Maßnahmen des MfS Mordanschläge<br />

zu konstruieren, ging nicht auf: Die „Opfer“ selbst<br />

leben. Sie wurden in dieser Sache nicht einmal als Zeugen<br />

gehört. Ein angeblicher Mittäter an den „Morden“ wurde in<br />

einem späteren Verfahren vor dem gleichen Kammergericht<br />

freigesprochen.<br />

Es schlugen ebenfalls Versuche der Anklage fehl, den<br />

Angeklagten eine Beteiligung an angeblichen Mordvorhaben<br />

gegen den gerichtsbekannten Doppelmörder Werner Weinhold<br />

und gegen einen geflüchteten ehemaligen Fußballspieler<br />

des SC Dynamo, Eigendorf, anzulasten, worauf später noch<br />

einzugehen ist.<br />

164


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Schließlich wurde die Beteiligung an einer „Verschleppung“<br />

eines geflüchteten DDR-Trainers behauptet. Bereits nach der<br />

Aussage des „Opfers“ zerschlug sich auch diese Beschuldigung.<br />

Die im MfS entdeckt geglaubte „Mordmafia“ hatte sich als<br />

Flop erwiesen.<br />

Die „Auftragsmordkommandos“ der HA VIII hatten sich<br />

noch nicht ganz in Rauch aufgelöst, als bereits neue<br />

„Mordspezialisten“, diesmal aus der Hauptabteilung I des<br />

MfS (verantwortlich für die Sicherung der NVA und der<br />

Grenztruppen der DDR), vorgeführt wurden. Ihr Ziel sei die<br />

physische Liquidierung des Mörders von zwei Angehörigen<br />

der Grenztruppen der DDR Werner Weinhold gewesen, —<br />

wenn schon die HA VIII kein entsprechendes „Mordkommando“<br />

gegen Weinhold hatte, dann doch wenigstens die<br />

HA 1.<br />

Was lag dem zugrunde?<br />

Weinhold war am 15. Dezember 1975 als Soldat der NVA<br />

(Panzerregiment 14) unter Mitnahme seiner Maschinenpistole<br />

und 60 Schuss sowie weiteren 300 Schuss gestohlener<br />

Munition fahnenflüchtig geworden. Auf dem Wege zur Überwindung<br />

der Staatsgrenze in Richtung BRD stahl er drei<br />

Autos und nahm zeitweilig mehrere Geiseln.<br />

Am 19. Dezember 1975 drang er — allein — in das<br />

Grenzgebiet bei Hildburghausen ein und ermordete hinterrücks<br />

mit mehreren Feuerstößen zwei Soldaten der<br />

Grenztruppen.<br />

Die gerichtsmedizinischen Untersuchungen ergaben, dass eines<br />

der Opfer mit acht, der andere mit 14 Einschüssen in den<br />

Rücken getroffen worden war, wodurch der Tod eintrat.<br />

Aus den Waffen der Ermordeten waren keine Schüsse abgegeben<br />

worden. Die eine der Waffen war nicht einmal geladen<br />

165


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

gewesen, die andere war infolge eines Patronenklemmers<br />

beschussunfähig: Ein Schuss von Weinhold hatte zuvor das<br />

Magazin getroffen.<br />

Der Generalstaatsanwalt der DDR richtete ein Auslieferungsersuchen<br />

in dieser Sache unter Beifügung der Untersuchungsergebnisse<br />

vom Tatort, zum Tathergang sowie von<br />

Expertisen und Gutachten an den Generalstaatsanwalt in<br />

Hamm.<br />

Die Auslieferung, die im staatlichen Interesse der DDR lag,<br />

wurde abgelehnt, Untersuchungsergebnisse, Expertisen und<br />

Gutachten der DDR-Organe wurden nicht akzeptiert.<br />

Das war um so bemerkenswerter, als zuvor die DDR einem<br />

Auslieferungsersuchen der BRD gegen einen desertierten<br />

Feldwebel der Bundeswehr stattgegeben hatte, dem schwere<br />

Verbrechen in der BRD zur Last gelegt wurden.<br />

Auf das Auslieferungsersuchen der DDR gegen den Mörder<br />

Weinhold reagierte die BRD in der Weise, dass das LG Essen<br />

in dieser Sache verhandelte und seinerseits zu dem Schluss<br />

kam, es läge kein Doppelmord vor sondern Notwehr, was<br />

dem vorliegenden ballistischen Gutachten eindeutig widersprach.<br />

Am 2. Dezember 1976 erkannte das LG Essen<br />

deswegen auf Freispruch. Es stützte sich auf das Urteil des 2.<br />

Senats des BVerfG vom 31. Juli 1973 zum Gesetz vom 6. Juni<br />

1973 zu dem Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen<br />

zwischen der BRD und der DDR vom 21. Dezember 1972<br />

und stellte fest, dass die Staatsgrenze zwischen der BRD und<br />

der DDR nicht anders als die Grenze zwischen zwei<br />

Bundesländern der BRD zu bewerten sei. Jede Grenzüberschreitung<br />

sei demzufolge nicht illegal sondern straflos,<br />

die Sicherung der Staatsgrenze durch die DDR rechtswidrig,<br />

die Angehörigen der Grenztruppen der DDR handelten<br />

folglich in jedem Fall rechtswidrig und Angriffe auf sie wären<br />

berechtigt. 24<br />

166


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Erst als sich der Fall Weinhold zu einem internationalen<br />

Skandal entwickelte und der Vorsitzende des Staatsrats der<br />

DDR Erich Honecker eine Botschaft an den Bundeskanzler<br />

Helmut Schmidt richtete, wurde durch „politischen<br />

Entscheid“ zwar keine Auslieferung verfügt, der Fall aber<br />

zumindest durch den BGH zur Neuverhandlung verwiesen.<br />

Das LG Hagen verurteilte Weinhold schließlich unter<br />

Anerkennung strafmildernder Rechtfertigungsgründe zu<br />

einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und sechs Monaten wegen<br />

Totschlags, wovon er die Hälfte verbüßte.<br />

Als Bundesbürger an einer Grenzübergangsstelle im<br />

Transitverkehr Weinhold anhand des Fotos auf einem<br />

Fahndungsaushang identifizierten und seine Adresse bekannt<br />

gaben, setzten die Organe des MfS die operative Arbeit<br />

gegen ihn fort. (Anerbieten von Bürgern der BRD mit dem<br />

Ziel, die ausgelobte Prämie von 100.000,00 Mark für sein<br />

Ergreifen zu bekommen, ihn in die DDR zu verschleppen<br />

und zu übergeben, wurden abgelehnt.)<br />

Die Hauptabteilung VIII überprüfte zunächst die Richtigkeit<br />

der Angaben und es wurden Varianten entwickelt, wie der<br />

Täter gefasst werden könnte, wenn er in ein Land des sozialistischen<br />

Lagers einreist. Keine dieser Varianten kam je zum<br />

Zuge, u.a. weil die Voraussetzungen nicht eintraten.<br />

Nach 1990 wurden diese Fahndungsüberlegungen zum Anlass<br />

genommen, gegen mehrere leitende Offiziere der Hauptabteilung<br />

I des MfS die Planung von Mordvorhaben zu<br />

begründen und Ermittlungsverfahren einzuleiten. Nach jahrelangem<br />

ergebnislosem Verlauf mussten sie sämtlich eingestellt<br />

werden.<br />

Der HA I (militärische Abwehr) wurde danach in einem<br />

öffentlich breit propagierten Prozess vor der 3. Großen<br />

Strafkammer des LG Schwerin ein weiterer „Mordanschlag“<br />

167


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

unterstellt, diesmal im Zusammenhang mit dem Grenzprovokateur<br />

Gartenschläger.<br />

Michael Gartenschläger war 1962 in der DDR wegen politisch<br />

motivierter vorsätzlicher Brandstiftung an Gebäuden<br />

einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (staatsgefährdende<br />

Hetze und Diversion) zu lebenslanger Haft<br />

verurteilt und nach einer Haftverbüßung von 9 Jahren und 10<br />

Monaten in die BRD entlassen worden.<br />

Gemeinsam mit anderen aus DDR-Strafhaft in die BRD<br />

entlassenen Personen war er danach mehrere Jahre als sogenannter<br />

„Fluchthelfer“ tätig und organisierte gefährliche<br />

Anschläge gegen die Staatsgrenze der DDR. In dieser Zeit<br />

mussten gegen ihn durch westdeutsche Behörden mehrere<br />

Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Waffengesetz<br />

geführt werden. Anfang 1976 bot er dem Bundesnachrichtendienst,<br />

dem Landesamt für Verfassungsschutz in<br />

Hamburg sowie der Illustrierten „Quick“ an, eine an den<br />

Grenzsicherungsanlagen der DDR befestigte Splittermine<br />

vom Typ SM 70 zu beschaffen.<br />

Mit einem Komplizen drang er eines nachts bei Schönberg in<br />

das Grenzgebiet der DDR ein, baute eine solche Mine ab und<br />

nahm sie mit. Zusammen mit seiner „Lebensgeschichte“ verkaufte<br />

er sie für 12.000,- DM an das Hamburger Nachrichtenmagazin<br />

„Der Spiegel“.<br />

Daraufhin bat ihn der Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft<br />

13. August e.V.“ Rainer Hildebrandt am 22. April 1976<br />

schriftlich um die Beschaffung einer SM 70, wofür er eine<br />

größere Geldsumme in Aussicht stellte.<br />

In dem vorab geschlossenen Vertrag über den Verkauf des<br />

Diebesgutes an die „Arbeitsgemeinschaft 13. August e.V.“,<br />

die diese schwere Grenzprovokation veranlasste, hieß es:<br />

„Die Arbeitsgemeinschaft 13. August e.V. erwirbt am<br />

heutigen Tage von Herrn Michael Gartenschläger ein zweites<br />

demontiertes SM-70-Aggregat und erstattet dafür 3.000,- DM<br />

168


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

(dreitausend), ferner die bevorstehenden Reisekosten.“<br />

Bereits tags darauf begab sich Gartenschläger — mit einer<br />

Pistole bewaffnet — gemeinsam mit seinem Komplizen in das<br />

ihm bekannte vorgelagerte Grenzgebiet und demontierte<br />

und entwendete dort eine zweite derartiger Mine.<br />

Für die Nacht zum 1. Mai 1976 plante Gartenschläger den<br />

Abbau und Diebstahl einer dritten Mine.<br />

Vorher rief er in der Ständigen Vertretung der DDR in Bonn<br />

an und drohte, diese Mine vor der Vertretung aufzustellen,<br />

wenn nicht zuvor 15.000,- DM an ihn gezahlt und zwei im<br />

Zusammenhang mit einem Schleusungsvorhaben in der<br />

DDR inhaftierte Personen freigelassen würden.<br />

In den Abendstunden des 30. April 1976 fuhren er und zwei<br />

Helfer — bewaffnet mit zwei Pistolen Kaliber 7,65 und einer<br />

abgesägten Schrotflinte — in das bereits mehrfach vom ihm<br />

aufgesuchte Grenzgebiet. Gesicht und Hände geschwärzt und<br />

mit Werkzeugen und Leitern versehen begaben sie sich zum<br />

Grenzzaun.<br />

Offenbar hörte Gartenschläger ein Geräusch aus Richtung<br />

der zur verstärkten Kontrolle des bereits mehrfach angegriffenen<br />

Abschnitts eingesetzten Sicherungskräfte und eröffnete<br />

unverzüglich das Feuer aus seiner Pistole in Richtung des<br />

Geräusches. Bei dem dadurch ausgelösten Schusswechsel<br />

wurde er selbst getroffen und verstarb. Trotz Aufbietung aller<br />

den Justizbehörden der BRD nach 1990 zugängigen Mittel<br />

und Methoden gelang es ihnen nicht, durch Umkehrung des<br />

tatsächlichen Sachverhalts die beteiligten Angehörigen der<br />

Sicherungskompanie zu verurteilen. Sie mussten freigesprochen<br />

werden.<br />

Das letzte Verfahren in dieser Sache endete im April 2003 vor<br />

dem LG Berlin gegen zwei Mitarbeiter der HA 1 ebenfalls<br />

mit Freispruch, nachdem der Staatsanwalt zuvor jeweils 3<br />

Jahre und 9 Monate Haft gefordert und ohne Beweise versucht<br />

hatte, sie als „Mordauftraggeber“ zu „entlarven“.<br />

169


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

Jahrelang versuchten bundesdeutsche Strafverfolgungsbehörden,<br />

in der Öffentlichkeit die Hauptabteilung XXII<br />

(Terrorabwehr) als verantwortlich für Terror- und Mordanschläge<br />

darzustellen.<br />

So wurde eine Verbindung des MfS zum Sprengstoffanschlag<br />

vom 25. August 1983 auf das „Maison de France“ am Kurfürstendamm<br />

in Westberlin konstruiert, bei dem bekanntlich<br />

eine Person getötet und 23 Personen verletzt worden waren.<br />

Nach international geführter Fahndung verurteilte das<br />

Landgericht Berlin den früheren Leiter der Abteilung 8 der<br />

HA XXII Oberstleutnant Helmut Voigt am 11. April 1994 zu<br />

vier Jahren Freiheitsentzug wegen Beihilfe zum Mord, zum<br />

mehrfachen versuchten Mord und zur Herbeiführung einer<br />

Sprengstoffexplosion.<br />

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:<br />

Am 31. Mai 1982 reiste eine sich mit einem syrischen<br />

Diplomatenpass ausweisende Person deutscher Nationalität<br />

über den Flughafen Berlin-Schönefeld in die DDR ein. In<br />

ihrem Diplomatengepäck wurden 24,38 kg Plastiksprengstoff<br />

festgestellt. Die Zollverwaltung der DDR beschlagnahmte<br />

den Sprengstoff und übergab ihn entsprechend den dienstregelnden<br />

Vorschriften an die örtliche Diensteinheit des MfS.<br />

Der Diplomat wurde als Stellvertreter des Terroristen „Carlos“<br />

Johannes Weinrich identifiziert und während seines Aufenthalts<br />

in der DDR unter Kontrolle gehalten.<br />

Auf dringendes Ersuchen der syrischen Botschaft, die diesen<br />

Sprengstoff als ihr Eigentum zurückforderte und zusicherte,<br />

ihn nicht für terroristische Zwecke zu verwenden, veranlasste<br />

Voigt auf Weisung seiner Vorgesetzten die Rückgabe des<br />

Sprengstoffs an Weinrich. Nachweislich gab Weinrich den<br />

Sprengstoff in der Botschaft Syriens ab.<br />

Wie das Gericht 1994 feststellte, händigte der III. Sekretär<br />

der Botschaft Nabil Shritah am 25. August 1983 auf aus-<br />

170


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

drückliche Weisung seines Außenministeriums den Sprengstoff<br />

wieder an Weinrich aus.<br />

Obwohl der Angeklagte Voigt weder Kenntnis über Zusammenhänge<br />

zwischen der Rückgabe des Sprengstoffs an die<br />

Botschaft und seine spätere Wiederaushändigung von dort an<br />

Weinrich noch Kenntnis von dem später erfolgten Sprengstoffattentat<br />

hatte und auch keinerlei Indizien gegen ihn in<br />

dieser Richtung vorlagen, stützte das Gericht dennoch seine<br />

Verurteilung auf die Behauptung, das MfS habe den<br />

Terrorismus als „Kampf gegen den Klassenfeind“ angesehen<br />

und Voigt sei schuldig im Sinne der Anklage.<br />

Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang einige Begleitumstände:<br />

Drei Tage nach Eröffnung des Prozesses meldete<br />

sich Nabil Shritah bei der BRD-Botschaft in Ungarn,<br />

angeblich, um zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen.<br />

Obwohl er am unmittelbarsten mit den vorgeworfenen<br />

Handlungen in Verbindung hätte gebracht werden müssen,<br />

erfolgten gegen ihn keine Maßnahmen. 25<br />

Im Oktober 1994 verhafteten die österreichischen Behörden auf<br />

der Grundlage eines internationalen Haftbefehls den zur Tatzeit<br />

in der Hauptstadt der DDR akkreditierten Botschafter Syriens<br />

wegen seiner Schlüsselrolle beim Anschlag auf das „Maison de<br />

France“ 1983 in Westberlin.Wenige Wochen später wurde er trotz<br />

eines westdeutschen Auslieferungsersuchens wieder freigelassen.<br />

Über eine Demarche BRD — Österreich in dieser Sache<br />

wurde nichts bekannt.<br />

Helmut Voigt wurde 17 Monate in Isolierhaft gehalten. Nach<br />

seiner Verurteilung legte sein Verteidiger Revision ein. Der<br />

Bundesgerichtshof verwarf sie als „offensichtlich unbegründet“.<br />

Auch der Hauptverwaltung Aufklärung des MfS wurde versucht,<br />

in den Prozessen gegen ihren vorletzten Leiter,<br />

171


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

Generaloberst Markus Wolf und den Leiter ihrer Abteilung<br />

IX (Gegenspionage) Generalmajor Harry Schütt, Mordvorhaben<br />

zu unterstellen und anzulasten.<br />

Ausgangspunkt war eine Aktennotiz über einen Gedankenaustausch<br />

zwischen Generalmajor Schütt und dem leitenden<br />

Mitarbeiter der Arbeitsgruppe des Ministers (AGM)<br />

Generalmajor Heinz Stöcker, ob die AGM Möglichkeiten<br />

sähe, Spezialkräfte, die für Einsätze im E-Fall ausgebildet<br />

waren, zwischenzeitlich zur Bewachung von Botschaften der<br />

DDR im Ausland einzusetzen.<br />

Obwohl diese Gedanken aus rechtlichen und anderen<br />

Erwägungen nicht weitergehend verfolgt oder präzisiert<br />

worden waren, weder Vorschlagsreife erhielten noch sonst<br />

ernsthaft weiter erwogen wurden, konstruierten Staatsanwälte<br />

der BRD daraus, die HVA habe spezielle „Mordkommandos“<br />

im Ausland einsetzen wollen.<br />

Die Gerichte mussten diese Anwürfe schließlich fallen lassen.<br />

Gegen Generalmajor Stöcker als Leiter dieser Einsatzkräfte<br />

wurde allerdings noch weiter ermittelt um nachzuweisen, dass er<br />

Spezialisten für „Mordaktionen“ des MfS habe ausbilden lassen.<br />

Tatsächlich handelte es sich um die Ausbildung spezieller<br />

Einsatzkräfte, die im Kriegsfall im Hinterland des Gegners<br />

hätten wirken sollen, — eine Ausbildung entsprechend den<br />

sowjetischen Erfahrungen im II. Weltkrieg und analog gleichartigen<br />

Kräften in nahezu allen Armeen der NATO-Staaten<br />

(Frankreich und die USA hatten solche Kräfte bereits in den<br />

Kriegen in Vietnam und in Korea eingesetzt. Auch das vergleichbar<br />

ausgebildete und ausgerüstete „Kommando<br />

Spezialkräfte“ — KSK — der Bundeswehr befand sich im<br />

aktiven Kriegseinsatz in Afghanistan).<br />

Das Amtsgericht Düsseldorf musste schließlich feststellen,<br />

dass diese Kräfte doch keine „Killerkommandos“ des MfS<br />

172


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

waren, wie das zuvor über die Medien der Öffentlichkeit suggeriert<br />

worden war und sprach die Angeklagten frei.<br />

Die gleiche AGM sollte — Medienberichten zufolge — als<br />

die „geheimste der geheimen Abteilungen“ des MfS einen<br />

Verkehrsunfall eines aus der DDR geflüchteten ehemaligen<br />

Fußballspielers inszeniert haben. Lutz Eigendorf, der nach<br />

seiner Nichtrückkehr von einem Auslandsspiel seiner<br />

Fußballmannschaft (BFC Dynamo) in der BRD wenige<br />

Arbeitsangebote erhalten hatte und zunehmend dem<br />

Alkohol zusprach, rammte am 5. März 1983 in volltrunkenem<br />

Zustand mit überhöhter Geschwindigkeit einen Straßenbaum<br />

und verstarb unmittelbar danach. Fremdeinwirkungen<br />

lagen nicht vor. Für Spekulationen aber blieb breiter Raum.<br />

Grundlage bildete ein sogenannter Zentraler Operativ-<br />

Vorgang bei der ZKG unter der Codebezeichung „Sportverräter“,<br />

in dessen Rahmen bei der HA XX ein operativer<br />

Vorgang gegen Eigendorf geführt worden war. Sein Ziel<br />

bestand darin, der Gefahr vorzubeugen, dass Eigendorf weitere<br />

Sportler (vor allem Fußballspieler des BFC-Dynamo)<br />

„nachziehen“ würde, wofür es ernste Hinweise gab.<br />

Nach dem tragischen Unfalltod Eigendorfs gab es, öffentlichen<br />

Verlautbarungen zufolge, mehrere Anzeigen gegen das MfS und<br />

gegen Unbekannt wegen das Verdachts seiner Ermordung. Sie<br />

führten zu staatsanwaltschaftlichen Prüfungen und Untersuchungshandlungen,<br />

einschließlich (lt. Presse) der Exhumierung<br />

des Toten und der gerichtsmedizinischen Untersuchung der<br />

Leiche. Es verlautete offiziell wie zu erwarten, es gäbe keine<br />

Anhaltspunkte für die erhobenen Verdächtigungen.<br />

Nun wechselten die „Stasi-Jäger“ die Methodik: Der forensischen<br />

Klärung folgte die publizistische „Aufarbeitung“ des<br />

Falles im Stile des bekannten Zeitgeistes. Die renommierte<br />

Zeitung „Die Welt“ erklärte ausweitend, ihr lägen über 70<br />

173


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

„handfeste Beweise“ auf „Stasi-Morde“ im Westen vor, was<br />

sich dann durchweg als journalistische Spekulation erwies.<br />

Es entstand ein Film des Publizisten Heribert Schwan, der auf<br />

eine Vielzahl von Verdächtigungen gegen Mitarbeiter der<br />

ZKG aufbaute und unhaltbare Behauptungen, üble Nachreden<br />

und Beleidigungen enthielt.<br />

Presserechtliche Einwände und Forderungen eines bekannten<br />

Rechtsanwalts gegen das öffentlich-rechtliche Unternehmen<br />

ZDF, das den Film ausgestrahlt hatte, blieben unbeantwortet.<br />

Es verblieb ein dem Laien unentwirrbares Dickicht von<br />

Mystik und Verdächtigungen, das wohl noch lange seine gewollten<br />

ideologischen Nachwirkungen entfalten wird.<br />

Als weitere Diensteinheit des MfS, die angeblich über<br />

„Mordkommandos“ verfügte, wurde die Hauptabteilung VI<br />

(Passkontrolle) ausgemacht.<br />

Ende November 1993 wurden zwei leitende Offiziere des MfS<br />

wegen eines angeblichen Mordversuchs gegen den führenden<br />

Mann einer Menschenhändlerorganisation (Welsch) verhaftet.<br />

In einer Illustrierten erschien unverzüglich eine zweiteilige<br />

Serie, die vorgebliche Beweise — als Tatsachen aufgemacht<br />

— präsentierte und die öffentliche Vorverurteilung einleitete. 26<br />

Demzufolge hätten inoffizielle Mitarbeiter der HA VI versucht,<br />

den betreffenden Menschenhändler und seine Familie durch<br />

Beimischung von Thallium in Buletten (daher dann später die<br />

Bezeichnung „Bulettenprozess“ in der Presse) zu ermorden,<br />

und zwar dies während eines gemeinsamen Urlaubs in Israel.<br />

Nach kurzer Haftdauer hielt der inhaftierte Leiter der HA<br />

VI, Generalmajor Dr. Heinz Fiedler, den psychischen<br />

Belastungen nicht Stand und beging Selbstmord. Obwohl den<br />

Behörden seine Suizidgefährdung aus früheren Versuchen<br />

seit längerer Zeit bekannt war, hatten diese Vorkehrungen<br />

zur Verhinderung unterlassen.<br />

174


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Gegen den zweiten inhaftierten Offizier, der an der<br />

Bearbeitung des betreffenden Operativvorgangs nicht beteiligt<br />

gewesen war, musste das Verfahren aufgrund seiner schweren<br />

Krankheit, der er wenig später erlag, eingestellt werden.<br />

Der verbleibende inoffizielle Mitarbeiter — Kronzeuge der<br />

Anklage gegen sich selbst — erwies sich während der<br />

Hauptverhandlung als außergewöhnlich aussagebereit und<br />

entgegenkommend. Es blieben allerdings Fragen offen, an<br />

deren Klärung dann scheinbar niemandem gelegen war, z.B.:<br />

• Wie aus Aussagen in gerichtlichen Verfahren gegen die<br />

angeklagten Mitarbeiter des MfS hervorging, war geplant,<br />

die Anwerbung des Welsch als IM zu bewerkstelligen.<br />

Wieso sollte er dann vergiftet werden?<br />

• Wieso übergab ihm das MfS für die Dauer von acht Wochen<br />

ohne jede Kontrolle Gift und wieso gerade Thallium, das<br />

später ohne weiteres identifizierbar war — wo doch alles so<br />

geheim verlaufen sollte?<br />

• Warum hatten zwei Studenten, die ebenfalls einige der<br />

angeblich vergifteten Buletten gegessen hatten, keine<br />

Vergiftungserscheinungen?<br />

• Welche Rolle spielte die Amerikanerin, die einen Tag nach<br />

dem angeblichen „Anschlag“ spurlos verschwand?<br />

• Warum wurde von den Betroffenen nicht unverzüglich ein<br />

Arzt aufgesucht oder konsultiert?<br />

Fragen also, die nicht in die Konzeption passten, nachdem<br />

man endlich einmal über „Täter“-Aussagen verfügte, deren<br />

Glaubwürdigkeit man durch ernsthaftes Nachhaken nicht<br />

erschüttern mochte.<br />

Der kronzeugende IM wurde wegen versuchten Mordes zu<br />

sechs Jahren und sechs Monaten Freiheitsentzug verurteilt<br />

und vorzeitig aus der Haft entlassen.<br />

Seit 1983 und nach dem Untergang der DDR verbreiteten<br />

bundesdeutsche Medien mehrfach abenteuerliche Mel-<br />

175


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

dungen über ein Attentat auf Erich Honecker am 31.<br />

Dezember 1982.<br />

1994 führte das zur Einleitung von Strafverfolgungsmaßnahmen<br />

gegen einen Angehörigen seines Begleitkommandos.<br />

Tatsächlich hatte sich folgendes ereignet:<br />

Am 31. Dezember 1982 gegen 13.00 Uhr nahm ein in die<br />

Fernverkehrsstraße in Wandlitz in Richtung Klosterfelde einbiegender<br />

PKW „Lada“ einer KfZ-Kolonne mit dem Staatsratsvorsitzenden<br />

Honecker die Vorfahrt.<br />

Der Fahrer, ein Ofensetzer aus Wandlitz, war — wie sich später<br />

erwies — stark angetrunken. Als er von einem am Schluss<br />

der Kolonne fahrenden Begleitfahrzeug gestoppt wurde,<br />

eröffnete er unvermittelt aus einer Pistole Kaliber 7,65 mm<br />

das Feuer auf die beiden Personenschutz-Begleitkräfte und<br />

verletzte einen schwer.<br />

Nachdem der zweite Begleiter das Feuer erwiderte und den<br />

Schützen verletzte, richtete der Handwerker den Lauf seiner<br />

Waffe gegen sich selbst und brachte sich einen aufgesetzten<br />

tödlichen Kopfschuss bei.<br />

Die nachfolgenden Untersuchungen der Spezialkommission<br />

des MfS ergaben, dass es sich bei dem Selbstmörder um einen<br />

cholerisch veranlagten ortsbekannten Alkoholiker handelte,<br />

der kurz zuvor von seiner Freundin verlassen worden war<br />

und der sich wiederum unter Alkohol gesetzt hatte. Der<br />

Blutalkoholgehalt zur Zeit des Vorkommnisses betrug 2,5‰.<br />

Gerichtsmedizinische Expertisen bestätigten den aufgesetzten<br />

Schuss mit der Waffe Kaliber 7,65 mm als ursächlich für<br />

den Todeseintritt. Tatortuntersuchungen und zwei Augenzeugen<br />

aus dem Wohngebiet Klosterfelde bestätigten den<br />

angeführten Ablauf der Ereignisse.<br />

Die Ermittlungen ergaben, dass der Ofensetzer im Vorhinein<br />

keine Kenntnis über Zeit und Fahrtrichtung dieser Autokolonne<br />

hatte und anzunehmen war, dass er auch nicht<br />

wusste, wem er die Vorfahrt genommen hatte.<br />

176


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Elf Tage nach dem Vorfall veröffentlichte eine Illustrierte der<br />

BRD unter der Schlagzeile „Das Attentat“ eine teils erfundene,<br />

teils aus Gerüchten zusammengebraute Geschichte<br />

über einen versuchten Anschlag auf Erich Honecker, dem<br />

dieser nur knapp entronnen sei. Dem Schützen sei nur<br />

Selbstmord übrig geblieben.<br />

Ein Hamburger Nachrichtenmagazin erweiterte diese Veröffentlichungen<br />

um die Variante, der Ofensetzer sei möglicherweise<br />

von den Sicherheitskräften der DDR erschossen<br />

worden.<br />

Die der Wahrheit entsprechenden Nachrichten der DDR-<br />

Medien wurden angezweifelt.<br />

Ende 1989 begannen erste Nachforschungen in dieser Sache<br />

in den Archiven der DDR, offenbar spektakuläre „Enthüllungen“<br />

erhoffend. 1993 kam, wiederum eine Illustrierte,<br />

auf die alte Story zurück. Unter der Überschrift „Das<br />

Attentat fand statt“ schrieb sie, es könne nicht ausgeschlossen<br />

werden, dass der Handwerker regelrecht hingerichtet<br />

worden sei. Weitere Zeitungen schossen sich auf diese<br />

Variante ein.<br />

Nunmehr leitete die Staatsanwaltschaft Neuruppin gegen den<br />

damaligen Angehörigen des Begleitfahrzeugs, der in offensichtlicher<br />

Notwehr die Schüsse des Amok-Schützen erwidert<br />

hatte, ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des<br />

Totschlags ein. Sie stützte sich auf das Gutachten eines<br />

Bonner Rechtsmediziners, der zu dem Schluss gelangt war,<br />

der Handwerker sei mit einer Waffe größeren Kalibers als<br />

7,65 mm erschossen worden.<br />

Der Neuruppiner Oberstaatsanwalt Gerd Schnittcher erklärte<br />

der „Berliner Zeitung“:<br />

„Wir haben den Verdacht, dass der Mann durch<br />

177


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

einen aufgesetzten Kopfschuß getötet wurde, ohne<br />

dass sich seine Verfolger zu diesem Zeitpunkt<br />

noch in einer Notwehrlage befanden.“<br />

Doch ein Rechtsmediziner der FU Berlin bestätigte die<br />

DDR-Expertise, die zweifelsfrei erwiesen hatte, dass die<br />

Kopfwunde aus einer 7,65 mm Walther-Pistole stammte und<br />

keinesfalls von einem 9,0 mm-Projektil (zur Ausrüstung der<br />

Personenschützer gehörten Pistolen „Makarow“, Kaliber<br />

9 mm).<br />

Es wirkt — bei aller Tragik in der Sache — nahezu erheiternd,<br />

wenn SAT 1 und „BILD“ am 27. Oktober 1994 aufgrund<br />

ihnen vorliegender „Dokumente“ den damals<br />

Regierenden Bürgermeister von Westberlin Eberhard<br />

Diepgen als Waffenlieferanten für den Attentäter gegen<br />

Honecker ausmachen.<br />

Dass die Ermittlungen gegen den damaligen Leiter der<br />

Untersuchungskommission des MfS, einen erfahrenen<br />

Kriminalisten der DDR, nicht vorurteilslos geführt wurden,<br />

kommt in der zielorientierten Anfangsfrage in dessen<br />

Vernehmung zum Ausdruck:<br />

„Hatten Sie den Auftrag, die Ergebnisse zu dem<br />

Vorkommnis wahrheitswidrig zu verändern?“. 27<br />

Die Untersuchungen wurden schließlich eingestellt. Die<br />

Behörden der BRD mussten die Sorgfalt und Korrektheit der<br />

Ereignisuntersuchung in der DDR und die Gewissenhaftigkeit<br />

der Dokumentation und Aktenführung sowie die<br />

persönliche Integrität des früheren Leiters der Untersuchungskommission<br />

bestätigen. 28<br />

Auch gegen inoffizielle Mitarbeiter des MfS wurden wegen<br />

Mordverdachts Ermittlungsverfahren eingeleitet, die von der<br />

typischen, offiziell erzeugten dumpfen „Stasi“-Hysterie<br />

geprägt waren, wofür die folgenden Beispiele stehen sollen.<br />

178


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Sachverhalt:<br />

In der Nacht vom 4. zum 5. Mai 1979 brachte der Maschinist<br />

und Obermaat Strehlow das Küstenschutzschiff der DDR-<br />

Volksmarine, auf dem er eingesetzt war, mit Hilfe einer<br />

schussbereiten Maschinenpistole in seine Gewalt. Er sperrte<br />

die gesamte Besatzung ein und setzte — ohne die Schiffsführung<br />

zu beherrschen — das Schiff in Richtung eines<br />

Hafens in der BRD in Fahrt.<br />

Als der Kommandant des Schiffes Maßnahmen zur Befreiung<br />

der Besatzung einleitete und mit einer Handgranate einen<br />

Lukendeckel aufsprengte, wurde er von Strehlow unverzüglich<br />

mit mehreren Feuerstößen beschossen. Strehlow ergab sich erst,<br />

als er selbst bei dem folgenden Feuerwechsel verletzt wurde.<br />

Während dieser Zeit lief das Schiff ohne Führung und mit<br />

abgeschalteten Positionslichtern im internationalen Fahrwasser.<br />

Jederzeit bestand die Gefahr einer Kollision mit nicht<br />

absehbaren Folgen auch für die Besatzung eines unbeteiligten<br />

Schiffes. 29<br />

Strehlow wurde von einem Gericht der DDR wegen<br />

Mordversuchs und Terrorismus verurteilt und nach 1990 von<br />

einem Gericht der BRD rehabilitiert.<br />

Nunmehr wurde gegen den Kommandanten und den leitenden<br />

Ingenieur des Küstenschutzschiffes Strafverfolgung<br />

wegen versuchten Totschlags eingeleitet.<br />

Es wurden Manipulationen der Untersuchungsbehörden des<br />

MfS angenommen und unterstellt. Deren eindeutige und<br />

lückenlos objektive Beweisführung hielt jedoch auch hier<br />

allen Angriffen stand, so dass der Prozess abgebrochen und<br />

noch nicht wieder aufgenommen wurde.<br />

Als Hort von Morden, Folter und anderen Verletzungen von<br />

Menschenrechten werden regelmäßig die Untersuchungshaftanstalten<br />

des MfS geschildert.<br />

179


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

Bekanntlich führten die Untersuchungsorgane des MfS nach<br />

der Strafprozessordnung der DDR eigenständig Ermittlungen<br />

in Strafsachen (§88 Abs. 2 Ziff. 2). Daher waren dem<br />

MfS auch entsprechende Untersuchungshaftanstalten angegliedert,<br />

während die Strafvollzugsanstalten ausnahmslos<br />

dem Ministerium des Innern unterstanden.<br />

Nahezu alle Untersuchungshaftanstalten des MfS wurden<br />

nach 1990 in Museen und Gedenkstätten umgewandelt. Im<br />

Zentrum steht die ehemalige Untersuchungshaftanstalt<br />

Berlin-Hohenschönhausen.<br />

Eine ehemalige Bezirksbürgermeisterin von Hohenschönhausen<br />

bekundete gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“<br />

am 18. Juni 1994, dass sie beim Anblick von Masten eines früheren<br />

Betonwerks in unmittelbarer Nähe der ehemaligen<br />

Untersuchungshaftanstalt des MfS erschauert, wenn sie an<br />

die darin vermauerten Opfer der Stasi denkt.<br />

Angeblich wurden seit 1990 in etwa 130 Fällen menschliche<br />

Skelettreste auf dem Gelände und in der näheren Umgebung<br />

der Untersuchungshaftanstalt gefunden. Niemand weiß, ob es<br />

Opfer von Bombenangriffen westlicher Alliierter, Opfer der<br />

letzten Kriegshandlungen in dem 1945 schwer umkämpften<br />

Gebiet, um Häftlinge des Außenlagers des KZ-Sachsenhausen,<br />

um Tote aus einem Kriegsgefangenenlager auf dem<br />

ehemaligen Gelände der Maschinenfabrik Heike oder des im<br />

Mai 1945 dort eingerichteten sowjetischen Internierungslagers<br />

handelt. Da hier später die Untersuchungshaftanstalt<br />

des MfS entstand, werden nun diese Toten auch dem MfS<br />

zugerechnet und wird ohne nähere Beweisführung unterstellt,<br />

es handele es sich um Opfer auch der Staatssicherheit.<br />

Eine gerichtsmedizinische Untersuchung, der Versuch zur<br />

Ermittlung der Personen oder zumindest der Personenkategorien<br />

oder des Todeszeitpunktes blieb aus, obwohl das<br />

in jedem zivilisierten Staat der Welt in solchen Fällen zumin-<br />

180


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

dest versucht wird, — zuletzt sogar in Jugoslawien.<br />

In der ehemaligen zentralen Untersuchungshaftanstalt wurde<br />

mit Senatsmitteln in sechsstelliger Höhe eine „Gedenkstätte“<br />

eingerichtet, die die Besucher mit „Folterzellen“ konfrontiert,<br />

für die sich bisher keine darin eingesperrt gewesenen<br />

Opfer finden lassen. Es wird über Wasserzellen berichtet,<br />

ohne erklären zu können, wie bei den vorhandenen Baulichkeiten<br />

Wasser in den Zellen gestaut werden konnte. Eine ehemals<br />

inhaftierte Frau berichtete sogar von Blut, welches sie<br />

häufig von Zellenwänden und Fußböden wegwischen musste.<br />

Einzelhaft hat es tatsächlich gegeben, obwohl gesetzlich vorgesehen<br />

Gemeinschaftshaft im Strafvollzug die Regel und<br />

der Verkehr mit Angehörigen Praxis war. Die Untersuchungshaft<br />

hingegen hat allerdings in der zivilisierten Welt<br />

allemal aber auch der Verhinderung der von Untersuchungsgefangenen<br />

ausgehenden Verdunklungsgefahr zu<br />

dienen, was auch in den Untersuchungs-Haftanstalten des<br />

MfS entsprechender Vorkehrungen bedurfte.<br />

Folter war in der DDR selbstverständlich gesetzlich verboten<br />

(StGB/DDR, §243). Als sich nach den vielen Medienberichten<br />

endlich „Opfer“ meldeten, die sich von ihren<br />

Konfabulationen Vorteile versprachen, Beweise sich dafür<br />

jedoch nicht erbringen ließen, wurde die „psychologische<br />

Folter“ erfunden. Einwände dagegen und Versuche, die<br />

Wahrheit darzustellen, bleiben a priori unbeachtet.<br />

Am 25. März 2001 veröffentlichte die „Berliner Morgenpost“<br />

unter dem Titel „Die Staatssicherheit in Zahlen“ die Meldung,<br />

dass mehr als 2.500 Häftlinge in „Stasi-Gefängnissen“ ermordet<br />

worden seien. Die Meldung kam — wie so häufig — zufällig<br />

zeitgleich mit einer Debatte im Bundestag zur Klärung von<br />

Rentenfragen für ehemalige Mitarbeiter des MfS.<br />

Proteste gegen die ungeheuerliche Beschuldigungen bei der<br />

„Morgenpost“ blieben wie üblich unbeantwortet.<br />

181


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

Nun haben wir allerdings eine solche Lage, dass kein einziges<br />

einschlägiges Ermittlungsverfahren gegen Angehörige des<br />

Untersuchungshaftvollzugs geführt wurde, — trotz der ungeheuerlichen<br />

Anschuldigungen und trotz des Umstandes, dass<br />

wohl gerade hier der Ermittlungsaufwand zur Feststellung<br />

eines „Täters“ außerordentlich gering gewesen wäre!<br />

Und das, obwohl von den zuständigen bundesdeutschen<br />

Behörden, wenn es gegen das MfS ging, auch bei den absurdesten<br />

Verdächtigungen und Anschuldigungen Ermittlungsverfahren<br />

eingeleitet und oft jahrelang geführt wurden. 30<br />

Im Komplex zu den vermuteten Morden des MfS an<br />

Andersdenkenden schien 1994 eine wichtige zentrale Quelle<br />

für solche Taten gefunden zu sein, wenn man den<br />

Behauptungen des inzwischen eingegangenen Skandalblattes<br />

„Tango“ folgen wollte.<br />

Unter Überschriften „Die Giftakte der Stasi“, „Das plante<br />

die Stasi: Giftmorde beim Sex, mit Tampons während der<br />

Menstruation, in der Sauna. Selbst Babys waren nicht sicher“<br />

tobte eine neue Medienattacke los: Diesmal über Giftmordpläne<br />

des MfS mit wilden Spekulationen.<br />

Was lag vor?<br />

1987 erhielt die Sektion Kriminalistik der Humboldt-<br />

Universität zu Berlin einen Forschungsauftrag zum Thema :<br />

„Untersuchungen zu chemischen Substanzen mit besonderer<br />

kriminalistischer Relevanz“.<br />

In der DDR war es bei der Untersuchung unnatürlicher<br />

Todesfälle durch Unsicherheiten und Fehler bei der Suche<br />

und Sicherung von Spuren sowohl bei der Kriminalpolizei als<br />

auch beim MfS — beginnend bei der Tatortarbeit — zum Teil<br />

zu erheblichen Beweisschwierigkeiten gekommen. Probleme<br />

traten zutage bei an den Transitautobahnen abgelegten<br />

Leichen sowie beim Umgang mit Holzschutzmitteln. Im Tier-<br />

182


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

park waren wertvolle Tiere durch giftige Farbanstriche umgekommen.<br />

Auch war unter den 1989 über 4.000 Suiziden<br />

(Selbsttötungen und Selbstbeschädigungen) eine bestimmte<br />

Dunkelziffer zu befürchten. 31<br />

Anlass für die Forschungen bildeten auch internationale<br />

Publikationen über politische Morde, die für die Sicherheit<br />

der DDR relevant sein konnten. Erwähnt seien z.B.<br />

Publikationen über diverse Attentatspläne zur Vergiftung des<br />

kubanischen Staatschefs Fidel Castro und weiterer<br />

Repräsentanten wie Raoul Castro, Che Guevara, Patrice<br />

Lumumba, Raffael Trujillo, Ngo Dinh Diem und den ehemaligen<br />

General René Schneider. Die Vorbereitungen für diese<br />

politischen Morde wurden in der Amtszeit von vier USA-<br />

Präsidenten betrieben: Dwight D. Eisenhower (1952-1961),<br />

John F. Kennedy (1961-1963), Lyndon B. Johnson (1963-1968)<br />

und Richard M. Nixon (1968-1974). 32 Auch unter der gegenwärtigen<br />

Präsidentschaft von George W. Bush wird diese<br />

unheilvolle Politik der politischen Morde fortgesetzt. 33<br />

Die Ergebnisse der Forschungsarbeit stellten eine Handreichung<br />

zur kriminalistischen Qualifizierung der Untersuchung<br />

unnatürlicher Todesfälle dar, keine — wie in perfider<br />

Verdrehung von Tatsachen behauptete — „Anleitung zum<br />

Töten“. Ginge man anders an derartige Forschungsarbeiten<br />

heran, müsste wohl auch jedes Lehrbuch der Kriminalistik<br />

oder der Gerichtsmedizin als Anleitung für Kriminelle<br />

bezeichnet werden.<br />

Die Studie versuchte, alle Gifte und ihre bisher bekannte kriminelle<br />

Beibringung aus der zugänglichen Kasuistik und darstellenden<br />

Erörterung in der internationalen Fachliteratur zu<br />

erfassen. Das Thema war in Zusammenarbeit des MfS mit<br />

dem Leiter der Hauptabteilung Kriminalpolizei und dem<br />

Leiter des Kriminalistischen Instituts der Volkspolizei konzipiert,<br />

vergeben und bearbeitet worden.<br />

Die Verbreitung seiner Resultate wurde durch Zugangs-<br />

183


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

beschränkungen auf einen engen Kreis von Fachleuten<br />

begrenzt, um jeglichem Missbrauch vorzubeugen. Um diese<br />

Tatsachen kamen letztlich auch die Strafverfolger und ihre<br />

Mediengehilfen nicht herum.<br />

Bedauerlich bleibt, dass diese Forschungsergebnisse nicht<br />

aktualisiert wurden und heutigen Kriminalisten verfügbar<br />

gemacht sind, jedoch über den Weg der Sensationspresse zu<br />

abenteuerlichen Spekulationen missbraucht werden:<br />

Als sechs Jahre nach diesem Medienspektakel der Leistungssportler<br />

D. Baumann des Dopings beschuldigt wurde, flüchtete<br />

er sich in die Behauptung, unschuldig zu sein: Es handele<br />

sich wahrscheinlich um eine Beibringung von Dopingsubstanzen<br />

über seine Zahnpasta. Das sei nach Art der Stasi<br />

erfolgt, wie man ja aus Medienberichten wisse. Erneut wurde<br />

der bekannte Unfug über besagte Forschungsarbeiten kolportiert,<br />

um einen überführten Doping-Sportler zu rehabilitieren.<br />

Allein die Zeitung „junge Welt“ war bereit, einen seriösen<br />

Tatsachenbericht zum Problem zu bringen, auf den hier ausdrücklich<br />

verwiesen sei. 34<br />

4. Kriminalisierung der<br />

Aufklärungstätigkeit des MfS<br />

Gegen die eventuelle strafrechtliche Verfolgung<br />

der DDR-Spionage gab es 1990 von einigen führenden<br />

Vertretern der Bundesregierung sowie von anerkannten<br />

Wissenschaftlern massive politische und rechtliche Bedenken.<br />

Diese Handlungen wurden als „teilungsbedingte<br />

Delikte“ und ihre Verfolgung nach dem Ende der Teilung<br />

Deutschlands als absurd betrachtet. So äußerte sich Dr.<br />

184


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Schäuble, damals Innenminister der BRD und Verhandlungsführer<br />

im Einigungsvertrag:<br />

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir im vereinigten<br />

Deutschland die jeweiligen Agenten gegenseitig ins Gefängnis<br />

stecken. Was ich mir auch nicht vorstellen kann, ist, dass<br />

wir die Mitarbeiter der DDR ins Gefängnis stecken und das<br />

umgekehrt nicht tun.“ „Es handelt sich um teilungsbedingte<br />

Straftaten, die außer Verfolgung gestellt werden müssen.“ 35<br />

Ähnlich meldete sich der damalige Bundespräsident Richard<br />

von Weizsäcker zu Wort: „In den Fällen, wo es... um<br />

reine Spionage geht, muss man darauf achten, dass<br />

sie hinüber und herüber betrieben worden ist und<br />

infolge dessen parallel behandelt werden muss.“ 36<br />

Die Realität sah allerdings nach der vollzogenen staatlichen<br />

Einheit deutlich anders aus. Mit der Angliederung der DDR<br />

an die BRD setzte die Strafverfolgung von vor allem leitenden<br />

Mitarbeitern des MfS ein.<br />

Sie wurde maßgeblich gefördert durch die Gauck-Behörde<br />

und lawinenartig in Gang gesetzt von den extra geschaffenen<br />

Sonderbereichen der Kriminalpolizei und der Sonderstaatsanwaltschaft<br />

der Justizbehörden.<br />

Dabei war insofern ein seltsames Zusammenspiel in der<br />

öffentlichen Behandlung zahlreicher Ermittlungs- und<br />

gerichtlicher Verfahren bemerkenswert, als einerseits eine<br />

massive, politisch motivierte Hetze und Diskriminierung<br />

betrieben, andererseits aber gleichzeitig bestritten wurde,<br />

dass es sich hier um politische Verfahren und Prozesse handelt,<br />

— ja man verwahrte sich vehement gegen den Vorwurf<br />

politischer Strafverfolgung. Es fänden ausnahmslos Verfahren<br />

statt zur Verfolgung allgemein krimineller Handlungen.<br />

Es ist genau die Positionierung, die der bekannte Strafverteidiger<br />

Friedrich Wolff in den Vorbemerkungen zu seinen<br />

Erinnerungen an Verteidigungen in politischen Verfahren aus<br />

185


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

fünfundvierzigjähriger Anwaltspraxis ironisiert:<br />

„Was ist ein politischer Prozess? Alle Prozesse,<br />

die ich bisher für politische Prozesse hielt und<br />

noch halte, wurden von den jeweiligen Staatsanwälten<br />

und Richtern für unpolitische Prozesse<br />

und, wenn es Strafprozesse waren, für Prozesse<br />

gegen Kriminelle angesehen.“ 37<br />

Von den durch die Medien bekannt gewordenen rund 250<br />

Verurteilungen von Kundschaftern der DDR (das betrifft<br />

sowohl die Hauptverwaltung A als auch andere Diensteinheiten<br />

des MfS und die Verwaltung Aufklärung der NVA)<br />

entfielen entsprechend ihren Tätigkeitsbereichen und<br />

Einsatzgebieten<br />

• 24% auf Geheimdienste, die Polizei und den<br />

Bundesgrenzschutz;<br />

• 22% auf Wirtschafts- und Forschungsbereiche, davon die<br />

Hälfte auf die Rüstungswirtschaft;<br />

• 16% auf den militärischen Bereich (Bundeswehr und<br />

NATO);<br />

• 16% auf verschiedene Bereiche der Politik (Parteien,<br />

Gewerkschaften, Stiftungen);<br />

• 12% auf verschiedene Bereiche des Staatsapparates;<br />

• 10% auf andere Bereiche (z.B. in den Medien).<br />

Nach Angaben eines Experten des Bundeskriminalamtes<br />

erfolgten die Enttarnungen der Quellen des Auslandsnachrichtendienstes<br />

der DDR in drei Wellen: 38<br />

Erstens<br />

durch die Angaben von Überläufern / Verrätern Ende 1989<br />

und Anfang 1990.<br />

Unmittelbar nach dem Fall der Mauer im November 1989 —<br />

also lange vor dem Datum der Vereinigung beider deutscher<br />

186


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Staaten — begannen massive Kontaktversuche von Mitarbeitern<br />

des BND, des westdeutschen Verfassungsschutzes<br />

und von Geheimdiensten der USA und Großbritanniens<br />

gegenüber Mitarbeitern oder erkannten Agenten des MfS.<br />

Mit Drohungen und mit Versprechungen über Straffreiheit<br />

sowie mit lukrativen finanziellen Angeboten (bis zu einer<br />

Million US-Dollar) sollte die Bereitschaft erweckt werden,<br />

„freiwillig“ Angaben über frühere Quellen zu machen.<br />

Oft wurde der Anschein erweckt, dass Vorgesetzte oder<br />

andere Mitarbeiter des früheren Dienstbereichs bereitwillig<br />

Unterstützung gewähren und „nun einen Mercedes fahren“.<br />

Nur wenige, darunter aber leider in einigen Fällen auch hochrangige<br />

Offiziere dienten sich den westlichen Diensten als<br />

Verräter an. Ihre Angaben waren Ausgangspunkt der Enttarnung<br />

von einigen wichtigen Quellen, sie selbst dienten den<br />

Strafverfolgungsbehörden in den Prozessen willfährig als<br />

Zeugen und haben großes persönliches Leid über die Menschen<br />

gebracht, die ihnen früher aufrichtig vertraut hatten. 39<br />

Zweitens<br />

durch die erste Auswertung der von der CIA erbeuteten<br />

Unterlagen aus der für einen Mobilmachungsfall erfolgten<br />

Verfilmung von Unterlagen der HVA (Aktion „Rosenholz“<br />

des Verfassungsschutzes) ab Anfang 1993.<br />

Drittens<br />

nach Auswertung der von der Gauck-Behörde entschlüsselten<br />

Informationsübersichten der HVA (SIRA).<br />

Die SIRA-Unterlagen standen jedoch erst nach Ablauf der<br />

Verjährungsfrist für „Geheimdienstliche Agententätigkeit“<br />

(§99 StGB) zur Verfügung, so dass nur noch geprüft werden<br />

konnte, ob der Tatverdacht des „Landesverrats“ (§94 StGB)<br />

zu begründen war. Auf dieser Grundlage sollen noch etwa 20<br />

Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sein.<br />

187


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

Eine deutliche Zäsur in der Strafverfolgungspraxis der<br />

Spionage setzte die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />

vom 15. Mai 1995. Die Karlsruher<br />

Richter erkannten für hauptamtliche Mitarbeiter des MfS —<br />

bis auf definierte Ausnahmen — ein „Verfolgungshindernis“<br />

(bei Aufrechterhaltung des Schuldvorwurfs) für jene, die<br />

ihren „Lebensmittelpunkt“ in der DDR hatten. Verfolgungswürdig<br />

waren nach diesem Urteil für den betroffenen<br />

Personenkreis nur noch sogenannte „Begleitdelikte“ wie<br />

Bestechung, Urkundenfälschung oder Verschleppung. 40<br />

Eingestellt werden mussten auch die von der Bundesnwaltschaft<br />

mit großem Aufwand durchgeführten bzw. vorbereiteten<br />

sogenannten „Strukturverfahren“, in deren Rahmen<br />

ganze Diensteinheiten des MfS analysiert und ihre Leiter vor<br />

Gericht gestellt werden sollten. Rechtspolitisch bedeutsam<br />

war aber auch, dass diese Entscheidungen in keinem Falle die<br />

Verfolgung von Quellen des MfS betrafen, die Staatsbürger<br />

der BRD waren. Deren Strafverfolgung wurde vom BVerfG<br />

weiter als rechtlich unbedenklich bewertet und ohne<br />

Einschränkung fortgesetzt. Neu war jetzt allerdings, dass<br />

nunmehr ihre Führungsoffiziere nicht mehr mitangeklagt<br />

waren, wie das in den ersten Pilotprozessen gehandhabt<br />

wurde. Statt dessen wurden sie als Zeugen geladen und ihnen<br />

stand verfahrensrechtlich kein Recht mehr auf<br />

Aussageverweigerung zu. Sie konnten zur Verantwortung<br />

gezogen werden, wenn sie sich dennoch verweigerten.<br />

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.<br />

Mai 1995 erfolgte, soweit damit Entlastungen für die<br />

Betroffenen verbunden sein konnten, zu einem so späten<br />

Zeitpunkt, dass das kaum noch Auswirkungen auf neue<br />

Urteile hatte, geschweige denn auf die verfahrensbegleitenden<br />

Belastungen und Diskriminierungen der Betroffenen<br />

188


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

und von deren Familien.Allerdings wurde der Vollzug einiger<br />

Strafen verhindert, was als Entlastung der Betroffenen nicht<br />

übersehen wird.<br />

Insbesondere musste das Urteil des OLG Düsseldorf vom 23.<br />

Dezember 1991 gegen Generaloberst Markus Wolf mit einer<br />

Freiheitsstrafe von sechs Jahren wegen „Landesverrat“ aufgehoben<br />

werden. Der BGH verwies das Verfahren zurück an<br />

einen anderen Senat des OLG Düsseldorf und forderte nun<br />

die konkretisierte Anklage wegen „Freiheitsberaubung“ in<br />

drei Fällen, die bis in die 50er Jahre zurücklagen, — dabei alle<br />

Regeln der Verjährung ignorierend, falls der Schuldvorwurf<br />

tatsächlich zutreffend wäre.<br />

Markus Wolf konnte in seinem Schlusswort den Widersinn<br />

dieser Anklage mit einer Aussage eines hohen CIA-Beamten<br />

in einem Brief an ihn charakterisieren:<br />

„Die Anklage wegen Freiheitsberaubung, wie sie<br />

von den Verantwortlichen präsentiert wird, ist<br />

einfach lächerlich, — ein jeder von uns, der in<br />

Spionageaktivitäten während des Kalten Krieges<br />

verwickelt war, könnte mit der gleichen lächerlichen<br />

Beschuldigung angeklagt werden.“<br />

Der dann nochmals über fünf Monate andauernde Prozess<br />

endete mit einem Urteil über zwei Jahre auf Bewährung, —<br />

eine herbe Niederlage für die Anklage. 41<br />

Auf allen anderen Gebieten der Strafverfolgung tobte der<br />

Kampf auch nach 1995 unvermindert weiter. Soweit die<br />

Strafverfolgungsbehörden hierbei in Kollision selbst mit den<br />

bestehenden Rechtsgrundlagen kamen, — z.B. den neu<br />

geschaffenen Verjährungsfristen für das Recht der DDR —,<br />

war der Bundestag uneingeschränkt bereit, bestehende<br />

rechtsstaatliche Verfolgungshindernisse mehrheitlich auszuräumen,<br />

— was selbstverständlich im staatskonformen<br />

Schrifttum ebenfalls nicht als Ausdruck politischen Straf-<br />

189


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

rechts bewertet wird: die Verjährungsfristen wurden insgesamt<br />

dreimal verlängert allemal mit der lapidaren Begründung, man<br />

schaffe sonst die übernommenen Aufgaben nicht.<br />

Eine überzeugende rechtsstaatliche Begründung ist das wohl<br />

selbst für Nichtjuristen nicht, weil das nun einmal am Wesen<br />

der Verjährung zur Wiederherstellung des Rechtsfriedens<br />

nach bestimmten Zeitabläufen vorbeigeht. 42<br />

5. Vorgebliche Nutzung von Röntgenstrahlen und<br />

Missbrauch der Psychiatrie sowie der Postkontrolle<br />

Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ veröffentlichte<br />

im März 2000 einen Artikel, in dem behauptet<br />

wurde, das MfS habe in seinen Untersuchungshaftanstalten<br />

mit Hilfe von „Röntgenkanonen“ Häftlinge verstrahlt und<br />

möglicherweise den frühen Tod von ehemaligen Untersuchungshäftlingen,<br />

u.a. Rudolf Bahro, Jürgen Fuchs und<br />

Gerulf Pannach verursacht. 43<br />

Von „Bürgerrechtlern“ Jahre zuvor angeregte staatsanwaltschaftliche<br />

Untersuchungen zu diesem Thema waren ohne<br />

das erwartete Ergebnis geblieben.Wenn schon keine Beweise<br />

hierfür erbringbar waren, sollte doch offensichtlich durch die<br />

Publikation dem MfS zumindest in der Öffentlichkeit ein<br />

weiteres Verbrechen angelastet werden.<br />

Die Tatsachen lauten:<br />

Anfang der 80er Jahre, zu einem Zeitpunkt also, als sich<br />

Bahro, Fuchs und Pannach längst im Westen aufhielten,<br />

erwarb das MfS einige von der Zollverwaltung der DDR ausgesonderte<br />

Durchleuchtungsgeräte, wie sie üblicherweise an<br />

Grenzübergangsstellen zur Kontrolle von Waren und verschlossenen<br />

Behältnissen im grenzüberschreitenden Verkehr<br />

190


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

genutzt und international üblich auch an Flughäfen zu<br />

Sicherheitskontrollen eingesetzt werden. 44<br />

Es handelte sich um bereits im Ministerium des Innern wie<br />

auch in bundesdeutschen Polizeibehörden angewandte<br />

Geräte. Sie werden zur Aufspürung von versteckten möglichen<br />

Beweisen und anderen Gegenständen in Asservaten<br />

von Untersuchungshäftlingen nach deren Einlieferung in<br />

eine Untersuchungshaftanstalt eingesetzt.<br />

Da Agenten von Spionage- und anderen feindlichen Zentren<br />

häufig mit Geheimverstecken ausgestattet waren, wurden<br />

probeweise sechs Untersuchungshaftanstalten damit ausgerüstet<br />

und das Personal entsprechend ausgebildet. Der tatsächliche<br />

Nutzen dieses Einsatzes lohnte jedoch den<br />

Aufwand nicht. Das Vorhaben wurde nach kurzer Zeit wieder<br />

eingestellt. Die nach der Auflösung des MfS aufgefundenen<br />

Geräte führten in der Untersuchungshaftanstalt Gera zu wilden<br />

Spekulationen, die jedoch bereits durch staatsanwaltschaftliche<br />

Untersuchungen widerlegt worden waren, dennoch<br />

aber zu den Publikationen des „SPIEGEL“ führten.<br />

Diese Veröffentlichung und die dadurch ausgelöste Nachfolgeverbreitung<br />

zwang die Staatsanwaltschaft zu erneuten<br />

Untersuchungen, zumal sich nunmehr — wie in solchen<br />

Situationen üblich — „Opfer“ meldeten, die teilweise stundenlang<br />

solchen Strahlen ausgesetzt gewesen sein wollten. 45<br />

Die Untersuchungen verliefen ergebnislos. Wie in solchen<br />

Fällen dann ebenfalls üblich, wurde schließlich in einige<br />

Blätter eine versteckte Kurznotiz gerückt, dass es sich bei den<br />

ursprünglich so sensationellen Meldungen über den<br />

„Schleichenden Strahlenmord in den Gefängnissen der Stasi“<br />

(Berliner Kurier, 16.5.99), die „Teuflischen Attacken“ (Fokus<br />

12/2000) und die angeblichen Verstrahlungen von Untersuchungshäftlingen<br />

durch das MfS um eine der vielen Enten<br />

gegen dieses Ministerium handelte.<br />

Ein Gespräch von Lydia Utech zur Sache mit Generalmajor<br />

191


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

Dr. Gerhard Niebling, über lange Jahre Stellvertretender<br />

Leiter der HA Untersuchung im MfS und Oberst Dr. Siegfried<br />

Rataizik, Leiter der Abteilung Untersuchungshaftvollzug des<br />

MfS, titelte die Zeitung „Junge Welt“ in ihrer Ausgabe vom 27.<br />

August 1999 treffend: „Die machen sich doch lächerlich“ und<br />

die Gesprächsteilnehmer legten ausführlich die tatsächlichen<br />

Sachverhalte dar.Allerdings zeigte sich die marktbeherrschende<br />

Presse nicht gewillt, zur Sache seriös über das Ergebnis auch<br />

staatsanwaltschaftlicher Prüfungen zu berichten, weil das<br />

offensichtlich der staatlich verordneten Linienführung zu<br />

Delegitimierung der DDR widersprochen hätte.<br />

So blieb ehemaligen Mitarbeitern des MfS kein anderer Weg,<br />

als sich mit einem „Offenen Brief“ an die interessierte<br />

Öffentlichkeit zu wenden und mit einem gesonderten Beitrag<br />

im Privatdruck die Wahrheit verbreiten zu versuchen. 46<br />

Nur eine politische Gruppierung des Landes war bereit, diese<br />

Erklärungen im Volltext zu veröffentlichen. Deswegen sei sie<br />

hier in Dankbarkeit genannt — die Kommunistische Partei<br />

Deutschlands, die ihre „Schriftenreihe für marxistisch-leninistische<br />

Bildung“ im Heft 70 vom Oktober 2000 diesem<br />

Thema zur Verfügung stellte.<br />

Was der Sowjetunion in weltweit gestreuten Angriffen vorgeworfen<br />

wurde, nämlich politisch Missliebige auszuschalten,<br />

indem sie diese in psychiatrischen Anstalten verschwinden<br />

ließ, was in kapitalistischen Staaten bis in die Gegenwart so<br />

unzählige Male geschieht, um bestimmte Personen von<br />

Erbrechten, Herrschaft über wirtschaftliche Macht u.a. fernzuhalten,<br />

dass es nicht nur in die Kriminalliteratur Eingang<br />

findet, musste selbstverständlich auch als systemimmanent in<br />

der Rechtspraxis der DDR „entdeckt“ werden.<br />

Und so konzentrierten sich staatsanwaltliche Anstrengungen<br />

koordiniert mit den Medien ab 1990 auch darauf, in dieser<br />

Richtung fündig zu werden.<br />

192


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Die psychiatrische Einrichtung in Waldheim wurde zum<br />

Zentrum erklärt, in welchem das MfS politisch Andersdenkende<br />

unterbringen ließ. Der organisierte Aufschrei in<br />

den Medien über solche vom MfS inszenierten „Untaten“<br />

gipfelte in der öffentlichen Aufforderung an „Opfer“, sich zu<br />

melden (ohne solche Meldungen hatte man eben nur<br />

„Vermutungen“), was dann zunächst in einigen Fällen auch<br />

Erfolge brachte, — jedenfalls meldeten sich nach gründlichem<br />

Medienrummel tatsächlich „Opfer“.<br />

Untersuchungskommissionen nahmen ihre Tätigkeit auf. Die<br />

Gauck-Behörde ließ gesondert eine Auftragsstudie von rund<br />

800 Seiten fertigen. 47<br />

Nach jahrelangen Recherchen musste kleinlaut eingeräumt<br />

werden, es hätte zwar die Annahme bestanden, die DDR<br />

habe solche sowjetischen Praktiken übernommen, jedoch<br />

hätten tatsächlich die Medien Denkmuster der „Antipsychiatrie“<br />

geprägt und Meldungen über wirkliche Missstände in<br />

Unkenntnis der DDR-Verhältnisse zum Psychiatriemissbrauch<br />

hochstilisiert. Im Übrigen habe man die Möglichkeiten<br />

und Steuerungsmechanismen des MfS überschätzt.<br />

Die Kommunikationsdichte zwischen beiden deutschen<br />

Staaten sei zudem zu hoch gewesen, als dass es derartiges<br />

überhaupt hätte geben können. Im Gedächtnis der Bürger<br />

bleiben die Anwürfe, nicht die Prüfungsresultate!<br />

So wurde ein Arzt des Haftkrankenhauses des MfS in Berlin<br />

angeklagt, zielgerichtet einem inhaftierten Ehepaar (mehr als<br />

fünfzig Anträge auf Ausreise aus der DDR, medienwirksame<br />

Aktionen in den Print- und TV-Medien der BRD zur<br />

Durchsetzung ihrer Forderungen) nicht indizierte bewusstseinsverändernde<br />

Medikamente verabreicht zu haben. Die<br />

Betroffenen seien darob schlaflos und orientierungslos<br />

geworden. Ferner seien Psychopharmaka verabreicht worden,<br />

nach deren Einnahme die Inhaftierten in Absprache mit<br />

193


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

den Vernehmern des MfS oft stundenlang verhört worden<br />

seien. Auch seien schädliche Kombinationen aus unterschiedlich<br />

wirkenden Beruhigungsmitteln (Meprobamat und<br />

Radedorm gegen Schlaflosigkeit) ausgereicht worden, die zur<br />

Willenlosigkeit und geistiger Verwirrung geführt hätten.<br />

Verschwiegen wird, dass die als Zeugen gegen ihren früheren<br />

Arzt auftretenden Kläger bereits lange Zeit vor ihrer<br />

Inhaftierung in nervenärztlicher Behandlung waren und deswegen<br />

gründlicher Betreuung bedurften, die ihnen in offensichtlich<br />

vorbildlicher Weise auch in der Haft widerfuhr.<br />

Aus den von der Gauck-Behörde zugelieferten Unterlagen<br />

wurden die Abschlußberichte an den weiterbehandelnden<br />

Arzt zum Bestandteil des Urteils erhoben. Sie belegen die<br />

völlige Haltlosigkeit aller erhobenen Anwürfe und die Sorgfalt<br />

der ärztlichen Betreuung während der Haft.<br />

Umfängliche Prüfungen in einem fünf Jahre andauernden<br />

Ermittlungsverfahren und die anschließende aufwendige<br />

fünftägige Hauptverhandlung vor dem Landgericht Berlin<br />

erbrachten nicht das angesteuerte Ergebnis: Der beschuldigte<br />

Arzt musste freigesprochen werden. 48<br />

Alle Anwürfe gegen ihn erwiesen sich als haltlos.Anerkannte<br />

Kapazitäten ihres Faches, die durch das Gericht gutachterlich<br />

beigezogen worden waren, pflichteten der Therapie und<br />

Medikation des Arztes unter Beachtung der Besonderheiten<br />

der Patienten (deutlich akzentuierte Persönlichkeiten) bei.<br />

Unbeschadet dessen werden — bis in die Gegenwart —<br />

Vorwürfe gegen ihn in den Medien kolportiert und der von<br />

seinen Patienten hochgeschätzte Arzt wird ungestraft behelligt<br />

und diffamiert. 49<br />

Einen der wohl publikumserregendsten Fälle dieser Art<br />

eröffnete die Anschuldigung des ehemaligen sächsischen<br />

Innenministers und damaligen stellvertretenden Vorsitzen-<br />

194


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

den der CDU Heinz Eggert gegen seinen Nervenarzt Dr.<br />

Reinhard Wolf, dieser hätte ihn im Auftrage des MfS „vernichten“<br />

wollen.<br />

Eggert, der in der DDR als evangelischer Pfarrer tätig und<br />

nach 1990 in hohe Staats- und CDU-Funktionen aufgestiegen<br />

war, hatte in einem Fernsehauftritt am 8. Januar 1992 die<br />

Behauptung aufgestellt, sein ihn behandelnder Nervenarzt<br />

habe 1984 gegen seinen Willen im Auftrage des Leiters der<br />

Bezirksverwaltung des MfS Dresden seine Entlassung aus<br />

dem Krankenhaus bewusst verzögert und er hätte ihn „bis<br />

zur Vernichtung zersetzen“ sollen.<br />

Eine inzwischen wieder vom Markt verschwundene Zeitung<br />

eröffnete den Medienrummel mit einem gefälschten Foto<br />

und dem Titel „Satan in Weiß“, was andere bereitwillig kolportierten<br />

und ausbauten. 50<br />

Gegen Dr. Wolf setzte eine zweijährige Untersuchung<br />

und Strafverfolgung ein wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung<br />

sowie der Nötigung, Körperverletzung<br />

und Vergiftung. Dies und seine in den Medien inszenierte<br />

gesellschaftliche Ausgrenzung und Ächtung führten dazu,<br />

dass er seine langjährige Arbeitsstelle als Chefarzt der<br />

Männerpsychiatrie verlor und seinen Wohnort wechseln<br />

musste.<br />

Entgegen den Anschuldigungen wurde eindeutig bewiesen,<br />

dass sich Eggert 1984 aus eigenem Entschluss in nervenärztliche<br />

Behandlung begeben hatte, dass diese exakt nach damaligem<br />

medizinischen Wissensstand erfolgte und er danach in<br />

medizinisch begründeter Entscheidung aus der stationären<br />

Behandlung entlassen wurde.<br />

Es wurde auch festgestellt, dass er durch das MfS in einem<br />

operativen Vorgang der benachbarten Kreisdienststelle des<br />

195


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

MfS in Zittau bearbeitet worden war (nicht beim Leiter der<br />

Bezirksverwaltung persönlich, wie von ihm dargestellt —<br />

aber unter dem macht’s Eggert nicht).<br />

Es gab nicht den geringsten Hinweis darauf, dass das MfS<br />

Einfluss auf seine Behandlung nahm oder das auch nur versucht<br />

hätte.<br />

Der damals für die abwehrmäßige Absicherung des Krankenhauses<br />

zuständige Mitarbeiter des MfS bekundete, während<br />

der gesamten Dienstzeit nie einen derartigen und für<br />

ihn undenkbaren Auftrag erhalten, geschweige denn vorgetragen<br />

zu haben. Dr. Wolf musste schließlich freigesprochen<br />

werden.<br />

Eine besonders aggressive Boulevardzeitung wurde zur<br />

Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 15.000,- DM<br />

verurteilt. Der Arzt hatte das Urteil aus Sorge um erneuten<br />

Medienwirbel längere Zeit unter Verschluss gehalten.<br />

Für seine Integrität und Noblesse spricht seine Antwort in<br />

einem ihm damals aufgezwungen Fernsehinterview und in<br />

der Presse, er möchte sich zur Sache nicht äußern, für ihn sei<br />

Eggert noch immer Patient und er fühle sich an seine ärztliche<br />

Schweigepflicht gebunden.<br />

Und dies zu einem Zeitpunkt, als eben dieser Patient in den<br />

Medien zur Hochform auflief und ihn öffentlich hinzurichten<br />

suchte! 51<br />

Über einen Versuch, zumindest einer Bitte, um Entschuldigung<br />

gegenüber seinem ehemaligen Arzt, ist öffentlich<br />

nichts verlautet.<br />

Die DDR in Gestalt des MfS zusätzlich zu den „Morden“<br />

und „Zersetzungen an Andersdenkenden“ auch als Räuber<br />

persönlichen Eigentums ihrer Bürger und von Zuwendungen<br />

an sie aus Postsendungen zu überführen entsprach den an die<br />

Justiz gestellten strategischen Aufgaben zur Delegitimierung<br />

der DDR.<br />

196


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Dies um so mehr, als man über diesen Weg den Aufschrei<br />

zahlreicher unmittelbar betroffener „kleiner Leute“ bewirken<br />

wollte.<br />

Allerdings wurde es darüber wieder rasch und verdächtig<br />

schnell still, als zur Sprache kam, dass Postkontrollen beileibe<br />

kein Spezifikum der DDR waren, sondern zum festen<br />

Repertoire geheimdienstlicher Arbeit auch in der Bundesrepublik<br />

Deutschland gehören.<br />

Gegenstand von Strafverfolgungsmaßnahmen war die im<br />

Gefolge konspirativer Postkontrolle nach geheimdienstlichen<br />

Hinweisen durch das MfS zufällig entdeckte und daraufhin<br />

den rechtlichen Regelungen gemäß erfolgte Entnahme und<br />

Einziehung dieser postordnungs- und gesetzwidrig zum<br />

Versand gebrachten Geldmittel und Wertsachen.<br />

Dass der Versand von Geld in Postsendungen verboten war<br />

und die Verletzung dieses Verbots bei Feststellung nach<br />

geltendem Recht eine Einziehung nach sich ziehen konnte,<br />

wird in der Nachwende-Propaganda ebenso wenig erwähnt<br />

wie der Umstand, dass dieses Wissen auch in der BRD allgemein<br />

bekannt war und dass diejenigen, die dennoch Geld versandten,<br />

dies in voller Kenntnis bestehender Verbote und<br />

Risiken taten.<br />

Das MfS hatte bereits in den 50er Jahren festgestellt, dass<br />

imperialistische Geheimdienste und ähnlich gegen die DDR<br />

tätige Einrichtungen und Organisationen den Postverkehr<br />

mit der DDR missbrauchten, um Informationen mit ihren<br />

Agenturen in der DDR auszutauschen und sie mit geheimdienstlichen<br />

Materialien zu versorgen, — einschließlich mit<br />

Geldmitteln.<br />

Die zur Unterbindung dessen geschaffenen — und natürlich<br />

konspirativ arbeitenden — Diensteinheiten des MfS wurden<br />

ausnahmslos auf der Grundlage staatlicher Rechtsvor-<br />

197


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

schriften tätig. Soweit sie in Erfüllung ihrer Aufgaben<br />

Einziehungen zu verfügen hatten, wurden die Gegenstände<br />

der Rechtsverletzung exakt nachgewiesen, aufgelistet und<br />

gemäß den gesetzlichen Bestimmungen abgeführt. 52<br />

Bereits gegen Ende der DDR hatte die Staatsanwaltschaft im<br />

Auftrage der Regierung und der Volkskammer Ermittlungen<br />

in diesem Zusammenhang zu führen. Die Verfahren mussten<br />

eingestellt werden, weil die beschuldigten Diensteinheiten<br />

des MfS weder rechtswidrig gehandelt hatten noch persönliche<br />

Zueignungen von Asservaten festzustellen waren, wie das<br />

unterstellt worden war. Besonders auf diesem Gebiet<br />

herrschte eine strenge Ordnung.<br />

Die BRD-Behörden sahen das anders und hoben unmittelbar<br />

nach dem Anschluss der DDR diese Einstellungsverfügungen<br />

mit der Begründung auf, sie seien rechtsfehlerhaft<br />

getroffen worden.<br />

Es wurden eine Vielzahl von umfänglichen, im Einzelnen<br />

nicht mehr exakt feststellbaren Ermittlungsverfahren mit<br />

dem Vorwurf des Verdachts der Amtsanmaßung, des Verwahrungsbruchs,<br />

der Unterschlagung und der Beihilfe zur<br />

Unterschlagung eingeleitet.<br />

Am 10. September 1992 eröffnete das Landgericht<br />

Magdeburg einen Pilotprozess gegen den ehemaligen Leiter<br />

der Bezirksverwaltung Generalmajor W. Müller und drei weitere<br />

Offiziere des MfS und verurteilte sie wegen Beihilfe zur<br />

Unterschlagung und anderer Straftaten am 4. Januar 1993 zu<br />

einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren, 3 Monate, bzw. zu Freiheitsstrafen<br />

ausgesetzt auf Bewährung zwischen einem Jahr,<br />

7 Monate, und 8 Monate.<br />

Der 4. Senat des BGH hob mit Urteil vom 9. Dezember 1993<br />

auf Revision der Angeklagten elf Monate später das Urteil<br />

gegen die drei Offiziere von Rechts wegen auf, erkannte auf<br />

Freispruch und bemerkte lapidar, in Bezug auf Generalmajor<br />

198


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Müller sei „... das Urteil des Landgerichts gegenstandslos,<br />

nachdem dieser inzwischen verstorben ist“. 53<br />

Das Urteil des 4. Senats verwies nach umfänglicher<br />

Erörterung der Sach- und Rechtslage darauf, dass es für eine<br />

Verurteilung im Sinne der Anklage keinen Tatbestand gibt.<br />

Die verfügten Einziehungen und Entnahmen aus Postsendungen<br />

basierten auf den gesetzlichen Regelungen der DDR<br />

sowie auf den Befehlen und Weisungen des MfS. Sie waren<br />

nicht — wie vorgeworfen — Unterschlagung, weil erwiesenermaßen<br />

weder eine persönliche Zueignung vorläge noch<br />

eine Begünstigung Dritter, und es habe auch kein<br />

Gewahrsamsbruch vorgelegen (was umfänglich juristisch<br />

ausargumentiert wird). Der Senat verkenne nicht, dass das<br />

unbefriedigend erscheine, aber: „Eine solche Strafbarkeitslücke<br />

hat die Rechtsprechung… hinzunehmen“. 54<br />

Vorgesehene Folgeprozesse orientierten sich an diesem<br />

Urteil.<br />

Dennoch war der 5. Strafsenat des BGH ein Jahr später zu<br />

einem Vorlagebeschluss vom 13. Oktober 1994 in einem<br />

Revisionsverfahren veranlasst mit der Fragestellung, ob an<br />

dieser Rechtsprechung festgehalten werde. Man beabsichtige,<br />

in der Strafsache gegen den ehemaligen Leiter der<br />

Postkontrollabteilung des MfS (Abteilung M) auf Unterschlagung<br />

und Gewahrsamsbruch zu erkennen und man kam<br />

mit folgenden kruden Begründungen:<br />

„Im Einklang mit den Entscheidungen zur Selbstzueignung in<br />

Fällen des Verschenkens fremder Sachen und der beabsichtigten<br />

Förderung von Organisationszielen kann bereits das mit<br />

der Zuwendung verbundene Anliegen, der Idee des Sozialismus<br />

und damit den Zielen des Staates, dem die entzogenen<br />

Wertgegenstände zugewendet wurden, zu dienen, als für eine<br />

Selbstzueignung ausreichendes Erstreben eines wirtschaftlichen<br />

Nutzens im weitesten Sinne gelten. Einen in diesem<br />

199


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

Zusammenhang maßgeblichen Unterschied zwischen einem<br />

Staat und anderen Organisationen vermag der Senat nicht zu<br />

erkennen. …Die vom Angeklagten mit diesem Wissen verfügten<br />

Zuwendungen an den Staatshaushalt dienten damit<br />

zugleich auch seinen wirtschaftlichen Interessen, zumal da<br />

seine berufliche Existenz und Zukunft als Generalmajor des<br />

MfS naheliegend von seiner von der Staatsführung erwarteten<br />

und ihm weitgehend befohlenen Mitwirkung an der<br />

Entnahmepraxis abhing.“ 55<br />

An der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des LG<br />

Berlin sähe sich der 5. Strafsenat durch das Urteil des 4.<br />

Strafsenats vom 9. Dezember 1993 gehindert. 56<br />

Da sage noch jemand, Juristen seien humorlos und hätten<br />

keine Phantasie!<br />

Infolge der Vorlage des 5. Strafsenats musste dann eine<br />

Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen beim BGH<br />

erfolgen.<br />

Sie erging als Beschluss am 25. Juli 1995 und bekräftigte das<br />

angefochtene Urteil des 4. Senats. Es gäbe keine Veranlassung,<br />

die bisherige Rechtsprechung grundsätzlich in Frage<br />

zu stellen und man kam nicht um die Feststellung herum, das<br />

andere Argumentationen den realen Vorgängen ersichtlich<br />

nicht gerecht würden. 57<br />

Damit wurde der justizielle Teil der mehr als fünfjährigen<br />

Verfolgungen abgeschlossen.Allerdings erfolgte das wie in so<br />

vielen anderen Fällen zu einem Zeitpunkt, als die öffentliche<br />

Meinung längst abschließend manipuliert war:<br />

„Stasi“ und „Postraub“ sind längst identische Begriffe geworden;<br />

der justizielle Abschluss bewegt allenfalls noch die<br />

Betroffenen und — vielleicht — einen kleinen Teil der juristischen<br />

Fachwelt.<br />

Eine Ausstellung im Berliner Postmuseum im Jahre 2002 zu<br />

200


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Praktiken der Postkontrolle des MfS vermeidet absichtsvoll<br />

jeden Bezug zu den in Umfang und Methodik identischen<br />

Vorgehensweisen westlicher Geheimdienste, — ein weiterer<br />

(wenn auch unfreiwilliger) Beleg für die dem Zeitgeist<br />

geschuldete Heuchelei.<br />

6. Finanzmanipulationen<br />

Zu den spektakulärsten, die Verfolgungsmotive sinnfällig<br />

offenbarenden Fällen gehörte das Sammel-<br />

Ermittlungsverfahren zur Aufklärung des Verbleibs von angeblich<br />

17 Millionen DM, die von Angehörigen der Hauptverwaltung<br />

Aufklärung des MfS zum Schaden der DDR<br />

unterschlagen und außer Landes gebracht worden sein sollten.<br />

Nachdem in der Handelsbank der DDR ein Devisenkonto<br />

mit über Jahre andauerndem Auslandstransfer festgestellt<br />

und Hinweise über Verbindungen zum MfS aufgetaucht<br />

waren, wurde 1992 ein Ermittlungsverfahren — vorerst gegen<br />

Unbekannt — wegen Verdacht der Untreue am sozialistischen<br />

Eigentum eingeleitet. Der Bundestag bildete eigens<br />

einen Untersuchungsausschuss „DDR-Vermögen“.<br />

Zahlreiche Befragungen und Ermittlungen, auch im Ausland,<br />

erbrachten jedoch keine greifbaren Anhaltspunkte im Sinne<br />

des vorgegebenen Verdachts.<br />

Wie üblich, waren frühzeitig die Medien informiert, die ihrerseits<br />

in vorauseilendem Gehorsam und gedanklicher Übereinstimmung<br />

mit den Ermittlungsbehörden vermuteten, das<br />

MfS habe Gelder ins Ausland zur Unterstützung von „Überlebensträgern“<br />

transferiert, — sehr gezielt Parallelen kolportierend<br />

zu Aktionen der Nazis in der Phase des Zusammenbruchs<br />

des faschistischen Reiches. 58<br />

201


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

Angesichts der Höhe der Summe und zur Bekräftigung der<br />

politischen Linie, die DDR über derartige Verfahren zu delegitimieren,<br />

erklärte der damalige Bundeskanzler die<br />

Untersuchung zur Chefsache.<br />

Das wiederum ermutigte und motivierte die Strafverfolgungsbehörden<br />

dazu, am 28. November 1996 den früheren<br />

Mitarbeiter des Bereichs Wissenschaft und Technik der HVA,<br />

Oberst Erich Gaida, auf dem Rückweg von einem zweiwöchigen<br />

Urlaub in Tunesien auf dem Flughafen Schönefeld bei<br />

seiner Wiedereinreise mit der Begründung festzunehmen, es<br />

bestünde Fluchtgefahr. Obwohl keine verdachtsbegründenden<br />

Hinweise vorlagen, wurde er wegen des „Verdachts der<br />

Untreue gegen das sozialistische Eigentum“ in Untersuchungshaft<br />

genommen. Es wirft ein bezeichnendes Licht<br />

auf die Arbeitsweise der Strafverfolgungsbehörden, dass<br />

auch in diesem Falle die Abwesenheit des Beschuldigten vorher<br />

bekannt war und diese Zeit genutzt wurde, um eine<br />

Wohnungsdurchsuchung durchzuführen.<br />

Die nach der Verhaftung des Beschuldigten auf dem Flughafen<br />

zurückgelassene Ehefrau fand ihre Wohnung unzugänglich<br />

vor, da die Tür gewaltsam geöffnet und die Schlösser<br />

ausgetauscht worden waren. Die Wohnung war durchwühlt<br />

und in chaotischem Zustand zurückgelassen, manche<br />

Einrichtungsgegenstände zerbrochen worden.<br />

Der Verhaftete wurde 18 Monate in Untersuchungshaft<br />

gehalten. Haftbeschwerden (bis zum Bundesverfassungsgericht)<br />

wurden zurückgewiesen oder nicht angenommen.<br />

Schwere Erkrankungen des zu diesem Zeitpunkt Achtundsechzigjährigen<br />

wurden als Haftaussetzungsgrund abgelehnt.<br />

Was lag eigentlich tatsächlich vor?<br />

In die Beschaffung von Embargo-Waren für die DDR war<br />

ein ausländischer Staatsbürger einbezogen worden. Auf dessen<br />

Konto bei der Handelsbank der DDR wurden bei<br />

202


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Bestellung / Vertragsabschluß Devisenzahlungen vorgenommen.<br />

Die Zahlungseingänge auf dem Konto blieben storniert<br />

bis zum Eingang der Waren und wurden danach freigegeben.<br />

Verfügungen des Eigentümers über sein Geld mussten dessen<br />

eigenen Sicherheitsansprüchen entsprechen. So wurden<br />

seine Transaktionen in Vollmacht durch Gaida realisiert, der<br />

sein unbegrenztes Vertrauen besaß und auch Bankvollmacht<br />

hatte, sein Vermögen also treuhänderisch verwaltete, für ihn<br />

aktiv wurde und ihm Rechenschaft legte.<br />

Seitens der zuständigen DDR-Organe bestand ebenfalls<br />

größtes Interesse an diskreter Geschäftsabwicklung, so dass<br />

die treuhänderische Tätigkeit durch einen Offizier des MfS<br />

in jeder Beziehung höchsten Sicherheitsansprüchen beider<br />

Seiten nachkam. Die Tätigkeit Gaidas stand in voller<br />

Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften der DDR,<br />

denn die Embargo-Bestimmungen der BRD galten naturgemäß<br />

nicht in der DDR und waren für Gaida als DDR-Bürger<br />

nicht relevant, — so ärgerlich das auch für die Behörden der<br />

BRD sein mochte.<br />

Nach Auflösung des MfS verfügte der Eigentümer, dass die<br />

ihm gehörenden Restbeträge auf von ihm benannte Konten<br />

in Drittländern zu transferieren sind, wozu er unstreitig und<br />

allein berechtigt war. Seine Verfügungen entsprachen<br />

geschäftsüblichen Kontenbereinigungen auf Ausländerkonten<br />

in der DDR, — mit sozialistischem Eigentum hatte<br />

das nun wahrlich nichts zu tun. Allerdings benötigten die<br />

Untersuchungsführer und Staatsanwälte der BRD ziemlich<br />

lange Zeit, um diese einfachen, im westlichen Ausland<br />

üblichen Handelsgepflogenheiten auch zu begreifen.<br />

Es stellte sich übrigens heraus, dass die astronomische<br />

Summe von rund 17 Millionen DM entstanden war, weil man<br />

alle in vielen Jahren kommerzieller Tätigkeit vorgenommenen<br />

Sollstellungen zu Gunsten des ausländischen Partners<br />

203


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

einfach zusammengerechnet hatte, — eine besondere<br />

Glanzleistung von Wirtschaftsspezialisten in einem Untersuchungsvorgang!<br />

Während seiner Untersuchungshaft setzte man Gaida einen<br />

anstaltsbekannten notorischen Spitzel in die Zelle in der<br />

Hoffnung, über diesen Weg zu irgendwelchen verwertbaren<br />

Resultaten zu kommen, — flankiert von „psychologischen“<br />

Spielchen in der Vernehmung.<br />

(„Stellen Sie sich vor, da kommt ein Tornado auf<br />

Sie zu. Die Stürme werden immer dichter und der<br />

Ring immer enger, nur noch ganz oben blauer<br />

Himmel und Sie sitzen mitten drin. Sie kann nur<br />

noch ein Geständnis retten“, so die Einlassungen des<br />

Haftrichters Rudel vom Amtsgericht Tiergarten aus Anlass<br />

des Haftprüfungstermins am 14. April 97, wie Gaida sich<br />

erinnert.) 59<br />

Der Beschuldigte musste nach zweimonatiger Verhandlungsführung<br />

am 24. August 1998 freigesprochen werden, weil sich<br />

herausstellte, dass er von Beginn an die Wahrheit gesagt<br />

hatte, ihm aber nicht geglaubt worden war. 60<br />

Es bedurfte mehrerer Jahre, um ihm seine Auslagen und<br />

Gebühren zu erstatten. Die gesetzlich vorgeschriebene<br />

Entschädigung für die zu Unrecht verfügte Inhaftierung —<br />

erbärmliche 20,- DM pro Hafttag — sind erst zum Beginn des<br />

Jahres 2002 gezahlt worden.<br />

Zugefügte Sachschäden im Zusammenhang mit den staatlichen<br />

Repressivmaßnahmen bei der Wohnungsdurchsuchung<br />

sind bis dato nicht voll ausgeglichen worden.<br />

Die persönlichen Beschädigungen kann ohnehin niemand<br />

wieder gut machen.<br />

Ein ähnlich spektakuläres „Wirtschaftsverbrechen“ erlebte<br />

die sächsische Justiz in der Zeit von 1992 bis 1997. Betroffen<br />

204


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

hiervon wurde der ehemalige Stellvertreter des Leiters der<br />

Spionageabwehr der DDR, Oberst Dr. Horst Hillenhagen. Er<br />

wurde am 6. Mai 1992 in Dresden verhaftet und für mehr als<br />

drei Monate in Untersuchungshaft genommen mit der<br />

Begründung, er habe<br />

„...von Dezember 1989 bis März 1990 in Dresden<br />

fortgesetzt ...die ihm durch Gesetz, behördlichen<br />

Auftrag und Rechtsgeschäft eingeräumte<br />

Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder<br />

anderen zu verpflichten, missbraucht und dadurch<br />

dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen<br />

hatte, Nachteil zugefügt.“ 61<br />

Da es sich um einen hochrangigen Mann der Abwehr des<br />

MfS handelt, würde die Gefahr der Beweismittelvernichtung<br />

und der Flucht bestehen.<br />

Die Haftbeschwerde wurde — mit 19 Tagen Fristüberziehung,<br />

aber das ist gegenüber ehemaligen Offizieren des MfS<br />

offenbar nicht so tragisch — am 30. April 1992 als unbegründet<br />

zurückgewiesen. 62<br />

Dr. Hillenhagen wurde beschuldigt, die Immobilien der<br />

Ferienheime des MfS im Bezirk Dresden im Werte von etwa<br />

85 Millionen Mark veruntreut zu haben. Damit nicht genug,<br />

habe er nebenher noch die Veruntreuung von Kraftfahrzeugen,<br />

Meißener Porzellan und von Konsumgütern bewerkstelligt,<br />

was — natürlich — die „kriminelle Energie“ des<br />

Beschuldigten noch unterstreicht und den „besonders schweren<br />

Fall“ dokumentiert.<br />

Was lag tatsächlich vor?<br />

Oberst Dr. Horst Hillenhagen war am 6. Dezember 1989<br />

durch den Ministerpräsidenten der DDR Dr. Hans Modrow<br />

in eine Regierungskommission berufen worden, deren<br />

Aufgabenstellung die Wiederherstellung der staatlichen<br />

205


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

Ordnung und Arbeitsfähigkeit der Bezirksverwaltung des<br />

AfNS in Dresden war. Später wurde er mit der Auflösung der<br />

AfNS-Dienststelle sowie mit dem Aufbau einer Dienststelle<br />

des Verfassungsschutzes der DDR in Dresden beauftragt.<br />

In Erfüllung seiner Dienstpflichten vollzog er auftragsgemäß<br />

einen Minsterratsbeschluss vom 19. Januar 1990 und tat damit<br />

das, was ihm später von der Staatsanwaltschaft als Untreue<br />

angelastet wurde, — den von der DDR-Regierung angeordneten<br />

Rechtsträgerwechsel von Ferienheimen aus der<br />

Rechtsträgerschaft des MfS in die des FDGB zu ermöglichen.<br />

Ein solcher Rechtsträgerwechsel war zwar aufwendig, nach<br />

DDR-Recht aber eine durchaus übliche Transaktion. Sie war<br />

weder mit einem Geldtransfer noch mit einer Eigentumsänderung<br />

verbunden, denn die Objekte blieben Volkseigentum.<br />

Über Nutzung und Nutzer wurde durch staatliche<br />

Zuweisung entschieden. Diese wurden entsprechend dokumentiert<br />

und waren insoweit gänzlich unspektakulär und<br />

durchschaubar. So auch in der vorliegenden Sache. Nicht so<br />

aber in Sachsen, wo die Staatsanwaltschaft 1992 nun einen<br />

„Verdacht“ schöpfte.<br />

Zwar waren inzwischen die Ferienheime in Verwaltung der<br />

„Treuhand“ übernommen worden, die ihrerseits den Rechtsträgerschaftswechsel<br />

1990 als völlig korrekt sah und auch so<br />

behandelte: Immerhin lagen hierzu beim ehemaligen<br />

Ministerium für Finanzen der DDR die Unterlagen über den<br />

Beschluss des Ministerrats vom 19. Januar 1990 vor und die<br />

bestimmten nun einmal den jetzt inkriminierten Rechtsträgerwechsel<br />

ausdrücklich. Ein Schaden war übrigens auch<br />

nicht auszumachen.<br />

Natürlich war das auch der Staatsanwaltschaft in Dresden<br />

nicht entgangen, als sie Akteneinsicht nahm. Das hinderte sie<br />

jedoch nicht, einen Untreueverdacht gegen Dr. Hillenhagen<br />

zu formulieren und Ermittlungsverfahren einzuleiten. Es<br />

206


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

bedurfte dann unter Dienstaufsicht des früheren Kirchenjuristen<br />

und nunmehrigen sächsischen Justizministers<br />

Heitmann sowie des früheren evangelischen Pfarrers und<br />

nunmehrigen sächsischen Innenministers Eggert fünf Jahre,<br />

bevor man sich der Sach- und Rechtslage fügte, dem<br />

Standpunkt der Treuhand anschloss und schweren Herzens<br />

begriff, dass ein Beschluss des Ministerrats der DDR vom<br />

Januar 1990 nicht der Entscheidungshoheit der sächsischen<br />

Justiz unterliegt.<br />

Am 17. Februar 1997 entschloss sich die 1. Große Strafkammer<br />

des Landgerichts Dresden in dieser Sache zur<br />

Verfahrenseinstellung. 63<br />

In der Zwischenzeit war zwar im August 1992 der Tatvorwurf<br />

abgemildert und Entlassung aus der Untersuchungshaft<br />

verfügt worden, aber — Verdacht bleibt Verdacht — die<br />

Staatsanwaltschaft schob weitere Anschuldigungen nach, in<br />

deren Folge zwar nicht mehr die Aussetzung der Haftentlassung<br />

erreicht, immerhin aber noch zwei Jahre Polizeiaufsicht<br />

mit allen damit verbundenen Belastungen für den<br />

Betroffenen zelebriert werden konnten, bevor sich auch diese<br />

Vorwürfe als haltlos erwiesen.<br />

Übrig blieb — wie in so vielen anderen Fällen — eine Justizposse,<br />

diesmal auf sächsisch, deren propagandistisches Ziel<br />

jedoch erreicht wurde: Leitende Offiziere der Staatssicherheit<br />

in der Öffentlichkeit als kriminell darzustellen.<br />

7. Verschleppung, Rechtsbeugung,<br />

Körperverletzung und Freiheitsberaubung<br />

1. Gegen offizielle und inoffizielle Mitarbeiter des MfS wur-<br />

207


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

den Ermittlungsverfahren auch wegen des Verdachts der<br />

Verschleppung geführt, Anklagen erhoben und gerichtlich<br />

einzelne Verurteilungen ausgesprochen.<br />

Den Tatbestand der Verschleppung (§234a) hatte der<br />

Bundestag der BRD zugleich mit weiteren Strafrechtsänderungen<br />

1951 durch Änderungsgesetz zum StGB mit eindeutig<br />

politischer Stoßrichtung neu eingeführt, und zwar in<br />

einer Zeit, als der Korea-Krieg tobte, innere Auseinandersetzungen<br />

mit Friedenskräften und Kommunisten eskaliert<br />

waren und der Kalte Krieg bedrohliche Formen angenommen<br />

hatte.<br />

Die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts<br />

Frau Prof. Dr. Limbach räumte über 40 Jahre später ein, dass<br />

diese Gesetze bis zur Bestrafung von Gesinnungen überdehnt<br />

wurden und die Grundlage für die späteren Verbotsprozesse<br />

gegen die KPD und andere gesellschaftliche<br />

Organisationen bildeten. 64<br />

Dieser im Strafrecht der DDR und dem vieler anderer<br />

Staaten unbekannte Tatbestand der Verschleppung richtete<br />

sich vor allem gegen die DDR, die sich in Abwehr der Praxis<br />

von BRD-Geheimdiensten und anderer Feindzentralen<br />

gezwungen sah, bei schwersten subversiven Angriffen gegen<br />

ihre Sicherheit von Westberlin aus sich in Einzelfällen auch<br />

mit der gewaltsamen Verbringung besonders gefährlicher<br />

Organisatoren von Verbrechen gegen die DDR zu wehren.<br />

Das war übrigens keineswegs eine Erfindung der DDR-<br />

Sicherheitsorgane in dieser Zeit; auch die entsprechenden<br />

Organe der USA, Frankreichs und Israels, sowie der BRD<br />

praktizierten Entführungen als „normale“ geheimdienstliche<br />

Methodik und praktizieren das teilweise bis in die<br />

Gegenwart:<br />

• Als Ende der 80er Jahre der Vertrag über den Pannama-<br />

Kanal auslief und das damalige panamaische Staatsober-<br />

208


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

haupt Manuel A. Noriega drohte, die US-Nutzungsrechte einzuschränken,<br />

wurde er 1989 durch ein Sonderkommando der<br />

CIA in die USA verschleppt.<br />

Tausende Tote und etwa 13.000 Obdachlose waren dem<br />

Weißen Haus die Ergreifung Noriegas wert. 65<br />

Noriega, jahrelang selbst als ausgebildeter CIA-Agent für die<br />

USA, in unterschiedlichsten Aktionen aktiv, war nun lästig<br />

geworden. Deshalb wurden seine jahrelang auch den USA-<br />

Diensten bekannten Drogengeschäfte nun zum Anlass<br />

genommen, ihn auszuschalten, in die USA verschleppen und<br />

dort vor Gericht zustellen. Über die tatsächlichen Hintergründe<br />

dieser Verschleppung eines — immerhin — Staatspräsidenten<br />

wurde die Welt gezielt desinformiert;<br />

• Frankreich hatte im Gefolge der Entlassung seiner Kolonien<br />

in die Unabhängigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

Sonderkommandos für Spezialeinsätze ausgebildet. Für zu<br />

erwartende Fälle erfolgreicher Putsche gegen die vom ehemaligen<br />

Mutterland eingesetzten Staatsoberhäupter sollten<br />

Kommandospezialisten die möglicherweise gefangengesetzten<br />

Staatsoberhäupter an einen sicheren Ort verschleppen<br />

und in Verwahrung verbringen, um dann zu ermöglichen,<br />

aufgrund zuvor abgeschlossener Geheimverträge „Hilfe“<br />

vom ehemaligen Kolonialherren gegen die Putschisten anfordern<br />

zu lassen;<br />

• Sonderkommandos Israels nahmen nach jahrelanger Suche<br />

den Leiter des faschistischen Judenreferats Adolf Eichmann in<br />

Argentinien fest, verbrachten ihn illegal nach Israel, verurteilten<br />

ihn in Tel Aviv zum Tode, — und fanden dafür berechtigt die<br />

moralische Unterstützung der gesamten zivilisierten Welt.<br />

Diese in aller Welt mit Genugtuung aufgenommene Verschleppung<br />

lässt sich gleichwohl nur schwerlich in das geltende<br />

Völkerrecht einordnen;<br />

209


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

• in den Tagen des 17. Juni 1953 wurde der Stellvertretende<br />

Ministerpräsident der DDR Otto Nuschke (CDU) von „aufgebrachten<br />

Bürgern“ aus seinem Dienst-Pkw gezerrt, nach<br />

Westberlin verschleppt und vor die Mikrofone eines Westberliner<br />

Rundfunksenders bugsiert.<br />

Man wollte ihn nutzen, durch einen Rundfunkaufruf den<br />

Zusammenbruch der DDR herbeizuführen. Die Aktion<br />

scheiterte an der festen Haltung Otto Nuschkes, der vor den<br />

Mikrofonen sehr energisch gegen seine Verschleppung nach<br />

Westberlin protestierte und sich dagegen verwahrte, gegen<br />

die DDR missbraucht zu werden. Die von Westberlin aus<br />

agierenden Täter wurden nie gefunden;<br />

• Noch in den 90er Jahren entführten BRD-Sicherheitsorgane<br />

einen nach Österreich geflüchteten deutschen<br />

Staatsbürger gewaltsam in die BRD und verurteilten ihn. Für<br />

die BRD-Behörden bildete diese Verschleppung kein<br />

Strafverfolgungshindernis; 66<br />

• Nach dem Anschluss der DDR verschleppten US-amerikanische<br />

Geheimdienstler einen ehemaligen Militärangehörigen<br />

der US-Streitkräfte, der inzwischen in der DDR wohnte.<br />

Er war zuvor jahrelang inoffizieller Mitarbeiter der HVA des<br />

MfS gewesen.<br />

Selbst, wenn man den US-Diensten einen „Verfolgungsanspruch“<br />

zugestehen wollte, bleibt offen, wieso sie nicht eine<br />

Auslieferung über den international üblichen Rechtsweg bei<br />

ihren engsten Verbündeten — der BRD — anstrebten und<br />

sich statt dessen zu einer Verschleppungsaktion entschlossen,<br />

als würden immer noch Besatzungsrechte in Berlin bestehen.<br />

Über eine Demarche der zuständigen BRD-Behörden wurde<br />

nichts bekannt. Der Verschleppte wurde in den USA zu 38<br />

Jahren Haft verurteilt;<br />

210


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Entgegen der Haltung zu Verschleppungen im Interesse der<br />

BRD und ihrer Verbündeten verurteilten die mit bundesdeutschen<br />

Juristen besetzten Gerichte nach 1990 Angehörige<br />

des MfS und IM nach dem Tatbestand der Verschleppung<br />

bereits in Fällen, bei denen z.B. IM die DDR-Sicherheitsbehörden<br />

informiert hatten, wenn kriminelle Menschenhändlerbanden<br />

Ausschleusungen von DDR-Bürgern organisierten<br />

und die Schlepper auf DDR-Gebiet festgenommen<br />

worden waren. In einem anderen Fall informierte eine DDR-<br />

Bürgerin über Hetztiraden eines Westberliner Besuchers die<br />

zuständigen Behörden der DDR. Dieser wurde bei seiner<br />

erneuten Einreise festgenommen und verurteilt, nach wenigen<br />

Tagen jedoch wieder aus der Haft entlassen. Nach der<br />

„Wende“ wurde nunmehr die Anzeigenerstatterin wegen<br />

„Verschleppung“ verurteilt. Auch DDR-Bürger, die versucht<br />

hatten, geflüchtete Verwandte oder Bekannte im Zusammenwirken<br />

mit DDR-Behörden zur Rückkehr zu bewegen,<br />

wurden nach 1990 der Verschleppung für schuldig befunden.<br />

Die Strafverfolgungen nach 1990 wegen „Verschleppungen“<br />

sind zahlenmäßig nicht feststellbar. Soweit aus persönlichen<br />

Mitteilungen und Presseveröffentlichungen bekannt wurde,<br />

dürfte es sich um etwa 10 Fälle handeln. Die Medien sprachen<br />

— ohne jeglichen Nachweis — von ca. 100 Fällen.<br />

Nach dem Recht der DDR gab es — wie eingangs erwähnt —<br />

den Tatbestand „Verschleppung“ nicht. Eine heutige Strafverfolgung<br />

mit diesem Schuldvorwurf ist folglich allein politisch<br />

motiviert.<br />

2. Strafverfolgungen mit Anwürfen der Rechtsbeugung,<br />

Freiheitsberaubung, Körperverletzung und der Aussageerpressung<br />

hatten großen Anteil an den Versuchen der<br />

Kriminalisierung der Abwehreinheiten des MfS.<br />

Hunderte Ermittlungsverfahren wurden gegen Verfügungs-<br />

211


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

berechtigte für die Einleitung von Ermittlungsverfahren eingeleitet,<br />

— allein gegen den Leiter der HA IX über 20<br />

Verfahren. Führte die Verfügung eines Ermittlungsverfahrens<br />

zur Verhaftung, kam in nicht wenigen Fällen der<br />

Vorwurf der Freiheitsberaubung hinzu.<br />

Nicht der rechtliche Bestand und die gesetzlichen Auslegungsregeln<br />

der DDR für die Anwendung ihrer<br />

Rechtsvorschriften wurden maßgeblich für die Prüfung der<br />

Verfolgung zugrunde gelegt, wie das selbst im Einigungsvertrag<br />

vorgesehen war, sondern die Sicht der ehemaligen<br />

Gegner im Kalten Krieg wurde maßgeblich dafür, was nunmehr<br />

mit den einstigen Gegnern zu geschehen hat. Damit war<br />

die Zielrichtung vorgegeben:<br />

Der DDR wurde das Recht der Strafverfolgung von<br />

Personen bestritten, die begründet in den Verdacht der<br />

Begehung von Staatsverbrechen und anderen schweren<br />

Straftaten geraten und nach geltendem Recht der DDR zu<br />

verfolgen waren. 67<br />

Da für die Anwendung von Foltermethoden in der DDR<br />

weder Dokumente noch andere Beweise vorlagen und auch<br />

offiziell in der BRD bekannt war, dass in den Untersuchungsorganen<br />

der DDR — so auch im MfS — die<br />

Anwendung von körperlicher Gewalt oder sonstiger Formen<br />

der Aussageerpressung verboten war, dies aber a priori unterstellt<br />

wurde, war seit 1990 mehrfach öffentlich die Aufforderung<br />

an vermeintlich Geschädigte ergangen, sich zu<br />

melden, damit man Verfolgungen einleiten könne.<br />

Offensichtlich auch, weil damit die mögliche Begründung<br />

materieller Ansprüche in Aussicht gestellt wurde, kam es<br />

nachfolgend in einigen Fällen zu Anzeigen, Beschuldigte<br />

seien in Vernehmungen durch Untersuchungsführer des MfS<br />

geschlagen oder bedroht worden.<br />

212


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

In keinem der Fälle konnten außer dieser subjektiven<br />

Behauptung zusätzlich objektivierende Beweise oder Hinweise<br />

von Betroffenen benannt werden, die zur Erhärtung<br />

ihrer vorgetragenen Erklärungen hätten führen können.<br />

Da Vernehmungen im MfS jedoch in der Regel nicht im<br />

Beisein Dritter geführt wurden, stand Aussage gegen Aussage.<br />

Folglich wurde jetzt von vornherein den nunmehrigen<br />

Anzeigenerstattern geglaubt und den Angehörigen des MfS<br />

von den Strafverfolgungsbehörden und den Gerichten unterstellt,<br />

die Unwahrheit zu sagen und nur Schutzbehauptungen<br />

vorzubringen.<br />

Auch in Fällen, in denen darauf hingewiesen wurde, dass<br />

angebliche Tatabläufe auf die vorgetragene Weise z.B. aufgrund<br />

baulicher Gegebenheit, Ausstattung der Räume, innere<br />

Stimmigkeit der vorgetragenen Anwürfe usw. so überhaupt<br />

nicht möglich waren, wurde das durch die Gerichte ignoriert<br />

und blieben die Einlassungen vor Gericht unbeachtet.<br />

Nur in wenigen Verfahren, die so offensichtlich auf falschen<br />

Behauptungen ehemaliger Untersuchungshäftlinge des MfS<br />

begründet waren, dass auch die Gerichte nicht umhin kamen,<br />

Gegenbeweise anzuerkennen (wie z.B., dass die Untersuchungsführer<br />

Waffen getragen und damit geschlagen<br />

hätten, obwohl — aus nachvollziehbaren Gründen — ein<br />

absolutes Verbot des Tragens von Waffen in Vernehmungsräumen<br />

bestand, das auch strikt durchgesetzt wurde, usw.)<br />

und die Verfahren einzustellen.<br />

Um Verurteilungen zu erhalten, boten Gerichte bei unzureichender<br />

Beweislage den ehemaligen Untersuchungsführern<br />

Deals an: Sie sollten sich zu den Anschuldigungen bekennen,<br />

dafür würde ihnen eine Geldstrafe ohne Eintrag ins<br />

Strafregister und Ausblendung der Medienberichterstattung<br />

angeboten.<br />

Aus Angst, ihren Arbeitsplatz durch öffentliche Anprange-<br />

213


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

rung und Vorbestraftsein zu verlieren, stimmten einige der<br />

Betroffenen solchen Angeboten zu, auch, weil sie offensichtlich<br />

nicht über die finanziellen Mittel verfügten, gegen<br />

Falschurteile vorzugehen.<br />

Folglich wurde von Staatsanwälten und Gerichten in nachfolgenden<br />

Prozessen unterstellt, im Untersuchungsorgan des<br />

MfS seien Aussagen auf ungesetzliche Weise erlangt worden.<br />

Symptomatisch für eine solche Strafverfolgung ist das<br />

Verfahren gegen den Untersuchungsführer des seinerzeit<br />

international tätig gewesenen Bombenlegers Herbert Kühn.<br />

Zur Vorgeschichte:<br />

Kühn war am 30. Juni 1963 auf frischer Tat festgenommen<br />

worden, als er eine Sprengstoffladung in der Nähe des<br />

Gebäudes des Zentralkomitees der SED deponierte. An diesem<br />

Tag weilte u.a. Nikita Chrustschow als höchster<br />

Repräsentant der UdSSR zum Geburtstag Walter Ulbrichts<br />

in der DDR.<br />

Wenige Tage zuvor, am 17. Juni 1963, hatte Kühn Sprengstoffladungen<br />

vor dem Roten Rathaus, am Gebäude des<br />

Obersten Gerichts der DDR und am Ministerium für<br />

Außenhandel abgelegt.<br />

Diese konnten rechtzeitig ohne Verletzung von Personen entdeckt<br />

und entschärft werden und die erhofften „Fanalwirkungen“<br />

des „inneren Widerstandes“ blieben aus.<br />

Die verwendeten 5 kg Sprengstoff, getarnt als Waschpulver-<br />

Paket, hatte Kühn als Fußgänger über die Grenzübergangsstelle<br />

Heinrich-Heine-Straße in die DDR geschmuggelt.<br />

Nach der missglückten Anschlagsserie berichtete die „Nachtdepesche“<br />

unter der Überschrift „Sprengstoffanschlag in<br />

Ostberlin von der SED inszeniert“ und die BILD-Zeitung<br />

meldete: „Verzweifelungstat oder Ostprovokation“.<br />

214


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Kühn war während seines vorherigen Aufenthalts in der<br />

BRD in die Hände rechtsradikaler Extremisten geraten. Bei<br />

der OAS, einer im Algerien-Krieg wegen ihrer Mordtaten<br />

berüchtigten Gruppe der französischen Kolonialarmee, hatte<br />

er sich in der Handhabung von Sprengstoffen ausbilden lassen.<br />

Danach bildete er die Bande „Südtirol hilft Berlin —<br />

Berlin hilft Südtirol“. Durch Sprengung von Hochspannungsmasten,<br />

einen Sprengstoffanschlag auf dem Bahnhof in<br />

Verona/Italien (23 Verletzte) und die geplante Ermordung<br />

des Polizeichefs von Bozen wollte die Bande deutschstämmige<br />

„Heim-ins-Reich“ — Separatisten in deren Kampf unterstützen.<br />

Bereits am 30. Dezember 1962 hatte Kühn in der Hauptstadt<br />

der DDR im Haus der „Gesellschaft für Deutsch-Sowjetischen<br />

Freundschaft“ unter den Linden und im Präsidium<br />

der Volkspolizei Sprengsätze hochgehen lassen, die glücklicherweise<br />

nur Sachschäden anrichteten.<br />

In Freundeskreisen hatte er geprahlt, die Justizministerin der<br />

DDR ermorden zu wollen.<br />

Kühn war nach seiner Festnahme und während der gesamten<br />

Untersuchungen nach sehr kurzer Zeit umfassend aussagebereit<br />

und sehr kooperativ.<br />

Das Oberste Gericht der DDR verurteilte ihn zu einer<br />

lebenslangen Haftstrafe, aus der er nach elf Jahren Strafverbüßung<br />

entlassen wurde.<br />

Das Land Nordrhein-Westfalen verweigerte ihm nach seiner<br />

Haftentlassung die Anerkennung als politischer Häftling,<br />

weil er seine Lage „selbst verschuldet“ habe.<br />

Für die „Vereinigung der Opfer des Stalinismus“ ist er jedoch<br />

„Kamerad“ und für die Staatsanwaltschaft II nach 1990<br />

„Geschädigter“.<br />

Nach 35 Jahren — acht Jahre nach dem Untergang der DDR<br />

— entsann er sich, dass er eigentlich doch auch Opfer der<br />

215


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

DDR sei und unterstützt werden müsste. Nunmehr beschuldigte<br />

er seinen Vernehmer, ihn damals seelisch misshandelt<br />

und wahrheitsgemäße Aussagen von ihm erpresst zu haben.<br />

„Wir werden Dich liquidieren“, soll der gerufen haben, „auf<br />

diesem Stuhl hat Burianek gesessen, dem haben wir die Rübe<br />

abgenommen“. Auch eine Auslieferung an Italien sei ihm<br />

angedroht worden. 68<br />

An die humane Behandlung in der Haft konnte er sich —<br />

seltsamerweise — nicht mehr erinnern.Als er dort z.B. seinen<br />

Geburtstag in der Untersuchungshaft begehen musste, wurde<br />

ihm durch ein verbessertes Essen eine kleine Aufmerksamkeit<br />

zuteil.<br />

35 Jahre später erklärte er dem Gericht, dass er das als seine<br />

Henkersmahlzeit ausgelegt habe.<br />

All dem schenkte das Gericht uneingeschränkt Glauben.<br />

Tatsächlich enthielten weder die Akten, — die hingegen seine<br />

ausgesprochene Aussagewilligkeit belegen — noch die<br />

Unterlagen seines Strafverteidigers oder die westdeutschen<br />

Quellen nach seiner Haftentlassung in die BRD (Aufnahmelager)<br />

auch nur die geringsten Hinweise auf unkorrekte<br />

Behandlung in der Untersuchungsphase seiner Verbrechen in<br />

der DDR. Und dies, obwohl genau das bei der Aufnahme von<br />

Strafgefangenen regelmäßig Gegenstand der ersten<br />

Befragungen war.<br />

Der Untersuchungsführer wurde wegen „Aussageerpressung“<br />

zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Das<br />

Gericht war von der „Wahrheitsliebe“ Kühns überzeugt.<br />

Ein „Glanzstück“ staatsanwaltschaftlicher Ermittlungskunst<br />

diesen Genres waren auch das Ermittlungsverfahren und die<br />

Anklage gegen Generalmajor Dr. Gerhard Niebling, im Juli<br />

1953 einen wegen Spionage gegen die DDR Verdächtigten<br />

während der Vernehmungen geschlagen und zu einem<br />

Geständnis genötigt zu haben, weswegen die Staatsanwalt-<br />

216


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

schaft nunmehr — über 40 Jahre später — gegen ihn Anklage<br />

wegen Körperverletzung und Aussageerpressung erhob.<br />

Dr. Niebling wies die Beschuldigungen in kriminalistisch fundierten<br />

und juristisch überzeugenden Sachvorträgen zurück<br />

und belegte deren freie Erfindung und die Konfabulationen<br />

des — inzwischen verstorbenen — „Geschädigten“ und der<br />

Staatsanwaltschaft, die von Einschätzungen und Wertungen<br />

statt von Beweistatsachen ausgehe. Sie praktiziere auch hier<br />

— wie so häufig in Verfahren gegen ehemalige Amtsträger<br />

der DDR — die Umkehr der Beweislast in Strafsachen.<br />

Eigentlich vollzog nun der Angeklagte das, was Aufgabe des<br />

Staatsanwalts gewesen war: den Sachverhalt aufzuklären.<br />

Unklar blieb von Anfang an, warum der angeblich Geschädigte<br />

42 Jahre lang von all den Dingen nichts wusste und erst<br />

nach der Vernehmung am Beginn der 90er Jahre auf Initiative<br />

der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gestellt hatte. Dr.<br />

Niebling wies darauf hin, dass der Zeuge nach seiner über 30<br />

Jahre zurückliegenden Entlassung aus der Haft in der DDR<br />

in die BRD keinerlei Gelegenheit genutzt hatte — obwohl er<br />

dazu vielfach aufgefordert und ermuntert worden war — eine<br />

Anzeige zu erstatten oder zumindest zu informieren, ihm sei<br />

Rechtswidriges geschehen, etwa im Rahmen des Bundesnotaufnahmeverfahren<br />

im Beisein eines Rechtsanwalts der<br />

bundesdeutschen Rechtsschutzstelle sowie trotz ausdrücklicher<br />

Aufforderung gegenüber der Zentralen Erfassungsstelle<br />

in Salzgitter.Ausdrücklich wurde dort nach Erlebnissen<br />

in der Haft gefragt und nach möglichen Verfahrensverstößen<br />

und nach den Namen der am Verfahren beteiligten Personen,<br />

Staatsanwälte und Richter geforscht. Nichts kam von dem<br />

„Geschädigten“. Offensichtlich waren ihm zu diesem<br />

Zeitpunkt „Nötigung“ und „Erpressung“, z.B. durch Schläge<br />

bei der Vernehmung, wie jetzt behauptet, überhaupt nicht<br />

bewusst! Gleichzeitig machte Niebling durch kriminalistische<br />

217


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

und gerichtsmedizinische Vergleiche und Argumente auf<br />

Widersprüche zwischen Aussagen und amtlichen<br />

Attestierungen aufmerksam und belegte die außerordentlich<br />

fragwürdige Vernehmungsführung und Protokollierung der<br />

Aussagen des „Geschädigten“ durch die Ermittlungsbehörden,<br />

— des übrigens einzigen Beweisstücks im Verfahren,<br />

dessen gleichzeitige Fragwürdigkeit dem Staatsanwalt offenbar<br />

überhaupt nicht untergekommen war.<br />

Und letztlich verwies Niebling in seinem Schlussvortrag in<br />

Bezug auf die „Nötigung“:<br />

„Wozu hätte ich ihn denn nötigen sollen? Er war<br />

doch — so schlussfolgere ich heute — geständnisfreudig.<br />

Offensichtlich brauchte ich nur die<br />

Antworten zu protokollieren.<br />

Gestanden hatte er ja bereits alles Wesentliche,<br />

nicht mir gegenüber, weit früher und einem anderen<br />

Untersuchungsführer. Die alten Ermittlungsakten,<br />

die Beurteilungen, nicht des MfS, sprechen<br />

Bände über Herrn K.“<br />

Und bemerkte darüber hinaus:<br />

„Woher nehmen Sie, Herr Staatsanwalt, Ihre<br />

Erkenntnisse, dass in den Anfangsjahren in den<br />

MfS-Untersuchungshaftanstalten geschlagen wurde?<br />

Das hält doch keiner ernsthaften Prüfung stand!<br />

Noch einmal: Ich war kein solcher Einzelfall, ich<br />

eigne mich nicht für einen exemplarischen Fall.<br />

Es gibt sehr viele Zeugen, die das Gegenteil<br />

beweisen können, das kennen Sie natürlich auch:<br />

Hunderte Spione des BND, der CIA oder aller möglichen<br />

anderen Geheimdienste können bezeugen,<br />

wie sie behandelt wurden. Die meisten Vernehmer<br />

des MfS würden heute zum Bier eingeladen, das betrifft<br />

auch mich, wie ich in der Pause erlebte.<br />

3.400 Besuche von Diplomaten, die ihre inhaf-<br />

218


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

tierten Landsleute in der Untersuchungshaftanstalt<br />

des MfS Magdalenenstraße und in den UHA<br />

der 15 Bezirksverwaltungen des MfS besuchten. Es<br />

gab keine Signale über Übergriffe, und das wissen<br />

Sie sehr gut, dass sowas hohe diplomatische<br />

Wellen geschlagen hätte.<br />

Außerdem gab es 32.000 Häftlinge aus der DDR, die<br />

freigekauft wurden. Von keinem gab es derartige<br />

Signale.“<br />

Während der gesamten Zeit der DDR gab es nachweislich<br />

etwa 15.000 Privatbesuche durch Angehörige von<br />

Inhaftierten aus der BRD in MfS-Haftanstalten aufgrund<br />

beantragter und erteilter Sprecherlaubnis. In keinem<br />

Einzelfall gab es Beschwerden dieser Art. 69<br />

Die Staatsanwaltschaft sah dennoch — unabhängig vom<br />

Verlauf der Beweisaufnahme — den Tatbestand als erfüllt<br />

und beantragte eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und zwei<br />

Monaten mit zweijähriger Bewährung. 70<br />

Das Gericht war allerdings sichtlich um eine sachliche und<br />

objektive Verhandlung bemüht und vermochte dieser<br />

Linienführung nicht zu folgen. Es erkannte uneingeschränkt<br />

auf Freispruch. 71<br />

3. Unter der Überschrift „Häftlingsfreikäufe zur Auffüllung<br />

der DDR-Devisen“ und des „Zwangs zu Immobilienverkäufen“<br />

zu Gunsten von „SED-Bonzen“ wurde eine weitere<br />

Seite der Kriminalisierung des MfS aufgeschlagen, um die<br />

DDR in die Nähe der Praktiken der Faschisten gegen Juden<br />

zu rücken. Ausgangspunkt war die seinerzeit von Seiten der<br />

BRD angeregte und in Gang gesetzte Regelung, Häftlingen,<br />

die das nach der Haftverbüßung wünschten, unter bestimmten<br />

Bedingungen die Ausreise in die BRD zu gewähren.<br />

Verbunden war das mit finanziellen Leistungen an die DDR,<br />

219


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

was auf höchster Ebene vereinbart und durch die BRD zugesagt<br />

und übernommen worden war. Diese Regelungen knüpften<br />

an die im Rechtssystem der BRD und anderer kapitalistischer<br />

Staaten bekannten Regeln der Haftverschonung an.<br />

Damit verbunden war das legitime Interesse der DDR, vor<br />

dem endgültigen Verlassen des Landes bestehende Schuldund<br />

Vermögensverhältnisse der Betroffenen geregelt zu wissen,<br />

um möglichen Folgekonflikten vorzubeugen.<br />

Dafür sind in den Rechtsordnungen auch anderer Staaten<br />

nicht selten spezielle Regelungen vorgesehen, — immerhin<br />

handelte es sich um Entlassungen aus der Staatsbürgerschaft<br />

und — mangels bestehender Rechtshilfeabkommen mit dem<br />

aufnehmenden Staat — war die geordnete Regelung von<br />

Schuldverhältnissen anders kaum möglich.<br />

Angehörige des MfS hatten diese auf höchster Ebene getroffenen<br />

Entscheidungen insofern zu begleiten, als sie — zum<br />

Teil vorbereitend — aus der Sicht der Sicherheitsinteressen<br />

der DDR abzuprüfen waren.<br />

Die Abwicklung erfolgte zugleich unter Teilnahme des MdI<br />

und unter Einschaltung eines von beiden Staaten akzeptierten<br />

Anwalts (Prof. Dr. Vogel) auf der Grundlage von<br />

Rechtsvorschriften der DDR. 72<br />

Nach dem Untergang der DDR und der nunmehr einsetzenden<br />

explosionsartigen Steigerung der Immobilienpreise zeigten<br />

einst ausgereiste Personen entgegen ursprünglichen<br />

Erklärungen deutliches Interesse, die seinerzeit verkauften<br />

oder übertragenen Grundstücke zurück zu erhalten. Da dem<br />

ihre früheren Erklärungen entgegenstanden, beschuldigten<br />

sie nunmehr kurzerhand das MfS und Prof. Dr.Vogel, dem sie<br />

noch wenige Jahre zuvor wegen ihrer Interessenvertretung<br />

hohe Dankbarkeit bekundet hatten, sie zum Verkauf ihrer<br />

Immobilien erpresst zu haben.<br />

Nach einem über zweieinhalb Jahre dauernden Strafprozess<br />

220


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

mussten Prof. Dr. Vogel und der Mitangeklagte des MfS,<br />

Generalmajor Dr. Niebling, von den Anschuldigungen freigesprochen<br />

werden.<br />

Jahrelang diffamierende Berichterstattungen konnte dieses<br />

Urteil allerdings nicht korrigieren.<br />

Mit auffällig hohem Interesse wurde seit 1990 die<br />

Rehabilitierung von Prof. Dr. Robert Havemann und die<br />

gleichzeitige Strafverfolgung von Angehörigen der Justiz der<br />

DDR betrieben, die seinerzeit an zwei gerichtlichen<br />

Verfahren gegen Robert Havemann beteiligt gewesen waren.<br />

Strafverfolgungen wurden zugleich gegen Mitarbeiter des<br />

MfS eingeleitet, die angeblich an den Strafverfahren gegen<br />

ihn beteiligt gewesen sein sollten.<br />

Robert Havemann war im November 1979 — inzwischen als<br />

Kopf der inneren Opposition der DDR von den Medien der<br />

BRD und bundesdeutschen Akteuren des Kalten Krieges<br />

instrumentalisiert — zu einer gerichtlich ausgesprochenen<br />

Aufenthaltsbeschränkung verurteilt worden, und zwar bezogen<br />

auf sein Wohnhaus.<br />

Damit sollten zuvor bereits eingeleitete Absperrungen seines<br />

Wohnhauses gegen den Zugang westlicher Journalisten, die<br />

zunächst auf polizeirechtlicher Grundlage entschieden worden<br />

waren, nunmehr durch Gerichtsbeschluss unterlegt und sanktioniert<br />

werden. Dem lag ein Beschluss des Rates des Kreises<br />

Fürstenwalde und ein Antrag des Kreisstaatsanwaltes zugrunde.<br />

Letzterer wurde von einem Angehörigen der Generalstaatsanwaltschaft<br />

angeleitet. Ein Ermittlungsverfahren des<br />

Untersuchungsorgans des MfS in dieser Sache gab es nicht.<br />

Bereits wenige Tage nach der gerichtlichen Entscheidung<br />

wurde diese Maßnahme gelockert, so dass Havemann selbst<br />

— zwar unter Kontrolle stehend — auch seinen Wohnort verlassen<br />

und sich frei bewegen konnte.<br />

221


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

Seine häufig gegen die DDR gerichteten Handlungen wurden<br />

durch das U-Organ des MfS zwar als straftatverdächtig<br />

eingeschätzt, jedoch wurden in keinem Falle gegen ihm<br />

Strafverfahren eingeleitet. Alle diesbezüglichen Vorschläge<br />

blieben unverwirklicht.<br />

Über seine im Zusammenwirken mit westlichen Journalisten<br />

verfassten Schriften, die sich gegen die DDR-Führung richteten,<br />

über seine Kontakte zu Personen, die im Verdacht standen,<br />

für westliche Geheimdienste gegen die DDR zu arbeiten<br />

und über weitere damit zusammenhängende Aktivitäten<br />

hatte der Minister für Staatssicherheit ständig Mitglieder des<br />

Politbüros des ZK der SED und vornehmlich den Generalsekretär<br />

Honecker zu unterrichten.<br />

Das erfolgte ebenfalls, und zwar besonders detailliert, über<br />

den Ablauf der oben genannten Maßnahmen am Kreisgericht<br />

Fürstenwalde, zumal dies erweiterte internationale Öffentlichkeitswirkungen<br />

erwarten ließ, was die internationalen<br />

Positionen der DDR beeinträchtigen konnte.<br />

Später in der Gauck-Behörde aufgefundenen MfS-Informationen<br />

über Einschätzungen der gerichtlichen Vorhaben,<br />

zu erwartende Verhaltensweisen Havemanns, Berichte über<br />

Absicherungsmaßnahmen zur vorbeugenden Verhinderung<br />

von Provokationen während der Gerichtsverhandlungen,<br />

Abläufe und Ergebnisse justizieller Maßnahmen usw., die<br />

ausnahmslos für den internen Dienstverkehr bestimmt<br />

waren, erhielten nunmehr aber, maßgeblich durch einen bei<br />

dieser Behörde angestellten Gutachter, eine völlig andere<br />

inhaltliche Interpretation und rechtliche Bewertung. Informationen,<br />

die vom MfS in Erfahrung gebrachte justizielle<br />

Vorhaben beschrieben und je nach Inhalt mit „Konzeption“<br />

oder „Maßnahmeplan“ überschrieben waren, wurden plötzlich<br />

zu „Drehbüchern“ des MfS uminterpretiert, die an<br />

gerichtlichen Verfahren beteiligten Angehörigen der Justiz<br />

wurde zu Statisten des MfS und die auf der Grundlage der<br />

222


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

gesetzlichen Bestimmungen der DDR unangreifbaren<br />

Gerichtsverfahren und gerichtlichen Entscheidungen wurden<br />

zu Scheinprozessen uminterpretiert.<br />

Der diesmal erhoffte Nachweis der „Steuerung“ anderer<br />

Staatsorgane durch das MfS als „Staat im Staate“ schien<br />

erbracht.<br />

In einem zweieinhalb Jahre andauernden Verfahren vor dem<br />

Landgericht Frankfurt/Oder wurden unzählige Blatt interner<br />

Schriftstücke mit und ohne Herkunftsnachweis gewälzt, mehrere<br />

Gutachter dazu gehört, ehemaliger Mitarbeiter des MfS<br />

als Zeugen geladen, und das alles in einem solchen Umfange,<br />

dass ein Angeklagter während der vielen ihn überhaupt nicht<br />

berührenden Verhandlungstage sich zu der Frage veranlasst<br />

sah, ob er sich in der richtigen Verhandlung befände.<br />

Auch in der Zeugenvernehmung des Verteidigers Havemanns,<br />

Gregor Gysi, drängten die Fragestellungen nicht auf<br />

Sachverhaltsklärungen sondern darauf, ihm konspirative<br />

Verbindungen zum MfS, zumindest außerjustizielle Kungeleien<br />

mit SED-Instanzen zum Nachteil seines Mandanten<br />

nachzuweisen, was sich als völlig haltlos erwies.<br />

Schließlich gelangte das Gericht nach Ausschaltung aller<br />

dagegen sprechenden Verdachtshinweise und Einschätzungen<br />

zu der Feststellung, dass die an den damaligen<br />

Gerichtsverfahren gegen Havemann beteiligten — nunmehr<br />

angeklagten — Richter und Staatsanwälte nicht die Spur<br />

einer Kenntnis von „Drehbüchern“ des MfS hatten. Weil<br />

ihnen die provokanten Haltungen Havemanns und das westliche<br />

Interesse an ihm bekannt war, hatten sich die heute<br />

angeklagten Juristen damals eine besonders exakte rechtliche<br />

Vorgehensweise auferlegt und ihr Vorgehen besonders sorgfältig<br />

geplant.<br />

Das Gericht gelangte mit einer umfassenden Begründung<br />

zum Freispruch für alle Angeklagten.<br />

Ohne die Beweisführung widerlegen zu können, hob der 5.<br />

223


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

Strafsenat des BGH dieses Urteil auf. Öffentliche Aufgebrachtheiten,<br />

Delegitimierungsjuristen, „Opfer“ der SED,<br />

ehemalige Bürgerrechtler mit bekannten Namen trugen<br />

sicher dazu bei.<br />

Das aufhebende Urteil bezog sich auf die von der<br />

Staatsanwaltschaft übernommene Erfindung und Bewertung<br />

des Gutachters der Gauck-Behörde zu Drehbüchern, MfS-<br />

Willkür, Scheinprozessen und Statisten in der Justiz, die zentral<br />

gelenkt werden mussten. Unbeachtet blieb, dass das<br />

Gutachten des Dr. Vollnhals in Prozess vor dem Landgericht<br />

Frankfurt/Oder bis auf die Verlesung aufgefundener Schriftstücke<br />

auf Einspruch der Verteidigung abgelehnt worden<br />

war, weil es unbewiesene Behauptungen und Wertungen enthielt,<br />

zu denen der Gutachter weder Kompetenz noch<br />

Befugnis besaß.<br />

Der 5. Strafsenat entwickelte eine die bisherige Rechtsprechung<br />

ausdehnende Auffassung, wonach Richter schon<br />

dann rechtsbeugerisch tätig wären, wenn sie annehmen müssten,<br />

dass sie im Sinne der Auffassungen zentraler Behörden<br />

handeln, auch ohne darüber informiert zu sein.<br />

Damit wurde die Verfolgung auf alle irgendwie an der operativen<br />

Überwachung beteiligten MfS-Angehörigen erweitert,<br />

die dieses Gericht als „Drahtzieher“ sehen wollte.<br />

In einem zweiten Prozess gegen noch verhandlungsfähige<br />

Angeklagte des ersten Verfahrens, nunmehr vor dem<br />

Landgericht Neuruppin, wurden zwei Staatsanwälte — ohne<br />

an den Tatsachenfeststellungen des ersten Verfahrens etwas<br />

ändern zu können — nunmehr, den urteilsaufhebenden Vorgaben<br />

des BGH folgend, verurteilt.<br />

In einem willkürlichen Auswahlverfahren bezüglich der<br />

Erhebung von Anklagen zu über ca. 30 eingeleitete Ermittlungsverfahren<br />

gegen MfS-Mitarbeiter wurden schließlich<br />

gegen zwei ehemalige Angehörige des Untersuchungsorgans<br />

Anklage erhoben. Sie wurden angeschuldigt, die Verfahren<br />

224


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

gegen Havemann vorbereitet und gebilligt zu haben. Dies,<br />

obwohl im Falle der Aufenthaltsbeschränkung gegen<br />

Havemann kein Ermittlungsverfahren vorlag und in einem<br />

zweiten Verfahren wegen Verletzung des Devisengesetzes der<br />

DDR die Untersuchungen durch das Untersuchungsorgan<br />

der Zollverwaltung der DDR, den Zollfahndungsdienst,<br />

geführt worden waren, — beim MfS also in beiden Fällen<br />

kein Ermittlungsverfahren geführt worden war.<br />

Für die Hauptverhandlung im Landgericht Moabit war der<br />

Saal 500 vorgesehen, in dem auch Mitglieder des Politbüros<br />

der SED mit Erich Honecker an der Spitze vorgeführt worden<br />

waren. Da aus nicht bekannten Gründen zeitgleich der<br />

Prozess gegen den Staatssekretär für Sport, Manfred Ewald,<br />

festgelegt und die Dopinganwürfe weltweit noch spektakulärere<br />

Anprangerung gegen die DDR erwarten ließen, erfolgte<br />

die <strong>Verlag</strong>erung der Hauptverhandlung gegen die beiden<br />

übrigen MfS-Angehörigen (ein Angeklagter war kurz zuvor<br />

gestorben) in einem anderen Saal.<br />

Erwartete Sensationen blieben aus. Die „drehbuchartige<br />

Steuerung der Justiz“ im Falle Havemann fand keine<br />

Bestätigung. Ein Angeklagter, damals in untergeordneter<br />

Stellung tätig gewesen, wurde freigesprochen.<br />

Das Urteil des Bundesgerichtshofes mit der bereits angeführten<br />

Strafausdehnung auf das MfS schwebte über dem Gericht.<br />

Ein weitere Freispruch hätte die dort vertretene „Drahtzieherrolle“<br />

des MfS aufgehoben. Ein Urteil musste her.<br />

Ein Kurzzeichen „Cob“ auf einer internen Rechtsauskunft zu<br />

Möglichkeiten, wie die bereits laufende polizeiliche<br />

Beschränkung auf sein Grundstück gerichtlich sanktioniert<br />

werden kann, diente als Corpus delicti.<br />

Den Aussagen Coburgers, der dieses Schriftstück nach dem<br />

Prozess vom Büro des Ministers für Staatssicherheit als<br />

Vertreter des abwesenden Hauptabteilungsleiters IX (Untersuchungsorgan)<br />

zur Ablage erhielt, mit seinem Kurzzeichen<br />

225


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

versah und zusätzlich mit dem Vermerk IX/2 in die Ablage<br />

dieser Abteilung verfügte, wurde nicht geglaubt.<br />

Es wurde unterstellt, er habe dieses Schriftstück an seine<br />

Vorgesetzten geschickt, durch sein Kurzzeichen gebilligt und<br />

dadurch geholfen, das Verfahren gegen Havemann auf nicht<br />

aufgeklärtem Wege in Gang gesetzt zu haben.<br />

Es wurde weiter unterstellt, er habe die Rechtswidrigkeit der<br />

Anwendung der in der Rechtsauskunft benannten Verordnung<br />

gekannt und gewollt, dass die „instrumentalisierten<br />

Richter und Staatsanwälte“ dies umsetzen.<br />

Dazu ist zu bemerken, dass der BGH in dem bereits angeführten<br />

Urteil annähernd zehn Jahre nach dem Anschluss<br />

entgegen der bisherigen Rechtsauffassung der DDR eine<br />

Konstruktion aufbaute, die „bewies“, dass gegen Havemann<br />

seinerzeit das Recht falsch angewendet worden sei — und das<br />

sollte der Angeklagte Coburger gewusst haben!<br />

Diese Verurteilung fiel sogar Beobachtern und Zuhörern des<br />

Verfahrens als vorbestimmt und politisch gewollt auf, ohne<br />

Rücksicht auf die Wahrheitsfindung.<br />

Um den Angeklagten Dr. Coburger auch in das Verfahren<br />

gegen Havemann wegen seiner Devisenvergehen in der<br />

DDR einzubeziehen, zog die Anklagebehörde Beschuldigungen<br />

bei, die nicht ihn sondern andere Personen betrafen. Da<br />

diese „Kunstfehler“ das Gericht in größte Beweisnot brachte,<br />

regte es an, diese Teile der Anklage fallen zu lassen, was dann<br />

auch unverzüglich erfolgte.<br />

Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Berlin lehnte<br />

der BGH ab, milderte jedoch die Strafe, weil die<br />

Staatsanwaltschaft für ihre Stellungnahme 1,4 Jahre brauchte<br />

und es im übrigen eine einfache Beihilfe gewesen sei, die<br />

lange zurückliegt.<br />

Einen Wiederaufnahmeantrag verwarf die 3. Große Strafkammer<br />

des Landgerichts Berlin. Sie lehnte die Angaben der<br />

226


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

sieben Zeugen als ungeeignet ab, obwohl diese in der<br />

Gesamtheit die Aussagen des früheren Angeklagten als wahrheitsgemäß<br />

bestätigten. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren<br />

lehnte das Gericht die Ladung der meisten Zeugen ab.<br />

Entlastungen waren wohl nicht erwünscht.<br />

Die Zusammenhänge um Havemann, eines der wenigen<br />

brauchbaren Symbole der DDR-Opposition, war aus mehreren<br />

Gründen geeignet, Stoff für die „Widerstandspflege“ und<br />

den „Unrechtscharakter“ der DDR zu liefern.<br />

Er war trotz umstrittener Seiten seines Lebens ein gemeinsam<br />

mit E. Honecker in der Zeit des Faschismus im<br />

Zuchthaus Brandenburg eingekerkerter Widerstandskämpfer,<br />

später führendes SED-Mitglied, im Ergebnis der<br />

Veröffentlichungen des XX. Parteitags der KPdSU schließlich<br />

zum Kritiker und Gegner des gesellschaftlichen Systems<br />

der DDR geworden. Im Zusammenwirken mit westlichen<br />

Journalisten brachte er es zu über 100 Veröffentlichungen<br />

gegen die DDR.<br />

Durch seinen Tod noch zu Zeiten der DDR konnte er sich<br />

nicht mehr, wie andere Überlebende (z.B. Bahro, Harich)<br />

gegen die nach dem Anschluss inszenierte „Aufarbeitung“<br />

des „staatlich gesteuerten Unrechts unter einer Diktatur“,<br />

wie es die einstmalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts<br />

Prof. Dr. Jutta Limbach formulierte, wehren.<br />

Ein williger, aufstrebender Gutachter war gefunden, das<br />

Szenario war möglich geworden. Durch willkürliche<br />

Ausdehnungen von bisherigen Rechtsauffassungen zu staatlicher<br />

Rechtsbeugung in der DDR wurde nun auch auf diesem<br />

Gebiet das gewünschte Ziel der Delegitimierung<br />

erreicht.<br />

227


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

8. Kriminalisierung von Inoffiziellen Mitarbeitern<br />

Auf unterschiedliche Maßstäbe bei der Strafverfolgung<br />

von inoffiziellen Mitarbeitern (IM) des<br />

MfS wurde hingewiesen.<br />

Gegen IM, die als Staatsbürger der BRD oder Westberlins zu<br />

geheimdienstlichen Aufklärungs- und Abwehraufgaben eingesetzt<br />

waren, richtete sich das Strafrecht mit uneingeschränkter<br />

Härte. Ursprüngliche, auf den Grundsätzen der<br />

Gleichheit, der Vernunft und den Prinzipien des Zusammenwachsens<br />

beider deutscher Staaten und seiner Bevölkerungen<br />

aufbauende Amnestievorstellungen hatten aus kurzsichtigen,<br />

wahltaktischen und populistischen Erwägungen der<br />

Parteien der alten Bundesländern, — insbesondere der SPD<br />

— eine Abfuhr erhalten. Es wurde das Schwarz-Weiß-Bild<br />

von der bösen DDR und der unbefleckten BRD entsprechend<br />

den bisherigen westdeutschen Dogmen des Kalten<br />

Krieges beibehalten und eine bislang in der Welt einmalige<br />

Strafverfolgung in Gang gesetzt.<br />

Kundschafter des MfS erhielten wegen Landesverrats oder<br />

geheimdienstlicher Agententätigkeit Strafen von bis zu 12<br />

Jahren Freiheitsentzug sowie hohe Geldbußen und Verfallsgelder,<br />

verbunden mit immensen Gerichtskosten aufgebürdet.<br />

Ihre soziale Existenz wurde in der Regel gezielt zerstört.<br />

Sie wurden öffentlich als Spitzel und Verräter beschimpft,<br />

verleumdet und ausgegrenzt und erhielten Berufsverbot.<br />

In vorauseilendem Gehorsam, — einer für die bürgerliche<br />

deutsche Justiz bekanntlich typischen Haltung — gab es<br />

sogar ernsthafte Bestrebungen, gezahlte geheimdienstliche<br />

Zuwendungen des MfS steuerlich zu veranlagen und<br />

Steuerstrafverfahren einzuleiten; die Kundschafter hätten<br />

demnach ihre geheime Tätigkeit jährlich mit der Steuererklärung<br />

den bundesdeutschen Finanzämtern anmelden<br />

müssen, wenn ihnen daraus Geld zugeflossen war.<br />

228


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Viele Kundschafter hatten übrigens aus der Überzeugung,<br />

etwas für den Frieden und gegen die Wiederaufrüstung der<br />

BRD zu tun und die DDR zu unterstützen, abgelehnt, für<br />

ihre Zusammenarbeit mit dem MfS Geld anzunehmen.<br />

Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit seiner Grundsatzentscheidung<br />

vom 15. Mai 1995 verschiedene Strafkategorien<br />

für Mitarbeiter und IM des MfS geschaffen hatte,<br />

gerieten auch ehemalige DDR-Bürger, die als IM zeitweilig<br />

die alten Bundesländer zur Durchführung von Aufträgen aufgesucht<br />

hatten, in den Kreis der gerichtlich zu Verfolgenden.<br />

Das betraf vor allem Kuriere sowie IM, die konspirative<br />

Ermittlungen und Beobachtungen zu Personen geführt hatten,<br />

um deren Straftaten gegen die DDR aufklären zu helfen. 73<br />

Es soll in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben,<br />

dass sich im Regelfall Offiziere des MfS schützend vor ihre<br />

früheren IM stellten und sich weigerten, belastende Aussagen<br />

zu machen oder operative Zusammenhänge zu offenbaren,<br />

die zu Belastungen missbraucht werden könnten. Hiervon<br />

abweichende Einzelfälle bestätigen diese Regel.<br />

Für ihr standhaftes Verhalten wurden Offiziere des MfS in<br />

Haft genommen und man versuchte, mittels sogenannter<br />

„Beugehaft“, einem im Recht der BRD noch bestehenden<br />

Relikt mittelalterlicher Inquisition, Aussagen zu erzwingen.<br />

Signifikant ist der Fall der Verhaftung des Mitarbeiters des<br />

MfS Oberst Manfred Sommer.<br />

Er sollte 1993 den inzwischen 85jährigen früheren zeitweiligen<br />

Leiter der Rechtsberatungsstelle des „Untersuchungsausschuss<br />

freiheitlicher Juristen“ — einer vom amerikanischen<br />

Geheimdienst geführten Spionageorganisation — im<br />

Flüchtlingslager Marienfelde in Westberlin wegen dessen<br />

inoffizieller Zusammenarbeit mit dem MfS belasten. Weil er<br />

sich weigerte, wurde gegen ihn das mögliche Höchstmaß von<br />

6 Monaten Beugehaft verhängt. 74<br />

229


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

Die ehrenvolle und standhafte Haltung von Oberst Sommer,<br />

der auch die Beugehaft auf sich nahm, trug bei, die Verurteilung<br />

dieses hochbetagten früheren IM, der später als Angestellter<br />

im höheren Dienst der BRD im Gesamtdeutschen<br />

Institut am Fehrbelliner Platz gearbeitet und das MfS mit<br />

wertvollen Informationen versorgt hatte, zu verhindern.<br />

Gegen IM, die vorwiegend im Abwehrbereich innerhalb der<br />

DDR wirkten, wurden mit Hilfe der Gauck-Behörde alle<br />

erdenklichen Anstrengungen unternommen, Verfolgungen<br />

mit Hilfe des westdeutschen Strafrechts zu erreichen. Ihnen<br />

drohte nahezu die gesamte Breite der Verfolgung mit Ermittlungsverfahren,<br />

wie sie gegen hauptamtliche Mitarbeiter<br />

des MfS eingeleitet worden waren.<br />

Die Missachtung des Rechts der DDR und der Regelungen<br />

des Einigungsvertrages führten zur Anfechtung vieler<br />

Urteile.<br />

Wohl aus diesem Grunde traf der BGH am 29. April 1994 in<br />

einer Revisionsverhandlung eine Grundsatzentscheidung, in<br />

der er auch seine frühere Rechtsposition korrigierte. Der<br />

Sachverhalt betraf eine inoffizielle Mitarbeiterin, die 1988<br />

das MfS über eine gemeinschaftlich geplante Flucht ihrer drei<br />

Bekannten informierte und im Prozess dazu auch als Zeugin<br />

aufgetreten war.<br />

In der ursprünglichen Entscheidung, die in ihren Begründungen<br />

an die finstersten Zeiten des Alleinvertretungsanspruchs<br />

der BRD erinnerte, war festgeschriebengewesen, „dass für<br />

eine in der DDR zum Nachteil eines — dort ansässigen —<br />

DDR-Bürgers begangene politische Verdächtigung (§241a<br />

StGB) zur Tatzeit das Strafrecht der BRD gegolten“ habe.<br />

Der BGH konnte sich zwar nicht dazu durchringen, festzustellen,<br />

dass DDR-Bürger nur dem für sie geltenden DDR-<br />

Recht verpflichtet waren. Er unterstellte nur eine „Zwangs-<br />

230


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

lage“, in der sich DDR-Bürger befunden hätten, wenn ihnen<br />

das westdeutsche StGB und das StGB offensichtlich kollidierende<br />

Pflichten auferlegt hätte. 75<br />

Ein Präzedenzfall in der Verfolgung von IM sollte eine<br />

Zivilrechtsentscheidung in Sachsen werden. Vor dem<br />

Kreisgericht Kamenz hatte ein ehemaliger Abteilungsleiter<br />

des Justizministeriums der DDR seinen Neffen auf Schadensersatz<br />

verklagt, da dieser als IM des MfS seine Fluchtpläne<br />

„verraten“ hätte. Er sei infolge dessen in der DDR zu 2<br />

Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden, woraus<br />

ihm zudem ein materieller Schaden entstanden war<br />

(Verdienst- und Honorarausfälle, usw.). Im Februar 1993 verurteilte<br />

das Gericht den IM zu einem Schadensersatz von<br />

78.776,50 DM.<br />

Am 13. Juli 1993 bestätigte das OLG Dresden dieses Urteil.<br />

In seiner Begründung wird die als „Denunziation“ titulierte<br />

Strafanzeige als<br />

„nach allgemeinen Wertvorstellungen... besonders<br />

verwerflich“<br />

angesehen. Das OLG lehnte ausdrücklich ab, die nach DDR-<br />

Recht geltende Anzeigepflicht für bestimmte Delikte zu<br />

akzeptieren. DDR-Recht dürfe nicht zur Anwendung kommen,<br />

da es<br />

„mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen<br />

Rechts offensichtlich unvereinbar“<br />

ist, — eine offensichtlich besonders „rechtsstaatliche“ (oder<br />

auch spezifisch sächsische) Interpretation des Einigungsvertrages<br />

durch ein Gericht in den neuen Bundesländern.<br />

Der BGH hat mit Urteil vom 11. Oktober 1994 auf die<br />

Revision des Beklagten das Urteil des OLG Dresden aufgehoben<br />

und die Sache zur anderweitigen Entscheidung<br />

zurückverwiesen, weswegen die Sache in Dresden im April<br />

1995 erneut verhandelt wurde, allerdings mit gleichem<br />

231


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

Ergebnis wie zuvor. Die hiergegen erneut eingelegte<br />

Revision wurde vom BGH als unzulässig verworfen. 76<br />

In ersten Reaktionen verwiesen Befürworter und Kritiker<br />

der Entscheidung darauf, dass damit eine Welle von mindestens<br />

10.000 Folgeprozessen ausgelöst werden könnte.<br />

Inzwischen war aber im August 1994 in Berlin in gleicher<br />

Sache gegen den Betroffenen (Strafverfahren wegen „politischer<br />

Verdächtigung“) vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten<br />

auf Freispruch erkannt worden, so dass zivilrechtlich eine<br />

Schadensersatzforderung wegen unerlaubter Handlungen<br />

gegen ihn erhoben wurde, die ein Strafgericht eben nicht als<br />

solche ansah, — hier ging man eben von einer Strafanzeige<br />

infolge gesetzlicher Anzeigepflicht aus. Dies um so mehr, als<br />

der Betroffene — ein ehemaliger Pilot der NVA — erklärte,<br />

er habe das Ansinnen seines Onkels zum illegalen Verlassen<br />

der DDR mit seiner Hilfe mittels eines Agrarflugzeugs angesichts<br />

dessen hoher gesellschaftlicher Stellung (Berater des<br />

Justizministers) als mögliche Provokation der Sicherheitsorgane<br />

aufgefasst und habe deswegen vorsorglich Anzeige<br />

erstattet.<br />

Auch die erneute Verhandlung des Verfahrens gegen ihn im<br />

März 1995 veränderte die Sachlage nicht, wenngleich im<br />

Resultat auf eine Bewährungsstrafe von 10 Monaten erkannt<br />

wurde:<br />

„Das Anzeigen der geplanten Republikflucht...<br />

war nach geltendem DDR-Recht, das auch für die<br />

heutige Verurteilung herangezogen werden muss,<br />

nicht strafbar“,<br />

zitierte ein Prozesskommentator die erkennende Richterin,<br />

und führte weiter aus:<br />

„Unrecht, auch nach DDR-Gesetzen, sei jedoch<br />

gewesen, dass er fortan für die Stasi als<br />

Lockvogel arbeitete.“<br />

232


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

womit denn gelungen wäre zu unterstellen, dass die Tätigkeit<br />

von Inoffiziellen Mitarbeitern für ein Sicherheitsorgan der<br />

DDR nach DDR-Recht eine Straftat gewesen sein soll — was<br />

denn für sich genommen schon ein überzeugender juristischer<br />

Purzelbaum wäre. Die vom Beschuldigten dagegen eingelegte<br />

Revision führte zu dessen Freispruch. 77<br />

Inoffizielle Mitarbeiter des MfS werden bis in die Gegenwart<br />

ohne Rücksicht auf persönliche oder gesellschaftliche<br />

Auswirkungen gezielt, zumeist durch von der Gauck-<br />

Behörde initiierte Medienkampagnen an die Öffentlichkeit<br />

gezerrt und brüskiert.<br />

Opfer derartiger Aktionen sind zumeist Personen, die öffentlich<br />

bekannt geworden, politisch<br />

aktiv oder im öffentlichen Dienst tätig sind oder in Parteien<br />

Wahlfunktionen einnehmen.<br />

Sie werden als „Spitzel“, „Zuträger“ und „Schnüffler“ diffamiert,<br />

ohne wahrheitsgemäß ihre tatsächlichen Einsatzaufgaben<br />

zu nennen und zu erwähnen, dass sie damals einen<br />

ehrenvollen Beitrag zur Sicherung der DDR und zum Schutz<br />

ihrer Bürger vor der Vorbereitung und Durchführung verbrecherischer<br />

Anschläge leisten wollten.<br />

Es wird auch unterschlagen, dass sie ihrem Staat so verbunden<br />

waren, dass sie in der Regel jegliche finanziellen<br />

Zuwendungen ablehnten.<br />

Ihnen wurde Vertrauensmissbrauch gegenüber Freunden<br />

unterstellt, jedoch unterschlagen, welche Vertrauensmissbräuche<br />

diese ihnen gegenüber und gegenüber der DDR<br />

begingen durch eventuelle Verbindungen zu ausländischen,<br />

gegen die DDR tätige Zentren.<br />

Ohne Interesse an einer objektiven Aufklärung der Zusammenhänge<br />

wurden nicht zählbare Biographien zerstört<br />

und die betreffenden ehemaligen IM in die Arbeitslosigkeit<br />

233


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

und das soziale Abseits getrieben. Verbreitete Denunziationen<br />

und Lügen blieben bis auf wenige Ausnahmen, bei denen<br />

auf umständlichen und kostenintensiven Wegen die Wahrheit<br />

durchgesetzt werden konnte, ohne Korrektur und damit im<br />

Gedächtnis nicht eingeweihter Dritter haften.<br />

Den an den Pranger gestellten IM wird scheinheilig vorgeworfen,<br />

sie hätten sich besser selbst „outen“ können, — im<br />

Wissen darum, dass sie erwarten konnten, dass das am Verfahren<br />

und den Wirkungen nichts ändert. Parallelen zur<br />

mittelalterlichen Hexenprüfung mittels Wasserprobe drängen<br />

sich förmlich auf: ertrank die ins Wasser geworfene vermutliche<br />

Hexe, war sie unschuldig, schwamm sie, wurde sie als<br />

Hexe verbrannt. So oder so war man die missliebige Person los.<br />

Es ist nicht bekannt, wieviele der auf diese Weise öffentlich<br />

hingerichteten IM dem Druck nicht standhielten und aus<br />

dem Leben schieden.<br />

„Mir fehlt die Kraft zum Kämpfen und zum Leben. Sie ist mir<br />

mit der neuen Freiheit genommen worden. Ich habe Angst<br />

vor der Öffentlichkeit, wie sie von Medien geschaffen wird<br />

und gegen die ich mich nicht wehren kann.<br />

Ich habe Angst vor dem Hass, der mir im Bundestag entgegenschlägt,<br />

aus Mündern und Augen und Haltung von<br />

Leuten, die vielleicht nicht einmal ahnen, wie unmoralisch<br />

und erbarmungslos das System ist, dem sie sich verschrieben<br />

haben.<br />

Sie werden den Sieg über uns voll auskosten. Nur die vollständige<br />

Hinrichtung des Gegners gestattet es ihnen, die<br />

Geschichte umzuschreiben und von allen braunen und<br />

schwarzen Flecken zu reinigen. Solange es die PDS gibt, wird<br />

es auch den Stachel geben, der die Erinnerung an einen<br />

Versuch der Alternative und an die eigene Vergangenheit seit<br />

dem Zweiten Weltkrieg wachhält,“<br />

schrieb der Bundestagsabgeordnete der PDS und frühere<br />

Hochschullehrer für Staatsrecht der Friedrich-Schiller-<br />

234


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Universität Jena, Prof. Dr. jur. habil. Gerhard Riege, seit<br />

1990 Mitglied der Volkskammer der DDR, in seinem<br />

Abschiedsbrief.<br />

Er hatte das Inquisitionsklima und die Drangsalierungen<br />

wegen seiner „Stasi-Tätigkeit“ in Jugendjahren nicht mehr<br />

ertragen können, von denen auch eine Reihe von<br />

Bundestagsdebatten beredtes Zeugnis legen. 78<br />

Eine frühere IM-Tätigkeit für das MfS wird seit Jahren<br />

bevorzugt als Wahlkampfkeule gegen den jeweiligen politischen<br />

Widersacher oder gegen Personen genutzt, die aus<br />

bestimmten Positionen gedrängt werden sollen.<br />

Allgemein bekannte Fälle sind die des letzten Ministerpräsidenten<br />

der DDR, Dr. Lothar deMaiziere (CDU), des<br />

Mitbegründers und Vorsitzenden der SDP in der DDR<br />

Ibrahim Böhme und des Rechtsanwalts Schnur, der es in kurzer<br />

Zeit bis zum Stellvertretenden Vorsitzenden der CDU<br />

gebracht hatte. In politisch besonders interessierenden Fällen<br />

wurden — ohne Nachweis einer IM-Tätigkeit — Unterlagen<br />

des MfS genutzt, sie aus der Sicht des Gegners der DDR neu<br />

zu bewerten und so mit Hilfe der Gauck-Behörde jahrelange<br />

öffentliche Schlammschlachten gegen Persönlichkeiten wie<br />

Manfred Stolpe 79 oder Gregor Gysi 80 zu führen, ohne dass<br />

dabei in allen Fällen ein Ende abzusehen ist.<br />

Persönlichkeiten des wissenschaftlichen und gesellschaftlichen<br />

Lebens der DDR, die wie in jedem Staat notwendig<br />

auch offizielle Kontakte zu seinen Sicherheitsorganen unterhielten,<br />

wurden auch in Bezug auf diese normale Tätigkeit<br />

aus ihren Positionen entfernt und fanden in nicht wenigen<br />

Fällen nur noch im Ausland Arbeit, dort mit nicht wenig<br />

Anerkennung ihrer hervorragenden Leistungen. In der ehemaligen<br />

DDR wurden sie nicht selten durch nachgeordnete<br />

Leistungsträger aus der alten BRD ersetzt. 81<br />

235


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

9. Schlussbemerkungen<br />

Die Strafverfolgung von ehemaligen Mitarbeitern<br />

des MfS gehört zu einem der beschämendsten<br />

Vorgänge der Abrechnung der BRD mit einem gehassten<br />

und untergegangenen Gegner.<br />

Wenn auch durch die staatlichen Verfolgungsorgane ständig<br />

erklärt wird, unvoreingenommen und rechtsstaatlich unbefangen<br />

gehandelt zu haben, so widersprechen dem die<br />

Realitäten und Tatsachen deutlich: Die Verfolgung des<br />

ehemaligen Gegners im Kalten Krieg beruht auf ständiger<br />

Überdehnung des Strafrechts der BRD bis zur Rechtsbeugung,<br />

der Verletzung des Grundgesetzes und völkerrechtlicher<br />

Kernbereiche: der Menschenrechte, der Gleichheit vor<br />

dem Gesetz, dem Verbot rückwirkender Bestrafung, dem<br />

Recht auf Verteidigung und dem Recht auf ein faires<br />

Verfahren sowie vielfacher Brüche internationaler Verträge,<br />

besonders solcher, die zwischen der BRD und der DDR<br />

geschlossen worden waren.<br />

Mit jeder Bestrafung wurde die Siegerjustiz sichtbar, wobei<br />

stets der Versuch spürbar wurde, die DDR-Sicherheitsorgane<br />

den faschistischen Mordapparaten gleichzusetzen und von<br />

der eigenen dunklen Kontinuität der BRD zum Faschismus<br />

abzulenken.<br />

In dieser schnelllebigen Zeit fällt auf, dass das Thema MfS<br />

über zehn Jahre unermüdlich strapaziert werden kann, ohne<br />

unter Ermüdung zu leiden. Das erklärt sich nicht nur aus seinem<br />

besonderen Charakter als Geheimdienst und den davon<br />

ausgehenden „Reizen“ für den Bürger, bisher geheim<br />

Gehaltenes zu erfahren.<br />

Das Thema würde längst der Vergangenheit angehören, hätte<br />

die Brutalität der Wiedereinführung des kapitalistischen<br />

Systems nicht so schwerwiegende materielle Folgen und<br />

236


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Verluste für die Menschen der DDR gebracht. Zur<br />

Ablenkung von verfehlter Politik der neuen Machthaber<br />

wird allemal ein Sündenbock gebraucht, — in diesem Falle<br />

das MfS.<br />

Welche Blüten diese Politik und Ideologie treibt, zeigt, dass<br />

zwölf Jahre nach der Auflösung das MfS nun mit dem<br />

Terroranschlag vom 11. September 2001 in New York in<br />

Verbindung gebracht wird 82 oder dass einer Bürgerin in<br />

Dresden der Kauf eines Grundstücks verwehrt wird, weil sie<br />

früher IM des MfS gewesen sei.<br />

Alle diese rechtsstaatlich getarnte Willkür ist Bestandteil der<br />

Anstrengungen, jegliche für die gegenwärtige Gesellschaft<br />

möglicherweise gefährdenden Nachwirkungen der DDR<br />

materiell und in den Köpfen der Menschen auszuschalten.<br />

Es wäre unrealistisch, anzunehmen, dass sich in absehbarer<br />

Zeit Objektivität und Sachlichkeit beim Umgang mit dem<br />

Thema MfS durchsetzen würden.<br />

Das Ringen um die historische Wahrheit bleibt deshalb auch<br />

weiterhin Bestandteil des Kampfes gegen die anhaltende<br />

Ausgrenzung und Diskriminierung der ehemals hauptamtlich<br />

tätigen und der inoffiziellen Mitarbeiter des MfS.<br />

1 - Kinkel, Klaus: Begrüßungsansprache als damaliger Bundesminister der Justiz vor<br />

dem 15. Deutschen Richtertag am 23. September 1991 in Köln. In: DRiZ, Heft<br />

1/1992, S. 4 ff. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

2 - Erklärung von Gysi, Gregor, Vorsitzender der PDS, zur Tätigkeit des ehemaligen<br />

Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Eigene Verantwortung nicht durch<br />

Suche nach „Sündenböcken“ verdrängen.<br />

2 - „Neues Deutschland“, 17. April 1991, S. 10, Pkt. 6 (Zur Einschätzung des MfS als<br />

„verbrecherische Organisation“).<br />

237


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

3 - Grimmer, Reinhard / Irmler, Werner / Opitz, Willi / Schwanitz, Wolfgang (Hrsg.): Die<br />

Sicherheit. Zur Abwehrarbeit des MfS. Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das Neue Berlin,<br />

<strong>Verlag</strong>sgesellschaft mbH, Berlin, 2002.<br />

3 - Nationalrat der Nationalen Front (Hrsg.): Graubuch. Expansionspolitik und<br />

Neonazismus in Westdeutschland. Eine Dokumentation. 2. überarbeitete und<br />

erweiterte Auflage. Staatsverlag der DDR, Berlin, April 1967.<br />

4 - Erstes Strafrechtsänderungsgesetz (sog. „Blitzgesetz“), 30. August 1951, BGBl. I,<br />

S. 739.<br />

5 - Hannover, Heinrich: Die Republik vor Gericht. Bd. 1, 1954-1974; Bd. 2, 1975-1995;<br />

2. Auflage, Aufbau-<strong>Verlag</strong> GmbH, Berlin, 1998.<br />

6 - Vgl. dazu die inzwischen vorliegenden Publikationen, insbesondere:<br />

6 - Großmann, Werner: Bonn im Blick. Die DDR-Aufklärung aus der Sicht ihres letzten<br />

Chefs. Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das Neue Berlin, <strong>Verlag</strong>sgesellschaft mbH, Berlin,<br />

2001, S. 241 ff.<br />

6 - Gast, Gabriele:Kundschafterin des Friedens. 17 Jahre Topspionin der DDR im BND.<br />

Eichborn <strong>Verlag</strong> & Co. KG, Frankfurt a. Main, 1999, insbesondere Seiten 347 ff.<br />

6 - Wagner, Helmut: Schöne Grüße aus Pullach. Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das Neue Berlin,<br />

<strong>Verlag</strong>sgesellschaft mbH, Berlin, 2001, S. 165 ff.<br />

6 - Schalk-Golodkowski, Alexander: Deutsch-Deutsche Erinnerungen, Rowohlt-<strong>Verlag</strong><br />

Hamburg, 2000, insbesondere S. 311 ff., S. 7-36.<br />

7 - Wagner, Mathias: Das Stasi-Syndrom. Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das Neue Berlin,<br />

<strong>Verlag</strong>sgesellschaft mbH, Berlin, 2001.W., der am Aufbau der Gauck-Behörde in verantwortlicher<br />

Position beteiligt war, berichtet als Insider eindrucksvoll, wie aus<br />

einem ursprünglichen Archiv ein politisches Herrschaftsinstrument gemacht wurde.<br />

7 - Vgl. : Diestel, Peter Michael: McCarthy lässt brüderlich grüßen oder: Die Gauck-<br />

Behörde als Fortsetzung der Stasi mit anderen Mitteln. In: Zimmer, Jochen (Hrsg.):<br />

Das Gauck-Lesebuch. Eine Behörde abseits der Verfassung?, Eichborn-<strong>Verlag</strong> &<br />

Co., KG, Frankfurt a. Main, 1998, S. 57 ff.<br />

8 - Gast, Gabriele: Kundschafterin des Friedens, a.a.O. S. 197. (Fn. 6)<br />

9 - Suckut, Siegfried: Zehn Jahre Deutsche Einheit, Bundeszentrale für politische<br />

Bildung, Bonn, 2000, S. 131 ff.<br />

10 - Tiedge, Hansjoachim: Der Überläufer. Eine Lebensgeschichte. Das Neue Berlin,<br />

<strong>Verlag</strong>sgesellschaft mbH, Berlin, 1998.<br />

11 - Erstes Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht (1. SED-UnBerG) mit dem<br />

238


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger<br />

Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet — Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz<br />

— (StrRehaG), 29. Oktober 1992. In: BGBl. I, S. 1814, idFdB. vom 17.<br />

Dezember 1999. In: BGBl. I, S. 2664, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.<br />

Dezember 2001. In: BGBl. I, S. 3986;<br />

11 - Zweites Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht (2. SED-UnBerG), 23. Juni<br />

1994. In: BGBl. I, S. 1311 ff.<br />

12 - Vertrag zwischen der BRD und der DDR über die Herstellung der Einheit<br />

Deutschlands, Einigungsvertrag, 31. August 1990. In: GBl. I, Nr. 64, 28. September<br />

1990, S. 1629 ff. Vgl: BGBl. II, 1990, S. 889. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

13 - Gesetz über das Ruhen der Verjährung bei SED-Unrechtstaten<br />

(Verjährungsgesetz), 26. März 1993. In: BGBl. I, S. 392. Zweites Gesetz zur<br />

Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen bei SED-Unrechtstaten (Zweites<br />

Berechnungsgesetz), 27. September 1993. In: BGBl. I, S. 1657. Gesetz zur weiteren<br />

Verlängerung strafrechtlicher Verjährungsfristen (3. Verjährungsgesetz), 22.<br />

Dezember 1997. In: BGBl. I, S. 3223.<br />

13 - Gesetz über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen, 13. April 1965.<br />

In: BGBl. I, S. 315, zuletzt geändert durch das Erste Gesetz zur Reform des<br />

Strafrechts vom 25. Juni 1969. In: BGBl. I, S. 645. (Verfolgung von NS-Verbrechen<br />

in der (Alt-)BRD).<br />

14 - Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR<br />

(StUG), 20. Dezember 1991. In: BGBl. I, S. 2272, idF. vom 17. Juni 1999. In: BGBl.<br />

I, S. 1334 ff.<br />

15 - Blau, Joachim: Zum Ausbau des staatlichen Repressionsapparates seit Ende der<br />

sechziger Jahre. Institut für Marxistische Studien und Forschungen, Frankfurt a.<br />

Main, 1977, S. 39 ff.<br />

16 - Weitere Einzelheiten zur Tätigkeit der Untersuchungsorgane des MfS sowie<br />

Darstellungsbeispiele von in der DDR durchgeführten NS-Verfahren vgl.:<br />

Coburger, Karli / Skiba, Dieter: Die Untersuchungsorgane des MfS. In: Die<br />

Sicherheit. Zur Abwehrarbeit des MfS. Bd. 2, S. 426 u. 464 ff., a.a.O. (Fn. 3)<br />

17 - StPO/DDR, 2. Oktober 1952, Gesetz über das Verfahren in Strafsachen. In: GBl. I,<br />

S. 996 ff.;<br />

17 - StPO/DDR, 12. Januar 1968. In: GBl. I, S. 49, idNF. der StPO durch das Gesetz zur<br />

Änderung der StPO/DDR vom 19. Dezember 1974. In: GBl. I, 1975, S. 62, sowie idF.<br />

239


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

des 3. Strafrechtänderungsgesetzes vom 28. Juni 1979. In: GBl. I, Nr. 17, S. 139 ff.<br />

(Siehe Dokumentenanhang)<br />

18 - Rüter, Christiaan Frederick: DDR-Justiz und NS-Verbrechen. Bd. 1: Die Verfahren<br />

1975-1990, Bd. 2: Verfahrensregister und Dokumentenband (Sammlung ostdeutscher<br />

Strafurteile wegen NS-Tötungsverbrechen).Amsterdam University Press und<br />

K. G. Saur <strong>Verlag</strong>, 2002. Vgl.: Die Ostdeutschen Strafverfahren wegen NS-Tötungsverbrechen<br />

— ein Fachgespräch. Berlin, 25. Oktober 2002, Presse-Dokumentation.<br />

19 - Vgl.: Grimmer/Irmler/Opitz/Schwanitz: Die Sicherheit. Zur Abwehrarbeit des MfS.<br />

Bd. 1, S. 304, a.a.O. (Fn. 3)<br />

20 - Rothin, Ilona: Premiere der Mielke-Posse vor ausverkauftem Haus. Gegen Ex-<br />

Stasi-Chef Mielke beginnt am Montag der Prozess wegen Polizistenmordes / Justiz<br />

droht eine Blamage. „Berliner Zeitung“, 8./9. Februar 1992, S. 3.<br />

21 - Formulierung des Schuldvorwurfs idF. nach Müller-Enbergs / Wielgohs / Hoffmann:<br />

Wer war wer in der DDR. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, 2000, S. 615.<br />

22 - Angaben auf der Grundlage einer persönlichen Mitteilung von Dr. Schwanitz auf<br />

Anfrage.<br />

23 - LG-Urteil Berlin, 14. Mai 1993, AZ (2) StE 16/92-4 (1) 12/93. Gegen Dr. Coburger<br />

wurden nachfolgend eine Vielzahl von Ermittlungsverfahren eingeleitet. Er selbst<br />

weiß z.Zt. von neun eingestellten und einem gegenwärtig noch laufenden<br />

Verfahren, letzteres anhängig beim zweiten Großen Strafsenat am Landgericht<br />

Berlin (Revisionsverfahren).<br />

24 - Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der DDR und der BRD<br />

(Grundlagenvertrag), 21. Dezember 1972. In: Für Entspannung und dauerhaften<br />

Frieden in Europa. Dokumente. Herausgegeben vom Ministerium für Auswärtige<br />

Angelegenheiten der DDR (MfAA), Staatsverlag der DDR, Berlin, 1976, S. 100 ff.<br />

Vgl.: BGBl. II, 1973, S. 559. (Siehe Dokumentenanhang).<br />

24 - Vgl.: BVerfG-Urteil, 31. Juli 1973, AZ BvF 1/73, zum Gesetz vom 6. Juni 1973 zu<br />

dem Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der BRD und der<br />

DDR vom 21. Dezember 1972. In: BGBl. II, S. 421; BVerfGE Bd. 36, S. 1 ff.<br />

25 - Zur dubiosen Rolle des syrischen Geheimdienstes in dieser Sache fragte ein<br />

Beobachter rhetorisch: „Soll beim Prozess zu dem Sprengstoffanschlag auf das<br />

Maison de France in Berlin die syrische Verstrickung im Dunkeln bleiben?“<br />

Wallenberg, Markus: Shritah Nabil: „Ich war nicht der Häuptling der Botschaft“. In:<br />

ND, 15. Februar 1994.<br />

240


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

26 - Lambrecht / Müller / Sandmeyer:Auftrag Mord. „Der Stern“ Nr. 49/1993, S. 30 ff.,<br />

und Nr. 50/1993, S. 36 ff.<br />

27 - Persönliche Mitteilung des Betroffenen auf Anfrage des Verfassers.<br />

28 - Der bislang offenbar einzige Versuch einer objektiven Sachdarstellung zu diesem<br />

Ereignis ist die auf umfänglicher Recherche beruhende pitavalartige Darstellung<br />

von Eik, Jan (eigentlich: Helmut Eikermann): Besondere Vorkommnisse. Politische<br />

Affären und Attentate. <strong>Verlag</strong> Das Neue Berlin 1995, S. 155-188. Der Autor setzt<br />

sich auch überzeugend und scharfsinnig mit Skandalberichten in den Medien auseinander.<br />

Auf ihn wird vertiefend verwiesen.<br />

29 - Vgl.: Braumann, Marcel: Tote der Ostsee als Marktlücke: Eine Amokfahrt als<br />

Heldentat? Medienrummel um den Fall „Strehlow“ — die Parole von der „vergessenen<br />

Mauer“ und neue Prozesswelle gegen DDR-Grenzer. In: ND, 3. März 1993.<br />

Ein gewisser Müller, Bodo, der die Story zu einem Buch vermarktete, räumte allerdings<br />

in Bezug auf die Verurteilung Strehlows in der DDR — so Marcel Braumann<br />

— ein: „Wenn jemand in den USA ein Kriegsschiff entführt, wird es ihm wohl ähnlich<br />

ergehen“, was sicher keines Kommentars bedarf.<br />

30 - Zu den tatsächlichen Verhältnissen im Untersuchungshaftvollzug äußert sich<br />

umfassend Rataizik, Siegfried: Der Untersuchungshaftvollzug im MfS (Abt. XIX im<br />

MfS und in den BV). In: Grimmer/Irmler/Opitz/ Schwanitz (Hrsg.): Die Sicherheit.<br />

Zur Abwehrarbeit des MfS. Berlin, 2002, Bd. 2, S. 495 ff., a.a.O. (Fn. 3)<br />

31 - „TANGO“ Nr. 44 vom 27.Oktober 1994, S. 36-39. Unterlegt mit einem Kopf-Foto<br />

des Stellvertreters des Ministers für Staatssicherheit Dr. Neiber, Gerhard, in nahezu<br />

Lebensgröße wird verkündet: „Der Horror auf 86 Seiten: Die perfekte Anleitung<br />

zum Giftmord. In einer Geheimstudie der Stasi. TANGO zeigt das Dokument des<br />

Grauens“. Vgl.: Analoge, offenbar abgestimmte Meldung in „Berliner Zeitung“, 27.<br />

Oktober 1994, S. 11: „Geheime Datei beweist: Stasi wollte Babys töten“.<br />

Gegendarstellungen zur Sache, die der damalige Direktor der Sektion Kriminalistik<br />

an der Humboldt-Universität zu Berlin, der international geschätzte Prof. Dr.<br />

Stelzer, Ehrenfried den jeweiligen Redaktionen übersandte, wurden durch die<br />

Adressaten nicht veröffentlicht.<br />

31 - Vgl.: Statistisches Jahrbuch der DDR, 39. Jahrgang, Rudolf Hauf <strong>Verlag</strong> Berlin,<br />

1990, S. 434 f.<br />

32 - Unter Bezug auf die Rede des US-Senators Church, Frank, vom 4. Dezember 1975<br />

zu dem über 350 Seiten langen Abschlußbericht über CIA-Mordkomplotte gegen<br />

241


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

ausländische Politiker und in Auswertung des Berichts selbst („Alleged<br />

Assassination Plots Involving Foreingn Leaders“, Senat Select Committee to Studiy<br />

Governmental Operations with Respect to Intelligence Activities. U.S. Government<br />

Printing Office 1975) berichten Ilse und Horst Schäfer hierüber ausführlich. In:<br />

Schölzel, Arnold (Hrsg.): Das Schweigekartell. Fragen und Widersprüche zum 11.<br />

September. Edition Zeitgeschichte, <strong>Kai</strong> <strong>Homilius</strong> <strong>Verlag</strong>, Berlin, 2002, S. 213 ff.<br />

Dieser Bericht wurde als Grundlage der Darstellungen der Mordversuche der CIA<br />

gegen Fidel Castro auch im Rechenschaftsbericht des Zentralkomitees an den<br />

1. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas ausführlich zitiert. Das ZK der KP<br />

Kubas wertete damals die Veröffentlichung des Berichts „als eine positive Geste“<br />

der Senatskommission, trotz der Opposition des Präsidenten der USA und obwohl<br />

viele Tatsachen auf Druck der CIA verschwiegen werden mussten.<br />

32 - Vgl.: 1. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas, 17. und 18. Dezember 1975,<br />

Rechenschaftsbericht des Zentralkomitees. Dietz <strong>Verlag</strong> Berlin, 1976, S. 224-230.<br />

Bastian, Till: 55 Gründe, mit den USA nicht solidarisch zu sein und schon gar nicht<br />

bedingungslos. Pendo <strong>Verlag</strong> GmbH, Zürich, München, 2002, S. 53-54.<br />

33 - Bush gibt Mordbefehl. Wie aus Pressemeldungen unter Berufung auf die „New<br />

York Times“ vom 15. Dezember 2002 bekannt wurde, übergab Präsident Bush der<br />

CIA eine Namensliste von 24 der am meistgesuchten so genannten „Topp-<br />

Terroristen der Welt“, darunter Personen wie Bin Laden, Osama und dessen<br />

Stellvertreter el Sawahiri, Eiman, die aufzustöbern und in die USA zu bringen sind.<br />

Für den Fall, dass dieses zu gefährlich oder logistisch unmöglich ist, erteilte er den<br />

CIA-Agenten die Lizenz zur Ermordung dieser Personen, ohne weitere<br />

Rücksprache mit dem Weißen Haus nehmen zu müssen.<br />

33 - Experten gehen davon aus, dass sich diese Menschenjagd nicht nur auf Terroristen<br />

bezieht, sondern auch auf Personen, die den USA aus politischen Gründen „unliebsam“<br />

sind. So wird z.B. auf den philippinischen Professor Sison, José-Maria verwiesen,<br />

der 1968 als einer der Mitbegründer der Kommunistischen Partei (CPP) und<br />

deren erster Vorsitzender am Aufbau der Nationalen Demokratischen Front (NDF)<br />

beteiligt war. Unter der Diktatur von Präsident Marcus, Ferdinand verbrachte er<br />

fast neun Jahre im Gefängnis. Seit Ende der 80er Jahre lebt er im Exil in den<br />

Niederlanden und fungierte auch dort als Berater der NDF.<br />

33 - In: ND, 16.Dezember 2002; jW, 17. Dezember 2002.<br />

34 - Voss, Knut: Wissenschaftler als Mordgehilfen? Immer wieder Toxdat. Über die<br />

242


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Legenden um ein Vademecum für Kriminalisten, das im Jahr 1988 an der Berliner<br />

Humboldt-Universität entstand. In: jW, 27. August 1999.<br />

35 - Schäuble, Wolfgang: Der Vertrag. Wie ich über die deutsche Einheit verhandelte.<br />

Deutsche <strong>Verlag</strong>s-Anstalt, Stuttgart, 1991, S. 270. Vgl.: Braun, Edgar / Engelhardt,<br />

Heinz / Möller, Günter / Niebling, Gerhard: Eine notwendige Empfehlung zur<br />

Nachlese. In: Die Sicherheit. Zur Abwehrarbeit des MfS. Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das<br />

Neue Berlin, <strong>Verlag</strong>sgesellschaft mbH, Berlin, 1. Auflage 2002, Bd. 1, S. 38 ff.<br />

36 - „Spiegel“-Gespräch mit Richard von Weizsäcker: Das Strafen muss ein Ende<br />

haben. In: „Der Spiegel“ 4/1995, S. 22 ff.<br />

37 - Wolff, Friedrich: Verlorene Prozesse 1953-1998. Meine Verteidigungen in politischen<br />

Verfahren. Nomos <strong>Verlag</strong>sgesellschaft, Baden-Baden, 1999, Vorbemerkungen,<br />

S. 7.<br />

38 - Angaben nach Kriminaldirektor Engberding, Rainer, (Leiter des Ermittlungsreferats<br />

‘Spionagebekämpfung’ im Bundeskriminalamt) auf einer Tagung der<br />

Gauck-Behörde vom 14.-16. November 2001 in Berlin zum Thema: „Stasi im<br />

Westen — Geheimdienste und Politik im Deutsch-Deutschen Verhältnis“.<br />

39 - In Bezug auf die HVA berichtet Grossmann, Werner, prinzipiell zu dieser<br />

Problematik und legt seine Positionen dar. Vgl.: Grossmann, Werner: Bonn im<br />

Blick. Die DDR-Aufklärung aus der Sicht ihres letzten Chefs a.a.O. (Fn. 6)<br />

Eindrucksvoll äußert sich auch Gabriele Gast — nicht nur kasuistisch — zu diesem<br />

Thema. Vgl.: Gast, Gabriele: Kundschafterin des Friedens. 17 Jahre Topspionin der<br />

DDR im BND a.a.O. (Fn. 6)<br />

40 - BG-Beschluss, 15. Mai 1995 (BVerfGE Bd. 92, S. 277, 320), in den zu gemeinsamer<br />

Entscheidung verbundenen Verfahren zum Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des<br />

Kammergerichts Berlin vom 22. Juli 1991, — (3 StE 9/91) — sowie über die<br />

Verfassungsbeschwerden gegen den Beschluss des BGH vom 24. September 1993<br />

— (3 StR 199/92) und das Urteil des OLG Düsseldorf vom 23. Dezember 1991 AZ<br />

IV 22/91 (17/91)— (2 BvR 2601/93) — den Beschluss des BGH vom 3. Juli 1991 —<br />

(3 StR 226/91) — und das Urteil des OLG Stuttgart vom 28. Februar 1991 AZ 4 Ojs<br />

11/90 — (2 BvR 1206/91) — den Beschluss des BGH vom 18. September 1991 — (3<br />

StR 193/91) — und das Urteil des OLG Koblenz vom 5. Februar 1991 AZ 3 StE 4/90<br />

— (2 BvR 1584/91).<br />

40 - Die rechtspolitische Debatte um diese Entscheidungen kommentiert anschaulich<br />

aus Sicht des Strafverteidigers unter Beifügung sonst nicht publizierter Dokumente<br />

243


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

Friedrich Wolff im Zusammenhang mit seiner Mandatierung durch Generaloberst<br />

Werner Grossmann, auf dessen persönliche Erklärung zur Sache vom April 1991<br />

(S. 373 ff) ihrer grundsätzlichen Bedeutung wegen ausdrücklich zu verweisen ist. In:<br />

Wolff, Friedrich: Verlorene Prozesse 1953-1998. Meine Verteidigungen in politischen<br />

Verfahren, a.a.O., S. 367 ff. (Fn. 37)<br />

41 - Hirsch, Rudolf: Der Markus-Wolf-Prozess. Eine Reportage. Brandenburgisches<br />

<strong>Verlag</strong>shaus, Berlin, 1994.<br />

42 - Verjährungsgesetze, 26. März 1973, 27. September 1993 und 22. Dezember 1997,<br />

a.a.O. (Fn. 13) Erstes und Zweites Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht<br />

(UnBerG), 29. Oktober 1992 und 23. Juni 1994, a.a.O. (Fn. 11)<br />

43 - Berg, Stefan: Die Spur der Strahlen. In: „Der Spiegel“, Hamburg, Nr. 12/2000,<br />

S. 30-31.<br />

44 - Vgl.: Fachpublikationen aus der Zollpraxis verschiedener Staaten, beispielhaft:<br />

44 - Dr. Havel, J.: Röntgentechnik in der Zollkontrolle. In: „Sozialistische<br />

Zollkontrolle“, Nr. 1/1988, S. 18 ff.<br />

44 - Fernitz, G.: Der Einsatz der Röntgentechnik zur Aufdeckung von Schmuggel und<br />

Spekulation im grenzüberschreitenden Reiseverkehr. In: „Sozialistische<br />

Zollkontrolle“ Nr. 4/1985, S. 9 ff.<br />

44 - „Sans problem — kein Problem“. Bericht und Erfahrungsaustausch mit der französischen<br />

Zollverwaltung. (Mit Foto und Text: „Jeder muss auf einer französischen<br />

Autobahn damit rechnen, dass er seinen Kofferraum entladen muss und sein<br />

Gepäck durch ein mobiles Röntgengerät geschickt wird“). In: ddz, Heft Nr. 3/1994,<br />

S. 53, 54.<br />

45 - Dümde, Claus: „Stasi-Röntgenkanone.“ In Gera bisher „keine greifbaren<br />

Hinweise“. Staatsanwaltschaft Erfurt führt dennoch Ermittlungen weiter. In: ND, 9.<br />

Juli 1999 S. 3.<br />

46 - Utech, Lydia: Interview mit Dr. Gerhard Niebling und Dr. Siegfried Rataizik. In: jw<br />

vom 27. August 1999. Unterzeichner dieses Offenen Briefes waren folgende<br />

Persönlichkeiten: Oberst a.D. Hardi Anders, Generalleutnant a.D. Rudi Mittig,<br />

Oberst a.D. Günther Bergmann, Generalleutnant a.D. Dr. Günther Möller,<br />

Generalleutnant a.D. Manfred Dietze, Generalleutnant a.D. Dr. Gerhard Neiber,<br />

Oberst a.D. Dr. Reinhard Grimmer, Generalmajor a.D. Dr. Gerhard Niebling,<br />

Generalmajor a.D. Dr. Siegfried Hähnel, Generalmajor a.D. Prof. Dr. Willi Opitz,<br />

Generalleutnant a.D. Dr. Manfred Hummitzsch, Generalleutnant a.D. Dr.Wolfgang<br />

244


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Schwanitz, Generalleutnant a.D. Dr. Werner Irmler, Oberst a.D. Dr. Siegfried<br />

Rataizik, Generalleutnant a.D. Paul Kienberg, Oberst a.D. Bernhard Riebe,<br />

Generalmajor a.D. Dr. Heinz Schmidt. In: Schriftenreihe für marxistisch-leninistische<br />

Bildung, Heft 70/2000.<br />

47 - Süß, Sonja: Politisch missbraucht? Psychiatrie und Staatssicherheit in der DDR.<br />

Chr. Links <strong>Verlag</strong>, Berlin, 1998.<br />

48 - LG-Urteil Berlin, 22. September 2000, AZ (510) 30 Js 720/95 Kls 7/99.<br />

49 - Oschlies, Renate: In der Haft war alles möglich. Stasi-Arzt vom Vorwurf der<br />

Körperverletzung an Häftlingen freigesprochen. In: „Berliner Zeitung“, 23./24.<br />

September 2000 sowie Tendenzbericht der gleichen Autorin bereits zu<br />

Prozessbeginn:Anklage gegen früheren Stasi-Psychiater. In: „Berliner Zeitung“, 19.<br />

Mai 1995.<br />

50 - „SUPER“ ! — Zeitung, 11. Januar 1992, Titelseite.<br />

51 - Vgl.: ND, 29. Dezember 1992, S. 5. nd-REPORT von Marcel Braumann und<br />

Leserbrief von Prof. Adolf Kossakowski an „Neues Deutschland“: In: ND, 12./13.<br />

März 1995.<br />

51 - Die gesamte Entwicklung ist sehr sorgfältig von Marcel Braumann journalistisch<br />

begleitet und in der Zeitung ND dokumentiert worden. Verwiesen wird auf folgende<br />

(ausgewählte) Beiträge:<br />

51 - 1. War Pfarrer Eggert’s Psychiatrie-Horror nur ein Stasiakten-Phantom?<br />

Suspendierter Chefarzt wehrt sich gegen „Enthüllungen“ des sächsischen<br />

Innenministers. Die Wahrheit des IM „Manfred“ passt dem Minister nicht. In: ND,<br />

5. März 1992, nd-REPORT.<br />

51 -2. Ein Ex-MfS-Offizier aus Dresden redet über den „Fall Eggert“, „Steuerung“ von<br />

IM, den Stasi-Alltag, das Fehlen ehrlicher Geschichtsschreibung und räumt mit<br />

allerlei Schauergeschichten auf. Ein „Täter“ gibt Auskunft: Stasi hatte viele<br />

Gesichter. In: ND, 20. März 1992, nd-REPORT.<br />

51 - 3. Wie sich Kohl CDU-Stellvertreter Heinz Eggert in falsche Anschuldigungen<br />

gegen einen „Stasi-Arzt“ verstrickt hat. Angst vorm „großen dicken Patienten“. In:<br />

ND: Dokumentation zur Einstellung des E-Verfahrens gegen Dr. Wolf vom 22.<br />

Dezember 1992.<br />

51 - 4. Kommentar „Zur Sache“: Täter Eggert. In: ND, 3. Februar 1993.<br />

51 - 5. DDR-Psychiatrie, Stasiakten, das unspektakuläre Ende eines rufmörderischen<br />

Spektakels und ein barmherziger Arzt. Privat-Amnestie für sächsischen Minister.<br />

245


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

In: ND, 6. März 1995. Letzterer Beitrag veranlasste den bekannten Psychologen<br />

Prof.Adolf Kossakowski zu einem Leserbrief an die Zeitung „Neues Deutschland“,<br />

indem er sich unter Bezug auf die hohen Partei- und Staatsfunktionen Eggerts mit<br />

der warnenden Frage an die Öffentlichkeit wandte: „Können wir uns ohne<br />

Bedenken einen psychisch so anfälligen und charakterlich so problematischen<br />

Mann in solchen machtvollen Positionen leisten? Ich finde, die Geschichte hat<br />

genügend Beispiele für das Umkippen von ‘charakterlichen Besonderheiten’ (wie<br />

dies Dr. Wolf bezeichnete) in politische Untugenden, wenn solche Leute zu viel<br />

Macht erhalten“. In: ND, 11./12. März 1995.<br />

51 - Zur Persönlichkeit Eggerts äußert sich ähnlich auch Reinhold Andert in einem<br />

Kurzportrait zur Person, wenngleich auch mit anderem, seinem Genre gemäßen<br />

Ausdruck. In: „Unsere Besten. Die VIPs der Wendezeit“, Elefanten Press <strong>Verlag</strong>,<br />

Berlin, 1993, S. 33, worauf in diesem Zusammenhang nur verwiesen wird.<br />

52 - Renger, Reinhard / Volze, Armin: Der Postraub der Stasi. Anmerkungen zur<br />

Rechtsprechung des BGH. In: NJ, Heft 9/1995, S. 467 ff.<br />

53 - LG-Urteil Magdeburg, 4. Januar 1993, AZ 23 Kls 27/91 (5 Kls 27/91).<br />

BGH-Beschluss, 9. Dezember 1993, AZ 4 StR 416/93. In: BGHSt Bd. 40, S. 8. Vgl.:<br />

NJW, Heft Nr. 1/1995, S. 26 ff.; NJ, Heft 5/1994, S. 231 ff.; NJW, Heft 18/1994, S. 1228<br />

ff.; NStZ, Heft 4/1994, S. 179.<br />

54 - Übrigens ist es kein DDR-Spezifikum, dass auf dem Postwege restriktive<br />

Einfuhrbestimmungen galten. Allein ein Blick in das auf ziemlich allen Postämtern<br />

der BRD zur Einsicht vorhandene Handbuch „Einfuhr- und Zollvorschriften fremder<br />

Länder“, herausgegeben von der Generaldirektion der Deutschen Bundespost<br />

und in Ergänzungsauflagen regelmäßig aktuell gehalten, lässt erkennen, dass auch<br />

gegenwärtig zahlreiche Länder den Postversand von Banknoten und Gegenständen<br />

aus Edelmetall verbieten. Das gilt für die meisten südamerikanischen und asiatischen<br />

Staaten einschließlich Japan, aber auch für die Staaten der GUS. Selbst<br />

Kanada, Schweden und die Schweiz haben gewisse Einfuhrbeschränkungen, die sie<br />

auch durchzusetzen wissen.<br />

54 - Devisengesetz, 19. Dezember 1973, §11. In: GBl. I, Nr. 58, S. 574; Zollgesetz, 20.<br />

Durchführungsbestimmung, 14. Juni 1973. In: GBl. I, Nr. 28, S. 271.<br />

54 - „Bekanntmachung über im grenzüberschreitenden Geschenkpaket- und -päckchenverkehr<br />

auf dem Postwege geltende Verbote und Beschränkungen“, 14. Juni<br />

1973. In: GBl. I, Nr. 28, S. 272, die an allen Postämtern der DDR ausgehängt waren<br />

246


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

und auch durch die Deutsche Bundespost in speziellen Informationsblättern des<br />

Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen inhaltlich verbreitet wurden<br />

sowie auch als Teil der Postordnung, Beilage zum Anhang 2, bei den Postämtern im<br />

Bundesgebiet und Berlin (West) eingesehen werden konnten. Die DDR hat ihre<br />

auf postalischem Gebiet bestehenden Verbote und Beschränkungen zudem fortlaufend<br />

dem Weltpostverein (UPU) bekannt gegeben. Sie waren möglicherweise<br />

oft eng, völkerrechtlich aber nicht unzulässig und jedenfalls hinreichend öffentlich<br />

bekannt gemacht.<br />

55 - BGH-Beschluss, 13. Oktober 1994, AZ 5 StR 386/94. Vgl.: NJW Heft 2/1995, S. 152;<br />

NStZ, Heft 3/1995, S. 131.<br />

56 - BGH-Beschluss, 9. Dezember 1993, a.a.O. (Fn. 53)<br />

57 - BGH-Beschluss, 25. Juli 1995, AZ GSSt 1/95. In: BGHSt Bd. 41, S. 187. (LG Berlin,<br />

ergangen auf Vorlagebeschluss des 5. Strafsenats).<br />

57 - Vgl.: MDR, Heft 2/1996, S. 185; NJW, Heft 6/1996, S. 402; NJ, Heft 2/1996, S. 93.<br />

58 - Bekanntlich hatten führende SS-Chargen angesichts des drohenden Untergangs<br />

des Dritten Reiches kurz vor Kriegsende auf einem Geheimtreffen in Straßburg<br />

eine derartige Aktion festgelegt, um Finanzmittel für eine mögliche Restaurierung<br />

zur Verfügung zu haben. Bis heute sind viele Zusammenhänge dieses Treffens ungeklärt<br />

geblieben.<br />

59 - Dies zeitgleich mit der theoretischen Diskussion in der Staatsanwaltschaft auch im<br />

Land Berlin um die Bedenklichkeit eben dieser Methode des Einsatzes von agent<br />

provokateurs in Haftanstalten wegen der damit verbundenen Verletzung Art. 2<br />

Abs. 1 GG sowie des Verstoßes gegen das fair-trial-Prinzip. Vgl.: Staatsanwalt Dr.<br />

Schneider, Hartmut: Überlegungen zur Zulässigkeit des Aushorchens von<br />

Inhaftierten durch V-Leute unter Einsatz technischer Hilfsmittel. In: JR, Heft<br />

10/1996, S. 401 ff.<br />

60 - Persönliche Mitteilung von Erich Gaida an den Verfasser.<br />

60 - LG-Urteil Berlin, 24. August 1998, AZ 512 — 10/98.<br />

61 - Haftbefehl des KG Dresden, GS 934/92 und 89 Js 475/91.<br />

62 - Persönliche Mitteilung von Dr. Hillenhagen an den Verfasser.<br />

63 - LG-Beschluss Dresden, 17. Februar 1997, AZ 1 Kls 812 Js 475/91, 1 Kls 10/95.<br />

64 - Erstes Strafrechtsänderungsgesetz (sog. „Blitzgesetz“), 30. August 1951,<br />

a.a.O. (Fn. 4)<br />

64 - Vgl.: Limbach, Jutta:Politische Justiz im Kalten Krieg. In: NJ, Heft 3/1994, S. 49 ff.<br />

247


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

65 - Kramp, Uwe: Der panamaische Caudillo diente allen und jedem. In: ND, 19. August<br />

1991.<br />

65 - Berlekamp, Hinnerk: Häftling Nr. 41586 pokert mit George W. Bush. In: „Berliner<br />

Zeitung“, 8. Januar 1991.<br />

65 - Bastian, Till: 55 Gründe, mit den USA nicht solidarisch zu sein und schon gar nicht<br />

bedingungslos, a.a.O., S. 50. (Fn. 32)<br />

66 - O.A.: Über Menschenraub, Spitzel, Wanzen und Demagogen. In: „Roter Morgen“,<br />

11/1998, S. 9 ff.<br />

67 - Vertrag zwischen der BRD und der DDR über die Herstellung der Einheit<br />

Deutschlands, (Einigungsvertrag), 31. August 1990, a.a.O. (Fn. 12)<br />

68 - Burianek hatte zum Beginn der 50er Jahre als Angehöriger der Terrororganisation<br />

„Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ (KgU) u.a. versucht, eine Brücke bei<br />

Berlin beim Passieren durch einen internationalen Personenzug in die Luft zu<br />

sprengen, was in letzter Minute verhindert werden konnte. Er war zum Tode verurteilt<br />

worden. Vgl.: Entscheidungen des Obersten Gerichts der DDR. Entscheidungen<br />

in Strafsachen, Bd. 2, Berlin, 1952, S. 37 ff.<br />

69 - Persönliche Mitteilung von Dr. Niebling auf Anfrage des Verfassers.<br />

70 - LG-Urteil Berlin, 11. August 1999, AZ (506) 6 StR 30 Js 1830/94 Kls (10/94).<br />

Vgl.: ND, 12. August 1999; jW, 13. August 1999.<br />

71 - Bemerkenswert im Nachhinein bleibt die Feststellung, dass die Anklagevertretung<br />

einem offensichtlich notorischen Antikommunisten übertragen wurde, der zudem<br />

noch durch Straftaten gegen die DDR in der Sache befangen war:<br />

71 - Der nunmehrige Staatsanwalt Dr. Mathias Bath war einst Mitglied einer kriminellen<br />

Menschenhändlerbande gewesen. Er wurde am 6. September 1976 in der DDR<br />

auf frischer Tat gestellt, zu fünf Jahren Freiheitsentzug verurteilt und nach<br />

Verbüßung einer Teilstrafe im Austausch in die BRD entlassen. Nach seinem<br />

Eintreffen dort wandte er sich rasch der rechtsextremen Szene zu und gab bereits<br />

1981 dem neofaschistischen Blatt „Criticon“ ein Interview, in welchem er den<br />

Gelderwerb durch kriminelle Menschenhändlerbanden sowie die Verbindung der<br />

Akteure zur Unterwelt gut hieß. Er verstieg sich sogar zu der unsinnigen<br />

Behauptung, die damalige Ständige Vertretung der BRD in Berlin sei mit dem MfS<br />

in Komplizenschaft. In einschlägiger Literatur wird er 1996 als Stellvertretender<br />

Vorsitzender des „Hoffmann-von-Fallersleben-Bildungswerk e.V.“ benannt, einer<br />

den „Republikanern“ nahestehenden Stiftung, die sich später an die nicht minder<br />

248


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

rechtsextreme Einrichtung „Deutsche Liga für Volk und Heimat“ anlehnte, die<br />

wiederum der Verfassungsschutzbericht 1999 (S. 68) den „rechtsextremistischen<br />

Kleinparteien und Wählervereinigungen“ zuordnet. Der Verein führte<br />

„Kaderschulungen“ für neofaschistische Gruppierungen in Berlin und Brandenburg<br />

durch und versuchte, „Brücken“ zwischen den verschiedenen Gruppierungen<br />

von Neonazis zu schaffen. Inwieweit Bath daran persönlich beteiligt ist, bleibt<br />

zunächst offen.<br />

71 - Mecklenburg, Jens (Hrsg.): Handbuch deutscher Rechtsextremismus. Elefanten<br />

Press <strong>Verlag</strong>, Berlin, 1966, S. 276.<br />

71 - Während des Prozesses rief Bath in ungezügeltem Hass dem Angeklagten Dr.<br />

Niebling zu: „Sie kenne ich!“ Der erwiderte: „Keine Sorge, ich Sie auch!“, womit es<br />

zunächst sein Bewenden hatte. Wie verlautet, war Bath nur zeitweilig als<br />

Staatsanwalt abgeordnet und soll heute Richter sein.<br />

72 - Letzte Fassung VO des Ministerrates der DDR, 30. November 1988. In: GBl. I, Nr.<br />

25, S. 271 sowie Dienstanweisung des MdI Nr. 2/1982 und Dienstanweisung des MfS,<br />

Nr. 2/1988.<br />

72 - Vgl.: Whitney, Craig, R.: Advocatus Diaboli — Wolfgang Vogel. Anwalt zwischen<br />

Ost und West. Wolf Jobst-Siedler <strong>Verlag</strong> GmbH, Berlin, 1993.<br />

73 - BVerfG-Beschluss, 15. Mai 1995, a.a.O. (Fn. 40)<br />

74 - Vgl. dazu auch den redaktionellen Artikel in „Der Spiegel“, Hamburg, 1993, Nr. 32,<br />

S. 20, 21;<br />

74 - O.A., „Drei Orden, zwei Verdienstkreuze. Die Kariere des Götz Schlicht alias Dr.<br />

Lutter in West und Ost“. Demzufolge hatte sich Götz Schlicht selbst vor den<br />

Kameras des Fernsehsenders mdr“ als IM des MfS „geoutet“, wie es dort heißt.<br />

Vgl.: Deckwerth, Sabine:„Aus Erfurt will der Fischhändler flüchten“. Mehr als drei<br />

Jahrzehnte hat Götz Schlicht alias „Dr. Lutter“ ein Doppelleben geführt. „Berliner<br />

Zeitung“, 9. November 1993.<br />

75 - BGH-Urteil, 29. April 1994, AZ 3 StR 528/93. In: NStZ, Heft 2/1995, S. 83 ff.<br />

76 - KG-Urteil Kamenz, 26. August 1992, AZ C 5/91. In: NJ, Heft 14/1993, S. 182 ff.<br />

OLG-Urteil Dresden, 13. Juli 1993, AZ 7 U 172/93 (KG Kamenz). In: NJ, Heft<br />

10/1993, S. 464 ff. Vgl.: RA Prof. Dr. Fritsche, Ingo: Anmerkung zu den Urteilen. In:<br />

NJ, Heft 5/1994, S. 200 ff. OLG-Urteil Dresden, 20. April 1995, AZ 7 U 172/193 (KG<br />

Kamenz). In: Neue Justiz Nr. 7/1996, S. 372 ff. BGH-Urteil, 11. Oktober 1994,AZ VI<br />

ZR 234/1993. In: NJ, Heft 2/1995, S. 88 f.<br />

249


STRAFVERFOLGUNG VON ANGEHÖRIGEN DES MfS<br />

77 - LG-Urteil Berlin, 29. März 1995, AZ (573) 30 Js 2313/92 (159/94). In: NJ, Heft<br />

7/1995, S. 381.<br />

77 - Kammergerichts-Urteil Berlin, 21. Juni 1996,AZ (4) 1 Ss 189/95 (38/96). In: NJ, Heft<br />

3/1997, S. 152 ff. Vgl.: Mielke, Michael: Ich hatte eine Falle vermutet. Bewährungsstrafe<br />

für einen Ex-NVA-Offizier, der seinen Onkel an die Stasi verriet. In: „Die<br />

Welt“, 30. März 1995, S. 36.<br />

78 - Exemplarisch wird verwiesen auf das Protokoll einer Sitzung des Deutschen<br />

Bundestages vom 13. März 1991, Haushaltsdebatte. Auszüge des Protokolls wurden<br />

nach dem Freitod von Prof. Gerhard Riege auch in der Presse veröffentlicht, so im<br />

ND vom 18. Februar 1992 unter dem Titel — einen Zwischenruf des Abgeordneten<br />

Dr. Blank, Theodor, (CDU/CSU) zitierend: „Was man sich von so einem Stasi-<br />

Heini anhören muss!“<br />

78 - Vgl.: Sachverhaltsdarstellung von Rietz / Gerlof: Öffentliches Klima trieb Prof.<br />

Gerhard Riege in den Freitod. Beschimpft, von der Uni gefeuert. In: ND, 17.<br />

Februar 1992 sowie<br />

78 - einen Memorialbeitrag von Jens-F. Dwars:Traum vom Souveränen Volk. Zum 10.<br />

Todestag von Gerhard Riege. In: ND, 15. Februar 2002, S. 5.<br />

79 - Landtag Brandenburg, Debatte zum Bericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses<br />

1/3 des Landtages „Aufklärung früherer Kontakte des<br />

Ministerpräsidenten Dr. Manfred Stolpe zu Organisationen des Staatsapparates der<br />

DDR, der SED sowie zum Sicherheitsdienst und der in diesem Zusammenhang<br />

erhobenen Vorwürfe“. Wortprotokoll der Plenarsitzung vom 16. Juni 1994<br />

(Schriften des Landtages Brandenburg, Heft 2/1994).<br />

79 - Der Stolpe-Untersuchungsausschuß. Ergebnisse, Analysen, Argumente. Der<br />

Bericht. (Hrsg.: SPD- Landtagsfraktion Brandenburg, Juni 1994).<br />

79 - Neubert, Erhard: Untersuchung zu den Vorwürfen gegen den Ministerpräsidenten<br />

des Landes Brandenburg Dr. Manfred Stolpe (Hrsg.: Fraktion BÜNDNIS im<br />

Landtag Brandenburg, Potsdam, 1990).<br />

80 - Gysi, Gregor: Fragen, Verdächtigungen, Anwürfe und Erkenntnisse nach einem<br />

ersten Aktenstudium in der Gauck - Behörde: Ich war „Kandidat“. Zur Anwerbung<br />

als „IM“ kam es nie! Interview mit Gregor Gysi von Hans-Dieter Schütt. In: ND,<br />

27. Januar 1992, S. 3; Wenk, Karin: Kleinlaut korrigierte „BILD“: Anschuldigung<br />

gegen Gysi beruhte auf Fälschung. In: ND, 13./14. April 1991.<br />

80 - Grundsätzlich äußern sich zur Arbeit des MfS mit inoffiziellen Mitarbeitern<br />

250


Horst Bischoff / Karli Coburger<br />

Anders, Hardi / Opitz, Willi. In: Die Sicherheit. Zur Abwehrarbeit des MfS, Edition<br />

Ost im <strong>Verlag</strong> Das Neue Berlin, <strong>Verlag</strong>sgesellschaft mbH, Berlin, 2002,<br />

Bd. 1 S. 332 ff. Vgl.: Zimmer, Jochen (Hrsg.): Das Gauck-Lesebuch. Eine Behörde<br />

abseits der Verfassung?, a.a.O. (Fn 7)<br />

81 - Über den arbeitsrechtlichen Umgang mit IM informiert eindringlich Klaus Bartl<br />

aus anwaltlicher Praxis und Erfahrung (Berufsverbote in Sachsen). In: „Ossietsky“,<br />

Juni/2002, Nachdruck in „ISOR aktuell“ 8/2002, Beilage, und macht aufmerksam,<br />

dass hier nach Geist und Buchstaben des berüchtigten „Radikalenerlasses“ der<br />

BRD der 70er Jahre in unermesslichem Ausmaß Berufsverbote praktiziert wurden,<br />

was schon damals — nach den Worten des früheren nordrhein-westfälischen<br />

Justizministers Diether Posser — verheerende Folgen hatte. Es sei angemerkt, dass<br />

seit damals das deutsche Wort „Berufsverbot“ als Fremdwort Eingang in den französischen<br />

Wortschatz fand („Le Berufsverbot“) — so was ist in die französische<br />

Sprache einfach nicht übersetzbar!<br />

82 - Hatten die Todespiloten Unterstützung von der Stasi? In: „Die Welt“ vom 21.<br />

September 2001.<br />

82 - BND glaubt an die Existenz des früheren Stasi-Wirkens. Verbindung von Stasi und<br />

Terroristen weiter aktiv. In: „Die Welt am Sonntag“, 23. September 2001.<br />

82 - Die Stasi, der Terror und die nächste Welt. In: „Thüringer Landeszeitung“, 8.<br />

November 2001.<br />

82 - Stasi bildete Bin Laden-Terroristen aus. In: „Hilferufe von drüben“ — Arbeitsgemeinschaft<br />

ehemaliger politischer Häftlinge, 21. Jahrgang, Nr. 3.<br />

251


RECHTSFRAGEN DER STRAF-<br />

VERFOLGUNG VON HOHEITS-<br />

TRÄGERN DER DDR DURCH DIE<br />

BUNDESDEUTSCHE JUSTIZ<br />

Erich Buchholz


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Prof Dr. jur. habil. Erich Buchholz<br />

Jg. 1927, 1933 Besuch des staatlichen Luisen-Gymnasiums zu Berlin; Abitur<br />

1948-1952 Juristisches Studium an der Humboldt-Universität; wiss. Assistent<br />

1956 Promotion (über Strafzumessung); 1963 Habilitation (zum Diebstahl)<br />

1957 Dozent, seit 1965 Professor mit Lehrauftrag, später Ordinarius, Leiter des Instituts<br />

für Strafrecht.<br />

1966 Dekan der jur. Fakultät<br />

1976 Direktor der Sektion Rechtswissenschaft. Vorsitzender des wiss. Beirats für<br />

Rechtswissenschaft beim Minister für das Hoch- und Fachschulwesen.<br />

Seit 1952 zahlreiche Publikationen in der Neuen Justiz, Staat und Recht, später auch in<br />

Polen, der Sowjetunion, Italien, Frankreich, Schweden, den USA und in der BRD.<br />

Verantwortliche Mitwirkung oder Herausgeberschaft bei Lehrbüchern. Mitautor des<br />

Buches „Sozialistische Kriminologie“, das ins englische, russische und japanische übersetzt<br />

wurde. Teilnahme an zahlreichen wiss. Konferenzen im In- und Ausland, auch an<br />

von den Vereinten Nationen veranstalteten Kongressen. Mitglied in mehreren internationalen<br />

Vereinigungen.<br />

Seit 1990 Rechtsanwalt.<br />

254


Einführung<br />

Erich Buchholz<br />

So eindeutig, offen und durchsichtig die Strafverfolgung<br />

von Hoheitsträgern der DDR, namentlich<br />

von Angehörigen der Grenztruppen, von führenden Militärs<br />

und Politikern der DDR, von DDR-Richtern und —<br />

Staatsanwälten sowie von Angehörigen des Ministeriums für<br />

Staatssicherheit durch die bundesdeutsche Strafjustiz nach<br />

dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes<br />

per 3. Oktober 1990 zu Tage tritt, so offen liegt uns<br />

auch die dabei benutzte juristische Konstruktion vor.<br />

Es genügt, sich mit jeweils einer der maßgeblichen<br />

Grundsatzentscheidungen des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofes<br />

(BGH) bekannt zu machen und auseinander zu<br />

setzen, die als „Leiturteil“, als deutliche „Orientierung“ die<br />

Untergerichte banden und einbanden, nämlich mit dem<br />

Urteil des 5. Strafsenats unter seinem damaligen Senatsvorsitzenden<br />

Laufhütte vom 3. November 1992 (bezüglich<br />

der Strafbarkeit von Grenzsoldaten) 1 und dem Urteil desselben<br />

Strafsenats des BGH vom 13. Dezember 1993 (zu Fragen<br />

der Rechtsbeugung). 2<br />

Hinzuzunehmen ist des weiteren dann vor allem noch die<br />

nicht minder maßgeblich-orientierende Entscheidung des<br />

Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Rückwirkungsverbot<br />

vom 24. Oktober 1996 3 sowie die Rechtsprechung des<br />

BGH zur (Beseitigung der) Verjährung von Straftaten aus<br />

lange zurückliegenden Zeiten in der DDR. 4<br />

255


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Die nachfolgende Betrachtung beschränkt sich auf die<br />

praktische Handhabung dieser juristischen Konstruktionen<br />

bei der Verfolgung von Angehörigen der Grenztruppen und<br />

führender Militärs und Politikern der DDR sowie von DDR-<br />

Richtern und -Staatsanwälten durch die bundesdeutsche<br />

Strafjustiz, namentlich die Entscheidungen der betreffenden<br />

Strafsenate des BGH.<br />

Da wir keine subjektiven Vorwürfe gegen bestimmte<br />

Personen erheben, kommt es nicht darauf an, ob diesen<br />

nachstehend darzustellenden juristischen Konstruktionen<br />

Böswilligkeit oder Unvermögen zugrunde liegt.<br />

Allerdings übersehen wir nicht, dass in der Praxis der<br />

Strafverfolgung unterschiedliche individuelle, subjektive<br />

Haltungen und Einstellungen der mit der gleichen Sache<br />

befassten (alt-) bundesdeutschen Richter und Staatsanwälte<br />

erkennbar wurden.<br />

Während vorwiegend unter den betreffenden Staatsanwälten<br />

„Scharfmacher“ anzutreffen waren, erlebten wir bei einigen<br />

Richtern durchaus ein Bemühen, die gegebene Rechtslage<br />

des DDR-Rechts und die realen Verhältnisse in der DDR<br />

sowie auch die persönlichen Lebensumstände der Betreffenden<br />

zu berücksichtigen.<br />

Auch erinnerten nicht wenige Richter daran, dass ihnen — als<br />

unabhängigen Richtern! — infolge der Rechtsprechung des<br />

BGH kaum Spielraum gelassen wurde:<br />

„Herr Rechtsanwalt, Sie kennen doch die Rechtsprechung<br />

des BGH!“<br />

Die nachfolgende Untersuchung stützt sich auf die Kenntnis<br />

und Erfahrung des Autors als langjährigem Hochschullehrer,<br />

namentlich als Ordinarius für Strafrecht an der Humboldt-<br />

256


Erich Buchholz<br />

Universität zu Berlin, sowie auf seine Erfahrungen und<br />

Beobachtungen als Strafverteidiger in zahlreichen Verfahren<br />

gegen Angehörige der Grenztruppen und DDR-Juristen.<br />

Bei der nachfolgenden Untersuchung werden folgende<br />

Gegenstände behandelt:<br />

1. Die von Rechts wegen zugrunde zu legende Rechtslage<br />

2. Die Unterwerfung von DDR-Bürgern unter ein fremdes,<br />

das bundesdeutsche Justizsystem<br />

3. Zur Problematik der Rekonstruktion von Sachverhalten<br />

4. Die Rechtskonstruktion zur Strafverfolgung von Angehörigen<br />

der Grenztruppen der DDR wegen der „Toten an<br />

der Mauer“<br />

5. Die Rechtskonstruktion zur Strafverfolgung führender<br />

Militärs und Politiker der DDR wegen der „Toten an der<br />

Mauer“<br />

6. Die Rechtskonstruktion zur Strafverfolgung von Richtern<br />

und Staatsanwälten der DDR wegen Rechtsbeugung<br />

7. Besonderheiten bei der Strafverfolgung von in Waldheim<br />

tätig gewesenen Richtern und Staatsanwälten<br />

8. Die Aushebelung des Rückwirkungsverbots zum Zwecke<br />

der Strafverfolgung von Hoheitsträgern der DDR<br />

9. Die Aushebelung der Strafverfolgungsverjährung zum<br />

Zwecke der Strafverfolgung von Hoheitsträgern der<br />

DDR<br />

10. Missachtung der dem DDR-Strafrecht zu Grunde liegenden<br />

und ihm innewohnenden Doktrinen<br />

11. Ergebnisse<br />

Daran angeschlossen wird als Annex eine Betrachtung zur<br />

Haltung bundesdeutscher Strafrechtslehrer zur Verfolgung<br />

von DDR Hoheitsträgern.<br />

257


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

1. Die von Rechts wegen zugrunde<br />

zu legende Rechtslage<br />

Bevor wir uns den obengenannten beiden orientierend-maßgebenden<br />

Entscheidungen des 5. Strafsenats<br />

zuwenden, muss die relevante maßgebliche Rechtslage, nach<br />

der die anstehenden Fälle zu beurteilen waren und sind, dargestellt<br />

werden.<br />

1.1 Im Zusammenhang mit der Begründung einer neuen<br />

Rechtsordnung auf einem Drittel der größer gewordenen<br />

Bundesrepublik durch Ausdehnung des Geltungsbereiches<br />

des Grundgesetzes und des bundesdeutschen Rechts überhaupt<br />

auf das Beitrittsgebiet, die frühere DDR, wurde in<br />

Übereinstimmung mit allgemein anerkannten Grundsätzen<br />

des Strafrechts ausdrücklich geregelt, dass zum Zwecke der<br />

Prüfung einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit von<br />

Bürgern der DDR wegen Handlungen, die sie noch in der<br />

DDR, also vor dem Datum des Beitritts, dem 3. Oktober<br />

1990, vorgenommen hatten, grundsätzlich das Strafrecht der<br />

DDR, insbesondere sein StGB/DDR, anzuwenden ist —<br />

soweit sich nicht im Einzelfall das bundesdeutsche Strafrecht<br />

als milder erweist (Meistbegünstigungs- bzw. lex-mitius-<br />

Regel) und sofern nicht ohnehin bundesdeutsches Recht,<br />

vorliegend bundesdeutsches Strafrecht, anzuwenden war. 5<br />

Diese Regelung entspricht anerkannten Grundsätzen des<br />

Strafrechts, namentlich dem Rückwirkungsverbot (siehe Art. 7 der<br />

Europäischen Menschenrechtskonvention; EMRK) 6 und steht auch in Übereinstimmung<br />

mit §2 StGB 7 der BRD in dem durch den<br />

Einigungsvertrag eingeführten Art. 315 EGStGB. 8<br />

Die ausdrückliche Verweisung auf §2 StGB anerkennt auch<br />

gegenüber früheren DDR-Bürgern den nulla-poena-Grund-<br />

258


Erich Buchholz<br />

satz und das Rückwirkungsverbot.<br />

Diese Regelung bringt zum Ausdruck, dass die DDR kraft<br />

Vertrages ihre diesbezüglichen Straf-(verfolgungs)ansprüche<br />

infolge ihres Untergangs als eigenständiges Völkerrechtssubjekt<br />

an die Bundesrepublik übertrug, die insoweit selbst<br />

keine diesbezüglichen originären Straf(verfolgungs)ansprüche<br />

besaß bzw. besitzt.<br />

Die Bundesrepublik erwarb auf diese Weise auf vertraglicher<br />

Grundlage fremde Straf-(verfolgungs)ansprüche, um diese<br />

anstelle der nicht mehr bestehenden DDR, stellvertretend<br />

für diese, geltend zu machen.<br />

Somit haben seit dem 3. Oktober 1990 bundesdeutsche<br />

Justizbehörden DDR-Straftaten (Altfälle) — anstelle der<br />

nicht mehr bestehenden DDR-Justizbehörden, qua DDR —<br />

zu verfolgen und ggf. zu bestrafen.<br />

Sie handeln dabei stellvertretend für die nicht mehr bestehende<br />

DDR und ihre Justizbehörden.<br />

Mithin haben sie mit dieser Strafverfolgung nicht die eigene<br />

bundesdeutsche Rechtsordnung zu verteidigen, sondern —<br />

im nachhinein — die der DDR.<br />

Nach der ausdrücklichen Regelung im Einigungsvertrag ist<br />

somit eine Fremdrechtsanwendung per Gesetz vorgesehen.<br />

Da diese gesetzliche Regelung allgemein anerkannten<br />

Strafrechtsgrundsätzen entspricht, ist den bundesdeutschen<br />

Justizbehörden eine legale (gesetzliche) und legitime Fremdrechtsanwendung<br />

vorgeschrieben worden.<br />

1.2 Die oben erwähnte Frage nach dem milderen Gesetz ist<br />

bei diesbezüglicher Rechtsanwendung methodisch, wie folgt,<br />

zu lösen:<br />

Zunächst ist zu prüfen, ob die betreffende Handlung (DDR-<br />

Alttat) nach DDR-Recht überhaupt strafbar war, ob eine<br />

Straftat (Vergehen oder Verbrechen) begangen wurde, also<br />

259


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

nicht etwa nur eine Ordnungswidrigkeit oder eine Verfehlung<br />

(z.B. Diebstahl geringwertiger Sachen, Beleidigung u.ä. gem.<br />

§4 StGB/DDR) vorlag, die auch nach dem 3. Oktober 1990<br />

nicht als Straftaten verfolgt werden dürfen. 9<br />

Danach ist zu fragen, ob die nach DDR-Recht strafbare<br />

Handlung auch nach bundesdeutschem Strafrecht strafbar<br />

ist, ob sich also die Strafbarkeit der Tat bei bestehender<br />

Unrechtskontinuität dem Grunde nach nicht änderte.<br />

So kennt z.B. das bundesdeutsche Strafrecht keine Straftat<br />

des Vertrauensmissbrauchs gem. §165 StGB/DDR, sodass<br />

eine unter dem DDR-Recht als Vertrauensmissbrauch<br />

strafbar gewesene Handlung nach dem 3. Oktober 1990 als<br />

solche nicht mehr verfolgt werden darf.<br />

Erst danach, also in einem dritten Schritt, ist bei einem ganzheitlichen<br />

Vergleich unter konkreter Betrachtung zu klären,<br />

welches Recht milder ist, genauer welche Rechtsfolgen milder,<br />

also für den Täter günstiger sind.<br />

Jedenfalls gilt:<br />

War eine Tat nach DDR-Recht nicht strafbar, dürfen<br />

Justizbehörden der Bundesrepublik sie weder verfolgen noch<br />

bestrafen; das DDR-Recht wäre im Falle fehlender Strafbarkeit<br />

in jeder Hinsicht das „mildere“ Recht.<br />

Eine gleichwohl erfolgende Bestrafung würde gegen das<br />

Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz (GG) 10<br />

wie auch gegen Art. 7 EMRK 11 verstoßen, also grundgesetzund<br />

menschenrechtswidrig sein.<br />

Soweit wir sehen, wird — jedenfalls verbal und im Ausgangspunkt<br />

— dieses gesetzlich vorgegebene Herangehen in aller<br />

Regel zunächst beachtet.<br />

Der Fall, dass die 2. Große Strafkammer des Landgerichts<br />

Berlin in ihrem Urteil vom 18. Juli 2000 für eine „Alttat“ (mit<br />

dem Hinweise auf das mildere Gesetz) contra legem von<br />

260


Erich Buchholz<br />

vornherein unmittelbar bundesdeutsche Strafbestimmungen<br />

zur Grundlage ihrer (rechtswidrigen) Verurteilung nimmt, ist<br />

wohl einmalig. 12<br />

1.3 Die Anwendung von DDR-Recht durch bundesdeutsche<br />

Justizbehörden stellt einen — auf dem Gebiet des Strafrechts<br />

äußerst seltenen — Fall legitimer Fremdrechtsanwendung dar. 13<br />

Die Justizgeschichte kennt keinen vergleichbaren Vorgang.<br />

Solches gibt und gab es auch in keinem anderen der ehemals<br />

sozialistischen osteuropäischen Länder. Denn dort änderte<br />

der neue Gesetzgeber — schritt- und teilweise — die eigene<br />

frühere Rechtsordnung, die grundsätzlich von den bisherigen<br />

Richtern und Staatsanwälten des jeweiligen Landes — ohne<br />

jegliche Fremdrechtsanwendung — angewandt wird.<br />

Bekanntlich wird im übrigen durch das von den Staaten für<br />

ihre Jurisdiktion geregelte internationale Strafrecht eine<br />

(legitime) Fremdrechtsanwendung grundsätzlich ausgeschlossen.<br />

Die im Gefolge des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik<br />

auf bundesdeutsche Staatsanwälte und Richter zugekommene<br />

Aufgabe der Prüfung und Anwendung des DDR-Rechts<br />

als Fall legitimer Fremdrechtsanwendung stellt eine ungewöhnliche<br />

Herausforderung an diese dar.<br />

Bei einer derartigen — legitimen auf Vertrag beruhenden —<br />

Fremdrechtsanwendung haben, wie das für das Zivilrecht und<br />

den Zivilprozess unzweifelhaft ist, die Justizbehörden, insbesondere<br />

die Gerichte des betreffenden Staates, das fremde<br />

Recht so anzuwenden, wie der Richter des anderen Staates<br />

dieses fremde Recht anwenden würde bzw. bei gehöriger<br />

gesetzesgemäßer Rechtsanwendung anzuwenden hätte.<br />

Dem gemäß wird die Beiziehung von Rechtsgutachten für<br />

das fremde Recht, namentlich im Zivilprozess, ausdrücklich<br />

vorgesehen.<br />

261


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Zu beachten ist:<br />

Das DDR-Recht war und ist für diese bundesdeutschen<br />

Staatsanwälte und Richter nicht nur eine ihnen bis dato,<br />

zumindest weitgehend, unbekannte Rechtsmaterie, nicht nur<br />

schlechthin fremdes Recht, wie etwa französisches oder italienisches<br />

Strafrecht, sondern ein Recht eines anderen<br />

Rechtskreises.<br />

Es ist für bundesdeutsche Staatsanwälte und Richter ein von<br />

seiner geistig-konzeptionellen Grundlage her fremdes Recht,<br />

ja auch ein „feindliches“ Recht des anderen deutschen Staates,<br />

der nach 1990 als „Unrechtsstaat“ diffamiert wurde, ein<br />

Recht, das in der in Jahrzehnten beförderten Vorstellung der<br />

(alt-)bundesdeutschen Richter und Staatsanwälte das Recht<br />

eines Unrechtstaates war.<br />

Angesichts dessen, dass das DDR-Recht den bundesdeutschen<br />

Justizbehörden fremd war und diese auch die realen<br />

Lebensverhältnisse der DDR nicht kannten, — es erwies sich,<br />

dass die (alt-)bundesdeutschen Juristen, Staatsanwälte und<br />

Richter, von den geläufigen falschen Vorstellungen westlicher<br />

Medien über die DDR und die DDR-Bürger vorgeprägt<br />

waren — da also Rechts- und Sachkenntnisse fehlten, war die<br />

zunächst und an sich legitime Fremdrechtsanwendung mit<br />

dem Problem und der Gefahr verbunden, dass diese zu einer<br />

illegitimen Fremdrechtsanwendung würde und Unrecht produziert<br />

würde.<br />

Offensichtlich ist sich keiner der dafür maßgeblichen Politiker<br />

und Justizpolitiker dieser Gefahr und dieser Problematik<br />

bewusst gewesen — oder man wollte sie gar nicht zur<br />

Kenntnis nehmen.<br />

Jedenfalls fehlte es und fehlt es an der erforderlichen<br />

Sensibilität gegenüber dieser Problematik, dass aus einer<br />

legitimen Fremdrechtsanwendung auf Grund von Unkenntnis<br />

des fremden Rechts und der fremden Lebensverhältnisse<br />

262


Erich Buchholz<br />

Unrecht produziert werden und eine illegitime Fremdrechtsanwendung<br />

entstehen könnte.<br />

Die vorgenannte Herausforderung an die (alt-)bundesdeutschen<br />

Richter und Staatsanwälte betraf und betrifft in ganz<br />

besonderem Maße die in Berlin mit solchen Altfällen befassten<br />

Richter und Staatsanwälte, da in Berlin aus dem Bestand<br />

der DDR-Richter und -Staatsanwälte auf dem Gebiet des<br />

Strafrechts kein einziger übernommen wurde.<br />

Soweit in den „neuen Ländern“ im Osten Deutschlands<br />

(außerhalb Berlins) auch DDR-Juristen in betreffende<br />

Verfahren einbezogen waren, z.B. als beisitzende Richter<br />

einer großen Strafkammer, kann davon ausgegangen werden,<br />

dass diese den bundesdeutschen Kollegen manches erläuterten<br />

und manchen „Nachhilfeunterricht“ erteilten.<br />

Es darf aber nicht übersehen werden, dass die politische und<br />

geistige Herrschaft bei den (alt-)bundesdeutschen Juristen<br />

lag und sie die Grundrichtung bestimmten. Außerdem<br />

befanden sich die ehemaligen DDR-Juristen, die das „Glück“<br />

hatten, in die bundesdeutsche Justiz übernommen worden zu<br />

sein oder darauf hoffen konnten, in einer Lage — schon im<br />

Interesse der Sicherung ihres Arbeitsplatzes, also aus<br />

Gründen ihrer juristischen Karriere — selbstverständlich nicht<br />

„wider den Stachel löcken“ zu sollen, sich also den „neuen<br />

Herren“ und den neuen Verhältnissen anpassen zu müssen.<br />

Ausdruck der fehlenden Sensibilität für die komplizierte<br />

Problematik einer legitimen Fremdrechtsanwendung ist die<br />

Tatsache, dass die bundesdeutschen Richter und Staatsanwälte,<br />

denen seit 1991 der politische Auftrag der<br />

„Aufarbeitung von DDR-Unrecht“ übertragen worden war,<br />

nicht in gehöriger Weise auf diese juristische Aufgabe vorbereitet<br />

wurden. 14<br />

263


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Es wurde — geflissentlich — verabsäumt, die bundesdeutschen<br />

Staatsanwälte und Richter durch Sachkundige, etwa<br />

Hochschullehrer von Universitäten der DDR, in dieses ihnen<br />

fremde Recht und seine eigenständigen, von entsprechenden<br />

bundesdeutschen grundverschiedenen theoretischen und<br />

dogmatischen Grundlagen einzuführen und sie entsprechend<br />

sachkundig zu unterweisen.<br />

Solches war an sich geboten, denn bekanntlich stellt jede<br />

Rechtsordnung ein mehr oder weniger in sich geschlossenes<br />

Rechtssystem dar. Fremdrechtsanwendung kann also nicht<br />

gelingen, wenn lediglich die eine oder andere Rechtsvorschrift<br />

isoliert in Betracht und herangezogen wird, wenn nicht<br />

der systemare Zusammenhang der betreffenden Rechtsordnung<br />

und die Einordnung der einzelnen Rechtsvorschrift<br />

in dieses System beachtet wird.<br />

Das gilt in besonderem Maße für das Strafrecht, das wegen<br />

seiner ultima-ratio-Funktion, seiner sekundären Stellung im<br />

Rechtssystem, das gegebene Verfassungs-, Staats-, Verwaltungs-,<br />

oft auch Wirtschafts- und Finanz- (vorliegend auch<br />

Militär-)recht voraussetzt.<br />

In der DDR hatte sich auf andersartigen rechtstheoretischen<br />

und rechtsdogmatischen Grundlagen über 40 Jahre ein in<br />

vieler Hinsicht beachtenswertes (sicher in anderer Hinsicht<br />

auch kritikwürdiges) eigenständiges Rechtssystem herausgebildet,<br />

das sich von dem bundesdeutschen substanziell und<br />

qualitativ unterscheidet bzw. unterschied.<br />

Da es an der gebotenen Einführung und Unterweisung in das<br />

Rechtssystem der DDR und besonders sein Strafrecht fehlte,<br />

waren die betreffenden Staatsanwälte und Richter in die<br />

Lage geraten, sich autodidaktisch mit dem DDR-Strafrecht<br />

bekannt zu machen, was selbst bei subjektiver Gutwilligkeit<br />

zwangsläufig die Gefahr von Missdeutungen und Missverständnissen<br />

relevanter Rechtsvorschriften, eines Abweichens<br />

vom Willen des DDR-Gesetzgebers einschloss.<br />

264


Erich Buchholz<br />

Für jeden Juristen ist klar, und er weiß es aus der praktischen<br />

Arbeit beim Zusammentreffen mit juristischen Laien, die von<br />

sich meinen, sich mit den Gesetzen vertraut gemacht zu<br />

haben, dass eine derartige eigenwillig autodidaktische<br />

Aneignung von Rechtsvorschriften im Alleingang ohne<br />

Erfolg bleiben muss, weil der Betreffende das gedankliche<br />

Gesamtsystem eines Rechtssystems, die betreffende juristische<br />

Denkweise sich nicht angeeignet hat.<br />

Diese Gefahr lag für die bundesdeutschen Staatsanwälte und<br />

Richter auch deshalb besonders nahe, weil für sie das DDR-<br />

Recht nicht nur schlechthin ein fremdes Recht war, sondern<br />

auch ein solches, zu dem sie zwangsläufig ein distanziertes<br />

Verhältnis einnehmen, wenn sie nicht sogar diesem Recht<br />

konträr gegenüberstanden und -stehen.<br />

Bemerkenswert und auffällig ist weiter, dass die bundesdeutschen<br />

Richter und Staatsanwälte auf die „strafrechtliche<br />

Aufarbeitung“ des DDR-Unrechts dadurch „vorbereitet“<br />

wurden, dass ihnen zunächst übertragen worden war, die<br />

Rehabilitierung von DDR-Unrecht in entsprechenden Rehabilitierungsverfahren<br />

vorzunehmen.<br />

Denn die Aufgabe der Rehabilitierung von Unrecht geht, wie<br />

insbesondere der bundesdeutsche Gesetzgeber in seinem<br />

„Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz“ vom 29. Oktober<br />

1992 die diesbezügliche Regelung abfasste, von der Prämisse<br />

aus, dass in der DDR in relevantem Umfang Unrecht geschehen<br />

sei, dass zahlreiche Unrechtsurteile zu Stande<br />

gekommen waren. 15<br />

Es ist nicht zu übersehen, dass eine solche auf Rehabilitierung<br />

ausgerichtete Beschäftigung bundesdeutscher, insbesondere<br />

(west)-Berliner Strafrichter und Staatsanwälte mit<br />

DDR-Rechtsfällen für die folgende strafrechtliche Behandlung<br />

derselben, obzwar diese strafrechtlich von ganz anderen<br />

265


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Prinzipien und insbesondere der Unschuldsvermutung<br />

bestimmt ist, prägend war, eine Vorurteile und Voreingenommenheit<br />

befördernde prägende Wirkung auf die strafverfolgende<br />

Tätigkeit betreffender (alt-)bundesdeutscher<br />

Staatsanwälte und auf die Rechtsprechung der betreffenden<br />

(alt-)bundesdeutschen Strafrichter hatte.<br />

1.4 Im Hinblick auf spätere Ausführungen, in denen nachzuweisen<br />

ist, in welchem Maße DDR-Recht, insbesondere<br />

DDR-Strafrecht bei dieser Strafverfolgung verletzt und<br />

missachtet wurde und auch die diesen zu Grunde liegenden<br />

Doktrinen negiert wurden, erscheint es geboten, an dieser<br />

Stelle auf einige Besonderheiten des DDR-Rechts, insbesondere<br />

des DDR-Strafrechts, hinzuweisen.<br />

• Aus Gründen der Rechtssicherheit galt in der DDR ausschließlich<br />

geschriebenes Recht. Namentlich im Strafrecht<br />

war für die Heranziehung von Gewohnheitsrecht oder von<br />

überpositivem Recht kein Raum.<br />

• Ein Staatsanwalt oder Richter, der in der DDR unter<br />

Heranziehung von überpositivem Recht das geschriebene<br />

Recht beiseitegeschoben und nicht angewen det hätte,<br />

wäre zumindest in die Nähe eines Verdachtes der Rechtsbeugung<br />

geraten.<br />

• Dem DDR-Recht und namentlich seinem Strafrecht lag<br />

eine durchaus andere Doktrin und Lehre zu Grunde, als sie<br />

in der Bundesrepublik — traditionell anknüpfend an Doktrin<br />

und Lehren des vorvorigen Jahrhunderts — bestehen.<br />

• Diese Doktrin und Lehre in der DDR, mit deren Herausbildung<br />

in den ersten fünfziger Jahren begonnen wurde,<br />

hatte in der Gesetzgebung, insbesondere in der Kodifizierung<br />

des Jahres 1968,also im vorliegend relevanten<br />

StGB/DDR, ihren verbindlichen Niederschlag gefunden.<br />

266


Erich Buchholz<br />

Sie war also in Gesetzesform (zum Teil als Legaldefinition)<br />

für die Rechtsanwendung, namentlich für die Strafjustiz, verbindlich<br />

geworden.<br />

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit darf hierzu folgendes<br />

hervorgehoben:<br />

• In der DDR galt eine materielle Auffassung von der<br />

Straftat (als Verbrechen und als Vergehen), wie sie in §1<br />

StGB/DDR definiert war; Verbrechen konnten nur gesellschaftsgefährliche,<br />

Vergehen nur gesellschaftswidrige im<br />

Strafgesetz als solche beschriebene Handlungen sein. 16<br />

• Dem entsprach eine wirklichkeitsbezogene („naturalistische“)<br />

Auffassung von der Kausalität als einer objektiven<br />

Kategorie, von einem realen Kausalprozess; für die von von<br />

Buri begründete im früherem Deutschland und in der<br />

Bundesrepublik vorherrschende Bedingungs — oder Äquivalenztheorie,<br />

die ihrerseits philosophisch auf Kant zurückgeht<br />

und Kausalität als einen nur gedachten Zusammenhang<br />

ansah, bestand daher in der DDR kein Raum.<br />

• Schuld war nach dem DDR-Strafrecht nicht wie in der<br />

Bundesrepublik — vom Richter gedanklich produzierte —<br />

Vorwerfbarkeit, sondern bestand gem. §5 StGB/DDR<br />

ihrem Wesen nach in einer real getroffenen pflichtwidrigen<br />

verantwortungslosen Entscheidung, wobei auf Wahrnahme<br />

oder Verletzung von Verantwortung gegenüber der sozialistischen<br />

Gesellschaft abgestellt wurde.<br />

• Gemäß der wirklichkeitsbezogenen Auffassung von Straftat<br />

und Strafrecht war in der DDR eine andere Tatbestandslehre<br />

maßgebend (von Jescheck als Auffassung vom<br />

„Gesamttatbestand“ bezeichnet).<br />

• Jedenfalls war die auf Beling zurückgehende im früheren<br />

Deutschland und in der Bundesrepublik übliche Unterscheidung<br />

und Abhebung von Tatbestand bzw. Tatbestands-<br />

267


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

mäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld nach DDR-Recht<br />

unanwendbar. 17<br />

• Auch im Bereich der Täterschaft und Teilnahme (Anstiftung<br />

und Beihilfe) galten im DDR-Recht andere<br />

Regelungen und Lehren als im früheren Deutschland und<br />

in der Bundesrepublik. So war namentlich die so genannte<br />

subjektive Teilnahmelehre in der DDR unvertretbar;<br />

gemäß der Grundauffassung von Strafrecht und Straftat<br />

waren die Richter der DDR gehalten, objektiv wirksam<br />

gewordene Formen von Täterschaft und Teilnahme festzustellen.<br />

• Als notwehrfähig war auch die „sozialistische Staats- und<br />

Gesellschaftsordnung“ anerkannt (§17 StGB/DDR).<br />

• Weiterhin kannte das DDR-Strafrecht eine ausdrückliche<br />

gesetzliche Regelung der strafrechtlichen Behandlung<br />

eines Widerstreits von Pflichten (§20 StGB/DDR).<br />

Auf die praktische Bedeutung der Negierung des DDR-<br />

Rechtssystems und seiner theoretischen und dogmatischen<br />

Grundlagen wird am Schluss der Untersuchung näher einzugehen<br />

sein.<br />

2. Die Unterwerfung von DDR-Bürgern unter ein<br />

fremdes, das bundesdeutsche Justizsystem<br />

2.1 Die enorme Bedeutung und die kaum zu überschätzende<br />

Auswirkung der Unterworfenheit der Millionen DDR-Bürger<br />

unter eine fremde Rechtsordnung und ein fremdes Justizsystem<br />

ließ sich erst nach Jahren ermessen. Schon die Tatsache, dass<br />

per 3. Oktober 1990 — über Nacht — über 16 Millionen<br />

DDR-Bürger eine völlig andere, ihnen fremde Rechts-<br />

268


Erich Buchholz<br />

ordnung und insbesondere auch ein anderes Justizsystem mit<br />

einer völlig anderen Prozessordnung hereinbrach, hat im<br />

Laufe der Jahre schon fast traumatische Wirkungen gezeitigt.<br />

Daran ändert auch nichts, dass zunächst verschiedene Übergangsregelungen<br />

auf Teilgebieten vorgesehen waren.<br />

Die Enttäuschungen vieler rechtsuchender DDR-Bürger über<br />

die andere, weitaus kompliziertere und in der praktischen<br />

Handhabung viel bürokratischere bundesdeutsche Rechtsordnung<br />

und das entsprechende Justizsystem ist auf fast allen<br />

Rechtsgebieten erlebbar.<br />

Auch die lange Dauer der Verfahren — über die Instanzen<br />

zehn und mehr Jahre — ist für die Betroffenen bedrückend.<br />

Aus anwaltlicher Erfahrung ist solches vielfach zu bestätigen;<br />

ungefragt und unaufgefordert erklärten viele unserer Mandanten:<br />

„Gehen Sie mir doch weg mit diesem<br />

Rechtsstaat!“<br />

Es muss daran erinnert werden, dass in der Bundesrepublik<br />

— und damit seit 1990 auch für die frühere DDR — nicht nur<br />

das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), 18 sondern auch das<br />

StGB 19 und die Prozessordnungen aus der <strong>Kai</strong>serzeit weiterhin<br />

20/21 gelten — auch wenn im Laufe der Jahre zahlreiche<br />

Veränderungen vorgenommen wurden. Das Grundkonzept<br />

dieser Gesetzbücher wurde nicht angetastet.<br />

Das bedeutet: die alte bereits in der Weimarer Republik<br />

gerügte Volksfremdheit des Rechts und der Justiz, die in der<br />

DDR nach 1945 schrittweise überwunden wurde, kommt nun<br />

auf die DDR-Bürger wieder zurück; sie erleben auch auf diesem<br />

Gebiet einen historischen Rückfall.<br />

Denn im Unterschied zur Entwicklung in Ostdeutschland<br />

und dann in der DDR, wo radikal mit der Vergangenheit<br />

gebrochen wurde, gab es in Westdeutschland bzw. in der<br />

Bundesrepublik absichtsvoll keine derartigen Umbrüche.<br />

269


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Nach der dort herrschenden Rechtsauffassung sei das Deutsche<br />

Reich 1945 nicht untergegangen, weder als Staatsrechts- noch<br />

als Völkerrechtssubjekt.<br />

Daher seien Deutsches Reich und Bundesrepublik im Kern<br />

identisch, wie das vom BVerfG in einer Entscheidung erklärt<br />

wurde. 22<br />

Demgegenüber ging es im Osten Deutschlands darum, den<br />

Hitlerfaschismus mit Stumpf und Stiel, mit seinen ökonomischen<br />

und ideologischen Wurzeln auszurotten.<br />

Dazu gehörte auch der Bruch mit dem alten Recht und der<br />

alten Justiz.<br />

2.2 Hervorzuheben ist weiter:<br />

Auch so weit — wie oben dargelegt — auf so genannte<br />

„Altfälle“ im Straf- wie auch im Zivilrecht nach dem<br />

Einigungsvertrag das DDR-Recht anzuwenden ist, kommt in<br />

der justiziellen Praxis unvermeidlich das bundesdeutsche<br />

Verfahrensrecht zur Geltung.<br />

Denn bekanntlich wird das materielle Recht gerade durch<br />

das Prozessrecht wirklich und wirksam.<br />

Namentlich das Strafrecht wird in jeder Rechtsordnung ausschließlich<br />

vermittels des Prozessrechts — im Unterschied<br />

zum Zivil-, Arbeits- und Familienrecht, wo in größerem<br />

Umfang außergerichtliche Abmachungen und Verhandlungen<br />

stattfinden — praktisch, lebendig und wirksam.<br />

Mithin bewirkt das von den bundesdeutschen Justizbehörden<br />

anzuwendende bundesdeutsche Prozessrecht eine erhebliche<br />

Modifizierung der Wirklichkeit des materiellen DDR-Rechts,<br />

selbst dann, wenn dieses den betreffenden gerichtlichen<br />

Entscheidungen zutreffend zu Grunde gelegt wird.<br />

Auf dieses praktisch maßgebliche fremde bundesdeutsche<br />

Strafprozessrecht wird im Hinblick auf die Strafverfolgung<br />

von DDR-Bürgern noch näher einzugehen sein.<br />

270


Erich Buchholz<br />

2.3 Zuvor ist jedoch die personelle Situation deutlich zu<br />

machen und darzustellen, dass die bundesdeutschen Staatsanwälte<br />

und Richter für die in Strafverfahren verwickelten<br />

DDR-Bürger in jeder Hinsicht völlig fremd sind.<br />

Bekanntlich hat die Volksfremdheit der Justiz nicht nur etwas<br />

mit den Rechtsformen und mit der Rechts- und Prozessgestaltung<br />

zu tun, sondern ganz wesentlich und entscheidend<br />

mit den personellen Voraussetzungen, mit der sozialen Zusammensetzung<br />

und Herkunft der Richter und Staatsanwälte<br />

eines Landes.<br />

In der DDR waren im Ergebnis des radikalen Umbruchs des<br />

Rechts — und Justizsystems die Staatsanwälte und Richter<br />

buchstäblich Menschen aus dem Volke, und zwar nicht nur<br />

die Volksrichter und Volksstaatsanwälte, die Ende der 40er<br />

Anfang der 50er Jahre in die DDR-Justiz kamen.<br />

Da sie etwa 90 Prozent der früheren Richter und Staatsanwälte<br />

ablösten, wurde das Personal der früheren Justiz also<br />

fast vollständig ausgewechselt.<br />

Die Richter und Staatsanwälte der DDR, die nach 1945 tätig<br />

wurden, waren nicht nur Menschen aus dem Volke, sondern<br />

kamen in entscheidendem Maße aus dem antifaschistischen<br />

Widerstand, aus KZ und Zuchthäusern oder aus der<br />

Emigration. Sie waren ausgewiesene Antifaschisten. (Siehe:<br />

Persönliche Erlebnisberichte von politischer Strafverfolgung durch die bundesdeutsche<br />

Justiz direkt Betroffener, Seite 511 ff.)<br />

Auch späterhin, als sich der Nachwuchs der Justiz über die<br />

zunehmend sozialistisch gewordenen Universitäten und<br />

Hochschulen der DDR rekrutierte, wurde gewährleistet, dass<br />

alle werktätigen Schichten des Volkes vertreten waren, dass<br />

dieser Nachwuchs vornehmlich aus der Arbeiterklasse kam.<br />

Im Gefolge der sozialen Umwälzung gab es schon Ende der<br />

50er Jahre in der DDR nur noch Werktätige; das Volk der<br />

DDR war, wie dann auch in der Verfassung von 1968 (in Art.<br />

1 und 2) verankert, ein Volk von Arbeitern, (LPG-) Bauern,<br />

271


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Handwerkern und anderen Werktätigen, namentlich der<br />

technischen und wissenschaftlichen Intelligenz. 23<br />

Andere soziale Schichten, aus denen der Nachwuchs für<br />

Staatsanwälte und Richter hätte kommen können, gab es in<br />

der DDR nicht mehr.<br />

2.4 Demgegenüber war die personelle Zusammensetzung der<br />

bundesdeutschen Justiz traditionell, und zwar weitgehend seit<br />

der <strong>Kai</strong>serzeit.<br />

Menschen aus der Arbeiterklasse waren — schon aus finanziellen<br />

Gründen im Hinblick auf die lange Ausbildung — ausgesprochen<br />

selten.<br />

Zu etwa 90 Prozent war zumindest in den ersten Jahren der<br />

Bundesrepublik das Personal der Justiz solches, das bereits in<br />

der Nazizeit als Staatsanwälte oder Richter tätig gewesen war<br />

oder zumindest ihre juristische Laufbahn vor 1945 begonnen<br />

hatte. Namentlich an den Obergerichten trafen sich die alten<br />

Juristen wieder.<br />

Zutreffend sprach der langjährige hessische Generalstaatsanwalt<br />

Dr. Fritz Bauer von der „Traditionskompanie des<br />

Reichsgerichts“.<br />

Da unbestritten im Westen die Staatsanwälte und Richter —<br />

von Ausnahmen abgesehen — im Amt blieben bzw. alsbald —<br />

z.T. über das so genannte „Huckepackverfahren“ (ein NSunbelasteter<br />

Richter durfte einen NS-belasteten „mitbringen“)<br />

— wieder in den Dienst der Justiz kamen, darf davon<br />

ausgegangen werden, dass die bundesdeutschen Staatsanwälte<br />

und Richter in den 50er und Anfang der 60er Jahre<br />

ganz überwiegend bereits unter Hitler gedient hatten.<br />

Vor allem darf aber folgendes nicht übersehen werden:<br />

Weder im Jahre 1918 — als der <strong>Kai</strong>ser ging und die Generale<br />

blieben — noch im Jahr 1933, als die Nazis die Macht ergrif-<br />

272


Erich Buchholz<br />

fen, noch nach 1945 in Westdeutschland gab es einen Bruch<br />

im Justizwesen, insbesondere keinen Bruch in der personellen<br />

Zusammensetzung.<br />

Im Gegensatz zur DDR wurde und wird stets die Kontinuität<br />

der deutschen Justiz betont; der Bundesgerichtshof sieht sich<br />

in der Tradition des Reichsgerichts und beging dem gemäß<br />

auch dessen Jubiläen als die Seinen.<br />

Die personelle Kontinuität bewirkte, dass die Staatsanwälte<br />

und Richter, die in der Weimarer Zeit im Justizdienst<br />

standen, von den kaiserlichen Staatsanwälten und Richtern<br />

lernten, unter denen nicht wenige aus dem Adel stammten,<br />

die aber vor allem aus dem Bürgertum kamen, und sich<br />

einem deutschen Korpsgeist verpflichtet fühlten.<br />

So wurden Denkweisen, auch justizielle Praktiken der kaiserlichen<br />

Staatsanwälte und Richter auf die in der Weimarer<br />

Zeit tätigen Richter und Staatsanwälte übertragen; dazu<br />

gehört insbesondere auch eine antikommunistische und antisozialistische<br />

Einstellung. Deshalb überrascht nicht, dass in<br />

der Weimarer Zeit die Justiz auf dem „rechten Auge“ blind<br />

war, mit Schärfe gegen „links“ vorging.<br />

Unbeschadet anderer wichtiger Gesichtspunkte bleibt, dass<br />

die Richter und Staatsanwälte der Weimarer Republik im<br />

Großen und Ganzen ohne Skrupel nach 1933 dann Hitler<br />

dienten. (Politisch oder rassisch „belastete“ Richter und<br />

Staatsanwälte gab es ohnehin kaum — im Unterschied zur<br />

Rechtsanwaltschaft, die sich jedoch sehr schnell von solchen<br />

„Kollegen“ befreite und sich voll auf die Nazis einstellte).<br />

Auch wenn der Anteil von Mitgliedern der NSDAP unter<br />

den Richtern und Staatsanwälten während der Nazizeit nicht<br />

sehr groß gewesen sein mag; im NS-Rechtswahrerbund<br />

waren sie alle.<br />

Jedenfalls hatten nach 1945 insbesondere die höheren<br />

Chargen der bundesdeutschen Justiz, also die Richter bei den<br />

273


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Oberlandesgerichten und beim Bundesgerichtshof, bereits<br />

Hitler gedient. Und diese vermittelten dann der neu in den<br />

Justizdienst kommenden jüngeren Generation ihre Wertvorstellungen,<br />

ihre Praxiserfahrung und auch ihre politischen<br />

Einstellungen.<br />

Unter den Bedingungen des Kalten Krieges, d.h. einer<br />

Gegnerschaft zur DDR und entschiedenen Ablehnung der<br />

Entwicklung in der DDR, nahm diese antikommunistische<br />

Grundposition eine spezifische Anti-DDR-Haltung ein.<br />

Auch der Einfluss der (westlichen) Medien auf die gesamte<br />

bundesdeutsche Bevölkerung, somit auch auf Staatsanwälte<br />

und Richter, ist, wie wir das in der Konfrontation mit diesen<br />

in den betreffenden Verfahren erlebten, nicht zu übersehen.<br />

Bei dieser juristischen Karriere, bei dieser Herkunft und der<br />

Traditionsgebundenheit der bundesdeutschen Staatsanwälte<br />

und Richter, für die eine antikommunistische und wohl auch<br />

antisozialistische Haltung mehr oder weniger bestimmend<br />

war und ist, ergibt sich zwangsläufig eine gegen die DDR<br />

gerichtete Grundeinstellung:<br />

Die DDR zählt für sie als Diktatur, als totalitäres Regime, als<br />

Unrechtsstaat.<br />

Mehr noch:<br />

Diesen Staat DDR durfte es eigentlich — gemäß der o. g.<br />

betonten Identität von BRD und Deutschem Reich — gar<br />

nicht geben.<br />

Dieser Staat galt als abtrünniges Gebiet, von einer Verbrecherbande<br />

beherrscht, als Unrechtssystem und jedenfalls<br />

als nicht rechtsstaatlich. 24<br />

Dem gemäß wurde in offiziellen Justizdokumenten, noch in<br />

den achtziger Jahren, wenn schon nicht mehr von Ostzone,<br />

Sowjetzone oder dgl. die Rede war, nur von so genannter<br />

DDR in Anführungszeichen („DDR“) geschrieben.<br />

274


Bei allen individuellen Unterschieden und bei auch erkennbarem<br />

Verständnis bei dem einen oder anderen Richter, ist<br />

im Ganzen davon auszugehen, dass die bei der Strafverfolgung<br />

von DDR-Bürgern tätig gewesenen Staatsanwälte<br />

und überwiegend auch die Richter mit einer Einstellung an<br />

diese Prozesse gingen, die zumindest durch Fremdheit und<br />

Distanziertheit, besonderes Vorverständnis, wenn nicht<br />

Vorurteil, bestimmt ist.<br />

Hinzukommt bei den im folgenden unter dem Aspekt juristischer<br />

Konstruktionen zu untersuchenden Verfahren der<br />

enorme Erwartungsdruck, unter dem Staatsanwälte und<br />

Richter standen.<br />

Nachdem nach 1990 verstärkt vom Unrechtsstaat DDR in<br />

den Medien die Rede war, die Medien in verstärkter Weise,<br />

vielfach wahrheitswidrig, Fälle solchen Unrechts vorführten<br />

und nicht zuletzt der damalige Justizminister Kinkel die<br />

bundesdeutschen Richter aufforderte, das SED-Regime zu<br />

delegitimieren, war allen Staatsanwälten und Richtern<br />

bewusst, was die Politiker und die Öffentlichkeit von ihnen<br />

erwarten. 25<br />

Richter und Staatsanwälte sind halt auch nur Menschen und<br />

können sich schwerlich einem solchen Druck entziehen, so<br />

weit sie nicht selbst Verfechter dieser DDR-Feindschaft sind.<br />

Auch unter den Berliner Richtern haben wir solche gefunden<br />

und erlebt, die sich durch ausgesprochene DDR —<br />

Feindseligkeiten auszeichneten, wobei selbstredend unter<br />

den Staatsanwälten mehr „Scharfmacher“ zu finden waren.<br />

Auch gab es nicht wenige, die selbst, z.B. als Fluchthelfer,<br />

gegen die DDR gerichtete — nach DDR-Recht kriminelle —<br />

Aktivitäten aufzuweisen hatten. (Siehe: Beitrag von Bischoff / Coburger:<br />

Strafverfolgung von Angehörigen des MfS, Seite 248; Text zur Fn. 71)<br />

Erich Buchholz<br />

Bei den so genannten „Leihbeamten“, also den Staatsanwälten,<br />

die aus den alten Bundesländern nach Berlin oder<br />

275


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

in die neuen Bundesländer kamen, um hier die politische<br />

Strafverfolgung zu betreiben, ist bei vielen sehr deutlich<br />

erlebbar gewesen, dass sie eine politische Mission zu erfüllen<br />

gewillt waren.<br />

All diese Voraussetzungen haben sich in den betreffenden<br />

Verfahren gegen DDR-Bürger zwangsläufig zu deren<br />

Nachteil ausgewirkt.<br />

All dies zusammengenommen, ist es nicht völlig abwegig,<br />

hinsichtlich der praktischen Wirkungen der Unterwerfung<br />

der DDR-Bürger unter die bundesdeutsche Rechtsordnung<br />

und das bundesdeutsche Justizsystem davon zu sprechen,<br />

dass die dadurch bewirkte rechtsgeschichtlich einmalige<br />

Situation nicht weit von einer solchen entfernt ist, in der<br />

Bürger eines Landes in ein anderes Herrschaftsgebiet<br />

„deportiert“ wurden oder in der sich die fremde Justiz als<br />

Justiz einer „Besatzungsmacht“ darstellt.<br />

Dies ist festzustellen, und zwar unabhängig von der<br />

subjektiven Haltung einzelner Staatsanwälte und Richter,<br />

einem hier und da nicht zu übersehenden ehrlichen Bemühen<br />

um eine ordentliche, rechtstaatliche Rechtspflege auch bei<br />

der hier zu untersuchenden Strafverfolgung.<br />

Um es noch einmal zu betonen:<br />

Es geht nicht um eine vordergründige Abwertung von<br />

Individuen, die als Staatsanwälte oder Richter in der bundesdeutschen<br />

Strafjustiz an dieser Strafverfolgung von DDR-<br />

Bürgern beteiligt waren und sind.<br />

Es geht um die Kennzeichnung historischer, gesellschaftlicher,<br />

politischer und sozialer Grundbedingungen und<br />

Verhältnisse, unter denen diese leben und DDR-Bürger<br />

strafverfolgend behandeln, denen sich diese Individuen nicht<br />

entziehen können.<br />

So wie Millionen DDR-Bürger, insbesondere diejenigen, die<br />

276


Erich Buchholz<br />

aktiv die DDR mitgestaltet und aufgebaut haben, in deren<br />

Gesellschafts-, Staats- und Rechtsordnung eingebunden<br />

waren, so sind die bundesdeutschen Staatsanwälte und<br />

Richter ihrerseits in ein diametral entgegengesetztes Gesellschafts-<br />

und Rechtssystem, mit der dem gemäßen Tradition<br />

und Vergangenheit eingebunden.<br />

So traten und treten in den betreffenden Strafverfahren<br />

zwangsläufig Individuen einander gegenüber, die jeweils<br />

entgegengesetzte Gesellschaftssysteme repräsentieren, sodass<br />

der fortbestehende Kampf zwischen den Systemen und<br />

politischen Richtungen sich nun — im prozessualen Rahmen<br />

— als Auseinandersetzung zwischen Individuen darstellt, wobei<br />

die einen infolge ihrer prozessualen Stellung als Beschuldigte<br />

und Angeklagte die Unterworfenen und Machtlosen abgeben,<br />

wohingegen die anderen, die Staatsanwälte und Richter,<br />

mit maßgeblicher Macht ausgestattet sind.<br />

2.5 Das andere Justizsystem und insbesondere die andere<br />

Prozessordnung wird vornehmlich auf folgenden Gebieten<br />

besonders deutlich, 26<br />

• auf dem Gebiet der Aufklärung der Wahrheit, des Beweisrechts<br />

und der freien Beweiswürdigung durch den Richter,<br />

• auf dem Gebiet der auf Rechtsfragen beschränkten<br />

Revision, wozu gehört, dass vor den betreffenden Gerichten<br />

kein Wortprotokoll geführt wird, sodass die Richter<br />

die Bekundungen in den Verhandlungen nach ihrer Erinnerung<br />

im Urteil festhalten und dass die für die Revisionsgerichte<br />

geschriebenen Urteile „revisionssicher“ abgefasst<br />

werden.<br />

Diese Vorgänge waren schon im früheren deutschen<br />

Prozessrecht maßgeblich, während sie in dem völlig anders<br />

gestalteten Strafprozessrecht der DDR keine Rolle oder eine<br />

völlig andere Rolle spielten. Die gesetzliche Regelung und<br />

277


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

die praktische Handhabung der Aufklärung der Wahrheit<br />

und der Beweisführung und Beweisaufnahme unterscheiden<br />

sich in den beiden Rechtsordnungen der DDR und der<br />

Bundesrepublik substanziell.<br />

Was DDR-Juristen von der Praxis des bundesdeutschen<br />

Beweisrechts vor bundesdeutschen Gerichten erlebten, letztlich<br />

nachlesbar in den abgesetzten schriftlich vorliegenden<br />

Urteilsgründen, erscheint ihnen nicht nur fremd und kaum<br />

nachvollziehbar, sondern — vielfach durchaus begründet —<br />

unvertretbar, ja unerträglich.<br />

Als Strafverteidiger in zahlreichen Strafverfahren gegen<br />

DDR-Juristen wegen Rechtsbeugung erlangte ich nicht nur<br />

hinreichende Kenntnis von den Verfahren selbst, einschließlich<br />

der vorliegenden Akten, sondern auch von den subjektiven<br />

Erlebnissen meiner vielen Mandanten.<br />

Nach dem Strafprozessrecht der DDR sind die Begriffe „Beweisführung“<br />

und „Beweisführungspflicht“ ganz zentrale,<br />

während sie im bundesdeutschen Strafprozessrecht eine<br />

untergeordnete Rolle spielen, was hier nicht weiter ausgeführt<br />

werden kann.<br />

Jedenfalls war den betreffenden zuständigen DDR-<br />

Behörden die Aufgabe gestellt, die (materielle und objektive)<br />

Wahrheit als unabdingbare Grundlage einer gerechten strafgerichtlichen<br />

Entscheidung festzustellen.<br />

Denn ohne Wahrspruch des Gerichts kann es keine gerechte<br />

Entscheidung geben.<br />

Demgegenüber ist das bundesdeutsche (bzw. das traditionelle<br />

deutsche) Strafprozessrecht auch auf dem Gebiete des<br />

Beweisrechts stärker formell ausgerichtet.<br />

Im Abs. 2 des §244 StPO, also an untergeordneter Stelle, findet<br />

sich eine Formulierung dahingehend, dass die Beweis-<br />

278


Erich Buchholz<br />

aufnahme (in der Hauptverhandlung) von Amts wegen „zur<br />

Erforschung der Wahrheit“ auf alle entscheidungserheblichen<br />

Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken ist.<br />

Das wird vor allem als Amtsermittlungsgrundsatz im Strafprozess<br />

im Unterschied zur Parteimaxime des Zivilprozesses<br />

hervorgehoben.<br />

Die Aufklärung von Amts wegen verlangt, die Beweismittel<br />

in „rechtlich unanfechtbarer Weise“ in die Hauptverhandlung<br />

einzuführen.<br />

Mehr nicht!<br />

Eine dem DDR-Recht vergleichbare gesetzliche Grundsatzbestimmung,<br />

die Wahrheit zu erforschen, kennt das bundesdeutsche<br />

Strafprozessrecht nicht.<br />

Im Weiteren steht dem gemäß im bundesdeutschen Strafprozessrecht<br />

wie in der Praxis der Strafverfahren das Beweisantragsrecht<br />

im Vordergrund, was insbesondere für die<br />

Tätigkeit der Verteidigung außerordentliche Bedeutung hat.<br />

Das bundesdeutsche Strafprozessrecht unterscheidet — im<br />

Unterschied zum DDR-Strafprozessrecht — scharf zwischen<br />

dem Strengbeweis, der an die Vorschriften der §§244 bis 256<br />

StPO gebunden ist (hierzu gehören insbesondere die Beweisanträge<br />

mit den entsprechenden formellen Anforderungen<br />

und ihre Ablehnung, Beweisanregungen, Wahrunterstellung<br />

usw.) und dem Freibeweis; es handelt sich vornehmlich um<br />

einen formellen, prozessualen Unterschied.<br />

Das Kernstück des Beweisrechts nach dem bundesdeutschen<br />

Strafrecht ist der Grundsatz der freien Beweiswürdigung<br />

gem. §261 StPO.<br />

Diese Vorschrift war ursprünglich gegen aus dem Mittelalter<br />

überkommene formale Beweisregeln gerichtet und sollte die<br />

Richter von der Bindung an solche formellen Beweisregeln<br />

befreien; inzwischen aber ist diese Vorschrift zu einer kaum<br />

279


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

einer Überprüfung und Kontrolle zugänglichen richterlichen<br />

Freiheit der Beweiswürdigung mutiert, die auch im Revisionsverfahren<br />

nicht überprüft werden kann.<br />

Die im Zuge der freien Beweiswürdigung getroffenen<br />

Schlussfolgerungen des Tatrichters brauchen nicht zwingend<br />

zu sein; genügend ist, dass sie möglich sind, und der Tatrichter<br />

subjektiv von ihrer Richtigkeit überzeugt ist.<br />

Es wird also erklärtermaßen vom Tatrichter nicht verlangt,<br />

die Wahrheit festzustellen. Es genügt und wird hingenommen,<br />

dass der Tatrichter das, was er als Tatsache „feststellt“ ,<br />

persönlich subjektiv für richtig hält.<br />

Nicht Erforschung der Wahrheit wird verlangt, vielmehr sei<br />

die subjektive Wahrscheinlichkeit hinreichend — ganz so wie<br />

der Zweifelssatz „in dubio pro reo“ im bundesdeutschen<br />

Strafprozessrecht nicht den objektiven Zweifel meint, sondern<br />

nur im Auge hat, ob der Richter einen Zweifel gehabt<br />

habe; blieb der Richter ohne Zweifel, zählt der Grundsatz des<br />

„in dubio pro reo“ nicht.<br />

2.6 Die Konstruktion und Konzeption des bundesdeutschen<br />

Beweisrechts muss darüber hinaus im Zusammenhang mit<br />

dem bundesdeutschen Revisionsrecht und seiner Praxis gesehen<br />

werden. Nur in diesem Gesamtkontext ist die Problematik<br />

des bundesdeutschen Beweisrechts erfassbar.<br />

Die freie Beweiswürdigung durch den Tatrichter selbst ist<br />

dem Revisionsgericht grundsätzlich nicht zugänglich; sie<br />

interessiert daher nur unter dem Aspekt der Grenzen der<br />

freien Beweiswürdigung, der Begrenzung derselben, also z.B.<br />

unter dem Gesichtspunkt, ob das Gericht noch weitere<br />

Beweise hätte erheben müssen. Ob die tatrichterliche<br />

Beweiswürdigung zutreffend ist, ob sie also dem Gebot der<br />

Wahrheitserforschung entspricht, wird vom Revisionsgericht<br />

grundsätzlich nicht überprüft.<br />

280


Erich Buchholz<br />

Das ist alles nicht zufällig.<br />

Dem bundesdeutschen bzw. traditionellen deutschen<br />

Beweisrecht liegt nämlich erkenntnistheoretisch letztlich ein<br />

agnostizistisches Prinzip zugrunde:<br />

Die objektive Wahrheit zu erkennen sei dem Menschen letztlich<br />

verschlossen.<br />

Daraus folgt und dem entspricht dann auch, dass für die<br />

Überzeugungsbildung des Richters eine ihm genügende<br />

hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreicht.<br />

Auch dem Revisionsgericht genügt das Feststellen eines<br />

subjektiven Für-wahr-haltens des Tatrichters. Und ein solches<br />

subjektives Für-wahr-halten kann grundsätzlich nicht überprüfbar<br />

sein.<br />

In jedem Strafverfahren geht es (vornehmlich in der Hauptverhandlung)<br />

um die — im nächsten Abschnitt noch näher zu<br />

behandelnde — Rekonstruktion des in der Vergangenheit liegenden<br />

Tatgeschehens, also des der strafrechtlichen Entscheidung<br />

zugrundezulegenden „tatsächlichen“ Sachverhalts.<br />

Hinsichtlich der freien Beweiswürdigung nach bundesdeutschem<br />

Recht ist weiterhin von ganz enormer praktischer<br />

Bedeutung, dass (jedenfalls in den Verfahren vor dem<br />

Landgericht und dem Oberlandesgericht) keine Wortprotokolle<br />

geführt werden und deshalb die Einlassungen von<br />

Zeugen, Angeklagten und anderen Personen nicht objektiviert<br />

werden, sondern sich unüberprüfbar und unkontrollierbar,<br />

durch die Subjektivität des Richters gebrochen, in den<br />

Urteilsgründen wiederfinden.<br />

(§273 StPO schreibt vor, dass das Protokoll der Hauptverhandlung,<br />

das seiner Beurkundung dient, den Gang und die<br />

Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben<br />

und die Beobachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten<br />

ersichtlich machen muss.<br />

Lediglich in den Hauptverhandlungen vor dem Strafrichter<br />

und dem Schöffengericht — also vor den Amtsgerichten —<br />

281


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen<br />

in das Protokoll aufzunehmen.)<br />

Aber: Wie haben die Richter die Worte des Sich-einlassenden<br />

akustisch (manch ein Zeuge oder Angeklagter spricht leise<br />

und undeutlich) und gedanklich verstanden?<br />

Wie haben die Richter diese Worte aufgefasst? Wie haben sie<br />

einzelne Wendungen im Kontext der Einlassung aufgenommen?<br />

Und nicht zuletzt: wie genau hatten sie diese Einlassungen<br />

bei der Absetzung des Urteils (nicht selten nach Monaten!)<br />

noch in Erinnerung?<br />

Jedenfalls das, was die Richter meinen, was gesagt worden<br />

sei, steht dann als „tatsächliche Feststellung“ in den Urteilsgründen<br />

unverrückbar und unangreifbar fest.<br />

Vielfältige Erfahrungen von Strafverteidigern besagen, dass<br />

sich die Einlassungen von Angeklagten und Zeugen in den<br />

gerichtlichen „tatsächlichen Feststellungen“ des Öfteren unvollständig,<br />

entstellt oder ganz falsch wiederfinden.<br />

Nicht nur die Strafverteidiger wissen:<br />

Die nicht mehr angreifbaren tatsächlichen Feststellungen der<br />

Tatgerichte sind vielfach objektiv falsch, also unwahr.<br />

Im Übrigen gilt für die Beweiswürdigung durch den Tatrichter,<br />

dass dieser über das Ergebnis der Beweisaufnahme „nach<br />

seiner freien, aus dem Inbegriff(?!) der Verhandlungen<br />

geschöpften Überzeugung“ entscheidet.<br />

Wo objektive Beweismittel fehlen, es also auf subjektive<br />

Beweismittel, auf subjektive Deutung, auch auf die subjektive<br />

Deutung der Glaubwürdigkeit der Einlassung, für die freie<br />

Beweiswürdigung ankommt, darf man sich, so namentlich in<br />

den hier zu besprechenden Verfahren, nicht darauf verlassen,<br />

dass von bundesdeutschen Strafgerichten die objektive Wahrheit<br />

des Tatgeschehens festgestellt wird, dass Wahrsprüche<br />

ergehen.<br />

282


Erich Buchholz<br />

Für die Feststellung innerer Tatsachen, also das Wissen und<br />

Wollen des Täters, seine Motive und Absichten, gilt ohnehin<br />

krasser Subjektivismus. Der Tatrichter muss nicht einmal<br />

darstellen, aus welchen objektiven Tatsachen er den Schluss<br />

auf solche inneren Tatsachen zieht. Es genügt die schlichte<br />

Behauptung des Tatrichters im Urteil, dass — nach seiner<br />

Meinung — ein krimineller Vorsatz oder eine kriminelle<br />

Absicht vorgelegen habe.<br />

Ganz in diesem Sinne wurde den DDR-Staatsanwälten und<br />

-Richtern — auf Grund „freier Beweiswürdigung“ — regelmäßig<br />

Rechtsbeugungsvorsatz und den Angehörigen der<br />

Grenztruppen der DDR Tötungsvorsatz unterstellt.<br />

Aus Sicht des bundesdeutschen Beweisrechts ist solches<br />

nichts Besonderes.<br />

Die verurteilten DDR-Bürger haben also aus der Sicht des<br />

bundesdeutschen Strafprozessrechts keine besondere Veranlassung,<br />

sich ob dieser Unterstellung zu mokieren.<br />

2.7 Die Überprüfungsmöglichkeiten im Revisionsverfahren<br />

beschränken sich demzufolge darauf, dass der Tatrichter<br />

gegenüber dem Revisionsgericht seinen Denkvorgang, seine<br />

Denkkonstellation so darstellt, dass diese nicht als offensichtlich<br />

den Denkgesetzen zuwider erscheint. Es genügt schon,<br />

dass seine Schlussfolgerungen als möglich, wenngleich nicht<br />

als zwingend angesehen werden können.<br />

Dies spiegelt sich augenscheinlich in der Ausdrucksweise, in<br />

den Formulierungen der Urteile der Tatrichter, namentlich<br />

der Landgerichte und der Oberlandesgerichte, wieder.<br />

Selbstverständlich haben die Richter gelernt, ihre (wirklichen<br />

oder vorgegebenen) Denkvollzüge so darzustellen, dass das<br />

Revisionsgericht daran keinen Anstoß nimmt. Sie haben es<br />

eben gelernt, Urteile revisionssicher abzusetzen.<br />

283


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Mit Wahrheitserforschung oder Feststellung der objektive<br />

Wahrheit hat dies wenig zu tun.<br />

Daran zeigt sich ein riesiger Unterschied gegenüber der<br />

Abfassung der Urteile in der DDR<br />

In der Bundesrepublik werden die Urteile für höhere<br />

Instanzen, insbesondere für das Revisionsgericht geschrieben;<br />

diese höheren Richter sind die Adressaten der Urteile.<br />

Daher sind solche Urteile für juristische Laien auch kaum<br />

verständlich.<br />

Und es ist ja auch für die bundesdeutsche Justiz völlig belanglos,<br />

ob der Angeklagte das Urteil versteht oder nicht.<br />

Demgegenüber wurden die Urteile in der DDR für den<br />

Angeklagten und die Öffentlichkeit geschrieben. Sie waren<br />

daher weniger juristisch klausuliert formuliert.<br />

Auf Grund des vorstehend Dargestellten geht es bei der in<br />

gegen solche Urteile eingelegten Revision ganz wesentlich<br />

um Verfahrensrügen, insbesondere um Aufklärungsrügen<br />

oder Rügen fehlerhafter Behandlung von Beweisanträgen<br />

usw., also überhaupt nicht direkt um die Frage, inwieweit das<br />

angegriffene Urteil auf unwahren Tatsachenfeststellungen<br />

beruht, ob es sachlich falsch ist.<br />

Das ist, wie bereits betont, mit der Revision nicht angreifbar.<br />

Im Revisionsverfahrens geht es (fast) nur darum, ob der ersten<br />

Instanz Verfahrensfehler unterliefen und ob die Revision<br />

diese in der „gehörigen Form“ rügt.<br />

Denn nur, wenn die vorliegenden Verfahrensfehler auch in<br />

der „gehörigen Form“ gerügt werden, kann eine Revision<br />

erfolgreich sein.<br />

Auf diesem Hintergrund versteht sich, warum etwa 90<br />

Prozent aller bei den Oberlandesgerichten und beim BGH<br />

284


Erich Buchholz<br />

eingelegten Revisionen im schriftlichen Verfahren durch<br />

Beschluss verworfen werden.<br />

Weiter:<br />

Als eine sichere Erfahrung darf angesehen werden, dass<br />

Beweisanträge der Verteidigung von den Gerichten nach<br />

allen Regeln der Kunst möglichst abgelehnt werden, damit<br />

das Gericht sich nicht mit den unter Beweis gestellten<br />

Tatsachen im Urteil auseinandersetzen muss.<br />

Es genügt und ist dem Gericht genehmer, Beweisanträge in<br />

einer Art und Weise der Begründung abzulehnen, die vom<br />

Revisionsgericht voraussichtlich akzeptiert wird.<br />

Dazu gehört vor allem die Behauptung der Bedeutungslosigkeit<br />

des angebotenen Beweises, die behauptete Unerreichbarkeit<br />

von Zeugen oder Beweismitteln, sowie die — für das<br />

Gericht mitunter gefährliche — Wahrunterstellung.<br />

Auf diese Weise wird vermieden und ausgeschlossen, dass das<br />

betreffende Beweismittel vor Gericht gebracht werden bzw.<br />

der betreffende Zeuge gehört werden muss.<br />

Auch das, die Ablehnung von Beweisanträgen, haben die<br />

bundesdeutschen Richter gelernt, was überdeutlich an der<br />

floskelhaften Verwendung bestimmter Stereotype in den<br />

betreffenden Gerichtsbeschlüssen abzulesen ist.<br />

Jedenfalls zeigte sich sehr deutlich:<br />

Wenn das Gericht ein gewisses Beweisthema oder gewisse<br />

Beweismittel nicht haben, nicht in die Hauptverhandlung einführen<br />

möchte, überbürdet es der Verteidigung die<br />

Beweislast, indem es die Verteidigung, die sich hinsichtlich<br />

der Beweise und Beweismittel gegenüber der Staatsanwaltschaft<br />

regelmäßig in einer wesentlich schwächeren Position<br />

befindet, nötigt, Beweisanträge zu stellen.<br />

2.8 Das Gesamtsystem des bundesdeutschen Strafprozessrechts<br />

ist insbesondere mit seinem Beweisrecht und dem<br />

285


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Revisionsrecht darauf abgestellt, in einer besonders raffinierten<br />

juristischen Verklausulierung und durch besondere<br />

Verfahrensregelungen Urteile zu produzieren, die im Sinne<br />

des herrschenden Gesellschaftssystems ergehen, ohne dass<br />

dieser Sinn und Zweck der betreffenden Urteile sogleich in<br />

seinem gesellschaftspolitischen Inhalt erkannt und durchschaut<br />

wird.<br />

Im juristischen Alltag fällt solches nicht besonders auf.<br />

Aber bei politischen Verfahren bzw. bei Strafverfahren mit<br />

politischem Hintergrund wird dieser Zweck unübersehbar.<br />

Zugleich wird es in solchen Verfahren möglich, den Rauchvorhang<br />

des eingespielten justiziellen Theaters zu lüften.<br />

Dazu will hier ein Beitrag geleistet werden.<br />

3. Zur Problematik der Rekonstruktion<br />

von Sachverhalten<br />

Es wird darzustellen sein, dass in diesen Verfahren<br />

von den bundesdeutschen Gerichten, vom Tatrichter,<br />

— wenn sie die betreffenden DDR-Bürger verurteilten —<br />

Sachverhalte in einer solchen Weise konstruiert wurden, dass<br />

von einer Verfälschung der Sachverhalte gesprochen werden<br />

muss.<br />

Ganz generell geht es zunächst um das äußerst komplizierte<br />

Problem der Rekonstruktion des Tatgeschehens vor Gericht.<br />

3.1 Jede Anwendung von Recht setzt die Feststellung des<br />

betreffenden, dann der rechtlichen Beurteilung zugrundezulegenden<br />

Sachverhalts, im Strafrecht des Tatgeschehens, voraus.<br />

„Da mihi factum, dabo tibi jus“ (Gib mir die Tatsachen, ich<br />

gebe dir das Recht), hieß es schon im alten Rom.<br />

286


Erich Buchholz<br />

Im Strafprozess wird der der strafrechtlichen Beurteilung<br />

zugrundezulegende Sachverhalt in der Beweisaufnahme,<br />

durch Erhebung von Beweisen, nach Maßgabe der optischen<br />

und akustischen Wahrnehmung durch den/die Richter und<br />

(bei Absetzung des schriftlichen Urteils Wochen oder<br />

Monate nach Schluss der Beweisaufnahme) nach Maßgabe<br />

seines/ihres Erinnerungsvermögens, ermittelt und im Ergebnis<br />

der freien Beweiswürdigung richterlich festgestellt.<br />

Jede derartige Feststellung des Sachverhalts ist eine nachträgliche<br />

Rekonstruktion des seinerzeitigen Tatgeschehens,<br />

das u.U. Jahre zurückliegt. Ob die Rekonstruktion des<br />

Sachverhalts durch das Gericht zutreffend ist, kann zweifelhaft<br />

sein.<br />

Bei überschaubaren, einfachen und fassbaren Vorgängen,<br />

etwa bei einem Diebstahl, mag diese Rekonstruktion ganz<br />

überwiegend ein zutreffendes Ergebnis, eine zutreffende<br />

Wiedergabe des damaligen Tatgeschehens erbringen.<br />

Bei komplizierteren Vorgängen, zum Beispiel bei Wirtschaftsdelikten,<br />

und bei Vorgängen, deren Behandlung sehr<br />

von der Bewertung durch Zeugen, Sachverständige und<br />

Richter abhängen, zum Beispiel bei Sexualdelikten, ist schon<br />

sehr problematisch und zweifelhaft, inwieweit die Rekonstruktion<br />

des Tatgeschehens vor Gericht und durch das<br />

Gericht dem wirklichen seinerzeitigen Handeln des<br />

Angeklagten entspricht.<br />

Wir kennen die dreibändige Untersuchung von Peters und<br />

viele praktische Erfahrungen, über die auch die Fachzeitschriften<br />

berichten, und wissen daher, dass gar nicht so selten<br />

von den Gerichten falsche Sachverhalte festgestellt und zu<br />

Grunde gelegt werden, die nach bundesdeutschem Strafprozessrecht<br />

durch die Revision grundsätzlich nicht mehr<br />

angreifbar sind, dass also die tatsächlichen Feststellungen<br />

287


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

eines Landgerichts falsch und folglich die auf diesen beruhenden<br />

Urteile falsch, also Unrechtsurteile, sind. 27<br />

Es ist dann nicht selten mehr oder weniger zufällig, ob —<br />

etwa im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens — später<br />

der wirkliche Sachverhalt noch ermittelt und festgestellt werden<br />

kann.<br />

Nicht minder problematisch ist die Rekonstruktion des<br />

Sachverhalts — wie vorliegend — im Bereich des politischen<br />

Strafrechts, wo die politische Zwecke verfolgenden Verfahren<br />

zur „strafrechtlichen Aufarbeitung von DDR-Unrecht“ aus<br />

politischen Gründen in „gewöhnliche“ Strafverfahren wegen<br />

krimineller Handlungen gekleidet wurden, um den politischen<br />

Gegner als Kriminellen zu desavouieren und zu diskriminieren.<br />

In solcher politischer Strafjustiz kommen bei der Sachverhaltsfeststellung<br />

zwangsläufig politisches Vorverständnis<br />

— meist ein Vorurteil — und politische Auffassungen zur<br />

Geltung, weil die politischen Überzeugungen der bundesdeutschen<br />

Staatsanwälte und Richter einerseits und die der<br />

Angeklagten, vorliegend betreffender DDR-Bürger, andererseits<br />

einander diametral entgegengesetzt sind.<br />

Ein solches Phänomen war schon sehr früh in den zahlreichen<br />

„Kommunistenprozessen“ der fünfziger Jahre in der Bundesrepublik<br />

Deutschland massiv in Erscheinung getreten.<br />

Es darf nicht verwundern, dass eben dieses Phänomen in<br />

Strafverfahren gegen DDR-Bürger, namentlich gegen DDR-<br />

Hoheitsträger, und jedenfalls in Verfahren, die der „strafrechtlichen<br />

Aufarbeitung von DDR-Unrecht“ dienen sollen,<br />

durchschlägt.<br />

Das Vorverständnis der betreffenden Staatsanwälte und<br />

Richter gegenüber der DDR — in einigen Fällen unverkennbar<br />

ein Vorurteil — zeigt Wirkung, die nicht überrascht.<br />

288


Erich Buchholz<br />

Wir haben schon in früheren Arbeiten solche unzutreffende<br />

Rekonstruktion des Tatgeschehens als Sachverhaltsverfälschung<br />

gekennzeichnet.<br />

3.2 In den Verfahren gegen DDR-Grenzsoldaten und deren<br />

Vorgesetzte zeigt sich dies insbesondere in folgender Weise:<br />

Bei der strafrechtlichen Verfolgung von Grenzsoldaten der<br />

DDR und ihrer Vorgesetzten war (auch in den Medien)<br />

immer wieder die Rede von einem „Schießbefehl“.<br />

Die bundesdeutschen Strafverfolgungsbehörden hatten nicht<br />

nur jahrelang Zeit, nach einem solchen zu suchen, wofür<br />

ihnen sämtliche Archive, auch geheime Archive des Ministeriums<br />

für Nationale Verteidigung und des Ministeriums für<br />

Staatssicherheit, zur Verfügung standen.<br />

Es steht nunmehr eindeutig fest:<br />

Einen derartigen „Schießbefehl“ gab es in der DDR nicht,<br />

namentlich gab es keinen Befehl zum Erschießen von<br />

Personen.<br />

So hat es auch das Landgericht Berlin in seinem Urteil im<br />

Verfahren gegen Egon Krenz und anderen festgestellt.<br />

Maßgeblich waren die Schusswaffengebrauchesbestimmungen,<br />

wie sie seit 1982 im Grenzgesetz der DDR (§27) und<br />

substanziell gleich zuvor in den entsprechenden Dienstvorschriften<br />

geregelt waren. 28<br />

In Bezug auf diese hat das Bundesverfassungsgericht in dem<br />

Verfahren gegen Albrecht, Keßler und Streletz zutreffend<br />

festgestellt, „dass die gesetzlichen Vorschriften der DDR, so<br />

weit sie den Schusswaffengebrauch an der innerdeutschen<br />

Grenze regelten, den Vorschriften der Bundesrepublik über<br />

die Anwendung unmittelbaren Zwangs im Wortlaut entsprachen.“<br />

29<br />

289


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Da es also keinen „Schießbefehl“, in dem man insbesondere<br />

die Grundlage für die Strafbarkeit der jeweils Angeklagten<br />

sehen wollte, gab, beschritt die bundesdeutsche Strafjustiz,<br />

um zu der politisch erwünschten Verurteilung dieser zu gelangen,<br />

besondere Wege der „Rekonstruktion“ — besser der<br />

Verfälschung — des Sachverhalts.<br />

3.3 Bereits in dem ersten Verfahren gegen Grenzsoldaten der<br />

DDR wurde eine solche Beweisaufnahme praktiziert, aus<br />

der der Tatrichter, die 27. Große Strafkammer (Schwurgerichtskammer)<br />

des Landgerichts Berlin, die Existenz<br />

„unterschwelliger“ Befehle konstruierte, die im Widerspruch<br />

zu den Schusswaffengebrauchsbestimmungen gestanden<br />

haben sollen. 30<br />

Auch diese Schwurgerichtskammer hatte keine derartigen,<br />

den Schusswaffengebrauchsbestimmungen widersprechende<br />

Befehle gefunden bzw. in die Beweisaufnahme einführen<br />

können.<br />

Da es keinen derartigen Befehl gab, die das Gericht zur<br />

Verurteilung der Grenzsoldaten benötigte, hat es solche aus<br />

subjektiven Deutungen einzelner als Zeugen vernommener<br />

Soldaten „abgeleitet“, „herausgelesen“.<br />

Dabei hatten auch Anspielungen auf das „Militär-Gefängnis“<br />

in Schwedt eine Rolle gespielt, obwohl tatsächlich niemals<br />

ein Grenzsoldat etwa deswegen dorthin gekommen war, weil<br />

er auf einen Flüchtigen nicht geschossen oder einen Grenzdurchbruch<br />

nicht verhindert hätte.<br />

Auf dem Hintergrund solcher subjektiver Bewertung der<br />

subjektiven Deutungen einzelner Personen sprach dann diese<br />

Schwurgerichtskammer von einer „perfiden Doppelstrategie“,<br />

einer angeblichen Diskrepanz zwischen offiziellen<br />

Regelungen und Befehlen einerseits und den „inoffiziellen“<br />

andererseits, was dann der BGH, auch in seiner vorgenannten<br />

290


Erich Buchholz<br />

Entscheidung, rekapituliert.<br />

Später findet sich, gestützt auf diese „Feststellungen“ des<br />

Tatrichters, beim BverfG die Wendung, dass die an sich nicht<br />

zu beanstandende Rechts- und Befehlslage in Gestalt der<br />

Regelungen des Schusswaffengebrauchs „von Befehlen überlagert<br />

war“, die eine Tötung von Personen gefordert haben<br />

sollen. 31<br />

Um es zu wiederholen:<br />

Derartige — die Rechtslage überlagernde — Befehle wurden<br />

nicht gefunden und konnten auch nicht gefunden und vorgelegt<br />

werden.<br />

Denn es gab sie nicht.<br />

Auch das Bundesverfassungsgericht verfügt in seinen<br />

Aktenbeständen nicht über derartige Befehle.<br />

Gleichwohl werden solche — real nicht existierende —<br />

Befehle zur Grundlage der Verurteilung der betreffenden<br />

Grenzsoldaten und ihrer Vorgesetzten genommen.<br />

3.4 Der Bundesgerichtshof beschritt noch einen anderen Weg.<br />

Da es derartige Befehle nicht gab, kam der 5. Strafsenat des<br />

BGH in seiner Entscheidung vom 8. November 1999 in<br />

Sachen Egon Krenz auf die Idee, den so genannten<br />

„Klassenauftrag“, die Unverletzlichkeit der Staatsgrenze zu<br />

gewährleisten, zu einem „ideologischen Schießbefehl“ hochzustilisieren.<br />

32<br />

Der „Klassenauftrag“ war indessen eine — wie immer man<br />

dies beurteilen mag — politisch-ideologische Form der<br />

Motivierung der Grenzsoldaten — übrigens in einer ähnlichen<br />

Weise wie auch sonst die Werktätigen in der DDR<br />

politisch zu ihren Arbeitsleistungen motiviert wurden (was<br />

den bundesdeutschen Richtern und Staatsanwälten offensichtlich<br />

nicht geläufig ist).<br />

291


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Dieser „Klassenauftrag“ hatte im Unterschied zu den<br />

Schusswaffengebrauchsbestimmungen keinerlei konkreten<br />

Inhalt, insbesondere enthielt er keine bestimmte Verhaltensvorschrift,<br />

sondern lediglich die ganz allgemeine, auf Art. 7<br />

der Verfassung der DDR gegründete selbstverständliche<br />

Aufgabenstellung, die Unantastbarkeit der Staatsgrenze zu<br />

gewährleisten. 33<br />

Demgegenüber waren die Grenzsoldaten auf der Grundlage<br />

der Schusswaffengebrauchsbestimmungen im Sinne eines<br />

Algorithmus genau instruiert worden, welche konkreten<br />

Handlungen sie — nacheinander — vorzunehmen hatten, um<br />

einen ungesetzlichen Grenzübertritt, einen „Grenzdurchbruch“,<br />

zu verhindern, um ihren Auftrag — meinetwegen den<br />

„Klassenauftrag“ — zu erfüllen:<br />

Festnahme ohne Anwendung der Schusswaffe, Anhaltegebot<br />

und Warnung,Warnschuss, ehe dann gegenüber Personen von<br />

der Schusswaffe Gebrauch gemacht werden durfte, wobei das<br />

Leben von Menschen zu schonen war.<br />

3.5 In diesem Zusammenhang, d.h. bei der Verdeutlichung<br />

der Sachverhaltsverfälschung durch die bundesdeutschen<br />

Tatrichter in Verfahren gegen DDR-Grenzsoldaten und ihre<br />

Vorgesetzten ist weiterhin, unter dem Gesichtspunkt der<br />

„Konstruktion“ eines Schießbefehls und eines Kausalzusammenhanges<br />

zwischen einem solchen und dem Tod von<br />

Flüchtlingen an der Westgrenze der DDR, auf folgendes hinzuweisen:<br />

In Anlehnung an eine allgemein im gesellschaftlichen Leben<br />

der DDR übliche Praxis, Jahrespläne, kollektive Entschließungen<br />

zur Erfüllung der jährlichen Volkswirtschaftspläne<br />

usw., zu verabschieden, war die militärische Führung der<br />

DDR — um nicht hinter der gesellschaftlichen Praxis zurück-<br />

292


Erich Buchholz<br />

zubleiben — dazu übergegangen, in „Jahresbefehlen“ die<br />

Aufgaben für das kommende Ausbildungsjahr der Soldaten<br />

zusammenzufassen.<br />

Es handelte sich bei diesen Befehlen um die jährlich erneut<br />

abgefassten Ausbildungsbefehle.<br />

Die Befehle Nr. 101 enthielten die strategische Orientierung<br />

für die Grenzsicherung im jeweiligen Ausbildungsjahr und<br />

dabei ganz überwiegend Ausbildungsaufgaben im Hinblick<br />

auf den Verteidigungszustand.<br />

Diese Jahresbefehle ergingen auf der Grundlage und im<br />

Rahmen der Verfassung und der Gesetze sowie der anderen<br />

Rechtsvorschriften der DDR und der Dienstvorschriften des<br />

Ministers für Nationale Verteidigung der DDR. Sie vermochten<br />

die gegebene Rechtslage nicht zu verändern.<br />

Die vom Minister für Nationale Verteidigung der DDR jedes<br />

Jahr regelmäßig neben den Befehlen Nr.100 und 102 erlassenen<br />

Befehle 101 waren an den Chef der Grenztruppen der<br />

DDR und darüber hinaus auch an den Chef der Volksmarine,<br />

dem die Grenzbrigade Küste unterstand, gerichtet.<br />

Die nachgeordneten Kommandeure erließen dann für ihren<br />

jeweiligen Bereich an die jeweils unterstellten Kommandeure<br />

ihrerseits Jahresbefehle, so der Chef der Grenztruppen den<br />

Befehl Nr. 80, die Chefs der drei Grenzkommandos die<br />

Befehle Nr. 40 und die Kommandeure der Grenzregimenter<br />

die Befehle Nr. 20.<br />

Der Charakter dieser Jahresbefehle wurde, obwohl in der<br />

Beweisaufnahme gebotene Erläuterungen vorgetragen wurden,<br />

von den betreffenden Tatrichtern (absichtsvoll — böswillig?)<br />

völlig verkannt — was zu einer falschen Sachverhaltsfeststellung<br />

führte.<br />

Im vorgenannten Urteil des Landgerichts Berlin (auf Seite 53)<br />

heißt es:<br />

„Sämtliche Handlungen der Grenztruppen also auch<br />

293


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

die Verminung des Grenzgebietes und die Anwendung<br />

der Schusswaffe gegen Flüchtlinge, beruhten auf<br />

dieser Befehlskette.“<br />

Das ist schlicht falsch.<br />

Denn die Grundlage für die Anwendung der Schusswaffe<br />

waren ausschließlich die jeweiligen Schusswaffengebrauchsbestimmungen.<br />

Weiter:<br />

Die Verlegung von Minen erfolgte ebenfalls nicht auf der<br />

Grundlage der vorgenannten Jahresbefehle, sondern auf Grund<br />

spezieller Befehle, insbesondere der Minenverlegungsbefehle<br />

mit entsprechenden Minenverlegungsplänen bzw. -karten.<br />

Die Jahresbefehle enthielten im militärischen Regelwerk<br />

grundsätzlich substanziell nichts Neues. Denn die Ausbildung<br />

der Grenzsoldaten erfolgte in all diesen Jahren gem. der<br />

Verfassung der DDR, insbesondere ihres Art. 7, und den<br />

anderen Rechtsvorschriften grundsätzlich nach den gleichen<br />

Vorgabe und Prinzipien.<br />

Die Jahresbefehle waren so breit gefächert, dass sie für den<br />

militärischen Bereich auch Fragen der Versorgung, der<br />

Frauen- und Jugendförderung und alle möglichen anderen<br />

Gegenstände umschlossen.<br />

Selbstverständlich enthielten diese Jahresbefehle, die für die<br />

Grenztruppen der DDR bestimmt waren, in ständiger<br />

Wiederholung auch die auf Art. 7 der Verfassung gegründete<br />

grundlegende Aussage, die Unantastbarkeit der Grenze zu<br />

gewährleisten.<br />

Es wäre nicht vorstellbar gewesen, dass ausgerechnet diese<br />

durch die Verfassung gegebene Aufgabenstellung aus den<br />

Jahresbefehlen der Grenztruppen ausgelassen worden wäre!<br />

Was vorliegend wesentlich ist, ist, dass diese Jahresbefehle in<br />

keinem Fall die Grundlage für das relevante Handeln der<br />

294


Erich Buchholz<br />

Grenzsoldaten waren, weder für den Gebrauch der Schusswaffe<br />

noch für die Verlegung von Minen oder Selbstschussanlagen.<br />

Im übrigen erreichten diese Jahresbefehle Nr. 101, die wie<br />

alles militärische Schriftgut der militärischen Geheimhaltung<br />

unterlagen, niemals den einzelnen Grenzsoldaten, nicht einmal<br />

die Regimentskommandeure und andere diesen unterstellte<br />

Kommandeure bzw. Chefs.<br />

Die Befehle Nr.101 erreichten die Kommandoebene des<br />

Chefs der Grenztruppen der DDR, die Befehle Nr. 80 die<br />

Kommandoebene der drei Grenzkommandos, die Befehle<br />

Nr. 40 die Kommandoebene der Grenzeregimenter und die<br />

Befehle Nr. 20 die Kommandoebene der Grenzkompanien.<br />

Weiter kamen diese Befehle nicht.<br />

Das Handeln der Grenzsoldaten gegenüber Fluchtwilligen<br />

war nicht durch diese Jahresbefehle bestimmt.<br />

Insoweit fehlt jeder Kausalzusammenhang.<br />

Das Handeln der Grenzsoldaten gegenüber Fluchtwilligen<br />

war vielmehr durch besondere militärischen Vorschriften<br />

(Dienstvorschriften über den Grenzdienst) geregelt; diese<br />

Dienstvorschriften waren die militärische Grundlage für das<br />

— vorliegend relevante — Handeln der Grenzsoldaten und<br />

nicht die vorgenannten Jahresbefehle.<br />

Da auch diesen Dienstvorschriften ein Schießbefehl oder<br />

ähnliches nicht zu entnehmen war, griffen die betreffenden<br />

bundesdeutschen Richter — völlig inadäquat, sachlich und<br />

besonders militärisch verfehlt — auf diese Jahresbefehle<br />

zurück, um aus ihnen Schießbefehle zu konstruieren.<br />

3.6 Um nun den immer noch nicht geschlossenen<br />

Kausalzusammenhang, die „Befehlskette“ bis zum letzten<br />

Soldaten als Grundlage einer angestrebten strafrechtlichen<br />

Verurteilung von militärischen und politischen Spitzen der<br />

295


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

DDR wegen Mord oder Totschlag annehmen zu können,<br />

musste die Verbindung zu dem einzelnen Grenzsoldaten, der<br />

von der Schusswaffe Gebrauch machte, hergestellt werden.<br />

Dazu nutzten bundesdeutsche Staatsanwälte und Richter, bar<br />

jeder militärischen Sachkunde, das militärische Institut der<br />

„Vergatterung“.<br />

Vergatterung ist — was als allgemeinkundig vorausgesetzt<br />

werden dürfte — der militärische Vorgang der Herauslösung<br />

der Soldaten, die zum Wachdienst, beziehungsweise vorliegend<br />

zum Grenzdienst, eingesetzt werden, aus dem regulären<br />

militärischen Unterstellungsverhältnis und ihre Unterordnung<br />

unter die Wachhabenden beziehungsweise Postenführer.<br />

Bei der Vergatterung selbst, mitunter durch ein besonderes<br />

militärisches Zeremoniell unterstrichen, wird selbstverständlich<br />

an bekannte Befehle und Aufgabenstellungen erinnert<br />

(vorliegend die verfassungsrechtlich vorgegebene Aufgabe,<br />

die Unantastbarkeit der Staatsgrenze zu gewährleisten), und<br />

es werden spezifische Instruktionen für den unmittelbar<br />

bevorstehenden, räumlich und zeitlich bestimmten Wach —<br />

bzw. Grenzdienst erteilt. Jedenfalls schafft eine Vergatterung,<br />

die von der bestehenden Befehlslage ausgeht, niemals eine<br />

eigene Befehlslage.<br />

Daher kann eine Vergatterung niemals die befehlsmässige<br />

Grundlage für den Schusswaffengebrauch abgeben.<br />

Erst nach der Vergatterung zum Grenzdienst durften<br />

Grenzsoldaten auf der Grundlage der Schusswaffengebrauchbestimmungen<br />

die Schusswaffe im Grenzdienst anwenden.<br />

Vor allem: Die Grenzsoldaten waren durchweg während der<br />

Ausbildung im Ausbildungsregiment — bevor sie zum<br />

Einsatz an die Grenze kamen — hinreichend militärisch und<br />

auch politisch-ideologisch für die Erfüllung ihrer Aufgaben<br />

im Grenzdienst vorbereitet und instruiert.<br />

296


Erich Buchholz<br />

Das galt insbesondere für die vorgenannten Dienstvorschriften<br />

und die Schusswaffengebrauchsbestimmungen,<br />

für den skizzierten Algorithmus ihres auf die Verhinderung<br />

von „Grenzdurchbrüchen“ gerichteten Handels.<br />

Insoweit konnten die Grenzsoldaten weder durch eine wie<br />

auch immer geartete Vermittlung der vorgenannten Jahresbefehle,<br />

noch durch die fast tägliche Vergatterung in ihrem<br />

konkreten dienstlichen Handeln, das auf die Verhinderung<br />

eines Grenzdurchbruchs gerichtet war, zu einem konkreten<br />

Handeln bestimmt werden.<br />

So weit fehlt es an einem Kausalzusammenhang.<br />

Die Heranziehung der Vergatterung als ein Element der<br />

Veranlassung der Grenzsoldaten zum Totschießen ist also in<br />

jeder Hinsicht abwegig und sachlich falsch — ein sehr<br />

anschauliches Beispiel für Sachverhaltsverfälschung.<br />

3.7 Bevor auf die besonders komplizierte Problematik der<br />

Berücksichtigung historischer Zusammenhänge bei der<br />

Feststellung des Sachverhalts — bei der Verfälschung des<br />

Sachverhalts — einzugehen ist, sei die einseitige, letztlich<br />

gleichfalls verfälschende Betrachtungsweise bundesdeutscher<br />

Staatsanwälte und Richter bei der „Feststellung“ der<br />

inneren Tatsachen sowie bei der (völlig außer Acht gelassenen)<br />

Interaktion zwischen den Flüchtenden und den Grenzsoldaten<br />

illustriert.<br />

Schon bei der polizeilichen Vernehmung der ersten DDR-<br />

Grenzsoldaten als Beschuldigte, die ohne anwaltlichen<br />

Beistand stattfand, wurde ihnen u.a. die Frage vorgelegt, ob<br />

sie denn nicht wüssten, dass beim Einsatz der Schusswaffe<br />

auch Todesfolgen eintreten könnten.<br />

Ehrlich und aufrichtig, wie DDR-Bürger waren, haben sie die<br />

Frage bejaht.<br />

Dass aus dieser auf der Hand liegenden allgemein zutreffen-<br />

297


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

den Aussage — dann auch vor Gericht — ein Tötungsvorsatz<br />

gemacht, konstruiert wurde, indem ein billigendes Inkaufnehmen<br />

des Todes eines Menschen und damit juristisch ein<br />

dolus eventualis unterstellt wurde, konnten die Beschuldigten,<br />

aufrichtige und ehrliche DDR-Grenzsoldaten, nicht ahnen.<br />

Jeder Gesetzgeber, jeder Vorgesetzte im militärischen oder<br />

polizeilichen Bereich, der — unter welchen Voraussetzungen<br />

und Bedingungen auch immer — den Einsatz der Schusswaffe<br />

erlaubt oder anordnet, weiß, dass unter bestimmten<br />

(unglücklichen) Umständen der Schusswaffengebrauch, auch<br />

ungewollt, tödliche Folgen nach sich ziehen kann.<br />

Niemals ist sonst zuvor aus diesem allgemeinen Wissen um<br />

die Möglichkeit einer Todesfolge bei einem angeklagten<br />

Individuum ein Tötungsvorsatz konstruierten worden, niemals<br />

zuvor wurde das Wissen von möglichen Folgen auch als<br />

Wollen bzw. als bedingtes Wollen ausgedeutet.<br />

Bei Tötungsdelikten legt sonst der Bundesgerichtshof großes<br />

Gewicht darauf zu prüfen, inwieweit der Täter auch bereit<br />

gewesen sei, die grundsätzlich bei jedem Menschen vorhandene<br />

Hemmschwelle der Tötung eines Menschen zu überschreiten.<br />

Bei DDR-Grenzsoldaten — normalen jungen Männern, die<br />

ihren Wehrdienst an der DDR- Staatsgrenze ableisteten und<br />

keine gekauften „Killer“ waren — wurde diese Prüfung und<br />

dieser richtige und wichtige Prüfungsmaßstab völlig außer<br />

Betracht gelassen.<br />

Den schlichten und direkten Schluss vom allgemeinen Wissen<br />

auf das konkrete Wollen des einzelnen Individuums praktizieren<br />

bundesdeutsche Gerichte in Fällen tödlicher Folgen<br />

bei dienstlichem Schusswaffengebrauch nur dann, wenn die<br />

Angeklagten DDR-Grenzsoldaten oder ihre Vorgesetzten<br />

waren.<br />

298


Erich Buchholz<br />

In allen bekannt gewordenen Fällen, in denen (bundesdeutsche)<br />

Polizeibeamte (oder auch Zollbeamte) von der Schusswaffe<br />

mit Todesfolge Gebrauch gemacht hatten, wurde —<br />

sofern es überhaupt zu einer strafrechtlichen Verfolgung kam<br />

— regelmäßig Fahrlässigkeit angenommen.<br />

Es dürfte an dem andersartigen Vorverständnis der betreffenden<br />

bundesdeutschen Staatsanwälte und Richter liegen,<br />

dass vergleichbare Fallkonstellationen der Anwendung von<br />

Schusswaffen mit Todesfolge bei bundesdeutschen Beamten,<br />

wenn es überhaupt zu einer strafrechtlichen Verfolgung<br />

kommt, zur Annahme von Fahrlässigkeit, bei DDR-Grenzsoldaten<br />

zur Annahme von Vorsatz führen.<br />

DDR-Grenzsoldaten waren — in den Medien — bereits vor<br />

dem ersten diesbezüglichen Strafverfahren und vor dem<br />

ersten gerichtlichen Urteil als „Mauerschützen“ vorverurteilt.<br />

Ihnen gegenüber galt nicht — namentlich in der Öffentlichkeit<br />

und in den Medien nicht — die Unschuldsvermutung, ein<br />

Menschenrecht gem. Art. 6 Abs. 2 der Europäischen<br />

Menschenrechtskonvention. 34<br />

Die eigenen persönlichen Erfahrungen und Eindrücke sprechen<br />

dafür, dass zumindest bei mehreren bundesdeutschen<br />

Staatsanwälten und Richtern gleiche Vorstellungen einer<br />

Vorverurteilung, also das Bestehen von Vorurteilen, dominant<br />

waren.<br />

In einer kaum zu überbietenden Deutlichkeit erklärte der Vorsitzende<br />

der als Schwurgerichtskammer verhandelnden 27.<br />

Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin im ersten Verfahren<br />

gegen DDR-Grenzsoldaten die unterschiedliche Beurteilung<br />

bundesdeutscher Beamter einerseits und von DDR-<br />

Grenzsoldaten andererseits, wenn der Einsatz der Schusswaffe<br />

zum Tode eines Menschen führt, mit folgenden Worten:<br />

299


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Der bundesdeutsche Zollbeamte habe einem Rechtsstaat<br />

gedient, der DDR-Grenzsoldat einem Unrechtsstaat. 35<br />

(Dass der DDR-Grenzsoldat, dem der Besuch Honeckers bei<br />

Bundeskanzler Kohl im Jahre 1987 noch gut in Erinnerung<br />

war, nicht wissen konnte, dass er in einem „Unrechtsstaat“<br />

aufgewachsen war und diesem dann als Wehrpflichtiger<br />

gedient hatte, darf angemerkt werden).<br />

3.8 Ähnlich wurde die subjektive Seite bei DDR-Richtern<br />

und -Staatsanwälten „konstruiert“, unterstellt.<br />

Nach der anzuwendenden DDR-Vorschrift, §244 StGB/<br />

DDR, muss der betreffende Richter oder Staatsanwalt das<br />

DDR-Gesetz wissentlich verletzt haben. Indirekter Vorsatz<br />

genügt also nicht. 36<br />

Er muss sich dessen bewusst gewesen sein, dass die von ihm<br />

vorgesehene Entscheidung direkt dem (geschriebenen)<br />

Gesetz der DDR widerspricht.<br />

Selbstverständlich hat kein einziger der angeklagten DDR-<br />

Richter und -Staatsanwälte bei den ihnen vorgeworfenen Entscheidungen<br />

das Gesetz seines Staates wissentlich verletzt.<br />

Das haben sie auch eindeutig und mit guten Gründen vor<br />

Gericht erklärt.<br />

Eine Verurteilung wegen Rechtsbeugung ist danach ausgeschlossen.<br />

Dennoch wurden viele DDR-Richter und -Staatsanwälte<br />

wegen Rechtsbeugung verurteilt.<br />

Die betreffenden bundesdeutschen Gerichte unterstellten<br />

einfach die vom DDR-Gesetz geforderte Wissentlichkeit<br />

ohne eine entsprechende Tatsachengrundlage.<br />

Nach bundesdeutschem Prozessrecht bedarf es — wie oben<br />

dargestellt — bei der Annahme der subjektiven Tatbestands-<br />

300


Erich Buchholz<br />

voraussetzungen auch solcher objektiven Tatsachengrundlage<br />

nicht.<br />

Es genügt in der Bundesrepublik, dass „zur Überzeugung des<br />

Gerichts“ (§267 StPO!) feststeht, dass die betreffenden<br />

Richter und Staatsanwälten wissentlich gehandelt hätten bzw.<br />

dass das Gericht keinen Zweifel daran hat, dass die betreffenden<br />

Richter und Staatsanwälte wissentlich gehandelt hätten.<br />

Insbesondere müssen in den Urteilsgründen, in den „tatsächlichen<br />

Feststellungen“ des Gerichts, keine objektiven Tatsachen<br />

angeführt werden, aus denen das Gericht auf die<br />

„inneren“ Tatsachen, vorliegend die Bewusstheit des Gesetzesverstoßes,<br />

geschlossen haben.<br />

Die schlichte Unterstellung des maßgeblichen subjektiven<br />

Tatbestandsmerkmals, der Bewusstheit der Gesetzesverletzung,<br />

genügt und ist revisionsrechtlich nicht angreifbar, auch<br />

wenn eine solche „Sachverhaltsfeststellung“ objektiv falsch<br />

ist, die Verurteilung also auf einer falschen Tatsachengrundlage,<br />

auf einer Sachverhaltsverfälschung beruht. 37<br />

Im Übrigen darf an dieser Stelle bereits darauf hingewiesen<br />

werden, dass die betreffenden bundesdeutschen Gerichte fast<br />

niemals eine eindeutige Verletzung des materiellen oder des<br />

Prozessrechts der DDR haben feststellen können.<br />

Sie haben deshalb, um zu einer Verurteilung zu gelangen,<br />

gemäß den noch darzustellenden Orientierungen des Bundesgerichtshofes<br />

die Rechtsbeugung ganz überwiegend nur im<br />

Bereich der Strafzumessung gesehen.<br />

Aus Sicht der bundesdeutschen Staatsanwälte und Richter<br />

seien in betreffenden Fällen — wie noch zu erläutern sein<br />

wird — die von DDR-Staatsanwälten beantragten bzw. von<br />

DDR-Richtern ausgesprochenen Strafen überhöht gewesen.<br />

Es steht sich also Strafbewertung aus entgegengesetzter Sicht<br />

gegenüber: die Gegenseite bewertet die Strafzumessung der<br />

anderen Seite.<br />

301


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Unter solchen Umständen kann von unabhängiger und<br />

unparteiischer Rechtsprechung keine Rede sein.<br />

Diese Parteilichkeit der bundesdeutschen Rechtsprechung<br />

tritt insbesondere insofern deutlich hervor, als in den betreffenden<br />

Fällen in der DDR Handlungen verfolgt wurden, die<br />

aus westlicher bundesdeutscher Sicht als wertvoll angesehen<br />

wurden:<br />

Spionage und andere feindliche Handlungen gegen die DDR<br />

sowie gesetzwidrige Aktivitäten Fluchtwilliger waren nach den<br />

DDR-Gesetzen strafbar, oft sahen die Gesetze erhebliche<br />

Strafen vor. Dieselben Handlungen werden aus bundesdeutscher<br />

Sicht positiv beurteilt, da sie im Kampf gegen die DDR<br />

für die Bundesrepublik als nützlich angesehen wurden.<br />

Eben deshalb erklärte der bundesdeutsche Gesetzgeber gerade<br />

die in Rede stehenden Handlungen ausdrücklich für rehabilitierungswürdig.<br />

Gerade wenn bundesdeutsche Gerichte die in der DDR in<br />

Einklang mit den Gesetzen vorgenommene Strafzumessung<br />

aus ihrer Sicht für überhöht halten, wird deutlich, dass sie in<br />

eigener Sache, propria causa, „Recht sprechen“, dass sie<br />

unter dem Gesichtspunkt unvoreingenommener und unparteiischer<br />

Gerichtstätigkeit eigentlich als von Amts wegen<br />

ausgeschlossen anzusehen wären.<br />

Und wenn gerade diese offensichtlich parteiischen Richter<br />

dann noch ohne Tatsachengrundlage die subjektiven gesetzlichen<br />

Voraussetzungen der Rechtsbeugung unterstellen,<br />

dann ist allzu deutlich, dass eine falsche Tatsachengrundlage<br />

für die gerichtliche Entscheidung konstruiert, geschaffen,<br />

erfunden wurde.<br />

Da es also insoweit ganz und gar nur auf die subjektive<br />

Auffassung der bundesdeutschen Staatsanwälte und Richter<br />

302


Erich Buchholz<br />

ankommt, nämlich, dass sie eine seinerzeit durch DDR-<br />

Staatsanwälte beantragte oder durch DDR-Richter verhängte<br />

Strafe heute für überhöht halten, läuft die Annahme der<br />

Wissentlichkeit einer Gesetzesverletzung durch DDR-Richter<br />

und -Staatsanwälte darauf hinaus, dass unterschiedliche Auffassungen<br />

über eine gerechte Strafe aufeinander stoßen und<br />

kraft bundesdeutscher Richtermacht darüber befunden wird.<br />

Die bundesdeutschen Richter befinden also nicht nur, dass<br />

die damals in der DDR beantragte oder verhängte Strafe<br />

überhöht gewesen sei, sondern auch, dass sie wissen, dass die<br />

betreffenden DDR-Staatsanwälte und -Richter die überhöhte<br />

Strafe im Wissen um ihre Gesetzwidrigkeit beantragt oder<br />

ausgesprochen hätten.<br />

Wir haben es also mit Subjektivismus und subjektiver<br />

Deutung in Potenz tun.<br />

So sieht die Tatsachengrundlage bei der Verurteilung von DDR-<br />

Richtern und -Staatsanwälten wegen Rechtsbeugung aus!<br />

3.9 Sachverhaltsverfälschung entsteht auch dadurch, dass<br />

wesentliche Umstände gerade nicht festgestellt, sondern bewusst<br />

ausgeklammert werden.<br />

So wird in Verfahren gegen DDR-Grenzsoldaten aus den<br />

Feststellungen der Tatrichter — und dahingehende Hinweise<br />

der Verteidigung wurden durch den Gerichtsvorsitzenden als<br />

Tabu-Bruch scharf gerügt — völlig ausgeblendet, dass die<br />

DDR-Grenzsoldaten in Fällen des Schusswaffengebrauchs<br />

regelmäßig erst auf Grund des Verhaltens der fluchtwilligen<br />

Grenzverletzer tätig wurden.<br />

Das festzustellende und zu beurteilende Tatgeschehen war<br />

also völlig anders als bei den meisten Straftaten, etwa bei<br />

einem Diebstahl, wo der Täter von sich aus handelt.<br />

Das Handeln der DDR-Grenzsoldaten hätte also, um den<br />

Sachverhalt allseitig festzustellen, unter dem Gesichtspunkt<br />

303


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

der Interaktion zwischen mehreren Personen, zwischen den<br />

flüchtenden Grenzverletzern einerseits und den Grenzsoldaten<br />

andererseits, untersucht beziehungsweise aufgeklärt werden<br />

müssen:<br />

Welches Verhalten des einen führte zu welchem Verhalten<br />

des anderen?<br />

(Bekanntlich ist bei der Prüfung vieler Delikte, besonders<br />

von Straftaten gegen die Person, bei Beziehungsdelikten und<br />

gerade bei Handlungen in Notwehr, die Aufklärung einer<br />

solchen Interaktion unerlässlich.<br />

Würde in einem gegebenen Fall nicht aufgeklärt und nicht<br />

festgestellt werden, dass der betreffende Angeklagte lediglich<br />

deshalb mit Todesfolge handelte, um einen gegenwärtigen<br />

rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwehren,<br />

dass er in Notwehr handelte, und würde er infolge<br />

des Unterlassens der gesetzlich gebotenen Aufklärung auch<br />

der Umstände der Notwehr wegen Mordes oder Totschlag<br />

verurteilt werden, würde ein Fehlurteil, ein Unrechtsurteil zu<br />

Stande kommen.)<br />

Vorliegend haben wir es bei dem Verhalten der Fluchtwilligen<br />

mit Verletzungen des Grenzregimes und strafbewehrter<br />

Rechtsvorschriften, insoweit also mit Angriffshandlungen auf<br />

diese, mit spezifischen Angriffen auf die bestehende<br />

Rechtsordnung, zu tun, die von den Grenzsoldaten abzuwehren<br />

waren — ein Handeln, das auch nach §17 StGB/DDR als<br />

Notwehr gerechtfertigt war.<br />

Auch hatten alle diese fluchtwilligen Grenzverletzer genau<br />

gewusst, dass die westliche Staatsgrenze der DDR scharf<br />

bewacht wurde und dass ein Fluchtversuch gefährlich, ja<br />

lebensgefährlich war.<br />

Einige waren durch Angehörige oder Bekannte noch ausdrücklich<br />

gewarnt worden. Dennoch unternahmen sie den<br />

lebensgefährlichen Fluchtversuch.<br />

304


Erich Buchholz<br />

Fest steht auch, dass alle diejenigen Fluchtwilligen, die, als sie<br />

entdeckt waren, sich stellten oder sich jedenfalls in dem<br />

Augenblick stellten, als von der Schusswaffe Gebrauch<br />

gemacht wurde, ihr Leben retteten.<br />

Es sind namentlich diejenigen Fluchtwilligen zu Tode gekommen,<br />

die trotz des Schusswaffeneinsatzes — einige mit besonderer<br />

Hartnäckigkeit — ihr lebensgefährliches Unternehmen<br />

auf selbstmörderische Weise fortsetzten.<br />

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Fluchtwilligen<br />

fast durchweg junge alleinstehende Männer ohne<br />

besondere Qualifikation waren, eine Population, die jedenfalls<br />

hinsichtlich ihrer Risikobereitschaft uns an Erkenntnisse<br />

aus der jugendkriminologischen Forschung erinnert.<br />

Unter dem Gesichtspunkt der Prüfung des Kausalzusammenhanges<br />

muss ausgesprochen werden, dass sich die<br />

fluchtwilligen Grenzverletzer, insbesondere die besonders<br />

hartnäckigen, jedenfalls objektiv selbst getötet hatten.<br />

Der maßgebliche Kausalzusammenhang besteht also zwischen<br />

ihrem hartnäckigen Versuch, die Staatsgrenze zu<br />

„durchbrechen“ und dem dadurch ausgelösten Schusswaffengebrauch<br />

der Grenzsoldaten, der die Verletzungen, u.U. tödlichen<br />

Verletzungen, der Fluchtwilligen nach sich zog.<br />

Unbestritten gilt die Selbsttötung von Fluchtwilligen bei denjenigen,<br />

die bewusst in gesperrte Minenfelder eindrangen.<br />

Die Verlegung von Minen und die Anbringung von Selbstschussanlagen<br />

als solche löst noch keinen zum Tode führenden<br />

Kausalverlauf aus.<br />

Geschaffen wird durch die Verlegung von Minen beziehungsweise<br />

die Anbringung von Selbstschussanlagen lediglich eine<br />

bestimmte allgemeine Gefahrenlage — wie sie uns im heutigen<br />

Leben in vielen Bereichen (z.B. im Straßen-, Luft- und<br />

Eisenbahnverkehr) begegnet.<br />

Aus der allgemeinen Gefahrenlage resultiert nur und erst<br />

305


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

dann ein unmittelbarer gefährlicher, lebensgefährlicher<br />

Kausalprozess, wenn sich jemand unbefugt in das gesperrte<br />

Minenfeld begibt und dann Minen beziehungsweise Selbstschussanlagen<br />

auslöst.<br />

Somit haben jedenfalls die „Minenopfer“ stets direkt selbstmörderisch<br />

gehandelt.<br />

Sie sind nicht durch Grenzsoldaten getötet worden; nicht<br />

deren Handeln war kausal für die Todesfolge.<br />

All das wird von den bundesdeutschen Gerichten entgegen<br />

dem Gebot des §244 Abs. 2 StPO geflissentlich nicht aufgeklärt.<br />

Daher sind die „Feststellungen“ bundesdeutscher Gerichte<br />

hinsichtlich eines Kausalzusammenhanges zwischen dem<br />

Schusswaffengebrauch durch Grenzsoldaten und dem Tod<br />

Fluchtwilliger, die übrigens durch die in der Bundesrepublik<br />

vorherrschende Kausalitätslehre befördert werden, die sich<br />

von der in der DDR geltend gewesenen grundlegend unterscheidet,<br />

objektiv falsch.<br />

Auch darf angemerkt werden, dass nach meiner recht<br />

umfänglichen Kenntnis keiner dieser Fluchtwilligen zuvor in<br />

der DDR strafrechtlich verfolgt wurde oder sonst gemaßregelt<br />

worden war, dass ihnen also keine dahingehende Gefahr<br />

drohte, die etwa zu einem solchen lebensgefährlichen Unternehmen<br />

Veranlassung hätte gewesen sein können.<br />

Auch hatten keineswegs alle diese Fluchtwilligen zuvor<br />

Ausreiseanträge gestellt und sich etwa nur auf Grund der<br />

Ablehnung solcher Anträge zur Flucht entschlossen.<br />

Auf dergleichen bewusst unvollständigen, also falschen<br />

Sachverhaltsfeststellungen beruhen betreffende Urteile<br />

bundesdeutscher Gerichte.<br />

3.10 Am krassesten kommt die von uns so bezeichnete<br />

„Sachverhaltsverfälschung“ dort zum Ausdruck, wo es um die<br />

306


Erich Buchholz<br />

justizförmige „Feststellung“ von historischen Vorgängen,<br />

nämlich der Hintergründe und Zusammenhänge des relevanten<br />

Tatgeschehens, geht.<br />

Bundesdeutsche Staatsanwälte und Richter gerieren sich als<br />

Historiker, womit sie mangels entsprechender Ausbildung<br />

offenkundig überfordert sind — ganz abgesehen davon, dass<br />

ein justizförmiges (Straf-)Verfahren wegen seiner Spezifik<br />

und Begrenztheit weder geeignet, noch bestimmt ist, weltpolitische<br />

historische Zusammenhänge aufzuklären.<br />

Schon sehr früh haben bundesdeutsche Strafrechtslehrer ihre<br />

Bedenken artikuliert, die „Aufarbeitung von DDR-Unrecht“<br />

mittels Strafrecht und Strafprozessen bewerkstelligen zu wollen.<br />

Relevante historische Vorgänge werden in einem Strafverfahren<br />

zwangsläufig nicht nur unvollständig, einseitig, also<br />

falsch, wiedergegeben.<br />

Des öfteren schlägt in den hier zu besprechenden Strafverfahren<br />

unübersehbar eine DDR-feindliche Sichtweise betreffender<br />

bundesdeutscher Staatsanwälte und Richter durch.<br />

In dem ausführlichen Urteil des Landgerichts in Sachen<br />

Krenz und andere (das in vieler Hinsicht in seinen Formulierungen<br />

um Sachlichkeit bemüht bleibt) ist auf Seite 7 der<br />

Urteilsgründe zu lesen:<br />

„Unterschiedliche Gesellschaftssysteme und Ideologien<br />

führten schrittweise zur Spaltung<br />

Deutschlands ...“<br />

Offenbar ist den Richtern dieser Schwurgerichtskammer, die<br />

seinerzeit vielleicht noch nicht einmal geboren waren, weder<br />

erinnerlich, noch sonst bekannt gemacht worden, dass im<br />

Sommer 1948 in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands<br />

unter krasser Verletzung des Potsdamer Abkommens<br />

einseitig eine Währungsreform durchgeführt wurde, die<br />

307


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

jedenfalls schon im Jahre 1947, auch durch die Herstellung<br />

der Banknoten in den USA, einseitig langfristig vorbereitet<br />

worden war.<br />

Das war die Spaltung Deutschlands, so wie die Währungsunion<br />

von 1990 die Herstellung der Einheit Deutschlands<br />

wurde.<br />

Ebenso ist diesen Richtern nicht geläufig, dass die Bildung<br />

der Bundesrepublik Deutschland Anfang März 1948 in<br />

London festgelegt worden war (durch die so genannten<br />

Londoner Empfehlungen).<br />

Mithin führten nicht unterschiedliche Gesellschaftssysteme<br />

und Ideologien zur Spaltung Deutschlands.<br />

Vielmehr bewirkten ganz bestimmte, sehr weitreichende einseitige<br />

Maßnahmen der westlichen Alliierten die Spaltung<br />

Deutschlands.<br />

Von ihnen war die Spaltung Deutschlands ausgegangen und<br />

betrieben worden.<br />

Das Urteil des Landgerichts enthält noch zahlreiche weitere<br />

historisch falsche Aussagen, die zu justiziell unangreifbaren<br />

gerichtlichen „Feststellungen“ wurden.<br />

So ist auf Seite 9 der Urteilsgründe im Verfahren gegen<br />

Krenz und andere zu lesen:<br />

„Im Sommer 1961 kamen der Erste Sekretär des<br />

Zentralkomitees der SED und Staatsratsvorsitzende<br />

der DDR, Walter Ulbricht, und Vertreter der<br />

politischen Führung der UdSSR in beiderseitigen<br />

Interessen überein, die Grenze zwischen der DDR<br />

und der Bundesrepublik Deutschland so zu sichern,<br />

dass sie nur noch über Kontrollpunkte passierbar<br />

sein würde. Dieses Vorhaben wurde durch eine<br />

Erklärung der Regierungen der Staaten des<br />

Warschauer Vertrages Anfang August gebilligt.“<br />

308


Erich Buchholz<br />

(Diese „Feststellung“ des Landgerichts, eines historischen<br />

Vorganges, wurde dann vom Bundesgerichtshof entsprechend<br />

referiert.)<br />

Demgegenüber ist allgemeinkundig, dass die maßgebliche<br />

Entscheidung auf der Tagung der Ersten Sekretäre der<br />

kommunistischen und Arbeiterparteien der Staaten des<br />

Warschauer Paktes in der Zeit vom 3. bis 5. August 1961<br />

gefallen ist — um es noch deutlicher auszusprechen: auf<br />

„Befehl Chrustschows“.<br />

Da also die strafrechtliche Würdigung und Beurteilung des<br />

Handels der Angeklagten in den hier zu besprechenden<br />

Verfahren auf in wesentlichen Punkten falschen gerichtlichen<br />

Feststellungen, auf falschen Sachverhaltsfeststellungen, auf<br />

einer Sachverhaltsverfälschung, beruht, sind all diese<br />

Strafurteile schon wegen der falschen Tatsachengrundlage<br />

falsch, sind es schon aus diesem Grunde Unrechtsurteile.<br />

4. Die Rechtskonstruktion zur Strafverfolgung<br />

von Angehörigen der Grenztruppen der DDR<br />

wegen der „Toten an der Mauer“.<br />

4.1 Es erscheint geboten, im Anschluss an die knappen<br />

Ausführungen unter 1) (Seite 258) zunächst die für diesen<br />

Komplex maßgebliche Rechtslage nach dem Recht der DDR<br />

in aller Kürze zu referieren:<br />

4.1.1 Artikel 7 der Verfassung der DDR auferlegte den<br />

Staatsorganen der DDR, namentlich den Grenztruppen der<br />

DDR, als Verfassungsauftrag, die territoriale Integrität der DDR<br />

und die Unverletzlichkeit ihrer Staatsgrenzen zu gewährleisten.<br />

309


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

In Übereinstimmung mit dieser Verfassungsbestimmung und<br />

auf deren Grundlage regelt das Gesetz über die Staatsgrenze<br />

der DDR (Grenzgesetz) vom 25. März 1982 im Einzelnen,<br />

wie diese Gewährleistung der Integrität und der Unverletzlichkeit<br />

der Staatsgrenze der DDR zu sichern ist.<br />

In diesem Gesetz werden nach allgemeinen Vorschriften über<br />

die Staatsgrenze und das relevante Staats- und Hoheitsgebiet<br />

die Voraussetzungen des Überschreitens der Staatsgrenze<br />

geregelt sowie die Verantwortung für den Schutz der<br />

Staatsgrenze und die Befugnisse der Grenztruppen der DDR<br />

in diesem Zusammenhang bestimmt. 38<br />

Die §§21 ff. (Befugnisse der Grenztruppen der DDR) enthalten<br />

nicht nur das Recht zum Betreten des Grenzgebietes, die<br />

Verpflichtung zur Beseitigung von Gefährdungen oder<br />

Störungen, die Befugnis zur Feststellung der Personalien und<br />

Klärung von Sachverhalten, zur Durchsuchung und Verwahrung<br />

von Sachen sowie zur In-Gewahrsamnahme von Personen<br />

gemäß den gesetzlichen Voraussetzungen, sondern in den<br />

§§26 ff. auch besondere Befugnisse zur Durchsetzung von<br />

Maßnahmen, wenn den betreffenden Angehörigen der<br />

Grenztruppen Widerstand entgegengesetzt wird oder die von<br />

ihnen angeordneten Maßnahmen behindert oder nicht<br />

befolgt werden.<br />

In Übereinstimmung mit international üblichen Regelungen<br />

lässt das Gesetz weiter zunächst die körperliche Einwirkung<br />

zu, wenn andere Mittel nicht ausreichen, um ernste Auswirkungen<br />

für die Sicherheit und Ordnung im Grenzgebiet zu<br />

verhindern (§26 Abs. 1)<br />

Nach §26 Abs. 2 ist die Anwendung von Hilfsmitteln gestattet,<br />

und zwar zur Abwehr von Gewalttätigkeiten, zur Verhinderung<br />

von Fluchtversuchen oder wenn die körperliche<br />

Einwirkung nicht zum Erfolg führt.<br />

310


Erich Buchholz<br />

Ähnlich lauten entsprechende bundesdeutsche Rechtsvorschriften:<br />

Dabei sind diejenigen Mittel anzuwenden, die im Verhältnis<br />

zur Art und Schwere der Rechtsverletzung und des<br />

Widerstandes stehen. Die körperliche Einwirkung und die<br />

Anwendung von Hilfsmitteln ist nur solange zulässig, bis der<br />

Zweck der Maßnahmen erreicht ist.<br />

Auch im Grenzgesetz der DDR ist also der Grundsatz der<br />

Verhältnismäßigkeit der Mittel in Übereinstimmung mit Art.<br />

30 der Verfassung/DDR gesetzlich definiert.<br />

Erst jetzt folgen in §27 des Gesetzes die Regelungen über die<br />

Anwendung von Schusswaffen, also die Schusswaffengebrauchsbestimmungen.<br />

Diese sind somit in ein ganzes System von rechtlich zulässigen<br />

Maßnahmen der Grenztruppen der DDR zur Sicherung<br />

der Staatsgrenze eingebettet.<br />

Die Anwendung der Schusswaffe wird als äußerste Maßnahme<br />

der Gewaltanwendung gegenüber Personen bezeichnet.<br />

Die Schusswaffe darf angewendet werden,<br />

„wenn die körperliche Einwirkung ohne oder mit<br />

Hilfsmitteln erfolglos blieb oder offensichtlich<br />

keinen Erfolg verspricht. Die Anwendung von<br />

Schusswaffen gegen Personen ist erst dann zulässig,<br />

wenn durch Waffenwirkung gegen Sachen oder<br />

Tiere der Zweck nicht erreicht wird.“ (§27 Abs. 1<br />

Grenzgesetz)<br />

Im Abs. 2 dieser Vorschrift wird über die im Abs. 1 geregelte<br />

Erlaubnis der Anwendung der Schusswaffe (Erlaubnistatbestand)<br />

hinaus diese Anwendung der Schusswaffe als<br />

gerechtfertigt bezeichnet — also nicht nur für schlechthin für<br />

zulässig erklärt —,<br />

„um die unmittelbar bevorstehende Ausführung<br />

311


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

oder die Fortsetzung einer Straftat zu verhindern,<br />

die sich den Umständen nach als ein<br />

Verbrechen darstellt. Sie ist auch gerechtfertigt<br />

zur Ergreifung von Personen, die eines Verbrechens<br />

dringend verdächtig sind.“<br />

Auch diese Vorschrift entspricht vergleichbaren bundesdeutschen<br />

Vorschriften.<br />

Des Weiteren ist im Grenzgesetz im §27 Abs. 3 vorgeschrieben:<br />

„Die Anwendung der Schusswaffe ist grundsätzlich<br />

durch Zurufe oder Abgabe eines Warnschusses anzukündigen,<br />

sofern nicht eine unmittelbar bevorstehende<br />

Gefahr nur durch die gezielte Anwendung<br />

der Schusswaffe verhindert oder beseitigt werden<br />

kann.“<br />

Die „gezielte“ Anwendung der Schusswaffe bedeutet, in<br />

einer das Leben schonenden Weise den Grenzverletzer<br />

fluchtunfähig zu machen, also insbesondere auf die Beine zu<br />

schießen.<br />

Weiterhin wird im §27 Abs. 4 Grenzgesetz bestimmt, dass die<br />

Schusswaffe nicht anzuwenden ist,<br />

„wenn<br />

a) das Leben oder die Gesundheit Unbeteiligter<br />

gefährdet werden können;<br />

b) die Personen dem äußeren Eindruck nach im<br />

Kindesalter sind oder<br />

c) das Hoheitsgebiet eines benachbarten Staates<br />

beschossen würde.<br />

Gegen Jugendliche und weibliche Personen sind<br />

nach Möglichkeit Schusswaffen nicht anzuwenden.“<br />

Schließlich wird resümierend ausdrücklich betont, dass<br />

„bei der Anwendung der Schusswaffe... das Leben<br />

von Personen nach Möglichkeit zu schonen (ist).“<br />

312


Erich Buchholz<br />

Auch ist in diesem Abs. 5 in Übereinstimmung mit dem<br />

Gebot, das Leben von Personen zu schonen, festgelegt:<br />

„Verletzten ist unter Beachtung der notwendigen<br />

Sicherheitsmaßnahmen Erste Hilfe zu erweisen.“<br />

Damit wird dem Gebot der Vorrangigkeit des Lebens von<br />

Menschen hinreichend Genüge getan.<br />

Diese Rechtsvorschrift steht offensichtlich und eindeutig im<br />

Einklang mit international üblichen Regelungen.<br />

Das BVerfG musste einräumen, dass diese Vorschrift, jedenfalls<br />

im Wortlaut, durchaus mit den entsprechenden bundesdeutschen<br />

Vorschriften, insbesondere den Vorschriften über<br />

die Anwendung unmittelbaren Zwanges, übereinstimmt. 39<br />

Mehr noch:<br />

Die betreffenden bundesdeutschen Vorschriften erlauben<br />

den Einsatz der Schusswaffe in größerem Umfang als die vorgenannte<br />

DDR-Bestimmung, nämlich auch gegenüber einer<br />

Menschenmenge.<br />

Die DDR-Vorschrift ist somit gegenüber solchen bundesdeutschen<br />

Vorschriften weitaus zurückhaltender.<br />

4.1.2 Bereits an dieser Stelle sei betont, dass die Unterweisung<br />

und Ausbildung der Angehörigen der Grenztruppen<br />

der DDR — bereits im Ausbildungsregiment, also zu Beginn<br />

der Wehrdienstzeit — und auch die betreffenden Befehle sich<br />

mit den vorgenannten gesetzlichen Bestimmungen in Übereinstimmung<br />

befanden.<br />

Es gab keine davon abweichende oder dem Gesetz widersprechende<br />

militärische Dienstvorschriften oder Befehle.<br />

Insbesondere wurde — auch durch Zeugen vor Gericht —<br />

vermittelt, dass die Grenzsoldaten ausgebildet und unterwiesen<br />

wurden, nach einem bestimmten Algorithmus zu handeln,<br />

der dem Gesetz entsprach, nämlich:<br />

Verhinderung einer Grenzverletzung und die Festnahme<br />

313


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

eines Grenzverletzers durch körperliche Gewalt;<br />

Anruf, verbunden mit der Aufforderung stehen zu bleiben,<br />

also einem Anhaltegebot;<br />

danach Abgabe eines Warnschusses<br />

und erst danach Einsatz der Schusswaffen mit gezieltem<br />

Schuss, um einen Flüchtigen fluchtunfähig zu machen.<br />

In den betreffenden Verhandlungen vor den Landgerichten,<br />

als dem Tatrichter, wurde in den Beweisaufnahmen festgestellt,<br />

dass die DDR-Grenzsoldaten gemäß diesen Grundsätzen<br />

und Rechtsvorschriften handelten.<br />

Auch nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme vor den<br />

bundesdeutschen Gerichten hat kein DDR-Grenzsoldat mit<br />

Tötungsabsicht geschossen, und es hat keiner der Grenzsoldaten<br />

die ihm erteilten Befehle, Instruktionen und Unterweisungen<br />

so verstanden, dass er töten solle.<br />

Kein Grenzsoldat hat die ihm erteilten Befehle als „Schießbefehle“<br />

verstanden.<br />

Während §27 Abs. 1 des Grenzgesetzes die Erlaubnis zur<br />

Anwendung der Schusswaffe erteilte, und zwar in jedem Fall<br />

gegenüber einem ungesetzlichen Grenzübertritt, rechtfertigte<br />

die Vorschrift des Abs. 2 die Anwendung der Schusswaffe in<br />

Fällen, in denen sich der ungesetzliche Grenzübertritt „den<br />

Umständen nach als ein Verbrechen darstellt.“<br />

Der ungesetzliche Grenzübertritt war nach §213 StGB/DDR<br />

strafbar.<br />

Im Abs. 3 dieser Strafbestimmung waren Voraussetzungen<br />

aufgeführt, bei deren Vorliegen der ungesetzliche Grenzübertritt<br />

die Qualität eines Verbrechens annehmen konnte.<br />

Die Unterscheidung von Vergehen und Verbrechen ist auch<br />

dem bundesdeutsche Strafrecht geläufig.<br />

Während nach §1 Abs. 3 StGB/DDR Verbrechen besonders<br />

314


Erich Buchholz<br />

schwere Straftaten, wie Staatsverbrechen, Mord und<br />

Totschlag, sowie solche Straftaten waren, für die zwei Jahre<br />

Freiheitsentzug oder mehr verhängt wurden, bezeichnet §12<br />

Abs. 1 des bundesdeutschen StGB als ein Verbrechen solche<br />

Straftaten, die mit einem Jahr Freiheitsentzug oder mehr<br />

bedroht sind. 40<br />

Von den in §213 Abs. 3 StGB/DDR beschriebenen Fällen, in<br />

denen ein ungesetzlicher Grenzübertritt als Verbrechen zu<br />

beurteilen ist, sind in den vorliegenden Verfahren namentlich<br />

zwei Qualifikationsmerkmale relevant.<br />

In der Ziffer 3 dieser Vorschrift wird die besondere Intensität<br />

der Tatbegehung als ein Merkmal beschrieben, das die Tat als<br />

Verbrechen beurteilen lässt; in Ziffer 5 wird die „Tatbegehung<br />

zusammen mit anderen“ als ein solches qualifizierendes<br />

Merkmal beschrieben.<br />

Bundesdeutsche Strafgerichte rügen solche Gesetzgebung<br />

der DDR und insbesondere die darauf beruhende Auslegung<br />

durch Gerichte der DDR.<br />

Dabei verkennen sie, dass jeder Staat die Freiheit hat, Gesetze<br />

so zu machen, wie er sie für erforderlich hält.<br />

Zutreffend erklärte das BVerfG in seiner Entscheidung vom<br />

15. Mai 1995, dass „grundsätzlich... die Staaten von<br />

Völkerrechts wegen in der Gestaltung ihres Strafrechts<br />

frei“ sind. 41<br />

Auch sind die Gerichte jedes Staates berechtigt, bei Beachtung<br />

des Wortlauts der Gesetze eine Auslegung vorzunehmen,<br />

die sie für rechtlich vertretbar halten.<br />

Wenn also die Gerichte der DDR zum Beispiel die Verwendung<br />

einer Leiter zum Zwecke des ungesetzlichen<br />

315


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Grenzübertritts als einen Fall besonderer Intensität ansahen,<br />

weil die Verwendung eines solchen Mittels eine besondere<br />

Kraftentfaltung und spezifische kriminelle Energie erkennen<br />

lässt, dann ist diese Auslegung offensichtlich rechtlich zulässig<br />

und vertretbar, und es steht den bundesdeutschen Gerichten<br />

nicht zu, sich über eine solche Auslegung des DDR-<br />

Rechts hinwegzusetzen.<br />

Dass in Fällen des §213 Abs. 2 Ziff. 5 StGB/DDR bereits die<br />

Teilnahme zweier Personen an dem ungesetzlichen Grenzübertritt<br />

diese Straftat zu einem Verbrechen macht, hat der<br />

Gesetzgeber unzweideutig bestimmt. Hier ist kein Spielraum<br />

für irgendwelche Auslegung.<br />

Vorliegend geht es indessen nicht darum, wie DDR-Gerichte<br />

die Vorschrift des §213 Abs. 3 StGB/DDR auslegten, sondern<br />

darum, ob ein einfacher, juristisch nicht vorgebildeter<br />

Grenzsoldat „den Umständen nach“ davon ausgehen konnte,<br />

dass sich das aktuelle Verhalten des betreffenden Grenzverletzers,<br />

der eine Leiter zum Zwecke des ungesetzlichen<br />

Grenzübertritts mit sich führt oder die Tat zusammen mit<br />

einem anderen begeht, ihm als Verbrechen darstellt oder darstellen<br />

könnte.<br />

Im Hinblick darauf, dass dem Grenzsoldaten in der aktuellen<br />

Situation — ohne Beweisaufnahme vor Gericht — nur wenige<br />

Sekunden zur Verfügung standen, um sein gesetzesgemäßes<br />

Verhalten zu bestimmen, das in jedem Falle die<br />

Anwendung der Schusswaffe als zulässig einschloss, dürfte<br />

eine sachgerechte Beurteilung des Verhaltens dieses<br />

Grenzsoldaten im nachhinein, in der unvergleichlich ruhigeren<br />

Atmosphäre eines Gerichts, regelmäßig zu Gunsten des<br />

betreffenden Grenzsoldaten vorzunehmen sein.<br />

In diesem Zusammenhang muss über die Reichweite des<br />

Grenzgesetzes hinaus sehr nachdrücklich darauf aufmerksam<br />

316


Erich Buchholz<br />

gemacht werden, dass es Anliegen der zuständigen Organe<br />

und Behörden der DDR war, es gar nicht erst zu einer<br />

bedrohlichen Lage an der Grenze oder gar einer Grenzverletzung<br />

kommen zu lassen.<br />

So wie generell in der DDR die Vorbeugung der Kriminalität<br />

einen hervorragenden Platz bei der Kriminalitätsbekämpfung<br />

einnahm, so stand auch die Vorbeugung von rechtswidrigem<br />

oder gar strafbarem Verhalten in Gestalt von Grenzverletzungen<br />

im Vordergrund der Aufmerksamkeit der<br />

zuständigen Behörden und der Öffentlichkeit in der DDR.<br />

In der überwiegenden Zahl der Fälle war es daher möglich,<br />

bereits im Vorfeld, auf dem Wege in das Grenzgebiet beziehungsweise<br />

im grenzfernen Grenzgebiet betreffende Personen<br />

von der Fortsetzung ihres möglicherweise strafbaren<br />

Verhaltens abzuhalten.<br />

Die Angehörigen der Volkspolizei, aber auch die freiwilligen<br />

Helfer der Volkspolizei und die Grenzhelfer, also Personen<br />

aus der Bevölkerung, haben insoweit — gestützt auf wichtige<br />

Hinweise aus der Bevölkerung — maßgebliches getan, um<br />

Komplikationen und Gefährdungen an der Staatsgrenze von<br />

vornherein und frühzeitig weitgehend auszuschließen.<br />

Nur in den Fällen, in denen dies noch nicht gelang, kam es<br />

überhaupt dazu, dass die Grenztruppen der DDR tätig zu<br />

werden hatten.<br />

4.2 Nunmehr ist zu untersuchen, wie der Bundesgerichtshof<br />

in seiner vorgenannten maßgeblichen Entscheidung vom 3.<br />

November 1992 — in der Strafsache gegen Hapke und<br />

Walther — an die rechtliche Beurteilung des Verhaltens der<br />

angeklagten Grenzsoldaten heranging: 42<br />

4.2.1 Nach der Wiedergabe des vom Landgericht konstruierten<br />

Sachverhalts, also, wie bereits dargelegt, eines falschen<br />

Sachverhalts, geht der 5. Strafsenat ab Seite 14 seiner Urteils-<br />

317


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

ausfertigung (die folgenden Seiten beziehen sich, soweit<br />

nichts anderes vermerkt wurde, immer auf diese Ausfertigung<br />

des Revisionsurteils) auf die rechtliche Beurteilung dieses<br />

falschen Sachverhalts durch das Landgericht Berlin ein.<br />

Bemerkenswerter Weise beginnt der Bundesgerichtshof nicht<br />

mit der Frage der Strafbarkeit, der Tatbestandsmäßigkeit des<br />

Handelns der Angeklagten nach dem DDR-Strafgesetz, sondern<br />

entgegen der einleitend vorgezeichneten methodischen<br />

Vorgehensweise, also fehlerhaft und denklogisch falsch, mit<br />

der Fragestellung danach, welches Recht, das der DDR oder<br />

das der Bundesrepublik, abstrakt das mildere sei.<br />

Auf diese Weise macht der Bundesgerichtshof den zweiten<br />

Schritt vor dem ersten.<br />

Er unterstellt also von vornherein die Strafbarkeit des<br />

Handelns der angeklagten Grenzsoldaten.<br />

Der BGH verstößt damit sowohl gegen den Einigungsvertrag<br />

und das DDR-Gesetz wie auch gegen den Grundsatz und das<br />

Menschenrecht der Unschuldsvermutung.<br />

Ein Vergleich unter dem Gesichtspunkt des milderen Rechts<br />

steht selbstverständlich erst und nur dann an, wenn überhaupt<br />

eine Strafbarkeit nach DDR-Recht festgestellt wurde.<br />

Denn in Fällen, in denen bestimmte Handlungen nach DDR-<br />

Recht nicht strafbar waren, kann, wie einleitend ausgeführt,<br />

grundsätzlich eine Verurteilung nach bundesdeutschem<br />

Recht ohnehin nicht erfolgen.<br />

Ebenso wenig kann eine Verurteilung erfolgen, wenn Handlungen<br />

zwar nach DDR-Recht Straftaten waren, aber es nicht<br />

mehr nach bundesdeutschem Recht sind.<br />

Das sofortige Zustoßen auf die Frage nach dem milderen Recht<br />

erweist sich nicht als Zufall, wenn wir die weiteren Überlegungen<br />

und Erwägungen des Bundesgerichtshofes verfolgen.<br />

318


Erich Buchholz<br />

Die Kernaussage, um schließlich eine Verurteilung der<br />

Angeklagten zu erreichen, besteht darin, dass erklärt wird,<br />

wenn den Angeklagten nach DDR-Recht ein Rechtfertigungsgrund<br />

zur Seite stehen würde, dann wäre die DDR-<br />

Regelung die mildere.<br />

Der Bundesgerichtshof stellt also die Frage der Tatbestandsmäßigkeit<br />

auf das Vorliegen von vom gesetzlichen<br />

Straftatbestand abgehobene Rechtfertigungsgründen ab und<br />

unterstellt demzufolge bereits ohne weiteres die Tatbestandsmäßigkeit<br />

im Sinne der Vorschriften für vorsätzliche<br />

Tötungsdelikte.<br />

Mit diesem Zugang eröffnet sich der Bundesgerichtshof für<br />

die bundesdeutsche Rechtsprechung eine spezifische, ihnen<br />

eine Verurteilung der DDR-Grenzsoldaten erleichternde<br />

Vorgehensweise, die dem DDR-Recht diametral entgegengesetzt<br />

und zutiefst fremd ist.<br />

Nach DDR-Recht wäre nämlich von der Verfassung (insbesondere<br />

dem Art. 7) sowie von den Grundsätzen im<br />

Strafgesetzbuch der DDR auszugehen gewesen.<br />

Danach wäre festzustellen, dass das Handeln der DDR-<br />

Grenzsoldaten grundsätzlich gesellschaftsgemäß, verfassungsgemäß<br />

und rechtmäßig war.<br />

Nach DDR-Recht hätte erst von diesem Ausgangspunkt her<br />

im Einzelfall untersucht werden müssen, ob ausnahmsweise<br />

eine rechtswidrige Handlung vorgelegen haben könnte.<br />

Der Bundesgerichtshof geht jedoch nach der traditionellen<br />

deutschen bzw. bundesdeutschen Prüfungsweise in zum<br />

DDR-Recht diametral entgegengesetzter Weise vor; er geht<br />

davon aus, dass vorliegend die Tötung eines Menschen als<br />

Totschlag oder Mord zu beurteilen ist.<br />

Die zentrale Aussage beginnt also mit der Bejahung, mit der<br />

Unterstellung der Tatbestandsmäßigkeit im Sinne des bundes-<br />

319


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

deutschen Strafrechts, um erst danach bestimmte Ausschließungsgründe<br />

zu untersuchen, nämlich Fragen der Rechtswidrigkeit<br />

(als Rechtfertigungsgrund) und der Schuld (als<br />

Schuldausschließungsgrund).<br />

In der DDR war diese Vorgehensweise grundsätzlich missbilligt<br />

und abgelehnt worden.<br />

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang vor allem, dass<br />

die bundesdeutsche Strafjustiz den Art. 7 der Verfassung der<br />

DDR, der den Staatsorgane der DDR, insbesondere den<br />

Grenztruppen der DDR als Verfassungsauftrag, vorgibt, die<br />

Unverletzlichkeit der Staatsgrenze der DDR zu gewährleisten,<br />

nicht kennt und überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen möchte.<br />

Dieser Art. 7 kommt demzufolge weder in der maßgeblichen<br />

Grundsatzentscheidung des BGH vom 3. November 1992,<br />

noch in späteren höchstrichterlichen Entscheidungen und<br />

auch nicht in der einschlägigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />

vor.<br />

Immerhin wird der fast gleichlautende §18 Abs. 2 des Grenzgesetzes<br />

der DDR vom 25. März 1982 wiedergegeben, nach<br />

dem die Unverletzlichkeit der Grenze zu gewährleisten ist.<br />

Der BGH muss auch einräumen, dass das Handeln der angeklagten<br />

Grenzsoldaten nach §27 Abs. 2 Grenzgesetz gerechtfertigt<br />

gewesen sei.<br />

4.2.2 Da aber ein solches Ergebnis nicht in das politische<br />

Konzept passte, mussten besondere Überlegungen angestellt<br />

werden:<br />

Zwar lasse der Wortsinn des §27 des Grenzgesetzes eine solche<br />

Auslegung zu, „dass auch mit (jedenfalls bedingtem)<br />

Tötungsvorsatz geschossen werden dürfe,<br />

wenn das Ziel, Grenzverletzungen zu verhindern,<br />

nicht auf andere Weise erreicht werden konnte.“<br />

(S. 16)<br />

320


Erich Buchholz<br />

Voraussetzung dieser Auslegung wäre jedoch, meint der<br />

BGH, dass das Ziel, Grenzverletzungen zu verhindern,<br />

Vorrang vor der Schonung menschlichen Lebens habe.<br />

Der Bundesgerichtshof schiebt also entgegen dem Gesetz in<br />

den Wortlaut der maßgeblichen rechtfertigenden Bestimmung<br />

eine Voraussetzung hinein, die in dieser Vorschrift nicht<br />

zu finden ist.<br />

Zwar hat die maßgebliche Vorschrift des Grenzgesetzes der<br />

DDR auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in sich aufgenommen,<br />

aber selbstverständlich nicht im Sinne eines absoluten<br />

Vorranges der Schonung von Menschenleben — den es<br />

auch in den entsprechenden bundesdeutschen Vorschrift<br />

nicht gibt.<br />

Nun zieht sich der BGH darauf zurück, dass eine in seinem<br />

Sinne erwartete bzw. seinen Vorstellungen genügende Erörterung<br />

der Abwägung zwischen dem Leben des Flüchtlings<br />

und der Unverletzlichkeit der Staatsgrenzen in der DDR<br />

nicht weiter ausgeführt worden sei; jedenfalls hätte der<br />

Tatrichter dergleichen nicht festgestellt.<br />

Der BGH meint, wie diese Abwägung auszufallen habe, sei<br />

dem Gesetz nicht zu entnehmen gewesen (Seite 16).<br />

Nun ist es eine Besonderheit des Rechts, jeglicher Rechtsvorschriften<br />

(das DDR-Grenzgesetz mit seiner Schusswaffengebrauchesbestimmung<br />

ist bekanntlich, wie später das<br />

BVerfG anerkannte, in seinem Wortlaut durchaus den<br />

bundesdeutschen Regelungen vergleichbar — was der BGH<br />

hier noch nicht so klar erkannt hatte), dass sie, auch die<br />

betreffenden bundesdeutschen Bestimmungen, nichts darüber<br />

aussagen, wie das Gesetz im Einzelfall auszulegen, wie im<br />

Einzelfall die Abwägung zwischen Leben und Staatsinteresse<br />

vorzunehmen sei.<br />

321


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Die bloße Behauptung des BGH, dass es dazu in der DDR<br />

keine detaillierte Veröffentlichung gegeben habe (es ist hier<br />

nicht bekannt, wie intensiv der BGH oder andere bundesdeutschen<br />

Gerichte oder Behörden nach solchen gesucht<br />

haben), wird nun im folgenden — und das ist charakteristisch<br />

und perfide zugleich — zum Vorwand genommen, um sich —<br />

natürlich nach bundesdeutscher Sicht — ein „eigenes Bild“<br />

zu machen.<br />

„Unter diesen Umständen“ (weil der 5. Strafsenat des<br />

Bundesgerichtshofs keine weiteren Ausführungen zu dieser<br />

Problematik in der DDR fand oder finden wollte) „sind<br />

die vom Tatrichter festgestellte Befehlslage und<br />

die — ebenfalls auf vorgegebenen Befehlen beruhenden<br />

— Begleitumstände des Tatgeschehens heranzuziehen,<br />

um zu ermitteln, wie die Vorschriften<br />

des §27 des Grenzgesetzes zur Tatzeit von den für<br />

ihre Anwendung und Auslegung Verantwortlichen<br />

verstanden worden ist.“ (S. 17).<br />

Bei dieser Überlegung des Bundesgerichtshofes hätte es nahe<br />

gelegen, unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils den<br />

Tatrichter anzuweisen, diese Verantwortlichen, so den<br />

Minister für Nationale Verteidigung oder den Chef der Grenztruppen<br />

der DDR oder deren Stabsoffiziere, die ja ohne weiteres<br />

gehört werden konnten, darüber zu vernehmen.<br />

Auf diese Weise hätte der Tatrichter und auch das Revisionsgericht<br />

eine authentische Auskunft erlangt.<br />

Auch die Befragung der betreffenden Militärjuristen, so des<br />

zuständigen Leiters der Rechtsabteilung im Ministerium für<br />

Nationale Verteidigung oder der obersten Militärrichter (des<br />

Militärkollegiums des Obersten Gerichts der DDR) oder des<br />

Militäroberstaatsanwalts der DDR hätte authentische<br />

Auskunft erbringen können.<br />

322


Erich Buchholz<br />

Warum beschritt der Bundesgerichtshof, der in dieser<br />

Rechtsfrage, insbesondere der Auslegung des DDR-Rechts<br />

eine wichtige Problematik erkannt hatte, nicht den naheliegenden<br />

Weg?<br />

Offensichtlich wollte der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs<br />

keine authentische Auskunft von kompetenten DDR-<br />

Bürgern.<br />

Er war sich offenbar darüber im klaren, dass deren kompetente<br />

Auskunft ihm verwehren, zumindest erschweren würde,<br />

die angeklagten Grenzsoldaten zu verurteilen.<br />

Absichtsvoll beschritt also der Bundesgerichtshof den Weg<br />

der „Eigenkonstruktion“, sich eine ihm gemäße „Argumentation“<br />

„zurechtzuzimmern“, die ihm augenscheinlich —<br />

unter Missachtung des Prinzips und Menschenrechts der<br />

Unschuldsvermutung — die erstrebte Verurteilung der angeklagten<br />

DDR-Grenzsoldaten eröffnete.<br />

Es wird also nicht nach kompetenter Interpretation und<br />

Auslegung der DDR-Rechtsvorschriften gesucht, sondern<br />

auf zweifelhafte „Feststellungen“ abgestellt, die der Tatrichter<br />

aus der Befragung einzelner Soldaten und Unterführer<br />

abgeleitet hatte — wobei auch ihm als erfahrenem<br />

Strafrichter geläufig war, dass Zeugen die unzuverlässigsten<br />

Beweismittel sind, besonders solche Zeugen, die in die Sache<br />

involviert oder sonst von dieser betroffen sein können, die<br />

womöglich unter dem psychischen Zwang stehen, „ihre Haut<br />

zu retten“.<br />

An die Stelle kompetenter Auskunft und Beiziehung authentischer<br />

Dokumente nimmt der Bundesgerichtshof absichtsvoll<br />

eine — schon wegen der zweifelhaften Beweismittel —<br />

bedenkliche Sachverhaltskonstruktion, einen falschen Sachverhalt<br />

als Grundlage für die Beurteilung und Entscheidung<br />

einer als Tatsachenfrage aufgemachte Rechtsfrage, nämlich<br />

323


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

dafür, „um zu ermitteln, wie die Vorschrift des §27<br />

des Grenzgesetzes zur Tatzeit von den für ihre<br />

Anwendung und Auslegung Verantwortlichen verstanden<br />

worden ist.“<br />

Die Verantwortlichen für die Anwendung und Auslegung des<br />

Grenzgesetzes hätten aber befragt werden können und, wenn<br />

es wirklich rechtsstaatlich zugegangen wäre, auch befragt<br />

werden müssen.<br />

Die Verantwortlichen waren greifbar, vernehmbar, und sie<br />

waren auch zur Auskunft bereit.<br />

Aber dies geschah nicht, offensichtlich deshalb, weil<br />

deren absehbare Einlassungen nicht in das Konzept des BGH<br />

passten.<br />

Statt nun die Frage der Auslegung und Anwendung des<br />

Gesetzes zu erörtern, verlässt der BGH die von ihm selbst<br />

aufgeworfene Fragestellung, indem er zur Betrachtung einer<br />

von ihm wie zuvor vom Tatrichter angenommenen, d.h. konstruierten,<br />

Befehlslage, also einer Frage der Tatsächlichkeit,<br />

übergeht.<br />

Wie der Tatrichter in der vorbezeichneten Weise durch eigenwillige<br />

„Aufklärung“, in Wahrheit Sachverhaltverfälschung,<br />

konstruiert hatte, schloss diese „Befehlslage“, wie der BGH<br />

erklärte, „zur Vereitelung der Flucht auch die<br />

bewusste (!) Tötung des Flüchtenden“ ein, „falls<br />

andere Mittel zur Fluchtverhinderung nicht ausreichten.“<br />

(S. 17)<br />

Weder der BGH, noch der Tatrichter vermag zu begründen,<br />

wieso „die Befehlslage“ auch die bewusste Tötung Flüchtender<br />

einschloss, zumal auch die „Befehlslage“ nicht wissen<br />

kann, ob ein einzelner Grenzsoldaten bewusst von der<br />

Schusswaffe Gebrauch macht und bewusst töten möchte —<br />

ganz abgesehen davon, dass die bundesdeutschen Richter<br />

324


ewusst offen lassen, ob sie dabei direkten oder indirekten<br />

Vorsatz im Auge hatten.<br />

Maßgebliche Quelle für diese gewichtige und weitreichende<br />

Aussage ist lediglich das auf Sachverhaltsverfälschung beruhende<br />

Urteil des Tatrichters (dortige Urteilsausführungen auf S. 17 u. S. 22),<br />

nicht aber irgendeine authentische Quelle und kompetente<br />

Stelle der DDR.<br />

Nach der „Entdeckung“ des Tatrichters (auf Grund irgendwelcher<br />

dubioser Beweise) rekapituliert der Bundesgerichtshof,<br />

sollte „auf jeden Fall und letztlich mit<br />

allen Mitteln verhindert werden,“ „dass der<br />

Flüchtende den Westteil von Berlin erreichte“<br />

(Seite 12 des erstinstanzlichen Urteils).<br />

Erich Buchholz<br />

Nun ist die Verhinderung der Flucht, d.h. des Erreichens des<br />

fremden Staatsgebietes, auch in der Bundesrepublik das Anliegen<br />

der bewaffneten Beamten, die den Grenzdienst versehen.<br />

Schon in den fünfziger Jahren wurde erklärt, der Einsatz der<br />

Schusswaffe (an der Westgrenze der Bundesrepublik) sei<br />

geboten, um zu verhindern, dass der Flüchtende das eigene<br />

Staats- (Hoheits-)gebiet verlässt und das fremde Staatsgebiet<br />

erreicht.<br />

Es ist also festzuhalten:<br />

Weder orientierte sich der Tatrichter oder der Bundesgerichtshof<br />

hinsichtlich der Anwendung und Auslegung des<br />

DDR-Rechts auf kompetente Persönlichkeiten, noch zog er<br />

die erreichbaren Dokumente, so die auf der Grundlage des<br />

Grenzgesetzes erlassenen Befehle, heran; vielmehr legte er<br />

auf eine zweifelhafte Beweisaufnahme gestützte eigene<br />

Vorstellungen davon zu Grunde, wie die Anwendung und<br />

Auslegung des Grenzgesetzes der DDR erfolgt sei.<br />

325


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

4.2.3 Dann aber kommt der BGH, sich absolut unwissend auf<br />

militärischen Gebiete zeigend, — wie nach ihm noch viele<br />

andere Gerichte — dazu, die „Vergatterung“ zu einem<br />

Kernstück der „Befehlslage“ zu erheben.<br />

Durch die Wiedergabe eines Kernsatzes der Vergatterung:<br />

„Grenzdurchbrüche sind auf keinen Fall zuzulassen.<br />

Grenzverletzer sind zu stellen oder zu vernichten.“ (Seite 12 des<br />

erstinstanzlichen Urteils) wird der Eindruck erweckt, dass es einen<br />

solchen Befehl gegeben habe.<br />

Hierzu sind folgende Bemerkungen erforderlich:<br />

Die zitierte Grundaussage des ersten Satzes entspricht im<br />

Kern dem einleitend hervorgehobenen Verfassungsauftrag,<br />

die Unantastbarkeit der Staatsgrenze zu gewährleisten.<br />

Die in der Vergatterungsformel vorkommende Aussage<br />

„Grenzdurchbrüche sind auf keinen Fall zuzulassen“<br />

ist in seinem Kern identisch mit dem Inhalt des Art. 7<br />

der Verfassung der DDR, ebenso auch mit dem vorerwähnten<br />

§18 Abs. 2 des Grenzgesetzes der DDR.<br />

Nirgends und niemals kreiert eine „Vergatterung“ eine<br />

Befehlslage.<br />

Der hier nicht weiter auszuführende Sinn der Vergatterung<br />

und ihre historischen Ursprünge besteht lediglich daran, die<br />

betreffenden zu vergatternden Soldaten, d.h. die wegen der<br />

Übertragung des Wachdienstes aus dem regulären militärischen<br />

Unterstellungsverhältnis herauszunehmenden Soldaten,<br />

an die ihnen bekannten Befehle zu erinnern.<br />

Der vergatternde Offizier besitzt selbstverständlich niemals<br />

die Kompetenz, von sich aus Befehle zu erlassen, Befehle zu<br />

modifizieren oder zu ergänzen.<br />

Deshalb schafft eine „Vergatterung“ niemals eine (neue)<br />

Befehlslage.<br />

326


Erich Buchholz<br />

Es ist mehr als auffällig, mit welcher Hartnäckigkeit bundesdeutsche<br />

Gerichte in ihren Verurteilungen von DDR-<br />

Grenzsoldaten regelmäßig auf der Vergatterung „herumreiten“,<br />

um von da aus die Verurteilung der Grenzsoldaten<br />

begründen zu wollen.<br />

Der Wortlaut der o.g. Kernaussage der Vergatterungsformel<br />

bestätigt, dass die Vergatterung nur bekanntes wiederholt<br />

und in Erinnerung ruft.<br />

(Allen Grenzsoldaten war dieser Verfassungsauftrag, auch<br />

seine politisch-ideologische Erläuterung, der Inhalt des<br />

Grenzgesetzes und der diesbezüglichen Befehle, jedenfalls<br />

schon während ihrer Grundausbildung bereits vermittelt<br />

worden).<br />

Im übrigen galt zum Zeitpunkt des Tatgeschehens im<br />

Dezember 1984 eine früher unter sowjetischem Einfluss aufgenommene<br />

militärisch orientierte Formel von der<br />

„Vernichtung der Grenzverletzer“ — was nicht Tötung, sondern<br />

Außergefechtsetzung bedeutete — ohnehin nicht mehr,<br />

weshalb der „Kernsatz der Vergatterung“, wie ihn der<br />

Tatrichter „festgestellt“ hatte, insoweit sachlich falsch ist.<br />

Hätte ein unvoreingenommener unparteiischer Tatrichter in<br />

der ersten Instanz die Verantwortlichen gehört und die maßgeblichen<br />

Dokumente über die Befehlslage zum Gegenstand<br />

der Beweisaufnahme gemacht, wäre von vornherein klargestellt<br />

worden, dass es einen solchen Auftrag oder Befehl, wie<br />

ihn nun der Bundesgerichtshof annimmt, nicht gegeben hatte.<br />

4.2.4 Im weiteren zitiert der BGH aus dem erstinstanzlichen<br />

Urteil die vorerwähnten subjektiven Auffassungen einzelner<br />

Grenzsoldaten, so wenn der Tatrichter in der ersten Instanz in<br />

seinem Urteil auf S. 13 festhält, es habe die Faustregel gegolten:<br />

„besser der Flüchtling ist tot, als dass die<br />

327


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Flucht gelingt“ oder „das Schlimmste, was der<br />

Kompanie passieren konnte, war eine gelungene<br />

Flucht, dass sie der ihr gestellten Aufgabe nicht<br />

gerecht geworden wäre.“ (S. 17)<br />

Solche Ansichten, selbst wenn es sie irgendwo gegeben haben<br />

sollte, haben jedoch nichts mit der Frage zu tun, wie in der<br />

DDR Abwägungen und Gesetzesauslegung vorgenommen<br />

wurden.<br />

Mit derartigen subjektiven Darlegungen, wie der Tatrichter<br />

die vernommenen Zeugen verstanden haben will, „stellen“<br />

bundesdeutschen Gerichte in ihren Urteilsgründen die<br />

„Befehlslage“ — grundsätzlich revisionsrechtlich unangreifbar<br />

— „fest“, wie sie angeblich in der DDR bestanden habe.<br />

Und solche „Erkenntnisse“ — in Wahrheit falsche Sachverhalte<br />

— wurden dann zur Erkenntnisgrundlage von<br />

Entscheidungen der Obergerichte, auch des Bundesverfassungsgerichts.<br />

Gestützt auf derartige Sachverhaltsfeststellung „gelangt<br />

der Senat zu dem Ergebnis, dass nach der zur<br />

Tatzeit in der DDR geübten Staatspraxis die<br />

Anwendung von Dauerfeuer ohne vorgeschaltetes,<br />

auf die Beine gerichtetes Einzelfeuer nicht als<br />

rechtswidrig angesehen worden wäre.“ (S. 19)<br />

„Hiernach entsprach“ — meint der Senat — „das<br />

Verhalten der Angeklagten der rechtfertigenden<br />

Vorschrift des §27 Abs. 2 des Grenzgesetzes, so<br />

wie sie in der Staatspraxis angewandt wurde.“<br />

[Hervorgehoben von mir, E.B.]<br />

Und weiter heißt es dann:<br />

„Sofern man das darin“ — in dieser Staatspraxis — „zum<br />

Ausdruck gekommene Verständnis des §27 Abs. 2 des<br />

Grenzgesetzes zugrunde legt, waren die mit<br />

328


Erich Buchholz<br />

bedingtem Vorsatz und Dauerfeuer abgegebenen<br />

Schüsse der Angeklagten gerechtfertigt.“ (S. 20)<br />

War der Bundesgerichtshof zunächst davon ausgegangen,<br />

zugrundelegen zu wollen, wie die in der DDR Verantwortlichen<br />

das Grenzgesetzes angewandt und ausgelegt hatten<br />

bzw. hätten, so wird nunmehr das Gebiet der Anwendung und<br />

Auslegung von Gesetzen, also das Rechtsgebiet, verlassen<br />

und stattdessen auf eine nebulöse „Staatspraxis,“ also auf das<br />

Gebiet von Tatsächlichkeiten, abgestellt.<br />

Tatsächliche Umstände für sich vermögen indessen bekanntlich<br />

grundsätzlich keine Rechtfertigung von rechtswidrigen<br />

Handlungen zu erbringen, wenn sie nicht im Gesetz vorgesehen<br />

sind.<br />

Indem der Bundesgerichtshof das Gebiet der rechtlichen<br />

Beurteilung mit dem der Tatsächlichkeiten vertauscht, lässt er<br />

erkennen, dass er auf eine Verurteilung der Grenzsoldaten<br />

bzw. eine Bestätigung des Urteils des Landgerichts zusteuert.<br />

Wenn der Bundesgerichtshof von einer bestimmten „Staatspraxis“<br />

in der DDR, also einem anderen Staat, ausgehen<br />

möchte, dann würde solches in einem Rechtsstaat doch eine<br />

umfassende Untersuchung derselben voraussetzen.<br />

Natürlich fand solche nicht statt; weder das Landgericht hat<br />

diese „Staatspraxis“ untersucht, noch der Bundesgerichtshof.<br />

Zu jenem Zeitpunkt, als der 5. Strafsenat des BGH entschied,<br />

lagen ihm lediglich die Akten eines Strafverfahrens gegen<br />

zwei DDR-Grenzsoldaten vor. 43<br />

Allein auf dieser — äußerst schmalen — Tatsachengrundlage<br />

maßt sich dieser Senat an, maßgebliche Aussagen über die<br />

diesbezügliche Staatspraxis in der DDR zu treffen und daran<br />

weitreichende strafrechtliche Konsequenzen zum Nachteil<br />

der beiden angeklagten Grenzsoldaten zu knüpfen.<br />

Jedenfalls wird diese Staatspraxis in der DDR durch den<br />

BGH als eine solche charakterisiert die „den Vorrang der<br />

329


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Fluchtverhinderung vor dem Lebensschutz kennzeichnet.“<br />

(S. 20)<br />

Das ist aber unzutreffend.<br />

Es ist nicht schwer zu erkennen, dass diese Aussage nicht eine<br />

wohlbegründete Erkenntnis aus entsprechenden Untersuchungen<br />

darstellt, sondern genau dem entspricht, was bundesdeutsche<br />

Richter und Staatsanwälte, auch die des 5. Strafsenats<br />

des Bundesgerichtshofes, seit eh und je über die DDR<br />

und die Staatsgrenze (West) zur Bundesrepublik dachten.<br />

Es handelt sich also im Grunde genommen um die höchstrichterliche<br />

— und damit weitgehend verbindliche —<br />

Fixierung eines bei bundesdeutschen Juristen geläufigen<br />

Vorurteils, das mit der Wirklichkeit der Staatspraxis nichts<br />

gemein hat.<br />

Dieses befindet sich in Einklang mit dem politischen Auftrag,<br />

der der bundesdeutschen Strafjustiz bei der Strafverfolgung<br />

von DDR Hoheitsträgern übertragen wurde bzw. den sich die<br />

Richter des 5. Strafsenats des BGH selbst gaben.<br />

4.2.5 Als Nächstes wird diese „Staatspraxis“ der DDR, um die<br />

Grenzsoldaten verurteilen zu können, zu einem Rechtfertigungsgrund<br />

erhoben: der Senat stellt die<br />

„Frage, ob das Verhalten der Angeklagten nach dem<br />

Recht der DDR, wie es in der Staatspraxis angewandt<br />

wurde, gerechtfertigt war.“<br />

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs sucht also nicht im<br />

Recht der DDR selbst nach einem (gesetzlichen) Rechtfertigungsgrund,<br />

wie er insbesondere aus Art. 7 der Verfassung<br />

der DDR, aus §18 Abs. 2 und §27 Abs. 2 des Grenzgesetzes<br />

zu gewinnen gewesen wäre, sondern in einer von ihm<br />

konstruierten — erfundenen — Staatspraxis, die er zum<br />

Ausgangspunkt einer zu prüfenden Rechtfertigung des<br />

330


Handelns der angeklagten Grenzsoldaten macht — eine<br />

juristische Vorgehensweise, die nicht nur mit dem Recht der<br />

DDR unvereinbar ist, sondern wegen der dabei geübten<br />

Vertauschung von Rechtsfragen und Fragen tatsächlicher Art<br />

auch nach bundesdeutschem Recht unzulässig ist.<br />

Mit dieser Eigenwilligkeit baute er für seine weitere<br />

„Argumentation“ vor.<br />

Der nächste Schritt seines Vorgehens besteht dann darin, dass<br />

er zu prüfen vorgibt, „ob ein so verstandener“(!!)<br />

„Rechtfertigungsgrund (§27 Abs. 2 des Grenzgesetzes)<br />

wegen Verletzung vorgeordneter, auch<br />

von der DDR zu beachtender allgemeiner Rechtsprinzipien<br />

und wegen eines extremen Verstoßes<br />

gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der<br />

Rechtsfindung außer Betracht bleiben muss, und<br />

zwar auch dann, wenn die Prüfung des fremden<br />

Rechtfertigungsgrundes im Rahmen des §2 Abs. 3<br />

StGB stattfindet. Der Senat bejaht diese Frage.“<br />

(S. 21)<br />

Erich Buchholz<br />

Da auch die Bundesrichter an und für sich Gesetze zu lesen<br />

vermögen, ist nicht anzunehmen, dass ihnen entgangen sein<br />

könnte, was §27 Abs. 2 Grenzgesetz regelt, dass nämlich die<br />

Anwendung der Schusswaffe dann gerechtfertigt ist, wenn<br />

sich die betreffende Straftat „den Umständen nach“ als Verbrechen<br />

darstellt.<br />

Ob im vorliegenden Fall die Umstände so waren, dass sich<br />

das Verhalten der Grenzverletzer den angeklagten Grenzsoldaten<br />

als Verbrechen darstellte und darstellen durfte, wird<br />

vom BGH überhaupt nicht erörtert.<br />

Das Gesetz wird also augenscheinlich beiseitegeschoben.<br />

Der Bundesgerichtshof sucht die Aufklärung des Problems<br />

augenscheinlich nicht in der DDR-Rechtsordnung, weder in<br />

der Verfassung, noch in anderen Gesetzen, sondern jenseits<br />

331


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

der konkreten Gesetzeslage bei „allgemeine Rechtsprinzipien<br />

und dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzip.“<br />

Dem gemäß führt der BGH aus: „Ein zur Tatzeit angenommene<br />

Rechtfertigungsgrund kann... vielmehr<br />

nur dann wegen Verstoßes gegen höherrangiges<br />

Recht unbeachtet bleiben, wenn in ihm ein offensichtlich<br />

grober Verstoß gegen Grundgedanken der<br />

Gerechtigkeit und Menschlichkeit zum Ausdruck<br />

kommt.“ (S. 22)<br />

Damit verlässt der 5. Strafsenat den Rechtsboden, den Boden<br />

des maßgeblichen DDR-Rechts, endgültig, das aus gutem Grund<br />

insbesondere im Strafrecht nur geschriebenes Recht kannte.<br />

Diese krasse Negierung des ausschließlich zugrundezulegenden<br />

DDR-Rechts, indem auf ungeschriebenes überpositives<br />

Recht, auf „Grundgedanken“ der Gerechtigkeit und Menschlichkeit<br />

zurückgegriffen wird, stellt das Haupteinfallstor für<br />

gesetzwidrigen Umgang mit dem DDR-Recht und die<br />

Hauptmethode zur Verdrehung desselben dar, um die politisch<br />

erwünschte Verurteilung der angeklagten DDR-Grenzsoldaten<br />

zu erreichen.<br />

Mit dieser Vorgehensweise ist die „Linie“ für alle weiteren<br />

Verfahren und Strafverfolgungen vorgegeben:<br />

Aushebelung des DDR-Rechts durch Überstülpung von<br />

ungeschriebenem überpositivem Recht, von „Grundgedanken“<br />

der Gerechtigkeit und Menschlichkeit über dasselbe,<br />

was zu einer völligen Verkehrung des DDR-Rechts führt.<br />

Nicht dass Gerechtigkeit beachtet und Menschlichkeit berücksichtigt<br />

werde, ist das Problem, sondern was der jeweilige<br />

Richter, die jeweilige Rechtsordnung, der jeweilige Staat<br />

unter Gerechtigkeit versteht, wie er diese Gerechtigkeit in<br />

positives geschriebenes Recht umsetzt.<br />

332


Erich Buchholz<br />

Das BVerfG hat in anderem Zusammenhang klargestellt,<br />

dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (gleiches gilt für den<br />

Grundsatz der Gerechtigkeit) gewissermaßen eine „Leer-<br />

Formel“ ist, es vielmehr darauf ankommt, was in der betreffenden<br />

Rechtsordnung jeweils unter Gerechtigkeit verstanden<br />

wird.<br />

Indem der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs dermaßen<br />

unbestimmte auslegbare Begriffe heranzieht, um nach dem<br />

DDR-Recht nicht strafbare Handlungen in solche umzumünzen,<br />

die dem Verdikt der Rechtswidrigkeit unterfallen, ist<br />

schon fantastisch.<br />

4.2.6 Noch bösartiger wird die weitere Argumentation des<br />

Bundesgerichtshofes, wenn er in diesem Zusammenhang auf<br />

Radbruchs Aufsatz aus dem Jahres 1946 verweist. 44<br />

Die Bezugnahme auf Radbruch liegt völlig neben der Sache.<br />

Ohne an dieser Stelle auf Radbruch näher einzugehen — der<br />

übrigens ein Verfechter der Gesetzlichkeit, der Rechtssicherheit<br />

und auch der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung war,<br />

sodass man die DDR-Rechtsordnung und die DDR-Justiz<br />

geradezu als Verwirklichung der Ideen Radbruchs bezeichnen<br />

darf —, muss wenigstens folgendes klargestellt werden:<br />

Radbruch schrieb diesen Aufsatz unmittelbar nach dem Ende<br />

des verbrecherischen Hitler-Regimes mit Blick auf den NS-<br />

Staat, auf NS-Verbrechen durch NS-Gesetzgebung (so<br />

besonders die Polen-Strafrechtsverordnung und die Juden-<br />

Gesetzgebung). 45<br />

Radbruch diskutiert den wohlbekannten Konflikt zwischen<br />

Rechtssicherheit und Gerechtigkeit. Er erklärt ausdrücklich,<br />

dass das positive durch Satzung und Macht gesicherte Recht<br />

auch dann den Vorrang hat, wenn es inhaltlich ungerecht und<br />

unzweckmäßig ist<br />

333


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

„und nur dort“, wo Gerechtigkeit nicht einmal erstrebt<br />

wird, wo die Gleichheit, die den Kern der Gerechtigkeit ausmacht,<br />

bei der Setzung positiven Rechts bewusst verleugnet<br />

wurde, da ist das Gesetz nicht etwa nur „unrichtiges<br />

Recht, vielmehr entbehrt es überhaupt der Rechtsnatur.“<br />

Nur ein solches „Gesetz (hat) als ‘unrichtiges<br />

Recht’ der Gerechtigkeit zu weichen“.<br />

Dabei hat Radbruch an die vorgenannten NS-Gesetze<br />

gedacht, weil diese Gesetze schon in ihrem Wortlaut die<br />

Gleichheit negierten, indem Sondergesetze gegen Polen und<br />

Juden erlassen wurden.<br />

Radbruch befasste sich also mit Unrechtsgesetzen.<br />

Er erörterte nicht eine der Gerechtigkeit entsprechende Auslegung<br />

und Anwendung von Gesetzen, worum es vorliegend<br />

bei der Verfolgung von DDR-Hoheitsträgern durch die<br />

bundesdeutsche Strafjustiz geht.<br />

Wenn der BGH in der bei Radbruch zitierten Stelle in Bezug<br />

auf DDR-Gesetze davon spricht,<br />

„dass das Gesetz als unrichtiges Recht der<br />

Gerechtigkeit zu weichen hat“,<br />

dann ist schon zu fragen, ob sich der BGH die Mühe machte,<br />

den Aufsatz von Radbruch im Zusammenhang zu lesen.<br />

Denn erstens handelt Radbruch von Gesetzen und nicht von<br />

deren Anwendung oder Auslegung, und zum anderen ist bei<br />

keinem einzigen DDR-Gesetz, insbesondere bei keinem<br />

DDR-Strafgesetz, im Wortlaut eine offene Negierung der<br />

Gleichheit zu finden.<br />

Es kann vorliegend auch kein Zweifel bestehen, dass der §27<br />

Abs. 2 des Grenzgesetzes ein völlig normales legitimes<br />

Gesetz ist bzw. war (das BVerfG hat bescheinigt, dass dieses<br />

Gesetz im Wortlaut den einschlägigen bundesdeutschen<br />

Vorschriften entspricht).<br />

334


Vorliegend kann also gar nicht die Rede davon sein, dass das<br />

Gesetz, die Schusswaffengebrauchesbestimmung des DDR-<br />

Grenzgesetzes, in einem unerträglichen Widerspruch zur<br />

Gerechtigkeit stünde; dasselbe würde dann auch für die<br />

bundesdeutschen Vorschriften zutreffen.<br />

Vorliegend handelt es sich erklärtermaßen darum, dass der<br />

Bundesgerichtshof eine andere Auslegung des §27 des<br />

Grenzgesetzes für angezeigt hält, als die, die in der DDR vorgenommen<br />

wurde.<br />

Die Differenz zwischen der „DDR-Rechtspraxis“ und der<br />

des Bundesgerichtshof besteht also in der unterschiedlichen<br />

Auslegung.<br />

Der Bundesgerichtshof macht seine Ausführungen in seinem<br />

Revisionsurteil augenscheinlich ausschließlich unter dem<br />

Gesichtspunkt der Auslegung, und nicht unter dem Gesichtspunkt<br />

eines Unrechtsgesetzes, wovon Radbruch sprach, als er<br />

erklärte, dass ein Unrechtsgesetz der Gerechtigkeit zu weichen<br />

hat.<br />

Dem gemäß beschäftigt sich der BGH auch im folgenden<br />

sehr umständlich mit Fragen der Auslegung des §27 Abs. 2 des<br />

Grenzgesetzes; er fragt nach den Auslegungsmethoden, die<br />

dem Recht der DDR eigentümlich waren und erörtert — völlig<br />

überflüssig — die Frage, ob die Gesetze der DDR auch<br />

menschenrechtsfreundlich hätten ausgelegt werden können<br />

(S. 31/32).<br />

Erich Buchholz<br />

(Es muss hier nicht erörtert werden, ob eine solche<br />

Auslegung tatsächlich möglich gewesen wäre; sie war jedenfalls<br />

nicht zwingend. Außerdem kommt es vorliegend darauf<br />

überhaupt nicht an.)<br />

Bemerkenswert ist nun, dass der 5. Strafsenat des BGH dem<br />

einzelnen Grenzsoldaten in einer Situation, in der er<br />

unmittelbar und plötzlich vor dem Schusswaffengebrauch<br />

335


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

steht, zumutet, Gesetze der DDR auszulegen bzw. eigenmächtig<br />

von ihm vermittelter Interpretation der DDR-<br />

Gesetze abzuweichen — wobei der BGH, wie bereits betont,<br />

vermeidet, darauf einzugehen, ob sich das damalige<br />

Verhalten der Grenzverletzer den Grenzsoldaten der DDR<br />

„den Umständen nach“ als Verbrechen darstellte, wodurch<br />

ihre Anwendung der Schusswaffe gerechtfertigt wurde.<br />

Ohne an dieser Stelle auf die Frage einer menschenrechtsfreundlichen<br />

Auslegung als solcher einzugehen, darf jedenfalls<br />

folgendes bemerkt werden:<br />

Zunächst ergibt sich — und das wissen die Richter des<br />

Bundesgerichtshofs selbst sehr genau — aus der Möglichkeit<br />

einer anderen (menschenrechtsfreundlichen) Auslegung, wie<br />

sie der BGH wünscht, nicht, dass die gerügte Auslegung<br />

gesetzwidrig oder rechtswidrig sei.<br />

Von einer unzulässigen, rechtlich unvertretbaren Auslegung<br />

kann erst und nur dann gesprochen werden, wenn die Wortlautgrenze<br />

überschritten wird oder eine andere, sich aus dem<br />

Kontext des Gesetzes ergebende Auslegung zwingend ist.<br />

Nicht einmal das hat der 5. Strafsenat des BGH behauptet,<br />

geschweige geprüft und bewiesen; ihm genügt die Möglichkeit<br />

einer menschenrechtsfreundlichen Auslegung (S. 31).<br />

Vor allem muss betont werden, dass der Bundesgerichtshof sich<br />

mit dieser Entscheidung in einer Weise über das Völkerrecht,<br />

die Souveränität der DDR und die Rechtsordnung der DDR<br />

hinwegsetzt, für die es keinerlei rechtliche Grundlage gibt.<br />

4.2.7 Die Tatsache, dass die DDR gemäß ihrer Rechtsordnung,<br />

beiden Menschenrechtspakten beitrat und diese am<br />

23. März 1976 als völkerrechtliche Verträge für die DDR<br />

verbindlich in Kraft traten, macht die Regelungen in diesen<br />

beiden Menschenrechtspakten nicht unmittelbar zum Bestandteil<br />

des innerstaatlichen Rechts in der DDR.<br />

336


Erich Buchholz<br />

Multilaterale völkerrechtliche Verträge, um solche handelt es<br />

sich bei den beiden Menschenrechtspakten, wirken inter partes,<br />

d.h. zwischen den Staaten, die diesen Pakten beitraten.<br />

Dem gemäß enthalten diese Verträge vielfach auch Regularien<br />

der Kontrolle über die Erfüllung dieser in den Pakten<br />

enthaltenen Regelungen, z.B. die Berichterstattung der Staaten,<br />

und andere Möglichkeiten.<br />

Vor dem Völkerrecht ist jedenfalls ganz eindeutig, dass die<br />

Ratifizierung völkerrechtlicher Verträge nicht ohne weiteres<br />

auch innerstaatliches Recht der Mitgliedstaaten schafft.<br />

Man kann die DDR rügen, dass sie als Staat nicht bereits früher<br />

den Art. 12 der Konvention über Zivile und Politische<br />

Rechte, der die Ausreisefreiheit enthält, umsetzte. Aber aus<br />

diesem Versäumnis resultiert nicht, dass der einzelne der<br />

DDR-Rechtsordnung unterworfene Rechtsgenosse, einen<br />

unmittelbaren Rechtsanspruch, ein subjektives Recht, aus<br />

Art. 12 gegen die DDR und ihre Rechtsordnung herleiten<br />

konnte oder dass Behörden der DDR ein noch nicht transformiertes<br />

Recht anzuwenden hätten.<br />

Was hier besonders wichtig ist, ist folgendes:<br />

Für sämtliche DDR-Behörden, Richter, Staatsanwälte,Volkspolizisten<br />

und auch die Grenzsoldaten blieb ausschließlich<br />

das innerstaatliche Recht verbindlich.<br />

Sie hatten keine Befugnis, sich auf Regelungen des vorgenannten<br />

Paktes zu berufen, um von da aus geltendes geschriebenes<br />

DDR-Gesetz, so etwa das Grenzgesetz, außer Kraft zu<br />

setzen oder zu missachten.<br />

Ein Richter, Staatsanwalt, Volkspolizist oder auch ein<br />

Grenzsoldat hätte gesetzwidrig gehandelt, wenn er sich unter<br />

Berufung auf Art. 12 des Internationalen Paktes nicht an das<br />

geltende DDR-Recht gehalten hätte.<br />

Zumindest diese Kollision zwischen geltendem DDR-Recht<br />

und noch nicht transformierten völkerrechtlichen Regelun-<br />

337


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

gen hätte der Senat zu Gunsten der angeklagten Grenzsoldaten<br />

berücksichtigen müssen — wie es z.B. das BVerfG<br />

bei den Kundschaftern tat.<br />

Indem dem einzelnem Grenzsoldaten, einem einer anderen<br />

Rechtsordnung unterworfenen Individuum, eine kritikwürdige,<br />

nach Ansicht des BGH selbst rechtswidrige Staatspraxis<br />

hinsichtlich der Behandlung des Rechts auf Ausreise gemäß<br />

Art. 12 der vorgenannten Konvention angelastet wird, wird<br />

dieser einfache Grenzsoldat — über den Umweg des angeblichen<br />

Fehlens eines Rechtfertigungsgrundes — für (wirkliche<br />

oder angebliche) Versäumnisse des DDR-Staates verantwortlich<br />

gemacht, wird der in beiden deutschen Staaten anerkannten<br />

Strafrechtsgrundsatz des Schuldprinzips, d.h. eine<br />

Bestrafung nur nach persönlicher individueller strafrechtlicher<br />

Verantwortlichkeit, über Bord geworfen. 46<br />

Übrigens bewegt sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />

in Sachen Keßler und andere zur Frage des<br />

Rückwirkungsverbotes, auf die noch eingegangen werden<br />

wird, auf derselben Ebene, indem den betreffenden Individuen<br />

staatliches Verhalten angelastet wurde und auf diese Weise<br />

den Individuen der Rechtfertigungsgrund geraubt wurde.<br />

4.2.8 Der umständliche Ausflug des Bundesgerichtshofes<br />

über das Vorliegen oder Fehlen eines Rechtfertigungsgrundes,<br />

einer angeblichen Diskrepanz zwischen der DDR-Staats- und<br />

-Rechtspraxis einerseits und der Menschenrechtskonvention<br />

anderseits, mit der Schlussfolgerung, dass nach dem „richtig<br />

ausgelegten Recht der DDR zur Tatzeit“<br />

„Strafbarkeit bestanden habe“, diente letztlich dazu —<br />

dem BVerfG gegenüber Vorleistungen erbringend —, um<br />

über den Umweg eines Rechtfertigungsgrundes bzw. des Fehlens<br />

eines solchen das Rückwirkungsverbot auszuschalten.<br />

338


Erich Buchholz<br />

So wird auf S. 40 in einer Weise, die Rechtstaatlichkeit und<br />

Schutz des Individuums vor staatlicher Willkür zu beachten<br />

vorgibt, ausgeführt:<br />

„Das Rückwirkungsverbot soll den Angeklagten vor<br />

Willkür schützen und die Strafgewalt auf den<br />

Vollzug der allgemeinen Gesetze beschränken.<br />

...Es schützt das Vertrauen, dass der Angeklagte<br />

zur Tatzeit in den Fortbestand des damals geltenden<br />

Rechts gesetzt hat.“<br />

Dass hier das Rückwirkungsverbot nicht nach DDR-Recht,<br />

sondern ausschließlich aus bundesdeutscher Sicht interpretiert<br />

wird, ist nicht zu übersehen und gehört zu der geläufigen<br />

DDR-feindlichen Vorgehensweise.<br />

Dem gemäß heißt es im BGH-Urteil weiter:<br />

„Die Erwartung“ — eines Individuums, so eines angeklagten<br />

Grenzsoldaten —, „das Recht werde, wie in der<br />

Staatspraxis zur Tatzeit, auch in Zukunft nur<br />

angewandt werden, dass ein menschenrechtswidriger<br />

Rechtfertigungsgrund anerkannt wird, ist<br />

nicht schutzwürdig. Es ist keine Willkür, wenn<br />

der Angeklagte, was die Rechtswidrigkeit seines<br />

Tuns angeht, so beurteilt wird, wie er bei richtiger<br />

Auslegung des DDR-Rechts schon zur Tatzeit<br />

hätte behandelt werden müssen.“ (S. 40)<br />

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs weiß somit — aus<br />

eigener Vollkommenheit seines überragenden Wissens, ohne<br />

Studium des DDR-Rechts — ganz genau, wie der DDR-<br />

Grenzsoldat „bei richtiger Auslegung des DDR-Rechts<br />

schon zur Tatzeit hätte behandelt werden müssen.“<br />

Alles läuft darauf hinaus:<br />

Sowohl der Gesetzgeber als auch der Rechtsanwender und<br />

nicht zuletzt der einzelne Soldat an der Grenze hätten vor-<br />

339


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

aussehen müssen, dass die bundesdeutsche Justiz alles völlig<br />

anders sieht, als es in der DDR nach DDR-Gesetz und DDR-<br />

Rechtspraxis war.<br />

(Zumindest zu Gunsten eines einzelnen Grenzsoldaten hätte<br />

bedacht werden müssen, dass dieser so etwas nicht voraussehen<br />

konnte, dass er vielmehr bei dem möglicherweise auch<br />

von ihm gewünschten Beitritt der DDR zur Bundesrepublik<br />

Vertrauen in den Fortbestand des damaligen Rechts gesetzt<br />

hatte, zumal es so auch im Einigungsvertrag geregelt ist.)<br />

Der Bundesgerichtshof wollte eine Verurteilung.<br />

Der Wortlaut des §27 des Grenzgesetzes, die darin enthaltene<br />

Schusswaffengebrauchsbestimmung, — die, wie später das<br />

BVerfG feststellt, dem Wortlaut vergleichbarer bundesdeutscher<br />

Regelung entspricht — hätte es wegen der darin enthaltenen<br />

Rechtfertigung der Schusswaffengebrauchs unmöglich<br />

gemacht, die angeklagten Grenzsoldaten zu verurteilen.<br />

Deshalb musste eine perfide Rechtskonstruktion kreiert werden<br />

und herhalten, mit der diese rechtfertigende Vorschrift<br />

außer Kraft gesetzt wurde.<br />

Da es auf der Ebene der Rechtsvorschriften, des geltenden<br />

Rechts, dafür keine Möglichkeit gab, wurde dieses Ziel über<br />

Sachverhaltsverfälschung und Verdrehung des DDR-Rechts<br />

durch Überstülpen „höherrangigen Rechts“ erreicht:<br />

Es wurde eine rechtswidrige Staatspraxis erfunden und mit<br />

dieser Staatspraxis die „rechtfertigende Wirkung“ der legitimen<br />

und unbeanstandbaren Schusswaffengebrauchsbestimmungen<br />

aus den Angeln gehoben.<br />

4.2.9 Auf Seite 27 ging der BGH auf die Strafbestimmung des<br />

§213 Abs. 3 StGB/DDR ein.<br />

Obzwar das Tatbestandsmerkmal, wenn „die Tat zusammen<br />

mit anderen begangen wird“, unzweifelhaft eine<br />

eindeutige gesetzliche Vorschrift darstellt, an der nichts zu<br />

340


Erich Buchholz<br />

deuteln ist — und zwar völlig unabhängig davon, ob man eine<br />

solche Regelung gutheißt oder nicht —, erwartet der 5. Strafsenat<br />

des Bundesgerichtshofs von den DDR-Behörden, von<br />

den DDR-Grenzsoldaten eine in seinem Sinne „menschenrechtsfreundliche<br />

Auslegung“.<br />

Er verlangt somit nichts anderes, als das eindeutige DDR-<br />

Gesetz zu missachten, zu verletzen.<br />

Wörtlich heißt es:<br />

„Jedenfalls war es aber möglich, die genannte<br />

Vorschrift des Grenzgesetzes mit Rücksicht auf<br />

den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. auch §27 Abs. 5<br />

Satz 1 des Grenzgesetzes) und den Vorrang des Lebensschutzes<br />

dahin auszulegen, dass das Schießen auf<br />

‘Grenzverletzer’ mit unbedingtem oder bedingtem<br />

Tötungsvorsatz unverhältnismäßig und deshalb<br />

unzulässig war, wenn es sich um allenfalls zwei<br />

nach den Umständen unbewaffnete und auch sonst<br />

nicht für Leib oder Leben anderer gefährliche<br />

Flüchtlinge handelte.“<br />

Der Bundesgerichtshof mutet also dem einzelnen Grenzsoldaten<br />

zu, entgegen der eindeutigen Vorschrift des §213<br />

StGB/DDR eigenmächtig von ihr abzuweichend sein<br />

Handeln auf das Vorliegen zusätzlicher ungeschriebener<br />

Tatbestands-Merkmale abzustellen.<br />

Da die Grenzsoldaten sich aber an den Wortlaut der Gesetze<br />

ihres Staates hielten, sind sie aus bundesdeutscher Sicht<br />

schuldig.<br />

Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar, wie eine auf objektive<br />

Kriterien abgestellte Rechtsvorschrift, nämlich eine Schusswaffengebrauchsbestimmung,<br />

etwas über subjektive Umstände,<br />

über bedingten oder unbedingten Tötungsvorsatz aussagen<br />

oder enthalten könne.<br />

341


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Ein solcher Vorsatz konnte — wenn überhaupt — nur in den<br />

Köpfen entsprechender Grenzsoldaten bestanden haben.<br />

Ein unbedingter oder bedingter Tötungsvorsatz hat auch<br />

weder etwas mit der Schusswaffengebrauchsbestimmung,<br />

noch mit der Strafbestimmung gegen den ungesetzlichen<br />

Grenzübertritt zu tun.<br />

Ob mit bedingtem oder unbedingtem Tötungsvorsatz<br />

geschossen wurde, ergibt sich — was jeder Jurist weiß — niemals<br />

aus Rechtsvorschriften. Denn das Vorliegen von Vorsatz<br />

betrifft etwas Tatsächliches.<br />

Auf S. 27 des Revisionsurteils des BGH ist zu lesen:<br />

„Nach dieser Auslegung (!) des DDR-Rechts hat der<br />

Angeklagte..., indem er mit bedingtem Tötungsvorsatz<br />

auf die beiden Flüchtlinge schoss,<br />

rechtswidrig gehandelt.“<br />

Demzufolge kommt ihm das Rückwirkungsverbot nicht zu<br />

Hilfe.<br />

Denn „das Rückwirkungsverbot nach Art. 103 Abs. 2<br />

GG verbietet nicht, bei der Aburteilung des<br />

Angeklagten von einer menschenrechtsfreundliche<br />

Auslegung des DDR-Rechts auszugehen, auch wenn<br />

diese von der damaligen Rechtspraxis abweicht.“<br />

(S. 28)<br />

Übrigens musste der BGH wegen entsprechenden<br />

Vorbringens der Revision darauf zu sprechen kommen, dass<br />

im bundesdeutschen Schrifttum (es ging um die Behandlung<br />

des Schusswaffengebrauchs durch die bundesdeutsche<br />

Polizei) die Ansicht vertreten wird, „nach §16 des<br />

Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwangs<br />

und die Ausübung besonderer Befugnisse durch<br />

Soldaten der Bundeswehr und zivile Wachpersonen<br />

342


Erich Buchholz<br />

(UZwGBw) sei unter Umständen auch das Schießen<br />

mit bedingtem Tötungsvorsatz gerechtfertigt“. 47<br />

Wenn im Rechtsstaat Bundesrepublik solche Auffassungen<br />

von kompetenter Seite publiziert werden und bis dato nicht<br />

zurückgewiesen wurden, dann wäre doch in Bezug auf die<br />

einfachen DDR-Grenzsoldaten zu erwarten gewesen, dass<br />

ihnen solches gleichermaßen zugute gehalten wird.<br />

Das entsprach aber nicht dem politischen Auftrag der<br />

bundesdeutschen Justiz.<br />

Selbst Äußerungen im Schrifttum der Bundesrepublik dürfen<br />

nicht zu Gunsten von DDR-Hoheitsträgern herangezogen<br />

werde.<br />

Der Bundesgerichtshof musste sich weiterhin mit der Frage<br />

beschäftigen, ob der Angeklagte auch schuldhaft gehandelt<br />

habe (S. 28 ff).<br />

Da es den bundesdeutschen Strafverfolgern und Gerichten<br />

darauf ankam, die DDR-Grenzsoldaten wegen Mordes oder<br />

Totschlags zu verurteilen, brauchten sie einen — bedingten<br />

oder unbedingten — Tötungsvorsatz.<br />

Da die betreffenden Grenzsoldaten wahrheitsgemäß bekundeten,<br />

dass sie nicht mit Tötungsvorsatz gehandelt hatten,<br />

wurde dieser Tötungsvorsatz konstruiert, erfunden.<br />

Diese Konstruktion eines Tötungsvorsatzes praktiziert der<br />

BGH nicht über die objektiv falschen „tatsächlichen<br />

Feststellungen“ des Tatrichters, sondern über die<br />

Auslegung von DDR-Gesetzen, indem er von dem<br />

Grenzsoldaten zum damaligen Zeitpunkt eine menschenrechtsfreundliche<br />

Auslegung verlangt.<br />

4.2.10 Die Revision hatte auch auf §258 StGB/DDR<br />

(Handeln auf Befehl) verwiesen.<br />

Der BGH muss einräumen, dass der Regelungsinhalt dieser<br />

343


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Vorschrift mit der entsprechenden bundesdeutschen, nämlich<br />

dem §5 Abs. 1 WStG (Wehrstrafgesetz; Handeln auf Befehl),<br />

übereinstimmt.<br />

Wiederum stützt sich der Bundesgerichtshof auf die vorgenannte<br />

Sachverhaltverfälschung von „unterschwelligen“ oder<br />

„suggerierenden“ Instruktionen der Grenzsoldaten.<br />

Gestützt auf diese Sachverhaltverfälschung erklärt der Senat<br />

(S. 32): „die bedingt vorsätzliche Tötung... entsprach<br />

der allgemeinen Befehlslage.“<br />

Dem gemäß behauptet der BGH (S. 33), soweit sich der Befehl<br />

des Postenführers „auf eine vorsätzliche Tötung richtete, verstieß“<br />

er gegen die Strafgesetze. Dass der Angeklagte dies<br />

positiv gewusst hat, kann nicht angenommen werden, weil die<br />

für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen ergeben,<br />

dass sich der Angeklagte im Verbotsirrtum befunden<br />

hat. Eine Entschuldigung nach §5 Abs. 1 WStG findet gleichwohl<br />

nicht statt, weil es nach den dem Angeklagten bekannten<br />

Umständen „offensichtlich war, dass die befohlene<br />

Tat gegen die Strafgesetze verstieß.“<br />

In den folgenden Ausführungen des Bundesgerichtshofs<br />

kommt überdeutlich zum Ausdruck, dass er sich von bundesdeutschen<br />

Regelungen und Auslegungen leiten ließ, also<br />

gegen den DDR-Hoheitsträger bundesdeutsche Recht<br />

anwandte.<br />

Der Verbotsirrtum, den das StGB der DDR nicht kannte und<br />

nicht geregelt hatte, wird nach der bundesdeutschen Bestimmung<br />

(§17 Satz 2 StGB), in der es um die Vermeidbarkeit<br />

eines Verbotsirrtums geht, interpretiert.<br />

Es heißt dann, zunächst sogar auch zutreffend:<br />

„Im Interesse der militärischen Disziplin und<br />

wegen des Drucks, den ein militärischer Befehl<br />

auf den Untergebenen ausübt, sind an die Annahme<br />

der Offensichtlichkeit (§5 Abs. 1 WStG) hohe<br />

344


Erich Buchholz<br />

Anforderungen zu stellen. Der Soldat hat keine<br />

Prüfungspflicht.“<br />

„Entscheidend ist, ob der Verstoß gegen das<br />

Strafrecht derart auf der Hand lag, dass er für<br />

einen durchschnittlichen Soldaten mit dem<br />

Informationsstand des Angeklagten ohne weiteres<br />

Nachdenken und ohne weitere Erkundigungen einsichtig<br />

war.“ 48<br />

In Ansehung der Tatsache, die auch dem 5. Strafsenat bewusst<br />

war, dass die angeklagten blutjungen Grenzsoldaten in der<br />

DDR aufgewachsen waren und durch die politische ideologische<br />

Beeinflussung „indoktriniert“ waren, lag nach den vorgenannten<br />

Ausführungen an sich „auf der Hand“, dass der<br />

Bundesgerichtshof den angenommenen Verbotsirrtum bei<br />

diesem Angeklagten für vermeidbar hätte ansehen müssen.<br />

Das aber entsprach offensichtlich nicht dem politischen<br />

Auftrag der Strafverfolgung von DDR-Hoheitsträgern.<br />

Deshalb musste eine spezielle Konstruktion entwickelt<br />

werden:<br />

Wiederum gestützt auf die falschen „tatsächlichen<br />

Feststellungen“ des Tatrichters stellt der BGH die Behauptung<br />

auf, „dass Herkunft und Erziehung des<br />

Angeklagten ihm trotz politischer Indoktrination<br />

ausreichende Vorstellungen von Gerechtigkeit und<br />

Menschlichkeit sowie davon vermittelt haben,<br />

dass das Tötungsverbot zum Kernbereich der Ethik<br />

gehört.“ (S. 34)<br />

„Bei dieser Voraussetzung war für jeden Soldaten<br />

ohne weiteres einsichtig, dass es ein jeder vernünftiger<br />

Rechtfertigung entzogener Verstoß<br />

gegen das elementare Tötungsverbot war, wenn ein<br />

Grenzsoldat mit bedingtem Tötungsvorsatz einen<br />

345


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

sicher gezielten Schuss auf den Oberkörper eines<br />

Flüchtlings abgab.“<br />

Hier kann man nur fragen:<br />

Wie ist es in der Bundesrepublik mit der Gerechtigkeit beschaffen,<br />

wenn bundesdeutsche Beamte an der Staatsgrenze<br />

oder im Inland in großer Zahl mit ihren Schusswaffen<br />

Menschen töten?<br />

5. Die Rechtskonstruktion zur Strafverfolgung<br />

führender Militärs und Politiker der DDR<br />

wegen der „Toten an der Mauer“.<br />

Nachdem alsbald nach dem Beitritt der DDR zur<br />

Bundesrepublik die ersten DDR-Grenzsoldaten<br />

rechtskräftig verurteilt worden waren und der 5. Strafsenat<br />

des BGH die oben dargestellte Orientierung für die weitere<br />

Strafverfolgung von DDR-Grenzsoldaten gegeben hatte,<br />

waren maßgebliche Kräfte der Bundesrepublik bestrebt,<br />

auch deren Vorgesetzte und insbesondere führende Militärs<br />

und Politiker der DDR, darunter den langjährigen Minister<br />

für Nationale Verteidigung, Heinz Keßler, den Staatsratsvorsitzenden<br />

und Generalsekretär des ZK der SED, Erich<br />

Honecker, sowie den letzten Staatsratsvorsitzenden, Egon<br />

Krenz, ebenfalls strafrechtlich zu verfolgen und zu verurteilen.<br />

Man wollte sich nicht der Rüge aussetzen, nur die Kleinen zu<br />

bestrafen und die Großen laufen zu lassen.<br />

Angesichts der maßgeblichen Rechtslage, also des zugrunde<br />

zu legenden DDR-Gesetzes, erwies sich solches als sehr kompliziert.<br />

Denn diese führenden Militärs und Politiker der DDR hatten<br />

niemanden an der DDR-Staatsgrenze zur Bundesrepublik<br />

346


Erich Buchholz<br />

eigenhändig erschossen; sie saßen in Berlin und in Strausberg.<br />

Ein Schießbefehl, also ein Befehl, Menschen zu töten, war —<br />

wie bereits ausgeführt — trotz Durchforstung aller geheimsten<br />

Archive nicht aufgefunden worden; denn einen solchen<br />

gab es nicht.<br />

Nach dem maßgeblichen DDR-Recht (§22 Abs. 1 StGB/<br />

DDR) konnte als Täter nur bestraft werden, wer die betreffende<br />

Straftat selbst ausführt. Wenn er sie durch einen anderen<br />

ausführen lässt, dann konnte er nach DDR-Recht nur<br />

dann als Täter bestraft werden, wenn dieser andere für diese<br />

Tat selbst nicht verantwortlich ist.<br />

Nachdem die DDR-Grenzsoldaten als Täter eines Totschlags<br />

bestraft worden waren, man sie also nicht als nicht verantwortliche<br />

„Tatmittler“ angesehen hatte, war es nach dem<br />

DDR-Gesetz ausgeschlossen, Vorgesetzte oder führende<br />

Militärs und Politiker der DDR ebenfalls als Täter eines<br />

Totschlags strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen.<br />

Hier ist nicht bekannt, ob die maßgeblichen bundesdeutschen<br />

Juristen dies übersehen hatten und sich infolge dieses Übersehens<br />

selbst in eine juristisch komplizierte Lage gebracht<br />

hatten.<br />

Auch war absehbar, dass es mit einer Konstruktion einer den<br />

vorgenannten Personen zur Last zu legenden Anstiftung zum<br />

Totschlag schwierig sein könnte und dass man sich bei<br />

Annahme einer diesen Personen vorgeworfenen oder vorzuwerfenden<br />

Beihilfe zum Todschlag oder Mord lächerlich<br />

gemacht hätte.<br />

Wie sollte man aus diesem Dilemma herauskommen?<br />

Der politische Auftrag und der unbedingte Verfolgungswille<br />

ließen einen beispiellosen juristischen Erfindergeist<br />

aufkommen.<br />

347


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Zunächst musste in tatsächlicher Hinsicht eine abenteuerliche<br />

Sachverhaltsverfälschung herhalten, auf die wir schon<br />

eingegangen sind: es musste nämlich vor allem ein Kausalzusammenhang<br />

zwischen den höchsten Befehlen, insbesondere<br />

den Beschlüssen des Nationalen Verteidigungsrates<br />

(NVR) bzw. sogar des Politbüros des ZK der SED auf der<br />

einen Seite und einem tödlichen Schusswaffengebrauch<br />

durch Grenzsoldaten auf der anderen Seite konstruiert werden.<br />

Dies erwies sich deshalb als schwierig, weil in den vorgenannten<br />

Befehlen und Beschlüssen — entgegen aller jahrzehntelang<br />

propagierten DDR-feindlichen Ansichten — eine<br />

Aufforderung zum vorsätzlichen Töten von Menschen nicht<br />

enthalten war.<br />

Was diese Befehle und Beschlüsse substanziell enthielten,<br />

war in der Sache die Wiedergabe des Verfassungsauftrages<br />

des Art. 7 der DDR-Verfassung: die Grenzen der DDR zuverlässig<br />

zu schützen und keinen Grenzdurchbruch zuzulassen.<br />

Entsprechend diesem Verfassungsauftrag enthielten die<br />

vorgenannten Beschlüsse und Befehle Maßnahmen der verschiedensten<br />

Art zur Erfüllung dieses Verfassungsauftrages,<br />

sowohl solche politisch-ideologischer Natur, als auch<br />

Maßnahmen zum Ausbau der Grenzsicherungsanlagen und<br />

zur materiell-technischen Ausrüstung der Grenztruppen.<br />

Um den erforderlichen Kausalzusammenhang herzustellen,<br />

also zu konstruieren, wurde mit einem im DDR-Recht nicht<br />

vorgesehenen juristischen Begriff operiert, dem Begriff der<br />

„Kettenanstiftung“.<br />

Selbstverständlich war auch nach dem DDR-Recht eine<br />

Bestrafung mehrerer Anstifter zulässig, die in einer Reihe,<br />

wenn man so will in einer Kette, nacheinander verschiedene<br />

Personen bis zum schließlichen Haupttäter anstifteten. Für<br />

diesen seltenen Fall bedurfte es jedoch keiner besonderen<br />

Konstruktion einer „Kettenanstiftung“, zumal auch in solchen<br />

Fällen bei jedem einzelnen Anstifter, dem ersten wie<br />

348


Erich Buchholz<br />

dem letzten, geprüft werden musste, ob die gesetzlichen Voraussetzungen<br />

in objektiver und subjektiver Hinsicht vorlagen.<br />

Der dem DDR-Recht fremde Begriff der „Kettenanstiftung“<br />

wurde herangezogen, um sich diese mühselige<br />

juristische Kleinarbeit zu ersparen, um in einer summarischen<br />

und pauschalen Weise Anstiftung vom höchsten Militär<br />

bis zum letzten Soldaten einfach zu unterstellen.<br />

Absichtsvoll „übersprang“ man dabei natürlich die jedenfalls<br />

nach DDR-Recht erforderliche Prüfung und Feststellung des<br />

Vorliegens eines Anstiftervorsatzes, der auf eine vorsätzliche<br />

Tötung durch den letztendlichen „Haupttäter“, den<br />

Grenzsoldaten, gerichtet gewesen und diesen Tötungsvorsatz<br />

beim „Haupttäter“, dem Grenzsoldaten, umfasst haben muss.<br />

Schließlich entwickelte der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs<br />

eine andere Rechtskonstruktion zum Zwecke der strafrechtlichen<br />

Verfolgung führender Militärs und Politiker der<br />

DDR, nämlich die Annahme einer mittelbaren Täterschaft,<br />

die — wie bereits erläutert — nach dem ausschließlich<br />

zugrunde zu legenden DDR-Recht vorliegend nicht herangezogen<br />

werden konnte und durfte.<br />

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs unter Vorsitz des<br />

Herrn Laufhütte nutzte nämlich die sehr unbestimmt und<br />

offen gefasste bundesdeutsche Vorschrift des §25 Abs. 1<br />

StGB, nach der als Täter auch bestraft werden kann, „wer<br />

die Straftat... durch einen anderen begeht“. In<br />

dieser bundesdeutschen Vorschrift fehlt die maßgebliche<br />

Voraussetzung des DDR-Rechts, dass der mittelbare Täter<br />

nur dann als Täter bestraft werden kann, wenn der unmittelbar<br />

Handelnde für die betreffende Tat selbst nicht verantwortlich<br />

ist.<br />

Der unbedingte Verfolgungs- und Bestrafungswille der<br />

Bundesrichter „sprang“ über die Vorschriften des Einigungs-<br />

349


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

vertrages und des DDR-Rechts „hinweg“, um gemäß dem<br />

politischen Auftrag eine juristische Begründung für die<br />

Verurteilung führender Politiker und Militärs der DDR zu<br />

entwickeln.<br />

Dies soll zunächst an der Verurteilung des ehemaligen<br />

Ministers für Nationale Verteidigung der DDR, Heinz<br />

Keßler, und anderer demonstriert werden.<br />

Die 27. Große Strafkammer des Landgerichts Berlin hat ihn<br />

als Schwurgerichtskammer unter dem 16. September 1993<br />

wegen Anstiftung zum Totschlag verurteilt.<br />

In seinem Urteil vom 26. Juli 1994 hat der 5. Strafsenat des<br />

Bundesgerichtshofs die Verurteilung dahingehend verschärft,<br />

dass er Heinz Keßler und die beiden anderen Mitangeklagten<br />

eines Totschlags für schuldig befand, also wegen Täterschaft<br />

verurteilte. 49<br />

Wie ist solches juristisch — ohne direkt dem Gesetz zuwider<br />

zu entscheiden — möglich?<br />

Jeder weiß, auch die Richter des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofes<br />

wissen es, dass die Angeklagten nicht eigenhändig<br />

jemanden an der Grenze der DDR zur Bundesrepublik<br />

oder an anderen Orten getötet haben.<br />

Es ist schon abenteuerlich genug, dass das Landgericht das<br />

Verhalten der Angeklagten nach dem Strafrecht der DDR als<br />

Anstiftung zum Mord beurteilte.<br />

Denn eine Anstiftung zum Mord (oder auch zum Totschlag<br />

nach bundesdeutschem Recht) setzt voraus, dass der<br />

Anstifter, also die drei Angeklagten, eine bestimmte Person,<br />

die zuvor zu dieser Haupttat noch nicht entschlossen war,<br />

dazu bewegt, einen entsprechenden Tatentschluss zu fassen,<br />

und dass diese Handlung dann auch ausgeführt wird.<br />

Da die relevante Handlung nicht in einer gewöhnlichen<br />

Tötungshandlung bestand, sondern im Erlassen und<br />

350


Erich Buchholz<br />

Weitergeben von Befehlen zur Sicherung der Staatsgrenze<br />

(West) bis herunter zum letzten Grenzsoldaten, hätte also der<br />

Minister für Nationale Verteidigung der DDR bei dem bis<br />

dato insoweit noch völlig „jungfräulichen“ Chef der<br />

Grenztruppen, Herrn Baumgarten, einen Tötungsvorsatz<br />

erzeugt haben müssen.<br />

In anderem Zusammenhang wurde schon dargestellt, dass<br />

diese Konstruktion jedenfalls nach dem Strafrecht der DDR<br />

absolut ausgeschlossen ist.<br />

Der BGH zitiert die weitgehend zutreffenden Überlegungen<br />

des Landgerichts, warum dieses eine mittelbare Täterschaft<br />

ausgeschlossen hatte.<br />

Mittelbare Täterschaft scheide auch hier aus. Insbesondere<br />

komme auch eine in der Lehre bei Verbrechen angenommene<br />

„Willensherrschaft kraft organisatorischen<br />

Machtapparat“ nicht in Betracht. Die DDR sei kein der<br />

Hitler-Diktatur vergleichbarer totalitären Staat gewesen.<br />

Auch hätten die Angeklagten keine Tatherrschaft gehabt. Die<br />

Entscheidung, ob und wie geschossen werden soll, hatte letztlich<br />

der Schütze zu treffen gehabt. Das gelte auch für den<br />

Einsatz der Minen. (UA S. 19/20)<br />

Nach DDR-Recht war nämlich, wie bereits erläutert, die<br />

Annahme einer mittelbaren Täterschaft bei den vorgenannten<br />

drei Angeklagten deshalb ausgeschlossen, weil die betreffenden<br />

Grenzsoldaten in zahlreichen Fällen bereits als Täter<br />

abgestraft worden waren.<br />

Da diese als Täter verurteilt worden waren, war eine mittelbare<br />

Täterschaft deshalb nach DDR-Recht ausgeschlossen,<br />

weil im Falle der mittelbaren Täterschaft der unmittelbar<br />

Handelnde (also der betreffenden Grenzsoldaten) als Tatmittler<br />

insoweit straflos geblieben sein musste.<br />

Indem die bundesdeutsche Strafjustiz die Grenzsoldaten als<br />

351


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Täter verurteilte, hat sie sich bei Beachtung des DDR-Rechts<br />

selbst den Weg verbaut, deren Vorgesetzte als (mittelbare)<br />

Täter zu verurteilten. Jedenfalls war nach DDR-Recht eine<br />

mittelbare Täterschaft absolut ausgeschlossen.<br />

Mit welcher Argumentation gelangt der Bundesgerichtshof<br />

zur Annahme mittelbarer Täterschaft?<br />

Zunächst stellt der Bundesgerichtshof (auf Seite 22 seines vorgenannten<br />

Urteils) fest:<br />

„Die vom Landgericht vorgenommene rechtliche<br />

Bewertung des Verhaltens der Angeklagten nach dem<br />

Recht der DDR trifft zu.“ !!<br />

Soweit der BGH dann auf Seite 22 die Annahme der<br />

Anstiftung nach dem DDR-Recht durch das Landgericht für<br />

richtig hält, zitiert er die betreffenden Stellen aus dem DDR-<br />

Lehrbuch unvollständig; er lässt namentlich geflissentlich aus,<br />

dass der Angestiftete erst auf Grund der Anstiftung dazu<br />

gelangt, sich zur Begehung der Haupttat zu entschließen.<br />

Überhaupt setzt der Bundesgerichtshof sich damit gar nicht<br />

auseinander, dass die Angeklagten ja nicht unmittelbar die<br />

betreffenden Grenzsoldaten „angestiftet“ haben, sondern —<br />

so weit man das überhaupt annehmen könnte — hohe<br />

Vorgesetzte aus dem Bereich der Grenztruppen der DDR.<br />

Der BGH kehrt sich also überhaupt nicht darum, inwieweit<br />

eine so genannte „Befehlskette“ nach dem DDR-Recht auch<br />

eine „Kettenanstiftung“ sein könnte.<br />

Was bringt der BGH zur Begründung seiner Auffassung vor?<br />

Auf Seite 24 seines Urteils lesen wir:<br />

„Die Frage, ob der Hintermann eines uneingeschränkt<br />

schuldhaft handelnden Täters mittelbarer<br />

Täter sein kann, ist umstritten. Der<br />

Gesetzgeber [— der bundesdeutsche! — E.B.] hat die Frage bewusst<br />

offen gelassen und sich auf die<br />

352


Erich Buchholz<br />

Formulierung beschränkt, Täter könne auch sein,<br />

wer die Straftat „durch einen anderen begeht“.<br />

(§25 Abs. 1 StGB).<br />

„Das Schrifttum“ — in der Bundesrepublik — „vermittelt<br />

kein einheitliches Bild. ...Verbreitet<br />

ist die Auffassung, mittelbare Täterschaft<br />

scheide aus, wenn der Tatmittler den Tatbestand,<br />

sei es auch auf Grund eines vom Hintermann verursachten<br />

Motivirrtums, selbst vorsätzlich,<br />

rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht („Verantwortung<br />

ist uns lieb“). Die strafrechtliche<br />

Verantwortung des unmittelbar Handelnden schließe<br />

es von Gesetzes wegen aus, ihn zugleich als<br />

Werkzeug eines anderen anzusehen (Jescheck,<br />

Lehrbuch ...)“ 50<br />

Dann erörtert der 5. Strafsenat auf mehreren Seiten verschiedene<br />

andere bundesdeutsche Auffassungen zur Sache,<br />

auch frühere Entscheidungen des BGH.<br />

Ihn stört offenbar dabei nicht, dass die Handlungen, die den<br />

Angeklagten als Totschlag bzw. Anstiftung zum Totschlag<br />

vorgeworfen werden, unter dem DDR-Recht vorgenommen<br />

worden waren.<br />

Mit einer beispielloser Ignoranz gegenüber dem DDR-Recht<br />

wird hier das bundesdeutsche Recht, auch Schrifttum und<br />

Rechtsprechung, erörtert, obwohl die Rechtslage nach dem<br />

DDR-Recht — im Unterschied zum bundesdeutschen — völlig<br />

eindeutig war und ist:<br />

Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des unmittelbar<br />

Handelnden schließt eine strafrechtliche Verantwortlichkeit<br />

wegen mittelbarer Täterschaft absolut aus.<br />

Auf Seite 29 wird dann zunächst auf den üblichen Kriminalfall<br />

gewöhnlichen Mordes und Totschlags verwiesen, in dem<br />

der „Hintermann i.d.R. keine Tatherrschaft“ habe.<br />

Dann heißt es weiter:<br />

353


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

„Es gibt aber Fallgruppen, bei denen trotz eines<br />

uneingeschränkt verantwortlich handelnden Tatmittlers<br />

der Beitrag des Hintermannes nahezu<br />

automatisch zu der von diesem Hintermann erstrebten<br />

Tatbestandsverwirklichung führt. Solches<br />

kann vorliegen, wenn der Hintermann durch Organisationsstrukturen<br />

bestimmte Rahmenbedingungen<br />

ausnutzt, innerhalb derer sein Tatbeitrag regelhafte<br />

Abläufe auslöst. Derartige Rahmenbedingungen<br />

mit regelhaften Abläufen kommen insbesondere<br />

bei staatlichen, unternehmerischen oder geschäftsähnlichen<br />

Organisationsstrukturen und bei<br />

Befehlshierarchien in Betracht.“ usw.<br />

„Der Hintermann hat in Fällen der hier zu entscheidenden<br />

Art auch den umfassenden Willen zur<br />

Tatherrschaft, wenn er weiß, dass die vom Tatmittler<br />

noch zu treffende, aber durch die Rahmenbedingungen<br />

vorgegebene Entscheidung gegen das<br />

Recht kein Hindernis bei der Verwirklichung des<br />

von ihm gewollten Erfolgs darstellt.<br />

Den Hintermann in solchen Fällen nicht als Täter<br />

zu behandeln, würde dem objektiven Gewicht seines<br />

Tatbeitrages nicht gerecht, zumal häufig die<br />

Verantwortlichkeit mit größerem Abstand vom Tatort<br />

nicht ab —, sondern zunimmt.“ 51<br />

Mit einer derart abstrakten allgemeinen, nicht auf die betreffende<br />

Situation abgestellten Konstruktion (1965!) wird hier<br />

ein Sachverhalt „vergewaltigt“, der ausschließlich dem DDR-<br />

Recht unterfällt.<br />

Der Bundesgerichtshof macht sich nicht die geringste Mühe,<br />

Erwägungen anzustellen, warum juristische Konstruktionen,<br />

die auf dem Hintergrund weniger klarer bundesdeutscher<br />

Vorschriften diskutiert worden sein konnten, auf die völlig<br />

eindeutigen Regelungen nach DDR-Recht angewandt wer-<br />

354


Erich Buchholz<br />

den dürfen.<br />

Das Fehlen jeglicher Erwägungen dahingehend kann schließlich<br />

nur so erklärt werden, dass es dem Bundesgerichtshof<br />

ausschließlich um die politisch motivierte Verfolgung der<br />

Angeklagten um jeden Preis ging.<br />

Besonders perfide ist, dass der Bundesgerichtshof gegen<br />

DDR-Bürger Konstruktionen vom „Hintermann“, „Tatherrschaft“,<br />

„Willen zur Tatherrschaft“, „Täterwillen“<br />

und dergleichen, also Begriffe aus der subjektiven<br />

Teilnahmelehre, verwendet, die in der DDR aus guten<br />

Gründen, namentlich im Interesse der Rechtssicherheit, als<br />

imperialistische, die Gesetzlichkeit zerstörende Konstruktionen<br />

abgelehnt wurden.<br />

Mag man früher in der DDR die Kritik an derartigen<br />

Strafrechtslehren nur als rein akademische angesehen haben<br />

oder angesehen haben wollen, so hat der 5. Strafsenat des<br />

BGH sich in einer besonders markanten Weise als Nutzer<br />

dieser für Gesetzlichkeit und Rechtssicherheit gefährlichen<br />

Konstruktionen erwiesen, die wir früher nicht für möglich<br />

gehalten hatten und die die Richtigkeit unserer damaligen<br />

Auffassungen in einer beispiellosen Weise bestätigen.<br />

Der Bundesgerichtshof hat in Sachen Keßler und anderer mit<br />

der vorgenannten abenteuerlichen Konstruktion der Verurteilung<br />

wegen täterschaftlicher Tötung zugleich den Weg<br />

gewiesen, was später in Sachen Krenz und anderer schon kein<br />

Problem mehr war, auch gegenüber politisch führend verantwortlichen<br />

Personen täterschaftliche Tötung anzunehmen.<br />

Dem gemäß enthält auch das Urteil des 5. Strafsenats vom<br />

8. November 1999 insoweit juristisch nichts „Neues“.<br />

„Nach dem Recht der DDR haben die Angeklagten<br />

sich jeweils der Anstiftung zum Mord... schuldig<br />

gemacht.“ (Genauso wie zuvor in Sachen Keßler und andere,<br />

und dann wird die Konstruktion des Hintermannes<br />

355


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

wiederholt, genauso wie im Falle Keßler und andere.)<br />

Das einzig „Neue“ besteht in folgender Aussage:<br />

„Der in den genannten Beschlüssen des PB und des<br />

NVR den Grenztruppen erteilte ‘Klassenauftrag’<br />

war — auf der Grundlage der bisherigen Praxis zum<br />

Schusswaffengebrauch an der innerdeutschen<br />

Grenze die Anweisung an den gegenüber dem PB und<br />

dem NVR weisungsabhängigen Verteidigungsminister,<br />

den Grenzsoldaten — wie bisher — den Befehl<br />

zum Schusswaffengebrauch zu erteilen. Dadurch<br />

haben die Angeklagten die Grenzsoldaten dazu<br />

bestimmt, auf Flüchtlinge zu schießen.“ 52<br />

Da also trotz jahrelangen Suchens ein Schießbefehl nicht zu<br />

finden war, wurde jetzt der in der DDR gängige und allgegenwärtige<br />

politisch ideologische Terminus „Klassenauftrag“,<br />

also eine Vokabel, die nur ganz allgemein zum Handeln motivieren<br />

sollte, zum Schließbefehl hochstilisiert.<br />

Dabei wird, wie gewöhnlich, völlig außer Betracht gelassen,<br />

dass die Verfassung der DDR einen Artikel 7 kannte, der den<br />

Grenzsoldaten als Verfassungsauftrag auftrug, die Unantastbarkeit<br />

der Grenzen zu gewährleisten.<br />

Auch die Richter des 5. Strafsenats des BGH wissen sehr<br />

genau, dass der „Klassenauftrag“ keine Schusswaffengebrauchsbestimmung<br />

ist und dass er auch nicht einen diesbezüglichen<br />

Befehl zu ersetzen vermag.<br />

Sie wissen auch ganz genau, und zwar aus den verschiedenen<br />

vorangegangenen Strafverfahren gegen Grenzsoldaten, die<br />

im Gefolge einer Revision diesem Gericht vorlagen, dass der<br />

einzelne Grenzsoldat, der in einer bestimmten Situationen<br />

von der Schusswaffe Gebrauch machte, sich nicht an diesem<br />

allgemeinen „Klassenauftrag“ orientierte, sondern an den<br />

Befehlen, die ihm insoweit — wie ein Algorithmus — kon-<br />

356


Erich Buchholz<br />

kretes Handeln in bestimmten Ablaufschritten vorgaben,<br />

nämlich „Anruf“, danach „Warnschuss“ und erst danach<br />

gezielte Schüsse, um fluchtunfähig zu machen.<br />

Einen Befehl zum Erschießen, also einen Tötungsbefehl, gab<br />

es, wie oben bereits festgestellt, zu keiner Zeit.<br />

Das wussten auch die Richter des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofes,<br />

als sie ihre Urteile in Sachen Keßler und in<br />

Sachen Krenz fällten.<br />

Sie entschieden also wider besseres Wissen. Solches ist<br />

gewöhnlich „Rechtsbeugung“.<br />

Es ist nun auf weitere Formen der Verletzung des DDR-<br />

Rechts gegenüber Grenzsoldaten bzw. deren Vorgesetzte und<br />

Mitglieder der militärischen sowie dann auch der politischen<br />

Führung einzugehen.<br />

Ein besonders deutliches Beispiel hierfür ist die Verurteilung<br />

von Mitgliedern des Kollegiums des Ministeriums für<br />

Nationale Verteidigung der DDR.<br />

Die diesem Gremium angehörenden Generale und Stabsoffiziere<br />

haben selbst weder auf Flüchtige an der Grenze<br />

geschossen, noch dahingehende Befehle erteilt.<br />

Dennoch wurden sie verurteilt, und zwar mit Hilfe einer<br />

abenteuerlichen Sachverhaltsverfälschung und abenteuerlicher<br />

juristischer Konstruktionen.<br />

Da der Bundesgerichtshof in diesem Falle die Revisionen der<br />

betreffenden Angeklagten lediglich im Beschlusswege vom<br />

28. Oktober verwarf, werden wir uns insoweit maßgeblich mit<br />

dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Mai 1997 auseinander<br />

zu setzen haben. 53<br />

Da die angeklagten Mitglieder des Kollegiums selbst keine diesbezügliche<br />

Handlung vorgenommen haben, wurden sie wegen<br />

Beihilfe zum Totschlag bzw. zum versuchten Totschlag verurteilt.<br />

357


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Beihilfe war nach dem Recht der DDR eine aktive Tätigkeit<br />

zur Unterstützung des Haupttäters, vorliegend des<br />

„Totschlägers“, der bereits mit der Ausführung der Tat<br />

begonnen haben muss, aber diese noch nicht beendet hatte.<br />

(Eine Beihilfe durch Unterlassen kam nur dann in Betracht,<br />

wenn der Betreffende eine Rechtspflicht zum Handeln bzw.<br />

zum Eingriffen hatte.)<br />

Dergleichen Handlung konnte den Mitgliedern des Kollegiums<br />

nicht nachgewiesen werden.<br />

Was hatten diese Mitglieder dieses Kollegiums denn nun aber<br />

tatsächlich getan?<br />

Nach der Beschreibung in der Anklageschrift und im Urteil<br />

haben sie zum einen zu bestimmten Jahresbefehlen (101, der<br />

für die Grenztruppen der DDR galt) in den betreffenden<br />

Jahren gemäß ihrem Ressort fachbezogene Zuarbeit geleistet<br />

(bzw. leisten lassen), zum anderen haben sie dem gesamten<br />

Entwurf in der betreffenden Beratung des Kollegiums zugestimmt,<br />

zumindest nicht widersprochen.<br />

Wie kann ein solches Handeln Beihilfe zum Totschlag sein?<br />

Diejenige Person, der sie in der vorbeschriebenen Weise eine<br />

„Unterstützung“ gewährten, war der Minister für Nationale<br />

Verteidigung der DDR, der dann auch die betreffenden<br />

Befehle erließ.<br />

Es müsste also, wenn diese Person der Totschläger gewesen<br />

sein soll, der von diesem vorgenommene Erlass der betreffenden<br />

Befehle die Totschlagshandlung gewesen sein!<br />

Auf die „Argumentation“ der bundesdeutschen Justiz, ganz<br />

besonders das 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofes, wie<br />

man den Minister für Nationale Verteidigung der DDR zu<br />

einem Totschläger macht, war bereits oben näher eingegangen<br />

worden.<br />

358


Erich Buchholz<br />

An dieser Stelle soll auf folgendes hingewiesen werden:<br />

Das Kollegium des Ministeriums für Nationale Verteidigung<br />

war ein beratendes Gremium, so wie es bei allen Ministerien<br />

der DDR bestand.<br />

Im Hinblick auf die militärische Einzelleitung änderte dieses<br />

beratende Gremium nichts daran, dass die betreffenden<br />

Befehle vom Minister erlassen wurden.<br />

Die Haltung, Äußerung bzw. Stimmabgabe der einzelnen<br />

Mitglieder des Kollegiums war letztlich für den Erlass der<br />

betreffenden Befehle ohne Belang, zumal diese sich aus<br />

höherrangigen Beschlüssen, so insbesondere den Beschlüssen<br />

des Nationalen Verteidigungsrates (NVR) ergaben.<br />

Der Minister benötigte auch nicht die „psychologische<br />

Unterstützung“ durch die Mitglieder des Kollegiums.<br />

Die von ihm zu erlassenen Befehle beruhten ohnehin auf den<br />

Beschlüssen des Nationalen Verteidigungsrates, dem er verantwortlich<br />

war.<br />

Von hier aus ist schon außerordentlich zweifelhaft, inwieweit<br />

Mitglieder des Kollegiums, selbst wenn sie eine bestimmte<br />

Zuarbeit zu den Entwürfen der Befehle, die im Stab des<br />

Ministeriums vorbereitet wurden, leisteten, eine Beihilfe im<br />

Sinne des Strafrechts haben begehen können.<br />

Vor allem aber ist der Charakter und die Funktion dieser<br />

Jahresbefehle zu beachten, was wir bereits oben dargestellt<br />

haben.<br />

Insbesondere unterschieden sie sich grundlegend von den<br />

Befehlen über den Schusswaffengebrauch.<br />

Das bedeutet, wie bereits dargestellt:<br />

Kein einziger DDR-Grenzsoldat hat jemals auf der Grundlage<br />

dieser Jahresbefehle gehandelt, etwa von der Schusswaffe<br />

gegenüber flüchtigen Personen Gebrauch gemacht.<br />

Diese Jahresbefehle stehen somit in keinem kausalen Zusammenhang<br />

zur Anwendung von Schusswaffen mit Todesfolge.<br />

359


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Das war offenbar auch den Richtern der 35. Strafkammer des<br />

Landgerichts Berlin bewusst, sodass sie sich genötigt sahen,<br />

eine besondere Konstruktion zu entwickeln.<br />

Sie konstruierten eine „Kettenanstiftung“ unter Bezugnahme<br />

auf eine angenommene „Befehlskette“, die in<br />

Folgendem gesehen wurde:<br />

Auf der Grundlage des vorbezeichneten Befehls des Ministers<br />

für Nationale Verteidigung erließ der Chef der<br />

Grenztruppen seinerseits einen entsprechenden Befehl, der<br />

an die Kommandos der Grenztruppen gerichtet war; diese<br />

Kommandeure erließen auf der Grundlage des Befehls des<br />

Chefs der Grenztruppen ihrerseits präzisierte Befehle; auf<br />

der Grundlage dieser Befehle erließen die nachgeordneten<br />

Kommandeure, bis zu den Regimentskommandeuren, ihrerseits<br />

die entsprechenden Befehle für ihre Einheit, für Ihr<br />

Regiment.<br />

Wie bereits erklärt, und was auch das Landgericht Berlin feststellen<br />

musste, waren alle diese Jahresbefehle — auch in der<br />

militärischen Geheimhaltung — niemals zu den einzelnen<br />

Grenzsoldaten gelangt.<br />

Um eine Kausalität bis zu dem letzten Grenzsoldaten herzustellen,<br />

zu konstruieren, musste nun die „Vergatterung“ herhalten.<br />

Es war bereits unter Punkt 3.6 und 4.2.3 ausgeführt worden,<br />

was die 35. Strafkammer trotz Belehrung durch die Verteidigung<br />

nicht begriff, dass eine Vergatterung niemals eine<br />

neue Befehlslage schafft, sondern die bereits hinreichend<br />

belehrten und eingewiesenen Soldaten im Hinblick auf den<br />

konkreten Wach- bzw. Grenzdienst an die bekannten Befehle<br />

erinnerte. (Siehe Seite 295, 326)<br />

Vor allem aber waren die Soldaten zuvor durch die Grundausbildung<br />

im Ausbildungs-Regiment und die fortdauernde<br />

regelmäßige Schulung auf ihre militärischen Pflichten im<br />

Grenzdienst hinreichend hingewiesen worden.<br />

360


Erich Buchholz<br />

Die Vergatterung enthielt also überhaupt keine Neuigkeiten<br />

für die Soldaten, namentlich was die generelle Aufgabe<br />

betraf, „Grenzdurchbrüche“ zu verhindern.<br />

Was nun die Konstruktion der „Kettenanstiftung“ betrifft, so<br />

darf zunächst daran erinnert werden, dass dieser Begriff dem<br />

DDR-Strafrechts fremd war.<br />

Soweit er nichts anderes wiedergeben möchte, als dass es<br />

Fälle geben kann, dass ein Angestifteter seinerseits einen<br />

anderen anstiftet und womöglich dieser wiederum noch einen<br />

weiteren anstiftet, hat dieser Begriff keine eigenständige<br />

Funktion; er beschrieb nichts anderes, als was wir vorstehend<br />

umschrieben haben.<br />

Wenn aber der Begriff der „Kettenanstiftung“ in einer<br />

solchen Weise verstanden werden sollte, dass er den Nachweis<br />

der einzelnen Anstiftungshandlungen ersparen und dazu<br />

verwendet werden soll, um lediglich den ersten Anstifter mit<br />

dem letzten Angestifteten in Verbindung zu bringen, dann<br />

wäre dies eine nach dem DDR-Gesetz unzulässige Verdrehung<br />

durch ein unzulässiges Überspringen der einzelnen<br />

Kettenglieder.<br />

Die 35. Strafkammer des Landgerichts Berlin hat mit dem<br />

Begriff „Kettenanstiftung“ in eben dieser nach den DDR-<br />

Recht unzulässigen Weise „gearbeitet“:<br />

Nach deren „Konzept“ habe der Minister für Nationale<br />

Verteidigung den Chef der Grenztruppen, dieser seine ihm<br />

unterstellten Kommandeure und diese wiederum die ihnen<br />

nachgeordneten Kommandeure — letztlich bis zum letzten<br />

Soldaten — angestiftet, und zwar in der globalen Weise einer<br />

„Kettenanstiftung“.<br />

Jedenfalls nach DDR-Recht hätte der Verlauf der Anstiftung,<br />

wie folgt, aussehen und nachgewiesen werden müssen, wobei<br />

361


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

zunächst daran zu erinnern ist, dass eine Anstiftung nur<br />

gegenüber einer Person ausführbar ist, die zuvor, also vor der<br />

Anstiftung, noch nicht zur Tat entschlossen war und erst<br />

durch die Anstiftung, auf Grund derselben, sich zur Begehung<br />

der betreffenden Straftat entschloss.<br />

Um es im vorliegenden Falle zu illustrieren:<br />

Der Minister für Nationale Verteidigung der DDR müsste<br />

eines Tages dem Chef der Grenztruppen der DDR, der davon<br />

bisher nichts gewusst haben müsste, beigebracht haben, dass<br />

nunmehr künftig auf flüchtige Personen an der Grenze<br />

geschossen werden solle, um einen „Grenzdurchbruch“ zu<br />

verhindern. Da der Chef der Grenztruppen der DDR, wie<br />

durch seine rechtswidrige Verurteilung gerichtsbekannt, aber<br />

schon lange im Grenzdienst war und alle diesbezüglichen<br />

Vorschriften und Befehle kannte, insbesondere den Art. 7 der<br />

Verfassung der DDR, aus der folgte, dass „Grenzdurchbrüche“<br />

zu verhindern sind, war er für jegliche diesbezügliche<br />

Anstiftung durch den Minister für Nationale Verteidigung<br />

völlig ungeeignet; in dieser Hinsicht konnte er von seinem<br />

Minister nicht (mehr) angestiftet werden.<br />

Allein aus diesem Grunde ist die Konstruktion der Kettenanstiftung,<br />

wie sie die 35. Strafkammer des Landgerichts<br />

Berlin praktizierte, nach DDR-Recht völlig ausgeschlossen.<br />

Dasselbe gilt für alle weiteren „Anstiftungen“ nachgeordneter<br />

Kommandeure. Denn sie alle waren schon lange im<br />

Grenzdienst tätig und kannten die einschlägigen Vorschriften<br />

und Befehle; auch sie konnten nicht mehr angestiftet werden.<br />

Gleiches galt im Übrigen auch für die Grenzsoldaten, denn<br />

sie hatten auch zuvor bereits im Ausbildungsregiment und in<br />

den vorangegangenen Schulungen hinreichende Unterrichtung<br />

dahingehend erhalten, dass „Grenzdurchbrüche“ zu verhindern<br />

sind.<br />

362


Erich Buchholz<br />

Schließlich darf auf folgendes hingewiesen werden:<br />

Da eine wirkliche Kausalität zwischen den Handlungen der<br />

angeklagten Mitglieder des Kollegiums (Erbringen von<br />

Zuarbeiten zu dem jeweiligen Jahresbefehl und Teilnahme an<br />

der Beratung des Kollegiums) und den konkreten Fällen des<br />

Schusswaffengebrauches mit Todesfolge bzw. mit Gefahr für<br />

das Leben der betreffenden Grenzverletzer nicht nachzuweisen<br />

und auch nicht nachzuvollziehen war, nahm das Gericht<br />

eine rein zeitliche Zuordnung der Todesfälle an der Grenze<br />

und der betreffenden Jahresbefehle vor.<br />

Das Gericht ordnete nach dem Datum des Ereignisses die<br />

betreffenden Todesfälle den jeweiligen Jahresbefehlen nach<br />

Maßgabe ihrer Geltungsdauer zu.<br />

Mit dieser Methode, die eigentlich als nichts Anderes als eine<br />

„Milchmädchenrechnung“ zu bezeichnen ist, „erspart“ sich<br />

das Gericht den Nachweis des konkreten Kausalzusammenhanges,<br />

wie er nach dem DDR-Recht vorgeschrieben war.<br />

Nachdem die Strafkammer auf 136 Seiten Angaben aus der<br />

Biografie der Angeklagten und allgemeine Darstellung über<br />

die relevanten Vorgänge innerhalb des militärischen Bereichs<br />

sowie die Vorfälle an der Staatsgrenze (West) zusammengestellt<br />

hatte, wird unter IX auf weniger als zehn Seiten die<br />

„rechtliche Würdigung“ abgehandelt (für die Strafzumessungserwägungen<br />

für die vier Verurteilten hatte die Kammer<br />

dann nur noch knappe vier Seiten).<br />

Anstatt sich mit dem vorerwähnten durchaus komplizierten<br />

rechtlichen Fragen auseinander zu setzen, stellte die Strafkammer<br />

auf S. 138 der Urteilsausfertigung lediglich fest:<br />

„Grundlage dieser Tötungshandlungen“ — in den einzelnen<br />

betreffenden Fällen, wie sie im Urteil auf den Seiten<br />

davor beschrieben worden waren, — „war die Befehlskette<br />

101 bis 20, an deren Ende die Vergatterung<br />

stand, in der vor Ort den Grenzsoldaten vor jedem<br />

363


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Einsatz deutlich gemacht wurde, dass Grenzdurchbrüche<br />

in jedem Falle zu verhindern seien.<br />

Dem diese tödliche Kette in Gang setzenden Befehl<br />

101 vorgelagert waren die politischen Vorgaben im<br />

Politbüro und daraus folgend der Beschluss im<br />

Nationalen Verteidigungsrat.“<br />

Diese Aussage stellt natürlich keine rechtliche Würdigung<br />

dar, wie sie ansonsten durchaus in bundesdeutschen Urteilen<br />

zu finden ist, sondern eine sehr summarische Zusammenfassung<br />

der vorstehend gemachten Ausführungen der Kammer.<br />

Dann heißt es weiter — und wir sehen uns veranlasst, aus diesem<br />

Urteil mehrere Passagen zu zitieren, um die juristische<br />

Ungeheuerlichkeit der Verurteilung der Angeklagten anschaulich<br />

zu machen:<br />

„Der dort“ — im Nationalen Verteidigungsrat — „mitwirkende<br />

gesondert abgeurteilte Zeuge Keßler war<br />

als Minister für Nationale Verteidigung nach DDR-<br />

StGB Anstifter, indem er an diesem das Grenzregime<br />

anordnenden Beschluss mitwirkte.“<br />

Es kann dahinstehen, ob die Kammer unter Zeitdruck oder<br />

wegen Ermüdung inzwischen auf Seite 138 ihres Urteils keine<br />

exakten juristischen Ausführungen mehr zu treffen vermochte,<br />

oder was sonst die Ursache für eine derart juristisch laxe<br />

Aussage war:<br />

„Anstifter“ zu sein, „indem er an diesem das<br />

Grenzregime anordnenden Beschluss mitwirkte.“<br />

Die Mitwirkung hätte vielleicht eine Beihilfe sein können,<br />

wenn der Beschluss selbst eine strafbare Handlung dargestellt<br />

hätte.<br />

Bei einer Anstiftung braucht man doch aber immer jemanden,<br />

der angestiftet wurde und die angestiftete Tat auch ausführte.<br />

Dazu weiß die Kammer nichts zu sagen.<br />

364


Erich Buchholz<br />

Dann heißt es weiter:<br />

„Er“ — nämlich der Minister für Nationale Verteidigung der<br />

DDR — „war aber, indem er als Minister für<br />

Nationale Verteidigung sodann den Befehl 101<br />

erließ, erneut nach DDR-Recht Anstifter zu den<br />

Tötungshandlungen.“<br />

Hatte die Kammer zunächst und zuvor nicht auszuführen<br />

vermocht, worin die Anstiftung bestanden haben soll,<br />

„indem er“ — der Zeuge Keßler und Minister für Nationale<br />

Verteidigung — „an diesem das Grenzregime anordnenden<br />

Beschluss mitwirkte“, so wird jetzt wenigstens<br />

behauptet, dieser Minister für Nationale Verteidigung<br />

sei „Anstifter zu den Tötungshandlungen“ gewesen.<br />

Unterstellen wir, dass die betreffenden Grenzsoldaten in den<br />

betreffenden Fällen durch Anwendung der Schusswaffe eine<br />

Tötungshandlung vorgenommen hätten, dann schweigt sich<br />

die Kammer darüber aus, wie der Minister für Nationale<br />

Verteidigung diese zu ihren Tötungshandlungen angestiftet<br />

haben könnte.<br />

Die Kammer erklärt dann:<br />

„In seiner Person“ — der des Ministers für Nationale<br />

Verteidigung — „war dies zwar eine notwendige<br />

Ausführungshandlung und allenfalls eine mitbestrafte<br />

Nachtat, löst jedoch in den Mitbeteiligten,<br />

die in der Person der hier Angeklagten<br />

diesen Befehl bzw. dem Befehlspaket 100 bis 102<br />

zuarbeiteten, die strafbewehrte Förderung der<br />

Haupttat, nämlich die Fassung des Befehls 101,<br />

aus.“<br />

Auch ein Jurist wird diesen Text mehrmals lesen müssen, um<br />

zu erahnen, was damit strafrechtlich ausgesagt werden soll.<br />

365


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Nun bleibt schon offen, was im vorliegenden Kontext eine<br />

„notwendige Ausführungshandlung“ und „mitbestrafte<br />

Nachtat“ gewesen sein soll.<br />

Dann aber soll diese notwendige Ausführungshandlung (ggf.<br />

mitbestrafte Nachtat) „in den Mitbeteiligten… die strafbewehrte<br />

Förderung der Haupttat“ ausgelöst haben.<br />

Immerhin war in dem zuvor zitierten Text die konkrete<br />

Handlung der Angeklagten umschrieben worden, dass sie<br />

nämlich „dem Befehlspaket 100 bis 102 zugearbeitet hätten“;<br />

das war also die Beihilfehandlung der Angeklagten aus der<br />

Sicht der Strafkammer!<br />

Wieso aber die Handlung des Ministers für Nationale<br />

Verteidigung, eine „notwendige Ausführungshandlung“, eine<br />

Beihilfe, nämlich die strafbewehrte Förderung der Haupttat,<br />

ausgelöst haben soll, dürfte auch nach Studium der einschlägigen<br />

Lehrbücher, Kommentare und der Rechtsprechung des<br />

Bundesgerichtshofs nicht zu erschließen sein.<br />

Jedenfalls soll nach dieser Darlegung der 35. Großen Strafkammer<br />

„die Fassung des Befehls 101“ die Haupttat gewesen<br />

sein!!<br />

Nach dem Urteilstenor soll die Haupttat, zu der die Angeklagten<br />

Beihilfe geleistet haben sollen,Totschlag gewesen sein.<br />

Nun erfahren wir aus den Urteilsgründen auf Seite 138, dass<br />

die Haupttat (zu der von den angeklagten Generalen Beihilfe<br />

geleistet worden sein soll) „die Fassung des Befehls 101“ war.<br />

Was gilt denn nun?<br />

Wie diese Jahresbefehle 101 die Tötung von Menschen<br />

verursachten, bleibt das Geheimnis der Mitglieder dieser<br />

Strafkammer.<br />

Ganz im Sinne dieser geheimnisvollen Darlegungen schließt<br />

die Kammer den maßgeblichen Abschnitt auf Seite 138 mit<br />

folgenden Worten:<br />

„Es ist daher für die strafrechtliche Beurteilung<br />

366


Erich Buchholz<br />

der Handlung der Angeklagten ohne Bedeutung, ob<br />

der Zeuge Keßler bzw. sein Vorgänger der verstorbene<br />

Heinz Hoffmann, juristisch als Anstifter<br />

oder — nach bundesdeutschen Recht — als<br />

mittelbarer Täter der vollendeten oder versuchten<br />

Tötungshandlung anzusehen ist.“<br />

Für diese Strafkammer eines Rechtsstaates ist es also ohne<br />

Bedeutung, somit gleichgültig, ob jemand juristisch Anstifter<br />

oder Täter sei!<br />

Vielleicht wollte die Kammer eigentlich noch etwas ganz<br />

anderes ausdrücken:<br />

Für uns ist es ohne Bedeutung, wie etwas juristisch beurteilt<br />

wird; für uns ist nur wichtig, dass wir die Angeklagten verurteilen!<br />

Für die juristische „Großzügigkeit“, mit der die Strafkammer<br />

vorliegend vorging, ist auch illustrativ, dass sie „eine Aufspaltung<br />

des Verhaltens der Angeklagten zwischen<br />

der Mitwirkung an der Tötung durch Minen einerseits<br />

und derjenigen am tödlichen Schusswaffeneinsatz<br />

andererseits“ nicht vornahm.<br />

„Die Kammer verkennt“ jedoch „nicht, dass es einen<br />

Unterschied zwischen dem Einsatz eines Pioniers,<br />

der eine Mine installiert, die später ohne erneute<br />

Willensbetätigung eines Grenzsoldaten explodiert,<br />

und dem eines Grenzsoldaten, der selbst zu<br />

entscheiden hat, ob er die Schusswaffe auf ein<br />

Flüchtling richtet, gibt.“ (S. 139)<br />

Dies konnte die Kammer — auch auf Grund der Plädoyers<br />

der Verteidigung — nicht übersehen; aber rechtlich sei dies<br />

ohne Bedeutung. Denn, heißt es weiter:<br />

„Dieser Unterschied führt jedoch nicht zu einer<br />

abweichenden rechtlichen Bewertung der Einzelfälle.“<br />

367


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Also negiert die Kammer die soeben zutreffend gekennzeichneten<br />

Unterschiede zwischen Tötung durch Minen oder<br />

durch ausdrücklichen Schusswaffengebrauch.<br />

Gewissermaßen zur Entschuldigung vor sich selbst schreibt<br />

die Kammer im Urteil dann weiter:<br />

„Es spielte — auch aus Sicht der Angeklagten —<br />

keine entscheidende Rolle, welches der unter<br />

ihrer Mitwirkung eingesetzten Mittel letztlich<br />

wirksam wurde.“<br />

Soweit die Kammer dann noch auf Seite 139, 140, 141 dartut,<br />

dass den Angeklagten kein Rechtfertigungsgrund zur Seite<br />

stand, so findet sich hier kaum etwas Neues. Das gilt auch für<br />

die „Anmerkung zum Verbotsirrtum“ und zu der Bemerkung,<br />

dass die angeklagten Generale nur den bestehenden<br />

Zustand fortgeschrieben hätten.<br />

Da die Verteidigung ausgeführt hatte, dass die Grenzverletzer<br />

sich ganz bewusst in Lebensgefahr begeben und dadurch<br />

ihren eigenen Tod zumindest in Kauf genommen hatten, sah<br />

sich die Kammer veranlasst, sich dazu zu äußern.<br />

Auch insoweit tritt die perfide Ideenwelt der Mitglieder der<br />

Strafkammer deutlichen in Erscheinung.<br />

Im Urteil heißt es:<br />

„Dieser Gedanke“ — es handelte sich nicht um einen<br />

Gedanken, sondern um eine unstreitige Tatsache! — „wäre<br />

allenfalls dann weiter zu verfolgen, wenn die<br />

Angeklagten im Vertrauen auf die abschreckende<br />

Wirkung des Grenzregimes fest davon ausgehen<br />

durften, dass es niemand wagen würde, sich der<br />

angedrohten Gefahr auszusetzen und sie als Zweck<br />

der Minen und bewaffneten Grenzsoldaten ausschließlich<br />

die Warnfunktion und nicht den tatsächlichen<br />

Einsatz angesehen hätten.“<br />

368


Erich Buchholz<br />

Obzwar seitens der DDR-Behörden, auch der Grenztruppen<br />

der DDR, alles in ihrer Macht liegende getan worden war, um<br />

potenzielle Grenzverletzer hinreichend zu warnen, haben<br />

sich eine ganze Reihe von Personen unter dem Einfluss westlicher<br />

Medien davon nicht abschrecken lassen und sich dennoch<br />

bewusst der Gefahr ausgesetzt.<br />

Dass hierfür seitens der Bundesrepublik Maßgebliches getan<br />

worden war, will die Kammer nicht wissen.<br />

Letztlich bleibt:<br />

Auch die Tatsache, dass die betreffenden Grenzverletzer in<br />

beispielloser Selbstgefährdung alle Warnungen in den Wind<br />

schlugen, also eine Tatsache, auf die die Angeklagten nun<br />

wahrlich keinen Einfluss hatten, wird ihnen angelastet.<br />

Der unbedingte Verfolgungs- und Bestrafungswille der<br />

Kammer lässt kein Argument gelten.<br />

Ganz in diesem Sinne heißt es dann auf der S. 141 auch:<br />

„Die Schuld der Sowjetunion und ihrer Machthaber“<br />

— welche Anmaßung eines Landgerichts der Bundesrepublik<br />

gegenüber einem Staat, der als Mitglied der Anti-Hitler<br />

Koalition das deutsche Volk von Hitlerfaschismus befreit<br />

hatte! — „ist somit nicht geeignet, die Taten der<br />

Haupttäter und die Beihilfehandlung dieser Angeklagten<br />

zu entschuldigen bzw. zu rechtfertigen.“<br />

Später (auf S. 143) wird wiederum so lapidar festgestellt:<br />

„Die Angeklagten wussten ..., dass die Tötung von<br />

Flüchtlingen an der Grenze Unrecht war Sie haben<br />

das Staatsinteresse in eigenmächtiger<br />

Entscheidung“ — welche solche „eigenmächtige Entscheidung“<br />

sollen sie denn wo und wann getroffen haben? —<br />

„über das Rechtsgut des Lebens des einzelnen<br />

Bürgers gestellt.“<br />

Die Kammer hat schon wieder vergessen, dass die betreffenden<br />

Grenzverletzer durch eigene, „eigenmächtige“ Entscheidung<br />

sich in Lebensgefahr begeben hatten.<br />

369


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Dann doziert die Kammer über das DDR-Recht:<br />

„Einen solchen Vorrang“ — nämlich das Staatsinteresse<br />

über das Rechtsgut des Lebens — „kannte auch das<br />

Strafgesetzbuch der DDR trotz der Betonung der<br />

staatlichen und gesellschaftlichen Interessen<br />

nicht.“<br />

Nachhilfeunterricht für die Mitglieder der 35. Strafkammer<br />

des Landgerichts Berlin ist offenbar geboten.<br />

Es soll genügen, auf die Notwehrbestimmung, auf den §17<br />

Abs. 1 StGB/DDR zu verweisen, nach der im gesamtgesellschaftlichen<br />

Interesse Notwehr gegenüber einem rechtswidrigen<br />

Angriff eines Individuums gerechtfertigt ist.<br />

In Bezug auf das Strafgesetzbuch der DDR wird dann weiter<br />

ausgeführt (als wenn die Kammer darüber besser Bescheid<br />

wüsste als diejenigen Strafverteidiger, die in der DDR das<br />

DDR-Recht studiert und angewandt hatten):<br />

„Es“ — das Strafgesetzbuch der DDR — „ist auch nicht<br />

etwa dermaßen unklar gefasst,“ — bisher hatten<br />

bundesdeutsche Richter immer etwas anderes gesagt und die<br />

Unschärfe und Unklarheit der DDR-Straftatbestände gerügt<br />

— „dass der Eindruck der Nachrangigkeit des<br />

Rechtsgutes des Lebens des einzelnen Bürgers entstehen<br />

konnte. Vielmehr ist die herausragende<br />

Stellung dieses Rechtsgutes allgemein bekannt.“<br />

Auch wenn das Rechtsgut des Lebens einen hohen Rang hat<br />

— und dies wohl in den meisten Rechtsordnungen ausdrücklich<br />

anerkannt ist. — sehen alle Rechtsordnungen Fälle und<br />

Regelungen vor, die ausnahmsweise auch die Gefährdung<br />

des Lebens eines Menschen für rechtmäßig halten — von der<br />

Beibehaltung der Todesstrafe in vielen Ländern, auch den die<br />

Menschenrechte ständig im Munde führenden USA, ganz<br />

abgesehen.<br />

370


Erich Buchholz<br />

Es wird erkennbar:<br />

Nur mit außerordentlichen und abenteuerlichen Konstruktionen<br />

konnte der unbedingte Verfolgungs- und Verurteilungswille<br />

der 35. Großen Strafkammer des Landgerichts<br />

Berlin in den Urteilsgründen etwas kaschiert werden.<br />

Substanziell stellt gerade dieses Urteil ein in besonderem<br />

Maße rechtswidriges Urteil, also ein Unrechtsurteil dar.<br />

In einem zweiten Politbüroprozess hatte die 32. Große Strafkammer<br />

des Landgerichts Berlin am 07. Juli 2002 die Angeklagten<br />

freigesprochen.<br />

Den Angeklagten war vorgeworfen worden, es als Mitglieder<br />

des Politbüros des ZK der SED in der zweiten Hälfte der<br />

80er Jahre — der eine Angeklagte war nur anderthalb Jahre<br />

Mitglied dieses Politbüros — unterlassen zu haben, auf eine<br />

„Humanisierung des Grenzsystems“ namentlich auf die<br />

Einhaltung des Grenzgesetzes, hingewirkt zu haben.<br />

Dieses freisprechende, „weise Urteil“ wie Rechtsanwalt Dr.<br />

Friedrich Wolff es nannte, wurde durch die Revisionen der<br />

Staatsanwaltschaft und der Nebenklage angegriffen.<br />

Am 6. November 2002 hob der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs<br />

— wie zu erwarten — das freisprechende Urteil<br />

auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und<br />

Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts<br />

zurück.<br />

Die dem Freispruch zu Grunde liegende Rechtsansicht des<br />

Landgerichts, dass es nach dem Recht der DDR an dem von<br />

diesem geforderten Kausalzusammenhang gefehlt habe, halte<br />

sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand, meint der 5.<br />

Strafsenat des BGH.<br />

371


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Mit welcher Begründung hob der 5. Strafsenat des BGH das<br />

freisprechende Urteil auf?<br />

Der erste Satz der diesbezüglichen Begründung<br />

lautet: „Auszugehen ist von der Rechtsprechung<br />

des Bundesgerichtshofes. ...“ (S. 6 UA)<br />

Erklärtermaßen geht der Bundesgerichtshof also nicht vom<br />

Einigungsvertrag und den dort festgelegten Regelungen aus.<br />

Denn nach diesen hätte zunächst geprüft werden müssen, ob<br />

überhaupt nach DDR-Recht eine strafbare Handlung vorlag. 54<br />

Wenn der 5. Strafsenat seine Begründung für die Aufhebung<br />

des freisprechenden Urteils damit beginnt, dass er von der<br />

Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausgeht, dann kann<br />

dies auch so verstanden werden, dass der 5. Strafsenat — wie<br />

in den Medien schon bemerkt — zum „Gefangenen seiner<br />

eigenen Rechtsprechung“ wurde.<br />

Von einem rechtsfehlerhaften Ausgangspunkt her meint der<br />

BGH, hätten sich die Angeklagten nach DDR-Recht einer<br />

Beihilfe zum Mord durch Unterlassen und nach dem Recht<br />

der Bundesrepublik eines Totschlags durch Unterlassen in<br />

mittelbarer Täterschaft schuldig gemacht.<br />

Das ist unzutreffend.<br />

Zwar wird vom BGH zutreffend eingeräumt, dass nach<br />

DDR-Recht sowohl mittelbare Täterschaft wie auch Mittäterschaft<br />

und Anstiftung ausgeschlossen seien. Aber durch<br />

Unterlassung begangene Beihilfe zum Mord läge vor.<br />

Der BGH meint, die Angeklagten hätten „durch ihr Unterlassungsverhalten<br />

Beihilfe zu den Mordtaten der Schützen“<br />

geleistet.<br />

Der BGH bezieht sich zur Begründung dessen auf §9<br />

StGB/DDR, welcher die strafrechtlich relevanten Pflichten,<br />

namentlich auch die Pflichten zum Handeln definiert.<br />

372


Erich Buchholz<br />

Ausgehend von dieser Vorschrift hätten die bundesdeutschen<br />

Gerichte als erstes die spezifische den vorliegenden Fall<br />

betreffende Rechtspflicht aus Art. 7 der Verfassung der DDR<br />

abgeleitet haben müssen.<br />

Dieser Art. 7 enthält den besonders an die Grenztruppen der<br />

DDR adressierten Verfassungsauftrag, die Integrität und Unverletzlichkeit<br />

der Staatsgrenze der DDR zu gewährleisten.<br />

Aber nach wie vor kennt der Bundesgerichtshof diesen Art. 7<br />

nicht oder will ihn nicht kennen — er passt nicht in das politische<br />

Konzept und zu dem unbändigen Verfolgungswillen<br />

der bundesdeutschen Strafjustiz.<br />

Der BGH wiederholt in diesem Zusammenhang seine alte<br />

sachlich und rechtlich völlig falsche Behauptung, dass die<br />

betreffenden Fluchtwilligen lediglich „unbewaffnet aus<br />

der DDR oder Berlin (Ost) in den westlichen Teil<br />

Deutschlands gelangen“ wollten.<br />

Geflissentlich wird dabei übersehen, dass es sich bei einem<br />

ungesetzlichen Überschreiten der Staatsgrenze der DDR zur<br />

Bundesrepublik bzw. zu Westberlin nach §213 StGB/DDR,<br />

also nach dem von der Volkskammer der DDR beschlossenen<br />

Strafgesetzbuch, um eine Straftat handelt, und nicht um<br />

irgend einen Spaziergang.<br />

Wenn der BGH in diesem Zusammenhang das Politbüro als<br />

das höchste Machtorgane der DDR bezeichnet, so muss ihm<br />

Nachhilfeunterricht über das Verfassungsrecht der DDR<br />

erteilt werden.<br />

Nach Art. 48 der Verfassung der DDR war die Volkskammer<br />

das oberste staatliche Machtorgan der DDR. Im übrigen<br />

heißt es im Art. 2 dieser Verfassung: „Alle politische<br />

Macht in der DDR wird von den Werktätigen in<br />

Stadt und Land ausgeübt.“<br />

373


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Der BGH bezieht sich auf Art. 1 und 30 der Verfassung der<br />

DDR.Wieso sich aus diesen Verfassungsartikeln ergeben soll,<br />

dass ausgerechnet die Mitglieder des Politbüros dafür zu sorgen<br />

hätten, dass Grenzverletzer die Straftat des ungesetzlichen<br />

Grenzübertritts ungeschoren sollen ausführen können,<br />

ist nicht ersichtlich.<br />

Ebenso wenig ist daraus ableitbar, dass ihnen eine Rechtspflicht<br />

oblegen haben soll, auf die Vermeidung von Tötungen<br />

von Fluchtwilligen und auf eine „Humanisierung“ des Grenzregimes<br />

hinzuwirken.<br />

Natürlich passt auch nicht in das Konzept des Bundesgerichtshofes,<br />

dass die DDR ihrerseits im Sinne der allgemeinen<br />

Kriminalitätsvorbeugung alles unternahm, dass es gar<br />

nicht erst zu ungesetzlichen Grenzübertritten kommt. Der<br />

BGH weiß dem gemäß auch nicht, dass im Regelfall erwähnte<br />

Fluchtwillige bereits im Vorfeld oder sonst frühzeitig an<br />

der Begehung der Straftat des ungesetzlichen Grenzübertritts<br />

gehindert wurden.<br />

Vor allem aber negiert der BGH, dass es die Fluchtwilligen<br />

selbst in der Hand hatten, ob sie nach Anruf und Warnschuss<br />

ihr riskantes Unternehmen der Gefährdung ihrer Gesundheit<br />

und ihres Lebens fortsetzten oder durch Abbruch der Begehung<br />

der Straftat ihr Leben und ihre Gesundheit retteten.<br />

Schon im Tatsächlichen werden die Dinge auf den Kopf<br />

gestellt.<br />

Wie auch in allen früheren Entscheidungen kennt der BGH<br />

auch die Notwehr-Vorschrift des §17 StGB/DDR nicht.<br />

Diese Vorschrift berechtigt nämlich, bei einem gegenwärtigen<br />

rechtswidrigen Angriff gegen die sozialistische Staats und<br />

Gesellschaftsordnung — den ein Grenzdurchbruch darstellt<br />

— diesen in einer der Gefährlichkeit angemessenen Weise<br />

abzuwehren. Dabei gaben die Vorschriften des §27 Grenzgesetz<br />

der DDR dafür eine eindeutige Rechtsgrundlage<br />

374


Aber auch §27 Grenzgesetz der DDR kommt in der<br />

Entscheidung nicht vor, obwohl diesem Strafsenat durchaus<br />

bewusst ist, dass das Politbüro des ZK der SED, das er — irrig<br />

— für das höchste Machtorgan der DDR hält, gerade auch<br />

diesem Grenzgesetz und der dort enthaltenen Schusswaffengebrauchsbestimmung<br />

vor der Verabschiedung durch die<br />

Volkskammer seine Zustimmung erteilt hatte.<br />

Offenbar stört auch diese Vorschrift des §27 Grenzgesetz der<br />

DDR das auf Strafverfolgung um jeden Preis gerichtete<br />

Konzept des BGH — vielleicht deshalb, weil das BVerfG<br />

bescheinigte, dass diese Vorschrift nicht zu beanstanden ist,<br />

da sie im Wortlaut vergleichbaren bundesdeutschen Vorschriften<br />

entspricht.<br />

Auffällig ist wiederum der selektive Umgang mit dem Recht<br />

der DDR.<br />

Vorschriften, aus denen der BGH strafrechtliche Verantwortlichkeit<br />

von Angeklagten meint ableiten zu können,<br />

werden angezogen. Andere Vorschriften, die dieser politischen<br />

Absicht der Strafverfolgung zuwiderlaufen, werden<br />

nach wie vor hartnäckig beiseite gelassen. Dem BGH passt<br />

es nicht in das Konzept, dass nach der Rechtsordnung der<br />

DDR auch die Mitglieder des Politbüros die Rechtspflicht<br />

hatten, in erster Linie den Frieden zu sichern und den friedlichen<br />

Aufbau in der DDR zu schützen (Siehe Art. 6 und 8 der<br />

Verfassung der DDR).<br />

Erich Buchholz<br />

Auch in allen andern Ländern, nicht minder in der Bundesrepublik,<br />

steht der Schutz des Lebens von Menschen immer<br />

im Kontext mit vielen anderen Verpflichtungen. Auch die<br />

Rechtsordnung der Bundesrepublik kennt die erlaubte<br />

Tötung, z.B. in Fällen von Notwehr. Solches passt aber nicht<br />

in das Konzept des BGH.<br />

375


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Da der BGH auch Abwägungen möglicher Pflichten in Betracht<br />

zieht, hätte er insoweit die eindeutige Vorschrift des §20<br />

StGB/DDR heranziehen müssen. Aber diese kennt er nicht.<br />

Wie auch in anderen Entscheidungen, stützt der BGH sein<br />

Ergebnis auch auf internationale Konventionen, so den<br />

Internationalen Pakt über Bürgerrechte und politische<br />

Rechte, insbesondere Art. 6 (Schutz des Lebens), sowie die<br />

rechtlich unverbindliche Allgemeine Erklärung der Menschenrechte<br />

von 1948.<br />

Der BGH weiß zwar, dass die völkerrechtliche Verpflichtung<br />

des Staates DDR noch nicht die Transformation betreffender<br />

Bestimmungen in das innerstaatliche Recht der DDR<br />

umschließt, aber gleichwohl wird diese völkerrechtliche<br />

Vorschrift zur Begründung einer Handlungspflicht im Sinne<br />

des §9 StGB/DDR herangezogen.<br />

Weitere Begründungen verlaufen sich im Unklaren.<br />

Dann aber wird, wie in den Strafurteilen des BGH gegen<br />

Keßler und Krenz, entgegen der eindeutigen klaren Bestimmung<br />

des §22 StGB/DDR nach den Konstruktionen der dem<br />

Recht der DDR fremden subjektiven Teilnahmelehre mittelbare<br />

Täterschaft angenommen.<br />

Die Angeklagten hätten „Organisationsherrschaft“ besessen.<br />

Deshalb seien sie (mittelbare) Täter einer Tötungshandlung.<br />

Im übrigen wird das wiederholt, was in den vorgenannten<br />

beiden Verfahren konstruiert worden war.<br />

Da vorliegend eine Beihilfe durch Unterlassen angenommen<br />

wird, muss die Herbeiführung des Todes der betreffenden<br />

Flüchtlinge eine durch Kausalität begründete Folge dieses<br />

Unterlassens sein.<br />

Um dies zu bejahen, vermeidet der BGH, das DDR-Recht<br />

heranzuziehen. Er spricht von „hypothetischer Kausalität“<br />

und von einem „quasi-kausalen“ Zusammenhang, wobei er<br />

376


Erich Buchholz<br />

sich auf die in der DDR abgelehnte Bedingungstheorie bzw.<br />

Äquivalenztheorie stützt.<br />

Danach sei „ein Unterlassen dann mit dem Erfolg<br />

als quasi-ursächlich in Zurechnungsverbindung zu<br />

setzen, wenn dieser beim Hinzudenken der gebotenen<br />

Handlung entfiele.“ (S. 21 UA)<br />

Ebenso wird mit einer dem DDR-Recht aus gutem Grund<br />

unbekannten „Garantenstellung“ operiert.<br />

Im vorliegenden Fall ist besonders wichtig, dass es nach<br />

Ansicht des BGH ohne Bedeutung bleibe, „dass jeder der<br />

Angeklagten möglicherweise im Politbüro mit der<br />

ihm gebotenen Initiative an einer entgegenstehenden<br />

Mehrheit gescheitert wäre.“ (S. 22 UA)<br />

Dieser ganzen dem DDR-Recht fremden juristischen Gedankenkonstruktion<br />

entspricht es dann auch, wenn der BGH<br />

meint, „das Unterlassungsverhalten der Angeklagten“<br />

entspreche „im Rahmen des Wertungsvergleichs,<br />

den die Vorschrift des §13 Abs. 1 StGB“ — des<br />

bundesdeutschen — „gebietet, einer aktiven vorsätzlichen<br />

Tötung.“<br />

Eine andere große Strafkammer des Landgerichts Berlin<br />

wird nun die Angeklagten nach den insoweit verbindlichen<br />

Vorgaben des Bundesgerichtshofs zu verurteilen haben.<br />

Allerdings bedürfe es — meint der BGH — aus verschiedenen<br />

Gründen keiner sehr erheblichen Strafe. Insbesondere<br />

bei dem Angeklagten Häber käme die gesetzlich zulässige<br />

mildeste Strafe in Betracht.<br />

377


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

6. Die Rechtskonstruktion zur Strafverfolgung<br />

von Richtern und Staatsanwälten der DDR<br />

wegen Rechtsbeugung<br />

6.1 Auch bei diesem Gegenstand erscheint es angezeigt, die<br />

einschlägige Rechtslage in der DDR voranzustellen, weil nur<br />

sie für die (straf-)rechtliche Beurteilung entsprechender<br />

Handlungen von DDR-Richtern und -Staatsanwälten maßgeblich<br />

ist.<br />

In der DDR war die Straftat der Rechtsbeugung in §244<br />

StGB/DDR geregelt.<br />

Die Tathandlung bestand in der wissentlich gesetzwidrigen<br />

Entscheidung eines Richters, Staatsanwalts oder Untersuchungsführers<br />

zugunsten oder zuungunsten eines Verfahrensbeteiligten,<br />

wobei eine Verfolgung eines Untersuchungsführers<br />

wegen Rechtsbeugung nach bundesdeutschem Recht<br />

ausgeschlossen und daher eine Erörterung dieser Frage vorliegend<br />

gegenstandslos ist.<br />

Es war also die wissentlich vorgenommene gesetzwidrige<br />

Entscheidung, die die Rechtsbeugung ausmachte.<br />

Diese Vorschrift zeichnet sich — im Unterschied zur traditionellen<br />

und bundesdeutschen Strafbestimmung (§336 bzw<br />

jetzt §339 StGB) — durch eine bemerkenswerte Eindeutigkeit<br />

und Klarheit aus. Sie ist einfach zu handhaben.<br />

Zu prüfen ist nach dieser Vorschrift<br />

• ob der betreffende Richter oder Staatsanwalt eine<br />

Entscheidung traf (ein Richter in Gestalt eines Urteils oder<br />

eines Beschlusses);<br />

• ob diese Entscheidung das geschriebene Gesetz der DDR<br />

verletzte;<br />

• (in der DDR war aus gutem Grunde, insbesondere aus<br />

Gründen der Rechtssicherheit, auf das geschriebene Gesetz<br />

abgestellt, siehe Art. 89 der Verfassung der DDR);<br />

378


Erich Buchholz<br />

• ob der betreffende Richter beziehungsweise Staatsanwalt sich<br />

vor oder bei Vornahme dieser (gesetzwidrigen) Entscheidung<br />

dessen voll bewusst war, dass seine Entscheidung das Gesetz<br />

verletzen würde, und er sich dennoch, im Wissen um diese<br />

Gesetzwidrigkeit zur Vornahme der betreffenden Entscheidung<br />

entschließt, sich also dazu entschließt, die von ihm<br />

beabsichtigte und als gesetzwidrig erkannte Entscheidung<br />

gegen das Gesetz gleichwohl zu fällen.<br />

Angesichts dieser eindeutigen und klaren Gesetzeslage war<br />

davon auszugehen und wohl auch für die bundesdeutsche<br />

Justiz absehbar, dass kein Richter oder Staatsanwalt der<br />

DDR einer Rechtsbeugung überführt werden könnte, weil sich<br />

diese durchaus an die Gesetze ihres Staates gehalten hatten.<br />

Namentlich dürfte den bundesdeutschen Justizbehörden alsbald<br />

klar geworden sein, dass sich eine derartige wissentlich<br />

vorgenommene gesetzwidrige Entscheidung nicht in justizförmiger<br />

Weise erweisen lassen würde, sodass sich also bei<br />

Beachtung der Rechtslage des DDR-Rechts durch die<br />

Rechtsbeugungsverfahren nicht beweisen lassen wird, dass<br />

die DDR ein „Unrechtsstaat“ war.<br />

Deshalb war man genötigt, besondere (juristische) Konstruktionen<br />

zu entwickeln, um die politisch erwünschte Verurteilung<br />

von DDR-Richtern und -Staatsanwälten zu erreichen.<br />

6.2 Auch für diesen anderen bedeutsamen Komplex der<br />

Strafverfolgung von DDR-Hoheitsträgern, den Komplex der<br />

Rechtsbeugung, wurde durch ein Urteil des 5. Strafsenats des<br />

Bundesgerichtshofes vom 13. Dezember 1993 die „Linie“, die<br />

„Orientierung“ vorgegeben. 55<br />

In der ersten Instanz waren ein Richter des Stadtgerichts<br />

Berlin und eine Richterin eines Stadtbezirksgerichts in Berlin<br />

— beide auf dem Gebiete des Arbeitsrechts tätig — von der<br />

379


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Anklage der Rechtsbeugung freigesprochen worden.<br />

Die gegen den Freispruch eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft<br />

wurde vom BGH verworfen.<br />

Das Auffällige und Bemerkenswerte an dieser Entscheidung<br />

des Bundesgerichtshofs besteht darin, dass er in ihr maßgebliche<br />

Grundsätze und Grundlinien für die künftige Verfolgung<br />

von Richtern und Staatsanwälten der DDR wegen<br />

Rechtsbeugung entwickelte, also — völlig ungewöhnlich —<br />

über den Einzelfall hinaus eine orientierende Grundsatzentscheidung<br />

für eine Vielzahl von zu erwartenden Strafverfahren<br />

traf, somit für die strafrechtliche Beurteilung in solchen<br />

Verfahren verbindliche Vorgaben aufstellte.<br />

Wer die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der<br />

Oberlandesgerichte in Revisionsverfahren kennt, dem fällt<br />

auf, dass insoweit in diesem Falle eine völlig andere Praxis<br />

geübt wird.<br />

6.3 Zutreffend erkennt der 5. Strafsenat zunächst, dass<br />

„eine Strafbarkeit der Richter... voraus (setzt),<br />

dass diese sich nach §244 StGB/DDR strafbar<br />

gemacht haben und dass ihr Verhalten auch nach<br />

§336 StGB strafbar ist.“<br />

Es wird auch zutreffend hervorgehoben, dass §244<br />

StGB/DDR verlangt, dass der Richter „gesetzwidrig zu<br />

Gunsten oder zu Ungunsten eines Beteiligten“ entschieden<br />

hat. „Prüfungsmaßstab für die Frage der<br />

Gesetzwidrigkeit ist das Recht der DDR.“<br />

So weit so gut.<br />

Es wird dann die Problematik der Unrechtskontinuität zwischen<br />

den beiden Rechtsbeugungstatbeständen erörtert.<br />

Dabei spielt der „tiefgreifende Unterschied zwischen der<br />

Justiz der Deutschen Demokratischen Republik und der<br />

Bundesrepublik Deutschland“ eine wesentliche Rolle.<br />

„Trotz dieser“ — im vorstehenden Teil des Urteils ausge-<br />

380


Erich Buchholz<br />

führten — „tiefgreifenden Unterschiede sind die<br />

mit dem Rechtsbeugungstatbestand geschützten<br />

Rechtsgüter in der Bundesrepublik Deutschland<br />

und in der Deutschen Demokratischen Republik<br />

nicht derart ungleich, dass eine Anwendung des<br />

§336 StGB auszuscheiden hätte.“<br />

Und man höre:<br />

„Die Rechtsprechung“ in der DDR diente „unabhängig<br />

von diesem politischen Bezug auch dazu ..., ein<br />

geordnetes Zusammenleben der Menschen zu regeln.“<br />

In Übereinstimmung mit dem Regelungszweck und Inhalt<br />

des Einigungsvertrages sei davon auszugehen, „dass in der<br />

DDR gesetzte richterliche Akte grundsätzlich<br />

wirksam bleiben (Art. 8 des Einigungsvertrages).“<br />

Mithin stehe<br />

„hiernach das durch den Einigungsvertrag<br />

bestimmte Rechtsanwendungsrecht (Art. 315 Abs. 1 EGStGB<br />

idF. des Einigungsvertrages i.V. mit §2 Abs. 1,3 StGB) der<br />

Anwendung des Rechtsbeugungstatbestandes“ —<br />

gemeint ist der bundesdeutsche — „nicht entgegen.“ 56<br />

Dann wird erklärt, dass „einschränkend“ (!) „das Folgende<br />

zu berücksichtigen“ sei:<br />

„Im Hinblick auf Handlungen, die in der Bundesrepublik<br />

Deutschland vorgenommen worden sind“ (!),<br />

„hat der Bundesgerichtshof betont, dass §336 StGB<br />

nicht schlechthin jede unrichtige Rechtsanwendung,<br />

sondern nur die Beugung des Rechts treffe.“ 57<br />

Der Ausgangspunkt der Überlegungen des Senats zur Strafbarkeit<br />

von DDR-Richtern wegen Rechtsbeugung ist somit<br />

erklärtermaßen nicht das Recht der DDR, sondern das Recht<br />

der Bundesrepublik und die darauf bezogene Rechtsprechung!<br />

381


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Weiterhin sei, sowohl<br />

„bei der Prüfung des objektiven Tatbestandes, im<br />

übrigen im Hinblick auf die innere Tatseite zu<br />

berücksichtigen, dass es um die Beurteilung von<br />

Handlungen geht, die in einem anderen Rechtssystem<br />

vorgenommen worden sind. Die besonderen<br />

Züge dieses Rechtssystem sind bei der Prüfung der<br />

Frage, ob die Handlung gesetzwidrig i.S. des<br />

§§244 StGB/DDR gewesen ist bzw. i.S. des §§336<br />

StGB das Recht gebeugt hat, zu beachten.“<br />

Zutreffend erklärt der Senat weiter:<br />

„An einer Gesetzwidrigkeit i.S. des §244 StGB/DDR<br />

hat es grundsätzlich gefehlt, wenn die Handlung<br />

des Richters vom Wortlaut des Rechts der DDR<br />

gedeckt war. Das gilt grundsätzlich auch, soweit<br />

der Wortlaut des Gesetzes wegen seiner Unschärfe<br />

mehrdeutig war; solche Mehrdeutigkeit war häufig.“<br />

wobei dem Senat entgeht, dass solche Mehrdeutigkeit auch in<br />

anderen Rechtssystemen, auch dem der Bundesrepublik,<br />

anzutreffen ist.<br />

6.4 Zuzustimmen ist dem Senat auch, wenn er dann im<br />

Hinblick auf die Justizpraxis in der DDR und die Rolle von<br />

Richtlinien und Beschlüsse des Obersten Gerichts, sowie von<br />

Gemeinsamen Standpunkten der zentralen Justizorgane der<br />

DDR weiterhin erklärt:<br />

Es „kann eine Gesetzesverletzung im Sinne des<br />

§244 StGB/DDR nicht schon darin gefunden werden,<br />

dass sich der Richter von solchen Einflüssen<br />

bestimmen lassen hat“, wenn er sich also an die in diesen<br />

Dokumenten enthaltene Gesetzesauslegung hält — ganz so<br />

wie in der Bundesrepublik die Gerichte sich an den höchstrichterlichen<br />

Entscheidungen orientieren.<br />

382


Erich Buchholz<br />

Wenn dann aber der Senat erklärt, es sei zu bedenken, dass<br />

„der Gesetzesbegriff der DDR, der dem Merkmal der<br />

Gesetzwidrigkeit im Sinne des §244 StGB/DDR zugrunde<br />

liegt (vgl. Art. 49 der Verfassung der DDR), nach dem<br />

Befund von Literatur und Rechtsprechung wenig<br />

geklärt und durch Theorie und Praxis der „sozialistischen<br />

Gesetzlichkeit“ (vgl. Art. 19 Abs. 1 Satz 2<br />

der Verfassung der DDR) nachhaltig verdunkelt worden<br />

ist“, dann handelt es sich bei dieser Aussage um eine nicht<br />

mehr hinnehmbare denunziatorische subjektive Auffassung<br />

der Mitglieder dieses Senats, denen das DDR-Recht fremd ist<br />

und dem sie distanziert, wenn nicht gar feindlich gegenüberstehen.<br />

Es ist nicht bekannt geworden, dass die Mitglieder des Senats,<br />

wenn sie auf Grund ihres anderen Ausgangspunktes und<br />

Herangehens an das Recht der DDR mit der ihnen fremden<br />

Literatur und Rechtsprechung der DDR nicht zu Rande<br />

kamen, sich etwa bei kundigen Personen Aufklärung und<br />

Auskunft verschafft hätten.<br />

Es muss vielmehr von der Besorgnis ausgegangen werden,<br />

dass der 5. Strafsenat ganz bewusst von einer solchen<br />

„Verdunkelung“ des Begriffs der Gesetzlichkeit redet, um<br />

dann am DDR-Recht Auslegungen nach seinem Gusto vornehmen<br />

zu können<br />

Wenn der Senat danach folgenden Satz anschließt:<br />

„Bei der Auslegung von Normen kommt es auf die<br />

Auslegungsmethoden der DDR, nicht auf die der<br />

Bundesrepublik Deutschland an“, dann hört sich das gut<br />

an, es bleibt aber offen, was der Senat damit ausdrücken möchte.<br />

In anderen Zusammenhängen geht der Bundesgerichtshof<br />

zutreffend davon aus, dass die Auslegungsmethoden in den<br />

beiden deutschen Rechtsordnungen sich nicht so grundlegend<br />

unterscheiden, wie das Einblicke in die betreffenden<br />

Lehrbücher der DDR vermittelt hätten.<br />

383


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Es bleibt jedenfalls unklar, welche — besonderen oder<br />

andersartigen — Auslegungsmethoden der DDR gemeint<br />

gewesen sein sollen.<br />

6.5 Nach dieser Einführung möchte der Senat — „abgesehen<br />

von Einzelexzessen“ — „eine Bestrafung von<br />

Richtern der DDR wegen Rechtsbeugung auf Fälle<br />

beschränken“… „in denen die Rechtswidrigkeit der<br />

Entscheidung so offensichtlich war und insbesondere<br />

die Rechte anderer, hauptsächlich ihre<br />

Menschenrechte, derart schwerwiegend verletzt<br />

worden sind, dass sich die Entscheidung als<br />

Willkürakt darstellt. Orientierungsmaßstab wird<br />

die offensichtliche Verletzung von Menschenrechten<br />

sein, wie sie in der DDR durch den<br />

Beitritt zum Internationalen Pakt über bürgerliche<br />

politische Rechte anerkannt waren.“ 58<br />

Solange hat der 5. Senat — über mehr als zehn Seiten —<br />

benötigt, um endlich die „Katze aus dem Sack“ zu lassen.<br />

Nachdem der Senat anfänglich den Eindruck erweckt, das<br />

DDR-Gesetz beachten zu wollen, entlarvt er sich an diesem<br />

Platze seiner Ausführungen:<br />

• An die Stelle des eindeutigen und klaren Begriffs der<br />

Gesetzwidrigkeit in §244 StGB/DDR setzt er nun den Begriff<br />

der Rechtswidrigkeit, wodurch sich die Möglichkeit eröffnet,<br />

auch solche Entscheidungen als rechtswidrig (und damit<br />

womöglich als Rechtsbeugung) zu beurteilen, die zwar dem<br />

Gesetz der DDR entsprachen, also nicht gesetzwidrig waren,<br />

aber — aus bundesdeutscher Sicht — sonst irgend einem<br />

Recht widersprochen haben sollen.<br />

Gerade unter diesen Gesichtspunkten wird die Verletzung<br />

von Menschenrechten eingeführt, und zwar als maßgebliches<br />

Kriterium zur Annahme einer Rechtsbeugung.<br />

384


Erich Buchholz<br />

Hier ist anzumerken, dass diese Begrifflichkeit der Menschenrechte<br />

bis dato im Recht und in der Rechtsprechung der<br />

Bundesrepublik keine Rolle gespielt hatte.<br />

Es wird offensichtlich:<br />

Der Senat verlässt den Boden der Gesetzlichkeit, des DDR-<br />

Gesetzes.<br />

Wenn ein DDR-Gesetz verletzt wurde, wenn eine gesetzwidrige<br />

Entscheidung getroffen wurde, dann kommt es nicht<br />

mehr darauf an, ob damit zugleich auch Menschenrechte verletzt<br />

wurden.<br />

Umgekehrt: Entsprach eine Entscheidung dem DDR-Gesetz,<br />

dann kommt es ebenfalls nicht darauf an, ob auch — aus welchen<br />

vom Gesetzgeber zu vertretenden Gründen — womöglich<br />

eine Verletzung einer Bestimmung einer der beiden Menschenrechtskonventionen<br />

vorlag.<br />

Es ist offenkundig:<br />

Die Ersetzung des Begriffs der Gesetzwidrigkeit durch den<br />

der Rechtswidrigkeit und die Einführung des Begriffs der<br />

Menschenrechte und von Menschenrechtsverletzungen dient<br />

dazu, vom DDR-Gesetz, vom Tatbestand des §244 StGB/<br />

DDR wegzukommen und sich eigenwillig andere Entscheidungsgrundlagen<br />

für die Verfolgung von Richtern und<br />

Staatsanwälten der DDR wegen Rechtsbeugung zu schaffen.<br />

• Auf dieser Linie liegt auch die Einführung des Begriffs<br />

„Willkürakt“.<br />

Jedenfalls im Zusammenhang mit der Rechtsbeugung hatte<br />

dieser Begriff in der DDR keinen Platz, da es objektiv ausschließlich<br />

auf die Gesetzwidrigkeit einer betreffenden<br />

Entscheidung ankam.<br />

Der sehr auslegungsbedürftige Begriff der Willkür — man<br />

studiere die diesbezügliche Rechtsprechung des BGH und<br />

des Bundesverfassungsgerichts — wird offensichtlich zu dem<br />

385


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Zweck eingeführt, nach bundesdeutschen Maßstäben das<br />

Vorliegen von Willkür bei Entscheidungen von DDR-<br />

Richtern und -Staatsanwälten zu behaupten und dem gemäß<br />

die betreffenden Richter und Staatsanwälte zu verurteilen.<br />

Auch damit geht der Senat vom DDR-Gesetz weg, verlässt er<br />

den Boden des DDR-Gesetzes und bewegt sich auf einer<br />

dem DDR-Recht fremden Ebene, auf der nach bundesdeutscher<br />

Sichtweise geurteilt wird.<br />

• Auch wenn der Senat als Orientierungsmaßstab für die<br />

Frage, wann eine „offensichtliche Verletzung von Menschenrechten“<br />

vorliege, auf den Internationalen Pakt über<br />

Bürgerrechte und politische Rechte abstellt, dem die DDR<br />

beitrat, verlässt er den Boden der DDR-Gesetzlichkeit.<br />

Denn maßgeblich für den Richter und Staatsanwalt in der<br />

DDR war das DDR-Gesetz und nicht eine Bestimmung des<br />

Völkerrechts, die — aus welchen Gründen auch immer —<br />

vom DDR-Gesetzgeber womöglich noch nicht ins nationale,<br />

innerstaatliche Recht der DDR transformiert war.<br />

Auch insofern können wir die Eigenwilligkeit des BGH nicht<br />

übersehen:<br />

Der 5. Strafsenat des BGH spricht nämlich davon, dass diese<br />

Menschenrechte „in der DDR durch den Beitritt<br />

anerkannt waren.“<br />

Von wem?<br />

Was will der BGH damit sagen?<br />

Jedenfalls vermengt der Senat die völkerrechtliche und<br />

innerstaatliche Ebene.<br />

Mit dem Beitritt des Staates DDR hat sich der Staat DDR<br />

gegenüber den anderen Staaten, die den beiden Konventionen<br />

beigetreten waren, verpflichtet, die betreffenden<br />

Menschenrechte innerstaatlich umzusetzen, die indessen zum<br />

Zeitpunkt des Beitritts zu diesen Konventionen bereits fast<br />

386


Erich Buchholz<br />

vollständig in das innerstaatliche Recht der DDR — viel weiter<br />

gehend als in der Bundesrepublik — umgesetzte waren.<br />

Der Beitritt zu den beiden Menschenrechts-Pakten und auch<br />

deren Ratifizierung als solche bewirkten keineswegs automatisch<br />

die innerstaatliche Geltung der Regelungen dieser Pakte.<br />

Da wohl fast alle Länder diesen Internationalen Pakten beitraten,<br />

sind mehr oder weniger starke Differenzen zwischen<br />

den Regelungen der völkerrechtlich vereinbarten Pakte einerseits<br />

und dem innerstaatlichen Recht der betreffenden<br />

Staaten anzutreffen; in einer gewissen Weise ist dies normal.<br />

Dementsprechend gewähren die internationalen Gremien<br />

den einzelnen Staaten in aller Regel auch einen gewissen<br />

Zeitraum, um die Übereinstimmung herzustellen.<br />

Im Übrigen besteht Veranlassung, nachdrücklich zu unterstreichen,<br />

dass in der DDR der gleichzeitig ratifizierte<br />

Internationale Pakt über soziale, ökonomische und kulturelle<br />

Rechte — im Gegensatz zur Bundesrepublik — vollkommen<br />

umgesetzt war und auch der Pakt über Bürgerrechte und<br />

politische Rechte — von einzelnen Abstrichen abgesehen —<br />

bereits ebenfalls realisiert und verwirklicht worden war.<br />

(Vornehmlich ging es in der Kritik durch die Bundesrepublik<br />

und andere westliche Staaten nur um eine Bestimmung, nämlich<br />

die Regelung des Artikels 12 Abs. 2 des Paktes über<br />

Bürgerrechte und politische Rechte, der die Ausreisefreiheit<br />

betrifft, die in der DDR Beschränkungen unterlag.)<br />

Wie soeben ausgeführt, hält der 5. Strafsenat die völkerrechtliche<br />

Verpflichtung des Staates DDR und die innerstaatliche<br />

Bindungswirkung der Regelungen dieses Paktes nicht<br />

auseinander.<br />

Solange — aus welchen Gründen auch immer — die Regelung<br />

des Paktes nicht durch eine entsprechende Gesetzgebung<br />

ins innerstaatliche Recht transformiert worden war,<br />

387


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

war diese Regelung des Paktes weder für die Behörden der<br />

DDR, für Richter und Staatsanwälte sowie Polizeiangehörige<br />

verbindlich, noch konnten daraus einzelne Bürger subjektive<br />

Rechtsansprüche herleiten.<br />

Es kann dahinstehen, ob die Mitglieder des Senats in dieser<br />

Frage unzureichend fortgebildet waren oder ob sie absichtsvoll<br />

den Unterschied zwischen völkerrechtlicher und innerstaatlicher<br />

Ebene verwischen, im Ergebnis eröffnete der 5.<br />

Strafsenat des BGH eine Möglichkeit, überstaatliches Recht,<br />

Völkerrecht dem innerstaatlichen DDR-Recht überzustülpen<br />

und auf diese Weise — zumindest partiell — außer Kraft<br />

zu setzen.<br />

Es mag sein, dass der 5. Strafsenat nach dieser Auslassung<br />

Sorge hat, dass seine Absicht durchschaut wird.<br />

Jedenfalls hält er es für geboten „klarzustellen“:<br />

„Nur bei Anlegung dieses strengen Maßstabs ist<br />

gewährleistet, dass eine Bestrafung nicht gegen<br />

das Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) verstößt.“<br />

Aber schon im nächsten Satz öffnet er wiederum die Tür für<br />

eine Auslegung des DDR-Gesetzes in seinem Sinne.<br />

Es heißt dort:<br />

„Dafür“ — also für die Anlegung eines strengen Maßstabs?!<br />

— „ist die Erwägung maßgeblich, dass das Recht<br />

der DDR auch mit den Auslegungsmethoden, die ihm<br />

eigentümliche waren, so ausgelegt werden konnte,<br />

dass Willkürakte im Sinne offensichtlicher,<br />

schwerer Menschenrechtsverletzungen vermieden<br />

wurden.“ 59<br />

Auch durch die Bezugnahme auf die Quelle im 39. Band (es<br />

geht um die erste Entscheidung gegen DDR-Grenzsoldaten,<br />

(vgl. hier Seite 336), wo bereits von der Möglichkeit einer menschenrechtsfreundlichen<br />

Auslegung des DDR-Rechts die<br />

Rede war, wird deutlich, worum es dem Senat letztlich geht.<br />

388


Erich Buchholz<br />

Wir haben unter Pkt. 4.2.6 bereits ausgesprochen, dass die<br />

Möglichkeit einer bestimmten (menschenrechtsfreundlichen)<br />

Auslegung von Gesetzen noch nicht bedeutet, dass jede andere<br />

Auslegung rechtswidrig, unzulässig oder ungesetzlich wäre.<br />

Dem Senat kommt es zum einen darauf an, Menschenrechtsverletzungen<br />

der DDR zu brandmarken, und zum<br />

andern soll die nach bundesdeutscher Sicht mögliche Auslegung<br />

von Menschenrechten zum Maßstab gemacht werden.<br />

Nachdem auf gleichlautende Formulierungen in der Verfassung<br />

der DDR, die ja im Wissen um die Menschenrechtskonventionen<br />

formuliert war, verwiesen wird, erweckt<br />

der Senat die Möglichkeit, dass ein in einem gegebenen Fall<br />

anzuwendendes DDR-Gesetz „im Ganzen (!?) nicht mit<br />

der Verfassung der DDR oder den Menschenrechtspakten<br />

vereinbar war.“ (Vgl. Pkt. 4.2.6. Seite 333)<br />

Was eine überall abstrakt denkbare Diskrepanz zwischen<br />

Verfassung und Gesetz in der DDR betraf, so gab es auch in<br />

der DDR — wenngleich weniger förmlich und ausgebaut als<br />

in der Bundesrepublik — Möglichkeiten einer Überprüfung<br />

betreffender Gesetze auf ihre Übereinstimmung mit der<br />

Verfassung.<br />

Demgegenüber ist festzuhalten:<br />

In keiner der einschlägigen Entscheidungen bundesdeutscher<br />

Gerichte in Rechtsbeugungsverfahren gegen DDR-Juristen<br />

wurde festgestellt, dass ein betreffendes DDR-Gesetz im<br />

Widerspruch zur Verfassung der DDR oder im Widerspruch<br />

zum Völkerrecht gestanden hätte.<br />

Auch sonst ist dergleichen nicht manifest geworden.<br />

Mögliche Widersprüche zwischen einzelnen Regelungen der<br />

Menschenrechtskonventionen und den geltenden Gesetzen<br />

der DDR konnte niemals ein einzelner Richter lösen.<br />

Auch dem bundesdeutschen Richter ist die Lösung eines sol-<br />

389


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

chen Widerspruchs nicht eingeräumt; in Fällen der Annahme<br />

einer Grundgesetzwidrigkeit eines bestimmten Gesetzes ist<br />

der Weg zum BVerfG offen (Art. 100 Absatz 1 GG); bei möglicher<br />

Diskrepanz zwischen völkerrechtlich festgelegten menschenrechtlichen<br />

Regelungen und dem bundesdeutschen<br />

Recht ist Art. 100 Abs. 2 GG einschlägig. 60<br />

6.6 Der Bundesgerichtshof entwickelt dann in diesem orientierenden<br />

Revisionsurteil die bekannten drei Fälle, die in der<br />

Folgezeit geradezu standardmäßig stereotyp von den Gerichten<br />

zur Grundlage und Richtschnur ihrer Entscheidung<br />

genommen werden.<br />

Diese drei Fälle sind folgende:<br />

a) Überschreitung des Gesetzeswortlauts oder „Überdehnung<br />

der Straftatbestände unter Ausnutzung ihrer<br />

Unbestimmtheit.“<br />

Die Überschreitung des Gesetzeswortlauts wäre eine eindeutig<br />

gesetzwidrige Entscheidung ganz im Sinne des DDR-<br />

Gesetzes.<br />

Klarzustellen, was eine „Überdehnung“ eines Straftatbestandes<br />

ohne Überschreitung des Gesetzeswortlauts sein<br />

soll, bleibt der BGH bis heute schuldig.<br />

Man kann daher diese Formulierung auch wiederum nur als<br />

eine Tür ansehen, durch die bundesdeutsche Richter bei der<br />

Verfolgung von DDR-Richtern und -Staatsanwälten wegen<br />

Rechtsbeugung sollen gehen können, um Rechtsbeugung zu<br />

behaupten, obzwar keine gesetzwidrige Entscheidung vorlag.<br />

Was es mit dieser Überdehnung auf sich haben soll, erklärt<br />

der folgende Halbsatz, dass diese Überdehnung nämlich zu<br />

einer „Bestrafung, zumal mit Freiheitsstrafe“ führe,<br />

die als „offensichtliches Unrecht anzusehen ist.“<br />

Danach geht es eigentlich gar nicht um die Überdehnung des<br />

Straftatbestandes, sondern um Rechtsfolgenentscheidungen,<br />

390


Erich Buchholz<br />

also um Strafzumessung, die aus bundesdeutscher Sicht<br />

offensichtliches Unrecht sein soll, so insbesondere wenn<br />

Freiheitsstrafe verhängt wurde.<br />

Und dann gibt es noch die Spezialität:<br />

„Dies gilt auch für die Auslegung des §21 Abs. 3<br />

StGB/DDR (Vorbereitungshandlungen)“.<br />

Der BGH nimmt also für sich in Anspruch, ein spezielle<br />

Strafbestimmung der DDR für bedenklich zu erklären und<br />

den DDR-Richtern und -Staatsanwälten vorzuwerfen, dass<br />

sie sich an die Gesetze ihres Staates hielten, dass sie bei der<br />

Auslegung derselben nicht nach bundesdeutschen Maßstäben<br />

entschieden.<br />

Die Frage, die der Senat hier verfolgt, spitzt sich letztlich auf<br />

die Annahme einer Rechtsbeugung „bei der Bestimmung<br />

der Rechtsfolgen“ zu, also bei der Strafzumessung, wie<br />

dann auch die ganze spätere Praxis der Strafverfolgung von<br />

DDR-Richtern und — Staatsanwälten wegen Rechtsbeugung<br />

bestätigt:<br />

Es ging ganz überwiegend um die Behauptung von Rechtsfolgen-Rechtsbeugung,<br />

um Rechtsbeugung durch angeblich<br />

überhöhte Strafen.<br />

Der DDR-Richter habe die Möglichkeit gehabt,<br />

„von grob unverhältnismäßigen Eingriffen in<br />

Menschenrechte abzusehen oder die Verletzung<br />

solcher Rechte zumindest in Grenzen zu halten.“<br />

Die Frage der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit<br />

einer Bestrafung ist indessen eine Frage unterschiedlicher<br />

Bewertung und Sichtweise.<br />

Was in der einen Rechtsordnung für gerecht und verhältnismäßig<br />

angesehen wird, mag in einer anderen Rechtsordnung<br />

nicht als gerecht und verhältnismäßig gelten.<br />

Letztlich läuft auch die Einführung dieses Kriteriums darauf<br />

391


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

hinaus — wie die ganze Praxis der Verfolgung von DDR-<br />

Juristen wegen Rechtsbeugung später bestätigt —, bundesdeutsche<br />

Maßstäbe über die Verhältnismäßigkeit und<br />

Angemessenheit von Bestrafungen zur Geltung zu bringen<br />

und zur Grundlage für entsprechende Verurteilungen zu<br />

machen.<br />

Die relevanten Fälle in den Rechtsbeugungsverfahren betrafen<br />

hauptsächlich Spionage und andere staatsfeindliche Verbrechen<br />

gegen die DDR sowie strafbare Handlungen von<br />

Fluchtwilligen. Diese Handlungen wurden bzw. werden<br />

offensichtlich in der DDR und in der Bundesrepublik gegensätzlich<br />

beurteilt: was für die DDR schädlich und gefährlich<br />

und deswegen unter Strafe gestellt war, erscheint aus bundesdeutscher<br />

Sicht wertvoll.<br />

Ganz in diesem Sinne sieht das bundesdeutsche Rehabilitierungsgesetz<br />

vor, dass derartige nach dem DDR-Gesetz strafbare<br />

Handlungen rehabilitiert werden sollen.<br />

Es wird somit ganz deutlich:<br />

Die Justiz des überlebenden, übrig gebliebenen deutschen<br />

Staates bestimmt kraft ihrer Herrschaft, kraft ihrer Richtermacht,<br />

wie Richter und Staatsanwälte des anderen deutschen<br />

Staates, des Gegenparts, betreffende Straftaten hätten bewerten<br />

und beurteilen müssen.<br />

Es handelt sich somit offensichtlich um keine unvoreingenommene<br />

und unparteiische Rechtsprechung, vielmehr<br />

darum, dass die bundesdeutschen Gerichte sich parteiisch auf<br />

die Seite der Bundesrepublik stellen, also propria causa, in<br />

eigener Sache, entscheiden.<br />

b) Bei der Orientierung auf Rechtsfolgen-Rechtsbeugung,<br />

also auf für ungerecht gehaltene Bestrafungen, wird dann<br />

besonders hervorgehoben:<br />

„Eine willkürliche Menschenrechtsverletzung in<br />

392


Erich Buchholz<br />

dem dargelegten Sinne“ wird auch „anzunehmen<br />

sein, wenn die verhängte Strafe, etwa bei der<br />

Anwendung des §213 StGB/DDR, in einem unerträglichen<br />

Missverhältnis zu der Handlung gestanden<br />

hat, sodass die Strafe auch im Widerspruch zu<br />

Vorschriften des DDR Strafrechts (Art. 4 Abs. 5,<br />

Art. 5 Satz 3, §61 Abs. 1,2 StGB/DDR) als grob<br />

ungerecht und als schwerer Verstoß gegen die<br />

Menschenrechte erscheinen muss.“<br />

Obzwar Rechtsvorschriften der DDR angeführt werden, verlangt<br />

der Bundesgerichtshof von den bundesdeutschen<br />

Gerichten faktisch bundesdeutsche Wertmaßstäbe bei der<br />

Beurteilung der Angemessenheit von durch DDR-Gerichte<br />

verhängten Strafen zugrunde zu legen.<br />

An dieser Stelle ist daran zu erinnern, dass sich eine gesetzwidrige<br />

Strafzumessungsentscheidung nach dem DDR-Recht<br />

eindeutig festmachen ließ, insbesondere an §61 StGB/DDR.<br />

Aber weder in dieser orientierenden Grundsatzentscheidung<br />

des BGH, noch in späteren Verurteilungen durch bundesdeutsche<br />

Gerichte wurde auch nur in einem Fall eindeutig<br />

nachgewiesen, welche spezielle DDR-Bestimmung zur Strafzumessung<br />

verletzt worden sei.<br />

Stets bewegte man sich — in der Manier und dem Vokabular<br />

des Bundesgerichtshofs — im Bereich von Allgemeinheiten.<br />

Tatsache ist:<br />

Eine bestimmte eindeutige Gesetzwidrigkeit beziehungsweise<br />

Gesetzesverletzung durch DDR-Gerichte bei der Strafzumessung<br />

wurde von keinem einzigen bundesdeutschen<br />

Gericht festgestellt.<br />

Aber es wurden Verurteilungen ausgesprochen.<br />

Eigentlich wiederholt sich der Senat, wenn er dann dem<br />

Sinne nach weiter ausführt:<br />

Die für die Strafzumessung geltenden Bestimmungen des<br />

393


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

DDR-Strafrechts werden abgelehnt; die bundesdeutschen<br />

Gerichte sollen die Rechtsbeugung gefälligst nach bundesdeutschen<br />

Maßstäben ahnden.<br />

Dabei verschweigt der 5. Strafsenat geflissentlich, dass nach<br />

dem DDR-Recht (§61 Abs. 1 StGB/DDR) bei der Strafzumessung<br />

sozialistische Gerechtigkeit zu verwirklichen war.<br />

Das DDR-Gesetz stellt somit ausdrücklich auf andere<br />

Wertmaßstäbe ab, als sie in der Bundesrepublik gelten oder<br />

gelten mögen.<br />

Es muss nicht wiederholt werden, dass die Maßstäbe der<br />

Gerechtigkeit und Angemessenheit bzw. der Verhältnismäßigkeit<br />

in den beiden deutschen Rechtsordnungen verschieden<br />

waren.<br />

(Man denke an Spionage und ähnliche Delikte, die zum<br />

Schaden und Nachteil der DDR, aber zu Nutz und Frommen<br />

der Bundesrepublik oder ihrer Verbündeten begangen wurden.<br />

Ähnliches gilt für den Fall des §213 StGB/DDR; denn<br />

seitens der Bundesrepublik wurden und werden diese<br />

Grenzdurchbrüche begrüßt und verherrlicht.)<br />

Mithin ergibt sich:<br />

Wenn bundesdeutsche Richter in Sachen, in denen die<br />

Bundesrepublik gegenüber der DDR eindeutig Gegenpartei<br />

war, judizieren, laufen sie Gefahr in eigener Sache (propria<br />

causa) zu entscheiden.<br />

Eine unparteiische unvoreingenommene Entscheidung war<br />

und ist in betreffenden Verfahren nicht zu erwarten.<br />

c) Schließlich sei, meint der BGH, „an schwere Menschenrechtsverletzungen<br />

im Hinblick auf die Art<br />

und Weise der Durchführung von Verfahren, insbesondere<br />

von Strafverfahren, sowie an Fälle zu denken,<br />

in den die Strafverfolgung und die Bestrafung<br />

überhaupt nicht der Verwirklichung von Gerechtigkeit<br />

(Art. 86 der DDR-Verfassung), sondern der<br />

394


Erich Buchholz<br />

Ausschaltung des politischen Gegners oder einer<br />

bestimmten sozialen Gruppe gedient haben.“<br />

Wenn bei der ersten Hälfte dieses Satzes an Verletzungen der<br />

Strafprozessordnung gedacht ist, dann versteht sich dies von<br />

selbst; denn unter dem Gesichtspunkt der Rechtsbeugung<br />

wäre zu prüfen, ob insoweit Bestimmungen der Strafprozessordnung<br />

verletzt und also gesetzwidrige Entscheidungen<br />

getroffen wurden.<br />

Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar, was schwere Menschenrechtsverletzungen<br />

im Hinblick auf die Art und Weise der<br />

Durchführung von Verfahren sein sollen.<br />

Es ist zu besorgen, dass der Bundesgerichtshof die bundesdeutschen<br />

Richter darauf orientiert, am Gesetz vorbei<br />

irgendwelche Menschenrechtsverletzungen zu suchen, um<br />

das Vorliegen einer Rechtsbeugung zu bejahen.<br />

In der späteren Praxis der Strafverfolgung von DDR-<br />

Richtern und -Staatsanwälten wegen Rechtsbeugung zeigte<br />

sich, dass niemals eine Verletzung von Menschenrechten im<br />

Hinblick auf die Art und Weise der Durchführung von Verfahren<br />

festgestellt wurde.<br />

Besonders dubios und konträr zum DDR-Gesetz ist die letztgenannte<br />

Orientierung, die unterstellt, dass Verfahren durchgeführt<br />

wurden bzw. Bestrafungen erfolgten, die überhaupt<br />

nicht der Verwirklichung von Gerechtigkeit gedient hätten.<br />

Auch hier schlagen die bundesdeutschen Maßstäbe durch.<br />

Denn in betreffenden Verfahren haben die DDR-Richter<br />

und -Staatsanwälte bei Einhaltung der DDR-Gesetze selbstverständlich<br />

das Ziel verfolgt, die Gerechtigkeit, genauer: die<br />

sozialistische Gerechtigkeit zu verwirklichen.<br />

Darauf kommt es aber dem Bundesgerichtshof nicht an; denn<br />

er meint nicht die Gerechtigkeit, die in der DDR galt, sondern<br />

eine andere, die der Bundesrepublik.<br />

395


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Und wenn schließlich von der Ausschaltung des politischen<br />

Gegners oder einer bestimmten sozialen Gruppe die Rede<br />

ist, dann muss man schon sagen:<br />

Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen!<br />

Die Bundesrepublik hat bekanntlich mit ihrer Gesetzgebung<br />

und Rechtsprechung der Kommunistenverfolgung in den<br />

fünfziger Jahren beispiellos und geradezu klassisch solche<br />

Verfolgung betrieben, um den politischen Gegner auszuschalten.<br />

Sie geriet bekanntlich mit dieser Verfolgungspraxis in eine<br />

solche Kritik, dass dann Ende der 60er Jahre die betreffenden<br />

Gesetze geändert werden mussten, nachdem die diesbezügliche<br />

Praxis in den sechziger Jahren schon nicht mehr in der<br />

gleichen Intensität betrieben wurde, wie in den fünfziger<br />

Jahren.<br />

6.7 Eine ganz besondere „Konstruktion“ zur Bejahung der<br />

Rechtsbeugung bei Staatsanwälten und Richtern der DDR,<br />

die tatsächlich keine Rechtsbeugung begangen hatten, hat<br />

der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs unter Vorsitz Herrn<br />

Laufhüttes in seinem Urteil vom 10. Dezember 1998 in der<br />

Angelegenheit Havemann „entwickelt“. 61<br />

6.7.1 Der Sache nach ging es zum einen um folgendes:<br />

Wie auch einige andere Schriftsteller hatte seinerzeit auch<br />

Professor Dr. Havemann für Publikationen „im Westen“<br />

Einkünfte in Devisen erzielt, ohne diese nach dem Devisengesetz<br />

anzumelden.<br />

Der Tatbestand eines Devisendeliktes war — wie auch bei<br />

einigen anderen Schriftstellern — unzweifelhaft gegeben.<br />

Jedenfalls waren im Jahre 1979 entsprechende Ermittlungen<br />

durchgeführt und war auf Grund dessen ein Strafbefehl über<br />

10.000,– Mark DDR erlassen worden.<br />

396


Erich Buchholz<br />

Im Unterschied zu einigen anderen Schriftstellern legte<br />

Professor Havemann gegen den Strafbefehl Einspruch ein; in<br />

der Folgezeit wurde gemäß der DDR-Strafprozessordnung<br />

verfahren; eine Berufung wurde im Einklang mit dem DDR-<br />

Gesetz durch Beschluss verworfen.<br />

Das Landgericht Frankfurt (Oder), das im Jahre 1997 über<br />

Monate in erster Instanz gegen an diesem Verfahren beteiligte<br />

Richter und Staatsanwälte der DDR verhandelt hatte,<br />

sprach diese frei. Denn eine Rechtsbeugung war nicht feststellbar.<br />

Auch der BGH, der auf Grund der Revision der<br />

Staatsanwaltschaft mit der Sache befasst war, musste einräumen,<br />

dass in diesem Verfahren „weder Straftatbestände<br />

unter Überschreitung des Gesetzeswortlauts oder<br />

unter Ausnutzung ihrer Unbestimmtheit überdehnt<br />

noch eine Strafe verhängt“ wurde, die „in einem<br />

unerträglichen Missverhältnis zu der abgeurteilten<br />

Handlung steht“, sodass insoweit die Wertung<br />

durch das LG Frankfurt (Oder) „keinen Rechtsfehler<br />

aufweist“. „Das gilt hier auch für die<br />

Verfahrensgestaltung“. Auch die prozessualen<br />

„Vorgehensweisen sind jedenfalls nicht so offensichtlich<br />

rechtswidrig, dass sich allein daraus schon ein Rechtsbeugung…<br />

ergeben müsste.“ (UA S.32).<br />

Dennoch bejaht der BGH — ohne die Beweiswürdigung des<br />

Tatrichters direkt anzugreifen ! — auch in diesem Falle das<br />

Vorliegen einer Rechtsbeugung, obwohl in tatsächlicher<br />

Hinsicht eine wissentlich gesetzwidrige Entscheidung nicht<br />

festgestellt wurde.<br />

6.7.2 Der BGH erklärt: Auch dieses „Gerichtsverfahren“<br />

sei „rechtsbeugerisch durch die konkrete Form der<br />

Einflussnahme“ gewesen. Es habe Willkür vorgelegen.<br />

397


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

„Rechtsbeugung im Sinne von Willkür durch schwere<br />

Menschenrechtsverletzungen kann auch durch<br />

die Art und Weise der Durchführung von Verfahren<br />

begangen werden, namentlich wenn die Strafverfolgung<br />

und die Bestrafung überhaupt nicht der<br />

Verwirklichung von Gerechtigkeit sondern der<br />

Ausschaltung des politischen Gegners gedient<br />

hat.“ (UA S. 37).<br />

In diesem Devisenstrafverfahren gegen Professor<br />

Havemann, meint der BGH, „sollte nur dem äußeren<br />

Anschein nach Gesetzesanwendung betrieben werden<br />

(‘Scheinjustiz’).“ (UA S. 38)<br />

Auch wenn der BGH einräumen muss, dass „die<br />

Abstimmung des prozessualen Ablaufs von Gerichtsverfahren<br />

und der rechtlichen Bewertung<br />

eines Sachverhalts innerhalb der DDR-Justiz<br />

nicht unüblich“ waren und sie deswegen „noch nicht<br />

den Tatbestand der Rechtsbeugung erfüllen“, meint<br />

der BGH — in eigenständiger Neubewertung der vom LG<br />

Frankfurt (Oder) festgestellten Tatsachen —, dass jedenfalls<br />

bei „Drehbuchfällen“ Rechtsbeugung gegeben sei, weil die<br />

mitwirkenden Richter und Staatsanwälten keinen Raum<br />

mehr für eigene Würdigung gehabt hätten (UA S.39).<br />

In diesem Verfahren seien die in der DDR „generell gegebenen<br />

Möglichkeiten... durch eine ungewöhnlich detaillierte<br />

(horizontale) Abstimmung... nach Art eines Drehbuchs für<br />

die befassten gerichtlichen Instanzen genutzt“ worden; das<br />

Landgericht habe von einer „perfektionistischen Vorbereitung“<br />

des Devisenstrafverfahrens gesprochen. (UA S.40)<br />

Schließlich wird das LG Frankfurt (Oder) gerügt, dass es<br />

hinsichtlich des Rechtsbeugungsvorsatzes „von einem zu<br />

engen und damit unzutreffenden Maßstab ausgegangen ist“<br />

(UA S.43).<br />

398


Erich Buchholz<br />

Unter offener Missachtung des gesetzlichen Wortlauts des<br />

§244 StGB/DDR befindet der BGH: Es genüge, dass die<br />

betreffenden Richter „grundsätzlich auch den verfahrensfremden<br />

Zweck verfolgen“ (UA S.44).<br />

„Wollen sie gleichwohl Recht sprechen, so müssen sie deutlich<br />

machen, dass sie von einer Außensteuerung unbeeinflusst<br />

sind.“ (UA S.44).<br />

Es ergibt sich also eindeutig:<br />

In dem Devisenstrafverfahren gegen Professor Havemann<br />

vermochte nicht nur das Landgericht Frankfurt (Oder),<br />

sondern auch der Bundesgerichtshof ernstlich keine Rechtsbeugung<br />

im Sinne des DDR-Rechts zu erkennen.<br />

Um dennoch, also entgegen der maßgeblichen Rechtslage<br />

gemäß dem politischen Auftrag, eine Verurteilung der beteiligten<br />

Richter und Staatsanwälte der DDR zu erreichen,<br />

wurde ihnen zum Vorwurf gemacht, dass dieses Verfahren<br />

sorgfältig vorbereitet worden war.<br />

Außerdem wird unterstellt, dass dieses Verfahren verfahrensfremden<br />

Zwecken gedient habe, nämlich der „Ausschaltung“<br />

des Regimekritikers Professor Dr. Havemann, und es wird<br />

unterstellt, dass die beteiligten Richter und Staatsanwälte<br />

dies gewusst hätten.<br />

Also Unterstellung in Potenz!<br />

Und dann wird diesen Richtern und Staatsanwälten auch vorgeworfen,<br />

dass sie bei der korrekten Anwendung des Rechts<br />

der DDR und bei einer sorgfältigen Vorbereitung dieses<br />

Verfahrens nicht deutlich gemacht hätten, — wie wohl? —<br />

dass sie die betreffenden Vorschriften des materiellen und<br />

Verfahrensrechts der DDR eigenverantwortlich nach hinreichender<br />

Prüfung angewandt hatten und nicht etwa einer<br />

„Außensteuerung“ unterworfen gewesen wären.<br />

Nach einer solchen Vorgabe des Bundesgerichtshofs hätten<br />

399


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

in den Verfahren gegen DDR-Richter und -Staatsanwälten<br />

die bundesdeutschen Richter immer erklären müssen:<br />

Obwohl wir uns an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes<br />

halten, sind wir frei von jeglicher Außensteuerung!<br />

6.7.3 Vor dem Devisenstrafverfahren gegen Professor<br />

Havemann hatte es ein anderes Verfahren gegeben, das nach<br />

1991 Gegenstand von Rechtsbeugungsverfahren gegen<br />

DDR-Richter und -Staatsanwälte geworden ist, das „Aufenthaltsbeschränkungsverfahren“.<br />

Es würde zu weit führen, in diesem Rahmen darzustellen, in<br />

welchen vielfältigen Formen, wie geduldig und ernsthaft die<br />

Parteiführung der SED sich um eine angemessene Regelung<br />

mit dem ursprünglich ehrbaren und aufrichtigen aktiven Kommunisten<br />

Professor Havemann bemüht hatte, der sich zunehmend<br />

auf eine DDR-feindliche Positionen begebenen und in<br />

verschiedenster Weise Gesetze der DDR übertreten hatte.<br />

Da der Generalsekretär Erich Honecker und Professor<br />

Havemann gleichermaßen Opfer des Faschismus waren, hat<br />

der Generalsekretär sich persönlich sämtliche Maßnahmen,<br />

die seitens der Staatsorgane gegen Professor Havemann<br />

vorgesehen waren und ergriffen werden sollten, selbst vorbehalten.<br />

Es ist hinreichend bekannt, dass das Ministerium für Staatssicherheit<br />

in erheblichem Umfang Professor Havemann<br />

selbst und Kontaktpersonen observierte, in einigen Fällen<br />

gegen solche auch Ermittlungsverfahren eingeleitet hatte.<br />

Auch gegen Professor Havemann waren entsprechende strafrechtliche<br />

Verfahren in Betracht gezogen und vorgeschlagen<br />

worden.<br />

Aber abgesehen von dem obengenannten Devisenstrafverfahren,<br />

das im Einklang mit den DDR-Gesetzen durchgeführt<br />

wurde, wie auch der Bundesgerichtshof einräumen<br />

400


Erich Buchholz<br />

musste, wurde tatsächlich kein einziges weiteres Strafverfahren<br />

gegen Professor Havemann betrieben.<br />

Da westliche Kontaktpersonen, insbesondere Journalisten, Professor<br />

Havemann zu einem prominenten Regimekritiker aufzubauen<br />

bestrebt waren, bestand ein nachvollziehbares Interesse<br />

der DDR-Führung, derartige Kontakte zu unterbinden.<br />

Außerhalb des Ministeriums für Staatssicherheit wurde die<br />

Idee geboren, zum Zwecke der Abschirmung Professor<br />

Havemanns gegen solche westlichen Journalisten und<br />

Kontaktpersonen eine bestimmte Rechtsvorschrift anzuwenden,<br />

nämlich die Verordnung über Aufenthaltsbeschränkung<br />

vom 24. August 1961. 62<br />

Nach §2 dieser Verordnung war es rechtlich zulässig, auch<br />

ohne dass die Verletzung eines bestimmten Strafgesetzes vorlag,<br />

Beschränkungen des Aufenthalts und der äußeren<br />

Bewegungsfreiheit von Personen anzuordnen, „wenn durch<br />

ihr Verhalten der Allgemeinheit oder dem einzelnen<br />

Gefahren entstehen oder die öffentliche<br />

Sicherheit und Ordnung bedroht ist.“<br />

Die Verordnung regelt auch das entsprechende Verfahren,<br />

ein Verfahren sui generis. Denn es handelt sich hierbei nicht<br />

um ein Strafverfahren, sondern um ein besonderes Verwaltungs-<br />

und verwaltungsgerichtliches Verfahren.<br />

Der zuständige Rat des Kreises muss ein dahingehendes<br />

Verlangen durch einen Staatsanwalt vor dem örtlich zuständigen<br />

Kreisgerichte vertreten lassen, welches gegebenenfalls<br />

die erforderliche Aufenthaltsbeschränkung anordnet.<br />

Nach dieser Verfahrensweise wurde gegenüber Professor Havemann<br />

ein Aufenthaltsbeschränkungsverfahren durchgeführt.<br />

Ob der in der Verordnung enthaltene Begriff „Ort“ eine<br />

kommunale Einheit (Dorfgemeinde oder Stadt) oder auch<br />

ein Grundstück meint und meinen kann, wie gegenüber<br />

401


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Professor Havemann angenommen wurde, ist eine Frage der<br />

Gesetzesauslegung, wobei zu beachten ist, dass es sich vorliegend<br />

um eine Materie des Verwaltungsrechts und nicht des<br />

Strafrechts handelt, sodass andere Auslegungsregeln als im<br />

Strafrecht gelten.<br />

Selbst wenn man die Annahme des Tatbestandsmerkmals<br />

„Ort“ auf ein Grundstück für juristisch bedenklich hält, ergibt<br />

sich daraus schon deswegen keine Rechtsbeugung der<br />

beteiligten Richter und Staatsanwälte, weil diese durch übergeordnete<br />

Instanzen ausdrücklich darin versichert wurden,<br />

dass eine solche Auslegung geprüft und für zulässig gehalten<br />

worden sei.<br />

Jedenfalls dürfte den unmittelbar an diesem Verfahren beteiligt<br />

gewesenen Staatsanwälten und Richtern nicht ernstlich<br />

der Vorwurf einer Rechtsbeugung gem. §244 StGB/DDR im<br />

Sinne einer wissentlich gesetzwidrigen Entscheidung gemacht<br />

werden können.<br />

Zutreffend sprach das LG Frankfurt (Oder) daher die angeklagten<br />

Richter und Staatsanwälte — im Ergebnis einer<br />

ungewöhnlich umfänglichen sorgfältigen Beweisaufnahme,<br />

die in einem 334 Seiten umfassenden Urteil ihren Niederschlag<br />

fand, — auch insoweit vom Vorwurf der Rechtsbeugung<br />

frei.<br />

6.7.4 Auf Grund der Revision der Staatsanwaltschaft war, wie<br />

bereits vermerkt, der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs<br />

auch insoweit mit der Angelegenheit des Aufenthaltsbeschränkungsverfahrens<br />

befasst.<br />

Letztendlich war für den BGH auch hinsichtlich dieses Verfahrens<br />

ausschlaggebend, dass es sich um einen so genannten<br />

„Drehbuchfall“ gehandelt habe und dass mit diesem<br />

„Willkür-verfahren“ gegen Professor Havemann seine<br />

„Ausschaltung als politischer Gegner“ bezweckt worden sei<br />

und nicht die Gerechtigkeit.<br />

402


Erich Buchholz<br />

Der BGH hob den Freispruch des Landgerichts Frankfurt<br />

(Oder) auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung<br />

und Entscheidung (nach den Vorgabeen des BGH!) an ein<br />

völlig anderes Landgericht, nämlich an das Landgericht<br />

Neuruppin zurück. Der BGH war sich offensichtlich nicht<br />

sicher, dass das LG Frankfurt(Oder) „politisch richtig“ entscheiden<br />

würde.<br />

Wie zu erwarten war, hielt sich das Landgericht Neuruppin an<br />

die Vorgaben des Bundesgerichtshofs und verurteilte die<br />

noch erreichbaren DDR-Richter und -Staatsanwälte wegen<br />

Rechtsbeugung.<br />

Um auf den Straftatbestand der Rechtsbeugung und das<br />

Vorliegen solcher zurückzukommen, so ist nachdrücklich zu<br />

betonen, dass es auf dergleichen — justizförmig nicht zuverlässig<br />

feststellbaren — Absichten (Ausschaltung des politischen<br />

Gegners oder einer bestimmten sozialen Gruppe)<br />

überhaupt nicht ankommt.<br />

Wenn das Gesetz verletzt und eine gesetzwidrige Entscheidung<br />

getroffen wurde, dann war Rechtsbeugung zu prüfen;<br />

wenn aber das Verfahren ohne gesetzwidrige Entscheidung<br />

durchgeführt wurde, kommt Rechtsbeugung nicht in Betracht.<br />

Weitergehende Intentionen berühren den Straftatbestand<br />

der Rechtsbeugung nicht — übrigens auch in anderen<br />

Ländern und in der Bundesrepublik nicht.<br />

Die Hereinnahme eines solchen Kriteriums wie Ausschaltung<br />

des politischen Gegners oder einer bestimmten sozialen<br />

Gruppe, bei der es wiederum letztlich um die andersartige<br />

Bewertung durch bundesdeutsche Gerichte geht, dient<br />

gleichfalls nur dem Zweck der Eröffnung von Möglichkeiten,<br />

DDR-Richter und -Staatsanwälte wegen Rechtsbeugung zu<br />

verfolgen, wenn deren den Gesetzen der DDR entsprechendes<br />

Handeln aus bundesdeutscher Sicht für „Ausschaltung<br />

403


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

des politischen Gegners oder einer bestimmten sozialer<br />

Gruppen“ gehalten wird.<br />

6.8 Wir können also zusammenfassen:<br />

Nach einleitenden schön klingenden, rechtsstaatlich erscheinenden<br />

Wendungen kommt der Pferdefuß heraus:<br />

Das für die Rechtsbeugung nach DDR-Recht maßgebliche<br />

Tatbestandsmerkmal „gesetzwidrige Entscheidung“ wird<br />

durch die Eröffnung aller möglichen Bewertungen aus fremder<br />

Sicht ersetzt.<br />

An die Stelle des geschriebenen eindeutigen Gesetzes des<br />

DDR-Rechts tritt die politisch bestimmte Fremdbewertung.<br />

Unabhängig von allem anderen ist dies Fremdjustiz.<br />

Dem gleichen Zweck der Eröffnung von Möglichkeiten der<br />

Strafverfolgung von DDR-Richtern und -Staatsanwälten<br />

diente die Heranziehung des Begriffs Willkür, der im DDR-<br />

Recht ob seiner Unbestimmtheit keinen Platz hatte.<br />

Bekanntlich wird Willkür vom BVerfG, wie folgt, definiert:<br />

Willkürlich ist eine Entscheidung, die sachlich schlechthin<br />

unangemessen ist, deren fehlerhafte Rechtsanwendung bei<br />

verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden<br />

Gedanken nicht mehr verständlich ist, sodass sich der<br />

Schluss aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen. 63<br />

Was besagt das?<br />

Wie des öfteren bei der Interpretation unbestimmter auslegungsbedürftiger<br />

und auslegungsfähiger Rechtsbegriffe gibt<br />

diese Umschreibung von Willkür durch das BVerfG den<br />

Rechtsanwendern „Steine statt Brot“.<br />

Denn eine schlüssige Auskunft über diese hehren Werte ist<br />

den Interpretationen des Bundesverfassungsgerichts nicht zu<br />

entnehmen.<br />

Im Grunde genommen handelt es sich bei der Interpretation<br />

404


Erich Buchholz<br />

des Begriffes Willkür durch das BVerfG um die „breitgetretene“<br />

Wiederholung bzw. Wiedergabe des Begriffs „willkürlich“.<br />

Auch die der Interpretation dienenden Hilfsbegriffe sind auslegungsfähige<br />

Bewertungsbegriffe. Für unseren Gegenstand<br />

ist lediglich entscheidend, dass die Wertung dessen, was willkürlich,<br />

sachfremd usw. ist bzw. sein soll, aus bundesdeutscher<br />

Sicht, aus Sicht des bundesdeutschen Grundgesetzes, erfolgt.<br />

Wir sehen also:<br />

Die Heranziehung aller solcher Wertungsbegriffe dient nur<br />

dem Zweck, dem DDR-Recht Rechtsgedanken und<br />

Rechtsprinzipien einer fremden, der bundesdeutschen<br />

Rechtsordnung überzustülpen. In diesem Zusammenhang<br />

muss daran erinnert werden, dass die bundesdeutschen<br />

Richter darauf eingestellt und daran gewöhnt sind, offene<br />

Rechtsbegriffe in einem Gesetz auszulegen und auch das<br />

Recht „fortzubilden“ (richterliche Rechtsfortbildung).<br />

Es darf an das „Soraya-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts<br />

erinnert werden. 64<br />

Danach muss sich der Richter bei der Auslegung von<br />

Gesetzen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung halten;<br />

er muss bei dieser Auslegung die im Wege zulässiger richterlicher<br />

Rechtsfortbildung getroffenen Entscheidungen<br />

beachten.<br />

So muss der bundesdeutsche Richter auch die Auslegung<br />

oder richterliche Rechtsfortbildung durch den Bundesgerichtshof<br />

berücksichtigen, auch wenn dieser über das<br />

Gesetz hinausgeht bzw. die Gesetze einer fremden<br />

Rechtsordnung, der der DDR, verdreht und entstellt.<br />

6.9 Bei der Verfolgung von DDR-Richtern und -Staatsanwälten<br />

wegen Rechtsbeugung sind dann noch weitere bemerkenswerte<br />

Verdrehungen des DDR-Rechts zu behandeln.<br />

405


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Während die ersten Entscheidungen des BGH sich vornehmlich<br />

auf DDR-Richter bezogen, ging er dann auch zur<br />

Beurteilung von Handlungen von DDR-Staatsanwälten im<br />

Hinblick auf eine erstrebte Strafverfolgung dieser wegen<br />

Rechtsbeugung über.<br />

Angesichts der tatbestandlichen Ausgestaltung des §244<br />

StGB/DDR, dass nämlich eine gesetzwidrige Entscheidung<br />

vorliegen muss, käme bei DDR-Staatsanwälten als Rechtsbeugung<br />

nur eine solche Handlung in Betracht, mit der ein<br />

Staatsanwalt, namentlich im Ermittlungsverfahren, diesbezügliche<br />

Entscheidungen getroffen hätte.<br />

Bei der Verfolgung von DDR-Richtern und -Staatsanwälten<br />

durch die bundesdeutsche Strafjustiz zeigte sich indessen,<br />

dass Staatsanwälte vornehmlich mit der Erhebung von<br />

Anklagen und dem Stellen von Straf- oder Haftanträgen in<br />

Erscheinung traten.<br />

Nach DDR-Recht waren diese Tätigkeiten zweifellos überhaupt<br />

keine Entscheidungen im Sinne des §244 StGB/DDR,<br />

die möglicherweise gesetzwidrig gewesen sein könnten.<br />

Daher könnten betreffende DDR-Staatsanwälte nach dem<br />

ausschließlich maßgebenden DDR-Gesetz in solchen Fällen<br />

niemals als Täter, sondern allenfalls nur wegen eventueller<br />

Anstiftung oder Beihilfe zu einer von DDR-Richtern womöglich<br />

begangenen Rechtsbeugung bestraft werden, sofern<br />

diese Richter — als Haupttäter — einer Rechtsbeugung<br />

schuldig waren.<br />

Das passte aber nicht in das politische Konzept des<br />

Bundesgerichtshofs und der Strafverfolgung von DDR-<br />

Richtern und -Staatsanwälten.<br />

Deshalb nutzte der Bundesgerichtshof seine Entscheidung<br />

vom 15. September 1995, um ein weiteres orientierendes<br />

Grundsatzurteil zur Behandlung der Anklageerhebung durch<br />

DDR-Staatsanwälte zu fällen. 65<br />

406


Erich Buchholz<br />

Wer den Text einer Anklage liest, erkennt sofort, dass mit dieser<br />

bei Gericht der Antrag gestellt wird, das Hauptverfahren<br />

zu eröffnen.<br />

Eine Anklageerhebung ist danach unzweifelhaft keine Entscheidung<br />

im Sinne des §§244 StGB/DDR.<br />

Der Bundesgerichtshof möchte aber DDR-Staatsanwälte<br />

nicht nur wegen Anstiftung oder Beihilfe zur Rechtsbeugung,<br />

sondern wegen täterschaftlich begangener Rechtsbeugung<br />

verurteilen.<br />

Wie geht das?<br />

Zu diesem Zweck ging der BGH in seiner Entscheidung vom<br />

15. September 1995, wie folgt, vor:<br />

Wie des öfteren auch sonst, beginnt der 5. Strafsenat auch<br />

hier mit einer zunächst zutreffenden Aussage:<br />

Auch ein „Staatsanwalt“ kann „grundsätzlich Täter einer<br />

Rechtsbeugung sein“, und zwar auch nach §244 StGB/DDR.<br />

An sich zutreffend ist auch die weitere Aussage:<br />

„Nicht jede Entscheidung der Staatsanwaltschaft<br />

im Ermittlungsverfahren stellt eine Entscheidung<br />

einer Rechtssache im Sinne des §336 des StGB<br />

dar.“<br />

Unversehens ist der Bundesgerichtshof mit dieser Aussage<br />

schon auf die bundesdeutsche Regelung eingeschwenkt.<br />

Denn die DDR-Strafvorschrift spricht aus gutem Grund<br />

nicht von einer „Entscheidung einer Rechtssache“, sondern<br />

von einer gesetzwidrigen Entscheidung.<br />

Der BGH bleibt auch insoweit bei der Beurteilung betreffender<br />

Handlungen gemäß bundesdeutschem Recht.<br />

Ausgehend von der bundesdeutschen Regelung führt der<br />

Bundesgerichtshof dann weiter aus:<br />

„In einer Rechtssache entscheidet nur, wer wie<br />

ein Richter (!) in einem rechtlich vollständig<br />

geregelten Verfahren zu entscheiden hat und dabei<br />

407


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

einen gewissen Grad sachlicher Unabhängigkeit<br />

genießt.“ 66<br />

Wiederum ist unübersehbarer Ausgangspunkt für die an sich<br />

nach DDR-Recht gebotene strafrechtliche Würdigung<br />

bundesdeutsches Recht; selbst der Verweis auf eine diesbezügliche<br />

eigene Entscheidung des Bundesgerichtshofs unterstreicht<br />

dies.<br />

„Diese Voraussetzungen“ — heißt es im Urteil des 5.<br />

Strafsenats weiter — „hat der Bundesgerichtshof in<br />

Verfahren gegen bundesdeutsche Staatsanwälte für<br />

staatsanwaltschaftliche Einstellungsverfügungen<br />

bejaht.“<br />

Nahtlos heißt es dann weiter:<br />

„Für Anklageerhebungen (§170 Abs. 1 StPO, §154<br />

StPO/DDR)“ — also durch DDR-Staatsanwälte ! — „kann<br />

nichts anderes gelten.“<br />

In der Vorstellungswelt des BGH liegen Verfahrenseinstellungen<br />

und Anklageerhebungen auf gleicher Ebene.<br />

Statt einer erst nachzuholenden Begründung wird in der<br />

üblichen Manier erklärt: es kann nichts anderes gelten!<br />

Im Urteil des 5. Strafsenats heißt es dann weiter:<br />

„Auch in diesem Fall“ — im Fall der Anklageerhebung<br />

— „wird ein gesetzlich geregeltes Verfahren, das<br />

Ermittlungsverfahren, durch eine — von einer<br />

gerichtlichen Entscheidung unabhängige —<br />

Abschlussverfügung seinem Ende zugeführt und in<br />

das gerichtliche Verfahren (§§199 ff., §§156 ff.<br />

StPO/DDR) übergeleitet.“<br />

Wer diesen Satz aufmerksam liest, merkt sofort, dass der 5.<br />

Strafsenat des BGH das Tatbestandsmerkmal „Entscheidung“<br />

in der Begrifflichkeit des §244 StGB/DDR unter der<br />

408


Erich Buchholz<br />

Hand durch den Begriff „Abschlussverfügung“, also einen<br />

Begriff behördeninterner Entscheidung, ersetzt.<br />

Selbstverständlich trifft ein Staatsanwalt im Zuge des<br />

Ermittlungsverfahrens verschiedene Verfügungen, auch<br />

Abschlussverfügungen, ohne dass dies Entscheidungen im<br />

Sinne des §244 StGB/DDR sind.<br />

Daran ändert auch nichts, dass der 5. Strafsenat im Weiteren<br />

schreibt:<br />

„Der Prüfungsmaßstab („genügender Anlass zur<br />

Erhebung der öffentlichen Klage“ bzw. „hinreichender<br />

Tatverdacht“) ist derselbe (§170 Abs. 1,<br />

§203 StPO; §154, §187 Abs. 2, Nr. 2, Abs. 3, §193<br />

StPO/DDR).“ 67<br />

Dann geht der Senat unversehens dazu über, von einer „von<br />

einer gerichtlichen Entscheidung unabhängigen Verfügung“<br />

zu sprechen.<br />

Die Rede ist also nicht mehr von einer sachlichen<br />

Unabhängigkeit, wie sie ein Richter hat, sondern davon, dass<br />

der Staatsanwalt — der bekanntlich weisungsgebunden ist —<br />

kein Richter ist und seine Verfügungen im Ermittlungsverfahren<br />

„unabhängig vom Gericht“ trifft.<br />

Auch der nachfolgende Satz ist höchst aufschlussreich:<br />

„Dabei kommt der Anklage eine entscheidende<br />

Bedeutung zu.“<br />

Wiederum haben wir unter der Hand eine Vertauschung von<br />

Begriffen und Rechtsordnungen zu beobachten:<br />

War zunächst an die Stelle des Begriffes „Entscheidung“<br />

der Begriff „Abschlussverfügung“ gesetzt worden, so geht es<br />

jetzt statt um eine „Entscheidung“ um eine „entscheidende<br />

Bedeutung“.<br />

Natürlich haben viele Maßnahmen, auch solche eines<br />

Staatsanwalts, für den Betroffenen durchaus eine entschei-<br />

409


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

dende Bedeutung, ohne dass sie deswegen zugleich eine<br />

Entscheidung im Sinne des §244 StGB/DDR sein müssten<br />

oder könnten.<br />

Die vom 5. Strafsenat behauptete „entscheidende Bedeutung“<br />

sieht dieser Senat in Folgendem:<br />

„Sie“ — nämlich die Anklage — „bewirkt die weitere<br />

Zuständigkeit des Gerichts für die Beurteilung<br />

der Tat des Beschuldigten und ist damit Voraussetzung<br />

für eine mögliche spätere justizförmige<br />

Verurteilung. Dadurch greift die Anklage auch mit<br />

unmittelbarer Außenwirkung in die Rechtsstellung<br />

des Beschuldigten ein und verbringt ihn in ein<br />

möglicher Bestrafung näheres Stadium.“<br />

Die hier in Anspruch genommene und hervorgehobene<br />

„Außenwirkung“ der Erhebung einer Anklage ist offensichtlich<br />

eine Vorstellung, die dem bundesdeutschen Prozessrecht<br />

entnommen ist.<br />

Denn nach bundesdeutschem Prozessrecht bewirkt die<br />

Anklage die Einleitung eines „Zwischenverfahrens“, in dem<br />

der frühere Beschuldigte nunmehr ein „Angeschuldigter“<br />

geworden ist; erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens wird<br />

er Angeklagter.<br />

In diesem Zwischenverfahren hat der frühere Beschuldigten<br />

als Angeschuldigter durchaus eine andere rechtliche Position<br />

als zuvor.<br />

Der 5. Strafsenat weiß aber offenbar nicht — jedenfalls erörtert<br />

er diese Frage nicht —, dass das Strafprozessrecht der<br />

DDR kein Zwischenverfahren und folglich auch keinen<br />

„Angeschuldigten“ kannte.<br />

Er weiß auch nicht, dass in der DDR der inzwischen zum<br />

Angeklagten gewordene frühere Beschuldigte im Einklang<br />

mit dem Gesetz grundsätzlich die Anklage zugleich mit dem<br />

410


Erich Buchholz<br />

Eröffnungsbeschluss und der Ladung zum Termin der<br />

Hauptverhandlung erhielt.<br />

Es ist hier nicht zu erörtern, ob diese Regelung gut war;<br />

jedenfalls gab es in DDR kein Zwischenverfahren.<br />

Deshalb konnte in der DDR eine Anklage auch keine<br />

„unmittelbare Außenwirkung“ bewirken.<br />

Die Voraussetzung, von der der 5. Strafsenat bei seiner<br />

Annahme, die Anklageerhebung sei eine Entscheidung im<br />

Sinne des §244 StGB/DDR ausgeht, trifft also nicht zu.<br />

Es ist somit festzustellen, dass der 5. Strafsenat den bundesdeutschen<br />

Gerichten für die strafrechtliche Verfolgung von<br />

DDR-Staatsanwälten in Bezug auf das ausschließlich maßgebliche<br />

DDR-Recht eine sachlich-rechtlich fehlerhafte<br />

„Orientierung“ gab, wenn er Anklageerhebung durch DDR-<br />

Staatsanwälte als täterschaftlich begangene gesetzwidrige<br />

Entscheidung beurteilt wissen will.<br />

Was wir hier beim 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes<br />

erleben, ist Rechtsbeugung und Anstiftung zur Rechtsbeugung<br />

in Potenz.<br />

In gleicher das DDR-Recht entstellenden Weise verlangt der<br />

Bundesgerichtshof, dass das Stellen eines Antrages<br />

(auf Erlass eines Haftbefehls) ebenfalls als täterschaftlich<br />

begangene gesetzwidrige Entscheidung eines Staatsanwalts<br />

beurteilt wird.<br />

Zur Begründung dieser mit dem Recht der DDR unvereinbaren<br />

Auffassung wird zunächst davon ausgegangen, dass der<br />

Staatsanwalt sowohl in der Bundesrepublik wie auch in der<br />

DDR „Herr des Ermittlungsverfahrens“ ist bzw. war.<br />

Im Ermittlungsverfahren erfolgt die Verhaftung eines<br />

Beschuldigten „auf Antrag des Staatsanwalts“ §128 Abs. 2<br />

Satz 2 StPO, §124 StPO/DDR).<br />

411


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Der Bundesgerichtshof muss also einräumen, dass auch in<br />

der DDR der Staatsanwalt lediglich den Antrag auf Erlass<br />

eines Haftbefehls stellte und dass die Entscheidung darüber<br />

ausschließlich beim Richter liegt bzw. lag.<br />

So schrieb es Art. 100 der Verfassung der DDR vor.<br />

Dann führt der 5. Strafsenats weiter aus:<br />

„Ein Haftbefehl ist aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft<br />

es vor Anklageerhebung beantragt; eine<br />

Entlassungsanordnung kann bereits durch den Staatsanwalt<br />

ergehen (§120 Abs. 3 StPO, §133 StPO/DDR).“<br />

Welche Folgerungen der 5. Strafsenat hieraus ableiten möchte,<br />

spricht er nicht aus. Insbesondere unterschlägt der BGH,<br />

dass es sich in diesem Zusammenhang um die Aufhebung<br />

eines Haftbefehls bzw. die Entlassung aus der Untersuchungshaft<br />

handelt, also gerade nicht um den Antrag auf<br />

Erlass eines Haftbefehls, sondern das direkte Gegenteil.<br />

(Dass das Gericht vor Anklageerhebung, also bevor es mit der<br />

Sache überhaupt befasst wurde, nichts dagegen haben kann,<br />

dass ein Inhaftierter entlassen wird, versteht sich von selbst.<br />

Wenn man eine Entlassungsanordnung eines Staatsanwalts<br />

als Entscheidung im Sinn des §244 StGB/DDR ansehen<br />

möchte, dann würde sich daraus jedenfalls nichts für die<br />

Verfolgung von DDR-Staatsanwälten durch bundesdeutsche<br />

Gerichte und Justizbehörden ergeben.)<br />

Der Senat hatte zu Beginn dieser Erörterung auf die Möglichkeit<br />

hingewiesen, dass auch „im Ermittlungsverfahren<br />

täterschaftliche Rechtsbeugung durch einen Staatsanwalt in<br />

Frage“ komme. Diese Aussage ist zutreffend, aber aus dem<br />

Zusammenhang gerissen.<br />

Denn in jedem Fall entschied auch in der DDR stets ein<br />

Gericht über den Erlass eines Haftbefehls und den darauf<br />

412


Erich Buchholz<br />

gestützten Freiheitsentzug, niemals ein Staatsanwalt.<br />

Mithin widerspricht auch die Vorgabe des Bundesgerichtshofes,<br />

DDR-Staatsanwälte, die den Erlass eines Haftbefehl<br />

beantragt hatten, wegen täterschaftlich begangener Rechtsbeugung<br />

zu verurteilen, dem ausschließlich maßgeblichen<br />

DDR-Gesetz.<br />

6.10 Auch andere Strafsenate des Bundesgerichtshofs haben<br />

sich mit der Auslegung und Anwendung des Tatbestandes der<br />

Rechtsbeugung nach §244 StGB/DDR beschäftigt.<br />

In seiner Entscheidung vom 6. Oktober 1994 erklärt der 4.<br />

Strafsenat:<br />

Es sei<br />

„nur eine scheinbare Einschränkung des objektiven<br />

Tatbestandes, wenn §244 StGB/DDR eine<br />

‘gesetzwidrige’ Entscheidung verlangt, §336 StGB<br />

dagegen den weiteren Begriff einer Beugung des<br />

‘Rechts’ verwendet.“ (Letzgus in Festschrift für Helmrich,1994 S. 73, 81,<br />

82; a.A. Buchholz ZAP — Ost 1994, 187, 189; Roggemann a.a.O., S. 776).<br />

„§244 StGB/DDR enthält keine Freistellung eines<br />

Richters oder Staatsanwalts von der Beachtung<br />

allgemeiner, auch in der DDR anerkannter Rechtsgrundsätze<br />

wie zum Beispiel des Gebots der Verhältnismäßigkeit.<br />

Vielmehr gilt das geschriebene<br />

Recht (nur) im Rahmen der für seine Anwendung und<br />

Auslegung entwickelten allgemeinen Rechtsgrundsätze.<br />

Ein Verstoß gegen diese Grundsätze stellt<br />

somit eine gesetzwidrige Entscheidung dar.“ 68<br />

In markanter Feststellung ex cathedra verkündet dieser 4.<br />

Strafsenat, wie es in der DDR gewesen sein musste!<br />

Nicht einmal im Ansatz beschäftigt sich dieser Strafsenat mit<br />

der Frage, warum die DDR den Rechtsbeugungstatbestand<br />

413


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

anders fasste als das traditionelle Deutschland und nun auch<br />

die Bundesrepublik.<br />

Dem Senat genügt zu erwähnen, dass Buchholz anderer<br />

Ansicht ist.<br />

Natürlich weiß der Senat genau, dass Buchholz im Unterschied<br />

zu den beiden anderen Autoren ein Lehrer des<br />

Strafrechts in der DDR war und somit das DDR-Recht besser<br />

als andere kennt und vor allem auch weiß, warum die<br />

DDR-Regelung so und nicht anders geschaffen wurde.<br />

Das alles zählt nicht. Allein der Bundesgerichtshof bestimmt,<br />

dass §244 StGB/DDR genauso zu verstehen und auszulegen<br />

ist wie die bundesdeutsche Vorschrift, der §336 StGB!<br />

Was der 4. Strafsenat dann ausspricht, dass nämlich das<br />

geschriebene Recht nur im Rahmen allgemeiner Rechtsgrundsätze<br />

gelte, ist, gemessen am ausschließlich maßgeblichen<br />

DDR-Recht, eine flagrante offene Missachtung desselben.<br />

Wie bereits mehrfach betont, stellte das DDR-Recht aus<br />

Gründen der Rechtssicherheit insgesamt — nicht nur im<br />

Falle des §244 StGB — auf das geschriebene Recht, auf<br />

geschriebene Gesetze und andere Rechtsvorschriften, ab.<br />

Nach dem DDR-Recht durfte kein Richter oder Staatsanwalt<br />

sich an Stelle des geschriebenen Gesetzes auf allgemein anerkannte<br />

Rechtsgrundsätze stützen, auch nicht den der<br />

„Verhältnismäßigkeit“.<br />

Wo ein DDR-Richter oder -Staatsanwalt unter Bezugnahme<br />

auf ungeschriebene imaginäre allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze<br />

das geschriebene DDR-Recht beiseitegeschoben,<br />

verletzt hätte, hätte er sich des Verdachts einer Rechtsbeugung<br />

ausgesetzt.<br />

Dem bundesdeutschen Strafrichter muss insoweit Nachhilfeunterricht<br />

erteilt werden, als in der DDR die von ihr, von<br />

414


Erich Buchholz<br />

ihrer Rechtsordnung anerkannten Rechtsgrundsätze, um<br />

verbindlich zu werden, in positives Recht, in geschriebene<br />

Rechtsvorschriften transformiert worden waren.<br />

Was die Verhältnismäßigkeit betrifft, im Strafrecht also vornehmlich<br />

ein Problem der Strafzumessung, so enthielt §61<br />

StGB/DDR (wie auch weitere Rechtsvorschriften) dafür<br />

klare gesetzliche Vorgaben.<br />

Wenn ein DDR-Richter eine für unverhältnismäßig angesehene<br />

Strafe verhängt hätte, hätte dies am §61 und weiteren<br />

Vorschriften des Strafgesetzbuches zur Strafzumessung eindeutig<br />

festgemacht werden können und müssen.<br />

Jedenfalls ließ das DDR-Recht für die Anwendung allgemeiner<br />

(ungeschriebener) Rechtsgrundsätze als Grundlage der<br />

Rechtsprechung keinen Raum.<br />

Was hier wesentlich ist, ist:<br />

Es wird wiederum die bundesdeutsche Sichtweise zum<br />

Maßstab der Beurteilung von Handlungen, die dem DDR-<br />

Recht unterfielen, genommen. Wir erleben wiederum eine<br />

dem DDR-Recht fremde, dieses verletzende „Rechtsanwendung“<br />

durch eine fremde Justiz.<br />

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs geht aber noch weiter<br />

und erklärt:<br />

„Auch die Anwendung des geschriebenen Rechts, das<br />

nach seinem zwingenden Gesetzeswortlaut oder einer<br />

bestimmten menschenrechtswidrigen Auslegung gegen<br />

überpositives Recht verstößt, wird vom Normbereich<br />

des §244 StGB/DDR erfasst; gesetzliche Bestimmungen,<br />

die den ‘Kernbereich des Rechts’ verletzen... können<br />

von vornherein keine rechtliche Wirkungskraft<br />

entfalten. Einer darauf gestützten Entscheidung<br />

fehlt die Rechtsgrundlage; sie ist gesetzwidrig.“<br />

(Es wird dann wieder auf die vorgenannte und andere<br />

Literatur verwiesen).<br />

415


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Das ist schon ungeheuerlich:<br />

Hier maßt sich ein Senat des Bundesgerichtshofes an,<br />

bestimmte — allerdings ungenannt bleibende — ihm missfallende<br />

gesetzliche Bestimmungen des DDR-Rechts, die der<br />

Gesetzgeber eines anderen souveränen Staates, der DDR,<br />

gemäß seiner auch vom BVerfG anerkannten Rechtssetzungsfreiheit<br />

erlassen hatte, entgegen dem Einigungsvertrag<br />

zu solchen zu erklären, die „von vornherein keine<br />

rechtliche Wirkungskraft entfalten“ können, mit der<br />

Folgerung, dass darauf gestützten Entscheidungen die<br />

Rechtsgrundlage fehle und betreffende DDR-Richter und -<br />

Staatsanwälte, die sich an die Gesetze ihres Staates hielten,<br />

wegen Rechtsbeugung verurteilt werden können.<br />

Ganz abgesehen davon, dass solche „Rechtsanmaßung“ dem<br />

Grundlagenvertrag zuwiderläuft und auch die klare Aussage<br />

des Einigungsvertrages missachtet, ist bei „Kulturvölkern“<br />

und „in völkerrechtlichen Konventionen und Abkommen“<br />

dergleichen „kolonialistische Einmischung“ und „Fremdjustiz“<br />

in der Rechtsgeschichte ohne Beispiel.<br />

Der 4. Strafsenat hat es vorliegend nicht einmal unternommen,<br />

sich mit Radbruch, dessen so genannte Radbruch’sche<br />

Formel durch die bundesdeutsche Justiz gegen die DDR aktiviert<br />

wurde, und auf den er sich offensichtlich bezieht, sachlich<br />

auseinander zu setzen.<br />

Dass der 4. Strafsenat im vorliegenden Falle letztlich doch zu<br />

einer für den Angeklagten günstigen Entscheidung gelangte<br />

(auf die Revisionen der Angeklagten wurde das landgerichtliche<br />

Urteil aufgehoben, deren Entscheidung habe weder<br />

gegen überpositives Recht noch gegen Recht der DDR verstoßen,<br />

wenngleich sie rechtsstaatlichen Anforderungen nicht<br />

genügte), ändert nichts an der Unerträglichkeit der kundgetanen<br />

Rechtsanmaßung, unzulässiger Fremdrechtsanwendung<br />

und Fremdjustiz.<br />

416


Erich Buchholz<br />

6.11 Allerdings soll nicht übersehen werden, dass dieser<br />

Strafsenat im weiteren bemerkenswerte Aussagen zur<br />

Auslegung trifft, die wir nicht übersehen wollen:<br />

„Die Maßstäbe für die Grenzen zulässiger<br />

Auslegung von Strafgesetzen unterscheiden sich<br />

wie die Rechtsanwendung in der DDR nicht grundsätzlich<br />

von denen der Bundesrepublik<br />

Deutschland. Danach richtet sich die Auslegung<br />

nach dem Sinn und Zweck der Norm, begrenzt durch<br />

den Wortlaut. Die Grenzen möglicher Wortbedeutung<br />

dürfen nicht überschritten werden. Zu beachten<br />

ist dabei freilich, dass die Grenzen zwischen<br />

zulässiger Auslegung und verbotener Ausdehnung<br />

einer Strafrechtsnorm flüssig sind, da die Wortlautschranke<br />

wegen der Manipulierbarkeit des<br />

Sprachgebrauchs nur beschränkt leistungsfähig<br />

ist.“ (In diesem Zusammenhang wird auf verschiedene<br />

Literatur hingewiesen, die das am Beispiel der bundesdeutschen<br />

Rechtsprechung überdeutlich vermittelt).<br />

Der 4. Strafsenat setzt dann fort:<br />

„Dies gilt insbesondere für die gerade in der<br />

Gesetzgebung totalitären Staaten wie der DDR<br />

besonders häufig verwendeten offenen Rechtsbegriffe.“<br />

(Dass solche offenen Rechtsbegriffe auch in der<br />

bundesdeutschen Rechtsordnung sehr verbreitet sind, wozu<br />

es eine besondere Judikatur gibt, scheint den Richtern dieses<br />

4. Strafsenats an dieser Stelle entfallen zu sein).<br />

In seiner Entscheidung vom 30. November 1995 hat derselbe<br />

Strafsenat immerhin auch folgende zutreffende Aussage<br />

gemacht: 69<br />

„Aus der Übereinstimmung der formalen Auslegungsmethoden<br />

ergibt sich aber nicht, dass der-<br />

417


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

selbe Begriff in den Rechtsordnungen der DDR und<br />

der Bundesrepublik Deutschland notwendig gleich<br />

definiert werden müsste mit der Folge, dass es<br />

nur eine ‘richtige’ Auslegung gäbe. Vielmehr ist<br />

zu beachten, dass der jeweilige Wortsinn beeinflusst<br />

wird von geschichtlichen, kulturellen und<br />

soziologischen Rahmenbedingungen. Kann deren<br />

Wechsel schon innerhalb derselben Rechtsordnung<br />

zu einer abweichenden Auslegung führen (vgl.: NJW<br />

1995, 1141 zum Wandel des Gewaltbegriffs in §240 StGB), so gilt<br />

dies erst recht, wenn Gegenstand der Betrachtung<br />

die Rechtsordnungen zweier Staaten mit einem<br />

grundlegend voneinander abweichenden Staats- und<br />

Rechtsverständnis sind. Maßstab für die Ermittlung<br />

des möglichen Wortsinnes einer Gesetzesbestimmung<br />

der DDR können deshalb nicht die<br />

Wertvorstellungen der Bundesrepublik Deutschland<br />

sein... Vielmehr ist — mit der unter II 1a dargestellten<br />

Einschränkung — auf das Rechtssystem<br />

der DDR abzustellen, dessen Verständnis von<br />

‘sozialistischer Gerechtigkeit’ insbesondere in<br />

den Verlautbarungen des Obersten Gerichts und den<br />

Auslegungsrichtlinien des Justizministeriums in<br />

den von ihm herausgegebenen einschlägigen Kommentaren<br />

seinen Ausdruck gefunden hat...“ (UA S. 7).<br />

So anerkennenswert diese realistischen Aussagen sind, sie<br />

wurden ja ausdrücklich durch die oben genannte Einschränkung<br />

relativiert.<br />

Letztlich bleibt:<br />

Wir bundesdeutschen Richter berücksichtigen das DDR-<br />

Recht und die dort geltenden Auslegungsrichtlinien nur,<br />

soweit wir dies wollen bzw. so weit wir nicht unter Rückgriff<br />

auf überpositives Recht dieselben nicht akzeptieren wollen.<br />

418


Die gleiche „Doppelstrategie“, auf der einen Seite zu erklären,<br />

vom DDR-Recht auszugehen und dieses zur Grundlage<br />

nehmen zu wollen, und auf der anderen Seite das DDR-<br />

Recht dadurch auszuhebeln, dass „übergesetzliches Recht“<br />

und „allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze“ herangezogen<br />

und über das DDR-Recht gestülpt werden, findet<br />

sich in zahlreichen anderen Entscheidungen der Strafsenate<br />

des BGH.<br />

So erklärt der 3. Strafsenat in seinem Urteil vom 5. Juli 1995:<br />

„Das geschriebene Recht der DDR in der durch die<br />

damals herrschende Auslegungspraxis festgelegten<br />

Gestalt ist jedoch nicht ausschließlicher und<br />

letzter Maßstab für die Beurteilung, ob eine<br />

richterliche Entscheidung gesetzwidrig i.S. des<br />

§244 StGB/DDR war. Das richterliche Handeln war<br />

auch dann gesetzwidrig, wenn die Rechtsanwendung<br />

in einem offensichtlichen und unerträglichen<br />

Widerspruch zu elementaren Geboten der Gerechtigkeit<br />

und völkerrechtlich geschützten Menschenrechten<br />

bestand.“ (Dazu wird dann auf andere<br />

Entscheidungen des BGH verwiesen.) 70<br />

Auch dieser Strafsenat erklärt also wie andere Strafsenate<br />

des BGH unmissverständlich, sich nicht ausschließlich am<br />

DDR-Recht, dem Tatzeit-Recht, orientieren zu wollen.<br />

Unter Heranziehung von „elementaren Geboten der<br />

Gerechtigkeit“ und unter Bezugnahme auf „völkerrechtlich<br />

geschützte Menschenrechte“ wird das DDR-<br />

Recht und seine Anwendung im Rahmen der DDR-<br />

Rechtsordnung dann beiseitegeschoben, wenn man eine<br />

Verurteilung erreichen möchte.<br />

Das ist Willkür.<br />

Erich Buchholz<br />

419


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Das jeweilige bundesdeutsche Strafgericht maßt sich an zu<br />

befinden, wann es das DDR-Recht und die DDR-Rechtsprechung<br />

anerkennen möchte und wann nicht.<br />

6.12 Demgegenüber wird in der gleichen Entscheidung unter<br />

dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit anerkannt, dass die<br />

Strafverfolgung (von DDR-Richtern und -Staatsanwälten<br />

wegen Rechtsbeugung) „durch das verfassungsrechtliche<br />

Verbot einer nachträglichen Begründung der<br />

Strafbarkeit begrenzt“, also durch das Rückwirkungsverbot<br />

(auf das in anderem Zusammenhang noch weiter<br />

unten zurückzukommen sein wird), sei.<br />

„Diese Schranke wäre durchbrochen, wenn §244<br />

StGB/DDR in dem Sinne ausgelegt würde, dass die<br />

Gesetzwidrigkeit der richterlichen Entscheidung<br />

allein schon wegen der aus der Unvereinbarkeit<br />

mit dem Grundgesetz abgeleiteten Rechtsstaatswidrigkeit<br />

des DDR-Rechts begründet wäre.“<br />

In gleichem Sinne meint derselbe Strafsenat des BGH in seiner<br />

Entscheidung vom 15. November 1995: 71<br />

Es genüge nicht, „dass das richterliche Handeln<br />

gegen rechtsstaatliche Gebote im Sinne der<br />

Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland<br />

verstieß. Nur im Kernbereich des Rechts, in dem<br />

rechtsstaatliche Regeln mit elementaren Mindestanforderungen<br />

übereinstimmen... folgt aus dem<br />

Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze zugleich<br />

auch die Gesetzwidrigkeit im Sinne des<br />

§244 StGB/DDR.“<br />

Zwar wird auch in dieser Entscheidung zunächst verbal anerkannt,<br />

dass die Anwendung des DDR-Rechts nicht an der<br />

Rechtsordnung der Bundesrepublik gemessen werden<br />

könne, aber dann wird über den Umweg allgemein aner-<br />

420


Erich Buchholz<br />

kannter Prinzipien der Gerechtigkeit und der Menschenrechte<br />

ein Weg gefunden, „Gesetzwidrigkeit im<br />

Sinne des §244 StGB/DDR“ zu bejahen, obzwar die betreffende<br />

Entscheidung durchaus in Einklang mit dem DDR-<br />

Gesetz erging.<br />

Weiter heißt es:<br />

„Der Annahme rechtsverbindlicher Geltung dieser<br />

elementaren Forderungen“ — Gerechtigkeit und Menschenrechte<br />

— „auch in der DDR steht nicht entgegen,<br />

dass nach deren Staatspraxis das geschriebene<br />

Recht nicht an beschränkenden Regeln überpositiven<br />

Rechts zu messen war.“<br />

Die Richter des 3. Strafsenats wissen also ganz genau, dass<br />

das geschriebene Recht der DDR nicht an überpositivem<br />

Recht zu messen war, allerdings nicht, wie der 3. Strafsenat<br />

meint, „nach deren Staatspraxis“, sondern, wie<br />

unschwer der Verfassung der DDR (Art. 96 i.V.m. Art. 89) zu<br />

entnehmen ist, nach der verfassungsrechtlichen Rechtslage in<br />

der DDR. 72<br />

So weit allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze in der DDR<br />

verbindlich sein sollten, wurden diese in den betreffenden<br />

Rechtsvorschriften, angefangen von der Verfassung über die<br />

Grundsätze im StGB bis zu den Einzelregelungen, klar und<br />

eindeutig im geschriebenen Gesetz formuliert.<br />

Die Rechtsordnung der DDR war im Interesse der Rechtssicherheit<br />

ausdrücklich und bewusst so gestaltet und ausformuliert<br />

worden, dass klar und unmissverständlich war, welche<br />

allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze in welcher Transformation<br />

des DDR-Rechts galten.<br />

Weiterhin übersehen die der DDR und dem DDR-Recht<br />

fremd gegenüber stehenden bundesdeutschen Richter, dass<br />

es in der DDR um sozialistische Gerechtigkeit ging.<br />

421


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Dieses Attribut wurde ausdrücklich im §61 StGB/DDR festgeschrieben,<br />

um klarzustellen, dass nicht eine irgend wie allgemeine<br />

oder gar bundesdeutsche Gerechtigkeitsvorstellung<br />

gemeint ist, sondern solche, die den Prinzipien der sozialistischen<br />

Verfassung der DDR entsprechen.<br />

Als wenn die Richter des 3. Strafsenats ahnen, welcher<br />

Vorwurf ihnen gemacht werden könnte, erklären sie:<br />

„Die Berücksichtigung von elementaren Geboten<br />

der Gerechtigkeit und des Menschenrechtsschutzes...<br />

bedeutet daher nicht die Übertragung<br />

fremder Rechtsgrundsätze auf das Recht der DDR,<br />

sondern die Beachtung der auch in diesem Recht<br />

immanenten Schranken.“<br />

Allerdings müssen sich die Richter das 3. Strafsenats trotz<br />

dieser Ausdeutung vorhalten lassen, dass sie mit den<br />

Begriffen „Gerechtigkeit“ und „Menschenrechtsschutz“ eine<br />

andere Vorstellung verbinden als die Bedeutung, die diese<br />

Begriffe in der DDR hatten.<br />

Es ergibt sich also auch nach diesen Erwägungen der Richter<br />

des 3. Strafsenats des BGH, dass die bundesdeutschen<br />

Richter letztendlich gegen das geschriebene DDR-Recht,<br />

contra legem scriptam, fremde Wertvorstellungen und<br />

Maßstäbe für die Beurteilung von Handlungen nach DDR-<br />

Recht heranziehen und zugrundelegen.<br />

Im konkreten Falle wird weiter ausgeführt, dass „die<br />

Rechtsanwendung durch DDR-Richter im Falle einer<br />

extensiven Gesetzesauslegung bis an die Grenze zu<br />

unerträglichen und offensichtlichen Verstößen<br />

gegen Grundgebote der Gerechtigkeit und des völkerrechtlich<br />

anerkannten Menschenrechtsschutzes<br />

hingenommen werden“ muss.<br />

Dann aber wird unter Bezugnahme auf die Erfindung des 5.<br />

422


Erich Buchholz<br />

Strafsenats von der „Überdehnung von Straftatbeständen“<br />

erklärt:<br />

„Liegt dagegen eine diese Grenze überschreitende<br />

Überdehnung“ (!?) „des... Tatbestands unter<br />

Missachtung der auch in der DDR verbindlichen<br />

Auslegungsschranken möglicher Wortbedeutung vor,<br />

steht der Annahme gesetzwidriger Entscheidung<br />

i.S.v. §244 StGB/DDR nicht entgegen, dass die<br />

richterliche Handlung mit der herrschende<br />

Rechtsprechungspraxis in der DDR im Einklang<br />

gestanden haben mag.“<br />

An dieser Aussage wird erneut das fremdartige und willkürliche<br />

Herangehen der bundesdeutschen Richter deutlich.<br />

War eine extensive Auslegung bis an die Grenze des<br />

Erträglichen in dem Satz zuvor noch konzidiert worden, so<br />

wird jetzt von einer „Überdehnung des Deliktstatbestandes“<br />

gesprochen, die unter Missachtung der auch in der DDR verbindlichen<br />

Auslegungsschranke möglicher Wortbedeutung<br />

zustande gekommen sein soll. Es bleibt das Geheimnis der<br />

Richter diese Strafsenats, wie eine extensive Gesetzesauslegung<br />

bis an die Grenze des Erträglichen noch hingenommen<br />

werden solle, aber eine „Überdehnung“ unter Missachtung<br />

der Auslegungsschranke und der Wortlautschranke<br />

dann, ohne dass ein klarer Gesetzesverstoß, eine klare Überschreitung<br />

des Gesetzeswortlauts auszumachen ist, gesetzwidrig<br />

sein soll.<br />

6.13 Es ist schon bemerkenswert, dass in all den betreffenden<br />

Rechtsbeugungsverfahren die bundesdeutschen Richter<br />

offenbar keinen einzigen Fall einer klaren Gesetzesverletzung<br />

haben aufspüren können, sodass sie sich, um zu einer<br />

Verurteilung von DDR-Richtern und -Staatsanwälten zu<br />

423


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

gelangen, genötigt gesehen haben, derartige juristische<br />

Konstruktionen zu verfolgen.<br />

Nicht einmal in „politischen“ Strafsachen konnten die<br />

bundesdeutschen Richter klare und eindeutige Gesetzesverstöße<br />

als Beweis des Unrechtsstaates DDR vorweisen.<br />

Ebendeshalb waren sie zu derart eigenwilligen Interpretationen<br />

genötigt, insbesondere auch zur Erfindung einer<br />

„Überdehnung eines Deliktstatbestandes“.<br />

In diesen Zusammenhang gehörte eine weitere Eigentümlichkeit,<br />

nämlich die eigenartige Kombination von Tatbestandserfüllung<br />

und Strafzumessung, auf die schon hingewiesen<br />

wurde.<br />

Auch in der Bundesrepublik ist die Unterscheidung von<br />

Schuldspruch und Strafausspruch und die Beachtung der<br />

Abfolge selbstverständlich:<br />

Erst wenn die strafrechtliche Schuld festgestellt worden ist,<br />

kann zur Strafzumessung übergegangen werden.<br />

Auch in der bundesdeutschen Literatur war zuvor nirgends<br />

zu finden, dass das Strafmaß von dem „Grad der Erfüllung<br />

des Tatbestand“ abhängen soll.<br />

Denn entweder war der Tatbestand erfüllt oder nicht; insoweit<br />

gibt es eine eindeutige Alternative: entweder — oder.<br />

Weder der §46 des bundesdeutschen StGB, noch die einschlägigen<br />

Kommentare, Lehrbücher und Fachzeitschriften<br />

anerkennen als Strafzumessungsgesichtspunkt, dass die<br />

Tatbestandserfüllung bedenklich oder zweifelhaft sei beziehungsweise<br />

in welchem Grade oder Maße sie vorliege.<br />

Die Erfindung dieser Kombination von nur bedingter<br />

Anerkennung der Tatbestandsmäßigkeit und Strafzumessung<br />

ist eine fantastische, einmalige Erfindung der bundesdeutschen<br />

Justiz zum Zwecke der Verfolgung von DDR-Richtern<br />

und -Staatsanwälten wegen Rechtsbeugung.<br />

424


Erich Buchholz<br />

Der 3. Strafsenat formuliert dies mit hervorragender Eindeutigkeit,<br />

indem er die Auffassung des 5. Strafsenats des<br />

BGH teilt, „dass die Grenzen des unter dem<br />

Gesichtspunkt der Rechtsbeugung noch zulässigen<br />

Strafens dann enger gezogen sind, wenn es um<br />

Fälle geht, in denen die Annahme der Tatbestandserfüllung<br />

nur noch eben hinnehmbar ist.“ 73<br />

Der 3. Strafsenat geht zwar davon aus, dass in der DDR allgemein<br />

ein höheres Strafniveau existiert habe und will dies<br />

auch bei der Beurteilung der von DDR-Richtern verhängten<br />

Strafen berücksichtigt wissen.<br />

Gleichwohl könne eine Rechtsfolgen-Rechtsbeugung dann<br />

vorliegen, „wenn sich die Bemessung der Strafe von<br />

dem auch in der DDR geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz<br />

...so deutlich entfernt, dass die<br />

Bestrafung in einer sich selbst einem politisch<br />

indoktrinierten Richter aufdrängenden Weise als<br />

Willkür und damit für das Gerechtigkeitsempfinden<br />

unerträglich erscheint.“<br />

Dass der Inhalt und das Verständnis der Verhältnismäßigkeit<br />

— bzw. des Proportionalitätsprinzips, wie wir in der DDR formulierten<br />

— sich von dem eines bundesdeutschen Richters<br />

deutlich unterscheidet, wurde bereits betont.<br />

Wenn dieser Unterschied nicht beachtet wird, kommt es<br />

zwangsläufig dazu, dass bundesdeutsche Bewertungsmaßstäbe<br />

auf DDR-Recht und -Rechtsanwendung übertragen<br />

werden.<br />

6.14 Nicht übersehen werden darf in diesem Zusammenhang<br />

die Formulierung von einem „politisch indoktrinierten“<br />

Richter.<br />

Ein solcher Terminus war seinerzeit in Bezug auf NS-<br />

Verbrechen bzw. NS-Richter entwickelt worden.<br />

425


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

U.a. war mit der Konstruktion des „irrenden Gewissens“ für<br />

diese ein Weg erfunden worden, um sie einer Bestrafung zu<br />

entziehen. (In diesen Zusammenhang muss auf den Beschluss<br />

des Großen Strafsenats des Bundesgerichtshofs zum Verbotsirrtum<br />

vom 18. März 1952 hingewiesen werden, worauf an<br />

dieser Stelle nicht näher eingegangen werden kann)<br />

Was aber vorliegend die Richter das 3. Strafsenats in der<br />

erwähnten Aussage ausdrücken, ist schon bösartig. 74<br />

Es wird unterstellt, dass DDR-Richter — im Unterschied zu<br />

den bundesdeutschen Richtern — politisch indoktriniert<br />

gewesen sein sollen.<br />

Was das sein soll, wird nicht erklärt; augenscheinlich kann es<br />

sich doch wohl nur darum handeln, dass ein DDR-Richter<br />

politisch anderen Vorstellungen und Zielen folgte als bundesdeutsche<br />

Richter.<br />

Denn bei einer angenommenen Kongruenz politischer<br />

Anschauungen von DDR-Richtern und bundesdeutscher<br />

Richter dürften diese in Bezug auf die anderen nicht von<br />

einer „politischen Indoktrination“ gesprochen haben.<br />

Die Fremdbewertung springt wieder ins Auge.<br />

Dann aber wird unterstellt, dass solchen „politisch indoktrinierten“<br />

Richtern sich aufgedrängt haben müsse, dass sie im<br />

Widerspruch zu dem auch in der DDR geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz<br />

Strafen verhängt hätten.<br />

Wie das gehen soll, bleibt das Geheimnis der Richter dieses<br />

Strafsenats.<br />

Denn der „politisch indoktrinierte“ Richter hielt seine nach<br />

den Maßstäben sozialistischer Gerechtigkeit getroffene<br />

Entscheidung doch für gerecht!<br />

Wie soll sich ihm aufgedrängt haben, dass die von ihm verhängte<br />

Strafe „Willkür und damit für das Gerechtigkeitsempfinden<br />

unerträglich“ (gewesen) sein soll?<br />

Um es ganz deutlich zu sagen:<br />

426


Erich Buchholz<br />

Die Annahme einer „politischen Indoktrination“ ist Tatfrage,<br />

betrifft Tatsächliches und nicht rechtliche Wertung.<br />

Ebenso ist die Unterstellung bzw. Annahme, dass sich diesem<br />

Richter aufgedrängt haben müsse, dass er willkürlich und<br />

gegen das Gerechtigkeitsempfinden bestrafe, Tatfrage und<br />

betrifft etwas Tatsächliches und nicht eine juristische<br />

Bewertung.<br />

Da dergleichen tatsächliche Feststellungen vom Tatrichter<br />

nicht getroffen worden waren (es gab keine Beweise dafür),<br />

durfte das Revisionsgericht nach dem bundesdeutschen<br />

Revisionsrecht solche Tatsächlichkeit nicht von sich aus<br />

annehmen beziehungsweise unterstellen.<br />

Wir erleben hier wiederum eine — noch dazu vom<br />

Revisionsgericht geschaffene — Sachverhaltsverfälschung,<br />

indem dem DDR-Richter sowohl politische Indoktrination<br />

als auch die „Tatsache“ unterstellt wird, dass sich ihm aufgedrängt<br />

habe, er habe „willkürliche und für das<br />

Gerechtigkeitsempfinden unerträgliche“ Strafen verhängt.<br />

Offenbar gehen Sachverhaltsverfälschung (in Gestalt<br />

der Unterstellung) und Fremdbewertung Hand in Hand.<br />

Schließlich ist für ein Gericht, das Rechtsstaatlichkeit für sich<br />

in Anspruch nimmt, schon bemerkenswert, dass es sich auf<br />

Gerechtigkeitsempfinden festmachen lässt.<br />

Kurzum:<br />

Alles ist bei den Strafsenaten des Bundesgerichtshofes dermaßen<br />

schwammig und unbestimmt und von subjektiven<br />

Vorurteilen diktiert, dass bei der Verfolgung von DDR-Richtern<br />

und -Staatsanwälten letztendlich Willkür durchbricht.<br />

6.15 Der 4. Strafsenat bringt in seiner Entscheidung vom 30.<br />

November 1995 — obzwar auch in diesem Falle letztlich die<br />

Angeklagten freigesprochen wurden — folgende bemerkenswerte<br />

Aussage zu Stande:<br />

427


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Zunächst wird zutreffend erklärt:<br />

„Grundsätzlich ist daher davon auszugehen, dass<br />

Staatsanwälte und Richter gesetzmäßig handelten,<br />

wenn sie sich bei der Auslegung der zur Tatzeit<br />

geltenden Gesetze der DDR an die einschlägigen<br />

Kommentare und die verlautbarte Rechtsmeinung<br />

des Obersten Gerichts ausrichteten.“<br />

Das ist auch ganz normal.<br />

Auch in der Bundesrepublik wird man den dortigen Richtern<br />

und Staatsanwälten nicht allzu viel vorwerfen können, wenn<br />

sie sich an die Rechtsprechung des BGH und des Bundesverfassungsgerichts<br />

und die einschlägigen Kommentare halten.<br />

Allerdings beschränkt der 4. Strafsenat diese klare Erkenntnis<br />

gleich danach; denn er hält Ausnahmen für denkbar.<br />

„Ergab sich erst aus der weiten Auslegung einer<br />

Norm, deren Wortlaut auch eine andere menschenrechtsfreundliche<br />

Deutung zuließ, ein elementarer<br />

Verstoß gegen Menschenrechte, so kann eine<br />

solche Auslegung auch dann als Rechtsbeugung zu<br />

werten sein, wenn sie der Rechtsmeinung des<br />

Obersten Gerichts oder anderer staatlichen<br />

Stellen entsprach.“ 75<br />

Insoweit von weiter Auslegung die Rede ist, so weiß jeder<br />

Jurist, dass Auslegung — solange es sich um Auslegung handelt<br />

— noch keinen Gesetzesverstoß darstellt.<br />

(Im übrigen war bereits an anderer Stelle auch eine extensive<br />

Auslegung für hinnehmbar erklärt worden).<br />

Da Gesetze überall durchaus unterschiedlich ausgelegt werden<br />

können — ein Großteil der Ausbildung der Juristen<br />

beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Möglichkeiten der<br />

Auslegung betreffender Gesetze — bleibt jede Auslegung,<br />

solange sie Auslegung ist, noch vor einem Gesetzesverstoß.<br />

Die Auslegung hatte in der DDR der Verfassung zu entspre-<br />

428


Erich Buchholz<br />

chen; in der Bundesrepublik muss sie mit dem Grundgesetz<br />

vereinbar sein.<br />

Daher wird auch von einer verfassungs- bzw. grundgesetzgemäßen<br />

(bzw. -konformen) Auslegung gesprochen.<br />

Von einer menschenrechtsfreundlichen Auslegung hat man<br />

jedoch in der Bundesrepublik zuvor nichts gehört; diese<br />

wurde erst gegen DDR-Hoheitsträger erfunden.<br />

Wieso dann aber eine Auslegung ein elementarer Verstoß<br />

gegen Menschenrechte sein soll, wenn das Gesetz sowohl<br />

eine menschenrechtsfreundliche als auch eine menschenrechts-unfreundliche<br />

Auslegung zulässt, erklären die Bundesrichter<br />

des 4. Strafsenats nicht.<br />

Schließlich das Vorliegen einer Rechtsbeugung davon abhängig<br />

zu machen, ob „sie der Rechtsmeinung des<br />

Obersten Gerichts oder anderer staatlichen<br />

Stellen entsprach“, ist nicht minder willkürlich.<br />

In den betreffenden Fällen war für die DDR-Richter und<br />

-Staatsanwälte nicht maßgeblich, ob irgendwelche Meinungen,<br />

seien es auch Rechtsmeinungen, bestanden, sondern der<br />

Umstand, dass das Oberste Gericht der DDR in seiner<br />

Rechtsprechung bzw. in seiner auf gesetzlicher Grundlage in<br />

Auswertung der Rechtsprechung vorgenommenen Vermittlung<br />

von Orientierungen Auslegungsregeln entwickelt hatte,<br />

von denen sich in der DDR die Richter und Staatsanwälte —<br />

ähnlich wie in der Bundesrepublik — leiten ließen.<br />

Der Senat setzt dann fort:<br />

„Gleiches gilt, wenn die Auslegung die Schranken<br />

möglicher Wortbedeutung augenfällig überschritt<br />

oder unbestimmte Rechtsbegriffe derart überdehnte,<br />

dass die Erkennbarkeit und Vorhersehbarkeit<br />

strafbaren Verhaltens für den Normadressaten<br />

429


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

weithin aufgehoben war.“ (hier bezog sich der Senat auf<br />

ein Urteil des 5. Strafsenats vom 15. September 1995.) 76<br />

Das Überschreiten der Schranken möglicher Wortbedeutung,<br />

nicht des Wortlauts wäre schon ein interessantes Thema der<br />

Diskussion über die Schranken der Auslegung; allerdings ist<br />

in den bekannt gewordenen Verfahren gegen DDR-Richter<br />

und -Staatsanwälte das Überschreiten der Schranken möglicher<br />

Wortbedeutung niemals aktuell geworden.<br />

Was die Überdehnung unbestimmter Rechtsbegriffe betrifft,<br />

so haben wir diese Problematik schon deutlich gemacht.<br />

Soweit dann darauf abgestellt wird, „dass die Erkennbarkeit<br />

und Vorhersehbarkeit strafbaren Verhaltens<br />

für den Normadressaten weithin aufgehoben“<br />

sein soll, so erscheint hier der Satz vom Glashaus und den<br />

Steinen angebracht.<br />

Denn in der DDR war ganz allgemein die Voraussehbarkeit<br />

der Entscheidungen der Gerichte — auch in „politischen“<br />

Strafsachen — viel größer, als sie die ehemaligen Bürger der<br />

DDR heute in der Bundesrepublik erleben.<br />

Und was die betreffenden Realvorgänge betrifft:<br />

Die seinerzeit in der DDR verurteilten Personen haben stets<br />

genau gewusst, was sie taten; sie waren sich durchweg vor<br />

ihrer Tatbegehung dessen bewusst, dass sie mit einer<br />

Strafverfolgung zu rechnen hatten.<br />

Das wurde auch in den betreffenden Beweisaufnahmen vor<br />

bundesdeutschen Gerichten immer wieder festgestellt.<br />

In den Verfahren gegen DDR-Richter und -Staatsanwälte ist —<br />

so weit hier bekannt — kein einziger Fall aufgekommen, in dem<br />

die seinerzeit Verurteilten jetzt erklärten, von der Verfolgung,<br />

Verurteilung und Bestrafung überrascht worden zu sein.<br />

430


Erich Buchholz<br />

In vielen Fällen hatten die damaligen Verurteilten es gerade<br />

auf die Verurteilung, und zwar zu Freiheitsentzug, abgesehen,<br />

vielfach gerade zu dem Zweck, um auf diesem Wege über<br />

einen „Freikauf“ in die Bundesrepublik zu gelangen.<br />

In anderen Fällen wollten sie testen, wie die DDR-Staatsmacht<br />

reagiert; das Risiko einer Strafverfolgung hatten sie<br />

also bewusst in Kauf genommen.<br />

Solches gilt erst recht für staatsfeindliche Verbrechen, z.B. für<br />

Spionage.<br />

Sicher gab es Fälle, in denen die Verurteilten mit einer geringeren<br />

Strafe gerechnet oder auf solche gehofft hatten; es gab<br />

aber auch Fälle, in denen sie eine geringere Strafe erhielten<br />

als sie selbst erwartet hatten.<br />

6.16 Schließlich soll noch auf eine interessante Entscheidung<br />

des 4. Strafsenats des Kammergerichts vom 20. März 1998<br />

eingegangen werden. 77<br />

In dieser wird nämlich nicht nur auf das andere Rechtssystem<br />

und die „Einbindung der DDR-Justiz in das politische<br />

System“ als berücksichtigenswert hingewiesen, sondern auch<br />

„auf die Auswirkungen zeitgebundener Konfliktlagen in der<br />

Konfrontation zwischen den Machtblöcken in Ost und West,<br />

deren Verbindungen zur innerstaatlichen Situation in der<br />

DDR und die Auswirkungen auf die Strafrechtsprechung, insbesondere<br />

auch auf die Höhe verhängter Strafen.“<br />

Nicht in allen Entscheidungen zur Verfolgung von DDR-Richtern<br />

und -Staatsanwälten wegen Rechtsbeugung wird dieser<br />

gewichtige weltpolitische Aspekt erkannt und so betont.<br />

Des weiteren wird außer auf den Vertrauensschutz zu Gunsten<br />

der DDR-Richter und -Staatsanwälte bei Verfolgung vor<br />

bundesdeutschen Gerichten auch darauf hingewiesen, dass<br />

auch das Schuldstrafrecht diesen zugute kommen müsse.<br />

431


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

„Für die Betrachtung, ob ein unerträglicher Willkürakt<br />

vorliegt, müssen daher die in der DDR<br />

herrschenden Wertvorstellungen zur Tatzeit maßgeblich<br />

sein.“<br />

„Besonders beachtlich ist auch die Berücksichtigung<br />

zeitgebundener Wandlungen im Verständnis von<br />

Strafe und Strafrechtsfunktionen. Zu Gunsten der<br />

DDR-Juristen sind dabei eine etwaige besonders<br />

angespannte politische Lage zur Tatzeit, eine<br />

durch entsprechende Staatspropaganda vermittelte<br />

und weiten Bevölkerungskreisen als krisenhaft<br />

empfundene Situation sowie die Konfrontation von<br />

West und Ost und ideologische Konkurrenz der<br />

Machtblöcke zu berücksichtigen, da solche Umstände<br />

auch an der Rechtsprechung nicht spurlos<br />

vorübergehen konnten und gerade die in der SED-<br />

Diktatur ohnehin instrumentalisierte Rechtsprechung<br />

zusätzlich einflossen.“<br />

So weit in dieser Aussage auch die Einsicht enthalten ist, dass<br />

gleiches — mehr oder weniger — jedenfalls auch in der<br />

Bundesrepublik galt (man denke an die Kommunistenverfolgung<br />

in den fünfziger Jahren), ist dem zuzustimmen.<br />

„Der Umstand, dass die DDR jegliche spektakuläre<br />

Kritik an ihrem freiheitsbeschränkenden Staatswesen<br />

für gefährlich und strafwürdig erachtete,<br />

muss Richtern der DDR bei der Bewertung ihrer<br />

jeweiligen Vorgehensweise zur Tatzeit zugute<br />

kommen.“<br />

„Denn auch die Verhängung von Strafen, die aus<br />

heutiger Sicht zweifellos unverhältnismäßig<br />

waren und möglicherweise auch unter Berücksichtigung<br />

der Wertvorstellungen der DDR und dem<br />

gegenüber der Bundesrepublik Deutschland insgesamt<br />

höheren Strafenniveau überhöht erscheinen,<br />

432


Erich Buchholz<br />

stellt noch keinen den Rechtsbeugungstatbestand<br />

erfüllenden Willkürakt dar, wenn sie von gängiger<br />

Rechtspraxis in der DDR noch nicht in extremen<br />

Maße abweicht und unter Berücksichtigung der<br />

die DDR-Juristen prägenden besonderen Verhältnisse<br />

in der DDR zur Tatzeit noch nachvollziehbar<br />

ist.“ (UA S. 8, 9).<br />

Das Kammergericht gelangt hier also zu beachtenswerten<br />

Einsichten und Erkenntnissen, die wir bei den Strafsenaten<br />

des Bundesgerichtshofes vermissen.<br />

6.17 Wir können zusammenfassen:<br />

Eine strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung von DDR-<br />

Richtern und -Staatsanwälten ist nur durch krasse Verletzung<br />

und Missachtung des DDR-Rechts möglich geworden:<br />

Dazu wird zunächst an die Stelle der maßgeblichen DDR-<br />

Vorschrift des §244 StGB/DDR die bundesdeutsche Regelung<br />

und Rechtsauffassung zugrundegelegt.<br />

Insbesondere wird an Stelle des Tatbestandsmerkmals<br />

„gesetzwidrig“ mit einem Begriff der Rechtswidrigkeit gearbeitet,<br />

um auf diese Weise bei der Verfolgung von DDR-<br />

Richtern und -Staatsanwälten entgegen dem maßgeblichen<br />

Wortlaut des DDR-Gesetzes bundesdeutsche Rechtsvorstellungen<br />

oder überpositives Recht zur Geltung zu bringen.<br />

Da die Verfolgung und Verurteilung von DDR-Richtern und<br />

-Staatsanwälten nur durch Verkehrung, Verdrehung und<br />

Entstellung des DDR-Rechts möglich wurde, beweist diese<br />

bundesdeutsche Rechtsprechung — unbeabsichtigt und entgegen<br />

dem ihr übertragenen politischen Auftrag —, dass<br />

jedenfalls auf diesem wichtigen Bereich der DDR-Justiz von<br />

einem „Unrechtsstaat DDR“ keine Rede sein kann.<br />

Die zum großen Teil rechtswidrige, das ausschließlich maßgebliche<br />

DDR-Recht massiv verletzende — schon rechtsbeu-<br />

433


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

gerische — Strafverfolgung von DDR-Richtern und -Staatsanwälten<br />

widerlegt die These vom „Unrechtsstaat“ DDR.<br />

Der Versuch, mit Hilfe von Strafverfahren gegen DDR-<br />

Richter und -Staatsanwälte die vorschnell aufgestellte Kampfthese<br />

vom „Unrechtsstaat DDR“ im nachhinein durch<br />

bundesdeutsche Gerichtsurteile zu beweisen beziehungsweise<br />

zu unterlegen, ist kläglich gescheitert.<br />

Von den zahlreichen gegen DDR-Richter und -Staatsanwälte<br />

eingeleiteten Ermittlungsverfahren führten nur wenige zur<br />

Anklageerhebung und nur ganz wenige zu einer (rechtskräftigen)<br />

Verurteilung, fast durchweg wegen angeblich überhöhter<br />

Strafen.<br />

Aber auch diese (wenigen) Verurteilungen widersprachen<br />

dem DDR-Recht, waren also selbst Unrechtsurteile.<br />

Die DDR-Richter und -Staatsanwälte haben sich nach diesem<br />

von den bundesdeutschen Justizbehörden in Rechtsbeugungsverfahren<br />

produzierten Befund, auch soweit diese<br />

DDR-Richter und -Staatsanwälte in politischen Strafverfahren<br />

tätig gewesen waren, nichts vorzuwerfen.<br />

Im Ergebnis hat somit das gewaltige und überaus kostspielige<br />

Unternehmen der „strafrechtlichen Aufarbeitung“ des<br />

„DDR-Unrechts“, namentlich was die „politische“ Strafjustiz<br />

der DDR betrifft, diese vollauf rehabilitiert.<br />

7. Besonderheiten bei der Verfolgung von<br />

in Waldheim tätig gewesenen Richtern<br />

und Staatsanwälten<br />

7.1 Sehr spezifische Formen nahm die strafrechtliche Verfolgung<br />

von in Waldheim tätig gewesenen DDR-Richtern<br />

und -Staatsanwälten durch die bundesdeutsche Strafjustiz an.<br />

434


Erich Buchholz<br />

Weiterhin sind bei den damals 1950 gegen NS-Verbrechen in<br />

Waldheim durchgeführten Strafverfahren eine Reihe von tatsächlichen<br />

und rechtlichen Besonderheiten zu berücksichtigen,<br />

die bei der Strafverfolgung durch bundesdeutsche<br />

Justizbehörden in den 90er Jahren völlig außer Acht gelassen<br />

wurden.<br />

Daher ist auf diese Problematik in einem eigenständigen<br />

Abschnitt einzugehen.<br />

Zunächst: Worum ging es in der Sache?<br />

Im Jahre 1950, also wenige Monate nach der separaten<br />

Staatsbildung in Westdeutschland und der daraufhin erfolgten<br />

Gründung der DDR, war ganz Deutschland noch von den<br />

Alliierten besetztes Gebiet. Sie übten gemäß Potsdamer Abkommen<br />

die höchste Regierungsgewalt in Deutschland aus.<br />

Alles Wesentliche, was seinerzeit in der sowjetischen<br />

Besatzungszone, später bis 1955 in der DDR geschah, geschah<br />

gemäß dem Willen der sowjetischen Besatzungsmacht.<br />

Wie gut bekannt, hatte die sowjetische Besatzungsmacht<br />

bereits im Jahre 1945 und danach zahlreiche Personen festgesetzt<br />

oder interniert, die der Begehung von NS — oder<br />

Kriegsverbrechen verdächtig waren oder die wegen ihrer<br />

Aktivitäten gegen die Besatzungsmacht für diese gefährlich<br />

erschienen.<br />

Im Jahre 1949 sollen etwa 20.000 Personen in der sowjetischen<br />

Besatzungszone (SBZ) in entsprechenden Lagern des<br />

sowjetischen Innenministeriums (MWD) in Haft gehalten<br />

worden sein.<br />

Das geschah gemäß den Übereinkünften aller Alliierten,<br />

namentlich dem Potsdamer Abkommen, um „den deutschen<br />

Militarismus und Nazismus ausrotten“ und zu diesem Zweck<br />

Kriegsverbrecher und andere irgendwie an solchen Verbrechen<br />

Beteiligte zu „verhaften und dem Gericht zu übergeben“,<br />

sowie späterhin insbesondere auf der Grundlage des<br />

435


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Kontrollratsgesetzes (KRG) Nr. 10 und der Kontrollratsdirektive<br />

(KRD) Nr. 38. 78<br />

In dieser Direktive Nr. 38 heißt es unter dem Abschnitt I, 1c:<br />

Es gehe um „die Internierung von Deutschen, welche,<br />

ohne bestimmter Verbrechen schuldig zu sein,<br />

als für die Ziele der Alliierten gefährlich zu<br />

betrachten sind, sowie die Kontrolle und Überwachung<br />

von Deutschen, die möglicherweise gefährlich<br />

werden können.“<br />

Was mit diesen Personen zu geschehen hatte, entschied<br />

gemäß Übereinkommen der vier Alliierten in der SBZ ganz<br />

allein die sowjetische Besatzungsmacht, und zwar ohne jeden<br />

Protest seitens der westlichen Alliierten.<br />

Nachdem die sowjetische Besatzungsmacht in zahlreichen<br />

Fällen betreffende Personen nach eigenen Gesetzen durch<br />

eigene Gerichte verurteilt hatte, übergab sie Anfang 1950<br />

nach einer entsprechenden Anregung Wilhelm Piecks auf<br />

Grund einer Entscheidung des sowjetischen Staates bzw. der<br />

sowjetischen Regierung mehr als 3000 Personen deutschen<br />

Behörden, und zwar<br />

„dem Ministerium des Innern... zur Untersuchung<br />

ihrer verbrecherischen Tätigkeit und Aburteilung<br />

durch das Gericht der Deutschen Demokratischen<br />

Republik.“<br />

Nicht nur für Juristen dürfte offensichtlich sein, dass diese Entscheidung<br />

der sowjetischen Regierung keine Übergabe oder<br />

Auslieferung an einen anderen Staat nach den Grundsätzen<br />

des internationalen Rechts zwischen gleichberechtigten<br />

Völkerrechtssubjekten betraf, sondern eine Übergabe in<br />

einem Unterwerfungsverhältnis mit der verbindliche Vorgabe<br />

der Aburteilung.<br />

Deutsche Behörden, auch die Gerichte, waren auf Grund dessen<br />

befehlsunterworfene ausführende Erfüllungsgehilfen der<br />

436


Erich Buchholz<br />

sowjetischen Besatzungsmacht.<br />

Dem entspricht auch, dass die Prozesse in Waldheim nicht<br />

nur unter unmittelbarer Aufsicht und Kontrolle der sowjetischen<br />

Besatzungsmacht (ständig befand sich ein größeres<br />

Kontingent sowjetischer Offiziere, möglicherweise des MWD,<br />

vor Ort), sondern dass auch ständig über den Verlauf der<br />

Prozesse in Waldheim „nach Karlshorst“ zu berichten war.<br />

(Im Urteil im ersten „Waldheimprozess“ wurde festgestellt,<br />

dass „die Sowjetische Kontrollkommission (SKK)“ — die die<br />

vormalige Sowjetische Militäradministration (SMAD) abgelöst<br />

hatte — „ganz erheblichen Einfluss auf die<br />

Verfahren genommen habe“; es sei die Rede von dem<br />

„allmächtigen und allgegenwärtigen Apparat der<br />

SKK“ gewesen).<br />

Übrigens folgt hieraus, dass das (bundesdeutsche) Verjährungsgesetz<br />

vom 26. März 1993, auf das nachfolgend noch<br />

einzugehen sein wird, mit seiner Wirkung des Ruhens der<br />

Verjährung über 40 Jahre auf die Waldheim-Richter und -<br />

Staatsanwälte nicht anwendbar ist. Denn dieses Verjährungsgesetz<br />

stellt darauf ab, das betreffende Taten „entsprechend<br />

dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen der<br />

Staats- und Parteiführung“ der DDR „nicht geahndet<br />

worden sind“. Vorliegend handelt es sich aber um<br />

Handlungen, die unmittelbar von der Besatzungsmacht veranlasst<br />

worden waren.<br />

In Waldheim wurde somit keine gewöhnliche DDR-Jurisdiktion<br />

ausgeübt, wie sie sonst seit 1946 gegenüber nazistischen<br />

Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen (erinnert sei<br />

an das Verfahren gegen die an der Köpenicker Blutwoche<br />

beteiligt gewesenen Nazis) durch die ostdeutsche Justiz ausgeübt<br />

wurde.<br />

In Waldheim handelte es sich im Unterschied dazu substanziell<br />

um die Fortsetzung sowjetischer Strafverfolgung von<br />

437


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

NS-Verbrechen, zu deren zügiger Ausführung sich die<br />

Besatzungsmacht ihr unterworfener deutscher Behörden<br />

bediente.<br />

Dem entspricht auch, dass die Verfahren in Waldheim auf der<br />

Grundlage sowjetischer Ermittlungen stattfanden, deren<br />

Ergebnisse in einem so genannten Protokollauszug zusammengefasst<br />

waren; eigene Ermittlungen durch deutsche<br />

Behörden waren grundsätzlich ausgeschlossen, wenngleich<br />

diese doch in jedem Falle eine Nachvernehmung vor deutschen<br />

Stellen, d.h. vor der Deutschen Volkspolizei, durchsetzen<br />

konnten.<br />

Dazu gehört auch, dass die Ergebnisse der vielfach über Jahre<br />

geführten sowjetischen Ermittlungen als zutreffend zugrunde<br />

zu legen waren.<br />

Aus dieser direkten Abhängigkeit und Unterworfenheit der<br />

deutschen Justizbehörden in Waldheim unter die sowjetische<br />

Besatzungsmacht folgt auch, dass nur diese befugt und berechtigt<br />

war oder gewesen wäre, betreffende Richter und<br />

Staatsanwälte zur Verantwortung zu ziehen, falls diese sich<br />

nicht an das für jene Verfahren maßgebliche Gesetz gehalten<br />

hätten.<br />

Bundesdeutschen Justizbehörden entbehrt daher jegliche<br />

Legitimation der Verfolgung der in Waldheim tätig gewesenen<br />

DDR-Richter und -Staatsanwälte.<br />

7.2 Unter dem Gesichtspunkt der Strafverfolgung der in<br />

Waldheim tätig gewesenen DDR-Richter und -Staatsanwälte<br />

durch die bundesdeutsche Justiz wegen Rechtsbeugung ist zu<br />

beachten, dass die maßgebliche DDR-Vorschrift des §244<br />

StGB/DDR auch vorliegend zugrunde zu legen ist, obzwar<br />

diese im Jahre 1950 noch nicht galt.<br />

Denn diese ist nach ihrem Wortlaut unter mehreren Gesichtspunkten<br />

enger gefasst als die alte Rechtsbeugungsvorschrift<br />

des §336 RStGB von 1871, die 1950 in Kraft war. 79<br />

438


Erich Buchholz<br />

Daher ist diese engere Fassung auch auf möglicherweise relevante<br />

Vorgänge des Jahres 1950 in Waldheim anzuwenden.<br />

Insoweit gilt daher das bereits oben generell zur Rechtsbeugung<br />

und der Verdrehung des DDR-Rechts Gesagte, so,<br />

dass der DDR-Vorschrift fremde überpositive „allgemein<br />

anerkannte Rechtsgrundsätze“ übergestülpt werden, um contra<br />

legem scriptam eine Verurteilung auch der in Waldheim<br />

tätig gewesenen DDR-Richtern und -Staatsanwälten zu<br />

erreichen.<br />

Vorliegend gibt es jedoch noch weitere ganz wesentliche<br />

Besonderheiten hinsichtlich der Rechtslage:<br />

7.3 In Waldheim war — wie übrigens auch ansonsten bei der<br />

Verfolgung von NS- und Kriegsverbrechen bis 1955 —<br />

Alliiertes Recht bzw. Besatzungsrecht anzuwenden, namentlich<br />

das Kontrollratsgesetz (KRG) Nr. 10 vom 20. Dezember<br />

1945 und die Kontrollratsdirektive Nr. 38 vom 12. Dezember<br />

1946 sowie der Befehl der SMAD Nr. 201 vom 16. August<br />

1947 samt seinen Ausführungsbestimmungen. 80<br />

Materiellrechtliche Rechtsgrundlage für die Be- und Verurteilung<br />

der betreffenden NS — und Kriegsverbrechen war<br />

ausschließlich das Kontrollratsgesetz Nr. 10 und die Kontrollratsdirektive<br />

Nr. 38.<br />

So hatten die Richter und Staatsanwälte es mit fremdem<br />

Recht zu tun, das völlig anders konstruiert war als das traditionelle<br />

deutsche Strafrecht.<br />

(Die dem deutschen Strafrecht fremde Konstruktion der<br />

Straftatbestände war übrigens — neben offensichtlich politischen<br />

Motiven der Unlust zur Verfolgung von NS-Verbrechen<br />

— auch ein Grund, warum sich westdeutsche Richter<br />

so schwer taten, das KRG Nr 10 anzuwenden; sie mussten<br />

439


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

erst durch das Oberste Gericht der Britischen Zone dazu<br />

„gezwungen“ werden !)<br />

Das Kontrollratsgesetz (KRG) Nr. 10 kannte in seinem<br />

Artikel II vier sehr weit gefasste Straftatbestände:<br />

• Verbrechen gegen den Frieden;<br />

• Kriegsverbrechen;<br />

• Verbrechen gegen die Menschlichkeit;<br />

• sowie (als selbständigen Straftatbestand !) die Zugehörigkeit<br />

zu gewissen Kategorien von Verbrechervereinigungen<br />

oder Organisationen, deren verbrecherischer Charakter vom<br />

Internationalen Militärgerichtshof festgestellt worden ist.<br />

Nicht nur Täter und Gehilfen wurden erfasst, sondern auch<br />

Personen, die den vorgenannten Verbrechen zugestimmt hatten<br />

oder die irgendwie an der Planung oder Ausführung beteiligt<br />

waren oder einer Organisation oder Vereinigung angehört<br />

hatten, die mit der Ausführung der betreffenden Verbrechen<br />

in Zusammenhang stand.<br />

Auch genügte zur Bestrafung nach dem KRG Nr. 10 das<br />

Innehaben einer gehobenen politischen, staatlichen oder<br />

militärischen Stellung oder einer solchen im finanziellen,<br />

industriellen oder wirtschaftlichen Leben.<br />

In Übereinstimmung mit den Erkenntnissen des Urteils von<br />

Nürnberg wurde bestimmt, dass weder das Innehaben einer<br />

amtlichen Stellung noch die Ausführung der Tat unter einem<br />

Befehl von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit befreit; im<br />

letzteren Fall konnte die Strafe gemildert werden.<br />

Die der Konkretisierung und Fortführung des Kontrollratsgesetzes<br />

Nr. 10 dienende Direktive Nr. 38 sah zum Zwecke<br />

der Durchführung der in Potsdam aufgestellten Grundsätze<br />

die Zuordnung betreffender Personen zu einer der nachfolgenden<br />

fünf Gruppen vor und zwar<br />

440


Erich Buchholz<br />

1. Hauptschuldige;<br />

2. Belastete (Aktivisten, Militaristen, Nutznießer);<br />

3. Minderbelastete;<br />

4. Mitläufer;<br />

5. Entlastete.<br />

Als Strafen drohte das KRG Nr. 10 an:<br />

• Todesstrafe;<br />

• lebenslängliche oder zeitlich begrenzte Freiheitsstrafe mit<br />

oder ohne Zwangsarbeit;<br />

• Geldstrafen;<br />

• Vermögenseinziehung;<br />

• Rückgabe unrechtmäßig erworbenen Vermögens;<br />

• Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte.<br />

Darüber hinaus sah die Kontrollratsdirektive Nr. 38 im Abschnitt<br />

IX bei Belasteten die Auferlegung von „Sühnemaßnahmen“<br />

vor, so außer Freiheitsentzug zum Zwecke der<br />

Wiedergutmachung und für Wiederaufbauarbeiten Vermögenseinziehung<br />

und Beschränkung der Ausübung bestimmter<br />

Tätigkeiten, des Wahlrechts u.a.<br />

Es besteht aufgrund der hier zu besprechenden Strafverfolgung<br />

von DDR-Richtern und -Staatsanwälten Veranlassung,<br />

besonders hervorzuheben, dass die Alliierten in den<br />

Jahren 1945–1947 bei ihrer Gesetzgebung selbstverständlich<br />

nicht an die erst im Oktober 1949 in Kraft gesetzte Verfassung<br />

der DDR gebunden waren und infolge der der bedingungslosen<br />

Kapitulation Deutschlands folgenden Besatzungssituation<br />

das Alliiertengesetz der DDR-Verfassung wie<br />

auch dem Grundgesetz vorging. 81<br />

Folglich durften die Richter und Staatsanwälte in Waldheim<br />

nicht etwa unter Berufung auf die DDR-Verfassung die<br />

441


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Gesetze der Alliierten aushebeln, wie das die bundesdeutschen<br />

Richter in den 90er Jahren von ihnen verlangten!<br />

Den Waldheim-Richtern und -Staatsanwälten eine Verletzung<br />

von Bestimmungen der DDR-Verfassung von 1949 vorzuwerfen,<br />

insbesondere der Art. 126 f., z.B. der Art. 133, 134<br />

oder 136, ist daher absurd und zeugt von einer totalen Verkennung<br />

der damaligen Rechtslage.<br />

Auch ist nicht schwer zu erkennen, dass nach den Maßstäben<br />

und der Absicht der Alliierten dank ihrer Gesetzgebung ein<br />

ganz erheblicher Personenkreis von Menschen, die dem Hitler-<br />

Regime gedient oder es gestützte hatten, auch strafrechtlich<br />

zur Verantwortung gezogen werden konnte.<br />

Es sollte nicht vergessen werden, dass das deutsche Volk zu<br />

90 Prozent Hitler zugejubelt hatte und ihm gefolgt war, dass<br />

Millionen Deutsche das Hitlerregime in verschiedensten<br />

Funktionen und Formen aktiv unterstützt hatten, dass viele<br />

Zehntausende unmittelbar und maßgeblich an deren Verbrechen<br />

beteiligt waren, und die Mehrheit des deutschen<br />

Volkes bis zur bedingungslosen Kapitulation sich noch nicht<br />

von den Hitlerleuten gelöst hatte.<br />

Deshalb hatte die überwiegende Mehrheit des deutschen<br />

Volkes das Ende des Krieges als Niederlage und Besiegtsein,<br />

aber nicht als Befreiung vom Hitler-Faschismus aufgefasst.<br />

Nicht nur Zehntausende, sondern Hunderttausende, wenn<br />

nicht Millionen Deutscher hatten sich deshalb in dieser oder<br />

jener Weise nach den Maßstäben der Alliierten-Gesetzgebung<br />

schuldig gemacht.<br />

Dass in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands nach<br />

einem anfänglichen Vorgehen gegen Nazis alsbald deren<br />

Heranziehung zur Wiederherstellung der alten gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse im Vordergrund stand und also entgegen<br />

dem Potsdamer Abkommen die Möglichkeiten der Alliier-<br />

442


Erich Buchholz<br />

ten-Gesetzgebung zur radikalen Ausmerzung des Hitlerfaschismus<br />

nicht genutzt wurden, steht die Nutzung der gesetzlichen<br />

Möglichkeiten dieser Gesetzgebung nicht entgegen. 82<br />

Vor allem darf diese dem Potsdamer Abkommen zuwiderlaufende<br />

Praxis in den Westzonen nicht als Argument missbraucht<br />

werden, die konsequente Bekämpfung des Hitlerfaschismus<br />

und seiner Überreste im Osten Deutschlands zu<br />

denunzieren.<br />

Hinsichtlich des bei Verbrechen nach KRG 10 und KRD 38<br />

vorgegebenen Verfahrensrechts hatte der SMAD-Befehl Nr.<br />

201 substanzielle Einschränkungen der Rechte der Angeklagten<br />

bewirkt; die seinerzeit geltende Strafprozessordnung<br />

von 1877 war durch diesen Befehl weitestgehend außer Kraft<br />

gesetzt.<br />

Das entsprach den im KRG 10 festgelegten Befugnissen der<br />

SMAD/SKK; denn nach Art. III Ziff.2 KRG 10 lag es in der<br />

Hand jedes „Zonenbefehlshabers“ die zuständigen Gerichte<br />

und „die anzuwendende Verfahrensordnung“ zu bestimmen.<br />

Hinsichtlich der Vermögensstrafen heißt es in Art. III Ziff.6,<br />

dass „jeder Zonenbefehlshaber“ dabei so verfahren solle,<br />

„wie dies nach seiner Ansicht der Gerechtigkeit<br />

entspricht.“<br />

Aufgrund des Befehls 201 und seinen Ausführungsbestimmungen<br />

war die Anklage, wie im sowjetischen Prozessrecht,<br />

von der Polizei zu verfassen und vom Staatsanwalt nur noch<br />

zu bestätigen.<br />

Für die Verhaftung und Untersuchungshaft war die Polizei<br />

zuständig; daher war kein Raum für richterliche Entscheidungen<br />

über die Haftverhältnisse.<br />

Auch die Vorschriften über die Verteidigung waren geändert:<br />

In der ersten Instanz war eine Bestellung eines Verteidigers,<br />

also eines Pflichtverteidigers, nur vorgesehenen, wenn der<br />

443


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Angeklagte einen dahingehenden förmlichen Antrag gestellt<br />

hatte oder nach Ermessen des Gerichts. Für die Revision war<br />

die Bestellung eines Pflichtverteidigers obligatorisch; und so<br />

wurde es auch tatsächlich gehandhabt.<br />

Lediglich die Vorschriften der Strafprozessordnung von 1877<br />

über die Eröffnung des gerichtlichen Verfahrens, über die<br />

Hauptverhandlung sowie über die Revision waren in Kraft<br />

geblieben.<br />

So viel zum generellen Hintergrund, der den bundesdeutschen<br />

Staatsanwälten und Richtern, die sich an die Strafverfolgung<br />

der in Waldheim tätig gewesenen DDR-Richter<br />

und -Staatsanwälte machten, völlig abging.<br />

7.4 Juristisch hätten die bundesdeutschen Staatsanwälte und<br />

Richter nach den Maßstäben des §244 StGB/DDR prüfen<br />

und zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass bei der vorstehend<br />

umrissenen Rechtslage den in Waldheim tätig gewesenen<br />

DDR-Richtern und -Staatsanwälten jedenfalls kein<br />

direkter Verstoß gegen die anzuwendenden Gesetze und erst<br />

recht kein wissentlicher Gesetzesverstoß vorgeworfen und<br />

nachgewiesen werden konnte.<br />

Das Landgericht Leipzig gelangte in seiner ersten maßgeblichen<br />

Entscheidung vom 1. September 1993 nach 42 Prozesstagen,<br />

darunter mehreren auswärtigen Sitzungen in Berlin<br />

vor allem zur Einvernahme von hier wohnhaften Zeugen, zu<br />

dem Ergebnis, dass hinsichtlich der Anwendung der materiellrechtlichen<br />

Vorschriften des KRG Nr. 10 und der<br />

Kontrollratsdirektive Nr. 38, und zwar auch im Hinblick auf<br />

die s.Zt. beantragten bzw. verhängten Strafen, von Rechtsbeugung<br />

nicht gesprochen werden könne.<br />

Hinsichtlich der Frage und des Tatvorwurfs, dass prozessuale<br />

Bestimmungen verletzt worden seien und sich eine Rechts-<br />

444


Erich Buchholz<br />

beugung daraus ergäbe, war wohl eine frühere Entscheidung<br />

des Kammergerichts vom 15. März 1954 nicht ganz ohne<br />

Einfluss.<br />

Noch vor dem ersten Waldheimprozess vor dem Landgericht<br />

Leipzig folgte das Bezirksgericht Dresden in seinem<br />

Beschluss vom 28. Oktober 1991 weitgehend der „Rechtsauffassung“<br />

des Kammergerichts. Allerdings stellte auch das<br />

Bezirksgericht Dresden, wie zuvor das Kammergericht, klar,<br />

dass mit der Annahme einer Nichtigkeit der Waldheim-<br />

Urteile die Unschuld der damals dort Angeklagten nicht<br />

erwiesen sei; es sei nicht auszuschließen, dass sich unter den<br />

Betroffenen solche Personen befinden, die sich nach dem<br />

damals geltenden Strafrecht schuldig gemacht haben.<br />

In der Entscheidung von 1954 hatte das Kammergericht die<br />

Anwendbarkeit des bundesdeutschen Rechtshilfegesetzes<br />

vom 2. Mai 1953 zu prüfen, also eine Frage, inwieweit die in<br />

Waldheim gefällten Urteile unter bundesdeutscher Sicht<br />

beachtlich waren.<br />

Dieser Entscheidung wohnt unübersehbar der Geist des<br />

„Kalten Krieges“ inne, die hasserfüllte Feindschaft gegen die<br />

sowjetische Besatzungsmacht und die „so genannte DDR“.<br />

Ohne hinreichende Sachprüfung und unter Verkennung der<br />

besonderen Rechtslage, die auch nicht der DDR-Verfassung<br />

zu folgen und zu entsprechen hatte, wurden die in Waldheim<br />

tagenden Strafkammern des Landgerichts Chemnitz als<br />

„Ausnahmegerichte“ abqualifiziert und im Ergebnis „die so<br />

zustande gekommenen Urteile... als absolut und<br />

unheilbar nichtig“ denunziert. 83<br />

Die gleiche Sprache des „Kalten Krieges“ ist übrigens 43<br />

Jahre später (!) auch dem Urteil des LG Leipzig vom 28.<br />

November 1997 im letzten Waldheimprozess zu entnehmen,<br />

wenn dort in einem offiziellen Dokument in Bezug auf einen<br />

der Alliierten, die sowjetische Besatzungsmacht, im Jargon<br />

445


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Adenauers ständig von „den Russen“, „von den Sowjets“ und<br />

in Bezug auf inhaftierte Verdächtige sachwidrig von „Kriegsgefangenen“<br />

und von „Kriegsgefangenenlagern“ zu lesen ist. 84<br />

Allerdings meinte das LG Leipzig in seinem Urteil vom 1.<br />

September 1993 im ersten Waldheimprozess im Unterschied<br />

zum Kammergericht, dass die Strafkammern in Waldheim<br />

den Mindestanforderungen eines Gerichts entsprachen, also<br />

keine „Ausnahmegerichte“ und deshalb deren Urteile keineswegs<br />

nichtig waren.<br />

Dennoch sah das LG Leipzig eine Rechtsbeugung des<br />

Angeklagten Otto Jürgens darin, dass Verfahrensverstöße<br />

begangen worden seien; namentlich sei der Grundsatz des<br />

fairen Verfahrens verletzt worden.<br />

Nun findet sich dieser Grundsatz weder in der damals geltend<br />

gewesenen RStPO von 1877 noch im KRG Nr. 10 oder in der<br />

KRD Nr. 38 noch im Befehl 201.<br />

Mehr noch: Im Jahre 1950 war der Grundsatz des fairen<br />

Verfahrens bei deutschen Gerichten in Ost und West noch<br />

unbekannt; er wurde erst Jahrzehnte später unter dem<br />

Einfluss des angloamerikanischen Verfahrensrechts und<br />

wegen der Menschenrechtskonventionen als ungeschriebener<br />

immanenter Verfahrensgrundsatz von der Rechtsprechung,<br />

namentlich der des Bundesverfassungsgerichts aus<br />

Art. 20 Abs. 3 und Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitet, als „ein auf<br />

der Ebene des Verfassungsrechts angesiedelter<br />

allgemeinen Grundsatz des Verfahrensrechts“, und<br />

zwar vornehmlich (nur) als „Auslegungsrichtlinie“ für<br />

bundesdeutsche Gerichte — und nicht etwa für DDR-<br />

Gerichte ! — „entwickelt“.<br />

Im Jahre 1950 konnte einem solchen Grundsatz noch gar<br />

nicht zuwidergehandelt werden.<br />

Vor allem aber stellt ein angenommenes Zuwiderhandeln<br />

446


Erich Buchholz<br />

gegen einen Grundsatz keine gesetzwidrige Entscheidung im<br />

Sinne des §244 StGB/DDR dar.<br />

Eine Rechtsbeugung gemäß §244 StGB/DDR lag also auch<br />

hinsichtlich evtl. Mängel oder Versäumnisse auf prozessualem<br />

Gebiet nicht vor.<br />

Auch bezüglich anderer vom LG Leipzig angenommener<br />

möglicher Verfahrensmängel fehlte es durchgehend an einer<br />

wissentlich gesetzwidrigen Entscheidung.<br />

Zur Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung — wie immer<br />

diese tatsächlich gewesen sein mag — hatte der Angeklagte<br />

keinerlei justizielle Entscheidung gefällt.<br />

Ebenso wenig hat er Entscheidungen zur Bestellung eines<br />

Strafverteidigers getroffen.<br />

Das Fehlen eines Eröffnungsbeschlusses war ihm nicht anzulasten,<br />

da er diesbezüglich nichts entschieden hatte.<br />

Auch die kurze Dauer der Hauptverhandlung an sich stellt<br />

keine gesetzwidrige Entscheidung dar.<br />

Jedenfalls gemessen an den ausschließlich maßgebenden Vorgaben<br />

des §244 StGB/DDR lag auch hinsichtlich des Verfahrensrechts<br />

keine wissentlich gesetzwidrige Entscheidung vor.<br />

Das LG Leipzig hätte daher den Angeklagten in jeder Hinsicht<br />

vom Vorwurf der Rechtsbeugung freisprechen müssen.<br />

Die gleichwohl vorgenommene Verurteilung durch das LG<br />

Leipzig im ersten Waldheimprozess verletzt das Gesetz und<br />

ist deshalb ein Unrechtsurteil.<br />

Indem der 3. Strafsenat des BGH unter dem 10. August 1994<br />

die gegen dieses Urteil eingelegte Revision im Beschlusswege<br />

verwarf, hat er gemäß dem politischen Auftrag der besonderen<br />

Verfolgung der in Waldheim tätig gewesenen DDR-<br />

Richter und -Staatsanwälte ein Unrechtsurteil bestätigt und<br />

damit den Kurs für weitere Waldheimverfahren vorgegeben. 85<br />

447


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

7.5 In einem späteren Verfahren vor dem Landgericht<br />

Leipzig hatte die Schwurgerichtskammer — abweichend vom<br />

Landgericht Leipzig im ersten Waldheimprozess — schon in<br />

der Beantragung und Verhängung von Strafen eine Rechtsbeugung<br />

gesehen, weil diese Strafen nach heutiger bundesdeutscher<br />

Sicht überhöht gewesen seien. 86<br />

Es darf darauf verwiesen werden, dass — so weit es hier zu<br />

übersehen ist — auch die Todesstrafe in Waldheim nur verhängt<br />

wurde, wenn „an den Händen des Angeklagten Blut<br />

klebte“, wenn er in dieser oder jener Weise an der Ermordung<br />

von Menschen beteiligt war. Das waren nur 32 von über<br />

3000; 24 Todesurteile waren alsbald vollstreckt worden.<br />

So weit die in Waldheim angeklagten NS-Staatsanwälte und<br />

-Richter, insbesondere von Sonder- und Kriegsgerichten, die<br />

ihnen zur Last gelegten Taten durch Anwendung des faschistischen<br />

Heimtückegesetzes vom 20. Dezember 1934 oder der<br />

faschistischen Volksschädlingsverordnung vom 12. September<br />

1939 oder der faschistischen Polen- und Juden-Strafrechtsverordnung<br />

vom 4. Dezember 1941 oder durch Beantragung<br />

oder Verhängung der Todesstrafe gegenüber Deserteuren,<br />

die nicht mehr für Hitler kämpfen wollten, begangen hatten,<br />

verstand es sich von selbst, dass diese Angeklagten sich nicht<br />

auf die Anwendung des damals „geltenden“ NS-Gesetzes<br />

berufen konnten. 87<br />

Denn die Alliierten-Gesetze waren gerade darauf gerichtet,<br />

auch solche Verbrechen zu ahnden, die den verbrecherischen<br />

NS-Gesetzen folgten und entsprachen.<br />

Von diesen Alliierten-Gesetzen, die die in Waldheim tätig<br />

gewesenen DDR-Richter und -Staatsanwälte anzuwenden<br />

hatten, konnte eine Auffassung „was damals Recht war,<br />

kann heute nicht Unrecht sein“ (wie sie der NS-<br />

448


Erich Buchholz<br />

Marinerichter und spätere Ministerpräsident des Landes<br />

Baden-Württemberg, Filbinger, vertritt) nicht gelten.<br />

Dieser letzte Waldheimprozess wurde gegen eine Richterin<br />

geführt, die vornehmlich in der Revisionsinstanz, nämlich in<br />

der Revisionsabteilung des OLG Dresden, tätig gewesen war.<br />

Das Schwurgericht Leipzig „übersah“ in seinem Urteil vom<br />

28. November 1997 (Vgl.: Seite 509, Fn. 84) die Eigenheiten des in<br />

der damaligen Reichsstrafprozessordnung (RStPO) von 1877<br />

vorgesehenen Revisionsverfahrens, die ansonsten bundesdeutschen<br />

Richtern geläufig sind.<br />

In der Revisionsinstanz waren gemäß diesem Revisionsrecht<br />

— auch in Waldheim — die tatsächlichen Feststellungen des<br />

Tatrichters, der ersten Instanz, also der Strafkammern des<br />

Landgerichts Chemnitz, unangreifbar; ebenso blieben die<br />

Strafmaßentscheidungen grundsätzlich außerhalb der Korrekturmöglichkeiten<br />

durch das Revisionsgericht.<br />

Auch in Waldheim war — wie generell in der Revisionspraxis<br />

der Bundesrepublik — die Verwerfung der durch einen Offizialverteidiger<br />

eingelegten Revisionen durch Beschluss (gem.<br />

§349 RStPO) der Regelfall.<br />

Jedenfalls hinsichtlich des Anteils der Revisionsverwerfungen<br />

entsprach und entspricht die damalige Revisionspraxis in<br />

Waldheim der seit vielen Jahrzehnten in deutschen Landen<br />

geübten Praxis.<br />

Gemessen an den materiellrechtlichen und prozessrechtlichen<br />

Maßstäben der damaligen Rechtslage waren die eingelegten<br />

Revisionen, wovon ich mich persönlich überzeugen<br />

konnte, durchweg abwegig und unbegründet.<br />

Was wurde mit den Revisionen in Waldheim gerügt?<br />

Abgesehen davon, dass die richterliche Beweiswürdigung<br />

gem. §267 RStPO mit der Revision ebenso wenig angegriffen<br />

449


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

werden konnte wie die Strafzumessung, mögen folgende<br />

Beispiele von Revisionsrügen aufgeführt werden:<br />

• Des öfteren wurde gerügt, dass entgegen §140 RStPO kein<br />

Verteidiger bestellt worden sei; die Revision übersah, dass<br />

durch Befehl 201 diese Vorschrift außer Kraft gesetzt worden<br />

war.<br />

• Bei einem Richter eines Kriegsgerichts wurde auf Handeln<br />

auf Befehl verwiesen; aber auch ein Richter eines Kriegsgerichts<br />

unterliegt in seiner Rechtsprechung keinem Befehl.<br />

• Bezüglich eines von der Revision behaupteten Rechtsirrtums<br />

(dass der Angeklagte glaubte, gemäß dem NS-Recht<br />

rechtmäßig gehandelt zu haben) wurde auf die Irrtumsregelung<br />

des §59 RStGB verwiesen; diese betrifft aber nicht<br />

den Rechtsirrtum, sondern einen Irrtum über tatsächliche<br />

Umstände.<br />

• Weiter wurde gerügt, dass die Milderungsregelung für<br />

Beihilfe (§49 RStGB) nicht herangezogen worden sei; aber<br />

bei den vorliegenden Verbrechen nach KRG Nr. 10 ist für<br />

eine Vorschrift des RStGB kein Raum.<br />

• Bei einem zur Tatzeit 17-Jährigen wurde gerügt, dass das<br />

Reichsjugendgerichtsgesetz (RJGG) von 1943 nicht angewandt<br />

wurde; aber bei den vorliegenden Verbrechen nach<br />

KRG 10 war dafür kein Raum; im übrigen war die Jugendlichkeit<br />

des Angeklagten bei der Strafzumessung berücksichtigt<br />

worden. Usw. 88<br />

Jedenfalls erwiesen sich auch für mich sämtlich Revisionsrügen<br />

nach der im Jahre 1950 gegebenen Rechtslage als<br />

abwegig und unbegründet.<br />

Sie mussten daher durch das Revisionsgericht, eine Revisionsabteilung<br />

des OLG Dresden, verworfen werden.<br />

Die Verwerfung dieser Revisionen im Beschlusswege entsprach<br />

der Rechtslage, sodass auch insoweit von Rechtsbeugung<br />

nicht die Rede sein kann.<br />

450


Erich Buchholz<br />

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das LG<br />

Leipzig im Jahre 1997 der Angeklagten vorwarf, dass sie als<br />

DDR-Richterin im Jahre 1950 nicht die Rechtsprechung des<br />

Reichsgerichts, also auch die des nazistischen Reichsgerichts,<br />

berücksichtigt habe.<br />

Außerdem wurde ihr vorgeworfen, dass den Angeklagten<br />

keine Gelegenheit zu einer Gegenerklärung zum Antrag der<br />

Staatsanwaltschaft gegeben worden sei — was an sich nach<br />

der derzeitigen bundesdeutschen Strafprozessordnung vorgesehen<br />

ist. (Vgl.: Seite 509, Fn. 84)<br />

Nur die damals geltende §249 RStPO sah solches (noch)<br />

nicht vor!<br />

Das wusste der aus Bayern kommende Schwurgerichtsvorsitzende<br />

im Jahre 1997 nicht.<br />

Unzutreffend ist auch der Vorwurf des LG Leipzig, dass der<br />

absolute Revisionsgrund der unzulässigen Beschränkung der<br />

Verteidigung nicht beachtet worden sei; sowohl nach damaligem,<br />

wie auch nach heutigem Recht liegt dieser Revisionsgrund<br />

nur vor, wenn diese Beschränkung der Verteidigung<br />

durch einen Gerichtsbeschluss erfolgte; einen solchen gab es<br />

jedoch nicht, sodass die Schwurgerichtskammer des LG<br />

Leipzig offensichtlich nicht einmal die eigene Gesetzgebung<br />

zu kennen scheint.<br />

Es ergibt sich also, dass jedenfalls in den beiden hier näher untersuchten<br />

Waldheimprozessen in keinem Fall eine wissentlich<br />

gesetzwidrige Entscheidung der Angeklagten festzustellen war.<br />

Da sie dennoch verurteilt wurden, kam es auch in diesen<br />

Fällen zu Unrechtsurteilen.<br />

7.6 Es kann dahinstehen, ob in den Gerichtsurteilen eine<br />

besondere Absicht und Methode der Verschleierung praktiziert<br />

wurde.<br />

451


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Auffällig ist jedoch, dass die einschlägigen Urteile des LG<br />

Leipzig, namentlich das letzte — einem schlechten Historiker<br />

folgend — in epischer Breite die allgemeinen Umstände in<br />

Waldheim beschrieben, aber entgegen dem Erfordernis der<br />

Feststellung der persönlichen individuellen strafrechtlichen<br />

Verantwortlichkeit tatsächlich nicht untersuchten, welche<br />

konkreten (möglicherweise rechtsbeugerischen) Handlungen<br />

die betreffenden Angeklagten seinerzeit vorgenommen hatten,<br />

in denen das Gericht gemäß §244 StGB/DDR eine<br />

Rechtsbeugung zu erkennen gehabt hätte.<br />

Insoweit werden objektive und subjektive Umstände unterstellt<br />

und es wird gemäß dem politischen Auftrag ein summarischer<br />

allgemeiner Vorwurf der Rechtsbeugung erhoben.<br />

Mit Anwendung des DDR-Rechts hat dies nichts zu tun.<br />

Es wird also auf zumindest objektiv rechtsbeugerische Weise<br />

gegen in Waldheim tätig gewesene DDR-Richter und -<br />

Staatsanwälte vorgegangen.<br />

Somit ist festzustellen, dass auch die strafrechtliche Verfolgung<br />

von DDR-Richtern und -Staatsanwälten, die damals<br />

in Waldheim tätig gewesen waren, durch die bundesdeutsche<br />

Strafjustiz rechtswidrig ist und das ausschließlich maßgebliche<br />

DDR-Gesetz verletzt, dass die Verurteilung der Waldheim-Richter<br />

und -Staatsanwälte auf Unrechtsurteilen beruht.<br />

7.7 Schließlich darf folgendes nicht übersehen werden.<br />

Die aufrechten Antifaschisten, die als Richter und Staatsanwälte<br />

in Waldheim tätig waren, handelten im Einklang mit<br />

dem Potsdamer Abkommen, dem Nürnberger Urteil und den<br />

von der ersten UNO-Vollversammlung angenommenen<br />

„Nürnberger Prinzipien“.<br />

Sie handelten aus internationaler Verantwortung gegenüber<br />

den von den Nazis geschundenen Völkern und Individuen.<br />

Sie bewiesen damit, dass es 1950 in Deutschland Menschen<br />

452


gab, die im Einklang mit den Forderungen des Potsdamer<br />

Abkommens die gebotenen Schlussfolgerungen aus den<br />

Verbrechen der Hitlerleute gezogen hatten.<br />

Es sind ehrenwerte Bürger der DDR — und heute der<br />

Bundesrepublik — die Anerkennung und Wertschätzung verdient<br />

haben, aber nicht Strafverfolgung und Verurteilung.<br />

Ihre Verurteilung durch das LG Leipzig und dann durch den<br />

Bundesgerichtshof ist eine Schande für Deutschland!<br />

In diesem Zusammenhang ist auf den Erlebnisbericht der<br />

durch die bundesdeutsche Strafjustiz verurteilten DDR-<br />

Richterin zu verweisen, die damals in Waldheim tätig war.<br />

(Siehe Seite 515 ff)<br />

Erich Buchholz<br />

8. Die Aushebelung des Rückwirkungsverbots<br />

zum Zwecke der Strafverfolgung von<br />

Hoheitsträgern der DDR<br />

8.1 Auch bei diesem Thema erscheint es angezeigt, zunächst<br />

die diesbezügliche Rechtslage nach dem DDR-Recht darzulegen.<br />

Das im neuzeitlichen Strafrecht allgemein anerkannte<br />

Rückwirkungsverbot, das zusammen mit dem Grundsatz der<br />

Gesetzlichkeit des Strafens, dem nulla-poena-Prinzip, nach<br />

Art. 7 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)<br />

und nach Art. 15 des Internationalen Paktes für politische<br />

und Bürgerrechte (IPbürgR) ein Menschenrecht ist, war auch<br />

in der DDR eindeutig geregelt.<br />

Nach Art. 99 der Verfassung der DDR durfte eine Tat nur<br />

bestraft werden, wenn sie zur Tatzeit unter Strafe gestellt war.<br />

(Zuvor war dies in Art. 135 der Verfassung von 1949 geregelt.)<br />

453


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Gleichlautende Bestimmungen enthielten der Grundsatzartikel<br />

4 Abs. 3 des StGB/DDR und die §§1 und 81 StGB/<br />

DDR. (Bis zum Inkrafttreten dieses StGB/DDR galt in gleichem<br />

Sinne §2 RStGB.)<br />

Es darf betont werden, dass diese Grundsätze bei Anwendung<br />

des Strafrechts der DDR stets und ausnahmslos beachtet<br />

wurden.<br />

In der Bundesrepublik ist das Rückwirkungsverbot in Art.<br />

103 Abs. 2 GG und §2 Abs. 1 StGB verankert.<br />

Insoweit galten in beiden deutschen Staaten gleichartige<br />

Vorschriften.<br />

Obzwar auch der BGH, namentlich sein 5. Strafsenat, sich in<br />

Strafverfahren gegen Hoheitsträger der DDR wiederholt mit<br />

dem Rückwirkungsverbot befasste, ist die maßgebliche und<br />

dann richtungsweisende, die einschlägige Strafverfolgung<br />

eröffnende Entscheidung die des Bundesverfassungsgerichts<br />

vom 24. Oktober 1996. 89<br />

8.2 Aufgrund der Verfassungsbeschwerde der (im Ergebnis<br />

einer erfolglosen Revision) rechtskräftig verurteilten Herren<br />

Albrecht, Keßler, Streletz und Winkler hatte das BVerfG die<br />

Frage zu prüfen und zu entscheiden, ob durch die bundesdeutschen<br />

Strafgerichte bei der Verfolgung und Verurteilung<br />

von DDR-Hoheitsträgern — die sich, wie oben dargelegt,<br />

nach DDR-Recht nicht strafbar gemacht hatten — das als<br />

Grund- und Menschenrecht ausgestaltete Rückwirkungsverbot<br />

in der Fassung des Art. 103 Abs. 2 GG verletzt wurde.<br />

In der Begründung dieser Entscheidung des BVerfG finden<br />

wir zunächst — wohl aus der Feder des Berichterstatters, des<br />

angesehenen Strafrechtsprofessors der Universität Frankfurt<br />

a. Main, Herrn Prof. Dr. Hassemers, auf den Seiten 47/48 der<br />

Ausfertigung dieser Entscheidung eine eindeutige und klare<br />

Darstellung des Rückwirkungsverbots, wie sie wohl in ent-<br />

454


Erich Buchholz<br />

sprechenden Vorlesungen überall — namentlich in der<br />

Bundesrepublik und in der DDR — zu hören (gewesen) sein<br />

dürfte:<br />

„Dieses Rückwirkungsverbot des Strafrechts ist<br />

absolut... Es erfüllt seine rechtsstaatliche und<br />

grundrechtliche Gewährleistungsfunktion durch eine<br />

strikte Formalisierung. Das ist ein Spezifikum<br />

unter den Garantien der Rechtsstaatlichkeit.“ 90<br />

Danach war zu erwarten, dass das BVerfG wegen dieses<br />

Rückwirkungsverbots zugunsten der Beschwerdeführer, der<br />

verurteilten DDR-Hoheitsträger, in den Urteilen des LG<br />

Berlin und des 5. Strafsenats des BGH eine Verletzung ihres<br />

Grundrechts aus Art. 103 Abs. 2 GG erblickt und die Urteile<br />

dieser Fachgerichte aufhebt.<br />

Bekanntlich entschied das BVerfG anders.<br />

8.3 Wie kam es zu einem derartigen, der oben zitierten<br />

Aussage widersprechenden Ergebnis?<br />

Hierzu muss an die einleitend dargestellte, dem DDR-<br />

Strafrecht fremde, im bundesdeutschen Strafrecht geläufige<br />

Abhebung von Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und<br />

Schuld erinnert werden.<br />

Diese spezifische Abhebung eröffnet nämlich dem BVerfG<br />

und damit den bundesdeutschen Strafgerichten eine Aufspaltung<br />

des Rückwirkungsverbots:<br />

Es wird nämlich die Geltung des Rückwirkungsverbots (auch<br />

vorliegend) nur auf der Ebene der Tatbestandsmäßigkeit<br />

nicht in Frage gestellt.<br />

Für die Annahme von Mord oder Totschlag (nach DDR-<br />

Recht),also des Vorliegens der Tatbestandsmäßigkeit gemäß<br />

§112 StGB/DDR, gelte das Rückwirkungsverbot.<br />

Aber auf der Ebene der Rechtswidrigkeit gelte das<br />

Rückwirkungsverbot nicht!<br />

455


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Zwar heißt es zunächst auch:<br />

„Art. 103 Abs. 2 GG schützt davor, dass die Bewertung<br />

des Unrechtsgehalts der Tat nachträglich<br />

zum Nachteil des Täters geändert wird... Deshalb<br />

gebietet er auch, einen bei der Begehung der Tat<br />

gesetzlich geregelten Rechtfertigungsgrund weiter<br />

anzuwenden, wenn dieser im Zeitpunkt des<br />

Strafverfahrens entfallen ist. Allerdings gilt<br />

für Rechtfertigungsgründe nicht — wie für den<br />

Straftatbestand und die Strafandrohung — der<br />

strikte Gesetzesvorbehalt. Strafrechtliche<br />

Rechtfertigungsgründe können auch gewohnheitsrechtlich<br />

oder durch Rechtsprechung Geltung<br />

erlangen.“ (S. 48 der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes.)<br />

Hier muss wieder betont werden, was die Bundesverfassungsrichter<br />

offenbar nicht wissen, dass im DDR-Strafrecht<br />

auch die Rechtfertigungsgründe vollständig und abschließend<br />

durch geschriebenes Recht gesetzlich geregelt waren.<br />

Die Annahme des Bundesverfassungsgerichts trifft also für<br />

die DDR-Rechtsordnung und ihr unterfallende „Altfälle“<br />

nicht zu.<br />

Dass vorliegend nach DDR-Recht „Rechtfertigungsgründe“<br />

gegeben waren, in erster Linie in Gestalt des Art. 7 der<br />

Verfassung der DDR, wissen die Verfassungsrichter des<br />

Bundes nicht.<br />

Im Gegenteil, es wird nämlich — der eindeutigen DDR-<br />

Rechtslage zuwider — erklärt:<br />

„Im vorliegenden Fall wird „ein — teils normierter,<br />

teils auf staatliche Anordnung und Praxis<br />

beruhender — Rechtfertigungsgrund unter Voraussetzungen<br />

in Anspruch genommen, die Einschränkungen<br />

des absoluten Rückwirkungsverbotes des<br />

Art. 103 Abs. 2 GG von Verfassungs wegen zulassen.“<br />

(S. 49)<br />

456


Erich Buchholz<br />

Auch das ist unzutreffend, weil die Beschwerdeführer in diesem<br />

Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht von einem „auf<br />

staatliche Anordnung und Praxis beruhenden“, sondern<br />

gem. Art. 7 der DDR Verfassung von einem verfassungsrechtlichen<br />

Rechtfertigungsgrund ausgehen.<br />

Dann heißt es in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />

weiter:<br />

Das absolute Rückwirkungsverbot „gilt nicht mehr<br />

uneingeschränkt, wenn als Folge der Wiedervereinigung...<br />

vorgeschrieben ist, dass für die Beurteilung<br />

von Straftaten, die in der ehemaligen DDR<br />

begangen worden sind, das Strafrecht der DDR<br />

anzuwenden ist.“ (S. 49)<br />

Warum aufgrund der Wiedervereinigung das Rückwirkungsverbot<br />

bei DDR-Bürgern nicht mehr gelten soll, bleibt das<br />

Geheimnis der Bundesverfassungsrichter.<br />

„Allerdings kann diese Rechtslage... zu einem<br />

Konflikt zwischen den unverzichtbaren rechtstaatlichen<br />

Geboten des Grundgesetzes und dem<br />

absoluten Rückwirkungsverbot des Artikels 103<br />

Abs. 2 GG führen.“ (S. 50).<br />

Denn „das strikte Rückwirkungsverbot“ gilt nur bei<br />

Strafgesetzen, „wenn sie von einem an die Grundrechte<br />

gebunden demokratischen Gesetzgeber<br />

erlassen werden.“ (S. 50)<br />

So einfach ist es also.<br />

Ex cathedra wird befunden und verkündet: Bei DDR-<br />

Gesetzen gilt das Rückwirkungsverbot nicht!!<br />

Weil die Gesetze der DDR nicht vom Bundestag — als dem<br />

einzigen „demokratischen Gesetzgeber“ in deutschen<br />

Landen — erlassen wurden, stehen ehemalige DDR-Bürger<br />

trotz des Beitritts zum „Geltungsbereich des Grundgesetzes“<br />

nicht unter dessen Schutz !<br />

457


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Bundesdeutsche Gerichte dürfen also — unter den soeben<br />

zitierten Voraussetzungen — die Rechtswidrigkeit einer Tat<br />

auch rückwirkend annehmen, wenn zur Tatzeit (nach der<br />

DDR-Rechtslage von DDR-Gerichten) die Rechtswidrigkeit<br />

der betreffender Taten „verkannt“ wurde bzw. worden sein<br />

würde, wenn die betreffenden Taten in der DDR — aus<br />

bundesdeutscher Sicht fehlerhaft — für rechtmäßig gehalten<br />

wurden, obzwar sie dies, wie oben ausgeführt, nach der<br />

Rechtslage des DDR-Rechts tatsächlich waren, während<br />

bundesdeutsche Gerichte sie für rechtswidrig halten.<br />

8.4 Nachdem das BVerfG sich auf diese Weise einen besonderen<br />

methodischen Zugang, nämlich den der Aufspaltung<br />

des Rückwirkungsverbots verschafft hatte, ging es dazu über,<br />

aus der nach DDR-Recht schon wegen Art. 7 der Verfassung<br />

der DDR auf der Hand liegenden Rechtmäßigkeit des<br />

Handelns der DDR-Hoheitsträger Rechtswidrigkeit, also aus<br />

Weiß Schwarz zu machen.<br />

Auch solches war nur außerhalb des DDR-Gesetzes durch<br />

Beiseiteschieben desselben, also unter Verletzung des DDR-<br />

Rechts — das BVerfG stellt ja nicht auf Gesetze der DDR,<br />

sondern auf „teils normierte, teils auf staatlicher<br />

Anordnung und Praxis beruhende Rechtfertigungsgründe“<br />

ab — und durch die vorgenannte Abhebung von<br />

Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit konstruierbar.<br />

Hierbei „bewährte“ sich wiederum für die bundesdeutsche<br />

Art der Strafverfolgung von DDR-Hoheitsträgern das ausgeklügelte<br />

arbeitsteilige Zusammenspiel von „Tat-Richter“ und<br />

Revisions- bzw. Verfassungsgericht.<br />

Die — durch die Revision nicht mehr angreifbaren — „tatsächlichen<br />

Feststellungen“ des Tatrichters, die wir oben als<br />

Sachverhaltsverfälschung bloßzustellen hatten, werden vom<br />

BVerfG hinsichtlich der „Tatsachen“, in tatsächlicher Hinsicht,<br />

nicht überprüft, als „bare Münze“ genommen.3<br />

458


Erich Buchholz<br />

Da der Tatrichter bei seiner Sachverhaltsverfälschung in<br />

Bezug auf die Verhinderung von Grenzdurchbrüchen (durch<br />

Gebrauch der Schusswaffe bzw. Verlegung von Minen) einen<br />

Widerspruch zwischen der Gesetzeslage, insbesondere der<br />

dann in dieser Entscheidung des BVerfG als rechtsstaatlich<br />

nicht zu beanstandenden Schusswaffengebrauchsbestimmung<br />

des §27 GrenzG, und der „Befehlslage“ bzw. Staatspraxis<br />

gefunden, d.h. erfunden hatte, konnte nun das BVerfG<br />

— daran anknüpfend — davon sprechen, „dass diese<br />

Gesetzeslage von“ — der Gesetzeslage widersprechenden,<br />

also rechtswidrigen — „Befehlen überlagert war“ (S. 54).<br />

Da den verurteilten DDR-Hoheitsträgern diese (durch<br />

Sachverhaltsverfälschung konstruierte) — vom BVerfG als<br />

menschenrechtswidrig beurteilte — Befehlslage als Totschlagshandlung<br />

zugerechnet wurde, wurden ihre Taten als<br />

rechtswidrig beurteilt und damit ihre Verurteilung als mit<br />

dem GG, insbesondere mit dem Rückwirkungsverbot vereinbar<br />

angenommen und also verfassungsrechtlich bestätigt.<br />

8.5 Besonders hervorzuheben ist hierbei folgendes:<br />

Das BVerfG hält die an der Staatsgrenze (West) der DDR<br />

angeblich geübte Staatspraxis, nach der die Fluchtverhinderung<br />

Vorrang vor dem Recht auf Leben gehabt haben soll,<br />

für menschenrechtswidrig.<br />

Danach hätte womöglich die DDR als Staat für diese<br />

Menschenrechtswidrigkeit gegenüber den anderen Staaten<br />

einzustehen, die dem Internationalen Menschenrechtspakt<br />

beitraten.<br />

Vorliegend geht es aber nicht um eine (völkerrechtliche)<br />

Verantwortlichkeit des Staates, sondern um ein Strafverfahren,<br />

in dem die individuelle Schuld, die persönliche<br />

strafrechtliche Verantwortlichkeit von Individuen, auch von<br />

Hoheitsträgern, zu prüfen und festzustellen ist.<br />

459


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist dann<br />

weiter zu lesen:<br />

Die „besondere Vertrauensgrundlage“ des Rückwirkungsverbots<br />

„entfällt“, — erklärt das BVerfG — „wenn<br />

der andere Staat für den Bereich schwersten kriminellen<br />

Unrechts zwar Straftatbestände normiert,<br />

aber die Strafbarkeit gleichwohl durch<br />

Rechtfertigungsgründe für Teilbereiche ausgeschlossen<br />

hatte, indem er über die geschriebene<br />

Normen hinaus zu solchem Unrecht aufforderte.<br />

Hierdurch setzte der Träger der Staatsmacht<br />

extremes staatliches Unrecht.“ (S. 50)<br />

Das BVerfG — mit dem angesehenen Strafrechtsprofessor<br />

Hassemer als Berichterstatter — vermischt bei dieser Frage<br />

die Ebenen und Rechtsgebiete, nämlich Völkerrecht und<br />

Strafrecht, und rechnet bestimmten Individuen zu, was —<br />

möglicherweise — der Staat DDR zu vertreten hat.<br />

Ebenso gehen in diesen Ausführungen ständig Tatsächlichkeiten<br />

und Rechtsfragen durcheinander.<br />

Das (angeblich) vom „Träger der Staatsmacht“ in der DDR<br />

gesetzte — also als Gesetz, als geschriebenes Recht gesetztes<br />

— Unrecht soll „auf staatlicher Anordnung und Praxis beruhen“<br />

— also etwas Tatsächliches sein; dann aber wäre es kein<br />

gesetztes Recht oder Unrecht !<br />

Im Übrigen wird unter ausdrücklicher Bezugnahme auf<br />

Radbruch — aber im krassen und diametralen Gegensatz zu<br />

seinen belegten Auffassungen (s.o.) — „materielle<br />

Gerechtigkeit“ dem geschriebenen DDR-Gesetz entgegengesetzt,<br />

das zweifelsfrei kein Unrechtsgesetz war, und zwar<br />

schon deshalb nicht, weil es im Wortlaut — wie das BVerfG<br />

in dieser Entscheidung einräumen musste — den bundesdeutschen<br />

Vorschriften entsprach.<br />

Das BVerfG nimmt für sich die materielle Gerechtigkeit den<br />

Anspruch und erklärt, das positive Gesetz der DDR gilt nicht.<br />

460


Erich Buchholz<br />

Die Richtermacht bundesdeutscher Richter, vorliegend der<br />

Verfassungsrichter des Bundes, setzt sich gegen das Grundgesetz<br />

und gegen die Gesetze der DDR, des „untergegangenen“<br />

anderen deutschen Staates, durch.<br />

So geht Macht vor Recht!<br />

9. Die Aushebelung der<br />

Strafverfolgungsverjährung zum Zwecke der<br />

Strafverfolgung von DDR-Hoheitsträgern<br />

9.1 Schließlich kommt der Rechtsbruch bei der Strafverfolgung<br />

von DDR-Bürgern auch beim Umgang mit dem<br />

Rechtsinstitut der Verjährung der Strafverfolgung besonders<br />

deutlich zum Ausdruck.<br />

Auch bei diesem Thema erscheint es angezeigt, zunächst die<br />

diesbezügliche Rechtslage nach dem DDR-Recht darzulegen.<br />

Im StGB/DDR war in den §§81f die Verjährung der Strafverfolgung<br />

in einer Weise geregelt, die weitgehend der<br />

Regelung nach dem bundesdeutschen Strafrecht entsprach.<br />

Das DDR-Strafrecht kannte in §83 StGB/DDR auch eine<br />

Regelung über das Ruhen der Verjährung der Strafverfolgung,<br />

darunter auch — was vorliegend relevant ist — in<br />

Fällen, in denen wegen eines gesetzlichen Grundes — also<br />

nicht aus tatsächlichen Gründen — die Strafverfolgung nicht<br />

eingeleitet oder fortgesetzt werden kann.<br />

Bei Verbrechen gegen den Frieden, die Menschlichkeit und<br />

die Menschenrechte und Kriegsverbrechen, also den Verbrechen<br />

nach §§85–95 StGB/DDR, war kraft ausdrücklicher<br />

Regelung in §84 StGB/DDR die Verjährung der Strafverfolgung<br />

auf der Grundlage des Art. 91 der Verfassung der<br />

461


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

DDR in Übereinstimmung mit den einschlägigen Beschlüssen<br />

der Vereinten Nationen, namentlich der „Konvention<br />

über die Nichtanwendbarkeit von Verjährungsbestimmungen<br />

auf Kriegsverbrechen und auf<br />

Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vom 26. November<br />

1968 (XXIII. Vollversammlung der Vereinten<br />

Nationen) ausgeschlossen.<br />

Nach §78 Abs. 2 des bundesdeutschen StGB unterliegen<br />

Völkermord i.S.d. §220a und — eigenartiger Weise — auch<br />

(Individual-)Mord gem. §211 nicht der Verjährung.<br />

Im Einigungsvertrag, also einem völkerrechtlichen Vertrag<br />

zwischen den beiden deutschen Staaten, ist durch Art. 315a<br />

EGStGB eindeutig bestimmt:<br />

Handlungen, deren Verfolgung zum 3. Oktober 1990 bereits<br />

verjährt war, können nicht mehr verfolgt werden. Wenn<br />

Verjährung eingetreten war, bleibt es dabei.<br />

Der durch den Einigungsvertrag (EinigV) eingeführte<br />

Artikel 315a EGStGB, (der als „a“ ergänzte Artikel verrät,<br />

dass man zunächst an die Frage der Verjährung überhaupt<br />

nicht gedacht hatte) lautet:<br />

„Soweit die Verjährung der Verfolgung.... nach<br />

dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik<br />

bis zum Wirksamwerden des Beitritts nicht eingetreten<br />

war, bleibt es dabei. Die Verfolgungsverjährung<br />

gilt als am Tag des Wirksamwerdens des<br />

Beitritts unterbrochen; §78a Abs. 3 des Strafgesetzbuches“<br />

— des bundesdeutschen ! — „bleibt<br />

unberührt.“ 91<br />

Diese Regelung ist klar und eindeutig. Sie entspricht auch<br />

weitgehend den allgemein anerkannten Strafrechtsprinzipien.<br />

Das wurde zunächst auch vom 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs<br />

so gesehen.<br />

462


Erich Buchholz<br />

In seiner Entscheidung vom 20. Oktober 1993 — es ging um<br />

einen Fall von „Schüssen an der innerdeutschen Grenze“ —<br />

heißt es:<br />

„Vielmehr enthält die Vorschrift selbst eine eindeutige<br />

und in sich geschlossene Gesamtregelung.“ 92<br />

9.2 Alsbald wurde deutlich, dass infolge dieser Bestimmung<br />

im Einigungsvertrag viele Handlungen aus den fünfziger und<br />

sechziger Jahren, die die bundesdeutsche Justiz nach 1990<br />

DDR-Bürgern als Straftaten vorwerfen möchte, wegen<br />

Verjährung nicht mehr verfolgt werden können.<br />

Es wurde deutlich, dass der politische Auftrag des seinerzeitigen<br />

Bundesjustizministers Kinkel infolge dieser Regelung im<br />

Einigungsvertrag zur Verjährung nur in Grenzen erfüllt werden<br />

könnte.<br />

Das wollte man nicht hinnehmen.<br />

Man kam auf die Idee, gegen DDR-Bürger ein besonderes<br />

Verjährungsgesetz, also ein Sondergesetz einzuführen. Dieses<br />

durch den Bundestag im Eiltempo verabschiedete Verjährungsgesetz<br />

vom 26. März 1993 sieht vor, dass während der<br />

gesamten Zeit des Bestehens der DDR, vom 11. Oktober 1949<br />

bis zum 2. Oktober 1990, also auch nach dem 18. März 1990 (!)<br />

somit über fast 41 Jahre, die Verjährung geruht haben soll. 93<br />

Man stelle sich das vor:<br />

Ein Ruhen der Verjährung bei zahlreichen unterschiedlichsten<br />

Handlungen über einen Zeitraum von mehr als 40 Jahren!<br />

So etwas hat es bisher noch nie gegeben!<br />

Das war ein einmaliger Rechtsbruch!<br />

Augenscheinlich lag diesem Gesetz die Vorstellung zugrunde,<br />

die DDR sei ja ein „Unrechtsstaat“ gewesen; also kann es<br />

während des Bestehens dieses Staates nur Unrecht gegeben<br />

haben.<br />

463


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Man muss sich dabei auch über folgendes im Klaren sein:<br />

Der Einigungsvertrag ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen<br />

zwei deutschen Staaten, deren Parlamente, also der<br />

Bundestag und die Volkskammer, ihn in Gesetzesform verabschiedet<br />

hatten.<br />

Nach dem Vollzug des Beitritts gab es den einen Vertragspartner<br />

nicht mehr.<br />

Und nun geriert sich der überlebende Vertragspartner, die<br />

Bundesrepublik, vertragsbrüchig in der Weise, dass er einseitig<br />

die vertraglich rechtswirksam vereinbarte Regelungen<br />

verändert.<br />

Da der andere Vertragspartner sich nicht mehr wehren konnte,<br />

hat die Bundesrepublik diese Situation weidlich ausgenutzt.<br />

Dergleichen ist auch im Völkerrecht ebenso einmalig.<br />

9.3 Worauf stellte dieses besondere Verjährungsgesetz das<br />

Ruhen der Verjährung ab?<br />

Enthält es eindeutige klare Bestimmungen?<br />

Keineswegs!<br />

Nach Art. 1 dieses Verjährungsgesetzes bleibt die Zeit vom<br />

11. Oktober 1949 bis 2. Oktober 1990 bei der Berechnung der<br />

Verjährungsfrist für die Verfolgung von Taten außer Ansatz,<br />

„die während der Herrschaft des SED-Unrechtsregimes<br />

begangen wurden“ — also alle beliebigen Straftaten,<br />

angefangen von der Beleidigung bis zum Mord oder<br />

Völkermord — die „aber entsprechend dem ausdrücklichen<br />

oder mutmaßlichen Willen der Staats- und<br />

Parteiführung der ehemaligen Deutschen Demokratischen<br />

Republik aus politischen oder sonst mit<br />

wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen<br />

rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbaren Gründen<br />

nicht geahndet worden sind.“<br />

464


Erich Buchholz<br />

a) Diese Regelung setzt als erstes voraus, dass — nach dem<br />

Strafrecht der DDR! — Straftaten begangen wurden.<br />

Es muss also zunächst — in justizförmiger Weise — festgestellt<br />

werden, dass tatsächlich Straftaten begangen worden<br />

sind.<br />

Da die DDR-Justiz nicht mehr besteht, käme es also der<br />

bundesdeutschen Justiz zu, diese Feststellung in Bezug auf<br />

eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nach einer ihr fremden<br />

Strafrechtsordnung nach Verlauf von bis zu vier<br />

Jahrzehnten zu treffen!<br />

Allein diese Regelung des Gesetzes umschließt in sich in großem<br />

Umfang Unsicherheiten und Unbestimmtheiten, wenn<br />

nicht gar die Gefahr von Willkür, und zwar schon deshalb,<br />

weil nach Jahrzehnten vielfach nicht mehr in justizförmiger<br />

Weise zuverlässig festgestellt werden kann, ob damals eine<br />

nach DDR-Recht strafbare Handlung begangen wurde.<br />

b) Diese Gefahr von Willkür wird dann dadurch potenziert,<br />

dass zweitens nach diesem VerjG nicht nur festzustellen (!)<br />

wäre, dass diese Straftaten nicht geahndet wurden (was ja<br />

unschwer feststellbar ist), sondern auch, dass dieses<br />

Unterlassen einer gebotenen Strafverfolgung aus bestimmten<br />

Gründen erfolgte, und zwar zum einen „entsprechend dem<br />

ausdrücklichen oder mutmaßlichen (?!) Willen der<br />

Staats- und Parteiführung der DDR.“<br />

Da abzusehen war, wie sich dann auch zeigte, dass ausdrückliche<br />

Willenserklärungen der Staats- und Parteiführung der<br />

DDR, an sich strafbare Handlungen entgegen dem Gesetz<br />

nicht zu verfolgen, nicht vorweisbar und nicht auffindbar sein<br />

würden, haben sich die betreffenden bundesdeutschen<br />

Gesetzemacher von vornherein auf einen „mutmaßlichen“<br />

Willen der DDR-Führung eingestellt.<br />

Da eine dahingehende Feststellung nun von bundesdeutschen<br />

Justizbehörden getroffen werden müsste, läuft die<br />

465


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Sache darauf hinaus, dass bundesdeutsche Behörden nach<br />

ihrem Vorstellungsbild vom „mutmaßlichen Willen der<br />

DDR-Führung“ — besser: Vorurteil — befinden, ob ein solcher<br />

mutmaßlicher Wille — mutmaßlich ! — existiert habe.<br />

Also Mutmaßung in Potenz !<br />

Der Gesetzgeber, der Bundestag, hat in einer beispiellosen<br />

Weise die Willkür in das Gesetz plaziert.<br />

c) Zum Dritten verlangt dieses Gesetz festzustellen, dass das<br />

Unterlassen der an sich von Rechts wegen geboten gewesenen<br />

Ahndung der betreffenden Straftaten<br />

„aus politischen oder sonst mit wesentlichen<br />

Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen<br />

Ordnung unvereinbaren Gründen“ erfolgte.<br />

Nun ist bekannt, dass des öfteren Strafverfolgungen unterbleiben,<br />

und zwar auf rechtlicher Grundlage, wenn man allein<br />

an die verschiedenen Möglichkeiten der Verfahrenseinstellung<br />

denkt, unter denen durchaus auch politische Motive<br />

anerkannt sind. (Vgl. §§154 f der bundesdeutschen StPO)<br />

Unabhängig davon ist aber ebenso klar, dass die betreffenden<br />

bundesdeutschen Justizbehörden nun aus ihrer politischen<br />

Sicht beurteilen müssen, und dann auch darüber befinden,<br />

inwieweit die andere Seite, die DDR, aus „politischen Gründen“<br />

gehandelt, namentlich eine an sich gebotene Strafverfolgung<br />

unterlassen hat.<br />

Nach dem Verjährungsgesetz zählen aber nicht nur „politische“<br />

Gründe — was immer das sein soll —, sondern auch<br />

solche Gesichtspunkte, wenn aus „sonst mit wesentlichen<br />

Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen<br />

Ordnung unvereinbaren Gründen“ eine<br />

Straftat nicht geahndet wurde.<br />

Hier ist also wieder einmal ganz deutlich zu erkennen, dass<br />

der bundesdeutsche Maßstab angelegt werden soll, denn<br />

466


erklärtermaßen gab bzw. gibt es nur dort eine freiheitliche<br />

rechtsstaatliche Ordnung, nicht aber in der DDR!<br />

Selten ist einem Gesetz so deutlich anzusehen, von welcher<br />

politischen Sicht aus es gegen wen gerichtet ist.<br />

Dieses Verjährungsgesetz ist offene Verletzung des Grundsatzes<br />

der Gleichheit vor dem Gesetz.<br />

Es ist ein Sondergesetz gegen die DDR, gegen DDR-Bürger,<br />

gepflastert mit Unwägbarkeiten und Unsicherheiten, ein<br />

Gesetz, dem die Willkür auf die Stirn geschrieben ist.<br />

9.4 Dieses im übrigen mit der „heißen Nadel“ genähte<br />

Verjährungsgesetz sah nicht sonderlich rechtsstaatlich aus.<br />

Deshalb wurde erklärt, dieses Gesetz habe keine konstitutive<br />

Wirkung, d.h. es erzeuge keine neue Rechtslage, es sei vielmehr<br />

nur deklaratorischer Natur, es wolle nur klarstellen, wie<br />

die Rechtslage sei.<br />

Das ist Lug und Trug.<br />

Erich Buchholz<br />

Denn die diesbezügliche, die Verjährung und das Ruhen von<br />

Verjährung betreffende Rechtslage in der DDR und bezüglich<br />

von Handlungen in der DDR, um die es hier geht, war<br />

sowohl nach dem DDR-Recht, als auch nach der oben<br />

genannten Vorschrift des durch den Einigungsvertrag<br />

geschaffenen Art. 315a EGStGB völlig eindeutig und klar; sie<br />

bedurfte keiner Klarstellung.<br />

Falls die westdeutsche bzw. (alt)-bundesdeutsche Rechtslage<br />

unklar gewesen sein sollte, so hat dies jedenfalls für die DDR<br />

und ihre Bürger keine Bedeutung und nötigt nicht, gegen sie<br />

ein Ruhen der Verjährung über mehr als 40 Jahre festlegen zu<br />

wollen.<br />

Die Gerichte, voran der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs,<br />

fanden in der Mehrheit dieses Gesetz auch nicht sonderlich<br />

rechtsstaatlich.<br />

467


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Gemäß der Forderung ihres Justizministers, der auf dem vorerwähnten<br />

Deutschen Richtertag die Richter — anstelle des<br />

Gesetzgebers, der aus rechtsstaatlichen Gründen nicht<br />

handeln könne (!) — zu einer politisch erwünschten Lösung<br />

aufrief, sprang der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes<br />

hilfreich ein. 94<br />

Die Bundesrichter des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofes<br />

beschritten einen anderen Weg.<br />

Dieser 5. Strafsenat des BGH entdeckte nämlich in der<br />

Tatsache der Nichtverfolgung von an sich zu ahndenden<br />

Straftaten während des 40-jährigen Bestehens der DDR<br />

einen „gesetzlichen Ruhensgrund“.<br />

Auch das ist einmalig in der Rechtsgeschichte und Rechtsbruch<br />

par excellence.<br />

Juristisch handelt es sich um folgendes:<br />

Die Tatsache der Nichtverfolgung von Straftaten (aus<br />

welchem Grunde auch immer) bewirkt nach entsprechenden<br />

gesetzlich geregelten Zeitabläufen eine Verjährung der<br />

Strafverfolgung.<br />

Denn nach genügend langer Zeit ist für die Öffentlichkeit in<br />

der Regel das Strafbedürfnis entfallen oder wesentlich reduziert.<br />

Außerdem ist nach solchem Zeitablauf die Beweislage<br />

meist sehr ungünstig und eine Verurteilung auf hinreichend<br />

gesicherter Beweisgrundlage kaum noch möglich.<br />

Deshalb anerkennt die Rechtsordnung grundsätzlich eine<br />

Verjährung der Strafverfolgung allein auf Grund der<br />

Tatsache der Nichtverfolgung nach Ablauf einer gesetzlich<br />

bestimmten Zeit.<br />

Weiterhin kennen die beiden deutschen Strafgesetzbücher —<br />

abgesehen von anderen Gründen der Regelung eines Ruhens<br />

(oder auch einer Unterbrechung) der Verjährung der<br />

Strafverfolgung — die sinnvolle Regelung, nach der die<br />

Strafverfolgung ruht, wenn die Strafverfolgung aus gesetz-<br />

468


Erich Buchholz<br />

lichen, aus rechtlichen, aus juristischen Gründen nicht möglich<br />

ist. (Beispiele dafür sind die Immunität von Parlamentsangehörigen.)<br />

Nach der Rechtslage gab es aber in den hier zu besprechenden<br />

Fällen keinen einzigen derartigen gesetzlichen Grund für<br />

ein Ruhen der Verjährung, und keines der bundesdeutschen<br />

Strafgerichte hat jemals behauptet, dass ein derartiger gesetzlicher<br />

Grund für ein Ruhen der Verjährung der Strafverfolgung<br />

vorlag.<br />

Da es keinen in §83 StGB/DDR dafür vorgesehenen gesetzlichen<br />

Grund gab, erfand der BGH einen quasi-gesetzlichen<br />

Ruhensgrund.<br />

Der politische Wille der DDR-Führung habe eine Wirkung<br />

gehabt wie ein Gesetz.<br />

Damit wurde im Grunde genommen die NS-„Führerbefehls“-Doktrin<br />

auf die DDR übertragen und, jedenfalls<br />

insoweit, DDR und Hitlerstaat auf eine Stufe gestellt.<br />

Es wurde behauptet:<br />

Weil in der DDR die Handlungen, die die bundesdeutsche<br />

Strafjustiz nach 1990 eigenwillig und willkürlich zu Straftaten<br />

macht, damals in der DDR, angeblich aus politischen<br />

Gründen bzw. rechtsstaatswidrig, nicht verfolgt wurden, läge<br />

ein quasi-gesetzlicher Ruhensgrund vor.<br />

Der BGH ging zwar verbal nicht so weit, dass er direkt eine<br />

Parallele zum „Führerbefehl“ der Nazizeit herstellte, der<br />

bekanntlich als gesetzesgleich galt bzw. dem eine gesetzliche<br />

Verbindlichkeit zugeschrieben worden war.<br />

Immerhin musste der BGH anerkennen, dass in der DDR<br />

Gesetze nur von der Volkskammer erlassen wurden.<br />

Aber der BGH meinte, die politischen Spitzen in der DDR<br />

hätten bestimmt, was als Straftat verfolgt werde und was nicht.<br />

Natürlich ist das unsinnig.<br />

469


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Was strafbar und deshalb zu verfolgen war, bestimmte in der<br />

DDR das Strafgesetz, seit 1968 vornehmlich das Strafgesetzbuch<br />

von 1968.<br />

Wenn also, um ein Beispiel zu nennen, die rechtmäßige<br />

Verurteilung von Spionen oder Agenten (und von diesen gab<br />

es mehr als genug) durch DDR-Gerichte in der DDR nicht<br />

als Rechtsbeugung verfolgt worden war, so sei, erklärt der<br />

5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, die (seiner Ansicht<br />

nach) gebotene Strafverfolgung der DDR-Richter und -<br />

Staatsanwälte rechtswidrig unterlassen worden, und deshalb<br />

müsse man von einem Ruhen der Verjährung der Verfolgung<br />

von Straftaten ausgehen.<br />

Am Rande:<br />

Für Juristen ist die Unterscheidung von Juristischem und<br />

Tatsächlichem ganz wesentlich.<br />

Daher sind auch tatsächliche Umstände, die einer Strafverfolgung<br />

entgegenstehen, etwa fehlende Beweise oder<br />

Unauffindbarkeit des Täters, und rechtliche gesetzliche<br />

Gründe des Ruhens der Strafverfolgung, z.B. die Immunität<br />

von Abgeordneten, scharf zu unterscheiden<br />

Der Sinn jeder Verjährungsregelung besteht ja gerade darin,<br />

dass die Verfolgung der Straftat entfällt, wenn es nach längerer<br />

Zeit, aus welchen tatsächlichen Gründen auch immer,<br />

nicht zu einer Verfolgung der Straftat kam.<br />

Die rechtliche Regelung der Verjährung setzt also gerade<br />

voraus, dass aus tatsächlichen Gründen nicht verfolgt wurde.<br />

Diese Selbstverständlichkeit gilt aber in der Bundesrepublik<br />

nicht für DDR-Bürger.<br />

Was der Bundesgerichtshof hier „entwickelt“ hat, ist nicht<br />

nur schlechthin gesetzwidrig, sondern schlägt dem Sinn und<br />

Zweck der Verjährungsregelung ins Gesicht.<br />

Denn der Bundesgerichtshof nimmt tatsächliche Geschehnisse,<br />

470


Erich Buchholz<br />

die Tatsache der Nichtverfolgung betreffender Taten aus politischen<br />

Gründen zur Grundlage für die Annahme des Ruhens<br />

der Verjährung der Strafverfolgung.<br />

9.5 In diesem Zusammenhang ist auf folgendes hinzuweisen:<br />

Die maßgebliche Vorschrift in dem Verjährungsgesetz vom<br />

1993 wird als „Zweites Berechnungsgesetz“ bezeichnet.<br />

Damit soll zum einen der Eindruck erweckt werden, als handle<br />

es sich um eine normale Angelegenheit und als seien dergleichen<br />

Fragen bereits früher vom Bundestag befunden und<br />

entschieden worden.<br />

Jenes erste „Gesetz über die Berechnung strafrechtlicher<br />

Verjährungsfristen“ vom 13. April 1965 betraf die Verfolgung<br />

von NS-Verbrechen. 95<br />

Zutreffend ist in §1 dieses Gesetzes für das Ruhen der<br />

Verjährung der Verfolgung dieser Verbrechen ein überschaubarer<br />

Zeitraum vom 8. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1949,<br />

also von nur 4½ Jahren, als außer Ansatz bleibend angenommen<br />

worden. (Dies war die Zeit unmittelbar nach dem Krieg,<br />

in der die Justiz noch nicht voll arbeitsfähig war, sodass die<br />

NS-Verbrecher davon profitiert hätten, dass sie das deutsche<br />

Volk in den totalen Zusammenbruch geführt hatten, der auch<br />

einen zeitweisen Stillstand der Rechtspflege einschloss.)<br />

Diese Regelung war in jeder Hinsicht gerechtfertigt.<br />

Außerdem waren von dem Ruhen der Verfolgungsverjährung<br />

nur wenige Straftaten betroffen: „Verbrechen, die mit<br />

lebenslangem Zuchthaus bedroht sind“, also praktisch<br />

Mord. Man könnte schon meinen, eine so weit gehende<br />

Einschränkung zu Gunsten der NS-Verbrecher sei nicht<br />

angezeigt gewesen.<br />

Vorliegend besonders bedeutsam ist aber, dass im Abs. 2 des<br />

§1 dieses Gesetzes in Übereinstimmung mit allgemein aner-<br />

471


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

kannten Strafrechtsprinzipien bestimmt wurde:<br />

Ein Ruhen „gilt nicht für Taten, deren Verfolgung<br />

beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits verjährt<br />

ist.“!<br />

Das erste der Strafverfolgung von NS-Verbrechen dienende<br />

Berechnungsgesetz bewirkte somit lediglich eine Verlängerung<br />

noch laufender Verjährungsfristen!<br />

Gegenüber NS-Verbrechern wurde also — anders als später<br />

gegenüber DDR-Bürgern — der allgemein anerkannte<br />

rechtsstaatliche Grundsatz, dass eine bereits eingetretene<br />

Verjährung nicht wieder rückgängig gemacht, nicht wieder<br />

eröffnet werden darf, beachtet.<br />

Das BVerfG hatte sich am 26. Februar 1969 mit der Frage der<br />

Übereinstimmung des vorgenannten (ersten) Berechnungsgesetzes<br />

mit dem Grundgesetz zu befassen. 96<br />

In diesen Beschluss hat das BVerfG zutreffende Erwägungen<br />

vorgetragen, aus denen sich überzeugend ergibt, dass das<br />

oben genannte (erste) Berechnungsgesetzes mit dem Grundgesetz<br />

vereinbar ist.<br />

Zu Recht wird u.a. erkannt, dass dieses Berechnungsgesetz<br />

lediglich eine Verlängerung laufender Verjährungsfristen<br />

bewirkte.<br />

„Das Berechnungsgesetz griff nicht nachträglich<br />

ändernd in der Vergangenheit angehörende Tatbestände<br />

ein. Es gilt nicht für Taten, deren<br />

Verfolgung beim Inkrafttreten des Gesetzes<br />

bereits verjährt waren.“ Es „bewirkte lediglich<br />

die Verlängerung noch laufender Verjährungsfristen<br />

in die Zukunft hinein.“<br />

Nach den in diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />

entwickelten und vertretenen Grundsätzen ist das gegen<br />

DDR-Bürger gerichtete besondere Verjährungsgesetz vom<br />

1993 als verfassungswidrig zu beurteilen.<br />

472


Erich Buchholz<br />

9.6 Zutreffend ist zwar auch die Aussage:<br />

„Eine einmal begangene strafbare Handlung verliert<br />

ihren Unrechtscharakter nicht dadurch,<br />

dass sie aus tatsächlichen oder rechtlichen<br />

Gründen nicht verfolgt wird oder nicht verfolgt<br />

werden kann.“<br />

Allerdings wird auch eine, zumindest für problematisch zu<br />

haltende Aussage getroffen, dass nämlich das Rückwirkungsverbot<br />

des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz nicht die Verjährung<br />

betreffe; die Verjährung falle aus dem Geltungsbereich dieses<br />

Artikels heraus, weil dieses Rückwirkungsverbot nur für das<br />

materielle Strafrecht gelte.<br />

Zu dieser letzten Frage, die den Rechtscharakter der Verjährung<br />

betrifft, muss jedoch folgendes angemerkt werden:<br />

Ursprünglich war völlig unstreitig, dass die Verjährung, die im<br />

StGB und nicht in der Strafprozessordnung geregelt ist, dem<br />

materiellen Strafrecht zugehört.<br />

Danach unterfällt die Verjährung auch dem Rückwirkungsverbot<br />

und dem Schutzbereich des Artikels 103 Abs. 2<br />

Grundgesetz.<br />

Erst eine Entscheidung des nazistischen Reichsgerichts aus<br />

dem Jahre 1942 brachte eine Schwenkung in der Beurteilung<br />

der Rechtsnatur der Verjährung.<br />

Das Reichsgericht entschied über eine Übertretung auf der<br />

Grundlage der nazistischen Verbrauchsregelungs-Strafverordnung,<br />

die durch eine Änderung vom 26. November 1941<br />

„zum Schutze uneinsichtiger und böswilliger<br />

Volksgenossen“ massiv verschärft worden war. 97<br />

Im Zusammenhang mit dieser Verschärfung war zugleich an<br />

die Stelle des in §67 Abs. 3 StGB für Übertretungen vorgesehenen<br />

dreimonatigen Verjährungsfrist im Verordnungswege<br />

eine einjährige Verjährungsfrist (§21 Abs. 1 Satz 1 dieser<br />

Verordnung) getreten.<br />

473


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Ohne sich mit der Problematik des Rechtscharakters der<br />

Verjährung auseinander zu setzen, erklärte das NS-Reichsgericht<br />

apodiktisch:<br />

„Frühere Rechtsprechung des RG“ habe „durch den<br />

§21 nF.“ der vorgenannten Verordnung „ihre Bedeutung<br />

verloren.“<br />

Somit folgte das BVerfG des Jahres 1969 insoweit der geänderten<br />

Auffassung des nazistischen Reichsgerichts über den<br />

Rechtscharakter der Verjährung, ohne diese „Rechtsauffassung“<br />

auf ihre rechtsstaatliche Stichhaltigkeit überprüft zu<br />

haben.<br />

9.7 Die Willkür, die dem gegen DDR-Bürger gerichteten<br />

Verjährungsgesetz auf der Stirn geschrieben steht und die die<br />

„Rechtsauffassung“ des BGH von einem „quasi-gesetzlichen“<br />

Ruhensgrund in sich birgt, fand in verschiedenen Gerichtsentscheidungen<br />

ihren Niederschlag und bewirkte zahlreiche<br />

rechtswidrige Verurteilungen von DDR-Bürgern wegen<br />

ihnen zur Last gelegter angeblicher Straftaten, deren<br />

Strafverfolgung nach dem maßgeblichen DDR-Recht längst<br />

verjährt war.<br />

Es handelt sich somit bei diesen Verurteilungen um zweifachen<br />

Rechtsbruch auf zwei verschiedenen Ebenen.<br />

9.8 Um zusammenzufassen:<br />

Im Unterschied zu dem ersten NS-Verbrechen betreffenden<br />

Berechnungsgesetz ist hinsichtlich des gegen DDR-Bürger<br />

gerichteten Verjährungsgesetzes von 1993 hervorzuheben:<br />

• es betrifft eine fast zehnmal solange Zeit,<br />

• es betrifft alle möglichen Straftaten, nicht nur Mord,<br />

• es bewirkt eine rückwirkende Wiedereröffnung bereits eingetretener<br />

Verjährung, die bei den NS-Verbrechen ausdrücklich<br />

ausgeschlossen wurde.<br />

474


Erich Buchholz<br />

Ein so krasser Unterschied in der Behandlung der NS-<br />

Verbrecher einerseits und von DDR-Bürgern andererseits<br />

hat nichts mehr mit Rechtsstaatlichkeit zu tun und ist ausschließlich<br />

politisch erklärbar:<br />

Offenbar ist es für den bundesdeutschen Gesetzgeber und für<br />

die bundesdeutsche Justiz viel schlimmer, für die DDR<br />

gewirkt, als NS-Verbrechen begangen zu haben.<br />

10. Missachtung der dem DDR-Strafrecht<br />

zu Grunde liegenden und ihm<br />

innewohnenden Doktrinen<br />

10.1 Zur Rechtsanwendung gehört nach Aufklärung und<br />

Feststellung des zugrunde zu legenden Sachverhalts bzw.<br />

Tatgeschehens die Subsumtion dieses Sachverhalts unter die<br />

relevanten Rechtsvorschriften, und zwar unter Auslegung<br />

und Interpretation der relevanten Rechtsbegriffe.<br />

Dabei gilt:<br />

In jeder Rechtsordnung hat der substanzielle Gehalt der der<br />

jeweiligen Rechtsordnung zu Grunde liegenden Rechtsbegriffe<br />

und Doktrinen, die Rechtslehre, eine maßgebliche<br />

Bedeutung für die Rechtsanwendung.<br />

•Was versteht die jeweilige Rechtsordnung unter einer<br />

Straftat?<br />

• Unter welchen Voraussetzungen wird ein Kausalzusammenhang<br />

zwischen der Tat und dem tatbestandsmäßigen<br />

Erfolg, z.B. dem Tod eines Menschen, angenommen, wann<br />

also liegt strafrechtlich relevante Kausalität vor, ohne die<br />

eine Verurteilung unzulässig wäre.<br />

•Was versteht die jeweilige Rechtsordnung unter Schuld,<br />

ohne deren Vorliegen weder verurteilt noch bestraft werden<br />

darf?<br />

475


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

•Wie regelt die betreffende Rechtsordnung auf dem<br />

Hintergrund der vorgenannten Grundbegriffe die strafrechtliche<br />

Verantwortlichkeit bei der Beteiligung mehrerer<br />

Personen an einer Straftat?<br />

All diese für die Rechtsanwendung eminent wichtigen<br />

Fragen nehmen in der Ausbildung der Juristen einen breiten<br />

Raum ein.<br />

Aber noch niemals wurde die immense entscheidungserhebliche<br />

praktische Bedeutung der in einer gegebenen Rechtsordnung<br />

maßgeblichen Auffassungen, Lehren und Doktrinen<br />

so anschaulich vor Augen geführt, wie in dem rechtsgeschichtlich<br />

wohl einmaligen Fall, dass Richter einer<br />

Rechtsordnung Vorgänge strafrechtlich zu beurteilen hatten,<br />

die unter einer anderen Rechtsordnung vor sich gingen und<br />

nach dieser zu beurteilen sind.<br />

Nie zuvor wurde praktisch vorgeführt, dass die Missachtung<br />

der vorgenannten, durch die betreffende Rechtsordnung<br />

begründeten Doktrinen zu Ergebnissen, zu gerichtlichen<br />

Entscheidungen führt, die diesen Doktrinen grundsätzlich<br />

widersprechen, sodass es zu Verurteilungen kommt, die nach<br />

den für die betreffende Rechtsordnung maßgeblichen<br />

Doktrinen ausgeschlossen sind.<br />

Da in betreffenden Strafverfahren gegen DDR-Hoheitsträger<br />

seitens der Verteidigung in Schutzschriften, Plädoyers<br />

und Revisionsbegründungen mehrfach und in unterschiedlicher<br />

Weise auf den prinzipiellen Unterschied der für die<br />

relevante Rechtsanwendung maßgeblichen Doktrinen der<br />

DDR gegenüber den traditionellen deutschen und den<br />

bundesdeutschen nachhaltig aufmerksam gemacht wurde,<br />

aber kein einziges bundesdeutsches Gericht sich auch nur in<br />

einem Falle mit diesen Fragen auseinander setzte, sich wenigstens<br />

dazu äußerte, ist zu konstatieren:<br />

Die bundesdeutsche Strafjustiz und auch die Strafsenate des<br />

476


Erich Buchholz<br />

Bundesgerichtshofs haben — sei es aus Unverständnis oder<br />

aus Bösartigkeit — die für die Rechtsanwendung in den<br />

betreffenden Verfahren gegen DDR-Hoheitsträger maßgeblichen<br />

Doktrinen der DDR grundsätzlich missachtet.<br />

Die grundsätzliche Missachtung dieser Doktrinen führte im<br />

Verein mit der vorstehend dargestellten „Rechtskonstruktion“<br />

regelmäßig zur Verletzung des maßgeblichen DDR-Rechts,<br />

zu Verurteilungen, zu denen es bei Beachtung sowohl des<br />

geschriebenen DDR-Strafrechts als auch der für das DDR-<br />

Strafrecht maßgeblichen Doktrinen von Rechts wegen nicht<br />

hätte kommen dürfen.<br />

Die zu Stande gekommenen Unrechtsurteile sind also auch<br />

eine Folge der grundsätzlichen Missachtung der in der DDR<br />

maßgebend gewesenen strafrechtlichen Doktrinen.<br />

10.2 Einleitend war schon darauf hingewiesen worden, dass in<br />

der DDR — im Unterschied zum traditionellen und bundesdeutschen<br />

Strafrecht — eine materielle Auffassung von der<br />

Straftat galt, wie sie in §1 StGB/DDR in Gestalt von<br />

Legaldefinitionen verbindlich festgeschrieben war.<br />

Danach konnte eine Straftat nur eine (gesetzlich bestimmte,<br />

im Straftatbestand beschriebene) gesellschaftsgefährliche<br />

oder gesellschaftswidrige Handlung sein.<br />

Eine Straftat konnte also nur eine solche Handlung sein, die<br />

für die sozialistische Gesellschafts-, Staats- und Rechtsordnung<br />

gefährlich war oder ihr zumindest grundsätzlich widersprach.<br />

Demzufolge bleiben Handlungen und Aktivitäten, die dem<br />

Aufbau des Sozialismus dienten, wie Produktionstätigkeiten,<br />

Wissenschaft usw., die der Versorgung der Bevölkerung dienten<br />

(darunter auch medizinische Heilbehandlung) sowie solche,<br />

die dem Schutz und der Verteidigung der DDR-Gesellschafts-,<br />

Staats- und Rechtsordnung dienten, im Hinblick auf<br />

eine strafrechtliche Beurteilung von vornherein außen vor.<br />

477


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Sie bedurften daher grundsätzlich keiner besonderen Rechtfertigung,<br />

denn solche Handlungen waren ihrem Wesen und<br />

Charakter nach gesellschaftsgemäß.<br />

Nach dem Strafrecht der DDR und der entsprechenden<br />

Strafrechtsdoktrin bedurfte deshalb z.B. auch ein ärztlicher<br />

Eingriff, der nach den Regeln der ärztlichen Kunst, lege artis,<br />

vorgenommen worden war, wegen seiner gesellschaftlichen<br />

Nützlichkeit, seiner Sozialadäquanz, von vornherein keiner<br />

besonderen Rechtfertigung; er blieb von vornherein außerhalb<br />

einer strafrechtlichen Beurteilung.<br />

Ebenso blieben deshalb auch Handlungen von Grenzsoldaten,<br />

die gemäß dem Verfassungsauftrag aus Art. 7 der<br />

Verfassung der DDR die Unverletzlichkeit, die territoriale<br />

Integrität der Staatsgrenzen der DDR gewährleisteten, von<br />

vornherein außerhalb des Strafrechts und bedürfen daher<br />

grundsätzlich keiner besonderen Rechtfertigung.<br />

Gleiches galt dem gemäß auch für das rechtmäßige, den<br />

Gesetzen der DDR entsprechende Handeln von Richtern<br />

und Staatsanwälten.<br />

So weit im Einzelfall ein Grenzsoldat die Rechts- oder<br />

Dienstvorschriften und Befehle verletzt hatte, war selbstverständlich<br />

die Prüfung einer disziplinarischen oder strafrechtlichen<br />

Verantwortlichkeit wegen dieser konkreten Verletzung<br />

bestimmter Vorschriften geboten, ganz so wie im Einzelfall<br />

auch die Verletzung von Gesetzen durch Richter und Staatsanwälte<br />

eine entsprechende Prüfung veranlassen mußte.<br />

Dem gegenüber folgt die bundesdeutsche Justiz einer anders<br />

gearteten Doktrin.<br />

Auf Grund der dort herrschenden formalen Auffassung von<br />

der Straftat als einer vom Strafgesetz als solche unter Strafe<br />

gestellten Handlung und auf Grund der dort herrschenden<br />

Abhebung von Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und<br />

478


Erich Buchholz<br />

Schuld, auf Grund dieser anders gearteten Doktrin kommt<br />

und kam die bundesdeutsche Strafjustiz insbesondere gegenüber<br />

DDR-Grenzsoldaten ganz unmittelbar darauf, das<br />

Vorliegen einer Straftat, namentlich eines Totschlags, zu bejahen<br />

und erst dann im nachhinein zu prüfen, ob es möglicherweise<br />

an der Rechtswidrigkeit gefehlt habe, weil ein besonderer<br />

Rechtfertigungsgrund erkennbar wurde.<br />

Dies ist offensichtlich ein völlig anderes Herangehen an die<br />

Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit.<br />

Namentlich gegenüber DDR-Hoheitsträgern unterstellt die<br />

bundesdeutsche Strafjustiz gemäß ihrer völlig anderen<br />

Strafrechtsdoktrinen von vornherein ein tatbestandsmäßiges<br />

Handeln dieser und damit deren strafrechtliche Verantwortlichkeit.<br />

Wie auch sonst im Leben ist es eben ein riesiger Unterschied,<br />

von welcher Prämisse, von welchem grundsätzlichen Ausgangspunkt<br />

aus ein Vorgang betrachtet wird.<br />

10.3 In der DDR galt eine realistische, wenn man so will naturalistische<br />

oder naturwissenschaftliche Kausalitätsauffassung.<br />

Ursache ist danach das Ereignis, das unter gegebenen Bedingungen<br />

ein bestimmtes Ergebnis (genetisch) hervorbrachte.<br />

Dabei wurde grundsätzlich zwischen Ursachen und Bedingungen<br />

unterschieden<br />

Im Strafrecht kam als Ursache eines tatbestandsmäßigen<br />

Erfolges (z.B. des Todes eines Menschen in der Strafbestimmung<br />

über Totschlag) nur eine gesellschaftsgefährliche bzw.<br />

gesellschaftswidrige, pflichtwidrige Handlung in Betracht, die<br />

einen gesellschaftsgefährlichen Kausalprozess auslöst, in<br />

Gang setzt und schließlich den tatbestandsmäßigen Erfolg<br />

(z.B. den Tod eines Menschen) bewirkt und herbeiführt.<br />

Eine solche Betrachtungsweise engt die strafrechtlich relevante<br />

Kausalität von vornherein auf diesen spezifischen<br />

479


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Kausalzusammenhang und damit auf die wirklich strafrechtlich<br />

relevanten Zusammenhänge ein.<br />

Somit war nach der im DDR-Strafrecht geltenden<br />

Kausalitätslehre namentlich bei Verfahren gegen Grenzsoldaten<br />

bzw. wegen der „Toten an der Mauer“ von vornherein<br />

der größte Teil der möglicherweise strafrechtlich relevanten<br />

Fälle ausgeschlossen, und zwar nicht nur die „Minenopfer“,<br />

sondern auch die Todesfälle der trotz Handelns der Grenzsoldaten<br />

hartnäckig ihren Fluchtversuch fortsetzenden<br />

Fluchtwilligen.<br />

Demgegenüber herrscht in der Bundesrepublik traditionell<br />

die so genannte Bedingungs- oder Äquivalenztheorie, die auf<br />

Reichsgerichtsrat von Buri zurückgeht.<br />

Nach dieser Lehre gilt als Ursache jede Bedingung, also auch<br />

jede Handlung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne<br />

dass der (strafrechtlich relevante) Erfolg entfiele. 98<br />

Diese letztendlich agnostizistische, also von der Unerkennbarkeit<br />

der Welt ausgehende, Theorie geht auf Kant zurück,<br />

dem gemäß das Chaos der realen wirklichen Welt erst durch<br />

den menschlichen Geist geordnet wird. Daher denkt sich der<br />

Mensch den Kausalzusammenhang. Und von daher erklärt<br />

sich, dass es in dieser Kausalitätstheorie um nicht hinwegdenkbare<br />

Verknüpfungen geht.<br />

Zwangsläufig werden nach dieser Theorie (zumindest zunächst)<br />

alle Bedingungen eines Erfolgs als gleichwertig angesehen,<br />

woraus sich der Name „Äquivalenz-Theorie“ ableitet.<br />

Für den zum Tode eines Menschen führenden Schusswaffengebrauch<br />

durch einen Grenzsoldaten ist danach also nicht<br />

nur sein eigenes Handeln und die durch seinen Vorgesetzten<br />

vorgenommene Einteilung zum Grenzdienst eine solche als<br />

Ursache in Betracht kommende Bedingung.<br />

Vielmehr kommen auch z.B. die Ausgabe der Schusswaffe<br />

480


Erich Buchholz<br />

durch den Waffenmeister oder auch die Empfehlung des<br />

Offiziers im Wehrkreiskommando, den Wehrdienst an der<br />

Staatsgrenze abzuleisten, auch die Konstruktion und<br />

Produktion der Schusswaffe und nicht zuletzt auch die<br />

Zeugung des Grenzsoldaten durch die Eltern und deren<br />

Zeugung durch die Großeltern des Grenzsoldaten als<br />

Bedingung bzw. Ursache in Betracht.<br />

Denn all diese vorgenannten Umstände können nicht hinweggedacht<br />

werden, ohne dass der schließlich strafrechtlich<br />

relevante Erfolg (Tod eines Menschen) entfiele!!!<br />

Natürlich ist die Uferlosigkeit einer solchen Kausalitätsauffassung<br />

gut bekannt; sie wird im Leben durch die justizielle<br />

Praxis korrigiert, in dem — entgegen der vorgenannten<br />

Kausalitätslehre — Strafverfahren nicht gegen alle möglichen<br />

Personen eingeleitet werden; im Übrigen wird die Bedingungs-<br />

bzw. „Äquivalenztheorie“ durch die so genannte<br />

Adäquanztheorie und schließlich durch das Erfordernis der<br />

Schuld korrigiert.<br />

Für uns ist hier entscheidend, dass die gemäß dieser in der<br />

bundesdeutschen Justiz herrschenden Doktrin vom Ausgangspunkt<br />

her alle möglichen Vorgänge, Handlungen und<br />

Personen — zumindest zunächst einmal — in eine strafrechtliche<br />

Prüfung einbezogen werden können.<br />

Von eben diesem anderen Ausgangspunkt her hat die<br />

bundesdeutsche Strafjustiz unmittelbar die strafrechtliche<br />

Verfolgung der DDR-Grenzsoldaten aufgenommen. (Übrigens<br />

wurde tatsächlich erwogen, alle Abgeordneten der<br />

Volkskammer, die der Verabschiedung der Verfassung der<br />

DDR und des Grenzgesetzes zugestimmt hatten, wie auch die<br />

Strafrechtslehrer der Universitäten und Hochschulen der<br />

DDR, die die DDR-Strafrechtslehre entwickelt und gelehrt<br />

hatten, ins Visier einer strafrechtlichen Betrachtung zu ziehen.)<br />

481


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Jedenfalls stellt sich diese absurde Kausalitätslehre als ein<br />

wichtiges Einfallstor dar, zunächst gegen alle möglichen<br />

Hoheitsträger der DDR strafrechtlich vorzugehen.<br />

Die bundesdeutschen Staatsanwälte und Richter entscheiden<br />

dann auf Grund ihres Verständnisses, d.h. ihres Vorverständnisses<br />

und Vorurteils, wieweit man tatsächlich strafrechtlich<br />

vorgehen will.<br />

10.4 Im Strafrecht der DDR wurde die strafrechtliche Schuld<br />

gem. §5 StGB/DDR im Kern als verantwortungslose<br />

Entscheidung gekennzeichnet, als ein realer innerer, psychischer<br />

Vorgang, der vom Gericht als innere, subjektive Tatsache<br />

aufzuklären und festzustellen war.<br />

Selbstverständlich ging es nicht um irgendeine Verantwortung<br />

bzw. Verantwortungslosigkeit, sondern um die gegenüber der<br />

sozialistischen Gesellschaft, gegenüber der sozialistischen<br />

Gesellschafts-, Staats- und Rechtsordnung der DDR.<br />

Insbesondere war aufzuklären, ob, wann, wo und wie sich der<br />

Täter zur Begehung der Tat entschieden hat, inwieweit ihm<br />

dabei bewusst war, dass er seine Pflichten verletzte und verantwortungslos<br />

handelte.<br />

Demgegenüber gilt als Schuld im bundesdeutschen Strafrecht<br />

die Vorwerfbarkeit.<br />

Es wird also nicht nach einer real gegebenen Schuld, sondern<br />

danach gefragt, ob sich aus der Sicht des betreffenden<br />

Richters das Handeln des Angeklagten als vorwerfbar darstelle.<br />

Es geht im bundesdeutschen Strafrecht also nicht um die<br />

Prüfung objektiver Vorgänge, sondern um die subjektive<br />

Bewertung und Deutung durch den Richter.<br />

Auch diese Denkweise entspricht der bereits erwähnten<br />

agnostizistischen Herangehensweise an die Vorgänge in<br />

Natur und Gesellschaft.<br />

482


Erich Buchholz<br />

Dem gemäß wird im bundesdeutschen Strafrecht auch von<br />

Zurechnung und Zuschreibung gesprochen.<br />

Jedenfalls ist es nicht abwegig zu sagen, im Grunde genommen<br />

macht der Richter die Schuld. Sie ist nach dieser Lehre<br />

das — ordnende — geistige Produkt des Richters.<br />

In den vorliegenden Verfahren wurde dies ganz deutlich,<br />

wenn von den Gerichten auf die Frage eines „Verbotsirrtums“<br />

eingegangen wurde, eine juristische Konstruktion, die<br />

dem DDR-Strafrecht fremd war. Die subjektive Deutung<br />

durch den Richter zeigte sich insbesondere darin, dass der<br />

Richter den Verbotsirrtum seitens des Angeklagten für vermeidbar<br />

hält, sodass er nicht entschuldigt.<br />

Nicht überprüfbare Tatsachen, sondern die subjektive<br />

Deutung des Richters macht aus, ob Schuld im Sinne von<br />

Vorwerfbarkeit vorliegt oder nicht.<br />

10.5 In besonders konzentrierter Weise kulminieren die<br />

gegensätzlichen Doktrinen von Kausalität und Schuld dort,<br />

wo das Zusammenwirken mehrerer Personen bei der<br />

Begehung einer Straftat zu prüfen ist, also bei den Fragen der<br />

Täterschaft und Teilnahme, der Anstiftung und Beihilfe.<br />

In der DDR herrschte auch auf diesen Gebieten eine auf<br />

objektive Zusammenhänge abgestellte Sichtweise; es wurde<br />

das wechselseitige arbeitsteilige objektive Zusammenwirken<br />

der betreffenden Personen, insbesondere beim gemeinschaftlichen<br />

Handeln dieser, geprüft und ebenso bei Anstiftung und<br />

Beihilfe auf den objektiven Kausalzusammenhang, also darauf<br />

abgestellt, inwieweit eine bestimmte Beihilfehandlung für<br />

das reale Handeln des Täters kausal wirksam wurde.<br />

Dem gemäß wurde auch untersucht, ob insoweit bei den<br />

Beteiligten dieser objektive Zusammenhang von ihrem<br />

Vorsatz umfasst war, ob und inwieweit ihnen bewusst war,<br />

483


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

dass eine bestimmte Handlung für die Haupttat kausal wirksam<br />

wurde.<br />

In Einklang mit solcher Lehre von Täterschaft und Teilnahme<br />

war bei der mittelbaren Täterschaft im Strafgesetz der DDR<br />

(§22 Abs. 1 StGB/DDR) verbindlich klargestellt, dass der<br />

„Tatmittler“, der vom Täter zur Vornahme der strafbare<br />

Handlung „wie ein Werkzeug benutzt“ worden war, selbst<br />

insoweit nicht strafrechtlich verantwortlich ist; strafrechtlich<br />

verantwortlich war der mittelbare Täter, der den Tatmittler,<br />

eben dieses „Werkzeug“ „benutzte“.<br />

War jedoch der unmittelbar handelnde Täter selbst strafrechtlich<br />

verantwortlich, also kein „Werkzeug“, dann war<br />

eine Bestrafung eines anderen wegen mittelbarer Täterschaft<br />

in der DDR durch eindeutige gesetzliche Regelung absolut<br />

ausgeschlossen. (In Betracht könnte eine Strafbarkeit wegen<br />

Anstiftung kommen.)<br />

Daher können nach der eindeutigen Rechtslage der DDR<br />

Vorgesetzte von Grenzsoldaten und führende Militärs und<br />

Politiker dann nicht als Täter strafrechtlich verantwortlich<br />

gemacht werden, wenn im konkreten Falle der Grenzsoldat<br />

durch bundesdeutsche Gerichte selbst als Täter eines Totschlags<br />

verurteilt worden war.<br />

Demgegenüber herrscht in der bundesdeutschen Strafrechtslehre<br />

und in der Praxis eine stärker auf subjektive<br />

Elemente abgestellte Theorie, insbesondere die „subjektive<br />

Teilnahmelehre“.<br />

Diese Lehre stellt auf den Willen der Beteiligten ab, darauf,<br />

ob der Täter als Täter handeln wollte oder (nur) als Gehilfe,<br />

ob er die Tat „als eigene“ ansah oder „als fremde“; im ersteren<br />

Fall war er Täter, im zweiten Fall (nur) Gehilfe.<br />

Diese insbesondere vom frühen Reichsgericht entwickelte<br />

Lehre, der der BGH nach wie vor folgt, unterscheidet den<br />

484


Erich Buchholz<br />

„animus auctoris“ (Täterwillen) vom „animus socii“<br />

(Gehilfenwillen).<br />

Auch nach dieser Lehre bestimmt letztlich der Richter, ob<br />

jemand Täter bzw. mittelbarer Täter oder Gehilfe sein soll.<br />

Für die bundesdeutsche Doktrin und Praxis ist also wiederum<br />

die Zurechnung und Zuschreibung charakteristisch.<br />

Dem gemäß wurde in einem Verfahren einem Postenpaar,<br />

das zwar am Gesamtunternehmen der Verhinderung eines<br />

Grenzdurchbruchs (in größerer Entfernung) beteiligt war,<br />

der Tod des Grenzverletzers zugerechnet, der durch den<br />

Schusswaffengebrauch des Postens eines anderen Postenpaares<br />

zustande gekommen war.<br />

Die Posten des erstgenannten Postenpaares hatten aber überhaupt<br />

nicht auf den Grenzverletzer geschossen, sie konnten<br />

dessen Tod des Grenzverletzers unter keinen Umständen<br />

herbeigeführt haben.<br />

Dennoch wurden auch sie wegen gemeinschaftlichen täterschaftlichen<br />

Totschlags, also als Täter, mit verurteilt.<br />

Nach solcher Doktrin ließe sich jeder der vielen Tausenden<br />

DDR-Grenzsoldaten als Täter eines Totschlags verurteilen,<br />

indem ihm der tödliche Schusswaffengebrauch der Grenzsoldaten<br />

zugerechnet wird, die von der Schusswaffe Gebrauch<br />

gemacht hatten.<br />

10.6 Die dem Gesetz und der Doktrin des DDR-Strafrechts<br />

widersprechende bundesdeutsche Strafverfolgung durch<br />

Annahme von Anstiftung und (mittelbarer) Täterschaft soll<br />

an der Verurteilung des ehemaligen Ministers für Nationale<br />

Verteidigung der DDR, Heinz Keßler, demonstriert werden.<br />

Wie bereits ausgeführt, hat die 27. Große Strafkammer des<br />

LG Berlin als Schwurgerichtskammer unter dem 16. September<br />

1993 Heinz Keßler wegen Anstiftung zum Totschlag<br />

verurteilt.<br />

485


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

In seinem Revisionsurteil vom 26. Juli 1994 hat der 5.<br />

Strafsenat des BGH, wie bereits dargestellt, die Verurteilung<br />

dahingehend verschärft, dass er Heinz Keßler und die beiden<br />

anderen Mitangeklagten eines Totschlags für schuldig befand,<br />

also wegen täterschaftlicher Tötung verurteilt. 99<br />

Dieses Ergebnis ist maßgeblich auf die Heranziehung der in<br />

der DDR aus gutem Grund als imperialistische Strafrechtstheorie<br />

abgelehnten und bekämpften „subjektiven Teilnahmelehre“<br />

erreicht worden.<br />

Es ist schon abenteuerlich genug, dass das Landgericht, wie<br />

bereits erläutert, das Verhalten der Angeklagten nach dem<br />

Strafrecht der DDR als Anstiftung zum Mord beurteilte.<br />

Insoweit darf auf das oben zur Frage der Anstiftung<br />

Ausgeführte verwiesen werden, wo auch dargestellt wurde,<br />

dass die Konstruktion einer „Kettenanstiftung“ jedenfalls<br />

nach dem Strafrecht der DDR und der Strafrechtsdoktrin der<br />

DDR absolut ausgeschlossen ist.<br />

Auch dem BGH ist bewusst, dass nach DDR-Strafrecht eine<br />

Bestrafung der Vorgesetzten der Grenzsoldaten wegen<br />

mittelbarer Täterschaft dann ausgeschlossen ist, wenn die<br />

betreffenden Grenzsoldaten als Täter eines Totschlags verurteilt<br />

worden sind; es käme dann überhaupt nur eine<br />

Bestrafung der Vorgesetzten wegen Anstiftung der Grenzsoldaten<br />

zum Totschlag in Betracht.<br />

Indem die bundesdeutsche Strafjustiz die Grenzsoldaten als<br />

Täter verurteilte, hat sie sich nach dem ausschließlich maßgeblichen<br />

DDR-Recht selbst den Weg verbaut, deren<br />

Vorgesetzte als (mittelbare) Täter zu verurteilen.<br />

Um dennoch eine Verurteilung des Ministers für Nationale<br />

Verteidigung der DDR als Täter eines Totschlags zu erreichen,<br />

zieht der BGH das bundesdeutsche Strafrecht heran,<br />

das insoweit weniger eindeutig ist als das DDR-Strafrecht<br />

und nutzt er die „subjektive Teilnahmelehre“.<br />

486


Erich Buchholz<br />

Der wegen des Zusammenhangs hier noch einmal wiederzugebende<br />

bzw. in Erinnerung zu rufende Text aus dem Urteil<br />

des BGH verrät, dass dieser nicht das ausschließlich maßgebliche<br />

Recht der DDR und die DDR-Strafrechtsdoktrin zur<br />

Grundlage seiner Entscheidung genommen hat, sondern<br />

bundesdeutsche Rechtsvorstellungen und Doktrinen, so<br />

namentlich die „subjektive Teilnahmelehre“ mit ihren<br />

Begriffen „Hintermann“, „Tatherrschaft“ usw :<br />

Wir hatten unter Pkt. 5, Seite 352, die S. 24 des BGH-Urteils<br />

zitiert. Dort wird ausgeführt, dass die Frage, ob der<br />

„Hintermann“ eines uneingeschränkt schuldhaft handelnden<br />

Täters mittelbarer Täter sein könne, — in der<br />

Bundesrepublik ! — umstritten sei, dass der bundesdeutsche<br />

Gesetzgeber diese Frage — im Gegensatz zum DDR-<br />

Gesetzgeber — bewusst offen gelassen und sich auf die<br />

Kompromiss-Formulierung beschränkte, Täter könne auch<br />

sein, wer die Straftat ‘durch einen anderen begeht’, dass das<br />

Schrifttum in der Bundesrepublik kein einheitliches Bild<br />

vermittele, dass aber immerhin die in der DDR vertretene<br />

und gesetzlich geregelte — Auffassung verbreitet sei, mittelbare<br />

Täterschaft scheide aus, wenn der Tatmittler den<br />

Tatbestand, sei es auch auf Grund eines vom Hintermann<br />

verursachten Motivirrtums, selbst vorsätzlich, rechtswidrig<br />

und schuldhaft verwirklicht.<br />

Auch der Senior der bundesdeutschen Strafrechtswissenschaft<br />

Jescheck vertritt in seinem Lehrbuch — wie in der<br />

DDR — die Auffassung: Die strafrechtliche Verantwortung<br />

des unmittelbar Handelnden schließe es von Gesetzes wegen<br />

aus, ihn zugleich als Werkzeug eines anderen anzusehen. 100<br />

Nach langatmiger Erörterung verschiedener Auffassungen<br />

und früherer Entscheidungen des BGH erklärt der 5. Strafsenat<br />

des BGH in diesem Urteil dann:<br />

487


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

„Es gibt aber Fallgruppen, bei denen trotz eines uneingeschränkt<br />

verantwortlich handelnden Tatmittlers der Beitrag<br />

des Hintermannes nahezu automatisch zu der von diesem<br />

Hintermann erstrebten Tatbestandsverwirklichung führt.<br />

Solches kann vorliegen, wenn der Hintermann durch<br />

Organisationsstrukturen bestimmte Rahmenbedingungen<br />

ausnutzt, innerhalb derer sein Tatbeitrag regelhafte Abläufe<br />

auslöst. Derartige Rahmenbedingungen mit regelhaften<br />

Abläufe kommen insbesondere bei staatlichen, unternehmerischen<br />

oder geschäftsähnlichen Organisationsstrukturen und<br />

bei Befehlshierarchien in Betracht. ...“ usw.<br />

„Der Hintermann hat in Fällen der hier zu entscheidenden<br />

Art auch den umfassenden Willen zur<br />

Tatherrschaft, wenn er weiß, dass die vom Tatmittler<br />

noch zu treffende, aber durch die Rahmenbedingungen<br />

vorgegebene Entscheidung gegen das<br />

Recht kein Hindernis bei der Verwirklichung des<br />

von ihm gewollten Erfolgs darstellt.<br />

Den Hintermann in solchen Fällen nicht als Täter<br />

zu behandeln, würde dem objektiven Gewicht seines<br />

Tatbeitrages nicht gerecht, zumal häufig die<br />

Verantwortlichkeit mit größerem Abstand vom Tatort<br />

nicht ab —, sondern zunimmt“ 101<br />

Besonders perfide ist in dieser Vorgehensweise, dass der<br />

BGH gegen DDR-Bürger Konstruktionen der „subjektiven<br />

Teilnahmelehre“ mit Begriffen wie „Hintermann“, „Tatherrschaft“,<br />

„Willen zur Tatherrschaft“, „Täterwillen“ und ob<br />

der Betreffende die Tat „als eigene“ oder „als fremde“<br />

„gewollt“ habe, verwendet, die in der DDR aus guten<br />

Gründen, namentlich im Interesse der Rechtssicherheit, als<br />

imperialistische, die Gesetzlichkeit zerstörende Konstruktionen<br />

abgelehnt wurden.<br />

Die dem Gesetz und der Doktrin des DDR-Strafrechts<br />

488


Erich Buchholz<br />

widersprechende bundesdeutsche Art und Weise der Strafverfolgung<br />

von DDR-Bürgern durch Annahme von Beihilfe<br />

und Anstiftung wird besonders anschaulich in dem Verfahren<br />

gegen Mitglieder des Kollegiums des Ministeriums für<br />

Nationale Verteidigung der DDR.<br />

Ihnen einen täterschaftlich begangenen Totschlag vorzuwerfen,<br />

bekam die bundesdeutsche Strafjustiz nicht zu Stande;<br />

aber wegen Beihilfe zum Totschlag bzw. zum versuchten<br />

Totschlag wurden sie — wie bereits dargestellt — von der<br />

35. Großen Strafkammer (Schwurgerichtskammer) des Landgerichts<br />

Berlin am 30. Mai 1997 verurteilt. 102<br />

Es darf daran erinnert werden:<br />

Beihilfe ist nach dem vorliegend maßgeblichen Recht der<br />

DDR und auch der Strafrechtsdoktrin der DDR eine aktive<br />

Tätigkeit zur Unterstützung des Haupttäters, vorliegend des<br />

betreffenden Totschlägers, der bereits mit der Ausführung der<br />

Tat begonnen haben muss, aber diese noch nicht beendet<br />

hatte. (Eine Beihilfe durch Unterlassen kam nur dann in<br />

Betracht, wenn der Betreffende eine Rechtspflicht zum<br />

Handeln bzw. zum Eingreifen hatte).<br />

Auch muss die Unterstützungshandlung des Gehilfen für die<br />

Ausführung der Haupttat, vorliegend des Totschlags, wirksam<br />

geworden sein; der Haupttäter muss diese Unterstützungshandlung<br />

tatsächlich genutzt haben.<br />

Nach den tatrichterlichen Feststellungen haben die angeklagten<br />

Mitglieder des Kollegiums, einem den Minister beratenden<br />

Organ, zum einen zu bestimmten Jahresbefehlen (dazu<br />

siehe oben) — darunter den Jahresbefehlen Nr. 101, der für<br />

die Grenztruppen der DDR galt, — in den betreffenden<br />

Jahren gemäß ihrem Ressort fachbezogene Zuarbeit (z.B. zur<br />

Versorgung oder zur politisch-ideologischen Erziehung der<br />

Grenzsoldaten) geleistet, zum anderen haben sie dem gesam-<br />

489


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

ten Entwurf in der betreffenden Beratung des Kollegiums<br />

zugestimmt, zumindest nicht widersprochen.<br />

Aus solchem Tun eine strafbare Beihilfe zu machen ist schon<br />

eine „juristische Glanzleistung.“<br />

Diejenige Person, der die angeklagten Generale in der vorbeschriebenen<br />

Weise Unterstützung gewährt haben sollen,<br />

also der „Haupttäter“, war der Minister für Nationale<br />

Verteidigung der DDR, der dann persönlich als Kommandeur<br />

und Einzelleiter die betreffenden Befehle erließ. (Die<br />

Befehle waren keine Beschlüsse des Kollegiums!)<br />

Seine „Tat“ — die Haupttat im Verhältnis zu der Beihilfe der<br />

Gehilfen —, also der Totschlag, bestand nach den Feststellungen<br />

des Landgerichts im (regelmäßig jährlichen) Erlass der<br />

Jahresbefehle.<br />

Dass die Schwurgerichtskammer des LG Berlin schon in tatsächlicher<br />

Hinsicht verkennt, dass die Haltung, Äußerung<br />

bzw. Stimmabgabe der einzelnen Mitglieder des Kollegiums<br />

letztlich für den Erlass der betreffenden Jahresbefehle durch<br />

den Minister ohne Belang, also keine kausal-wirksame<br />

Beihilfe war, haben wir schon erklärt, auch dass der Minister<br />

keineswegs die „psychische Unterstützung“ durch die<br />

Mitglieder des Kollegiums benötigte, weil die von ihm zu<br />

erlassenden und erlassenen Befehle in den vorliegend relevanten<br />

Kernaussagen durch Art. 7 Verfassung der DDR und<br />

die darauf beruhenden Beschlüsse des Nationalen Verteidigungsrates,<br />

dem gegenüber er verantwortlich war, vorgegeben<br />

waren.<br />

Da somit absolut ausgeschlossen ist, dass die angeklagten<br />

Mitglieder des Kollegiums eine Beihilfe im Sinne des<br />

Strafrechts der DDR und der DDR-Strafrechtsdoktrin haben<br />

begehen können, sahen sich die Richter der 35. Großen Strafkammer<br />

des LG Berlin, um ihren politischen Auftrag zu erfül-<br />

490


Erich Buchholz<br />

len, genötigt, eine besondere Konstruktion zu entwickeln.<br />

Sie konstruierten unter Bezugnahme auf eine „Befehlskette“<br />

— der Jahresbefehle vom Minister bis zu den Kommandeuren<br />

der Grenzeregimenter, wie oben dargestellt — eine<br />

„Kettenanstiftung“.<br />

Die Konstruktion der „Kettenanstiftung“ war dem DDR-<br />

Strafrecht und der DDR-Strafrechtsdoktrin, wie bereits ausgeführt,<br />

fremd. (Vgl. Pkt. 5, Seite 348)<br />

Wenn nun ein solcher Begriff dazu missbraucht wird, den<br />

exakten Nachweis der einzelnen Anstiftungshandlungen (als<br />

einzelne Glieder der Anstiftungskette) zu ersparen, um lediglich<br />

den ersten Anstifter mit dem letzten Angestifteten dann<br />

in Verbindung zu bringen, dann wird solches ein flagranter<br />

Bruch des DDR-Gesetzes und auch nach der DDR-<br />

Strafrechtsdoktrin unzulässig.<br />

Die 35. Strafkammer des Landgerichts hat mit dem Begriff<br />

„Kettenanstiftung“ in eben dieser nach dem DDR-Recht und<br />

der DDR-Strafrechtsdoktrin unzulässigen Weise „gearbeitet“.<br />

Nach dem Konzept dieser Strafkammer habe der Minister für<br />

Nationale Verteidigung den Chef der Grenztruppen, dieser<br />

seine ihm unterstellten Kommandeure und diese wiederum<br />

die ihnen nachgeordneten Kommandeure — letztlich bis zum<br />

letzten Soldaten — „angestiftet“, und zwar in der globalen<br />

Weise einer „Kettenanstiftung“.<br />

Mit dieser Konstruktion ersparte sich die Strafkammer in<br />

unzulässiger Weise, bei den einzelnen Gliedern der „Kettenanstiftung“<br />

jeweils im einzelnen die Voraussetzungen der<br />

Anstiftung zu prüfen.<br />

Da eine Anstiftung nur gegenüber einer Person ausführbar<br />

ist, die zuvor, also vor der Anstiftung, noch nicht zur Tat entschlossen<br />

war und erst durch die Anstiftung, auf Grund derselben,<br />

sich zur Begehung der betreffenden Straftat ent-<br />

491


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

schloss, konnte — wie wir oben bereits klargestellt haben —<br />

in keinem dieser Fälle Anstiftung vorliegen.<br />

Wie sich die Strafkammer die Prüfung des Vorliegens einer<br />

wirklichen Kausalität zwischen den vorgenannten Handlungen<br />

der angeklagten Mitglieder des Kollegiums und den<br />

konkreten Fällen des Schusswaffengebrauches mit Todesfolge,<br />

wie sie das DDR-Strafrecht und die DDR-Strafrechtsdoktrin<br />

verlangen, da sie nicht nachzuweisen war, „ersparte“, zeigt<br />

sich darin, dass sie — wie wir oben schon erläuterten — an<br />

Stelle des Beweises dieser Kausalität eine rein zeitliche<br />

Zuordnung der Todesfälle an der Grenze zu den betreffenden<br />

Jahresbefehlen vornahm.<br />

Das Gericht ordnete nach dem Datum des Ereignisses die<br />

betreffenden Todesfälle den jeweiligen Jahresbefehlen nach<br />

Maßgabe ihrer Geltungsdauer und nach Maßgabe der<br />

Teilnahme der betreffenden Kollegiumsmitglieder an den<br />

jeweiligen Sitzungen des Kollegiums zu, nahm also insoweit<br />

wiederum eine bestimmte „Zuschreibung“ vor.<br />

Im Gefolge dessen kam es wegen der Zufälligkeit der<br />

Teilnahme der verschiedenen Angeklagten an den betreffenden<br />

Sitzungen des Kollegiums dazu, dass dem einen<br />

Angeklagten mehr bzw. weniger Todesfälle als dem anderen<br />

„zugerechnet“ wurden.<br />

Somit beruht diese Verurteilung durch die 35. Große<br />

Strafkammer nicht — wie es DDR-Strafgesetz und DDR-<br />

Strafrechtsdoktrin vorschreiben — auf dem Nachweis des<br />

konkreten Kausalzusammenhanges, sondern über den<br />

Missbrauch des Konstrukts der Kettenanstiftung und die<br />

Unterstellung von so nicht begehbaren Anstiftungshandlungen<br />

hinaus auf einer „Milchmädchenrechnung“ und einer<br />

dem Zufallsprinzip folgenden Art „Roulette“.<br />

492


In solche juristische Niederungen verfiel die bundesdeutsche<br />

Strafjustiz, um ihren politischen Auftrag zu erfüllen.<br />

Mag man früher in der DDR die Kritik an derartigen —<br />

imperialistischen — Strafrechtslehren nur als rein akademisch<br />

angesehen haben oder angesehen haben wollen, so hat<br />

der 5. Strafsenat des BGH sich in einer besonders markanten<br />

Weise als Nutzer dieser für Gesetzlichkeit und Rechtssicherheit<br />

gefährlichen Konstruktionen erwiesen, wie wir sie früher<br />

nicht für möglich gehalten hatten und damit die Richtigkeit<br />

und Begründetheit unserer damaligen Auffassungen in einer<br />

beispiellosen Weise bestätigt.<br />

Deshalb ist auszusagen und festzustellen:<br />

Die rechtswidrige Verurteilung von DDR-Hoheitsträgern<br />

kam nicht nur durch die Verletzung des DDR-Rechts zu<br />

Stande, sondern auch durch die ausdrückliche Missachtung<br />

der DDR-Strafrechtsdoktrinen, die dem DDR-Strafrecht zu<br />

Grunde lagen und ihm innewohnten, durch die bundesdeutsche<br />

Strafjustiz.<br />

Die unerträglichen Verurteilungen von DDR-Bürgern durch<br />

die bundesdeutsche Strafjustiz, ihre massenhaften Unrechtsurteile,<br />

sind Folge des Zusammenwirkens der krassen<br />

Verletzung des DDR-Strafrechts, von DDR-Gesetzen und<br />

der ausdrücklichen Missachtung der DDR-Strafrechtdoktrin.<br />

11. Ergebnisse<br />

Erich Buchholz<br />

Im vorstehenden wurde eine zehnjährige Praxis der<br />

bundesdeutschen Strafjustiz bei der Verfolgung von<br />

DDR-Hoheitsträgern, darin eingeschlossen die höchstrichterliche<br />

Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sowie des<br />

493


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Bundesverfassungsgerichts, untersucht.<br />

Diese Untersuchung und Analyse erfolgte vom Standpunkt<br />

des DDR-Rechts und auf der Grundlage einer subtilen<br />

Kenntnis dieses Rechts und dieses Rechtssystems.<br />

Im Ergebnis dessen ist festzustellen:<br />

Die Strafverfolgung von DDR-Hoheitsträgern durch die<br />

bundesdeutsche Strafjustiz stellt einen einmaligen Rechtsbruch<br />

dar.<br />

Diese „Rechtsprechung“ ist nichts anderes als eine massive<br />

Rechtsverdrehung und Verkehrung des DDR-Rechts.<br />

Warum nahm der Rechtsstaat Bundesrepublik solche massiven<br />

„juristischen Verrenkungen“ vor?<br />

Der Grund liegt auf der Hand:<br />

Es wurde nämlich alsbald klar, dass die betreffenden DDR-<br />

Hoheitsträger sich nach DDR-Recht keine Straftaten hatten<br />

zuschulden kommen lassen, dass sie sich nach dem Tatort-<br />

Tatzeit-Recht nicht strafbar gemacht hatten, dass sie also hätten<br />

freigesprochen werden müssen!<br />

Da solches dem — vom damaligen Bundesjustizminister<br />

Kinkel ausgesprochenen — der bundesdeutschen Justiz<br />

erteilten politischen Auftrag widersprach bzw. dem Auftrag,<br />

den sich die Strafsenate des Bundesgerichtshofes selbst<br />

gesetzt hatten, nämlich zu „beweisen“, dass die DDR ein<br />

Unrechtsstaat war, mussten solche juristischen Konstruktionen<br />

entwickelt werden, die nicht von jedermann sogleich<br />

als Bruch des DDR-Rechts erkannt werden. 103<br />

Um des politischen Ergebnisses wegen „leistete“ sich die<br />

bundesdeutsche Justiz eine beispiellose Rechtsverkehrung,<br />

einen Rechtsbruch in Massenumfang.<br />

Das ist politische Strafjustiz ohne Beispiel.<br />

494


Sie ist aus juristischer Sicht, vom Standpunkt des Rechts und<br />

der Gesetzlichkeit gesehen, schlimmer als die politische<br />

Strafjustiz in den 50er Jahren, die erbarmungs- und rücksichtslos<br />

gegen wirkliche und vermeintliche Kommunisten<br />

und deren Sympathisanten vorging.<br />

Damals wurden extra besondere Gesetze für diese Strafverfolgung<br />

geschaffen, nämlich das erste Strafrechtsänderungsgesetz<br />

vom 30. August 1951, das so genannte „Blitzgesetz“. 104<br />

Der BGH dehnte sie durch seine berüchtigte Rechtsprechung<br />

noch weiter aus.<br />

Auch wenn später diese Gesetze und diese Rechtsprechung<br />

kritisiert und geändert wurden, wird solches noch als „rechtsstaatlich“<br />

bezeichnet.<br />

Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik war es<br />

grundsätzlich ausgeschlossen, besondere Gesetze zur Strafverfolgung<br />

von DDR-Bürgern zu erlassen. (Eine Ausnahme<br />

stellt das oben behandelte Verjährungsgesetz von 1993 dar.)<br />

(Siehe Seite 255, 461 ff)<br />

Der bundesdeutsche Gesetzgeber sah sich aus Gründen der<br />

Rechtsstaatlichkeit daran gehindert.<br />

Deshalb war die bundesdeutsche Justiz gefragt und, wenn sie<br />

ihren politischen Auftrag erfüllen wollte, genötigt, die nach<br />

dem Einigungsvertrag ausschließlich maßgeblichen DDR-<br />

Gesetze zu verdrehen und zu verkehren.<br />

Wir stellen fest:<br />

Erich Buchholz<br />

1. Die Strafverfolgung von DDR-Hoheitsträgern durch die<br />

bundesdeutsche Strafjustiz war und ist politisch determiniert.<br />

Unter Missbrauch und Verletzung der zur Verfügung stehenden<br />

juristischen Formen und durch vielfältigen Rechtsbruch<br />

wurde das politische Konzept ohne Rücksicht auf das anzuwendende<br />

Recht durchgesetzt, ja durchgedrückt.<br />

495


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

2. Die Strafverfolgung von DDR-Hoheitsträgern dient dem<br />

Zweck der Delegitimierung und Kriminalisierung der DDR<br />

und ihrer staatlichen Institutionen, Einrichtungen und<br />

Behörden, darunter der Justiz der DDR, der Strafverfolgungsbehörden,<br />

der Staatsschutzbehörden, einschließlich der<br />

Behörden der Staatssicherheit.<br />

3. Indem die DDR als Staat auf diese Weise delegitimiert und<br />

kriminalisiert wird, wird zugleich den DDR-Bürgern vorgeworfen,<br />

dass sie in einem derartigen „Unrechtsstaat“ gelebt, diesen<br />

unterstützt, zumindest toleriert haben und sich nicht gegen das<br />

Staatswesen der DDR gewandt hatten bzw. ihm entflohen.<br />

4. Diese politische Determiniertheit der Strafverfolgung ist<br />

Ausdruck dessen, dass die politisch maßgeblichen Kräfte der<br />

Bundesrepublik es nicht ertrugen, dass im Osten Deutschlands<br />

ein eigener anderer Staat gegründet wurde, der über<br />

vier Jahrzehnten bestand und standhielt.<br />

Dieser andere Staat war nicht nur entschieden antifaschistisch<br />

und später gegen den USA-Imperialismus und die<br />

NATO gerichtet, sondern hat vornehmlich den westdeutschen<br />

Monopolen und Banken Einfluss- und Profitmöglichkeiten<br />

im Osten Deutschlands genommen, indem hier vor<br />

allem die Eigentumsverhältnisse verändert wurden.<br />

Der Versuch einer Alternative zum Kapitalismus im Osten<br />

Deutschlands, die auch für Bundesbürger die Vision oder<br />

Erwägung wach hielt, die Gesellschaft könnte anders, vor<br />

allem sozialer gestaltet werden, es wären Varianten und<br />

Alternativen zur Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung in<br />

der Bundesrepublik denkbar, war der eigentliche tiefere<br />

Grund der beispiellos intensiven Verfolgung.<br />

5. Eine derart intensive Strafverfolgung, wie sie bundesdeutsche<br />

Strafjustiz gegenüber DDR-Hoheitsträgern betrieb und<br />

496


Erich Buchholz<br />

betreibt, ist in der Welt einmalig.<br />

In keinem anderen ehemals sozialistischen Land ist in vergleichbarer<br />

Weise vorgegangen worden. 105<br />

Um den politischen Auftrag und Zweck der Strafverfolgung<br />

von DDR-Hoheitsträgern zu erfüllen, sah sich die bundesdeutsche<br />

Justiz (als ganzes) — da der Einigungsvertrages für<br />

in der Vergangenheit liegende in der DDR begangene<br />

Handlungen grundsätzlich das DDR-Strafrecht anzuwenden<br />

vorgab — veranlasst oder genötigt, dieses ausschließlich<br />

anwendbare DDR-Recht in verschiedensten Formen und auf<br />

die verschiedenste Weise zu verdrehen, zu verfälschen, zu<br />

entstellen, zurechtzumachen, ohne Rücksicht auf die<br />

Gesetzeslage und allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze zu<br />

verletzen, mit Füssen zu treten.<br />

Der politische Auftrag und Zweck stand zur Rechtslage,<br />

wie sie sich durch den Einigungsvertrag ergab, in diametralem<br />

Gegensatz.<br />

Gleichwohl fanden sich nicht nur DDR-feindlich eingestellte<br />

Staatsanwälte, sondern auch hinreichend Richter dazu bereit,<br />

sich dieser DDR-feindlichen Politik unterzuordnen.<br />

Die Politik bewies in beispielloser Weise ihr Primat gegenüber<br />

dem Recht.<br />

Die Folge war juristisches Unrecht im Massenumfang.<br />

Die Beseitigung dieses massenhaften Unrechts und die<br />

Rehabilitierung der davon Betroffenen bleibt auf der<br />

Tagesordnung.<br />

497


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

Annex<br />

Zur Rolle und Haltung der bundesdeutschen Rechtswissenschaft,<br />

besonders der Strafrechtswissenschaft,<br />

zur „strafrechtlichen Aufarbeitung“ von „DDR-Unrecht“.<br />

Aufschlussreich ist die Haltung der bundesdeutschen<br />

Rechtswissenschaftler, besonders der Strafrechtswissenschaftler,<br />

zu den Vorgängen der „strafrechtlichen Aufarbeitung“<br />

von „DDR-Unrecht“, also zu den Strafverfahren gegen<br />

DDR-Hoheitsträger.<br />

Zunächst hatten viele bundesdeutsche Strafrechtslehrer<br />

Bedenken gegen eine „strafrechtliche Aufarbeitung“ von<br />

„DDR-Unrecht“ und gegen die strafrechtliche Verfolgung<br />

von DDR-Hoheitsträgern.<br />

Eine solche Aufgabe mag eine politische und historische sein,<br />

sie gehöre aber nicht zum Gegenstand des Strafrechts.<br />

Das Strafrecht sei für ein solches Anliegen grundsätzlich<br />

ungeeignet.<br />

Rechtsstaatliches Strafen dürfe nicht der Politik unterworfen<br />

sein.<br />

Demgegenüber fanden sich wohl bei den Staatsrechtlern<br />

keine solchen Vorbehalte und Bedenken.<br />

In der Folgezeit sind unterschiedliche Auffassungen verschiedener<br />

Strafrechtler zu diesem Gegenstand bekannt<br />

geworden.<br />

Wir beobachten die Kritik bestimmter Entscheidungen des<br />

Bundesgerichtshofes, auch des Bundesverfassungsgerichts,<br />

und gegen diese bzw. die Begründung der betreffenden<br />

Entscheidungen vorgetragene Bedenken.<br />

498


Erich Buchholz<br />

Gerügt wurde insbesondere die Verletzung des Rückwirkungsverbotes,<br />

des Artikels 103 Abs. 2 GG, die Heranziehung<br />

der „Radbruch’sche Formel“ und die Regelung bzw. Rechtsprechung<br />

zur Verjährung, genauer zur Nicht-Verjährung von<br />

betreffenden unter dem DDR-Recht vorgenommenen<br />

Handlungen.<br />

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien solche Namen, wie<br />

Grünwald, Roggemann, Dencker, Jacobs, Schlinck, Vormbaum<br />

und Wesel, genannt.<br />

Allerdings darf nicht übersehen werden, dass die bundesdeutschen<br />

Rechtswissenschaftler diese Kritik — unbeschadet<br />

bestimmter Bezugnahmen auf das DDR-Recht — grundsätzlich<br />

vom bundesdeutschen Recht und Rechtsverständnis<br />

her üben.<br />

Daher sind Boden und Ausgangspunkt, von dem sie die<br />

bundesdeutsche Strafjustiz auf diesen Gebieten — auch kritisch<br />

— betrachten, grundsätzlich die gleichen, von der auch<br />

die bundesdeutschen Justizbehörden ausgehen.<br />

Keiner dieser bundesdeutschen Strafrechtswissenschaftler<br />

nimmt ernstlich die DDR-Rechtsordnung als solche und die<br />

dieser zu Grunde liegenden Rechtsanschauungen und<br />

Doktrinen zu Grundlagen für die Beurteilung der betreffenden<br />

justiziellen Vorgänge.<br />

Andererseits darf nicht übersehen werden, dass einzelne<br />

Strafrechtler von der bundesdeutschen Justiz auch ein schärferes<br />

Vorgehen gegen DDR-Hoheitsträger verlangen; das gilt<br />

insbesondere für Spendel auf dem Gebiete der Rechtsbeugung,<br />

und vor allem für Friedrich-Christian Schroeder.<br />

Je mehr in der Folgezeit die „strafrechtliche Aufarbeitung“<br />

praktiziert wurde, desto mehr scheinen sich die bundesdeutschen<br />

Strafrechtswissenschaftler mit diesem Vorgang abzufinden<br />

und nur noch marginale Kritik zu üben. Es dominiert<br />

499


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

zunehmend die, wenngleich auch kritische, Kommentierung<br />

der einschlägigen Rechtsprechung.<br />

In diesem Zusammenhang darf auf einige Dissertationen von<br />

Nachwuchswissenschaftlern hingewiesen werden, die —<br />

wenngleich aus bundesdeutscher Sichtweise — Bundesgerichte<br />

kritisieren.<br />

Charakteristisch ist, dass die bundesdeutschen Strafrechtswissenschaftler<br />

die tatsächlichen Feststellungen der bundesdeutschen<br />

Gerichte grundsätzlich nicht hinterfragen oder gar<br />

grundsätzlich in Frage stellen.<br />

Indem sie diese tatsächlichen Feststellungen, die — wie an<br />

anderer Stelle dargestellt — zum großen Teil falsche<br />

Sachverhalte, also falsche Feststellungen, enthalten, als gegeben<br />

hinnehmen, geraten sie zwangsläufig ins Schlepptau der<br />

bundesdeutschen Strafjustiz.<br />

Denn wenn man diese, zum großen Teil, „falschen Tatsachen“<br />

der eigenen Betrachtung zugrundelegt, kann die strafrechtliche<br />

Beurteilung der betreffenden Vorgänge keine grundsätzlich<br />

andere mehr sein, als sie die bundesdeutschen Gerichten<br />

vorgenommen haben.<br />

Aufschlussreich ist die von Marxen und Werle geführte<br />

Untersuchung dieser „strafrechtlichen Aufarbeitung“ durch<br />

die bundesdeutsche Strafjustiz. 106<br />

Zunächst darf nicht übersehen werden, dass diese<br />

Untersuchung, die — über die Untersuchung der Strafverfolgung<br />

von DDR-Hoheitsträgern — das DDR-Strafrecht<br />

zum Gegenstand hat, unter Ausschluss der DDR-Strafrechtswissenschaftler<br />

vorgenommen wurde; solche wurden<br />

nicht einmal konsultiert.<br />

Weiter ist darauf zu verweisen, dass Marxen wissenschaftliche<br />

Erfahrungen mit einer Unrechtjustiz bei seinen — von der<br />

500


Erich Buchholz<br />

DDR unterstützten — Forschungen zum Volksgerichtshof<br />

gesammelt hatte.<br />

Von diesem Ausgangspunkt und von dieser Zugangsweise her<br />

— also von einer Position einer gewissen Gleichstellung von<br />

NS-Staat und DDR — ging er an dieses Forschungsvorhaben<br />

zum „DDR-Unrecht“ heran. Entsprechende Ergebnisse<br />

waren zu erwarten.<br />

Nicht zuletzt darf nicht außer Acht gelassen werden, dass dieses<br />

Forschungsvorhaben von der Volkswagen-Stiftung finanziert<br />

wird bzw. wurde.<br />

Bekanntlich bestimmt derjenige, der die Musik bezahlt, auch,<br />

was gespielt wird.<br />

Es ist nicht zu erwarten gewesen, dass die Volkswagen-<br />

Stiftung ein Forschungsvorhaben finanziert (oder finanziell<br />

unterstützt), das etwa zu dem Ergebnis kommen wollte, die<br />

„strafrechtliche Aufarbeitung“ von „DDR-Unrecht“ durch<br />

die bundesdeutsche Strafjustiz sei rechtswidrig gewesen.<br />

So ist allein die Tatsache der Finanzierung durch die<br />

Volkswagen-Stiftung ein Indiz dafür, dass dieses Forschungsvorhaben<br />

aus der Sicht der bundesdeutschen Rechts — und<br />

Wertordnung, also einseitig, betrieben wird bzw. wurde.<br />

Immerhin wird am Schluss der Untersuchung auch kritisch<br />

angemerkt, dass es bei der vorgenannten rechtspolitischen<br />

Aufgabenstellung (der „strafrechtlichen Aufarbeitung“ von<br />

„DDR-Unrecht“) rechtsstaatlich bedenkliche Versäumnisse<br />

gab, so bei dem Gesetzgeber, vornehmlich zur Verjährungsfrage,<br />

und Defizite hinsichtlich der juristischen Qualität der<br />

Rechtsprechung.<br />

Insgesamt muss indessen aus Sicht eines DDR-Strafrechtswissenschaftlers<br />

gesagt werden, dass die begrüßenswerte,<br />

von vielen bundesdeutschen Strafrechtswissenschaftlern<br />

501


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

geübte Kritik an der „strafrechtlichen Aufarbeitung“ ganz<br />

überwiegend ante portas bleibt, den Kern der maßgeblichen<br />

strafrechtlichen Fragestellung, das Erfassen des DDR-<br />

Strafrechts als Teil des DDR-Rechtssystems, nicht erreicht.<br />

Auch aus diesem Grunde war und ist es geboten, dass Kenner<br />

des DDR-Rechts, insbesondere DDR-Strafrechtswissenschaftler<br />

die durch und durch rechtswidrige Strafverfolgung<br />

von Hoheitsträgern der DDR durch die bundesdeutsche<br />

Strafjustiz untersuchen.<br />

1 - BGH-Urteil, 3. November 1992, AZ 5 StR 370/92. In: BGHSt Bd.39, S. 1.<br />

Vgl.: StV, Heft 1/1993, S.9 ff; NJ, Heft 2/1993, S. 88 ff; NJW, Heft 2/1993, S. 141 ff.<br />

2 - BGH-Urteil, 13. Dezember 1993, AZ 5 StR 76/93. In: BGHSt Bd. 40, S. 30, 34.<br />

Vgl.: StV, Heft 4/1995, S. 206 ff; NJ, Heft 3/1994, S. 130 f.<br />

3 - BVerfG-Beschluss, 24. Oktober 1996, AZ 2 BvR 1851/94- 1853/94 und 1875/94.<br />

3 - In: BVerfGE Bd. 95, S. 96 f. Vgl.: NJW Heft 14/1997, S. 229; JZ, Heft 3/1997, S. 142.<br />

3 - NJ, Heft 1/1997, S. 19 ff; StV, Heft 1/1997, S.14. ff.;<br />

3 - Vgl..: Über den Schusswaffengebrauch aus dem Gesetz über die Staatsgrenze der<br />

DDR ($27 Grenzgesetz) vom 25. März 1982 sowie Über den Schusswaffengebrauch<br />

aus dem Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei der Ausübung öffentlicher<br />

Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes (UZwG), 10. März 1961 idF. vom 29.<br />

Oktober 2001. In: BGBl.I, S. 165. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

4 - Gesetz über das Ruhen der Verjährung bei SED-Unrechtstaten (Verjährungsgesetz)<br />

26. März 1993. In: BGBl. I, S. 392.<br />

4 - Zweites Gesetz zur Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen bei SED-<br />

Unrechtstaten (Zweites Berechnungsgesetz), 27. September 1993. In: BGBl. I,<br />

S. 1657.<br />

4 - Gesetz zur weiteren Verlängerung strafrechtlicher Verjährungsfristen (3.<br />

Verjährungsgesetz), 22. Dezember 1997. In: BGBl. I, S. 3223.<br />

5 - Vertrag zwischen der BRD und der DDR über die Herstellung der Einheit<br />

Deutschlands. Einigungsvertrag, 31. August 1990. In: GBl. I, Nr. 64, 28. September<br />

1990, S. 1629 ff;; BGBl. II, 1990, S. 889.<br />

502


Erich Buchholz<br />

5 - StGB/DDR, 12. Januar 1968. In: GBl. I, S. 1 ff. idNF. vom 19. Dezember 1974. In: GBl.<br />

I, Nr. 3/1975, S. 14 ff. sowie idF. des 3. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 28. Juni 1979.<br />

In: GBl. I, Nr. 16, S. 139 ff. Vgl.: Textausgabe, Staatsverlag der DDR Berlin, 1986.<br />

5 - Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB), 2. März 1974. In: (BGBl. I,<br />

S. 469; idF. des Einigungsvertrages, 31.August. 1990 (Anlage I, Kapitel III, Sachgebiet<br />

C, Abschnitt II Nr. 1b.) (Siehe Dokumentenanhang)<br />

6 - Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten<br />

(EMRK), 4. November 1950. In: BGBl. II, 1952, S. 686. Geändert durch Protokoll Nr.<br />

3 vom 6. Mai 1963. In: BGBl. II, 1968, S. 1116.<br />

6 - Die Konvention ist gemäß Bekanntmachung vom 15. Dezember 1953 für die<br />

Bundesrepublik in Kraft getreten; danach gilt für die Bundesrepublik der Vorbehalt,<br />

dass Art. 7 Abs. 2 der Konvention nur in den Grenzen von Art. 103 Abs. 2 GG<br />

(Nr. 1) angewendet wird. In: BGBl. II, 1954, S. 14. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

7 - StGB, 15. Mai 1871 (RGBl. S. 127) idFdB. vom 13. November 1998. In: BGBl. I,<br />

S. 3322, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2001. In: BGBl. I, S 3983.<br />

(Siehe Dokumentenanhang)<br />

8 - Vertrag zwischen der BRD und der DDR über die Herstellung der Einheit<br />

Deutschlands. Einigungsvertrag, 31. August 1990 In: GBl. I, Nr. 64, 28.September<br />

1990, S. 1629 ff.; BGBl., II 1990, S. 889 ff.<br />

8 - Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB), 2. März 1974. In: BGBl. I, S. 469,<br />

a.a.O. (Fn. 5)<br />

9 - StGB/DDR, 12. Januar 1968. In: GBl. I, S. 1 ff. idF. des 3. Strafrechtsänderungsgesetzes<br />

vom 28. Juni 1979, a.a.O. (Fn. 5)<br />

10 - Grundgesetz (GG), 23.Mai 1949. In: BGBl. I, S. 1, idF. vom 27. Oktober 1994. In:<br />

BGBl. S. 3146 ff., zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Juli 2002. In: BGBl. I, S.<br />

2863. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

11 - Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten;<br />

a.a.O. (Fn. 6)<br />

12 - LG-Urteil Berlin, 18. Juli 2000, AZ 502-26/99.<br />

13 - Buchholz, Erich: Probleme legitimer Fremdrechtsanwendung. Beitrag zur<br />

Festschrift für Prof. Dr. Dionysios Spinellis: Die Strafrechtswissenschaften im 21.<br />

Jahrhundert. Abt. für Strafrechtswissenschaft, Juristische Fakultät, Universität<br />

Athen — Sonderdruck — ANT. N. Sakkoulas <strong>Verlag</strong>, 2001.<br />

14 - In seiner Begrüßungsansprache vor dem 15. Deutschen Richtertag am<br />

503


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

23.September 1991 in Köln forderte der damalige Bundesminister der Justiz, Klaus<br />

Kinkel, von den Richtern und Staatsanwälten einen wesentlichen Teil der<br />

,,Aufarbeitung des 40-jährigen Unrechtsregimes“ zu leisten. In: DRiZ, Heft 1/1992,<br />

S. 4 ff. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

15 - Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger<br />

Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet. Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz<br />

(StrRehaG), 29. Oktober 1992.<br />

15 - In: BGBl. I, S.1814 ff., idFdB. vom 17. Dezember 1999. In: BGBl. I, S.2664, zuletzt<br />

geändert durch Gesetzt, vom 20. Dezember 2001. In: BGBl. I, S. 3968.<br />

16 - StGB/DDR, a.a.O. (Fn. 5)<br />

17 - Jescheck, Hans-Heinrich: Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 4. Auflage,<br />

<strong>Verlag</strong> Duncker und Humblodt, 1988, S. 601 f.<br />

17 - Beling, Ernst: Die Lehre vom Verbrechen. Tübingen, 1906. Neudruck:<br />

Lizenzausgabe mit Genehmigung des <strong>Verlag</strong>es J. C. B. Mohr, Tübingen, Scienta-<br />

<strong>Verlag</strong>, 1964.<br />

18 - Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), 18. August 1896 (RGBl. S. 195 ff.) idNF. vom 21.<br />

September 1994. In: BGBl. I, S. 2494.<br />

19 - StGB, 15. Mai 1871 (RGBl. I, S. 127), idFdB. vom 13. November 1998, a.a.O. (Fn. 7)<br />

20 - StPO, l. Februar 1877 (RGBl. S. 253), idFdB. vom 7. April 1987. In: BGBl. I, S. 1074,<br />

zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Februar 2002. In: BGBl. I, S. 682.<br />

20 - (Siehe Dokumentenanhang)<br />

21 - Zivilprozessordnung, 30. Januar 1877, (RGBl. S. 23), idFdB. vom 12. September<br />

1950. In: BGBl. I, S. 533, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Juli 2001. In: BGBl.<br />

I, S. 1887.<br />

22 - BVerfGE Bd. 36, S. 15 ff.<br />

23 - Verfassung der DDR, 6. April 1968. In: GBl. I, S. 199, idF. des Gesetzes zur<br />

Ergänzung und Änderung der Verfassung der DDR vom 7. Oktober 1974. In: GBl.<br />

I, Nr.47, S. 425. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

24 - von Loewenstern, Enno: 40 Jahre SED-Unrecht. Eine Herausforderung für den<br />

Rechtsstaat. Redebeitrag vor dem Ersten Forum des Bundesjustizministers am<br />

9. Juli 1991 in Bonn). In: Sonderheft der Zeitschrift für Gesetzgebung (ZG), 1991,<br />

S. 41. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

25 - DRiZ, Heft 1/1992, a.a.O. (Fn. 14)<br />

26 - StPO, l. Februar 1877 (RGBl. S. 253), idFdB. vom 7. April 1987, a.a.O. (Fn. 20)<br />

504


Erich Buchholz<br />

StPO/DDR, Gesetz über das Verfahren in Strafsachen, 2. Oktober 1952. In: GBl. I,<br />

S. 996 ff.;<br />

26 - StPO/DDR vom 12. Januar 1968. In: GBl. I, S. 49 ff., idNF. der StPO/DDR durch das<br />

Gesetz zur Änderung der StPO der DDR, vom 19. Dezember 1974. In: GBl. I, 1975,<br />

S. 62 ff. sowie idF. des 3. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 28. Juni 1979. In: GBl. I,<br />

Nr. 17, S. 139. Vgl.: Textausgabe, Staatsverlag der DDR, Berlin, 1984.<br />

26 - (Siehe Dokumentenanhang)<br />

27 - Peters, Karl: Fehlerquellen im Strafprozess. Eine Untersuchung der Wiederaufnahmeverfahren<br />

in der Bundesrepublik Deutschland. <strong>Verlag</strong> F. C. Müller,<br />

Karlsruhe, Bd. 1, 1970, Bd. 2, 1972, Bd. 3, 1974.<br />

28 - Gesetz über die Staatsgrenze der DDR (Grenzgesetz), 25. März 1982. In: GBl. I,<br />

Nr.11, S. 203 ff. u. 208 ff. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

29 - BVerfG-Beschluss, 24. Oktober 1996 (1851/94–1853/94 und 1875/94. In: BVerfGE<br />

Bd. 95, S. 96, u. S.136, a.a.O. (Fn. 3)<br />

29 - Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer<br />

Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und zivile Wachpersonen.(UZwGBw),<br />

12. August 1965. In: BGBl. I, S. 796, zuletzt geändert durch Gesetz<br />

vom 11. September 1998. In: BGBl. I, S. 2405. Vgl.: UZwG-Gesetz a.a.O. (Fn. 3)<br />

30 - LG-Urteil Berlin, 5. Februar 1992, AZ (518) 2 Js 63/90 (57/91). In: StV, Heft 1/1993,<br />

S. 18 ff. Vgl.: NJ, Heft 9/1992, S. 419 f.<br />

31 - BGHSt Bd.39, S. 168, 170, 187 und Bd. 45, S. 297.<br />

32 - BGH-Urteil, 8. November 1999, AZ 5 StR 632/98. In: BGHSt Bd.45, S.270.<br />

Vgl.: NJ, Heft 3/2000, S. 148 ff.<br />

33 - Verfassung der DDR, 6. April 1968, a.a.O. (Fn. 23)<br />

34 - Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten,<br />

a.a.O. (Fn. 6)<br />

35 - LG-Urteil Berlin, 5.Februar 1992, AZ (518) 2 Js 63/90 (57/91), a.a.O. (Fn. 30)<br />

36 - StGB/DDR, a.a.O. (Fn. 5)<br />

37 - StPO, l. Februar 1877, idF. vom 7. April 1987, a.a.O. (Fn. 20)<br />

38 - Gesetz über die Staatsgrenze der DDR (Grenzgesetz), a.a.O. (Fn. 28)<br />

39 - BVerfG-Beschluss, 24. Oktober 1996, (1851/94–1853/94 und 1875/94), a.a.O. (Fn. 3)<br />

40 - StGB/DDR, a.a.O (Fn. 5)<br />

40 - StGB, 15. Mai 1871 (RGBl. S. 127) idNF. vom 13. November 1998, a.a.O. (Fn. 7)<br />

41 - BVerfG-Beschluss, 15. Mai 1995, AZ 2 BvL 19/91, 2 BvR 1206/91, 1584/91 und<br />

505


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

2601/93. In: BVerfGE Bd. 92, S. 277, 320.<br />

42 - BGH-Urteil, 3. November 1992, (370/92), a.a.O. (Fn. 1)<br />

43 - LG-Urteil Berlin, 5. Februar 1992, AZ (518) 2 Js 63/90 (57/91), a.a.O. (Fn. 30)<br />

44 - Radbruch, Gustav: Aufsatz als Antwort auf die Verbrechen der Nazis, 1946/1947.<br />

In: Gustav-Radbruch-Gesamtausgabe (GRGA), Bd. 3, S. 89 ff.<br />

44 - Vgl.: Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht. In: SJZ, 1946, Heft 5,<br />

S. 105 ff.<br />

45 - „Verordnung über die Strafrechtspflege gegen Polen (und Juden) in den eingegliederten<br />

Ostgebieten“, 4. Dezember 1941. In: RGBl., S. 759.<br />

46 - Internationaler Pakt über Bürgerrechte und politische Rechte (IPbürgR), 16.<br />

Dezember 1966. In: GBl. II, 1974, Nr.6, S. 58 ff. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

Vgl.: Gesetz vom 20. November 1973 zu dem Internationalen Pakt über<br />

Bürgerrechte und politische Rechte. In: BGBl. II, S. 1533.<br />

47 - Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges. (UZwGBw), a.a.O. (Fn. 29)<br />

48 - Wehrstrafgesetz (WStG), 30. März 1957. In: BGBl. I, S. 298, idFdB. vom 24. Mai<br />

1974. In: BGBl. I, S. 1213, zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Januar 1998. In:<br />

BGBl. I, S. 164 ff. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

49 - LG-Urteil Berlin, 16. September 1993, AZ (527) 2Js 26/90 Ks (10/92)<br />

49 - In: NJ, Heft 5/1994, S. 210 ff;<br />

49 - BGH-Urteil, 26. Juli 1994, AZ 5 StR 98/94. In: BGHSt Bd.40, S. 218, 230 f.<br />

49 - Vgl.: NJ, Heft 11/1994, S. 532; NStZ, Heft 1/1995, S. 26 ff.<br />

50 - Jescheck, Hans-Heinrich: Lehrbuch des Strafrechts, a.a.O. (Fn. 17)<br />

51 - Schroeder, Friedrich-Christian: Der Täter hinter dem Täter. Ein Beitrag zur Lehre<br />

von der mittelbaren Täterschaft. <strong>Verlag</strong> Duncker und Humblodt, 1965, S. 166.<br />

52 - BGH-Urteil, 8. November 1999 (632/98), a.a.O. (Fn. 32)<br />

53 - LG-Urteil Berlin, 30. Mai 1997, AZ 535-3/95;<br />

53 - BGH-Beschluss, 28. Oktober 1998, AZ 5 StR 176/98. In: JR, Heft 7/1999, S. 295 ff.<br />

54 - BGH-Urteil, 6. November 2002, AZ 5 StR 281/01.<br />

55 - BGH-Urteil, 13. Dezember 1993 (76/93), a.a.O. (Fn. 2) StGB/DDR, a.a.O. (Fn. 5)<br />

55 - StGB., 15. Mai 1871 (RGBl. S. 127) idFdB. vom 13. November 1998, a.a.O. (Fn. 7)<br />

56 - Einigungsvertrag BRD-DDR, a.a.O. (Fn. 5)<br />

57 - Vgl.: BGHSt Bd.34, S. 146, 149.<br />

58 - Internationaler Pakt (IPbürgR), a.a.O. (Fn. 46)<br />

59 - BGH-Urteil, 3. November 1992, AZ 5 StR 370/92, a.a.O. (Fn. 1)<br />

506


Erich Buchholz<br />

60 - Grundgesetz (GG) der BRD, a.a.O. (Fn. 10)<br />

61 - BGH-Urteil, 10. Dezember 1998, AZ 5 StR 322/98. In: NJ, Heft 6/1999, S.317 ff.<br />

Vgl.: NJW, Heft 45/1999, S. 3347 ff.<br />

62 - Verordnung über Aufenthaltsbeschränkung, 24. August 1961.<br />

62 - In: GBl. II, Nr. 55, S. 343, idF. des StGB/DDR vom 12. Januar 1968.<br />

In: GBl. I, S. 97.<br />

63 - BVerfGE Bd.58, S. 167 f und Bd.62, S. 192.<br />

64 - In dem „Soraya-Urteil“ vom 14.Februar 1973 betont das BVerfG, dass die traditionelle<br />

Bindung des Richters an das Gesetz im Grundgesetz „jedenfalls der Formulierung<br />

nach dahin abgewandelt“ (!) ist, „dass die Rechtsprechung an ‘Gesetz und<br />

Recht’ gebunden ist. (Art. 20 Abs. 3). Damit wird… ein enger Gesetzespositivismus<br />

abgelehnt.“ ,,Die Aufgabe der Rechtsprechung kann es insbesondere erfordern“,<br />

(neue) „Wertvorstellungen… in einem Akt des bewertenden Erkennens… ans<br />

Licht zu bringen und in Entscheidungen zu realisieren.“ „Die richterliche<br />

Entscheidung schließt“ eine etwaige „Lücke nach den Maßstäben der praktischen<br />

Vernunft und den fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der<br />

Gemeinschaft.“ Diese Aufgabe und Befugnis zu „schöpferischer Rechtsfindung“<br />

stehe dem Richter zu.<br />

65 - BGH-Urteil, 15. September 1995, AZ 5 StR 713/94. In: BGHSt Bd.41, S. 247 ff.<br />

Vgl.: StV, Heft 1/1996, S.34 ff; NJW, Heft 50/1995, S. 3324; NJW, Heft 12/1995, S. 653.<br />

66 - BGH-Urteil, 9. Mai 1994, AZ 5 StR 354/93. In: BGHSt Bd. 40, S. 169, S.177 m. w. N.<br />

Vgl.: NJ, Heft 9/1994, S. 422.<br />

67 - StPO/DDR, a.a.O. (Fn. 26)<br />

67 - StPO, 1. Februar 1877, idFdB. 7. April 1987, a.a.O. (Fn. 20)<br />

68 - BGH-Urteil, 6. Oktober 1994, AZ 4 StR 23/94. In: BGHSt Bd.40, S.272.<br />

Vgl.: JR, Heft 5/1995, S. 211 ff; StV, Heft 4/1995, S. 192; NJW, Heft 1/1995, S. 64;<br />

NJ, Heft 12/1994, S. 583. Letzgus, K.: Festschrift für Herbert Helmrich zum 60.<br />

Geburtstag. München, 1994.<br />

69 - BGH-Urteil, 30. November 1995, AZ 4 StR 714/94. In: NStZ-RR, Heft 3/1996, S. 69<br />

ff; Vgl.: NJW, 1995, S. 1141.<br />

70 - BGH-Urteil, 5. Juli 1995, AZ 3 StR 605/94. In: NJW, Heft 41/1995, S. 2734 ff.<br />

71 - BGH-Urteil, 15. November 1995, AZ 3 StR 527/94. In: NJ, Heft 6/1996, S.318.<br />

Vgl.: DtZ, Heft 3/1996, S. 92.<br />

72 - Verfassung der DDR, 6. April 1968, a.a.O. (Fn.. 23)<br />

507


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

73 - BGH-Urteil, 15.September 1995 (713/94), a.a.O. (Fn. 65)<br />

74 - BGH-Beschluss, 18. März 1952. In: BGHSt Bd. 2, S. 194.<br />

75 - BGH-Urteil, 30. November 1995, AZ 4 StR 777/94. In: NStZ-RR, Heft 3/1996, S. 65.<br />

76 - BGH-Urteil, 15.September 1995 (713/94), a.a.O. (Fn. 65)<br />

77 - Kammergerichts-Urteil, 20. März 1998, AZ 4 Ws 160/97 (533-2/97). Nicht<br />

veröffentlicht.<br />

78 - Kontrollratsgesetz (KRG) Nr.10, vom 20. Dezember 1945. In: Amtsblatt des<br />

Kontrollrates, Nr. 3/1946, S.50 ff.<br />

78 - Kontrollratsdirektive (KRD) Nr.38, vom 12. Oktober 1946. In: Amtsblatt des<br />

Kontrollrates, Nr. 11/1946, S.184 ff.<br />

78 - Vgl.: ZVOBl. Nr. 13 vom 25. August 1947, S. 153 sowie Nr. 18 vom 9. Oktober 1947,<br />

S. 203. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

79 - Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich (RStGB), 15. Mai 1871. In: RGBl., S. 127.<br />

Zusammengestellt nach dem Stand vom 1. Oktober 1935 im Reichsjustizministerium.<br />

Berlin, 1935. Beck’sche <strong>Verlag</strong>sbuchhandlung (Oskar Beck) München.<br />

Strafprozessordnung für das Deutsche Reich (RStPO) 1. Februar 1877. In: RGBl. S.<br />

253, idFdB. vom 22. März 1924. In: RGBl. I, S. 322 sowie idF. des Gesetzes vom 28.<br />

Juni 1935. In: RGBl. I, S. 839 ff. Zusammengestellt nach dem Stand vom 1. Oktober<br />

1935 im Reichsjustizministerium. Berlin, 1935. Beck’sche <strong>Verlag</strong>sbuchhandlung<br />

(Oskar Beck) München.<br />

80 - Befehl Nr.201 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland betreffend die<br />

Richtlinien zur Anwendung der Direktiven Nr.24 und Nr. 38 des Kontrollrates vom<br />

16. August 1947 mit Ausführungsbestimmungen Nr. 1 und Nr. 2 vom 19. August 1947<br />

sowie Nr. 3 vom 21. August 1947. In: ZVOBl. Nr. 13 vom 25. August 1947, S. 153 ff.<br />

80 - (Siehe Dokumentenanhang)<br />

81 - Verfassung der DDR, 7. Oktober 1949. In: GBl. Nr. 1, S. 5 ff. (Siehe Dokumentenanhang)<br />

82 - Podewin, Norbert (Hrsg.): Braunbuch. Kriegs- und Naziverbrecher in der BRD und<br />

in Berlin(West). Reprint der Ausgabe 1968 (3. Auflage). Das Neue Berlin,<br />

<strong>Verlag</strong>sgesellschaft mbH, 2002.<br />

82 - Joseph, Detlef: Nazis in der DDR. Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das Neue Berlin,<br />

<strong>Verlag</strong>sgesellschaft mbH, 2000.<br />

83 - LG-Urteil Leipzig, 1. September 1993, AZ 1 Ks 04 Js 1807/91. In: NJ, Heft 3/1994,<br />

S. 111 ff;<br />

508


Erich Buchholz<br />

83 - Kammergerichts-Beschluss, 15. März 1954, AZ 1 RHE AR 7/54-la Ws (26/54). In:<br />

NJW, 1954, S.1901;<br />

83 - BG-Beschluss Dresden, 28. Oktober 1991,AZ BSK (1) 231/91. In: NJ, Heft 2/1992,<br />

S. 69.<br />

84 - LG-Urteil Leipzig, 28.November 1997, AZ 1 Kls 825 Js 21994/94.<br />

85 - BGH-Beschluss, 10. August 1994, AZ 3 StR 252/94.<br />

86 - LG-Urteil Leipzig, 28. November 1997, a.a.O. (Fn. 84)<br />

87 - ,,Verordnung gegen Volksschädlinge“, 12. September 1939. In: RGBl., S.1679;<br />

87 - ,,Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der<br />

Parteiuniform“, 20. Dezember 1934. In: RGBl. S. 1269;<br />

87 - ,,Verordnung über die Strafrechtspflege gegen Polen (und Juden) in den eingegliederten<br />

Ostgebieten“, 4. Dezember 1941, a.a.O. (Fn. 45)<br />

88 - Reichsjugendgerichtsgesetz. (RJGG), 6. November 1943. In: RGBl., S. 637.<br />

89 - BVerfG-Beschluss, 24. Oktober 1996 (1851/94-1853/94 und 1875/95),<br />

a.a.O. (Fn. 3)<br />

90 - BVerfGE Bd. 95, S. 131 f.<br />

91 - Vertrag zwischen der BRD und der DDR über die Herstellung der Einheit<br />

Deutschlands, a.a.O. (Fn. 5)<br />

92 - BGH-Urteil, 20. Oktober 1993, AZ 5 StR 473/93. In: BGHSt Bd. 39, S.354, hier<br />

S.356. Vgl.: JR, Heft 6/1994, S. 255 ff.<br />

93 - Gesetz über das Ruhen der Verjährung bei SED-Unrechtstaten (Verjährungsgesetz),<br />

26. März 1993, a.a.O. (Fn. 4)<br />

94 - DRiZ, Heft 1/1992, a.a.O. (Fn. 14)<br />

95 - Zweites Gesetz zur Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen bei SED-<br />

Unrechtstaten, 27. September 1993, a.a.O. (Fn. 4)<br />

95 - Gesetz über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen, 13. April 1965. In:<br />

BGBl. I, S. 315 ff., zuletzt geändert durch das Erste Gesetz zur Reform des<br />

Strafrechts vom 25. Juni 1969. In: BGBl. I, S. 645. (Verfolgung von NS-Verbrechen<br />

in der (Alt-)BRD)<br />

96 - BVerfG-Beschluss, 26. Februar 1969, AZ 2 BvL 15-23/1968. In: BVerfGE Bd. 25,<br />

S. 269.<br />

97 - Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (RGSt), Bd. 76, S.159, 161.<br />

98 - von Buri, Maximilian: Über Causalität und deren Verantwortung, Leipzig, 1873; Die<br />

Causalität und ihre strafrechtlichen Beziehungen, Stuttgart, 1885.<br />

509


RECHTSFRAGEN DER STRAFVERFOLGUNG<br />

99 - LG-Urteil Berlin, 16. September 1993, 2 Js 26/90, a.a.O. (Fn. 49)<br />

99 - BGH-Urteil, 26. Juli 1994 (98/94), a.a.O. (Fn.49)<br />

100 - Jescheck, Hans-Heinrich: Lehrbuch des Strafrechts, a.a.O. (Fn. 17)<br />

101 - Schroeder, Friedrich-Christian: Der Täter hinter dem Täter, a.a.O. (Fn. 51)<br />

102 - LG-Urteil Berlin, 30. Mai 1997 (535-3/95), a.a.O. (Fn. 53)<br />

103 - DRiZ, Heft 1/1992, a.a.O. (Fn. 14)<br />

104 - Erstes Strafrechtsänderungsgesetz (sog. „Blitzgesetz“), 30. August 1951.<br />

In: BGBl. I, S. 739.<br />

105 - Arnold, Jörg: Strafrechtliche Auseinandersetzung mit Systemvergangenheit —<br />

am Beispiel der DDR. Vortrag zum Gustav-Radbruch-Forum am 27. September<br />

1997 in Heidelberg, Nomos <strong>Verlag</strong>sgesellschaft, Baden-Baden, 2000, S. 15 ff..<br />

106 -Marxen, Klaus / Werle, Gerhard: Die strafrechtliche Aufarbeitung von DDR-<br />

Unrecht. Eine Bilanz. Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 1999.<br />

510


PERSÖNLICHE ER1EBNISBE-<br />

RICHTE VON POLITISCHER<br />

STRAFVERFOLGUNG DURCH<br />

DIE BUNDESDEUTSCHE<br />

JUSTIZ BETROFFENER<br />

Aufgezeichnet von<br />

Werner Engst / Herbert Kelle


PERSÖNLICHE ER1EBNISBERICHTE<br />

Werner Engst<br />

Jg. 1930; Berufsausbildung und Tätigkeit als Maschinenschlosser.<br />

1950 Besuch der Landespionierschule in Dresden, danach Tätigkeit als Pionierleiter und<br />

Funktionär der Freien Deutschen Jugend auf Kreis-, Bezirks- und Landesebene sowie<br />

im Zentralrat der Freien Deutschen Jugend, Berlin.<br />

1953 dreijähriges externes Studium am Institut für Lehrerbildung Berlin-Köpenick mit<br />

Abschluss als Unterstufenlehrer.<br />

1964-1970 Vorsitzender der Pionierorganisation der DDR.<br />

1971-1989 Stellvertreter des Ministers für Volksbildung; Vizevorsitzender der UNES-<br />

CO-Kommission der DDR.<br />

Seit 1992 Mitglied im Arbeitsausschuss des „Solidaritätskomitees für die Opfer der politischen<br />

Verfolgung in Deutschland“; Mitglied der „Gesellschaft zur rechtlichen und<br />

humanitären Unterstützung“ e.V. (GRH) sowie der „Gesellschaft für Bürgerrechte und<br />

Menschenwürde“ (GBM).<br />

Herbert Kelle<br />

Jg. 1930; Berufsausbildung und Tätigkeit als Vermessungstechniker.<br />

1949-1958 Kreissekretär der Freien Deutschen Jugend, Stadtrat und Mitglied des Rates<br />

des Kreises.<br />

1958 Studium an der Akademie für Staat und Recht, Potsdam-Babelsberg, mit Abschluss<br />

1960 als Diplom-Staatswissenschaftler.<br />

1967 zweijähriges Fernstudium an der Humboldt-Universität zu Berlin.<br />

1960 bis 1974 Tätigkeit in Funktionen des Rates des Bezirkes und des Staatsrates der<br />

DDR.<br />

1974 Leiter des Sekretariats der Volkskammer bzw. Direktor der Volkskammer der<br />

DDR.<br />

Seit 1967 zahlreiche Veröffentlichungen in den Fachzeitschriften Neue Justiz,<br />

Sozialistische Demokratie, Staat und Recht sowie in internationalen Publikationen.<br />

Mitglied der „Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung“ e.V.<br />

(GRH) sowie Mitglied im Arbeitsausschuss „Solidaritätskomitee für die Opfer der politischen<br />

Verfolgung in Deutschland“.<br />

512


Werner Engst / Herbert Kelle<br />

Von antifaschistischem Geist erfüllt, haben sie ihr<br />

ganzes Leben in den Dienst der aktiven Gestaltung<br />

und des Schutzes der sozialistischen Alternative auf deutschem<br />

Boden — der DDR — gestellt. Grundlagen ihres<br />

Handelns waren Recht und Gesetz, ihr Wissen und Gewissen.<br />

Dafür wurden sie nach 1989, wie Zehntausende andere<br />

Frauen und Männer, von den Behörden und der Justiz der<br />

BRD verfolgt und diskriminiert, Gewalttätern gleichgestellt.<br />

„Ich hatte keine Illusionen,“ sagte Irmgard Jendretzky,<br />

„aber es ist etwas anderes, direkt betroffen zu<br />

sein und zur Kriminellen gestempelt zu werden.“<br />

Mit ihren nachfolgenden Schilderungen haben sich die<br />

Autoren natürlich nicht die Aufgabe einer umfassenden<br />

Wertung ihrer Verfahren gestellt. Vielmehr handelt es sich<br />

um die Wiedergabe fest im Gedächtnis gebliebener punktueller<br />

Erinnerungen an jahrelange physische und psychische<br />

Belastungen als Verfolgte, Beschuldigte, Angeklagte, Verurteilte<br />

und Inhaftierte. Diese Aussagen sind kein Ruhmesblatt<br />

für den Rechtsstaat BRD. Sie bedürfen keines Kommentars.<br />

Sie sprechen für sich.<br />

Jendretzky, Irmgard,<br />

ehemalige Richterin, geb. am 14. August 1918, am 23. November<br />

1997 „wegen Rechtsbeugung, Freiheitsentzug<br />

und Totschlag“ zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt.<br />

Nach jahrelangen Protesten demokratischer Kräfte<br />

und aufgrund ärztlicher Gutachten wurde die über die 81jährige<br />

kranke Frau verhängte Strafe am 14. Juli 2000 „auf<br />

Dauer ausgesetzt“.<br />

Klabuhn, Gerda,<br />

ehemalige Richterin, geb. am 27. Oktober 1926, am 24.<br />

Oktober 1996 „wegen Rechtsbeugung“ zu einer Freiheits-<br />

513


PERSÖNLICHE ER1EBNISBERICHTE<br />

strafe von 1 Jahr und 10 Monaten verurteilt, vom 27. März<br />

1998 bis 26. Februar 1999 in Haft, der Rest wurde „auf<br />

Bewährung ausgesetzt“.<br />

Geier, Bernhard,<br />

Generalmajor a.D. der Grenztruppen, geb. am 5. Dezember<br />

1926, am 27. August 1999 „wegen Totschlags und Beihilfe<br />

zum Totschlag“ zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren<br />

und 6 Monaten verurteilt, vom 10. Dezember 1999 bis 13.April<br />

2000 in Haft, wegen schwerer Krankheit und daraus resultierender<br />

Vollzugsunfähigkeit „auf Bewährung“ entlassen;<br />

Gaida, Erich,<br />

Oberst a. D. im Ministerium für Staatssicherheit, geb. am 23.<br />

Juni 1928, vom 29. November 1996 bis 30. April 1998 in<br />

Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft beantragte wegen<br />

„Veruntreuung sozialistischen Eigentums“ ein Freiheitsstrafe<br />

von 6 Jahren, das Gericht sprach ihn am 24.August<br />

1998 aus tatsächlichen Gründen frei.<br />

Geschke, Heinz,<br />

Oberst a. D. der Grenztruppen, geb. am 19. Januar 1930. Am<br />

26. März 1998 wegen „Totschlags und Beihilfe zum<br />

Totschlag“ zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt,<br />

vom 10. März 2000 bis 14. September 2001 in Haft. Wurde<br />

nach Verbüßung der „Halbstrafe auf Bewährung“ entlassen.<br />

514


Irmgard Jendretzky<br />

Im letzten Jahr des 1. Weltkrieges, am 14. August 1918, wurde<br />

ich in Rostock geboren.<br />

78 Jahre später, im Januar 1996, wurde mir vom Landgericht<br />

Leipzig eine Anklageschrift zugestellt, in der mir mitgeteilt<br />

wurde, dass ich wegen „Rechtsbeugung.“ — in Tateinheit mit<br />

Totschlag, versuchtem Totschlag und Freiheitsberaubung —<br />

angeklagt bin.<br />

Das alles war zunächst unbegreiflich, da mir niemals solche<br />

Handlungen bewusst gewesen sind und ich zu keinem Zeitpunkt<br />

meines langen, an Arbeit und politischen Aktivitäten<br />

reichen Lebens, so etwas getan habe.<br />

Mit 78/79 Lebensjahren ist man meistens nicht mehr ganz<br />

gesund. Seit Jahren werde ich ärztlich behandelt. Kreislauf,<br />

Herz und Osteoporose, machen mir sehr zu schaffen. Dazu<br />

die persönlichen Sorgen.<br />

Mein Ehemann, Hans Jendretzky, verstarb nach langer und<br />

schwerer Krankheit 1992.<br />

Der Untergang unseres Staates, unserer DDR, wofür wir mit<br />

Leidenschaft gekämpft, gearbeitet und gelebt hatten — und<br />

nun wieder im Kapitalismus zu sein — daran werde ich wohl<br />

bis an mein Lebensende leiden.<br />

Eigentlich war mir seit 1989/90 klar, dass die „Sieger“ ihre<br />

Überlegenheit zum Ausdruck bringen und Vergeltung für<br />

ihren Machtverlust auf dem Gebiet der DDR ausüben würden.<br />

Doch das Ausmaß der Strafverfolgung gegen all diejenigen<br />

Bürger, besonders gegen Funktionäre, die den ersten<br />

Arbeiter- und Bauern-Staat in der deutschen Geschichte aufgebaut<br />

haben, ist erschreckend.<br />

515


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

Ich war voller Sorge und zugleich voller Zorn.<br />

Kindheits- und Jugenderinnerungen drängten sich wieder auf.<br />

Schon als Kind erlebte ich Hausdurchsuchungen und Verfolgungen<br />

der Gestapo in meinem Elternhaus. Solidarität und<br />

Hilfe für Menschen, die gegen den Faschismus kämpften,<br />

waren in unserer Familie Selbstverständlichkeiten. Unsere<br />

Wohnung war Treffpunkt illegal arbeitender Genossen.<br />

Manche Widerstandskämpfer fanden hier Unterkunft.<br />

1934 wurden mein Vater und meine beiden Brüder verhaftet.<br />

Die Anklage lautete Vorbereitung zum Hochverrat. Sie wurden<br />

verurteilt, eingekerkert und durchlebten die Hölle<br />

faschistischer Haft. Mein ältester Bruder, der in Hamburg<br />

gegen das Naziregime kämpfte, musste 3 Jahre Zuchthaus, 3<br />

Jahre KZ Sachsenhausen und nochmals 1½ Jahre Untersuchungshaft<br />

erleiden.<br />

Nach meiner Einschulung 1924 besuchte ich ab 1928 das<br />

Oberlyzeum in Rostock. Wegen der Verurteilung meines<br />

Vaters wurde ich von Lehrern und auch von Mitschülerinnen<br />

ausgegrenzt, war das Kind eines „Verurteilten“ und musste<br />

die Schule verlassen. Meine Schulzeit beendete ich mit dem<br />

Abschluss der höheren Handelsschule in Rostock.<br />

Nach Lehrjahren arbeitete ich als Bankangestellte in Rostock<br />

und bis zur Befreiung durch die sowjetischen Truppen im<br />

Jahre 1945 in Neustrelitz.<br />

Für mich war klar: Ich musste mich in die Tätigkeit aller antifaschistischen<br />

Kräfte einreihen und wollte dabei sein, wenn<br />

ein anderes, demokratisches Staatswesen — ohne Nazis und<br />

Kriegstreiber — in Deutschland entsteht.<br />

Vom Elternhaus und vielen Freunden, die mit uns verbunden<br />

waren, geprägt, betätigte ich mich sofort politisch, um das<br />

neue Leben mit aufzubauen und mitzuhelfen, eine Wiederholung<br />

von Faschismus und Krieg zu verhindern.<br />

516


Irmgard Jendretzky<br />

Nach Rostock zurückgekehrt, arbeitete ich zunächst als<br />

Angestellte beim Amtsgericht Rostock und folgte später mit<br />

etwas Bangen, aber auch mit Zuversicht dem Vorschlag,<br />

Volksrichterin zu werden. Nach erfolgreichem Abschluss<br />

eines Volksrichter-Lehrgangs 1946/47 in Schwerin wurde ich<br />

als beisitzende Richterin am Landgericht Güstrow und bis<br />

1949/50 als Vorsitzende des Schöffengerichts am Amtsgericht<br />

in Rostock und beisitzende Richterin beim Oberlandesgericht<br />

Schwerin eingesetzt.<br />

Wenn ich an diese Zeiten zurückdenke, wird mir bewusst,<br />

unter welchen schwierigen Bedingungen wir damals als junge<br />

Antifaschisten studierten und arbeiteten, uns Arbeits- und<br />

Studienmaterial, aber auch Verpflegung und das Lebensnotwendige,<br />

organisierten.<br />

Unser Ziel war klar. Eine neue Zeit brauchte Menschen, die<br />

mit Herz und Verstand am Aufbau der antifaschistisch-demokratischen<br />

Ordnung mitwirken — und ich gehörte zu ihnen:<br />

zu meinen Genossen und antifaschistischen Freunden.<br />

Sie hatten mich auf einen sehr verantwortungsvollen Platz<br />

gestellt.<br />

Noch heute empfinde ich, dass es wohl zum Schwersten<br />

gehört, über andere Menschen zu Gericht zu sitzen und<br />

gerechte Urteile zu fällen.<br />

Diese Grundhaltung bestimmte meine juristische Tätigkeit —<br />

und nicht, wie mir das in der Anklageschrift und in den<br />

Verhandlungen am Landgericht Leipzig unterstellt wurde,<br />

aus niedrigen Beweggründen und Rachegelüsten entschieden<br />

und gehandelt zu haben.<br />

Grundlage und Rahmen für alle meine richterlichen Entscheidungen<br />

waren immer die Verfassung und Rechtsnormen<br />

517


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

meines Staates — der DDR — das Völkerrecht und die<br />

Gesetze der Volkskammer der DDR.<br />

Für mich war es selbstverständlich, dabei den Menschen und<br />

seine Entwicklung, die Umstände und die eigene Verhaltensweise<br />

sowie die gesellschaftlichen Erfordernisse zu sehen.<br />

Das galt auch für die mir nunmehr als Rechtsbeugung unterstellten<br />

Entscheidungen, die ich als Beisitzerin des Revisionsgerichtes<br />

in den sogenannten Waldheim-Verfahren mit<br />

getroffen habe.<br />

Noch ganz genau ist mir die Delegierung an das Oberlandesgericht<br />

Dresden bzw. an das Landgericht Chemnitz nach<br />

Ostern 1950 zur Durchführung von Revisionsprozessen in<br />

Erinnerung. Das erforderte wieder die Meisterung von neuen<br />

Lebensumständen, war aber vor allem eine hohe Belastung<br />

und Verantwortung. Wir saßen ja zu Gericht über Menschen,<br />

die gewissenlos dem verbrecherischen faschistischen Regime<br />

gedient und Mord und Totschlag begangen hatten.<br />

Die Angeklagten waren Anfang 1950 auf Beschluss der<br />

Regierung der Sowjetunion im Zusammenhang mit der<br />

Herstellung der Souveränität der DDR den zuständigen<br />

deutschen Rechtsorganen übergeben worden. Grundlage<br />

unserer Gerichtsarbeit waren für uns vor allem das verbindliche<br />

Recht der Alliierten, des Kontrollrates, insbesondere das<br />

Kontrollratsgesetz Nr. 10 vom 20. Dezember 1945, und die<br />

Entscheidungen der SMAD, waren die Verfassung der DDR<br />

und die für diese Verfahren in damaliger Zeit geltenden<br />

Rechtsnormen und gegebenen Bedingungen, waren zugleich<br />

auch die Erwartungen der Welt, die verantwortlichen Faschisten<br />

zur Rechenschaft zu ziehen.<br />

Es handelte sich ja um Mörder, Menschenschänder und<br />

Nazijuristen, an deren Händen das Blut klebte von unzähligen<br />

Opfern, von Hitler- und Kriegsgegnern, von Zivilperso-<br />

518


Irmgard Jendretzky<br />

nen der vom Faschismus besetzten Länder, von jungen<br />

Menschen, die im Krieg nicht mehr weiter machen wollten<br />

und die Truppe verlassen hatten.<br />

Nur einige wenige Beispiele:<br />

• Generalstaatsanwalt am Sondergericht Dresden,<br />

Rosenmüller.<br />

• Er hatte 15 Todesurteile wegen „zersetzender Äußerungen“<br />

erwirkt.<br />

• Kriegsgerichtsrat Rechenbach — er wirkte an über 1.200<br />

Militärgerichtsverfahren und 30 Todesurteilen mit.<br />

• Der KZ-Aufseher Karl Steinberg, der eigenhändig im KZ<br />

Auschwitz Häftlinge hinrichtete.<br />

• NSDAP-Pfarrer und Offizier des Kriegsgefangenenlagers<br />

Hoyerswerda, Schäfer. Er war verantwortlich für Misshandlungen<br />

auf schrecklichste Art und Weise an ca. 2000<br />

Franzosen, Engländern, Polen und Rotarmisten.<br />

• Der Wachmann Otto Standtke bei der Dynamit-AG in<br />

Christanstadt/Bober, der als Gestapomann 30 bis 35<br />

Personen denunzierte, die nicht überlebten.<br />

In der Presse, in vielen Veröffentlichungen der Gesellschaft<br />

zur rechtlichen und humanitären Unterstützung e. V. (GRH)<br />

und des Solidaritätskomitees für die Opfer der politischen<br />

Strafverfolgung in Deutschland, wurden die Straftaten dokumentiert,<br />

die diese Verbrecher in Deutschland und in von<br />

Deutschland besetzten Gebieten begangen hatten.<br />

Prof. Dr. Erich Buchholz, der mir als Anwalt immer zur Seite<br />

stand, hat darüber selbst umfangreiche Veröffentlichungen<br />

verfasst.<br />

Die Revisionsverhandlungen erfolgten in der Strafkammer<br />

mit hoher Verantwortung. Jeder Fall wurde geprüft. Es gab<br />

sehr unterschiedliche Entscheidungen. In einigen Fällen wur-<br />

519


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

den die im Ergebnis der Geständnisse der Angeklagten und<br />

der Ermittlungen gefällten Todesurteile bestätigt. Beim überwiegenden<br />

Teil der Urteile wurde die Strafhöhe wesentlich<br />

verringert. Ein Teil der Angeklagten wurde unmittelbar freigesprochen<br />

und sofort oder später freigelassen.<br />

Als beisitzende Richterin habe ich in jedem Fall verantwortungsvoll<br />

gehandelt, getreu der Verpflichtung, mit der neuen<br />

Justiz im antifaschistisch-demokratischen Deutschland die<br />

faschistische Schuld zu sühnen und einen Beitrag zu leisten,<br />

der das Ansehen und die Ehre, die Menschenwürde und das<br />

Recht in Deutschland wieder herstellt.<br />

Immer wieder frage ich mich, wie heute, mehr als 55 Jahre<br />

nach diesem schrecklichen Krieg und 12 Jahren verbrecherischer<br />

Naziherrschaft, deutsche Gerichte und deutsche Staatsanwälte<br />

einerseits diese Unmenschlichkeiten formaljuristisch<br />

rechtfertigen, NS-Verbrecher rehabilitiert werden, ehemalige<br />

Beamte, SS- oder Wehrmachtsangehörige der Nazizeit und<br />

deren Angehörige hohe Renten erhalten, während andererseits<br />

Richter und Staatsanwälte der DDR der politischen<br />

Strafverfolgung und Verurteilung durch die bundesdeutsche<br />

Justiz unterliegen, die sich für eine gerechte Bestrafung der<br />

NS-Verbrechen eingesetzt haben.<br />

Jeder Verhandlungstag in den Jahren 1996/97 am Landgericht<br />

Leipzig gegen mich wurde zu einer Missachtung und Kriminalisierung<br />

meiner Person, zur Verletzung meiner Würde und<br />

meiner Lebensleistung. Ich sollte kriminalisiert werden und<br />

wurde es.<br />

Während der Vorsitzende, ein aus der Alt-BRD delegierter<br />

Richter, zum Teil noch um Sachlichkeit in der Prozessleitung,<br />

aber mit Schärfe gegen mich bemüht war, so waren die<br />

Fragen der beiden beisitzenden jungen Richter, die ihren<br />

Werdegang in der DDR hatten, von Voreingenommenheit,<br />

520


Irmgard Jendretzky<br />

Schnoddrigkeit und offensichtlichem Karrierestreben<br />

bestimmt.<br />

Sie bemühten sich, mir Hass- und Rachegelüste wegen dem<br />

auch meiner Familie in der Nazizeit Angetanen, als niedrige<br />

Beweggründe meiner juristischen Tätigkeit zu unterstellen.<br />

Die beiden teilnehmenden jungen Staatsanwälte, die die<br />

Schrecken des Faschismus nicht erlebt haben, trugen mit<br />

Eifer die gegen mich erhobenen Anschuldigungen aus der<br />

umfangreichen Anklageschrift vor.<br />

Die Anschuldigungen in den Verhandlungen waren empörend.<br />

Im Gerichtssaal traten mir zum Teil offene Feindseligkeit,<br />

später aber auch Sympathie anwesender Zuhörer<br />

entgegen. Eine besondere Rolle spielte in dieser Zeit die<br />

Leipziger Presse, in der ich als Verbrecherin dargestellt<br />

wurde.<br />

Die von meinem Verteidiger, Prof. Dr. Erich Buchholz, unterbreiteten<br />

umfangreichen Anträge, seine von hoher Wissenschaftlichkeit<br />

und Sachlichkeit geprägten Darlegungen, seine<br />

gründlichen Exkurse über die Strafbestimmungen der<br />

Alliierten, des Kontrollrates, der sowjetischen Militäradministration<br />

und den in Deutschland gegebenen Rechtsmöglichkeiten<br />

und Verpflichtungen wurden vom Gericht missachtet,<br />

abgetan und als nicht relevant gewertet.<br />

Dem Vorsitzenden Richter Schnaar war es noch 1997 — wie<br />

er bekundete — unverständlich, dass ein Nazirichter, der 55<br />

Menschen wegen „antifaschistischer Bekennungen“ zum<br />

Tode verurteilt hatte, vor Gericht gestellt worden war. „Was<br />

ist das für eine Straftat?“ fragte er.<br />

Und dieser Mensch erklärte mich am letzten Verhandlungstag<br />

„im Namen des Volkes“ für schuldig, aus niedrigen<br />

Beweggründen an Handlungen wie Rechtsbeugung, Totschlag,<br />

Freiheitsentzug u. a. bewusst wider mein besseres<br />

521


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

Wissen teilgenommen zu haben.<br />

Das Urteil: Vier Jahre Haft, wie vom Staatsanwalt beantragt.<br />

Natürlich hatte auch mein Verteidiger nicht mit einem<br />

Freispruch gerechnet. Wir standen ja vor den Schranken der<br />

Siegerjustiz, die es, gemäß dem politischen Auftrag übernommen<br />

hat, die DDR seit deren Eingliederung in die BRD auch<br />

mit den Mitteln des Strafrechts zu delegitimieren und ihre<br />

Funktionsträger zu kriminalisieren.<br />

Zwischen meinem rationalen Bewusstsein, vor einem erbarmungslosen<br />

Feind zu stehen, und meinen Gefühlen, Hoffnungen<br />

und den meinem Alter geschuldeten humanitären<br />

Erwartungen bestand natürlich ein großer Unterschied. Die<br />

Verkündung des Urteils war für mich dennoch schockierend.<br />

Diesen Herbsttag 1997 und die nun folgenden Ereignisse<br />

habe und werde ich niemals vergessen. Sie sind eine entscheidende<br />

Ursache für meinen immer schlechter werdenden<br />

Gesundheitszustand. Der Prozess insgesamt erforderte viel<br />

Kraft und Nerven.<br />

Schon, dass die Verhandlungen in Leipzig und nicht in Berlin,<br />

wo ich meinen Wohnsitz habe, durchgeführt wurden, erforderte<br />

großen zusätzlichen Kraftaufwand. Wie komme ich hin<br />

und zurück? Was wird, wenn sie mich im Gericht verhaften?<br />

Wo und von wem konnte ich in meiner schwierigen Situation<br />

Hilfe erhalten? Wie überhaupt sollte ich als Hochbetagte<br />

alles überstehen? Fragen über Fragen.<br />

Hilfe und moralische Unterstützung wurde mir durch die<br />

Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung<br />

(GRH) und das Solidaritätskomitee für die Opfer der politischen<br />

Verfolgung in Deutschland zuteil.<br />

522


Irmgard Jendretzky<br />

Im besonderem Maße halfen mir Hans <strong>Kai</strong>ser und Herbert<br />

Kelle, ebenso Kurt André und Gerda Klabuhn.<br />

Nicht zu vergessen ist die Unterstützung von guten Freunden<br />

und Genossen, von Nachbarn und Bekannten, die mir stets<br />

zur Seite standen.<br />

Wir gingen in Revision. Der Bundesgerichtshof musste sich<br />

damit befassen und bestätigte das Urteil des Landgerichts<br />

Leipzig vom 28. November 1997. Die daraufhin eingelegte<br />

Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht wurde gar nicht<br />

erst angenommen. Damit wurde das Urteil rechtskräftig, und<br />

die Vollstreckung war zu erwarten.Täglich war damit zu rechnen,<br />

die Haft anzutreten, eingesperrt zu werden.<br />

Natürlich wird jeder verstehen, sächliche Vorbereitung,<br />

gepackte Taschen ist das eine, aber die Sorge um den nächsten<br />

Tag ist das andere, und sie verließ mich weder am Tage<br />

noch in der Nacht.<br />

Am 21. Juni 1999 erhielt die Ladung zum Haftantritt in der<br />

Justizvollzugsanstalt (JVA) Friedrich-Olbricht-Damm Nr. 16,<br />

in Berlin.<br />

Über meine Empfindungen und Gedanken brauche ich sicher<br />

hier nichts zu sagen. Gute Freunde und Nachbarn begleiteten<br />

mich und halfen mir. Auch die Presse war zugegen.<br />

Pünktlich meldete ich mich und musste von dem erstaunten<br />

Justizbeamten erfahren, dass dies eine Justizvollzugsanstalt<br />

nur für Männer sei. Ich war fehlgeleitet worden. Die von den<br />

sächsischen Justizorganen angegebene Adresse auf der<br />

Einweisung war falsch.Weitere Bemerkungen von ihm möchte<br />

ich hier nicht darlegen.<br />

Aus Furcht, ohne Rücksicht auf den Gesundheitszustand<br />

einer alten Frau, wie andere auf offener Straße festgenommen<br />

zu werden, versuchte ich Klarheit zu bekommen.<br />

523


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

Eigentlich war ich gar nicht haftfähig und hatte darüber auch<br />

die notwendigen ärztlichen Gutachten und Befunde. Trotzdem<br />

fuhren wir zum Frauengefängnis der JVA Berlin-<br />

Lichtenberg, Magdalenenstraße. Gegen Mittag dort angekommen,<br />

wusste auch die hier tätige Justizangestellte mit mir<br />

nichts anzufangen. Mein Gesundheits- und Nervenzustand<br />

wurde zunehmend strapaziert.<br />

Wie sollte das weitergehen?<br />

Nach einer Reihe von Telefonaten wurde ich angewiesen,<br />

mich aus der Anmeldung zu entfernen und am Tor des<br />

Strafvollzugs zu warten. Meine Begleiter halfen mir, mein<br />

Gepäck mitzunehmen. Wir verabschiedeten uns, das große<br />

schwarze Eisengitter schloss sich hinter mir. Ich war in der<br />

Justizhaftanstalt, der ehemaligen U-Haftanstalt des Ministeriums<br />

für Staatssicherheit.<br />

Rechtsanwalt, Prof. Dr. Erich Buchholz, Freunde und<br />

Nachbarn aus dem Wohngebiet waren empört, telefonierten<br />

rundherum und waren um eine Klärung des Sachverhaltes<br />

bemüht.<br />

Prof. Dr. Erich Buchholz setzte im Wortsinn alle Hebel besonders<br />

bei der Sächsischen Staatsregierung in Bewegung.<br />

Am Abend war ich wieder zu Hause, aber auch am Ende meiner<br />

Kräfte und meiner Beherrschung.<br />

Es erwies sich, dass die Einweisung durch die Justizorgane<br />

des Freistaats Sachsen in Berlin unzulässig war. Später wurde<br />

das als ein Versehen dargestellt.<br />

Eine Welle von Protesten, Empörungen und Forderungen<br />

nach Gerechtigkeit entwickelte sich im In- und Ausland.<br />

Dokumentationen über die Naziverbrechen wurden übermittelt.<br />

Pressemeldungen, Briefe, Resolutionen, persönliche<br />

Grüße, Unterschriftslisten, die vielseitigsten Bekundungen<br />

524


Irmgard Jendretzky<br />

der umfangreichen Solidarität erreichten mich und gingen<br />

auch an die verantwortlichen Persönlichkeiten der BRD und<br />

des Freistaates Sachsen.<br />

Ich spürte, ich war nicht allein und glaube heute, dass ich<br />

ohne diese Solidarität und Hilfe das alles nicht überstanden<br />

hätte.<br />

Von der Staatsanwaltschaft Dresden kam nunmehr die<br />

Mitteilung, mich am 5. Juli 1999 bis zur Herstellung der vollen<br />

Haftfähigkeit im Haftkrankenhaus Leipzig einzufinden,<br />

um danach meine Haft in Stollberg anzutreten.<br />

Erneut begann eine Odyssee. Wie sollte ich außerhalb des<br />

Freundes- und Bekanntenkreises isoliert in Leipzig allein<br />

zurecht kommen. Was war in einem Haftkrankenhaus zu<br />

erwarten.<br />

Wegen schwerer Osteoporose erfolgte im Juli 1999 die<br />

Einweisung in eine Rheumaklinik in Buch.<br />

Es waren sowohl erneute medizinische Untersuchungsergebnisse<br />

und Nachweise über meinen Gesundheitszustand,<br />

die Feststellung der Transportunfähigkeit, wie auch die<br />

rechtsanwalt-schaftliche Hilfe und die breite Solidaritätsbewegung,<br />

die eine Zwangsüberführung und Einweisung verhinderten.<br />

Schließlich musste ich mich noch einer angeordneten zermürbenden<br />

psychiatrischen Untersuchung unterziehen.<br />

Viele Menschen, mir bekannte aber auch völlig unbekannte,<br />

forderten unter Protest meine Freiheit, reichten Gnadengesuche<br />

ein und verlangten humanitäre Behandlung, Achtung<br />

vor meinem Alter und Recht und Gerechtigkeit. Ich<br />

wurde 81 Jahre und schwankte ständig zwischen Vorstellungen<br />

über meine Haft und der Hoffnung, dies nicht<br />

525


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

mehr durchmachen zu müssen. Große Sorge und Mut,<br />

Verzweifelung und Zuversicht wechselten.<br />

Endlich — am 14. Juli 2000 — drei Jahre waren seit dem<br />

Richterspruch in Leipzig vergangen — kam die Mitteilung,<br />

wonach auf Beschluss des Sächsischen Staatsministeriums<br />

der Justiz „auf Dauer… Strafausstand gewährt“ wird.<br />

Den weitergehenden Ersuchen um Erlass der Strafe oder<br />

Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung wurde nicht<br />

entsprochen.<br />

All denen, die mit dafür gesorgt haben, dass ich — inzwischen<br />

bin ich 83 Jahre alt — nicht mehr in den Vollzug einrücken<br />

muss, bin ich unendlich dankbar, besonders meinem Rechtsanwalt,<br />

Prof. Dr. Erich Buchholz, den Freunden der GRH<br />

und des Solidaritätskomitees für die Opfer der politischen<br />

Verfolgung in Deutschland, den vielen Bekannten und unbekannten<br />

Menschen, die sich für mich eingesetzt haben.<br />

Was Solidarität bewegen kann, ist für uns alle, die wir sie<br />

direkt erleben, von außerordentlicher Bedeutung. Welche<br />

Kraft gibt zum Beispiel das vom Arbeitsausschuss des<br />

Solidaritätskomitees organisierte Treffen der Frauen, die<br />

selbst oder deren Männer Opfer der politischen Strafverfolgung<br />

in Deutschland sind, am 8. März jeden Jahres.<br />

Das Herz wird einem warm. Eine unschätzbare Verbundenheit<br />

zeigt sich hier, Austausch von Erinnerungen und<br />

Überlegungen, was kann man jetzt tun, wie kann man sich<br />

gegenseitig helfen. Der moralische Wert dieser Zusammenkünfte<br />

ist nicht zu ermessen.<br />

Wichtig ist aber auch: Wir bekennen uns zu unseren Biografien<br />

und sind stolz auf unsere politischen Lebensleistungen,<br />

für ein besseres friedliches Deutschland.<br />

526


Irmgard Jendretzky<br />

Ich hoffe, dass ich mit meinen bescheidenen Kräften noch<br />

eine gute Wegstrecke mit meinen Genossen und Freunden,<br />

mit kampferfahrenen und bewährten Antifaschisten zurücklegen<br />

kann.<br />

527


Gerda Klabuhn<br />

Ich wurde am 27. Oktober 1926 in Berlin in eine „rote“<br />

Familie hineingeboren. Meine Großeltern und meine Eltern<br />

waren Mitglieder der KPD. Ich selbst wurde 1945 Mitglied<br />

der KPD. Meine Kindheit wurde durch die Haltung meiner<br />

Familie geprägt. In Gestalt der „Roten Hilfe“ habe ich schon<br />

frühzeitig Solidarität kennen gelernt. Vor allem meine Großmutter<br />

half mir, die Verbrechen Hitlerdeutschlands, insbesondere<br />

den Überfall auf die Sowjetunion richtig zu erkennen<br />

und einzuschätzen.Wir informierten uns über Radio Moskau,<br />

sprachen mit anderen Menschen darüber und hörten und verbreiteten<br />

Mitteilungen von gefangenen deutschen Soldaten.<br />

Bei illegalen Treffen in unserer Wohnung musste ich immer<br />

die Fußmatte in eine bestimmte Stellung bringen. Das alles<br />

hat meine Haltung geprägt. Wir haben das Kriegsende sehnlichst<br />

erwartet, um von der ersten Minute an kräftig beim<br />

Neuanfang Hand anzulegen.<br />

Durch Vermittlung von Hans Jendretzky habe ich bereits am<br />

02. Juni 1945 im Hauptjugendausschuss von Berlin unter<br />

Leitung von Heinz Keßler zu arbeiten begonnen und war<br />

dort bzw. in der FDJ mehrere Jahre tätig. 1950 ging ich an die<br />

Arbeiter- und Bauern-Fakultät Berlin und habe mich dann<br />

bis 1958 dem Studium der Rechtswissenschaften zugewandt.<br />

Nach 1½jähriger Tätigkeit am damaligen Institut für Gesellschaftswissenschaften<br />

der SED begann ich im Oktober 1959<br />

als Richterin am Stadtbezirksgericht Berlin-Friedrichshain.<br />

Zunächst war ich im Familienrecht tätig und ab 1963 als<br />

Richterin am Stadtgericht von Groß-Berlin.<br />

Ich war eine leidenschaftliche Richterin, habe meine Arbeit<br />

immer außerordentlich ernst genommen. Das A und O war<br />

529


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

für mich die Einhaltung der Gesetzlichkeit. Das ist wohl verständlich,<br />

wenn man davon ausgeht, dass das Recht der DDR<br />

der zum Gesetz erhobene Wille der Arbeiterklasse war, mit<br />

der ich mich auf das Tiefste verbunden fühlte. Deshalb ist der<br />

Vorwurf, dieses Recht gebeugt zu haben, völlig unsinnig.<br />

Bis zum Eintritt in die Rente 1986 war ich Richterin.<br />

Wie begann und verlief meine politische Strafverfolgung<br />

durch die Justizorgane der BRD?<br />

Zunächst möchte ich erwähnen, dass im Herbst 1989 eine<br />

Pogrom-Stimmungsmache gegen mich begann. Zwei seinerzeit<br />

von mir Verurteilte tauchten an meiner Wohnungstür auf,<br />

um von mir „Rechenschaft“ hinsichtlich der Verwendung<br />

eines Hauses, das seinerzeit im Rahmen eines Gerichtsurteils<br />

eingezogen worden war, zu verlangen.<br />

Einige Monate später erschien einer von ihnen noch einmal,<br />

um mich erneut zu nötigen, eine diesbezügliche Erklärung<br />

abzugeben. Ich habe auf die Rechtslage in der DDR verwiesen,<br />

wonach das Gericht auf die Verwendung eingezogener<br />

Gegenstände keinen Einfluss hatte.<br />

Im November 1989 erreichte mich ein Telefonanruf, in dem<br />

mir ein „fürchterlicher Unfall“ prophezeit wurde. In der Folgezeit<br />

bis zum Stattfinden des Prozesses und auch später gab es<br />

immer wieder Telefonanrufe mit Morddrohungen gegen mich.<br />

Woher die Anrufer meine Telefon-Nummer hatten, weiß ich<br />

nicht, im Telefonbuch stand sie jedenfalls nicht.<br />

Nun zur juristischen Seite meiner Verfolgung.<br />

In der Strafprozessordnung der DDR war geregelt, dass dem<br />

Beschuldigten die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens<br />

unverzüglich mitzuteilen ist. Im Gegensatz dazu erhielt ich im<br />

Sommer 1992 ein umfangreiches Material der Staatsanwaltschaft<br />

II, aus dem ich entnehmen konnte, dass bereits seit<br />

530


Gerda Klabuhn<br />

Monaten gegen mich ermittelt wurde. In allen Fällen meiner<br />

Tätigkeit als Richterin, in denen gegen mich als Beschuldigte<br />

ermittelt worden ist, wurde mir Rechtsbeugung vorgeworfen.<br />

Ich bekam dann eine Vorladung zur Vernehmung beim<br />

Staatsanwalt. Da ich nicht feige sein wollte und andererseits<br />

die Methoden der BRD-Justiz noch nicht richtig einschätzen<br />

konnte, habe ich dieser Vorladung Folge geleistet.<br />

Bis zur Mitteilung über die Eröffnung des Hauptverfahrens<br />

im Frühjahr 1993 hörte ich nichts von der Justiz und danach<br />

zog sich das Verfahren bis zur Eröffnung der Hauptverhandlung<br />

im Oktober 1993 hin.<br />

Der vom Gericht angesetzte Termin für den Prozessbeginn<br />

bereitete meinem Anwalt zeitliche Probleme. Er beantragte<br />

deshalb eine Vertagung. Da es mir zu diesem Zeitpunkt<br />

gesundheitlich sehr schlecht ging stellte ich einen gleichen<br />

Antrag. Beide Anträge wurden zurückgewiesen.<br />

Ich musste mich einer gutachterlichen Untersuchung im<br />

Virchow-Krankenhaus unterziehen. Diese brachte meiner<br />

behandelnden Ärztin und mir ein zusätzliches Ermittlungsverfahren<br />

wegen angeblichem Versuch der Vereitelung der<br />

Strafverfolgung ein. Bei vollem Sprechstundenbetrieb wurde<br />

von den ermittelnden Beamten die Praxis meiner Ärztin<br />

buchstäblich auf den Kopf gestellt.<br />

Von diesen Ermittlungsverfahren erfuhr ich allerdings erst<br />

durch die Einstellungsverfügungen. Ich habe also nicht<br />

gewusst, dass gegen mich ermittelt wird, weil ich mich nach<br />

Meinung der Justiz angeblich der Strafverfolgung entziehen<br />

wollte.<br />

Im April 1994 erging dann das erstinstanzliche Urteil. Ich<br />

wurde zur Bewährung und zu einer Geldbuße verurteilt. Wir<br />

gingen in die Revision. Die Revisionsverhandlung fand am<br />

15. September 1995 statt. Sie führte zu Freisprüchen in acht<br />

531


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

Fällen, so dass noch drei Fälle offen waren. Über sie entschied<br />

dann eine andere Kammer des Landgerichts Berlin im<br />

Oktober 1996. Für diese drei Fälle wurde ich wegen<br />

„Rechtsbeugung“ zu einer Freiheitsstrafe von zweiundzwanzig<br />

Monaten verurteilt.<br />

Wenn man sich die Zeitdauer von 1992 bis 1996 ansieht, in<br />

der sich die Justiz mit der Sache befasst hat, so ist das erst einmal<br />

nach DDR-Gesetzen unvorstellbar, denn da waren<br />

Fristen gesetzt, die vor allem darauf gerichtet waren, den<br />

Bürgern Rechtssicherheit zu gewähren. Was diese vier Jahre<br />

an Unruhe und Aufregung mit sich brachten, das kann man<br />

mit Worten einfach nicht wiedergeben. Alle, die betroffen<br />

sind, kennen diesen Gang zum Briefkasten und die Gefühle,<br />

die damit jeweils verbunden waren. Nie wusste man, was<br />

einen wann erwartet.<br />

Und so bekam ich im November 1997 die Ladung zum<br />

Strafantritt. Mir ist aus der Presse bekannt, dass gejubelt<br />

wurde: „Weihnachten sitzt die Klabuhn im Knast!“<br />

Es gelang uns, den Haftantritt hinauszuschieben. Ich erhielt<br />

die Mitteilung, dass Strafaufschub gewährt wird und ich eine<br />

erneute Ladung abzuwarten hätte. Nun ging das wieder los:<br />

Jeden Tag zum Briefkasten, keinen Tag abwesend sein, immer<br />

damit rechnen müssen, dass die Mitteilung zum Strafantritt<br />

eintrifft.<br />

Dennoch wurde ich am 27. März 1998 ohne jegliche Ankündigung<br />

auf offener Straße verhaftet. Wie lief das ab? Ich<br />

wollte in mein Wohnhaus gehen, da sprachen mich zwei<br />

Männer an und fragten, ob ich Frau Klabuhn sei. Als ich das<br />

bejahte, sagte der eine, er hätte einen Haftbefehl, ich müsste<br />

mitkommen. Auf meine Bitte, sich auszuweisen, zog er eine<br />

Blechmarke der Kriminalpolizei aus der Tasche. Misstrauisch<br />

geworden machte ich auf Fernsehsendungen aufmerksam, in<br />

532


Gerda Klabuhn<br />

denen Bürger vor solchen Blechmarken gewarnt wurden und<br />

wollte den Dienstausweis sehen.<br />

Auf seine Antwort, dass er das nicht nötig hätte, erwiderte<br />

ich, dass ich es dann auch nicht nötig habe, auch nur einen<br />

einzigen Schritt mit ihm zu gehen. Auf mein Verlangen, den<br />

Haftbefehl zu sehen, bekam ich zur Antwort, dass ich darauf<br />

keinen Anspruch hätte.<br />

„Na ja“, sagte ich, „dann setze ich mich hier auf die<br />

Treppe und sie können sehen, wie sie mich von<br />

hier wegbekommen“. Das war ihm dann wohl doch zu viel,<br />

er holte den Haftbefehl hervor und zeigte ihn mir. Dabei<br />

stellte ich fest, dass der Haftbefehl schon vor zehn Tagen ausgestellt<br />

wurde.<br />

So groß war also die angebliche „Gefahr im Verzuge!“<br />

Ich möchte noch erwähnen, dass der Herr, der mir den Haftbefehl<br />

doch noch vorlegen musste, mich unbedingt veranlassen<br />

wollte, mit den beiden Kriminalpolizisten in meine<br />

Wohnung zu gehen. Da habe ich mich geweigert. Dafür sah<br />

ich keinen Grund, denn sie hatten ja nicht einmal einen<br />

Durchsuchungsbefehl.<br />

Als ich dann darauf aufmerksam machte, dass ich meine<br />

Medikamente aus meiner Wohnung holen müsste, bekam ich<br />

zur Antwort: „Das haben Sie sich verscherzt.“<br />

Die ganze Art und Weise der Verhaftung kann ich nur als<br />

Überfall bezeichnen.<br />

Ich kam nämlich arglos von meiner Tochter, hatte dort den<br />

Jungen betreut. Ich war in meiner Wohnung gewesen und<br />

hatte mich entschlossen, noch schnell etwas zum Mittagessen<br />

zu kaufen. Die gepellten Kartoffeln lagen schon auf meinem<br />

Küchentisch.<br />

Ich konnte es nicht fassen, wie man einen Menschen derart<br />

rechtswidrig behandeln kann, vor allem, wenn man sich dabei<br />

533


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

noch auf die Einhaltung von Gesetzen beruft.<br />

Ich habe mir nur immer selbst gesagt: „Du musst durchhalten,<br />

dich kriegen sie nicht klein!“<br />

Zunächst wurde ich nach Berlin-Tempelhof in die<br />

Polizeidienststelle gebracht. Von dort aus konnte ich meinen<br />

Anwalt verständigen. Er hat sich sofort bemüht, aber es war<br />

Freitag-Nachmittag um 14.30 Uhr und die Staatsanwaltschaft<br />

war ins „weekend“ gegangen, war nicht mehr zu erreichen.<br />

Als ich in Tempelhof war, fiel es einem Sanitäter auf, dass<br />

irgendetwas mit meiner Gesundheit nicht stimmte. Er hat<br />

dann bei mir alarmierend hohe Blutdruckwerte festgestellt.<br />

Ich habe mich gezwungen, ruhig zu bleiben, mich nicht noch<br />

mehr aufzuregen und war fest entschlossen, diesen Strafvollzug<br />

zu überleben.<br />

Spätabends wurde ich in die Haftanstalt Berlin-Lichtenberg,<br />

in der Alfredstraße, gebracht, eingesperrt in einer Fahrzeug-<br />

Transportzelle, deren Abmessungen zu einer schrägen Sitzhaltung<br />

zwangen, weil sonst kein Platz für die Beine war.<br />

Während der gesamten Fahrt hatte ich nur einen Gedanken:<br />

Bloß keinen Verkehrsunfall, denn aus der Kiste kommt niemand<br />

mehr raus! Dieser Transport gehörte zu den mich am<br />

meisten belastenden Eindrücken.<br />

Mein Anwalt hatte inzwischen Beschwerde gegen den<br />

Vollzug des Haftbefehls eingelegt.<br />

Wie war der Haftbefehl überhaupt zu Stande gekommen? Es<br />

wurde behauptet, dass ich eine Ladung zum Strafantritt<br />

erhalten hätte. Da ich das energisch bestritten habe, stellte<br />

mein Anwalt entsprechende Nachforschungen an. Das führte<br />

zu der Feststellung der zuständigen Dienststelle, die Ladung<br />

sei an die Adresse eines Postkunden ähnlichen Namens zugestellt<br />

worden. Da dieser Adressat nicht ermittelt werden<br />

konnte, hätte der Zusteller auf dieser Postsache den Vermerk<br />

„unbekannt verzogen“ o.ä. angebracht.<br />

534


Gerda Klabuhn<br />

Das hätte zum Erlass des Haftbefehls geführt. Das ist ausgesprochen<br />

lächerlich.<br />

Sie hätten nur bei meinem Anwalt anzurufen brauchen, der<br />

hätte ihnen gesagt, wo ich bin.<br />

Und wenn ich in der bis dahin zurückliegenden Zeit irgendwann<br />

mal weggefahren bin, habe ich in einem Schreiben an<br />

meinen Anwalt jedes Mal erklärt, wann ich wo bin und dass<br />

ich mich keinesfalls dem Strafvollzug entziehen werde.<br />

Das Ganze haben wir so gedeutet, dass sie mich auf diese Art<br />

und Weise in den geschlossenen Vollzug bringen und mir die<br />

Vorzüge des offen Vollzuges vorenthalten wollten. Noch während<br />

die Beschwerde meines Anwalts gegen den Haftbefehl<br />

lief, wurde ich jedenfalls in den geschlossenen Strafvollzug<br />

überstellt. Damit war die Beschwerde gegenstandslos.<br />

So peinlich der ganze Auftritt bei meiner Verhaftung war,<br />

wurde dies durch die folgende Demonstration noch übertroffen.<br />

Wer „drin“ ist, ist völlig recht- und machtlos. Alle meine<br />

Einwände, den Erhalt bzw. den Nichterhalt der Ladung zum<br />

Strafantritt betreffend, wurden einfach nicht zur Kenntnis<br />

genommen. Nur der Zähigkeit meines Anwalts ist es zu danken,<br />

dass die Wahrheit an den Tag kam.Auf die Haft hatte das<br />

keinen Einfluss, aber meine Ehre wurde gerettet.<br />

Der schon erwähnte „Medikamenten-Krieg“ ging fünf Tage<br />

lang. Ich hatte Augentropfen zu nehmen, weil meine<br />

Augenoperation erst kurze Zeit zurücklag und auch<br />

Herzmedikamente. Meine Tochter hatte versucht, sie in die<br />

Haftanstalt zu bringen, sie durfte sie nicht abgeben, auch<br />

nicht hinterlassen, wie die Medikamente heißen, damit sie<br />

hätten besorgt werden können. Ich hatte also fünf Tage keine<br />

Medikamente, auch wenn Herr Körting, Justizsenator der<br />

Berliner Senatsverwaltung, das bis zum September des lau-<br />

535


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

fenden Jahres in der Zeitung „Junge Welt“ vom 25./26. Juli<br />

1998 öffentlich abgestritten und dort erklärt hat, es sei alles<br />

Lug und Trug, was ich behauptet habe.<br />

Niemand kann meiner Tochter so viel Dämlichkeit unterstellen,<br />

dass sie nicht auf die Idee gekommen wäre, ihrer Mutter<br />

die Medikamente zu bringen. Es ist unerhört, dass mir dann<br />

gesagt wurde, meine Angehörigen hätten sich kümmern<br />

sollen. Dann ging es hin und her, bis ich endlich die Medikamente<br />

bekam, die mir meine Ärzte verschrieben hatten.<br />

Was sich da abgespielt hat, war ehrenrührig und kein<br />

Ruhmesblatt für den sogenannten Rechtsstaat.<br />

Die Haftanstalt in Berlin-Lichtenberg ist vor allem für Fälle<br />

der Drogenkriminalität eingerichtet. Mein Anwalt hat sich<br />

sofort bemüht, mich dort herauszubekommen. Im Ergebnis<br />

dieser Bemühungen musste auch der Staatsanwalt einräumen,<br />

dass die Behauptung, ich hätte die Ladung bekommen,<br />

nicht zutraf.<br />

Es dauerte dann aus Verwaltungsgründen ca. drei Wochen,<br />

bis ich nach Berlin-Reinickendorf in den offenen Vollzug<br />

kam.<br />

Am 26. Februar 1999 wurde — wie es heißt — die Restfreiheitsstrafe<br />

zur „Bewährung“ ausgesetzt. Die Bewährungszeit<br />

wurde auf zwei Jahre festgelegt. Die sind inzwischen vergangen.<br />

Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass die Beamten in den<br />

genannten Strafanstalten korrekt waren.<br />

Wenn man jedoch weiß, dass man nichts von dem getan hat,<br />

was einem da vorgeworfen wird und trotzdem in eine<br />

Haftanstalt gesperrt wird, ist das sehr belastend und bitter.<br />

Für mich hat eine große Rolle gespielt, dass ich in der Haft<br />

unglaublich viel Post erhalten habe.<br />

Ich werde nie vergessen, dass ich bereits einen Tag nach meiner<br />

Einlieferung in die Haftanstalt in der Alfredstraße die<br />

ersten Briefe erhielt. Am zweiten Tag waren es sieben, am<br />

536


Gerda Klabuhn<br />

dritten Tag waren es siebzehn Briefe und am vierten Tag habe<br />

ich schon nicht mehr gezählt, aber da sind die Beamten gekommen<br />

und sagten, dass es doch nicht wahr sein könne, dass<br />

die ganze viele Post nur für eine Person bestimmt sein soll.<br />

Als ich dann aus dem Strafvollzug in der Ollenhauer Straße<br />

in Berlin-Reinickendorf wegging, hat die eine Beamtin<br />

gesagt:“ Jetzt wird die Post brotlos.“<br />

Diese Briefe zu bekommen, war für mich überaus wichtig.<br />

Vor allem hat mich auch die Post aus den alten Bundesländern<br />

berührt, von Menschen, die mich nicht kannten und<br />

die sich darauf verlassen mussten, dass ich ein ehrlicher<br />

Mensch bin.<br />

Darauf zu antworten, hat mir sehr beim Nachdenken geholfen.<br />

Dabei hat sich vieles aus der Vergangenheit, was ich<br />

erlebt oder gelesen hatte, wieder belebt.<br />

Während meine „Bewährungszeit“ abgelaufen ist, belasten<br />

mich die finanziellen Forderungen durch die BRD-Justiz<br />

auch weiterhin sehr stark. Noch bevor ich den Knast musste,<br />

bekam ich eine Rechnung von über 12.000,– DM. Ich habe<br />

sofort mit der Einzahlung von monatlich 100,– DM begonnen<br />

und das auch so beibehalten, während ich im Knast saß,<br />

obwohl ich nach Meinung meines Anwalts auf Stundung<br />

hätte hinwirken können. Das hat sich bis zum Frühjahr 2000<br />

hingezogen. Ich wurde aufgefordert, 500,– DM bezahlen und<br />

dazu meine fixen Ausgaben aufzulisten. Diese Forderung<br />

wurde zugleich mit der Drohung einer Pfändung verbunden,<br />

falls ich das nicht akzeptiere.<br />

Mein Anwalt bemühte sich um einen Deal und wir boten an,<br />

dass ich ein privates Darlehen aufnehme und sofort eine<br />

Summe zahle, wenn sie auf die Hälfte oder auf ein Drittel verzichten.<br />

Das haben sie liegen lassen, bis Strasbourg vorbei war.<br />

Als der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gegen<br />

die Beschwerden von Fritz Streletz, Heinz Keßler, K.-H.W. und<br />

537


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

Egon Krenz entschieden hatte, haben sie dem Anwalt „recht<br />

freundlich“ mitgeteilt, dass ich die volle Summe zahlen muss.<br />

Nun muss ich als Alleinstehende 500,– DM im Monat bezahlen.<br />

Nachdem ich die Zähne zusammengebissen und mich<br />

damit abgefunden habe, dass ich damit im nächsten Jahr im<br />

Oktober auch fertig wäre, erhielt ich die nächste Rechnung<br />

von der Staatsanwaltschaft über weitere 7000,– DM, wo die<br />

Haftkosten und irgendeine Gebühr für den Pflichtverteidiger<br />

geltend gemacht werden.<br />

Ich möchte noch anfügen: Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer<br />

des Landgerichts Berlin über die Aussetzung<br />

meiner Reststrafe zur Bewährung wurde mir im Knast für<br />

eine Gebühr von 32,– DM zugestellt. Das war reine Schikane.<br />

Es bestand überhaupt keine Notwendigkeit dafür, denn mein<br />

Anwalt hatte die Zusicherung erhalten, dass ihm der<br />

Beschluss zugefaxt würde.<br />

538


Bernhard Geier<br />

Am 5. Dezember 1926 wurde ich als Sohn einer Arbeiterfamilie<br />

geboren. Meine Kindheit und Jugendzeit verlebte ich<br />

in der elterlichen Familie im Dorf Altkarbe, Kreis Friedeberg/<br />

Neumark (jetzt Goscimiec/Polen). Mein Vater war Maurer<br />

und politisch in der SPD organisiert. Meine Mutter arbeitete<br />

saisonbedingt in der Landwirtschaft. In meiner Kindheit habe<br />

ich nie Not erlitten, aber es fehlte an Geld, um nach der<br />

Volksschule die von meinen Lehrern aufgrund meiner schulischen<br />

Leistungen angestrebte „bessere Bildung“ zu erlangen.<br />

Ich begann eine kaufmännische Lehre in einer Ein- und<br />

Verkaufsgenossenschaft. Nach Beendigung der Lehrzeit<br />

wurde ich 1943 mit siebzehn Jahren zum RAD und anschließend<br />

zur Kriegsmarine eingezogen, in der ich bis zum Kriegsende<br />

dienen musste.<br />

Unter dem Eindruck meiner damaligen Erlebnisse begann<br />

meine Erkenntnis zu reifen, alles in meinen Kräften Stehende<br />

zu tun, um die Menschen verachtende und vernichtende<br />

Kriegspolitik und ihre Wurzeln bekämpfen zu helfen. Aus britischer<br />

Internierung und zeitweiligem Zwangsaufenthalt in<br />

dem von den westlichen Alliierten besetzten Gebiet kam ich<br />

1946 auf illegalem Wege zu meinen Eltern in ihrem neuen<br />

Wohnort in der sowjetischen Besatzungszone. Hier arbeitete<br />

ich als Maurer-Umschüler und erlebte die Anfänge einer antifaschistisch-demokratischen<br />

Entwicklung der Gesellschaft.<br />

Die Notwendigkeit, Ordnung und Sicherheit des friedlichen<br />

Aufbaus unterstützen zu helfen, führte mich im Dezember<br />

1946 in die Reihen der Deutschen Volkspolizei.<br />

1948 — im Jahr meiner Aufnahme in die SED — wurde ich<br />

zur Grenzpolizei abkommandiert. Im Laufe meiner Dienstzeit<br />

von 1946 bis 1986 bei der Grenzpolizei bzw. bei den<br />

539


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

Grenztruppen der DDR hatte ich als Kommandoleiter,<br />

Kommandanturleiter, Brigadekommandeur, Kommandeur<br />

des Grenzkommandos Mitte und als Stellvertretender<br />

Kommandeur der Offiziershochschule der Grenztruppen<br />

verantwortliche Dienststellungen inne. 1986 bin ich mit dem<br />

Dienstgrad Generalmajor aus dem aktiven Dienst ausgeschieden<br />

und in den Ruhestand versetzt worden.<br />

Als Kommandeur an der Staatsgrenze der DDR habe ich aus<br />

Überzeugung meinen Teil zur Erhaltung des Friedens auf<br />

deutschem Boden beigetragen. Bei allen Entscheidungen<br />

konnte ich davon ausgehen, dass mein Handeln von den<br />

Gesetzen des souveränen Staates DDR getragen wurde und<br />

dem Völkerrecht entsprach.<br />

Wie begann und verlief meine politische Strafverfolgung<br />

durch die Organe der BRD?<br />

Bevor ich auf Einzelheiten des gegen mich gerichteten und<br />

aus meiner Sicht unrechtmäßigen Verfahrens zu sprechen<br />

komme, möchte ich auf dessen überaus lange gesetzwidrige<br />

Dauer verweisen. Mehr als acht Jahre — die dreijährige<br />

„Bewährungszeit“ nach der Haft mitgerechnet — ist es sogar<br />

mehr als ein Jahrzehnt. Die psychische und physische Belastung<br />

als Beschuldigter, Verfolgter, Angeklagter, Verurteilter,<br />

Inhaftierter und aus humanitären Gründen auf Bewährung<br />

Entlassener haben meine bösartige Krebserkrankung verschlimmert<br />

und tiefe Spuren in meinem Leben und dem meiner<br />

Familie hinterlassen.<br />

Zu meiner ersten Vernehmung als Zeuge wurde ich Anfang<br />

der 90ger Jahre in Ermittlungsverfahren gegen Soldaten geladen,<br />

die mir während ihrer Dienstzeit unterstanden.<br />

Im Jahre 1993 wurden meine Stellvertreter vernommen.<br />

Neben den sie selbst betreffenden Fragen wurden sie auch<br />

540


Bernhard Geier<br />

immer wieder nach meinem Verhalten befragt. Daraus konnte<br />

ich entnehmen, dass auch gegen mich ermittelt wird. 1993<br />

habe ich unter dem Aktenzeichen 27/3 Js 156/3 erstmals<br />

schriftlich von dieser Tatsache Kenntnis erhalten.<br />

Da mir die Vorladungen als Zeuge in Verfahren gegen andere<br />

Genossen zuviel wurden und ich von meinem Zeugnisverweigerungsrecht<br />

Gebrauch machen wollte, habe ich mir<br />

einen Rechtsanwalt gesucht. Der wurde am 13. September<br />

1994 von der 31. Kammer des Landgerichts Berlin als mein<br />

Pflichtverteidiger bestätigt.<br />

Damals lief das Verfahren noch gemeinsam gegen mich und<br />

meine Stellvertreter.<br />

Am 06. März 1995 erhielt ich die Mitteilung, dass mein Verfahren<br />

abgetrennt wird. Da ich keine weiteren Vernehmungen<br />

durch die Staatsanwaltschaft auf mich nehmen wollte, habe<br />

ich eine Stellungnahme abgegeben. Mein Lebenslauf und eine<br />

Schilderung meiner Dienstzeit waren Bestandteile dieser<br />

Einlassung. Damit war die Sache für mich erst einmal erledigt.<br />

Meine Anklageschrift ging mir dann am 20. September 1995<br />

zu. Nach einer erneuten Periode längeren Schweigens bekam<br />

ich den Beschluss über die Zulassung der Hauptverhandlung<br />

vor der 31. Strafkammer des Berliner Landgerichts. Dazu<br />

gehörten ein Haftbefehl sowie die Auflagen, dass ich mich<br />

wöchentlich bei der Polizei zu melden und meinen Personalausweis<br />

und den Reisepass abzugeben habe. Am 09. April<br />

1997 wurde nach einem Vorstoß meines Verteidigers diese<br />

wöchentliche Meldepflicht in eine monatliche umgewandelt.<br />

Am 06. April 1998 erfolgte wieder die Zusammenlegung des<br />

Prozesses gegen mich und gegen meine Stellvertreter. Zuständig<br />

war jetzt aber die 29. Große Strafkammer. Nun drehte<br />

sich das Termin-Karussell.<br />

Am 22. Mai 1998 wurde der Verhandlungsbeginn auf den 03.<br />

August angesetzt. Bereits am 10. Juli1998 erfolgte eine Termin-<br />

541


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

verlegung auf den 07. Oktober, den Staatsfeiertag der DDR.<br />

Am 11. September 1998 erhielt ich davon Kenntnis, dass die<br />

Hauptverhandlung auf das nächste Jahr vertagt wird.<br />

Am 13. Januar 1999 kam dann die Ladung zum Prozessbeginn<br />

am 01. März, dem Jahrestag der Nationalen Volksarmee. Wie<br />

bei dieser Verschleppungspolitik wohl nicht anders zu erwarten,<br />

erhielt ich am 27. Januar 1999 schließlich einen neuen<br />

Prozesstermin am 16. April des Jahres. Schon zwei Tage später,<br />

also am 29. Januar 1999 wurde dieser Termin auf den 26.<br />

April verschoben. Zwischendurch wurde mir am 08. Februar<br />

1999 mitgeteilt, dass meine Meldepflicht bei der Polizei eingestellt<br />

wird, da ich, wie sie schrieben… „nicht flüchtig<br />

geworden bin, mich immer pünktlich und verantwortungsbewusst<br />

gemeldet habe.“<br />

Als am 26. April 1999 dann die Hauptverhandlung gegen<br />

mich und meine Stellvertreter beginnen sollte, war ich es, der<br />

diesmal den Termin nicht wahrnehmen konnte, da am 21.<br />

April 1999 meine erste Blasenkrebs-Operation stattfand.<br />

Mein Verfahren wurde erneut abgetrennt.<br />

Nachdem das Urteil gegen meine Stellvertreter gesprochen<br />

war und ich mich auf dem Weg der ersten Genesung befand,<br />

wurde mir schriftlich die Frage gestellt, wann ich bereit sei, an<br />

der Hauptverhandlung teilzunehmen. Ich war bereit.<br />

Am 05. August 1999 erhielt ich die Ladung zur Hauptverhandlung<br />

am 16. August 1999 vor der 29. Großen Strafkammer<br />

des Landgerichts Berlin.<br />

Der Prozessverlauf vollzog sich grundsätzlich nach dem<br />

Muster der ähnlich gelagerten Prozesse gegen Angehörige<br />

der Grenztruppen der DDR. Mein Verteidiger, Rechtsanwalt<br />

Schippert aus Berlin-Charlottenburg, formulierte das in seinem<br />

Plädoyer etwa so:<br />

„Ich hatte bereits die Möglichkeit, mehrere ehe-<br />

542


Bernhard Geier<br />

malige DDR-Bürger aufgrund ähnlicher Anklagen zu<br />

verteidigen und habe — wie auch im Fall von<br />

Bernhard Geier — die Überzeugung gewonnen, dass<br />

meine Mandanten sich nicht schuldig gemacht<br />

haben. Ich darf diesen Standpunkt hier vielleicht<br />

nicht vertreten, weil das Bundesverfassungsgericht<br />

und der Bundesgerichtshof eine andere<br />

Meinung vertreten, aber sage dennoch: diese<br />

Prozesse richten sich gegen die Menschenrechte.<br />

Hier geht es nicht um die objektive Aufklärung<br />

von Zwischenfällen an der Grenze. Hier geht es<br />

um Abrechnung, um Delegitimierung der DDR durch<br />

die BRD-Justiz.<br />

Dieser Prozess ist politisch und militärisch<br />

nicht richtig. Mein Mandant hat die ihm erteilten<br />

und die von ihm selbst erteilten Befehle<br />

nicht als Umsetzung eines Willens zum Töten verstanden,<br />

sondern verfolgte das Ziel, das Schießen<br />

an der Grenze überflüssig zu machen und damit<br />

möglichst zu vermeiden.“<br />

Dem habe ich — vor allem an die Richter gerichtet — in meinem<br />

Schlusswort hinzugefügt:<br />

„...Mir ist klar, dass Sie trotz Ihrer<br />

Unabhängigkeit und nur Ihrem Wissen verpflichtet,<br />

den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts<br />

mit allen rückwirkenden Veränderungen der<br />

Gesetzeslage zu den Tatzeiten folgen müssen.<br />

Das ist für mich nicht verständlich und eine<br />

Missachtung des Artikels 7 der Konvention der<br />

Menschenrechte, wonach bestimmt wird, 1. Niemand<br />

kann wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt<br />

werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach<br />

inländischem oder internationalem Recht nicht<br />

strafbar war.<br />

543


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

2. Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die<br />

Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die<br />

Straftat begangen wurde.<br />

Wenn, um zu verurteilen, eine neue Gesetzeslage<br />

geschaffen werden muss (Aufhebung des Rückwirkungsverbotes,<br />

Artikel 103 Abs. 2 GG Bundesrepublik),<br />

dann kann ich nur hoffen, dass<br />

niemand, der in gleicher oder ähnlicher Weise<br />

Aufgaben seines Staates gewissenhaft erfüllte,<br />

durch nachträgliche Gesetzesänderung zum Täter<br />

erklärt wird.<br />

...An dieser Stelle möchte ich noch einmal<br />

unmissverständlich mein persönliches Mitgefühl<br />

gegenüber den Hinterbliebenen der Opfer an der<br />

Grenze zum Ausdruck bringen. Sie waren Opfer<br />

eines über Jahrzehnte geführten Kalten Krieges.<br />

Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um<br />

Grenzverletzer oder Grenzsoldaten handelte, die<br />

ihr Leben unter den komplizierten Bedingungen<br />

dieser Grenze verloren...“<br />

Am 27. August 1999 wurde das Urteil gegen mich als<br />

Kommandeur des Grenzkommandos Mitte in der Zeit von<br />

1971 bis 1979 wegen vier Grenzzwischenfällen mit tödlichem<br />

Ausgang zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und<br />

sechs Monaten verkündet.<br />

Im November 1999 erhielt ich eine Anfrage der Justizverwaltung,<br />

ob ich bereit bin, die Haft am 12. Dezember 1999<br />

anzutreten?<br />

Ich antwortete, dass ich bereit bin.<br />

Mir wurde oft die Frage gestellt, warum ich damals aufgrund<br />

der Schwere meiner Krankheit nicht davon Gebrauch<br />

544


Bernhard Geier<br />

gemacht habe, Haftverschonung zu beantragen. Ich ging<br />

davon aus, dass es eine Verletzung meiner Ehre gewesen<br />

wäre, wenn meine Soldaten und meine Stellvertreter die<br />

ihnen auferlegten Strafen verbüßen, ich mich aber von dieser<br />

Strafverfolgung, die ich nie als rechtens anerkannt habe und<br />

anerkennen werde, „davonschleiche“. Das ist nicht meine Art.<br />

So bin ich also am 10. Dezember 1999 in die Justizvollzugsanstalt<br />

Hakenfelde eingezogen.<br />

Wie wohl in dieser Haftanstalt üblich, wurde ich am 14.<br />

Dezember 1999 zum Leiter der Einrichtung bestellt. Er<br />

eröffnete mir, über den Grund meiner Strafe und über die<br />

mir vorgeworfenen Delikte nicht sprechen zu wollen. Ihm<br />

gehe es vielmehr um meine Erkrankung. Er sah wohl, dass<br />

mein Gesundheitszustand nicht der Beste war und betonte:<br />

„Sie gehören nicht hier her. Sie gehören nach<br />

Hause zu ihrer Familie und zu ihren Ärzten“ Er riet<br />

mir, unverzüglich ein Gnadengesuch auf Haftverschonung zu<br />

stellen, das er sofort befürworten wolle.<br />

Meine kurze und klare Antwort lautete: „ Wenn die<br />

Justiz, die hinreichend über meinen Krankheitsverlauf<br />

informiert war, dennoch die Stirn<br />

hatte, mich zu verurteilen und einzusperren, dann<br />

könnte sie – so sie wollte – den Vollzug aus<br />

humanitären Gründen aussetzen.<br />

Ich will keine Gnade, sondern die Wiederherstellung<br />

meiner Ehre.“<br />

Damit war die Audienz beendet und ich wanderte in meine<br />

Zelle. Meine Ärzte aufzusuchen, wurde mir während meiner<br />

Haftzeit aber nicht erlaubt. Die medizinische Betreuung sollte<br />

sich zum Problem entwickeln. Sie oblag jetzt dem Bund,<br />

also der Justiz-Medizin. Fachspezialisten für Urologie gab es<br />

da nicht, das Geld war eng bemessen. Alle vierzehn Tage kam<br />

ein Urologe, aber ohne Gerät.<br />

545


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

Aufgrund der Haftbedingungen konnte meine im April 1999<br />

vom Krankenhaus Friedrichshain vorgesehene fachgerechte<br />

medizinische Nachbehandlung nicht in erforderlicher<br />

Qualität weitergeführt werden.<br />

Das Recht auf freie Arztwahl bestand nur für „Freigänger“,<br />

die eine bezahlte Arbeit nachweisen konnten, um die<br />

Haftkosten für die Unterkunft zu zahlen. Da es vor mir aber<br />

bereits inhaftierte Rentner gab, die eine unbezahlte, ehrenamtliche<br />

Tätigkeit bewilligt bekamen, versuchte auch ich, diesen<br />

Weg zu gehen. Mit 73 Jahren konnte ich keine bezahlte<br />

Arbeitsstelle erhalten. Deshalb hatte ich die Absicht, bei<br />

ISOR, deren gewähltes Vorstandsmitglied ich bin, ehrenamtlich<br />

zu arbeiten. Ich hoffte, dafür „Freigang“ zu erhalten und<br />

diesen auch nutzen zu können, um die mich bis dahin behandelnden<br />

Ärzte aufzusuchen.<br />

Daraus wurde aber nichts. Das wurde damit begründet, dass<br />

für mich unbezahlte Arbeit nicht gestattet sei, da dann von<br />

mir auch die Unterbringungskosten in der Haftanstalt nicht<br />

entrichtet werden könnten. Beamte entscheiden anscheinend<br />

nach Wetterlage, da sie ja nur „ihrem Gewissen verpflichtet“<br />

sind.<br />

Mein Gesundheitszustand verschlechterte sich rapide, mein<br />

Körper begann zu rebellieren.<br />

Aber die Ärzte der Haftanstalten fanden nicht die Ursachen.<br />

Selbst bei einem Zwangsaufenthalt im Haftkrankenhaus<br />

Moabit, wo ich Anfang 2000 nach einem Ohnmachtsanfall<br />

von der Notaufnahme des Krankenhauses Spandau eingewiesen<br />

werden musste, konnte weder eine Ursache für den<br />

körperlichen Verfall diagnostiziert werden, noch wurden<br />

Maßnahmen eingeleitet, die eine doch naheliegende urologische<br />

Behandlung ermöglichten.<br />

Am 27. Februar 2000 wurde ich wieder nach Hakenfelde<br />

gebracht. Drei Tage zuvor wandte ich mich mit einem<br />

546


Bernhard Geier<br />

Schreiben an den Regierenden Bürgermeister und Senator<br />

für Justiz, Diepgen. Ich schilderte ihm meine Lage bezüglich<br />

des „Freiganges“, um ärztlich qualifiziert behandelt zu werden.<br />

Bis zum heutigen Tage habe ich weder eine Eingangsbestätigung<br />

noch eine andere Antwort erhalten.<br />

Die Zeitabstände zwischen schmerzhaften Anfällen wurden<br />

kürzer. Bereits am 08. März verhinderte ein weiterer<br />

Ohnmachtsanfall in der Zelle eine Vorstellung beim Arzt. Da<br />

der Krankentransport vergeblich auf mich wartete, wurde ich<br />

gesucht und auf meinem Bett vorgefunden. An Versuchen,<br />

bei Ärzten vorgestellt zu werden, mangelte es nicht. Die uns<br />

betreuenden Schwestern kümmerten sich rührend, unternahmen<br />

viel, um zu helfen. Aber die Ärzte konnten mit meinem<br />

Krankheitsbild nichts anfangen. Von selbst unternahmen sie<br />

auch nichts, um Klarheit zu erlangen.<br />

Auch mein Schreiben vom 12. März 2000 an die Senatsverwaltung<br />

für Justiz mit dem Antrag auf Haftverschonung<br />

aufgrund der Verschlechterung meines Gesundheitszustandes<br />

blieb ohne Antwort.<br />

In dieser kritischen Phase schalteten sich Prof. Dr. Siegfried<br />

Mechler und Rechtsanwalt Hans Bauer vom Vorstand der<br />

GRH in einem Schreiben an den Chefarzt des Krankenhauses<br />

der Berliner Haftanstalten, Prof. Dr. Rex, mit der<br />

energischen Bitte um Prüfung meiner Angelegenheit ein. Im<br />

Laufe der nächsten vierzehn Tage bekam ich einen<br />

Untersuchungstermin, an dem — erstmalig während meiner<br />

Haftzeit – begonnen wurde, meinen Schmerzen ernsthaft auf<br />

den Grund zu gehen. Schon eine CT-Untersuchung brachte<br />

zutage, dass meine bösartige Erkrankung noch nicht besiegt<br />

war. Die ersten zwei dort angeordneten Behandlungen konnte<br />

ich wahrnehmen, dann gab es einen erneuten gesundheitlichen<br />

Einbruch.<br />

547


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

Am 08. April 2000 — ich hatte Hafturlaub bekommen —<br />

feierte unsere Familie den Geburtstag meiner Frau. Am Tag<br />

danach traten bei mir kolikartige Schmerzen auf, die sich<br />

weiter verschärften. Mein Sohn brachte mich nach Hakenfelde<br />

in meine zeitweilig zugeordnete Behausung. Dort brach<br />

ich erneut zusammen, diesmal mit unmenschlichen Schmerzen.<br />

Kurdische Mithäftlinge alarmierten die Wache. Die<br />

leitete die Einlieferung in das Unfallkrankenhaus Spandau<br />

ein. Von dort wurde ich, da entsprechend meines Krankenbildes<br />

die Adresse des Krankenhauses am Friedrichshain<br />

oben auf meinen Papieren der medizinischen Notversorgung<br />

lag, dorthin verlegt.<br />

Hier war ich wieder Patient von Ärzten meines Vertrauens,<br />

die ich kenne und die ich schätze.<br />

In der Aufnahmeanzeige des Krankenhauses am Friedrichshain<br />

heißt es: „Bösartige Neubildung der nicht näher<br />

bezeichneten Zyste.“ Das stand nach zehn Minuten fest.<br />

Darauf kamen Ärzte der Justiz in vier Monaten in mehrfachen<br />

Untersuchungen nicht.<br />

Mir wäre mit Sicherheit bei frühzeitiger qualifizierter<br />

Betreuung viel erspart geblieben.<br />

Die stark anwachsende Zyste drückte nämlich den Darm ab<br />

und verursachte große Schmerzen. Zuletzt war es wie bei<br />

einem Darmverschluss und höchste Zeit.<br />

Zwei Tage nach Aufnahme im Krankenhaus am Friedrichshain,<br />

am 12. April 2000 also, kam von der JVA Hakenfelde die<br />

Mitteilung, dass ich vorübergehend aus der Haft in meine<br />

Heimatadresse, entlassen werde.<br />

Der offizielle Text der Staatsanwaltschaft beim Landgericht<br />

Berlin an den<br />

„Sehr geehrten Herrn Bernhard Geier, zur Zeit<br />

Krankenhaus Friedrichshain, lautet:<br />

„...In Ihrer Strafsache wird Ihnen mitgeteilt,<br />

dass die Vollstreckung der Strafe seit dem<br />

548


Bernhard Geier<br />

13.04.2000, 13.00 Uhr, wegen Vollzugsunfähigkeit<br />

gemäß §54 Abs. 4 Nr. 2/3 St unterbrochen ist. Sie<br />

werden darauf hingewiesen, dass während der<br />

Strafunterbrechung die Justizverwaltung nicht<br />

mehr für die Heil- und Pflegekosten aufkommt. Die<br />

Reststrafe ist im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt<br />

zu verbüßen...“<br />

Mit anderen Worten — nicht humanitäre, sondern finanzielle<br />

Gründe!<br />

Die Behandlung meiner Krankheit führte zu einer langfristigen<br />

Chemotherapie.<br />

Am 08. September 2000 musste sie abgebrochen werden, weil<br />

meine Blutwerte eine Weiterführung nicht mehr gestatteten.<br />

Am gleichen Tage erfuhr ich von einem Bekannten aus unserem<br />

Wohnhaus, dass über die Medien die Begnadigung von<br />

Schabowski und Kleiber und auch meine Haftentlassung mitgeteilt<br />

worden sei. Im Laufe des Tages riefen dann viele<br />

Bekannte bei mir an. Das Telefon stand nicht mehr still, die<br />

Solidarität war groß.<br />

Einige Zeit später hielt ich den Entlassungsschein, ausgestellt<br />

in der JVA Hakenfelde, in der Hand. Darin heißt es u.a.<br />

• „Bernhard Geier, geb. 05.12.1926, …Haftdauer vom 10.12.<br />

1999 bis 13. 04. 2000,<br />

• Entlassungsgrund: Unbefristete Strafunterbrechung ohne<br />

Anrechnung…<br />

• Entlassen nach Berlin, …“<br />

Die verbleibende Haftstrafe wurde auf drei Jahre „Bewährung“<br />

ausgesetzt.<br />

Abschließend ist es mir ein Bedürfnis, für die mir erwiesene<br />

Solidarität von ganzem Herzen zu danken.<br />

In der Haftzeit, die ja nur knapp vier Monate andauerte, hatte<br />

549


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

ich eine Menge von Solidaritätsbekundungen aus dem ganzen<br />

Gebiet der „neuen Länder“ und auch von linken Organisationen<br />

aus den „alten Bundesländern“ der BRD erhalten.<br />

Es ist kaum auszudrücken, wie sehr man sich über eine solche<br />

Anteilnahme freut, ohne dass man einen Großteil dieser<br />

Menschen je im Leben gesehen hat, die nur aus Medienberichten<br />

oder vom Erzählen her von deinem Zustand erfahren<br />

haben. Die gleiche Solidarität habe ich während meiner<br />

Prozesstage erlebt. Der Gerichtssaal fasste nur etwa 25<br />

Zuhörer. Es mussten Menschen abgewiesen werden, da niemand<br />

mehr in den Saal passte. Auch dort waren Frauen und<br />

Männer, die ich noch nie gesehen hatte. Selbst in der Zeit<br />

meines Krankenhausaufenthaltes, der ja den meisten nicht<br />

bekannt war, kam noch Post in der Haftanstalt an, die an die<br />

Absender zurückgeschickt wurde.<br />

Es war eine wirkliche Welle der Solidarität. Allein in den<br />

ersten vier Wochen meiner Haft erhielt ich Post von 135<br />

Bürgern. Das alles richtet dich auf, du wirst wieder ins Leben<br />

gerufen, du musst dich denen, die an dich denken, mitteilen.<br />

Da sind Fragen, die du beantworten musst, die kommen nicht<br />

nur aus diesem Land, sondern z.B. auch aus Griechenland<br />

oder Luxemburg. Ich habe nicht einen einzigen hässlichen<br />

Brief bekommen.<br />

Ich war sehr überrascht, als ich erfuhr, dass Gnadengesuche für<br />

mich bei den zuständigen Organen eingegangen waren. Die<br />

Justiz war damals zurückhaltend, mir das mitzuteilen. Aber<br />

kurz vor meiner Einweisung ins Krankenhaus erhielt ich davon<br />

Kenntnis, dass acht solcher Gesuche für mich vorliegen, von<br />

deren Antragstellern mir nur zwei persönlich bekannt waren.<br />

Das ist eine Sache, die hilft zwar im Moment nichts, die<br />

verkürzt auch nicht die Haft, aber du weißt, dass du nicht<br />

alleine bist.<br />

550


Bernhard Geier<br />

Bei meinem Haftantritt befanden sich bereits drei ehemalige<br />

Generale zur Verbüßung der ihnen mit dem gleichen<br />

Anklagevorwurf auferlegten Haftstrafen in der JVA Hakenfelde.<br />

Sie hatten gewissermaßen das „Klima“ für uns als<br />

„politische Straftäter“ bereitet und konnten mir manche Verhaltensmaßregel<br />

vermitteln. Davon konnte ich profitieren.<br />

In den folgenden Wochen vergrößerte sich unsere kleine<br />

„Kolonie“ um weitere drei -zwei Oberste der Grenztruppen<br />

und Egon Krenz. Wir unterstützten uns gegenseitig.<br />

Dem Umstand meiner Krankheit geschuldet — war oftmals<br />

Treff in meiner Zelle.<br />

Das tat gut und machte Mut!<br />

551


Erich Gaida<br />

Am 23. Juni 1928 wurde ich in Hennersdorf, einem Ort bei<br />

Hohenelbe (Vrchlabi) im Böhmischen Riesengebirge (ČSR)<br />

geboren. Die Kinderjahre verlebte ich in der Gebirgsgemeinde<br />

Pommersdorf. Der Vater war Lagerhalter und<br />

Verkaufsstellenleiter einer örtlichen Filiale des Arbeitervereins-Konsums.<br />

Meine Mutter versah den Haushalt und<br />

half im Laden. Wir lebten bescheiden, besonders aber in der<br />

Zeit des aufkommenden Faschismus der Henlein-Bewegung,<br />

bedingt durch den Boykott der Verkaufseinrichtung, in großer<br />

Armut.<br />

Ich wuchs in einer politisch engagierten Familie auf. Der<br />

Großvater gehörte zu den Gründern der Kommunistischen<br />

Partei in Nordost-Böhmen und war Herausgeber einer<br />

Zeitung der KPČ. Mein Vater war ebenfalls KPČ-Mitglied.<br />

Bedingt durch die politische Entwicklung in Deutschland und<br />

durch die territoriale Lage unseres Dorfes nahe der tschechisch-deutschen<br />

Grenze war der Vater schnell in die illegale<br />

Grenzarbeit der Partei einbezogen. Gemeinsam mit anderen<br />

zuverlässigen Menschen unseres Ortes führte er Grenzschleusungen<br />

durch, beschaffte Quartiere und vermittelte<br />

Möglichkeiten für Treffen der deutschen Genossen. Seine<br />

besondere Unterstützung galt den Emigranten aus Deutschland,<br />

vor allem aus Berlin. In unserer Wohnung gingen viele<br />

namhafte Führer der KPD ein und aus. Ich erinnere mich<br />

dabei an Alfred Neumann, Bernhard und Wilhelm Koenen,<br />

Paul Hirsch und Walter Ulbricht.<br />

Natürlich blieben der im Sudetenland entstehenden faschistischen<br />

Henlein-Partei derartige politische Aktivitäten meines<br />

Vaters nicht verborgen, zumal er sich auch als gewählter<br />

553


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

Abgeordneter der Bezirkshauptmannschaft des Gebietes<br />

Hohenelbe und vor allem in der Sozialkommission voller<br />

Leidenschaft für unsere Idee einsetzte.<br />

Ständig mahnte er, den Kampf gegen den Faschismus und die<br />

wachsende Kriegsgefahr in Deutschland zu führen. In der<br />

Zeit bis 1938 und danach erlebte ich am eigenen Leibe die<br />

Entwicklung des Henlein-Faschismus in unserem Ort und die<br />

damit verbundene Verfolgung unserer Familie. Schon als<br />

Kind wurde ich wegen unserer politischen Haltung schikaniert<br />

und diffamiert.<br />

Bei der Besetzung des Sudetengebietes im Oktober 1938 wurde<br />

mein Vater durch die Gestapo in „Schutzhaft“ genommen.<br />

Er verbrachte die Jahre bis zu seinem gewaltsamen Tod 1944<br />

im Konzentrationslager Buchenwald. All das hatte meine<br />

politische Entwicklung bestimmend beeinflusst. Ich lernte<br />

schon sehr früh begreifen, wohin ich gehörte, und dass ich das<br />

Werk meines Vaters fortführen würde. Mein politischer<br />

Lebensweg war vorgezeichnet. Aber ich konnte leider nicht<br />

verhindern, dass ich im Alter von 16 Jahren zum faschistischen<br />

RAD und danach zur Hitlerwehrmacht eingezogen<br />

wurde. Im Mai 1945 geriet ich in sowjetische Kriegsgefangenschaft,<br />

aus welcher ich Ende 1948 nach Deutschland<br />

entlassen wurde.<br />

Ich hatte also vier Jahre meines Lebens verloren. Nicht nur<br />

das. In der Zwischenzeit war ich heimatlos geworden. Als<br />

Deutsche hatten meine Mutter und alle Familienangehörigen<br />

im ethnischen und nationalistischen Geschehen des Jahres<br />

1945 das Riesengebirge verlassen müssen. In Thüringen fand<br />

ich sie wieder.<br />

Meinen Interessen und Neigungen folgend nahm ich im<br />

Funkwerk Erfurt eine Tätigkeit auf. Meine damalige Absicht,<br />

554


Erich Gaida<br />

in Ilmenau ein Elektronik-Studium aufzunehmen, stellte ich<br />

1950 zurück. Dieses wurde mir erst 16 Jahre später ermöglicht.<br />

1950 wurde ich Angehöriger der Bewaffneten Organe der<br />

DDR. Eine Versetzung nach Berlin führte mich in die Reihen<br />

der Aufklärung (HVA) des MfS. Entgegen allen ursprünglichen<br />

Vorstellungen wurde diese Arbeit im Nachrichtendienst<br />

der DDR zu meiner Lebensaufgabe.<br />

Ich war hier auf dem Gebiet der Elektrotechnik tätig. Zu den<br />

nachrichtendienstlichen Aufgaben der Informationsgewinnung<br />

in Form von Mustern und immateriellen Werten kam im<br />

Laufe der Zeit die Überwindung der Embargopolitik der<br />

NATO-Staaten zur Behinderung der Volkswirtschaft und der<br />

Entwicklung von Wissenschaft und Technik in unserem<br />

Lande. Alle diese Aufgaben waren nicht realisierbar ohne<br />

den Umgang mit finanziellen Mitteln, ohne deren bedachten<br />

Einsatz. Diese Problematik sollte mich weit über den aktiven<br />

Dienst in der Aufklärung hinaus verfolgen.<br />

Die Verfolgung wegen meiner Tätigkeit in den Aufklärungsorganen<br />

der DDR.<br />

1992/93 merkte ich in meinem Umfeld, dass an mir ein<br />

spezielles Interesse bestand, dass Ermittlungen geführt wurden.<br />

Ich war in das Gesichtsfeld des BND und der Justiz der<br />

BRD geraten. Es gab verschiedene Vernehmungen zu diesem<br />

und jenem Vorgang. Von Anfang an habe ich erklärt: „Ich<br />

war im Nachrichtendienst der DDR tätig. Dazu<br />

mache ich keine Aussagen, nicht nur deshalb, weil<br />

ich mich selbst belasten könnte, sondern weil ich<br />

auch nicht gewillt bin, über unsere Verbindungen<br />

auszusagen“. Auch in dem späteren gegen mich geführten<br />

Verfahren habe ich keine Personen genannt, eine Aussage zu<br />

Anderen strikt verweigert. Das entsprach nicht nur dem von<br />

mir geleisteten Eid. Das war Ehrensache, schon meinen<br />

Eltern gegenüber fühlte ich mich verpflichtet, aufrecht zu<br />

555


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

handeln. Das BKA und die betreffenden Landeskriminalämter<br />

mussten zwangsläufig meine Haltung tolerieren.<br />

Im Februar 1996 machte ich die Bekanntschaft mit der<br />

ZERV und der Sonderstaatsanwaltschaft II.Wiederum bezog<br />

ich meine schon beschriebene grundsätzliche Position als<br />

ehemaliger Mitarbeiter des DDR-Nachrichtendienstes. Am<br />

Ende dieser Debatte verlor der den Vorgang führende<br />

Kriminalhauptkommissar die Beherrschung und erging sich<br />

in dem Fluch: „Hätte sich bei Ihnen jemand derartig<br />

aufgeführt, wie Sie es hier tun, sie hätten ihn<br />

längst eingesperrt und ihm die Matratze unter dem<br />

Arsch weggezogen.“ Das war ziemlich eindeutig, ich wusste<br />

also, wie es weitergehen könnte. Zunächst einmal wurden<br />

etliche meiner Mitarbeiter zur Vernehmung bei der gleichen<br />

Dienststelle geladen und es erfolgten Hausbesuche. Die Verhörten<br />

wurden regelmäßig streng zum Schweigen ermahnt.<br />

Im November 1996 begab ich mich mit meiner Familie in den<br />

Urlaub nach Tunesien. Bereits wenige Tage nach unserer<br />

Ankunft dort wurde mir bekannt, dass eine fünfköpfige<br />

Kripo-Truppe gewaltsam in unsere Wohnung in Berlin eingedrungen<br />

war und öffentliches Aufsehen erregende Durchsuchungshandlungen<br />

durchführte. Größere Mengen Kartons<br />

wurden aus der Wohnung geschafft. Sofort nahm ich telefonischen<br />

Kontakt zu meinem Anwalt auf. Der begab sich sofort<br />

zu unserer Wohnung, der leitende Staatsanwalt lehnte jedoch<br />

seine Anwesenheit ab. Zeugen wurden zur Durchsuchung<br />

nicht zugelassen.<br />

Mir war sofort klar, dass diese aufwendige und aufsehenerregende<br />

Polizeiaktion meine Verhaftung bei der Wiedereinreise<br />

nach sich ziehen würde. Trotzdem trat ich mit meiner Familie<br />

am 28. November 1996 planmäßig den Rückflug nach Berlin<br />

556


Erich Gaida<br />

an. Ich verließ also ganz bewusst den für mich sicheren<br />

Aufenthaltsort Tunesien.<br />

Festnahme und Haftbefehl<br />

Wie vorausgesehen, so geschah es auch. Am Flughafen<br />

Berlin-Schönefeld wurde ich von Polizeibeamten erwartet.<br />

Ich wurde von meiner Familie getrennt, gründlich visitiert<br />

und zum Polizeipräsidium Tempelhof verfrachtet. Die<br />

Vorführung beim Haftrichter erfolgte am 29. November. Als<br />

Haftgrund wurde mir eröffnet: „Untreue gegenüber dem<br />

sozialistischen Eigentum der DDR“. Es fiel mir schwer,<br />

diese unsinnige Anschuldigung der bundesdeutschen Justiz<br />

sofort zu begreifen. Erst die folgende Debatte mit dem<br />

Haftrichter ließ erkennen, dass es hier nicht nur um meine<br />

Diskriminierung als ehemaliger Offizier der HVA des MfS,<br />

sondern zugleich um einen Versuch ging, auf dem<br />

Gerichtswege Gelder für die BRD zu erlangen, die weder der<br />

DDR noch mir persönlich jemals gehört haben. Vor dem<br />

Haftrichter habe ich die grundsätzliche Erklärung abgegeben,<br />

dass ich die gegen mich erhobenen Vorwürfe zurückweise<br />

und keine Untreuehandlungen am sozialistischen<br />

Eigentum der DDR begangen habe.<br />

Alle meine Aktivitäten erfolgten als Mitarbeiter des<br />

Nachrichtendienstes der DDR, auch unter Wahrung konspirativer<br />

Notwendigkeiten im Interesse der Sicherung der operativen<br />

Zielstellungen. Über diese Problematik verweigerte<br />

ich zum Zeitpunkt der Vernehmung durch den Haftrichter<br />

jede Aussage, da ich — wie ich ihm sagte — nicht abschätzen<br />

konnte, wie weit eine solche Aussage gegen mich verwandt<br />

werden würde, zumal weitere Ermittlungsverfahren des BKA<br />

noch offen standen.<br />

Diese Position habe ich bis zum Beginn der Hauptverhandlung<br />

nicht aufgegeben. Das Wissen um die Tatsache, dass<br />

557


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

es meinerseits keine subjektiven und objektiven Handlungen<br />

gab, die eine derartige Verfolgung rechtfertigen, wie sie mir<br />

angetan wurde, bestärkte mich in meiner Haltung.<br />

Hinzufügen möchte ich allerdings, dass auch alle strafprozessualen<br />

Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls<br />

nicht gegeben waren.<br />

Fluchtgefahr?…<br />

Ich kam ja gerade freiwillig aus einem für mich sicheren<br />

Land!<br />

Verdunkelungsgefahr?…<br />

Sämtliche Materialien befanden sich doch in den Händen der<br />

Kriminalpolizei bzw. der Bank!<br />

Wiederholungsgefahr?…<br />

Gegenstandslos!<br />

Die vorgebrachten Anschuldigungen enthielten keinerlei<br />

Beweise und stützten sich ausschließlich auf die Aneinanderreihung<br />

von Verdächtigungen und Vermutungen.<br />

Die lange Zeit der Untersuchungshaft<br />

Es war nicht möglich, den erlassenen Haftbefehl zu verhindern<br />

oder aufzuheben. Es begann also meine Zeit als<br />

Untersuchungshäftling in der Justizvollzugsanstalt Berlin-<br />

Moabit.<br />

Zunächst steckte man mich in eine katastrophale Zelle im<br />

Parterre des Blockes B mit einer betonierten Toilette und<br />

einer Schlafstelle auf Betonsockel. Den baldigen Besuch des<br />

für mich zuständigen Sozialarbeiters nahm ich zum Anlass,<br />

mich über diese „feudale“ Unterbringung zu beschweren und<br />

auf die Notwendigkeit einer Zelle mit Stromanschluss —<br />

allein schon des Betriebes eines Elektrorasierers meiner<br />

Hautkrankheit wegen — zu verweisen. Er versprach, die<br />

Situation für mich abzuklären.<br />

558


Erich Gaida<br />

Am nächsten Tag brachte er mich persönlich in eine eindeutig<br />

bessere Behausung im Block A 4. Dort stellte ich gleich<br />

fest, dass es sich dabei um eine sogenannte Doppelzelle handelte.<br />

Sie war durch einen offenen Durchgang mit einer<br />

Nachbarzelle, in der bereits ein Häftling einsaß, verbunden.<br />

Schon bald bemerkte ich, dass ich diesem Zellengenossen<br />

gegenüber recht vorsichtig sein musste. Er war sehr neugierig,<br />

wollte alles wissen. Bereits am ersten Tag stellte ich fest, dass<br />

er Kenntnisse über mich und meine Verhältnisse besaß,<br />

obwohl wir noch gar nicht darüber gesprochen hatten.<br />

Tags darauf nahm ich zum ersten Mal am Hofgang der 50<br />

Häftlinge der Abteilung teil.<br />

In diesem Kreis brauchte ich mich nicht vorzustellen, das war<br />

bereits ausführlich durch die Presse geschehen. Für die<br />

Häftlinge war ich somit schon der „bekannte Oberst“.<br />

Einer der Gefangenen nahm mich beiseite und ließ mich wissen,<br />

dass ich einen Zellenbewohner hätte, den man für eine<br />

„Lampe“ halte. Er warnte mich vor ihm.<br />

Als dann die Weihnachts- und Neujahrsfeiertage näher<br />

kamen, wollte mich dieser Zelleninsasse überreden, Geld zu<br />

beschaffen, um für das Fest gerüstet zu sein.<br />

Eine Flasche Schnaps und eine Flasche Wein würde er besorgen.<br />

Ich sollte das Geld, hundert Mark, beibringen, mein<br />

Anwalt könne doch „einen Blauen rüberwachsen lassen“.<br />

Mir war klar, es handelte sich um eine ganz gezielte Provokation,<br />

um mir und meinem Anwalt größte Schwierigkeiten<br />

zu bereiten. Ich wies sein Ansinnen zurück. Schließlich sprach<br />

ich mit ihm ganz offen darüber, dass und warum er mich aushorchen<br />

will. Er stritt das gar nicht ab und meinte, er könne<br />

über mich nur berichten, dass ich ein anständiger Kerl, aber<br />

ein „eingefleischter Kommunist“ sei. Es wäre besser, wenn<br />

ich mir eine andere Zelle suche. Er bestand darauf, dass nicht<br />

ich dazu die Initiative ergreife, sondern er würde das Problem<br />

559


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

regeln. Bereits am nächsten Tag konnte ich den Wechsel in<br />

eine Einzelzelle der gleichen Abteilung vornehmen.<br />

Für mich gingen die Tage dahin. Eine sogenannte Haftprüfung<br />

im Dezember 1996 blieb ohne Ergebnis.<br />

Es kam die Zeit der zweiten Haftprüfung am 10. April 1997.<br />

Diese Prüfung erfolgte im Gerichtsgebäude. Teilnehmer<br />

waren der mir bereits bekannte Haftrichter, die Frau Staatsanwältin,<br />

mein Anwalt und ich. Über eine dreiviertel Stunde<br />

gab es eine Debatte mit der Staatsanwältin über rechtliche<br />

Fragen, das Verständnis für die Volkswirtschaft der DDR und<br />

Bankgepflogenheiten betreffend. Der Richter mischte sich<br />

nicht ein. Erst gegen Ende des Haftprüfungstermins sagte er<br />

zu mir: „Herr Gaida, hören Sie mal zu. Sie wissen<br />

doch, was ein Tornado ist. Der Tornado kreist um<br />

Sie. Nur oben über Ihnen ist noch blauer Himmel.<br />

Sie können sehen, wie der Tornado immer näher,<br />

immer näher kommt – alles geht kaputt. Oben<br />

bleibt nur noch ein kleines Stückchen blauer<br />

Himmel. Das ist Ihre Chance, nämlich ein<br />

Geständnis abzulegen. Machen Sie ein Geständnis<br />

oder Sie werden untergehen. Das bedeutet: Für Sie<br />

wird es keine Halbstrafe, keine Dreiviertelstrafe,<br />

keine Erleichterungen geben. Sie werden die Haft<br />

voll auskosten. Überlegen Sie sich das!“.<br />

Ich ließ diesen Herrn wissen, dass ich als alter Mann die<br />

Materie kenne und dass es sinnlos sei, auf dieser Basis weiter<br />

zu verhandeln. Ich bat, mich abzuführen.<br />

So vergingen weitere Wochen und Monate, ohne dass in meinem<br />

Fall etwas geschah.<br />

Mein Anwalt teilte mir jedoch mit, dass ihm der den Vorgang<br />

führende Kriminalhauptkommissar schon bei zwei Begegnungen<br />

die Frage gestellt habe, ob sein Mandant inzwischen<br />

560


Erich Gaida<br />

„Sprechfutter“ hätte. Es war klar, ich sollte weichgekocht<br />

werden.<br />

Ich konnte jedoch nichts anderes sagen, als schon am ersten<br />

Tage vor dem Haftrichter.Von mir wollte man ein Geständnis<br />

im Sinne des Haftbefehls bzw. der darin enthaltenen<br />

Anschuldigungen. Jegliche Einwendungen meinerseits, dass<br />

die Dinge anders waren, als von der Staatsanwaltschaft hypothetisch<br />

angenommen oder gewünscht, wurden mit solchen<br />

Bemerkungen abgetan: „es ist so, wie von der Staatsanwaltschaft<br />

vorgeworfen, wie soll es denn anders<br />

sein?“ und „erzählen sie uns keine Märchen“.<br />

Solche Methoden waren der Grund dafür, warum es im<br />

Vorverfahren keine weiteren Einlassungen von meiner Seite<br />

mehr geben konnte. Meine Behandlung durch die<br />

Staatsanwaltschaft war menschenunwürdig, auf Demütigung<br />

ausgerichtet und auf Brechung meines Willens, d.h.<br />

Erzwingungshaft im wahrsten Sinne des Wortes. Entsprechende<br />

Eingaben und Schriftsätze meiner Anwälte blieben<br />

ohne jede Reaktion.<br />

Auf unser ständiges Drängen hin wurden nach vier Monaten<br />

endlich drei von uns benannte Entlastungszeugen — meine<br />

Vorgesetzten — durch die Staatsanwaltschaft II zu den gegen<br />

mich erhobenen Anschuldigungen vernommen. In ihren<br />

Aussagen unterstützten sie meine Positionen. Sie waren<br />

bemüht, zur Aufklärung über den tatsächlichen Sachverhalt<br />

beizutragen. Eigenartigerweise wurden deren Aussagen<br />

jedoch im Rahmen der sogenannten freien Beweiswürdigung<br />

durch den Richter umgedeutet in eine „Erhärtung des<br />

Tatverdachtes“. Das brachte mir eine weitere dreimonatige<br />

Verlängerung der Untersuchungshaft ein.<br />

Ich habe mich immer gefragt, wer meine unbegründete<br />

Inhaftierung und die ungewöhnlich lange Fortdauer der<br />

561


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

Untersuchungshaft eigentlich verantwortet, die vom<br />

Kammergericht stets wieder nur auf einfaches Ersuchen der<br />

Staatsanwaltschaft verlängert wurde. Und trotzdem wir –<br />

meine Anwälte und ich – bei jeder Haftprüfung eine<br />

Anhörung beantragten, wurde mir in der Zeit vom 10. April<br />

1997 bis zum 30. April 1998 keinerlei rechtliches Gehör, das<br />

mir, wie jedem Häftling zustand, gewährt.<br />

Inzwischen hatten wir das Jahr 1998, die Erzwingungshaft<br />

dauerte weiter an.<br />

Ich ergriff die Initiative und stellte spontan an den Haftrichter<br />

den Antrag auf den „Einsatz gelinderer Mittel<br />

zur Aussetzung des Haftbefehls“.<br />

Wider Erwarten wurde daraufhin kurzfristig eine Beratung<br />

angesetzt, Teilnehmer waren Staatsanwalt, Haftrichter, meine<br />

beiden Anwälte und ich.<br />

Diesmal verlangte der Haftrichter von der Staatsanwaltschaft<br />

nun endgültige Beweise. Wenn das nicht geschähe, könne er<br />

den Haftbefehl nicht länger aufrecht erhalten. Es ging hin<br />

und her und die Staatsanwältin erklärte letztendlich, dass sie<br />

dem Antrag auf gelindere Mittel in Form einer Kaution zustimme,<br />

wenn wir diese in Höhe von 5 Millionen DM bereitstellen<br />

würden. Darüber musste sogar der Haftrichter lachen.<br />

Nach der Diskussion mehrerer Varianten fasste der Richter<br />

schließlich den Beschluss, dass er bei der Stellung einer<br />

Kaution von 100.000 DM den Haftbefehl aussetzen würde.<br />

Als Termin für die Bereitstellung der Mittel sah er den darauffolgenden<br />

Tag, vormittags um 10.00 Uhr vor. Durch die<br />

Anwälte und meine Familie wurden sofort Schritte zur<br />

Beschaffung einer solch hohen Summe eingeleitet. In dieser<br />

kurzen Zeit war das allerdings nur mit Hilfe der „Gesellschaft<br />

für rechtliche und humanitäre Unterstützung e. V.“<br />

(GRH) möglich. Am nächsten Tag erschien Rechtsanwalt<br />

562


Erich Gaida<br />

Prof. Dr. Buchholz mit einem Scheck in der geforderten<br />

Höhe beim Amtsrichter. Doch die Staatsanwaltschaft hatte<br />

vorgesorgt und legte zum gleichen Zeitpunkt einen Beschluss<br />

des Richters Bräutigam vom Landgericht Berlin vor, mit dem<br />

der Beschluss des Richters Rudel vom Amtsgericht aufgehoben<br />

wurde. Die Frage, worum es der Staatsanwaltschaft<br />

eigentlich bei der ganzen Geschichte mit der Kaution ging,<br />

soll an dieser Stelle offen bleiben.<br />

Nach Erhalt der Anklageschrift im März 1998 brachte die<br />

Staatsanwaltschaft II das Angebot eines sogenannten<br />

„Deals“ an mich auf den Weg. Ich sollte ein Geständnis ablegen<br />

und dafür 3 Jahre Freiheitsstrafe erhalten. Nach einem<br />

solchen Geständnis würde ich sofort aus der Haft entlassen,<br />

erhielte also eine Halbstrafe, da ich ja schon die Hälfte der<br />

o.g. Zeit abgesessen hätte. Das nannte man Deal, seit Mitte<br />

der 90er Jahre bei Strafverfahren üblich. Mir wurden mehrere<br />

Fälle bekannt, wo der Versuch derartiger Praktiken gestartet<br />

wurde. Für die Justiz ging es dabei darum, einen für sie<br />

günstigen Abschluss eines Verfahrens zu erreichen. Einem<br />

solchen Ansinnen zuzustimmen, wäre für mich eine Selbstverleugnung,<br />

eine Zumutung gewesen.<br />

Danke nein, ich lehnte ab.<br />

Hauptverhandlung und Urteil<br />

Für den 30.April 1998 war schließlich der Beginn der<br />

Hauptverhandlung vor der 12. Kammer des Landgerichts<br />

Berlin anberaumt worden. Ich sah dem in der Hoffnung entgegen,<br />

dass man im Gerichtssaal — vor allem angesichts der<br />

anwesenden Öffentlichkeit, zu der viele Freunde, Sympathisanten<br />

gehörten — nicht weiter so willkürlich mit mir<br />

umspringen könnte, wie es bis dahin Praxis der Staatsanwaltschaft<br />

und der ZERV war. Deren unsagbare Methoden<br />

waren ja der wirkliche Grund dafür, warum es nach meiner<br />

563


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

Anfangserklärung vor dem Haftrichter im Vorverfahren<br />

keine weiteren Einlassungen von meiner Seite mehr geben<br />

konnte.<br />

In meinem Schlusswort vor Gericht am 11. August 1998 führte<br />

ich dann u.a. aus:<br />

„...Die Hauptverhandlung hat deutlich gezeigt,<br />

dass die lediglich auf Vermutungen beruhenden und<br />

durch nichts bewiesenen Anschuldigungen seitens<br />

der Staatsanwaltschaft völlig unbegründet waren,<br />

dass demzufolge alle bisher gegen mich eingeleiteten<br />

Zwangs- und Verfolgungsmaßnahmen nicht<br />

notwendig gewesen wären, zumal ich von Anfang an<br />

zu den erhobenen Vorwürfen und den im Zusammenhang<br />

damit aufgeworfenen Fragen plausible Antworten<br />

gegeben habe und alle erhobenen Vorwürfe<br />

sachlich geklärt und entkräftet hätten werden<br />

können. Leider waren meine diesbezüglichem<br />

Bemühungen in der Voruntersuchung vergeblich,<br />

weil die Staatsanwaltschaft und die Kripo nicht<br />

bereit waren, meine Erklärungen und Bemühungen um<br />

eine sachliche Aufklärung der gegen mich erhobenen<br />

Anschuldigungen zur Kenntnis zu nehmen und<br />

keine Bereitwilligkeit zeigten, in den Richtungen<br />

zu ermitteln, die den Beweis erbracht hätten,<br />

dass meine Aussagen zutreffend waren.<br />

Nicht eine einzige Aussage hat Anhaltspunkte<br />

dafür ergeben, die die von der Staatsanwaltschaft<br />

gegen mich erhobene Anklage stützen würden...<br />

Ich habe in jeder Phase des Verfahrens den<br />

Vorwurf einer Untreuehandlung zurückgewiesen –<br />

und dies mit einem reinen Gewissen...<br />

...Deshalb fühle ich mich durch die öffentliche<br />

564


Erich Gaida<br />

Hauptverhandlung und die hier vor Gericht gemachten<br />

Aussagen der Zeugen rehabilitiert...“<br />

Entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf die<br />

Verhängung von 6 Jahren Freiheitsstrafe kam die Kammer<br />

nach sorgfältiger Prüfung aller Umstände am 24. August 1998<br />

zu dem Entschluss, mich aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.<br />

Damit ging ein Verfahren zu Ende, das mich 18 Monate<br />

Untersuchungshaft und weitere 4 Monate Hauptverhandlung<br />

gekostet hat, wobei insbesondere durch die Haft meine<br />

Gesundheit schwer geschädigt wurde, ganz zu schweigen von<br />

den Auswirkungen auf meine Familie und der eingebüßten<br />

Lebensqualität.<br />

Das ganze Verfahren und meine Untersuchungshaft habe ich<br />

als schreiendes Unrecht und Willkür empfunden. Sie zu ertragen,<br />

war mir nur mit der Unterstützung durch meine beiden<br />

Verteidiger und mit Hilfe einer großen Solidarität möglich.<br />

Vor allem meine Familie gab mir stets neue Kraft, weil ich<br />

ihre Liebe, ihr Vertrauen und ihre Sorge spüren konnte. Wie<br />

stolz war ich doch auf meine Frau, meine Tochter und meinen<br />

Enkel. Wie dankbar bin ich noch heute für ihre Treue und<br />

Verbundenheit in schwerer Zeit, in der sie doch neben der<br />

Trennung auch selbst die Verleumdungen und die Kriminalisierung,<br />

vor allen in den Medien, mit ertragen mussten.<br />

Verbunden und dankbar bin ich allen Genossen und<br />

Freunden, die ihre Solidarität durch ihren Besuch im Gefängnis<br />

bekundet haben. Wenn es sich auch immer nur um 30<br />

Minuten handelte, es genügte, in ihre ehrlichen Gesichter zu<br />

sehen, um Zuversicht zu tanken.<br />

565


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

Gelebte Solidarität erfuhr ich auch durch unzählige Briefe<br />

und Karten. Selbst mit finanziellen Zuwendungen, Büchern<br />

und anderen Lesestoffen wurde ich im Knast bedacht.<br />

Die Absender dieser Grüße und Spenden reichten von meiner<br />

Familie und guten Bekannten bis zu mir bis dahin unbekannten,<br />

inzwischen aber ebenfalls zu treuen Freunden<br />

gewordenen Menschen. Diese breite Anteilnahme einer fortschrittlichen<br />

Öffentlichkeit an der mir widerfahrenen<br />

Verfolgung durch die bundesdeutsche Justiz ist vor allem<br />

auch auf das verdienstvolle Wirken des Solidaritätskomitees,<br />

der DKP, der GRH und von ISOR zurückzuführen.<br />

Diese Unterstützung und Betreuung während der Haft, die<br />

mit mir auch westdeutsche Genossen und ehemalige Mitarbeiter<br />

des DDR-Außenhandels erfuhren, die zu gleicher<br />

Zeit im Strafvollzug einsaßen, wurde vielen anderen Häftlingen<br />

und selbst auch Beamten offensichtlich, die das achtungsvoll<br />

als „Hilfe des Hinterlandes“ empfanden.<br />

Dank gilt meinen beiden Anwälten, RA Prof. Dr. Erich<br />

Buchholz und RA Jürgen Strahl, die mich rechtlich, moralisch<br />

und sehr sachkundig während des ganzen Verfahrens<br />

begleitet haben.<br />

566


Heinz Geschke<br />

Am 19. Januar 1930 wurde ich in Senzig, Kreis Königs<br />

Wusterhausen, als Sohn des Stellmachers Otto Geschke und<br />

seiner Ehefrau Martha geboren. Nach dem Besuch der<br />

Volksschule erlernte ich den Beruf des Tischlers und übte<br />

diesen Beruf bis 1950 aus.<br />

Die Schrecken des II. Weltkrieges sind mir vor allem in dem<br />

sinnlosen Tod meines 1944 gefallenen Vaters, als Bombentage<br />

und -nächte auf Berlin und als die blutigen Apriltage 1945 am<br />

Nordzugang zum Kessel im Raum Halbe/Märkisch Buchholz<br />

in unauslöschlicher Erinnerung.<br />

Aus diesen Erlebnissen und aus dem Rat meiner Eltern, von<br />

Kommunisten und KZ-Häftlingen erwuchs meine Erkenntnis,<br />

dass sich das nicht wiederholen darf. Folgerrichtig war<br />

mein Denken und Handeln darauf ausgerichtet, dabei mitzuhelfen,<br />

dass von Deutschland kein Krieg mehr ausgehen<br />

kann.<br />

Als junges FDJ-Mitglied meldete ich mich im Mai 1950 freiwillig<br />

zur Deutschen Volkspolizei (DVP). Nach kurzer<br />

Grundausbildung beim Wachbataillon der Hauptverwaltung<br />

der VP wurde ich Posten beim Präsidenten der DDR,<br />

Wilhelm Pieck. Die Gespräche mit ihm prägten wesentlich<br />

meinen weiteren Lebenslauf. Ich wurde Offiziershörer an der<br />

Hochschule für Offiziere der Kasernierten Volkspolizei<br />

(KVP) und entwickelte mich zum Offizier der Volkspolizei.<br />

Von 1950 bis 1957 leistete ich meinen Dienst im Wachbataillon<br />

Berlin bzw. Schwerin, von 1957 bis 1959 bei der<br />

Bereitschaftspolizei Potsdam, dann beim Stab des Ministeriums<br />

des Innern (MdI), wo ich den 13. August 1961 erlebte,<br />

danach beim Stab der neugebildeten Stadtkommandantur<br />

Berlin. Im Oktober 1963 begann meine Vorbereitung auf die<br />

567


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

Militärakademie „Friedrich Engels“, die ich 1968 mit dem<br />

Diplom eines Militärwissenschaftlers abschloss.<br />

Als Angehöriger der Grenztruppen der DDR war ich danach<br />

Stabschef einer Grenzbrigade, von 1971 bis 1974 Regimentskommandeur<br />

und von da an bis zur Beendigung meiner<br />

Dienstzeit am 28. Februar 1990 als Oberst, Stellvertreter der<br />

Kommandeure der Grenzkommandos Nord und Mitte.<br />

Nicht nur am Rande möchte ich erwähnen, dass meine vierzigjährige<br />

Tätigkeit als Soldat und Berufsoffizier meiner<br />

Frau, mir und unseren fünf Söhnen auch so manche familiäre<br />

Belastung, vor allem lange Trennungen und häufigen<br />

Wohnungswechsel auferlegte, die wir nur gemeinsam meistern<br />

konnten.<br />

Ab 1954 war ich Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei<br />

Deutschlands (SED).<br />

In meiner ganzen Dienstzeit in den bewaffneten Organen der<br />

DDR habe ich mich bei der Erfüllung der mir befohlenen<br />

Aufgaben und meiner jeweiligen Dienstpflichten immer von<br />

der Verfassung, den geltenden Gesetzen und anderen<br />

Rechtsvorschriften der DDR sowie von den für die Grenztruppen<br />

der DDR verbindlichen militärischen Bestimmungen<br />

leiten lassen. Ich war von ihrer Rechtmäßigkeit jederzeit<br />

ohne Zweifel überzeugt. Ich habe mich gewissenhaft für den<br />

militärischen Schutz der DDR, die Verwirklichung von<br />

Sicherheitsinteressen der Staaten des Warschauer Vertrages<br />

und damit für die Erhaltung des Friedens in Europa eingesetzt<br />

und bin mir keiner Verletzung von Rechtsvorschriften<br />

der DDR oder von Normen des Völkerrechts bewusst.<br />

Ich war auf die Verfassung der DDR vereidigt, nicht auf das<br />

Grundgesetz der BRD. Ich hatte den Fahneneid geschworen.<br />

Folglich war und bin ich ausschließlich den Staatsbürgern der<br />

568


Heinz Geschke<br />

Deutschen Demokratischen Republik für mein Tun und<br />

Lassen Rechenschaft schuldig.<br />

Wie kam ich persönlich mit der politischen Strafverfolgung in<br />

Berührung?<br />

Anfang der 90er Jahre begannen Ermittlungen der BRD-<br />

Justiz auch gegen Angehörige der Grenztruppen der DDR.<br />

Ich erinnere mich, dass zunächst besonders Soldaten zu<br />

Befragungen herangezogen wurden. Weil ich den Grenztruppen<br />

lange angehörte und zuletzt Stellvertreter des<br />

Kommandeurs des Grenzkommandos Mitte für Grenzsicherung<br />

war, war mir klar, dass auch gegen mich ermittelt würde.<br />

1992 bekam ich dann eine erste Vorladung in das Polizeipräsidium<br />

am Flughafen Tempelhof. Dort haben damals der<br />

spätere Oberregierungsrat Schmidt und Oberregierungsrat<br />

Jordan die Ermittlungen auch hinsichtlich meiner Person<br />

geführt. Wie ich erfuhr, war am Vortag bereits Oberst der<br />

Grenztruppen a. D. Günter Bazyli dort gewesen und hatte<br />

seine später öffentlich bekannt gewordenen Anschauungen<br />

lang und breit dargelegt.<br />

Nach der Aufnahme meiner Personalien habe ich erklärt,<br />

dass ich von meinem Recht auf Aussageverweigerung<br />

Gebrauch machen und nichts aussagen werde.<br />

Daraufhin erklärte Herr Jordan, dass er mich in Beugehaft<br />

nehmen lassen wird, um eine Aussage zu erzwingen. Ich habe<br />

mit „na gut“ geantwortet und gefragt, wohin ich meine Jacke<br />

hängen soll.Außerdem habe ich diesem Herrn gesagt, dass er,<br />

wenn er mich in Beugehaft nehmen will, nun dafür sorgen<br />

müsse, dass meine schwerkranke Frau gepflegt wird. Da<br />

machte er einen Rückzieher und hat eingelenkt. Damit war<br />

die Sache für mich erst einmal erledigt.<br />

Man hat mich dann noch einmal zu den Ermittlungsorganen<br />

569


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

in die Keithstraße und auch nach Tempelhof geholt. Da ging<br />

es dann hauptsächlich um Ermittlungen zu anderen Angehörigen<br />

der Grenztruppen, mit denen ich in meiner Dienstzeit<br />

Berührung hatte. Ich konnte nur Gutes aussagen. Da war z.B.<br />

der Fall des Feldwebels B., den man im Zusammenhang mit<br />

der beabsichtigten Entlastung des Mörders des Grenzsoldaten<br />

Rolf Henniger (1968) belasten wollte. Der betreffende<br />

Grenzabschnitt, in dem das Vorkommnis damals geschah<br />

und wo der Feldwebel Zugführer war, lag im Bereich der<br />

4. Grenzbrigade, in der ich als Stabschef diente. Demzufolge<br />

hatte ich seinerzeit den entsprechenden Bericht geschrieben<br />

und selbst die vernehmenden Beamten mussten die Exaktheit<br />

meiner Erinnerungen und die Unwiderlegbarkeit meiner<br />

Aussagen anerkennen. So konnte ich dazu beitragen, dass das<br />

ganze Verfahren gegen den ehemaligen Feldwebel B. eingestellt<br />

wurde.<br />

Die Ermittlungen gegen mich liefen natürlich weiter.<br />

Außerdem erhielt ich Informationen darüber, dass jetzt auch<br />

gegen den und den, also gegen die erste Gruppe von Stellvertretern<br />

des Kommandeurs des Grenzkommandos Mitte,<br />

ermittelt wurde. Da inzwischen auch die Prozesse gegen<br />

Generaloberst Klaus Dieter Baumgarten und seine Stellvertreter<br />

sowie gegen Mitglieder des Kollegiums des Ministeriums<br />

für Nationale Verteidigung liefen, zeichnete sich das bevorstehende<br />

Verfahren auch gegen uns immer deutlicher ab.<br />

1995 erhielten wir die Anklage. Darin wurde uns — bar jeder<br />

Sachkunde — zum Vorwurf gemacht, die Jahresbefehle Nr. 40<br />

erstellt bzw. an diesen mitgewirkt zu haben, in deren<br />

Durchführung es — so wurde unterstellt — an der Grenze zu<br />

bis zu zehn Todesfällen gekommen sei. Daraus wiederum<br />

wurden „Totschlag“ bzw. — mich und andere betreffend<br />

„Beihilfe zum Totschlag“ abgeleitet.<br />

Im September 1996 wurde ein Haftbefehl gegen uns erlassen.<br />

570


Heinz Geschke<br />

Begründung war, dass wir angesichts der gegen uns erhobenen<br />

Anklage Flucht begehen könnten. Wöchentlich mussten<br />

wir uns nun bei der Polizei melden.<br />

Das war besonders bitter, weil ich die Polizisten auf dem<br />

Revier ja noch aus meiner Dienstzeit kannte. Der Haftbefehl<br />

ist dann erst mit Beginn des Prozesses am 07. August 1997<br />

aufgehoben worden.<br />

Am 07. August 1997 begann der Prozess vor der 31. Großen<br />

Strafkammer des Landgerichts Berlin gegen führende<br />

Offiziere des Grenzkommandos Mitte, gegen den Kommandeur,<br />

Generalmajor a.D. Erich Wöllner, und seine Stellvertreter,<br />

die Oberste a.D. Heinz Geschke, Werner Michael,<br />

Günter Bazyli und Günter Leo.<br />

Unser Standpunkt zur generellen Rechtswidrigkeit der politischen<br />

Strafverfolgung ehemaliger DDR-Bürger — also auch<br />

von Angehörigen der Grenztruppen — wegen hoheitlichen<br />

Handelns für ihren Staat ist in den vorstehenden Abhandlungen<br />

und vielen weiteren Veröffentlichungen dargelegt worden.<br />

Ich möchte mich deshalb — eingebettet in „unseren“ Prozess<br />

— mit einigen mich selbst betreffenden Fragen befassen.<br />

Für bemerkenswert hielt ich schon zu Prozessbeginn, dass<br />

nur noch Herr Schmidt als Staatsanwalt fungierte. Herr<br />

Jordan, der gemeinsam mit ihm gegen die Führung des<br />

Grenzkommandos Mitte ermittelte, hatte sich aus diesem<br />

Kreis offenbar schon zurückgezogen. Vielleicht begann er<br />

bereits zu begreifen, dass es so nicht ging: alle möglichen<br />

Konstruktionen zusammen zu zimmern, um eine Anklage<br />

fabrizieren zu können.<br />

Ich stand vor der Entscheidung, wie ich in dem nun beginnenden<br />

Prozess auftreten werde. Lass’ ich einfach alles über<br />

571


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

mich ergehen?<br />

Das wäre mit meiner Haltung als Offizier der Grenztruppen<br />

nicht vereinbar gewesen. Allerdings war mir von vornherein<br />

klar, dass wir keine Chance hinsichtlich des Ausgangs des<br />

Verfahrens hatten, dass wir so oder so verurteilt würden.<br />

Daran änderte auch das Gefühl nichts, dass der Vorsitzende<br />

Richter, Herr Füllgraf, nach Möglichkeiten suchte, doch einen<br />

— zumindest in etwa — fairen Prozess zu gestalten.<br />

Auch dieses „unabhängige“ Gericht, das zwar den Prozess<br />

von den sonst in diesem Hause oft üblichen Feindseligkeiten<br />

freihielt, entschied letzten Endes ganz im Sinne der Vorgaben<br />

des Herrn Kinkel, die DDR zu delegitimieren.<br />

Wie dem auch sei, ich hatte mich entschlossen, mit aller<br />

Konsequenz gegen die Anklage aufzutreten und habe mich in<br />

dieser Richtung auch durchgesetzt. In den neununddreißig<br />

Prozesstagen habe ich insgesamt dreiundzwanzig Erklärungen<br />

zur Sache und zur Person abgegeben und damit zu unserer<br />

und meiner Verteidigung offensiv beigetragen.<br />

Dabei wurde ich besonders von meinem Verteidiger, Dr.<br />

Frank Osterloh, bestärkt und aktiv unterstützt. Mein anderer<br />

Anwalt, Herr Thiele, war ruhiger. Seine Meinung:<br />

„Verurteilt wirst du sowieso. Je weniger du dagegenhältst,<br />

umso besser für dich.“<br />

Ganz Unrecht hatte er nicht. Tatsächlich brachte mir mein<br />

Dagegenhalten die Einschätzung des Herrn Staatsanwaltes<br />

ein, ich sei „uneinsichtig“ und werde demzufolge mit einem<br />

halben Jahr mehr rechnen müssen. Im Prinzip hat es mir auch<br />

im weiteren Verlauf des Strafverfahrens so manchen Nachteil<br />

gebracht.<br />

Wie schon gesagt, warf mir die Anklage vor, an Jahresbefehlen<br />

Nr. 40 mitgewirkt und demzufolge Menschen<br />

getötet zu haben, ohne Mörder zu sein. Ganz nebenbei sei<br />

bemerkt, dass der Staatsanwalt meine Mitarbeit nicht einmal<br />

572


Heinz Geschke<br />

nachgeprüft hat. Ich war nämlich zeitweise überhaupt nicht<br />

anwesend, konnte also an verschiedenen Befehlen gar nicht<br />

mitwirken. Das störte Herrn Schmidt nicht weiter, da hat er<br />

meine Mitarbeit eben einfach „vorausgesetzt“, obwohl<br />

Zeugen das nicht bestätigten.<br />

Wie es im Verfahren durch uns grundsätzlich geschehen ist,<br />

möchte ich hier kurz einiges zum Befehl Nr. 40 und zur<br />

Funktion des Stellvertreters Grenzsicherung sagen.<br />

Auf der Grundlage des Befehls Nr. 101 des Ministers für<br />

Nationale Verteidigung und des Befehls Nr. 80 des Chefs der<br />

Grenztruppen beinhaltete der Befehl Nr. 40 des Kommandeurs<br />

des Grenzkommandos Mitte die Aufgabenstellung für<br />

das jeweilige Ausbildungsjahr. Daher kommt der Begriff<br />

„Jahresbefehl“. Er forderte die Erfüllung der wichtigsten<br />

Seiten der Gefechtsbereitschaft und des militärischen Lebens.<br />

Er war nicht an die Soldaten, Unteroffiziere und Fähnriche<br />

gerichtet, sie handelten auf der Grundlage von Dienstvorschriften<br />

und Wochen- bzw. Tagesplänen. Die Befehle waren<br />

auszugsweise bis zu den Kompaniechefs bekannt. Diese<br />

Befehle forderten in all’ den Jahren „...Grenzdurchbrüche<br />

sind durch taktische Handlungen und geschickten<br />

Einsatz der Kräfte im Hinterland zu verhindern...“.<br />

Sie forderten zugleich die strikte Einhaltung der<br />

geltenden Gesetze und Bestimmungen bei der Anwendung<br />

der Schusswaffe als letztes Mittel.<br />

Keiner der zur Anklage herangezogenen Jahresbefehle enthielt<br />

eine Aufforderung zum Schießen.<br />

Der Staatsanwalt unterstellte uns jedoch, in den Grenztruppen<br />

hätte der Grundsatz gegolten „..eher ein toter<br />

Grenzverletzer, als ein gelungener Grenzdurchbruch.“<br />

573


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

Das war eine perfide Behauptung, entnommen der politischen<br />

Vorgabe des Zieles, uns zu verurteilen.<br />

In einer meiner Erklärungen habe ich die folgenden Passagen<br />

aus mir angelasteten Befehlen entgegen gehalten:<br />

Befehl 40/79: „Die Staatsgrenze der DDR zu<br />

Westberlin ist... ununterbrochen und zuverlässig<br />

zu sichern...<br />

Die überraschende Festnahme von Grenzverletzern<br />

und Provokateuren ist vorrangig ohne Anwendung<br />

der Schusswaffe zu trainieren.“<br />

Befehl 40/79: „Die Wirksamkeit der Grenzsicherung<br />

ist zu erhöhen durch... die Beseitigung begünstigender<br />

Bedingungen für Grenzverletzungen in<br />

den entscheidenden Annäherungsrichtungen aus der<br />

Tiefe des Hinterlandes...“<br />

Befehl 40/86: „Die Truppenteile und Einheiten haben<br />

Grenzdurchbrüche nicht zuzulassen... durch den<br />

flexiblen, nach Raum und Zeit abgestimmten,<br />

zweckmäßig gestaffelten Einsatz struktureller<br />

und gesellschaftlicher Kräfte und Mittel zu<br />

sichern, dass Grenzverletzer rechtzeitig und im<br />

engen Zusammenwirken mit den anderen Schutz- und<br />

Sicherheitsorganen festgenommen werden... bis<br />

zum 31.01.1987 haben die Kommandeure der Truppenteile<br />

Maßnahmen zu planen und zu organisieren,<br />

die vor allem in den grenzsichernden Einheiten<br />

gewährleisten, dass die Bestimmungen zur Anwendung<br />

der Schusswaffe im Grenzdienst (§27 des<br />

Gesetzes über die Staatsgrenze der DDR)<br />

beherrscht werden und die Schusswaffe auf dieser<br />

Grundlage durch alle zum Grenzdienst befohlenen<br />

Kräfte verantwortungsbewusst als äußerste<br />

Maßnahme angewendet wird.“<br />

574


Heinz Geschke<br />

Ebenso aufschlussreich war das in einer meiner Erklärungen<br />

dargelegte Ergebnis aus dem Referat des Kommandeurs zur<br />

Auswertung der Jahre 1986/87, dass 40% der zur Grenzsicherung<br />

eingesetzten Kräfte 1987 im Hinterland eingesetzt<br />

waren und 50% der Grenzverletzer schon vor Erreichen des<br />

Handlungsraumes der Grenztruppen festgenommen wurden.<br />

Die Statistik unterstreicht diese Tatsache:<br />

Es wurden festgenommen, durch 1987 1988<br />

Deutsche Volkspolizei 784 = 43% 978 = 42%<br />

Transportpolizei 422 = 29% 520 = 23%<br />

Grenztruppen 412 = 24% 614 = 27%<br />

MfS 194 = 8% 73 = 4%<br />

Was blieb also von der Behauptung des Staatsanwalts übrig?<br />

Doch sie wurde nicht zurückgenommen.<br />

Was den Stellvertreter Grenzsicherung betrifft, so gab es den<br />

nur im Grenzkommando Mitte, also in Berlin. Ihm — in diesem<br />

Falle also mir — fiel in der normalen Friedenszeit die<br />

Aufgabe zu, die Möglichkeiten zu erschließen und zu entwickeln,<br />

gemeinsam mit den örtlichen Organen, den Betrieben<br />

und der Bevölkerung Grenzverletzungen immer besser bereits<br />

im Hinterland zu verhindern. Das war die Zielstellung. Wir<br />

haben einiges erreicht, das sollte weiter ausgebaut werden. Zu<br />

meiner Entlastung vor Gericht wurde das allerdings nicht<br />

zugelassen, obwohl selbst der „Kronzeuge“ Bazyli im Prozess<br />

darauf Bezug nahm, dass er von mir schon als Regimentskommandeur<br />

in dieser Hinsicht so manches gelernt habe.<br />

Überhaupt wurden im Prozess und im Urteil wichtige entlastende<br />

Faktoren nicht berücksichtigt.<br />

Dass das zuallererst auf meinen persönlichen Beitrag zur<br />

Erhaltung des Friedens — wie beispielsweise an meinem<br />

575


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

Einsatz in den kritischen Novembertagen 1989 am<br />

Brandenburger Tor nachzuweisen ist — zutrifft, ist offensichtlich<br />

der politischen Zielstellung dieses Strafverfahrens<br />

geschuldet. Unberücksichtigt blieben zugleich der außerordentlich<br />

lange Zeitraum der Ermittlungen und des Prozesses<br />

— insgesamt sieben Jahre — davon neununddreißig<br />

Prozesstage — und die damit verbundenen starken physischen<br />

und psychischen Belastungen. Das gilt ebenso für mein<br />

fortgeschrittenes Alter und meinen mangelhaften Gesundheitszustand<br />

sowie für die durch den Tod meiner Ehefrau<br />

entstandene bedrückende und schwierige familiäre Situation.<br />

Ich bin meinen Verteidigern, Dr. Frank Osterloh und Dr.<br />

Frank Thiele, für ihre Unterstützung sehr, sehr dankbar. Ihr<br />

Rat und ihre Sachkundigkeit halfen mir persönlich, das<br />

Schwere juristisch und moralisch zu bewältigen. Besonders<br />

Frank Osterloh hat ausführlich und sachkundig begründet,<br />

dass das Verfahren gegen uns schon deshalb rechtswidrig war,<br />

weil ihm ein nach dem Einigungsvertrag unverzichtbarer<br />

Übergang eines Strafanspruchs der DDR an das vereinte<br />

Deutschland fehlte.Aus ganzem Herzen stimme ich seinen im<br />

Abschlussplädoyer — in dem er aus tatsächlichen und rechtlichen<br />

Gründen meinen Freispruch forderte — an die BRD-<br />

Justiz gerichteten Worten zu:<br />

„Unzufriedenheit damit, dass in der DDR die<br />

Rechtsordnung der BRD nicht galt und heute<br />

gespielte Entrüstung über das Grenzregime der<br />

DDR, sind keine zuverlässigen Strafverfolgungskriterien<br />

für das vereinte Deutschland.“<br />

Meine Verteidiger und ich waren während des ganzen<br />

Prozesses ein gutes Gespann.<br />

Meinen herzlichen Dank sage ich auch den vielen Freunden<br />

der Solidarität, die mir im Gerichtssaal und davor stets eine<br />

unverzichtbar gewordene moralische Stütze waren.<br />

576


Heinz Geschke<br />

Was meine eigene Haltung betrifft, so müsste ich mir heute<br />

vielleicht sagen:<br />

Du hättest nicht so halsstarrig sein sollen. Wenn du ein bisschen<br />

„kulanter“ gewesen wärst, dann wäre das vielleicht<br />

besser gewesen. Aber, mein ganzes Leben war so! Warum<br />

muss man sich irgendwo und irgendwann verbiegen?<br />

Ich bin oft mit mir selbst ins Gericht gegangen und habe mir<br />

gesagt: Kein Abstrich an deiner Haltung.<br />

Und heute wird meine Haltung sowohl im Prozess als auch<br />

danach anerkannt. Ich habe als Offizier in unterschiedlicher<br />

Verantwortung den mir erteilten Auftrag, an der Sicherung<br />

der Staatsgrenze der DDR mitzuwirken, pflichtgemäß erfüllt.<br />

Ich trage dafür die Verantwortung und stehe zu meiner<br />

Vergangenheit.<br />

In Bezug auf meine Verurteilung und auf die Opfer an der<br />

Staatsgrenze — Grenzsoldaten und Grenzverletzer — unterstreiche<br />

ich mein Bedauern und sehe die mir angelasteten<br />

Taten auf dem Hintergrund des Kalten Krieges und der daraus<br />

resultierenden politischen Verhältnisse.<br />

Das Urteil der 31. Großen Strafkammer des Landgerichts<br />

Berlin vom 26. März 1998 — drei Jahre Haft — kann ich<br />

wegen des durch meine Verteidiger ausführlich nachgewiesenen<br />

Fehlens des nach dem Einigungsvertrag unverzichtbaren<br />

Überganges eines Strafverfolgungsanspruchs der DDR auf<br />

das vereinte Deutschland und zudem vor allem wegen der<br />

ungenügenden Beweisführung durch die Staatsanwaltschaft<br />

sowie wegen Nichtbeachtung entlastender Faktoren nicht<br />

akzeptieren.<br />

Meine Beschwerden an den Bundesgerichtshof und an das<br />

Bundesverfassungsgericht wurden durch den 5. Strafsenat<br />

577


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

des BGH am 08. November 1999 und durch die 3. Kammer<br />

des 2. Senats des BVerfG am 24. Februar 2000 nicht zur<br />

Entscheidung angenommen. Meine Beschwerde beim<br />

Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wurde zwar<br />

angenommen, aber mit dem Hinweis auf die Entscheidung zu<br />

Krenz, Keßler und Streletz am 23. Oktober 2001 durch die 4.<br />

Kammer als unzulässig erklärt.<br />

Die Haft in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg.<br />

Das Urteil wurde am 26. März 1998 gesprochen, die Haft hat<br />

am 10. März 2000 begonnen. Die beiden dazwischen liegenden<br />

Jahre, in denen wir hängen gelassen wurden, waren für<br />

mich bedrückend. Man wartet und wartet darauf, dass man<br />

einziehen muss. Das hing wie ein Damoklesschwert über<br />

einem und ließ für ein geregeltes Leben keinen Raum.<br />

Ein solcher Zustand ist wirklich schwer zu ertragen und<br />

gehört wohl zur politischen Strafverfolgung.Trotzdem musste<br />

ich mich ja auf die Haft vorbereiten. Mir war bekannt, dass<br />

die Haftanstalt Brandenburg einen schlechten Ruf hat.<br />

Über meinen zweiten Wohnsitz in Berlin bemühte ich mich<br />

deshalb, in eine Berliner JVA zu kommen. Ich ging davon aus,<br />

dass mit der Rekonstruktion der Einrichtung in Hakenfelde,<br />

in der nach dem Umzug aus dem Objekt Kieferheider Weg<br />

bereits mehrere unserer Genossen untergebracht waren, den<br />

Umständen entsprechend annehmbare Bedingungen bestehen.<br />

An und für sich war soweit auch alles geregelt. Als mich<br />

dann unter meiner Potsdamer Adresse die Ladung zum<br />

Haftantritt doch in Brandenburg erreichte, habe ich den<br />

Fehler gemacht, sie vorschnell durch Unterschrift zu quittieren.<br />

Da nützte dann kein Briefwechsel mehr, der Staatsanwalt<br />

sah darin erneut meine „Uneinsichtigkeit“ und als<br />

dann die zuständige Beamtin auch noch von sich gab: „Na ja,<br />

der will sich erleichternde Bedingungen in Berlin verschaffen“,<br />

war die Sache für mich klar.<br />

578


Heinz Geschke<br />

Am 10. März 2000 habe ich mich zum Haftantritt in der<br />

Justizvollzugsanstalt Brandenburg,<br />

an dem Ort, wo die Nazis Antifaschisten einkerkerten und<br />

ermordeten, gemeldet.<br />

Ich kam in die Untersuchungs- und Aufnahmeabteilung. Da<br />

wurde ich wie jeder wirklich Kriminelle behandelt, 24 Stunden<br />

alleine eingeschlossen und, und, und…<br />

Nach drei Tagen wurde ich als Häftling für den geschlossenen<br />

Vollzug eingekleidet. Ein Vorschlag des Arztes, mich im Lazarett<br />

unterzubringen, widersprach meinem Stolz — mein Fehler.<br />

Als der Leiter der Aufnahmeabteilung mir dann mitteilte, dass<br />

er den Vollzugsplan erarbeitet, wurde die Last, auf Dauer in<br />

den geschlossenen Vollzug zu kommen, von mir genommen.<br />

Nach zehn Tagen kam ich in den offenen Vollzug. Das<br />

Schwierigste nach dem Haftantritt blieb aber trotzdem, als<br />

Oberst außer Dienst und bisher unbescholtener Bürger —<br />

nun Krimineller zu sein und mit Sexual- und Gewalttätern<br />

gleichgestellt zu werden. In meinem Umfeld waren nun einhundertundzwanzig<br />

Schwer-Kriminelle, davon dreißig Sexualtäter,<br />

dreißig Bankräuber, Totschläger und Mörder, der Rest<br />

waren Autoknacker u.ä.m.. Für dieses Umfeld, in das ich<br />

geriet, konnte ich allerdings nicht die Vollzugsorgane verantwortlich<br />

machen. Sie handelten auf der Grundlage des<br />

Urteils nach dem Strafvollzugsgesetz, das uns nicht als politische<br />

Gefangene akzeptierte, sondern als gewöhnliche Verbrecher<br />

einordnete.<br />

Dennoch traten die meisten Bediensteten und ihre Vorgesetzten<br />

mir gegenüber immer anständig, verständnisvoll,<br />

höflich und korrekt auf.<br />

Der offene Vollzug der JVA Brandenburg war genauso sauber<br />

und hygienisch wie der in Hakenfelde. Das Essen war gut<br />

und nach meinem Empfinden schmackhaft.<br />

579


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

Wie fast alle anderen Häftlinge hatte ich einen Einzel-<br />

Haftraum sowie einen Vorraum mit Toilette und Waschgelegenheit.<br />

Den Haftraum konnte ich mir Schritt für Schritt<br />

weiter ausstatten. Meine Jungen brachten mir Radio und<br />

Fernseher. So hatte ich die Möglichkeit, mich im begrenzten<br />

Rahmen einzurichten und für die tägliche Ordnung zu sorgen.<br />

In den ersten acht Wochen hatte ich zunächst einmal große<br />

Schwierigkeiten, weil unter den Kriminellen auch einige<br />

gewesen sind, die schon in der DDR eingesperrt waren.<br />

Unter ihnen befand sich ein Häftling aus Cottbus, der im<br />

DDR-Gefängnis eine Haftstrafe wegen schweren Grenzdurchbruchs<br />

verbüßte und jetzt wegen verschiedener Delikte<br />

im Cottbuser Rotlichtmilieu einsaß. Er wusste natürlich, wer<br />

ich war und wer ich bin und machte mir nun alles, was ihm<br />

nach seiner Ansicht widerfahren war, zum Vorwurf. Er hatte<br />

eine Gruppierung von Rechten um sich geschart, die ihn<br />

unterstützten. Sie spuckten vor mir aus und machten solche<br />

Bemerkungen wie „..dass man die Kommunisten alle<br />

aufhängen müsse...“<br />

Ich konnte das abfangen, indem ich zu ihm sagte: „Wenn du<br />

nicht feige bis, kommst du zu mir. Wir trinken<br />

einmal eine Tasse Kaffee zusammen und unterhalten<br />

uns zwei Stunden.“<br />

Weil es dann immer noch blöde Bemerkungen gab, wiederholte<br />

ich die Einladung. Nach dem dritten Mal wurde er verlegt<br />

und damit hat sich dann alles beruhigt.<br />

Die Bedingungen, inmitten von Kriminellen zu leben, bringen<br />

auf die Dauer die Gefahr mit sich, die eine oder andere<br />

Lebensform im Knast zu übernehmen.<br />

Ich sagte mir deshalb, so lange du deinen eigenen Lebensrhythmus<br />

beibehältst, kann dir das nur schwer passieren. So<br />

stand ich z.B. schon immer auf, bevor um 05.30 Uhr allgemein<br />

580


Heinz Geschke<br />

geweckt wurde. Oder, als Siebzigjähriger war ich immer<br />

pünktlich um 09.00 Uhr in der begrenzten Außenanlage der<br />

Haftanstalt, um meinen täglichen Fünf-Kilometer-Spaziergang<br />

zu absolvieren. Das waren stets 250 Meter pro Runde<br />

und ich wäre — wie ich meinen russischen Freunden in<br />

Jekaterinburg im Dezember 2000 schrieb, nach siebenhundert<br />

Tagen bald zu Fuß im Ural angekommen.<br />

Meinen Haftraum hielt ich natürlich tipp-topp-sauber, da<br />

herrschte Ordnung. Auch dieser Lebensstil wäre ohne die<br />

große Solidarität, die mir ungezählte Bekannte und mir<br />

Unbekannte entgegenbrachten, allein nicht zu schaffen<br />

gewesen.<br />

Die vielen Briefe, die ich aus dem In- und Ausland bekommen<br />

habe, gaben mir eine unschätzbare moralische und auch<br />

materielle Unterstützung. Alleine die Realisierung der mir<br />

selbst gestellten Aufgabe, jedem Absender der Solidaritätspost<br />

vernünftig zu antworten, war mir nur dank der beigelegten<br />

Briefmarken möglich und hat mir entscheidend geholfen,<br />

dass ich nie einen Tag lustlos vergammelt habe.<br />

Ich war immer sinnvoll beschäftigt.Von früh bis spät habe ich<br />

auf diese Weise meine Gedanken äußern können und bekam<br />

neue Antworten. Die von mir in der Haftzeit geschriebenen<br />

etwa 1.800 Antwortbriefe haben sicher auch den Freunden<br />

„draußen“ geholfen, mir selbst aber am meisten.<br />

Hinzu kam, dass ich im Knast immer meine politische<br />

Haltung bewahrte. Die Bediensteten und die Häftlinge wussten,<br />

dass ich eine „rote Socke“ bin. Und als Solidaritätspost<br />

unter der Adresse an: „Oberst a.D.…“ ankam, hinterließ das<br />

Eindruck. Bekannt war auch, dass ich täglich „NEUES<br />

DEUTSCHLAND“ und andere linke Zeitungen bekam.<br />

Einige Häftlinge holten sich die Zeitung bei mir.Sie ging<br />

dann von Haftraum zu Haftraum. Am Wandbrett in meinem<br />

Raum hing dann mal das eine oder das andere Schriftstück.<br />

581


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

So ein Brief von Egon Krenz oder ein Artikel unter der<br />

Schlagzeile „ Der Verräter Gorbatschow“.<br />

Das fiel natürlich ins Auge und darüber haben wir dann diskutiert.<br />

Dem Leiter des offenen Vollzuges der Haftanstalt<br />

habe ich einmal das von Angehörigen der Grenztruppen verfasste<br />

Buch „Im Namen des Volkes — Grenzer vor Gericht“<br />

(GNN-<strong>Verlag</strong>sgesellschaft für Sachsen/Berlin mbH, 2000)<br />

mitgenommen. Ich bat ihn zu prüfen, ob es nicht in den<br />

Bestand der Bücherei aufgenommen werden könne. Er hat<br />

mir zwar nie darauf geantwortet, aber er gab das Buch an<br />

den Arbeitsgruppenleiter weiter und der gab es an andere<br />

Kollegen.<br />

Die wären sonst nie an dieses Buch gelangt und haben mir<br />

später zu verstehen gegeben, dass es für sie recht wertvoll war.<br />

Im Rahmen des offenen Vollzugs bekam ich bestimmte<br />

Lockerungen. An erster Stelle standen dabei für mich natürlich<br />

die zwölf Stunden Ausgang pro Woche, die ich zumeist<br />

auf Sonnabend/Sonntag legte, und die einundzwanzig Tage<br />

Regelurlaub pro Haftjahr.<br />

Das sind beträchtliche Erleichterungen. Allerdings habe ich<br />

es als ungerechtfertigt politischer Gefangener stets als besonders<br />

erniedrigend empfunden, wenn ich mich in den Tagen<br />

meines Ausgangs gegen 16.00 Uhr von meiner Familie verabschieden<br />

musste, um abends wieder pünktlich im Knast zu sein.<br />

Um zu erniedrigen und zu diskriminieren gibt es im Zusammenhang<br />

mit der Haft ja so viele Möglichkeiten. Gleich zu<br />

Beginn war die Adresse in meinem Ausweis geändert worden.<br />

Ich hatte zwar einen Personalausweis, aber darin stand<br />

anstatt meiner Wohnadresse jetzt „Brandenburg, Postfach…“<br />

.Jeder Polizist, der mich irgendwo kontrollierte, wusste demzufolge<br />

sofort „wo ich hingehörte“ und behandelte mich entsprechend.<br />

Dir wurde also immer wieder klargemacht, du bist<br />

582


Heinz Geschke<br />

ein Häftling, ein Gewalttäter, du bist, du bist, du bist…<br />

Solche Diskriminierungen konnten auch nicht durch die —<br />

ich sage einmal — faire Behandlung und Umgangsformen der<br />

Bediensteten und des Arztes in der JVA aufgewogen werden.<br />

Trotz aller Demütigungen habe ich in der Haft meine Haltung<br />

bewahrt.<br />

Die bittere Erkenntnis, an den Zuständen im Moment nichts<br />

ändern zu können, ließ bei mir kein Selbstmitleid aufkommen.<br />

Natürlich grübelte ich in den einsamen Stunden der<br />

Haft immer wieder über das Unrecht der strafrechtlichen<br />

Verfolgung für Handeln auf der Grundlage der Verfassung<br />

und Gesetze und über die Härte, „als Täter“ unter diesen<br />

Bedingungen leben zu müssen. Gedanken kamen bei jedem<br />

neuen Verhalten von Richtern und Strafkammern, so z.B. im<br />

ähnlich wie unserem gelagerten Prozess gegen Oberst a.D.<br />

Wolfgang Hallier in Erfurt auf, wo der Vorsitzende Richter<br />

Kuhnisch als einer der ersten ganz offen zum Ausdruck<br />

brachte: „Dies war ein politischer Prozess. Wir folgten Obergerichtlicher<br />

Rechtsprechung!“ Andere Juristen, wie der<br />

Richter Föhrig, haben für diesen Mut zur Wahrheit offenbar<br />

mehr zeitlichen Abstand gebraucht.<br />

Ich durchforschte auch immer wieder meine eigene Vergangenheit.<br />

Was hätte anders gemacht werden müssen, wo lagen<br />

eigene Verantwortung oder Schuld?<br />

Am 17. September 2000 schrieb ich an meine russischen<br />

Freunde:<br />

„Zehn Jahre deutsche Einheit. Aus diesem Anlass<br />

wurden zwei ehemalige Mitglieder des Politbüros,<br />

Schabowski und Kleiber, vom Regierenden Bürgermeister<br />

begnadigt. Wahrscheinlich erwartet man<br />

auch von mir einen Kniefall, aber ich kann mich<br />

nicht zu einer nicht bestehenden Schuld bekennen.<br />

Ich kann mich nicht verbiegen.“<br />

583


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

Gewiss sah ich inzwischen manches anders, doch ich stand<br />

und stehe nach wir vor zu meiner Verantwortung als Offizier<br />

der Grenztruppen der DDR.<br />

Dann kam, was mir einige Sorge bereitete. Günter Leo und<br />

Werner Michael, meine damaligen Stellvertreter, die mit mir<br />

gemeinsam verurteilt wurden und in der Berliner JVA saßen,<br />

erhielten schon im Mai 2001 die Benachrichtigung, dass sie im<br />

August bzw. September aus dem Knast herauskommen sollten.<br />

Ich hatte eine solche Mitteilung nicht erhalten. Was machst<br />

du nun?<br />

Ich habe mich entschlossen, mich nicht einzulassen. Mir war<br />

bekannt, dass immerhin über siebzig Gesuche nach meiner<br />

Freilassung von Sympathisanten an die Berliner Senatsverwaltung<br />

gerichtet worden waren. Aber die wurden nicht<br />

bearbeitet, weil ich am 01. Juni an den Staatsanwalt und an<br />

die Strafvollstreckungskammer einen Antrag gerichtet hatte,<br />

mit der sogenannten Halbstrafe auf Grundlage des §45 der<br />

DDR-Gesetzgebung — wie das z.B. bei Oberst a. D. Günter<br />

Strobel in Dresden erfolgreich war — aus dem Vollzug herauszukommen.<br />

Die zuständige Kammer und Staatsanwalt haben mir<br />

geschrieben, dass mein Antrag bearbeitet würde. Aber sie<br />

ließen mich hängen und hätten mich auf die Zweidrittel-<br />

Strafe gebracht, wie das z.B. bei dem Generalmajor a.D.<br />

Dieter Teichmann und Generaloberst a.D. Joachim Goldbach<br />

der Fall war. Dann rief Herr Schwengers von der Berliner<br />

Senatsverwaltung für Justiz bei der Leitung des Offenen<br />

Vollzuges der JVA Brandenburg an, man möge mit mir sprechen,<br />

dass ich meinen Antrag zurückziehen soll, weil nur so<br />

auf der Grundlage der schon erwähnten mehr als siebzig<br />

Gesuche auf dem „Gnadenweg“ entschieden werden könne.<br />

Was sollte ich machen? Ich habe meinen Antrag zurückgezogen.<br />

Umgehend teilte mir nun Herr Schwengers mit, dass<br />

584


Heinz Geschke<br />

„im Wege der Gnade die Vollstreckung des am 14.<br />

September 2001 nicht verbüßten Teils der durch<br />

Urteil des Landgerichts am 26. März 1998 festgesetzten<br />

Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt<br />

wird. Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre.“<br />

Nun könnte man sicher darüber streiten, ob das in Ordnung<br />

ist, auf „Gnade“ entlassen zu werden. Nach meiner<br />

Entscheidung wäre das ein sinnloser Streit, denn von mir hätten<br />

sie kein „Gnadengesuch“ und auch kein „Schuldbekenntnis“<br />

erhalten.<br />

Solange sie die Gesuche anderer Antragsteller zur Grundlage<br />

ihrer Entscheidungen machen, kann man die Sache nicht<br />

durch irgendwelche Prinzipienreiterei zunichte machen.<br />

Ich möchte das mit Gedanken aus meinem Brief vom 14.<br />

September 2001 an Freunde der Solidarität unterstreichen:<br />

„...Überraschend durfte ich nach 553 Tagen Haft<br />

die JVA Brandenburg verlassen. In diesen vergangenen<br />

Tagen haben sich meine ‘Gedanken aus der<br />

Haft’ vom 07.10.2000 tausendfach bestätigt.<br />

Eure Solidarität, die zahlreichen Gesuche an die<br />

Senatsverwaltung für Justiz, der Brief- und<br />

Gedankenaustausch, die guten Wünsche und Ermunterungen<br />

stärkten mich, gaben mir Mut, Moral,<br />

Standhaftigkeit und Optimismus. Eure Unterstützung<br />

half, die Ungerechtigkeit, Demütigung und<br />

Erniedrigung leichter zu ertragen und die Tage der<br />

politischen Haft auf die Hälfte zu verringern.<br />

Ich habe auch erkennen können, dass es neben der<br />

Familie und der Gemeinschaft noch etwas Kostbares<br />

für uns gibt — die Gesundheit und die Zeit, die<br />

uns verbleibt.<br />

Nutzen wir sie und machen wir daraus das Beste.<br />

585


PERSÖNLICHE ERLEBNISBERICHTE<br />

In diesem Sinne danke ich euch. Mein besonderer<br />

Dank gilt allen Freunden, die Gesuche an die<br />

Senatsverwaltung einrichten. Es ist ein Beweis,<br />

dass unsere Vergangenheit und Gegenwart von uns<br />

gemeinsam getragen und unsere Gemeinschaft durch<br />

gemeinsame Ideale getragen wird.<br />

Die drei Jahre „Bewährung“ werden im Jahre 2004 zu Ende<br />

gehen, die Folgen meiner politischen Strafverfolgung jedoch<br />

nicht. Sie wirken bis in meine Familie hinein.<br />

Das wollten diejenigen ja auch, die meine Verurteilung<br />

betrieben haben.<br />

Neben allem anderen lastet die Beauflagung mit 68.500,– DM<br />

= 33.233,97 Euro an Prozesskosten, die mir „nachgereicht“<br />

wurden, sozusagen als Strafe nach der Strafe. Selbst, wenn ich<br />

das jetzt abzahlen wollte und könnte, würde mir das nichts<br />

nutzen. Stirbt — was ich nicht hoffe — einer aus dem Kreis<br />

der mit mir Verurteilten, bekommen die anderen Überlebenden<br />

seine verbleibenden Schulden mit aufgeladen.<br />

Also muss ich mich auf schrittweises Zahlen ein Leben lang<br />

einstellen.<br />

Ich wünsche nur, dass wir die Letzten sind, die solche in meinen<br />

Erinnerungen aufgezeigten Demütigungen ertragen<br />

müssen. In der GRH und im Bundeswehrverband sehe ich als<br />

Mitglied die Möglichkeit, als einen ersten Schritt gegen die<br />

weitere politische Strafverfolgung und für eine Rehabilitierung<br />

die Aussetzung bzw. Absetzung der hohen Prozesskosten<br />

für alle Betroffenen anzustreben und zu erreichen.<br />

586


Nachwort<br />

Siegfried Mechler<br />

Politische Strafverfolgung ohne Beispiel? — ja — ,<br />

wenn auch nicht ohne Tradition. Bereits vor mehr als<br />

150 Jahren wurde durch ein preußisches Gericht das<br />

Rückwirkungsverbot außer Kraft gesetzt, um aufrechte<br />

Demokraten und Kommunisten für zur „Tatzeit“ legitimes<br />

Handeln verurteilen zu können. Damals handelte es sich um<br />

solche „Täter“ wie Friedrich Engels, Ferdinand Freiligrath,<br />

Karl Marx, Wilhelm Wolff und viele ihrer Freunde. 1<br />

Diese Tradition wurde in ihrer langen Geschichte sowohl justiziell<br />

als auch äußerst ordinär gepflegt. Den geneigten<br />

Lesern werden dabei sofort die vielfältigsten Formen der<br />

Kriminalisierung und Ausschaltung bis hin zur politischen<br />

und physischen Vernichtung linker Kräfte in Erinnerung<br />

kommen.<br />

In jüngerer Vergangenheit gehört auch das unrühmliche<br />

Kapitel bundesdeutscher Geschichte und Justizgeschichte<br />

aus den 50er, 60er und 70er Jahren des vergangenen<br />

Jahrhunderts dazu, als die massenhafte Verfolgung von<br />

Kommunisten und anderen Linken wegen ihres Kampfes<br />

gegen die Remilitarisierung der Bundesrepublik Deutschland,<br />

für die Herstellung der Einheit Deutschlands und in der<br />

Friedensbewegung der Bundesrepublik überhaupt stattfand<br />

und damit verbunden eine Welle bundesdeutschen Staatsunrechts<br />

losbrach, — gerade 10 Jahre nach Ende des 2.<br />

Weltkrieges. Es erfolgte erneut eine Stigmatisierung dieser<br />

Kräfte mit Hilfe der Justiz. Die noch lebenden Opfer des<br />

KPD-Verbotes von 1956 z.B. kämpfen noch heute mit rechts-<br />

587


NACHWORT<br />

staatlichen Mitteln für ihre Rehabilitierung. Ihnen sind wir<br />

solidarisch verbunden.<br />

Wissend um diese Fakten gingen Millionen Bürger der DDR<br />

mit gemischten Gefühlen in das vereinigte Deutschland.<br />

Einerseits war davon auszugehen, dass nach den Verfassungen<br />

und Strafgesetzen beider deutscher Staaten, nach dem<br />

Einigungsvertrag vom 3. Oktober 1990 und nicht zuletzt nach<br />

dem internationalen Grundsatz des Rückwirkungsverbotes,<br />

eine strafrechtliche Verfolgung für hoheitliches Handeln nicht<br />

stattfinden darf. Eine solche Absichtserklärung war auch von<br />

der Bundesregierung bereits im Jahre 1956 in einem Memorandum<br />

„Zur Frage der Wiederherstellung der deutschen<br />

Einheit“ an die Regierungen der UdSSR, der USA sowie<br />

Frankreichs und Großbritanniens festgeschrieben worden. 2<br />

So waren viele Bürger der DDR voller Hoffnung und<br />

Erwartung auf ein friedlich vereinigtes deutsches Volk und<br />

ein friedliches Deutschland.<br />

Andererseits aber wussten sie auch, wer die Macht hat, hat<br />

das Recht. Diese Kenntnis und daraus resultierende Befürchtungen<br />

wurden nicht zuletzt durch die in jahrzehntelang<br />

praktizierter Kontinuität der Anti-DDR-Politik deutlich. Sie<br />

wurde von allen amtierenden Bundesregierungen variantenreich<br />

immer den jeweiligen politischen Bedingungen und<br />

Gegebenheiten angepasst, überdauerte somit die Jahrzehnte<br />

des Kalten Krieges und lebte nach dem Beitritt der DDR zur<br />

BRD am 3. Oktober 1990 verstärkt wieder auf. Wo immer es<br />

sich ergab, wurde und wird die DDR stets als „Unrechtsstaat“<br />

und als „Zweite deutsche Diktatur“ diffamiert. Mit der<br />

Formulierung des politischen Auftrages an die „unabhängige“<br />

bundesdeutsche Justiz im Jahre 1991, die der BRD<br />

beigetretene DDR als „Unrechtsstaat“ zu delegitimieren,<br />

bestätigte der damalige Bundesjustizminister Klaus Kinkel in<br />

gleichem Atemzug, dass die DDR ein legitimer Staat, ein von<br />

588


Siegfried Mechler<br />

der UNO und auch von der BRD anerkanntes Völkerrechtssubjekt<br />

war. Denn delegitimiert kann nur werden, was<br />

legitim war. Aber das war ja aus bundesdeutscher Sicht unerheblich!<br />

3<br />

Und so hob die politische Strafjustiz der Bundesrepublik<br />

Deutschland nach etwa 25 Jahren relativer Bescheidenheit,<br />

allerdings unterbrochen durch den am 28. Januar 1972 vom<br />

Bundeskanzler Willy Brandt und den Ministerpräsidenten<br />

der Länder gefassten Beschluss, der als „Radikalenerlass“ in<br />

die Geschichte einging, sich gegen die Bürger der damaligen<br />

Bundesrepublik Deutschland richtete und dem Berufsverbote<br />

in großer Zahl folgten, zu einem neuen Höhenflug ab.<br />

Seitdem werden insbesondere diejenigen Bürger der DDR<br />

mit Berufsverbot und Strafrente belegt, politisch und gesellschaftlich<br />

ausgegrenzt und durch die bundesdeutsche Justiz<br />

rechtswidrig strafverfolgt, die ihren Staat mit Leib und Seele<br />

als antifaschistische und sozialistische Alternative auf deutschem<br />

Boden errichteten und gestalteten, frei von jeglicher<br />

Form der Diktatur des Kapitals, kapitalistischer Ausbeutung,<br />

sozialer Unsicherheit und imperialistischem Machtstreben, ihm<br />

treu verbunden waren und aktiv mitgeholfen haben, die Sicherheit<br />

und Unantastbarkeit ihres Staates zu gewährleisten.<br />

Das geschah vor allem und geschieht noch immer unter<br />

bewusster Verletzung des Einigungsvertrages und internationaler<br />

Rechtsnormen, wie z.B. des Rückwirkungsverbotes,<br />

sowie unter Missachtung, krasser Verletzung, Verfälschung<br />

und Verkehrung des DDR-Rechts und der ihm innewohnenden<br />

Strafrechtsdoktrin. Die auf dieser Grundlage — am<br />

Gesetz vorbei — entwickelten absurden Rechtskonstruktionen<br />

sind ausschließlich dem Ziel untergeordnet, die politisch<br />

gewünschte Verurteilung von DDR-Verantwortungsträgern<br />

zu erreichen.<br />

589


NACHWORT<br />

In einem zum Teil noch stärkerem Maße wurden Biografien<br />

und berufliche Existenzen von Bürgern aus den alten<br />

Bundesländern der BRD und Westberlin zerstört und vernichtet,<br />

die auf den unterschiedlichsten Ebenen die DDR<br />

unterstützten.<br />

Somit war die Gründung der Gesellschaft zur rechtlichen und<br />

humanitären Unterstützung e.V. (GRH) am 19. Mai 1993, die<br />

als Opfer- und Widerstandsorganisation zugleich entstand,<br />

keine Aktion, sondern eine Reaktion auf die schon in Gang<br />

befindliche Diskriminierung und politische Verfolgung legitimen<br />

Handelns in der DDR und für die DDR sowie auf die<br />

Fortsetzung des Kalten Krieges im Gerichtssaal. 4<br />

Vorliegender Band legt Zeugnis ab von der Verfolgung, den<br />

ihr zugrunde liegenden Rechtskonstruktionen der bundesdeutschen<br />

Justiz, den Auswirkungen auf die Betroffenen und<br />

vom zehnjährigen Kampf der GRH als Organisation sowie<br />

ihrer Mitglieder und Sympathisanten gegen die rechtswidrige<br />

politische Strafverfolgung seit dem Beitritt der DDR zur<br />

BRD am 3. Oktober 1990.<br />

Natürlich geht es mit diesem Kampf auch weiterhin vordergründig<br />

darum, persönliches Leid von Betroffenen und ihren<br />

Familien abzuwenden oder zumindest durch differenzierten<br />

Beistand zu mildern. Zugleich ist es Ziel, dem Missbrauch<br />

wirksam entgegenzutreten, die Verfolgten als lebendigen und<br />

personifizierten Beleg für das so genannte „Unrechtsregime<br />

DDR“ darzustellen.<br />

Darüber hinaus ist der Widerstand dieser Opfer der heutigen<br />

politischen bundesdeutschen Justiz ein Beitrag dafür, dass<br />

der staatlichen Vereinigung auch das Zusammenwachsen des<br />

deutschen Volkes durch die legitime und staatsrechtliche<br />

Anerkennung des Arbeitens für die DDR folgen kann.<br />

Doch diese Erwartung wird wohl noch eine lange Zeit auf<br />

sich warten lassen.<br />

590


Siegfried Mechler<br />

Da die politische Strafverfolgung hoheitlichen Handelns für<br />

die DDR bei voller Anerkennung und Respektierung der<br />

bereits genannten nationalen und internationalen Rechtsdokumente<br />

nicht stattfinden dürfte, sie dennoch aber praktiziert<br />

wird, sind die Darstellungen zu den differenzierten und<br />

rechtswidrigen Rechtskonstruktionen zur Verfolgung von<br />

DDR-Verantwortungsträgern von besonderer Bedeutung.<br />

Gleichzeitig werden Hintergründe und Zusammenhänge<br />

deutlich, die den politisch und juristisch Interessierten und<br />

Gebildeten insbesondere auch nachfolgender Generationen<br />

die gegenwärtig praktizierte politische Strafverfolgung eindeutig<br />

als eklatanten Rechtsbruch erkennen lassen — im<br />

Gegensatz zu den von den Medien verbreiteten, überwiegend<br />

einseitigen, zum Teil verfälschten und politisch verzerrten<br />

Darstellungen.<br />

Bei der Beurteilung der politischen Strafverfolgung darf die<br />

Vormachtstellung des staatlich vereinigten Deutschlands in<br />

Europa nicht übersehen werden. Anders ist das Befolgen der<br />

deutschen Rechtsprechung, einschließlich der des Bundesverfassungsgerichtes<br />

durch den Europäischen Gerichtshof<br />

für Menschenrechte kaum zu begreifen.<br />

Indem die Politik ihr Primat gegenüber dem Recht durchsetzte,<br />

entstand und entsteht daraus weiterhin massenhaft<br />

juristisches Unrecht, dessen Beseitigung ebenso auf der<br />

Tagesordnung bleibt wie die Rehabilitierung der davon<br />

Betroffenen.<br />

Da in den vergangenen zehn Jahren der politischen Strafverfolgung<br />

so ziemlich alle denkbaren und absurden<br />

Rechtskonstruktionen ausgeschöpft wurden und in den verbleibenden<br />

Prozessen kaum noch neue juristische Winkelzüge<br />

zu erwarten sind, ist es berechtigt, dass sich die Autoren<br />

591


NACHWORT<br />

dieses Buches heute schon mit ihren juristischen Positionen<br />

— für die interessierte Öffentlichkeit nachvollziehbar — zu<br />

Wort melden. Für das Aufnehmen dieser Texte und gegebenenfalls<br />

das Einreihen in diesen Kampf der Mitglieder und<br />

Sympathisanten der GRH gegen die politische Strafverfolgung,<br />

auch zur Milderung der Strafe nach der Strafe, dem<br />

Tragen der Kosten infolge der Verurteilung, wünsche ich mir<br />

eine breite Leserschaft mit vielen erhellenden Einsichten in<br />

die politische Realität dieser Bundesrepublik Deutschland.<br />

Es ist mir ein tiefes Bedürfnis, allen Autoren dieses Kompendiums<br />

für ihre geleistete Arbeit herzlich zu danken. Die Arbeit ist<br />

ein wichtiger Beitrag der Rechenschaftslegung zum 10. Jahrestag<br />

der GRH und zugleich Grundlagenmaterial zur Fortsetzung<br />

des Kampfes gegen die politische Strafverfolgung.<br />

Besonderen Dank spreche ich Dr. Gerhard Eichhorn und<br />

Egon Schröder aus, die, assistiert von Bernhard Riebe, die<br />

vorliegende Arbeit lektorierten, für den Anhang verantwortlich<br />

zeichnen und Wesentliches zur inhaltlichen Abrundung<br />

und das pünktliche Erscheinen des Buches, auch in gemeinsamer<br />

Arbeit mit dem <strong>Kai</strong> <strong>Homilius</strong> <strong>Verlag</strong>, geleistet haben.<br />

Berlin, Mai 2003<br />

Siegfried Mechler<br />

Vorsitzender der GRH e.V.<br />

1 - MEW, Bd. 8, S.396, Dietz <strong>Verlag</strong> Berlin 1960.<br />

2 - Memorandum der Bundesregierung „Zur Frage der Wiederherstellung der deutschen<br />

Einheit“. In: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, 2.<br />

September 1956, Nr.169, S. 1625 ff. (Übergeben durch die Botschafter der<br />

Bundesrepublik in Moskau,Washington, Paris und London). (S. Dokumentenanhang)<br />

3 - Kinkel, Klaus: Begrüßungsansprache vor dem 15. Deutschen Richtertag am 23.<br />

September 1991 in Köln. In: DRiZ, Heft 1/1992, S. 4 ff. (S. Dokumentenanhang)<br />

4 - Gründungsaufruf der GRH vom 19. Mai 1993 (S. Dokumentenanhang)<br />

592


Personenregister<br />

Albrecht, Heinz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289, 454<br />

Anders, Hardi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244, 250<br />

Andert, Reinhold . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246<br />

Andre, Kurt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523<br />

Arnold, Jörg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112, 136, 510<br />

Bahr, Egon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />

Bahro, Rudolf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72, 190, 227<br />

Bartl, Klaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251<br />

Bastian, Till . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242, 248<br />

Bath, Mathias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248, 249<br />

Bauer, Fritz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272<br />

Bauer, Hans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 27 , 547<br />

Baumann, Dieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184<br />

Baumgarten, Klaus-Dieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351, 570<br />

Bazyli, Günter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569, 571, 575<br />

Beling, Ernst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267, 504<br />

Berg, Stefan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244<br />

Bergmann, Günther . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244<br />

Berlekamp, Hinnerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248<br />

Bischoff, Horst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 55, 71, 139, 275<br />

Blank, Theodor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250<br />

Blankenburg, Erhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128, 138<br />

Blau, Joachim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152, 239<br />

Böhme, Ibrahim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235<br />

Braumann, Marcel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241, 245<br />

Braun, Edgar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243<br />

Bräutigam, Hans-Otto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563<br />

Brooks, Adams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

Buchholz, Erich . . . 10, 64, 86, 253, 413, 414, 503, 519, 521, 524, 526, 563, 566<br />

Burges, Gerd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

Buri, Maximilian von . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267, 480, 509<br />

Burianek, Johann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216, 248


1. ANHANG<br />

Bush, George W. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83, 242, 248<br />

Castro, Fidel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183, 242<br />

Castro, Raoul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183<br />

Chrustschow, Nikita . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214, 309<br />

Church, Frank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241<br />

Coburger, Karli . . . . . . . . . . . . 9, 55, 71, 139, 162, 163, 225, 226, 239, 240, 275<br />

Deckwert, Sabine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249<br />

Dencker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499<br />

Diem, Ngo Dinh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183<br />

Diepgen, Eberhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178, 547<br />

Diestel, Peter-Michael . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238<br />

Dietze, Manfred . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244<br />

Dümde, Claus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244<br />

Dwars, Jens, F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250<br />

Eggert, Heinz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195, 196, 207, 245, 246<br />

Eichmann, Adolf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209<br />

Eigendorf, Lutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164, 173<br />

Eikermann, Helmut (alias: Eik, Jan) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241<br />

Eisenhower, Dwight D. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183<br />

Engberding, Rainer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243<br />

Engelhardt, Heinz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243<br />

Engels, Friedrich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568, 589<br />

Engst, Werner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10, 511<br />

Eppelmann, Rainer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

Esser, José . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135<br />

Ewald, Manfred . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225<br />

Fernitz, G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244<br />

Fiedler, Heinz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174<br />

Filbinger, Hans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449<br />

Föhrig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583<br />

Freiligrath, Ferdinand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589<br />

Friedrich, Jörg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

Fritsche, Ingo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249<br />

Fuchs, Jürgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190<br />

Füllgraf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572<br />

Gaida, Erich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10, 202-204, 247, 514, 553, 560<br />

Gartenschläger, Michael . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168, 169<br />

Gast, Gabriele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238, 243<br />

Gauck, Joachim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />

Geier, Bernhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10, 514, 539, 543, 548, 549<br />

594


Personenregister<br />

Gerlof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250<br />

Geschke, Heinz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10, 514, 567, 571<br />

Geschke, Martha . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567<br />

Geschke, Otto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567<br />

Goldbach, Joachim-Dieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584<br />

Gorbatschow, Michail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 582<br />

Gössner, Rolf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136<br />

Grimmer, Reinhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238, 240, 241, 244<br />

Grossmann, Werner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243, 244<br />

Grünwald, Gerald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499<br />

Grutza, Hans-Günther . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92<br />

Guevara, Che . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183<br />

Gysi, Gregor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142, 223, 235, 237, 250<br />

Häber, Gerhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377<br />

Hähnel, Siegfried . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244<br />

Hallier, Wolfgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583<br />

Hannover, Heinrich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238<br />

Hapke, Uwe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317<br />

Harich, Wolfgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29, 63, 72, 227<br />

Hassemer, Winfried . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454, 460<br />

Havel, J. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244<br />

Havemann, Robert . . . . . . . . . . . . . . . . 70, 85, 92, 221-223, 225-227, 396-402,<br />

Heitmann, Steffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34, 138, 207<br />

Helmrich, Herbert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413, 507<br />

Henniger, Rolf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570<br />

Heyer, Eleonore . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 67<br />

Hildebrandt, Rainer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168<br />

Hillenhagen, Horst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205-206, 247<br />

Hippel, Fritz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135<br />

Hirsch, Paul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553<br />

Hirsch, Rudolf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244<br />

Hoffmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240<br />

Hoffmann, Heinz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367<br />

Honecker, Erich . . . . . . . . . . . . . 16, 167, 176-178, 222, 225, 227, 300, 346, 400<br />

Hummitzsch, Manfred . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244<br />

Irmler, Werner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238, 240, 241, 245<br />

Jacobs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499<br />

Jahntz, Bernhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

Jendretzky, Hans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515, 529<br />

Jendretzky, Irmgard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10, 513, 515<br />

595


1. ANHANG<br />

Jescheck, Hans-Heinrich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267, 353, 487, 504, 506, 510<br />

Johnson, Lyndon B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183<br />

Jordan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569, 571<br />

Joseph, Detlef . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62, 66, 508<br />

Jürgens, Otto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446<br />

Kähne, V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

<strong>Kai</strong>ser, Hans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523<br />

Kant, Immanuel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267, 480<br />

Kaufmann, Arthur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137<br />

Kelle, Herbert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10, 511, 523<br />

Kennedy, John. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183<br />

Kenzler, Evelyn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64<br />

Keßler, Heinz . . . . . . . . . . . . . 289, 338, 346, 350, 355-357, 364, 365, 367, 376,<br />

454, 485, 486, 529, 537, 578<br />

Kienberg, Paul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245<br />

Kiesinger, Kurt, Georg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115<br />

Kinkel, Klaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 19, 31, 63, 87, 132, 135, 155, 237, 275,<br />

463, 494, 504, 572, 590, 594<br />

Klabuhn, Gerda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10, 513, 523, 529, 532<br />

Kleiber, Günter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549, 583<br />

Koenen, Bernhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553<br />

Koenen, Wilhelm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553<br />

Kohl, Helmut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 245, 300<br />

Körting, Ehrhart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535<br />

Kossakowski, Adolf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245, 246<br />

Kramp, Uwe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248<br />

Krenz, Egon . . . . . . . 289, 291, 307, 308, 346, 355, 357, 376, 538, 551, 578, 582<br />

Kühn, Herbert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214-216<br />

Kuhnisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583<br />

Kusche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162<br />

bin Laden, Osama . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242, 251<br />

Lambrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241<br />

Laufhütte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255, 349, 396<br />

Leo, Günter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571, 584<br />

Letzgus, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413, 507<br />

Limbach, Jutta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208, 227, 247<br />

Locke, John . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108<br />

Loewenstern, Enno von . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63, 504<br />

Lumumba, Patrice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183<br />

Lutter, (alias Götz Schlicht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249<br />

596


Personenregister<br />

Maihofer, Werner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152<br />

de Maiziere, Lothar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235<br />

Marcus, Ferdinand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242<br />

Marx, Karl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106, 589<br />

Marxen, Klaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65, 500, 510<br />

Mechler, Siegfried . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 547, 587<br />

Mecklenburg, Jens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249<br />

Meinerzhagen, Ulrich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34, 64<br />

Michael, Werner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571, 584<br />

Mielke, Erich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158, 159, 240<br />

Mielke, Michael . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250<br />

Mittig, Rudi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244<br />

Modrow, Hans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 16, 205<br />

Möller, Günther . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243, 244<br />

Montesquieu, Charles de Secondat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108<br />

Müller, Bodo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241<br />

Müller, Ingo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136<br />

Müller, Wilfried . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198, 199<br />

Müller/Lambrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241<br />

Müller-Enbergs, Helmut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240<br />

Neiber, Gerhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158-160, 241, 244<br />

Neubert, Erhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250<br />

Neumann, Alfred . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553<br />

Niebling, Gerhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192, 216-218, 221, 243, 244, 248, 249<br />

Nixon, Richard M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183<br />

Noriega, Manuel, A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209<br />

Nuschke, Otto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210<br />

Opitz, Willi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238, 240, 241, 244<br />

Oschlies, Renate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245<br />

Osterloh, Frank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572, 576<br />

Pannach, Gerulf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190<br />

Peters, Karl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287, 505<br />

Pfeiffer, G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102, 135<br />

Pieck, Wilhelm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436, 567<br />

Podewin, Norbert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135, 508<br />

Posser, Diether . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91, 251<br />

Priepke, Walther . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102, 136<br />

Procher, Bernhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69, 141<br />

Radbruch, Gustav . . . . . . . 112, 118-120, 136, 137, 333-335, 416, 460, 506, 510<br />

Ranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88<br />

597


1. ANHANG<br />

Rataizik, Siegfried . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192, 241, 244, 255<br />

Rautenberg, Erardo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

Rechenbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519<br />

Rehse, Hans-Joachim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70<br />

Renger, Reinhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246<br />

Rex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547<br />

Richter, Wolfgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66<br />

Riebe, Bernhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245, 594<br />

Riege, Gerhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235, 250<br />

Rietz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250<br />

Rittstieg, Helmut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33, 63<br />

Roggemann, Herwig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413, 499<br />

Rosenmüller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519<br />

Rothin, Ilona . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240<br />

Rovan, J. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137<br />

Rudel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204, 563<br />

Rüter, Christiaan Frederik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154, 155, 240<br />

Sandmeyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241<br />

Sarge, Günther . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 95, 136<br />

el Sawahri, Eiman . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242<br />

Schabowski, Günter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549, 583<br />

Schaefgen, Christoph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 36, 53, 66<br />

Schäfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519<br />

Schäfer, Horst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242<br />

Schäfer, Ilse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242<br />

Schalk-Golodkowski, Alexander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238<br />

Schäuble, Wolfgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 65, 159, 185, 243<br />

Schippert, Mark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542<br />

Schlicht, Götz (alias: Dr. Lutter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249<br />

Schlinck, Bernhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499<br />

Schmidt (StA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569, 571, 573<br />

Schmidt, Heinz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245<br />

Schmidt, Helmut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167<br />

Schnaar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521<br />

Schneider, Hartmut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .247<br />

Schneider, Heinrich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162<br />

Schneider, René . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183<br />

Schnittcher, Gerd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69, 177<br />

Schnur, Wolfgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235<br />

Schölzel, Arnold . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 21, 26, 242<br />

598


Personenregister<br />

Schroeder, Friedrich-Christian . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499, 506, 510<br />

Schubert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162, 163<br />

Schütt, Hans-Dieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250<br />

Schütt, Harry . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172<br />

Schwan, Heribert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174<br />

Schwanitz, Wolfgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161, 238, 240, 241, 245<br />

Schwengers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584<br />

Shritah, Nabil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170, 171, 240<br />

Sison, José-Maria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242<br />

Skiba, Dieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239<br />

Solf, Ursula . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156<br />

Sommer, Manfred . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229, 230<br />

Spendel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499<br />

Spinellis, Dionysios . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64, 503<br />

Standtke, Otto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519<br />

Steinberg, Karl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519<br />

Stelzer, Ehrenfried . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241<br />

Stöcker, Heinz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172<br />

Stolpe, Manfred . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235, 250<br />

Strahl, Jürgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566<br />

Strehlow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179, 241<br />

Streletz, Fritz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289, 454, 537, 578<br />

Strobel, Günte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584<br />

Suckut, Siegfried . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238<br />

Süß, Sonja . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245<br />

Taler, Conrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

Teichmann, Dieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584<br />

Thiele, Frank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572, 576<br />

Thieme, Hans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135<br />

Tiedge, Hans-Joachim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238<br />

Trujillo, Raffael . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183<br />

Tucholsky, Kurt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

Ulbricht, Walter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214, 308, 553<br />

Utech, Lydia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191, 244<br />

Vogel, Wolfgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220, 221, 249<br />

Voigt, Helmut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170, 171<br />

Vollnhals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224<br />

Volze, Armin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246<br />

Vormbaum, Thomas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77, 91, 499<br />

Voss, Knut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242<br />

599


1. ANHANG<br />

Wagner, Helmut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238<br />

Wagner, Mathias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238<br />

Wallenberg, Markus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240<br />

Walther, Helmut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317<br />

Walther, Udo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317<br />

Weinhold, Werner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160, 164-167<br />

Weinrich, Johannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170, 171<br />

Weizsäcker, Richard von . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185, 243<br />

Welsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174, 175<br />

Wenk, Karin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250<br />

Werle, Gerhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65, 500, 510<br />

Wesel, Uwe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 43, 64, 499<br />

Whitney, Craig R. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249<br />

Wieland, Günther . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

Wielgohs, Jan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240<br />

Wiesenthal, Simon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155<br />

Winkler, K.-H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454<br />

Wolf, Markus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160, 172, 189, 244<br />

Wolf, Reinhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195, 196, 245, 246<br />

Wolff, Friedrich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185, 243, 244, 371<br />

Wolff, Wilhelm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589<br />

Wöllner, Erich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571<br />

Zeigert, Konrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135<br />

Zimmer, Jochen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238, 251<br />

600


Abwehr<br />

➝ Militärische Abwehr<br />

. . . . . . . . . . . 148, 163, 205, 208, 310<br />

AGM<br />

➝ Arbeitsgruppe des Ministers<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172, 173<br />

Akten des MfS<br />

➝ Stasi-Akten, Stasi-Unterlagen,<br />

Akten, Archivalien, Aktensammlung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 157<br />

Akten<br />

➝ Stasi-Akten, Stasi-Unterlagen,<br />

Akten des MfS, Archivalien,<br />

Aktensammlung . . . . . . . 38, 52,<br />

124, 132, 157, 216, 278, 329<br />

Aktensammlung<br />

➝ Stasi-Akten, Stasi-Unterlagen,<br />

Akten des MfS, Archivalien,<br />

Akten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154<br />

Aktion „Rosenholz“<br />

➝ Rosenholz-Aktion . . . . . . . . 187<br />

Alliierte Besatzungszone<br />

➝ Besatzungsrecht, Besatzungsmacht,<br />

SMAD, Sowjetische<br />

Militäradministration, Alliierter<br />

Kontrollrat in Deutschland,<br />

SKK, Sowjetische Kontrollkommission<br />

in Deutschland . . . . 539<br />

Alliierter Kontrollrat in<br />

Deutschland<br />

➝ Besatzungsrecht, Besatzungsmacht,<br />

SMAD, Sowjetische<br />

Militäradministration, Alliierte<br />

Besatzungszone, SKK, Sowje-<br />

Sachwortverzeichnis<br />

tische Kontrollkommission in<br />

Deutschland . . . 92, 93, 114, 117,<br />

136, 137, 508, 518, 521<br />

Altfälle<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 263, 270, 456<br />

Amerikanischer Geheimdienst<br />

➝ CIA, Central Intelligence<br />

Agency . . . . . . . . . . . . . . . . . 229<br />

Amnestie<br />

➝ Amnestiegesetz, Straferlass,<br />

Straffreiheit, Strafverfolgungsbeendigung,<br />

Verzicht auf Strafverfolgung<br />

. . . . . . . . . . . . 50, 245<br />

Amnestiegesetz<br />

➝ Amnestie, Straferlass, Straffreiheit,Strafverfolgungsbeendigung,<br />

Verzicht auf Strafverfolgung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . 45, 144<br />

Amtsanmaßung<br />

➝ Tatvorwurf . . . . . . . . 39, 161, 198<br />

Amtsmissbrauch<br />

➝ Tatvorwurf . . . . . . . . . . . . 16, 39<br />

Amtsträger<br />

➝ Hoheitsträger, Hoheitsakte<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16, 54, 217<br />

Anklage<br />

➝ Anklageerhebung, Anklagebehörde<br />

. . . 15, 16, 54, 56, 60 69, 72,<br />

73, 75, 83, 84, 86, 89, 99, 121, 128,<br />

160, 163, 164, 171, 175, 189, 199, 208,<br />

216, 217, 224, 226, 245, 380, 406, 407,<br />

409, 410, 411, 443, 516, 543, 564, 570,<br />

571, 572, 573<br />

601


2. ANHANG<br />

Anklagebehörde<br />

➝ Anklageerhebung, Anklage<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34, 131, 226<br />

Anklageerhebung<br />

➝ Anklage, Anklagebehörde<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37, 58, 59,<br />

161, 406, 407, 408, 411, 412, 434<br />

Anstellungsbetrug<br />

➝ Tatvorwurf . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />

Anstiftung<br />

➝ Anstiftungskette, Kettenanstiftung<br />

. . . . 268, 347, 349, 350, 352,<br />

353, 355, 361, 362, 364, 365, 372, 406,<br />

407, 411, 483, 485, 486, 489, 491, 492<br />

Anstiftungskette<br />

➝ Anstiftung, Kettenanstiftung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 348, 349, 352,<br />

360, 361, 362, 486, 491, 492<br />

Antifaschist<br />

. . . . . . . . 44, 111, 271, 452, 517, 527<br />

Anwaltskosten<br />

➝ Verfallsgelder, Geldbuße, Verfahrenskosten,<br />

Justizkasse, Strafe<br />

nach der Strafe, Forderungen,<br />

Gerichtskosten, Gebühren,<br />

Haftkosten . . . . . . . . . . . . . . . 90<br />

Äquivalenztheorie<br />

. . . . . . . . . . . . . . 267, 377, 480, 481<br />

Arbeitsgemeinschaft 13. August<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168<br />

Arbeitsgruppe des Ministers<br />

➝ AGM . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172<br />

Archivalien<br />

➝ Stasi-Akten, Stasi-Unterlagen,<br />

Akten des MfS, Akten, Aktensammlung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . 154<br />

Attentat<br />

➝ Mordvorhaben, Mordanschlag,<br />

Mordmafia, Mordaktion,<br />

Polizistenmord, Doppelmörder,<br />

602<br />

Giftmord, Giftakte, Mordbefehl,<br />

Mordkommando, Hort von Morden,<br />

Mord, Politische Morde,<br />

Mordvorwurf<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 176, 177, 241<br />

Aufarbeitung<br />

➝ strafrechtliche Aufarbeitung,<br />

DDR-Vergangenheit, Systemvergangenheit<br />

. . . . . . 31, 63, 65,<br />

66, 69, 113, 135, 173, 227, 263, 265,<br />

288, 307, 434, 498, 499, 500, 501,<br />

502, 504, 510<br />

Aufenthaltsbeschränkung<br />

. . . . . . . . . . . . 85, 221, 225, 401, 507<br />

Aufklärungstätigkeit<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160, 184<br />

Auskunftsverweigerung<br />

➝ Aussageverweigerung<br />

Auslandsnachrichtendienst<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186<br />

Auslandsnachrichtendienst der<br />

DDR<br />

➝ HVA, Hauptverwaltung<br />

Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . 186<br />

Auslegung<br />

➝ extensive Auslegung . . . . 17, 43,<br />

81, 113, 315, 316, 320, 321, 322-325,<br />

329, 334, 335, 336, 339, 341, 342, 343,<br />

344, 383, 388, 389, 391, 402, 405, 413,<br />

415, 417, 418, 423, 428, 429, 430, 475<br />

Ausreise<br />

➝ Ausreisefreiheit . . . . . . . 87, 120,<br />

193, 219, 338<br />

Ausreisefreiheit<br />

➝ Ausreise . . . . . . . . . . . . 337, 387<br />

Aussageerpressung<br />

➝ Tatvorwurf . . . . . . . . . . 211, 212,<br />

216, 217


Beauftragter der Bundesregierung<br />

➝ BstU, Gauck-Behörde, Bundesbeauftragter,<br />

Birthler-Behörde,<br />

Gauck-Lesebuch . . . . . . . . . . 38<br />

Beendigung der Strafverfolgung<br />

➝ Schlussgesetz, Strafverfolgungsbeendigungsgesetz<br />

. . . 49, 50, 65<br />

Befehlskette<br />

➝ Befehlslage . . . . . . . . . 294, 295,<br />

352, 360, 363, 491<br />

Befehlslage<br />

➝ Befehlskette . . . . . . . . . 291, 296,<br />

322, 324, 326, 327, 328, 344, 360, 459<br />

Beihilfe<br />

. . . . . . . . . . 170, 198, 222, 226, 268,<br />

347, 357, 358, 359, 364, 366, 372, 376,<br />

406, 407, 450, 483, 489, 490, 514, 570<br />

Beitritt<br />

➝ Einverleibung, Deutsche Einheit,<br />

Kolonialisierung . . . . . 29, 30, 35,<br />

255, 258, 261, 340, 346, 384, 386, 387,<br />

457, 462, 464, 495, 590, 592<br />

Beitrittsgebiet<br />

. . . . . . . 35, 64, 66, 91, 239, 258, 504<br />

Beobachtung und Ermittlung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162<br />

Berufsverbot<br />

➝ Berufsverlust, Berufsverbotspraxis<br />

. . . . 60, 143, 228, 251, 591<br />

Berufsverbotspraxis<br />

➝ Berufsverlust, Berufsverbot<br />

Berufsverlust<br />

➝ Berufsverbot, Berufsverbotspraxis<br />

Besatzungsmacht<br />

➝ Besatzungsrecht, Alliierte<br />

Besatzungszone, SMAD, Sowjetische<br />

Militäradministration,<br />

Alliierter Kontrollrat in Deutsch-<br />

Sachwortverzeichnis<br />

land, SKK, Sowjetische Kontrollkommission<br />

in Deutschland<br />

. . . . 86, 276, 435, 436, 437, 438, 445<br />

Besatzungsrecht<br />

➝ Alliierte Besatzungszone, Besatzungsmacht,<br />

SMAD, Sowjetische<br />

Militäradministration,<br />

Alliierter Kontrollrat in Deutschland,<br />

SKK, Sowjetische Kontrollkommission<br />

in Deutschland<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86, 210, 439<br />

Beschwerde<br />

➝ Verfassungsbeschwerde, Rechtsbeschwerde,Menschenrechtsbeschwerde<br />

. . . . . . . . . . . 60, 219, 523, 534, 535,<br />

537, 577, 578<br />

Beugehaft<br />

. . . . . . . . . . . . . . 100, 229, 230, 569<br />

Bewährung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . 53, 54, 55, 84, 89,<br />

189, 198, 216, 219, 514, 526, 531, 536,<br />

538, 540, 549, 585, 586<br />

Beweis<br />

➝ Beweisrecht, Beweiswürdigung,<br />

Beweismittel, Beweisantrag,<br />

Beweiskonstruktion, Beweiserhebung,<br />

Beweisführung,<br />

Beweisaufnahme . . . . . . . 25, 32,<br />

120, 125, 149, 150, 151, 158, 169, 174,<br />

181, 190, 191, 212, 213, 218, 280, 285,<br />

287, 325, 379, 427, 434, 470, 492, 494,<br />

558, 562<br />

Beweisantrag<br />

➝ Beweis, Beweiswürdigung,<br />

Beweismittel, Beweisrecht,<br />

Beweiskonstruktion, Beweiserhebung,<br />

Beweisführung,<br />

Beweisaufnahme . . . . . 129, 279,<br />

284, 285<br />

603


2. ANHANG<br />

Beweisaufnahme<br />

➝ Beweis, Beweiswürdigung,<br />

Beweismittel, Beweisantrag,<br />

Beweiskonstruktion, Beweiserhebung,<br />

Beweisführung,<br />

Beweisrecht . . . . . . . . . 126, 127,<br />

219, 278, 282, 287, 290, 293, 314,<br />

316, 325, 327, 402, 430<br />

Beweiserhebung<br />

➝ Beweis, Beweiswürdigung,<br />

Beweismittel, Beweisantrag,<br />

Beweiskonstruktion, Beweisrecht,<br />

Beweisführung, Beweisaufnahme<br />

. . . . . 58, 123, 129, 158<br />

Beweisführung<br />

➝ Beweis, Beweiswürdigung,<br />

Beweismittel, Beweisantrag,<br />

Beweiskonstruktion, Beweiserhebung,<br />

Beweisrecht, Beweisaufnahme<br />

. . . . . . . 126, 127, 156,<br />

179, 180, 223, 278, 577<br />

Beweiskonstruktion<br />

➝ Beweis, Beweiswürdigung, Beweismittel,<br />

Beweisantrag, Beweisrecht,<br />

Beweiserhebung, Beweisführung,<br />

Beweisaufnahme . . 125<br />

Beweismittel<br />

➝ Beweis, Beweiswürdigung,<br />

Beweisrecht, Beweisantrag,<br />

Beweiskonstruktion, Beweiserhebung,<br />

Beweisführung,<br />

Beweisaufnahme . . . . . 126, 279,<br />

282, 285, 323<br />

Beweisrecht<br />

➝ Beweis, Beweiswürdigung,<br />

Beweismittel, Beweisantrag,<br />

Beweiskonstruktion, Beweiserhebung,<br />

Beweisführung,<br />

Beweisaufnahme . . . . . 125, 272,<br />

278, 279, 280, 281, 283, 285<br />

604<br />

Beweiswürdigung<br />

➝ Beweis, Beweisrecht, Beweismittel,<br />

Beweisantrag, Beweiskonstruktion,<br />

Beweiserhebung,<br />

Beweisführung, Beweisaufnahme<br />

. . . . . . . . 41, 277, 279,<br />

280, 281-283, 287 397, 449, 561<br />

BGH<br />

➝ Bundesgerichtshof . . . 40, 41, 43,<br />

44-46, 64, 65, 88, 91, 92, 111, 115,<br />

122, 123, 127, 128, 138, 167, 189, 198,<br />

200, 224, 226, 230-232, 243, 246, 247,<br />

249, 255, 256, 284, 290, 291, 318, 320-<br />

322, 324, 326, 327, 329, 330-332, 334-<br />

336, 338-340, 342-346, 351-353, 355,<br />

356, 371-377, 380, 385, 386, 388, 390,<br />

391, 393, 394, 397-399, 402, 403, 406-<br />

408, 412, 419, 420, 422, 425, 428, 447,<br />

454, 455, 468, 469, 474, 484, 486-488,<br />

493, 495, 502, 505-510, 578<br />

Birthler-Behörde<br />

➝ BstU, Beauftragter der Bundesregierung,<br />

Bundesbeauftragter,<br />

Gauck-Behörde, Gauck-Lesebuch<br />

BKA<br />

➝ Bundeskriminalamt . . . 556, 557<br />

BMJ<br />

➝ Bundesjustizministerium<br />

BND<br />

➝ Bundesnachrichtendienst, BRD-<br />

Geheimdienst, Verfassungsschutz,<br />

LfV . . . . . . . 31, 148, 187,<br />

218, 238, 243, 251, 555<br />

BRD-Geheimdienst<br />

➝ Bundesnachrichtendienst, BND,<br />

Verfassungsschutz, LfV 148, 208<br />

BRD-Justiz<br />

➝ Politische Strafjustiz . . . 47, 531,<br />

537, 543


BRD-Recht<br />

➝ Recht der BRD . . . . . . . 43, 130<br />

BRD-Strafrecht<br />

➝ Strafrecht<br />

BRD-Unrecht<br />

➝ juristisches Unrecht, Unrecht im<br />

Rechtsstaat<br />

BstU<br />

➝ Gauck-Behörde, Beauftragter<br />

der Bundesregierung,<br />

Bundesbeauftragter, Birthler-<br />

Behörde, Gauck-Lesebuch<br />

Bundesbeauftragter<br />

➝ BstU, Beauftragter der Bundesregierung,<br />

Gauck-Behörde,<br />

Birthler-Behörde, Gauck-<br />

Lesebuch . . . . . . . . . . . . . . . 147<br />

Bundesgerichtshof<br />

➝ BGH . . . . . . . . 40, 41, 70, 71, 75,<br />

76, 79, 80, 82, 84, 85, 102, 124, 162,<br />

171, 225, 255, 273, 274, 291, 298, 301,<br />

309, 317-319, 321-323, 325, 327, 329-<br />

331, 333, 335, 336, 338-341, 343-345,<br />

349, 350, 352, 354, 355, 357, 358, 366,<br />

371-374, 377, 379, 380, 381, 383, 390,<br />

393, 395, 396, 399, 400, 402, 403, 405-<br />

408, 411-416, 426, 427, 433, 453, 462,<br />

467, 468, 470, 477, 493, 494, 498, 500,<br />

523, 543, 577<br />

Bundesjustizministerium<br />

➝ BMJ . . . . . . . . . . . . . . 31, 88, 155<br />

Bundeskriminalamt<br />

➝ BKA . . . . . . . . . . . . . . . 186, 243<br />

Bundesnachrichtendienst<br />

➝ BRD-Geheimdienst, BND,<br />

Verfassungsschutz, LfV . . . . 168<br />

Bundesverfassungsgericht<br />

➝ BverfG, Bundesverfassungsrichter<br />

. . . . . . . . . 41, 60, 71, 117,<br />

123, 160, 163, 188, 202, 208, 227, 229,<br />

Sachwortverzeichnis<br />

255, 289, 291, 320, 328, 338, 385, 404,<br />

405, 428, 446, 454, 456, 457, 460, 472,<br />

494, 498, 523, 543, 577, 593<br />

Bundesverfassungsrichter<br />

➝ BverfG, Bundesverfassungsgericht<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 456<br />

Bürgerkrieg<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33, 63<br />

BverfG<br />

➝ Bundesverfassungsgericht,<br />

Bundesverfassungsrichter<br />

. . . . . . . . . . . . . . . 41, 45, 60, 65, 91,<br />

108, 115, 117, 122, 123, 137, 138, 166,<br />

188, 240, 243, 255, 270, 291, 313, 315,<br />

321, 333, 334, 338, 340, 375, 390, 404,<br />

405, 416, 454, 455, 458-460, 472, 474,<br />

502, 504, 506, 507, 509, 578<br />

Central Intelligence Agency<br />

➝ CIA, Amerikanischer<br />

Geheimdienst<br />

CIA<br />

➝ Central Intelligence Agency,<br />

Amerikanischer Geheimdienst<br />

. . . . . . . . . . . . . . 187, 209, 218, 242<br />

DBT<br />

➝ Deutscher Bundestag . . . 63, 137<br />

DDR-Justiz<br />

➝ Justizorgane, Oberstes Gericht,<br />

Gericht der DDR, Untersuchungsorgane<br />

. . . . 39, 86, 154,<br />

240, 259, 271, 431, 433, 465<br />

DDR-Recht<br />

➝ Recht der DDR, Rechtspflege<br />

. . . 40, 41, 43, 47, 112, 118, 120, 124,<br />

125, 128, 130, 149, 206, 231-233, 256,<br />

259-261, 266, 268, 270, 275, 279, 318,<br />

319, 323, 325, 332, 337, 339, 340, 342,<br />

347-354, 361-363, 365, 370, 372, 376,<br />

377, 379, 383, 388, 393, 394, 399, 404-<br />

406, 408, 411, 414-416, 419-422, 425,<br />

605


2. ANHANG<br />

433, 434, 452-454, 456, 458, 461, 465,<br />

467, 474, 477, 486, 491, 493, 494, 497,<br />

499, 502, 591<br />

DDR-Sport<br />

➝ Sport, Turn- und Sportbund,<br />

Sportfunktionär, Trainer, Sportärzte,<br />

Sportwissenschaftler,<br />

DTSB, Sportverräter . . . . . . . 55<br />

DDR-Strafrecht<br />

. . . . . . . . 47, 126, 257, 264, 266-268,<br />

361, 394, 456, 461, 475, 477, 480, 481,<br />

483, 485-488, 492, 493, 497, 500<br />

DDR-Unrecht<br />

➝ Unrechtsstaat, Unrechtsregime,<br />

Systemunrecht, Unrechtsgehalt<br />

. . . . . . . . . 34, 36, 37, 56, 58, 65, 66,<br />

69, 263, 265, 288, 307, 434, 498, 501<br />

DDR-Vergangenheit<br />

➝ strafrechtliche Aufarbeitung,<br />

Aufarbeitung, Systemvergangenheit<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />

Deal<br />

➝ Handel vor Gericht . . . 100, 113,<br />

130, 131, 213, 537, 563, 586<br />

Delegitimierung<br />

. . . . . . . . 87, 192, 196, 227, 496, 543<br />

Denunziation<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55, 231, 234<br />

Deutsche Einheit<br />

➝ Einverleibung, Beitritt, Kolonialisierung<br />

… 26, 30, 63, 65, 243, 583<br />

Deutscher Bundestag<br />

➝ DBT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

Deutscher Richtertag<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31, 63<br />

Devisendelikt<br />

➝ Devisenvergehen, Verletzung<br />

des Devisengesetzes, Tatvorwurf<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85, 396<br />

606<br />

Devisenvergehen<br />

➝ Devisendelikt, Verletzung des<br />

Devisengesetzes, Tatvorwurf<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226<br />

Diffamierung<br />

. . . . . . . . . . . . . . 29, 33, 51, 63, 142<br />

Diskreditierung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />

Diskriminierung<br />

. . 29, 33, 48, 58, 63, 65, 90, 185, 188,<br />

237, 557, 583, 592<br />

Doping<br />

➝ Dopingkampagne, Dopinggefahr,<br />

Dopingpraxis, Dopingopfer, Tatvorwurf<br />

. . . . . . . . 39, 48, 55, 184<br />

Dopinggefahr<br />

➝ Dopingkampagne, Doping,<br />

Dopingpraxis, Dopingopfer<br />

Dopingkampagne<br />

➝ Doping, Dopinggefahr, Dopingpraxis,<br />

Dopingopfer<br />

Dopingopfer<br />

➝ Dopingkampagne, Dopinggefahr,<br />

Dopingpraxis, Doping<br />

Dopingpraxis<br />

➝ Dopingkampagne, Dopinggefahr,<br />

Doping, Dopingopfer<br />

Doppelmörder<br />

➝ Mordvorhaben, Mordanschlag,<br />

Mordmafia, Mordaktion, Polizistenmord,<br />

Mord, Giftmord,<br />

Giftakte, Mordbefehl, Mordkommando,<br />

Hort von Morden,<br />

Attentat, Politische Morde,<br />

Mordvorwurf . . . . . . . . . . . . 164<br />

Doppelstrategie<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290, 419<br />

Drehbuch<br />

➝ Drehbuchfälle . . . . . . . . 225, 398


Drehbuchfälle<br />

➝ Drehbuch . . . . . . . . . . . 398, 402<br />

DTSB<br />

➝ DDR-Sport, Turn- und Sportbund,<br />

Sportfunktionär, Trainer,<br />

Sportärzte, Sportwissenschaftler,<br />

Sport, Sportverräter<br />

Durchleuchtungsgeräte<br />

➝ Röntgenstrahlen, Verstrahlung,<br />

Spur der Strahlen, Röntgengeräte<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 190<br />

EGMR<br />

➝ Europäischer Gerichtshof für<br />

Menschenrechte, Straßburg,<br />

Strasbourg . . . . . . . . . . . . . . . 60<br />

Einverleibung<br />

➝ Deutsche Einheit, Beitritt,<br />

Kolonialisierung . . . . . . 141-143<br />

Einziehung und Entnahme von<br />

Geld- und Wertgegenständen<br />

➝ Postraub, Postkontrolle<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197, 199<br />

Embargo<br />

➝ staatliches Ausfuhrverbot,<br />

Embargo-Handel . . 202, 203, 55<br />

Embargohandel<br />

➝ Embargo-Handel, Geldtransfer,<br />

Immobilien, Wirtschaftsstrafdelikt,<br />

Devisenvergehen, staatliches<br />

Ausfuhrverbot, Embargo<br />

Enquete-Kommission<br />

➝ Eppelmann-Kommission<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29, 51<br />

Eppelmann-Kommission<br />

➝ Enquete-Kommission . . . . . . 29<br />

Erfassungsstelle Salzgitter<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38, 217<br />

Ermittlungsverfahren<br />

➝ EV, E-Verfahren . . . . 32, 34, 37,<br />

45, 49, 52, 53, 55-57, 59, 60, 77, 78,<br />

Sachwortverzeichnis<br />

124, 134, 143, 145, 150-152, 157-159,<br />

160, 161, 163, 167, 168, 177, 178, 182,<br />

187, 194, 198, 201, 206, 208, 211, 212,<br />

216, 221, 224, 225, 230, 240, 400, 406-<br />

409<br />

Erzwingungshaft<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561, 562<br />

Europäischer Gerichtshof für<br />

Menschenrechte<br />

➝ EGMR, Straßburg, Strasbourg<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60<br />

EV<br />

➝ Ermittlungsverfahren,<br />

E-Verfahren<br />

E-Verfahren<br />

➝ EV, Ermittlungsverfahren<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52, 53<br />

extensive Auslegung<br />

➝ Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . 245<br />

Fahrlässigkeit<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299<br />

Fallgruppen<br />

➝ menschenrechtliche Defizite,<br />

Menschenrechtsverletzung<br />

. . . . . . . . . . . 43, 76, 80, 82, 354, 488<br />

Festnahme<br />

➝ Verhaftung . . . . . . . . . . 215, 292,<br />

313, 557, 574<br />

Feststellungen, tatsächliche<br />

. . . . . . . . . 37, 45, 82, 102, 121, 123,<br />

125, 127, 156, 182, 197, 200, 223, 248,<br />

281-284, 286, 287, 291, 297, 301, 303,<br />

306-310, 323, 343-345, 349, 413,<br />

427,449, 452, 458, 465, 475, 489, 490,<br />

500, 525, 534<br />

Finale Handlungslehre<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 122, 123, 133<br />

Finanzmanipulation<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201<br />

607


2. ANHANG<br />

Flucht<br />

➝ Fluchtwilliger, Fluchthelfer,<br />

Flüchtling . . . . . . . . . . . 205, 230,<br />

306, 324, 325, 328, 571<br />

Fluchthelfer<br />

➝ Fluchtwilliger, Flucht, Flüchtling<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168, 275<br />

Flüchtling<br />

➝ Fluchtwilliger, Fluchthelfer,<br />

Flucht, Grenzverletzer, Grenzprovokateur,<br />

Ungesetzlicher<br />

Grenzübertritt, Grenzdurchbruch,<br />

Grenzprovokation<br />

. . . . . . . . . . . . . . 292, 294, 321, 327,<br />

341, 342, 346, 356, 367, 369, 376<br />

Fluchtwilliger<br />

➝ Flucht, Fluchthelfer, Flüchtling<br />

. . . . . . . . . . 295, 302, 304-306, 373,<br />

374, 392, 480<br />

Forderungen<br />

➝ Verfallsgelder, Geldbuße, Verfahrenskosten,<br />

Justizkasse, Strafe<br />

nach der Strafe, Gerichtskosten,<br />

Anwaltskosten, Gebühren,<br />

Haftkosten . . . . . . . . . . . . 50, 51,<br />

174, 193, 421,0 453, 524, 537<br />

Freiheitsberaubung<br />

➝ Tatvorwurf, Strafvorwurf<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39, 84, 86,<br />

189, 195, 207, 211, 212<br />

Freiheitsstrafe<br />

. . . . . . . 53-55, 59, 79, 82, 84, 86, 89,<br />

164, 167, 189, 198, 219, 390, 391, 441,<br />

514, 532, 536, 54, 560, 565, 585<br />

Freispruch<br />

➝ Freisprüche . . . . . . . . 55, 57, 91,<br />

111, 131, 166, 169, 198, 219, 223, 225,<br />

232, 233, 371, 380, 403, 522, 576<br />

Freisprüche<br />

➝ Freispruch . . . 58, 72, 73, 89, 531<br />

608<br />

Fremdbewertung<br />

➝ Fremdrechtsanwendung . . . . 18,<br />

404, 426, 427, 503<br />

Fremdjustiz<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 404, 416<br />

Fremdrechtsanwendung<br />

➝ Fremdbewertung . . . . . . . 40, 41,<br />

459, 261-264, 416<br />

Gauck-Behörde<br />

➝ BstU, Beauftragter der Bundesregierung,<br />

Bundesbeauftragter,<br />

Birthler-Behörde, Gauck-<br />

Lesebuch . . . . . . 40, 42, 155, 157,<br />

185, 187, 193, 194, 222, 224, 230,<br />

233, 235, 238, 243<br />

Gauck-Lesebuch<br />

➝ BstU, Beauftragter der Bundesregierung,<br />

Bundesbeauftragter,<br />

Birthler-Behörde, Gauck-<br />

Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . 251<br />

GBM<br />

➝ Gesellschaft für Bürgerrechte<br />

und Menschenwürde . . . . . . . 45<br />

Gebrauch von Schusswaffen<br />

➝ Schusswaffengebrauchsbestimmung,<br />

Schießbefehl, Schusswaffenanwendung,Schusswaffengebrauch<br />

. . 295, 296, 299,<br />

305, 324, 356, 359, 459, 485<br />

Gebühren<br />

➝ Verfallsgelder, Geldbuße, Verfahrenskosten,<br />

Justizkasse, Strafe<br />

nach der Strafe, Forderungen,<br />

Anwaltskosten, Gerichtskosten,<br />

Haftkosten . . . . . . . . . . . 61, 204<br />

Gedenkstätte<br />

➝ Gedenkstätte Hohenschönhausen<br />

. . . . . . . . . . . . . . 180, 181<br />

Gedenkstätte Hohenschönhausen<br />

➝ Gedenkstätte


Geheimdienstliche Agententätigkeit<br />

➝ Tatvorwurf . . . . . . . . . . . 39, 187<br />

Geldbuße<br />

➝ Verfallsgelder, Gerichtskosten,<br />

Verfahrenskosten, Justizkasse,<br />

Strafe nach der Strafe, Forderungen,<br />

Anwaltskosten, Gebühren,<br />

Haftkosten . . . . . . . 84, 131, 151,<br />

228, 531<br />

Geldtransfer<br />

➝ Wirtschaftsstrafdelikt, Immobilien,<br />

Embargohandel, Devisenvergehen<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . 206<br />

Gerechtigkeit<br />

. . . . . . . . . . . . . . . 88, 115-118, 125,<br />

332, 333, 334, 335, 345, 346, 394, 395,<br />

398, 402, 418, 419, 421, 422, 425, 426,<br />

443, 460, 524, 525, 585<br />

Gericht der DDR<br />

➝ Justizorgane, Oberstes Gericht,<br />

DDR-Justiz, Untersuchungsorgane<br />

. . . . . . 138, 179, 215, 429<br />

Gerichtskosten<br />

➝ Verfallsgelder, Geldbuße, Verfahrenskosten,<br />

Justizkasse, Strafe<br />

nach der Strafe, Forderungen,<br />

Anwaltskosten, Gebühren, Haftkosten<br />

. . . . . . . . 61, 85, 151, 228<br />

Gesellschaft für Bürgerrechte und<br />

Menschenwürde<br />

➝ GBM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />

Gesellschaft zur rechtlichen und<br />

humanitäre Hilfe<br />

➝ GRH . . . . . . . . . 48, 65, 519, 522,<br />

592, 594<br />

Gesetz<br />

➝ Gesetzesbegriff . . . . . . 50, 62-65,<br />

73, 75-79, 81-83, 87, 91-93, 98, 101,<br />

102, 104, 105, 107-110, 115, 117-124,<br />

127-130, 132-138, 149, 163, 166, 205,<br />

Sachwortverzeichnis<br />

208, 236, 238-240, 244, 246, 259, 260,<br />

265, 293, 300, 302, 310, 311, 313, 315,<br />

318, 321, 324, 329, 331, 334-336, 339-<br />

343, 346, 347, 350, 353, 361, 378, 379,<br />

381, 382, 384-386, 388-391, 394-396,<br />

400, 403-406, 410, 413, 414, 416, 425,<br />

428, 429, 436, 438, 442, 444, 447, 448,<br />

452, 457, 458, 460, 463, 465, 466, 467,<br />

469, 471, 472, 478, 485, 488, 491, 493,<br />

495, 502-509, 513, 518, 530, 532, 534,<br />

540, 568, 573, 574, 583, 591<br />

Gesetzesbegriff<br />

➝ Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383<br />

Gesinnungsstrafrecht<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142<br />

Gewalt<br />

➝ Gewaltbegriff . . . . . . . . . 22, 106,<br />

109, 179, 212, 314, 502<br />

Gewaltbegriff<br />

➝ Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . 418<br />

Gewaltenteilung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16, 108, 109<br />

Giftakte<br />

➝ Mordvorhaben, Mordanschlag,<br />

Mordmafia, Mordaktion, Polizistenmord,<br />

Doppelmörder,<br />

Giftmord, Mord, Mordbefehl,<br />

Mordkommando, Hort von<br />

Morden, Attentat, Politische<br />

Morde, Mordvorwurf . . . . . . 182<br />

Giftmord<br />

➝ Mordvorhaben, Mordanschlag,<br />

Mordmafia, Mordaktion, Polizistenmord,<br />

Doppelmörder,<br />

Mord, Giftakte, Mordbefehl,<br />

Mordkommando, Hort von Morden,<br />

Attentat, Politische Morde,<br />

Mordvorwurf . . . . . . . . 182, 241<br />

Gleichbehandlung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

609


2. ANHANG<br />

Gnadengesuch<br />

➝ Gnadenrecht . . . . 525, 545, 550,<br />

585<br />

Gnadenrecht<br />

➝ Gnadengesuch<br />

Grenzdienst<br />

➝ Grenze, Grenzgebiet, Staatsgrenze,<br />

Unverletzlichkeit, Sicherung,<br />

Klassenauftrag, Jahresbefehl<br />

. . . 295, 296, 325, 360, 362,<br />

480, 574<br />

Grenzdurchbruch<br />

➝ Flüchtling, Grenzprovokateur,<br />

Ungesetzlicher Grenzübertritt,<br />

Grenzverletzer, Grenzprovokation<br />

. . . . . . . . . . . . 290, 222, 297,<br />

326, 348, 361, 362, 364, 374, 394,<br />

459, 484, 573, 574, 580<br />

Grenze<br />

➝ Staatsgrenze, Grenzgebiet,<br />

Grenzdienst, Unverletzlichkeit,<br />

Sicherung, Klassenauftrag,<br />

Jahresbefehl . . . . . . . . . . . 39, 54,<br />

165, 166, 241, 289, 294, 296, 308,<br />

317, 320, 339, 348, 350, 356, 357,<br />

362, 363, 369, 391, 417, 422, 423,<br />

425, 436, 492, 543, 544, 553, 570<br />

Grenzgebiet<br />

➝ Grenze, Staatsgrenze, Grenzdienst,<br />

Unverletzlichkeit, Sicherung,<br />

Klassenauftrag, Jahresbefehl<br />

… 165, 168, 169, 294, 310, 317<br />

Grenzprovokateur<br />

➝ Flüchtling, Grenzverletzer,<br />

Ungesetzlicher Grenzübertritt,<br />

Grenzdurchbruch, Grenzprovokation<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 168<br />

Grenzprovokation<br />

➝ Flüchtling, Grenzprovokateur,<br />

Ungesetzlicher Grenzübertritt,<br />

610<br />

Grenzdurchbruch, Grenzverletzer<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168<br />

Grenzverletzer<br />

➝ Flüchtling, Grenzprovokateur,<br />

Ungesetzlicher Grenzübertritt,<br />

Grenzdurchbruch, Grenzprovokation<br />

. . . . . . . . . . . 87, 303-305,<br />

312, 314, 316, 326, 327, 331, 336,<br />

341, 363, 368, 369, 374, 485, 544,<br />

573-575, 577<br />

GRGA<br />

➝ Radbruchformel, Gustav-<br />

Radbruch-Forum, Gustav<br />

Radbruch . . . . 118, 119, 137, 506<br />

GRH<br />

➝ Gesellschaft zur rechtlichen und<br />

humanitäre Hilfe … 48-50, 52, 60,<br />

65, 519, 522, 526, 547, 562, 566, 586<br />

Gustav-Radbruch-Forum<br />

➝ GRGA, Radbruchformel,<br />

Gustav Radbruch . . . . 112, 136,<br />

137, 506, 510<br />

Haft<br />

➝ Strafvollzug, Haftantritt, Strafantritt,<br />

Vollzugsunfähigkeit,<br />

Strafunterbrechung . . . . . . . . 59,<br />

158, 159, 168, 169, 175, 194, 210,<br />

211, 216, 217, 229, 231, 245, 435,<br />

514, 516, 522, 523, 525, 535, 536,<br />

540, 545, 548, 550, 560, 563, 565,<br />

566, 577, 578, 582, 583, 585<br />

Haftantritt<br />

➝ Haft, Strafvollzug, Strafantritt,<br />

Vollzugsunfähigkeit, Strafunterbrechung<br />

. . . . . . . . 523, 532, 551,<br />

578, 579<br />

Haftbefehl<br />

. . . . . . . . . . . . . . 159, 160, 162, 171,<br />

247, 411-413, 532-535, 541, 557, 558,<br />

561, 562, 570, 571


Haftkosten<br />

➝ Verfallsgelder, Geldbuße, Verfahrenskosten,<br />

Justizkasse, Strafe<br />

nach der Strafe, Forderungen,<br />

Anwaltskosten, Gebühren,<br />

Gerichtskosten . . . . . . . 538, 546<br />

Häftlingsfreikauf<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />

Haftverschonung<br />

➝ Strafausstand auf Dauer . . . 220,<br />

545, 547<br />

Hallstein-Doktrin<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

Handel vor Gericht<br />

➝ Deal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />

Handeln auf Befehl<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344, 450<br />

Hauptverhandlung<br />

. . . . . . 58, 84, 86, 117, 129, 133, 162,<br />

163, 175, 194, 225, 279, 281, 285, 411,<br />

444, 447, 531, 541, 542, 557, 563-565<br />

Hauptverwaltung Aufklärung<br />

➝ HVA, Auslandsnachrichtendienst<br />

der DDR . . . . . . 171, 201<br />

Hintermann<br />

➝ Täter hinter dem Täter, Tatherrschaft<br />

. . . . . . . 352-355, 487, 488<br />

Hitler<br />

➝ Hitler-Regime . . . . . . . 272-274,<br />

442, 448, 469, 518<br />

Hitler-Regime<br />

➝ Hitler . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333<br />

Hoheitliches Handeln<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65, 590<br />

Hoheitsakte<br />

➝ Hoheitsträger, Amtsträger<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />

Hoheitsträger<br />

➝ Hoheitsakte, Amtsträger . . . 17,<br />

18, 97, 255, 257, 288, 334, 343-345,<br />

Sachwortverzeichnis<br />

379, 429, 453-455, 458, 459, 461, 476,<br />

477, 479, 482, 493-500, 502<br />

Hort von Morden<br />

➝ Mordvorhaben, Mordanschlag,<br />

Mordmafia, Mordaktion, Polizistenmord,<br />

Doppelmörder, Giftmord,<br />

Giftakte, Mordbefehl,<br />

Mordkommando, Mord, Attentat,<br />

Politische Morde, Mordvorwurf<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179<br />

HVA<br />

➝ Hauptverwaltung Aufklärung,<br />

Auslandsnachrichtendienst der<br />

DDR . . . . . . . 145, 160, 172, 187,<br />

202, 210, 243, 255, 257<br />

IM<br />

➝ Inoffizieller Mitarbeiter . . . 144,<br />

175, 211, 228-231, 233-235, 237, 245,<br />

249-251<br />

Immobilien<br />

➝ Geldtransfer, Wirtschaftsstrafdelikt,<br />

Embargohandel, Devisenvergehen<br />

. . . . . . . . . . . . 205, 220<br />

Initiativgemeinschaft zum Schutz<br />

der sozialen Rechte ehemaliger<br />

Angehöriger der bewaffneten<br />

Organe und der Zollverwaltung der<br />

DDR e.V.<br />

➝ ISOR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />

Inoffizieller Mitarbeiter<br />

➝ IM . . . . . . . . . . . . . 146, 162, 210<br />

Inquisitionsklima<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235<br />

ISOR<br />

➝ Initiativgemeinschaft zum Schutz<br />

der sozialen Rechte ehemaliger<br />

Angehöriger der bewaffneten<br />

Organe und der Zollverwaltung<br />

der DDR e.V. . . . . . . . . . 49, 251,<br />

546, 566<br />

611


2. ANHANG<br />

Jahresbefehl<br />

. . . 293-295, 297, 358-360, 363, 366,<br />

489-492, 570, 572, 573<br />

Jahresbefehl<br />

➝ Grenze, Grenzgebiet, Grenzdienst,<br />

Unverletzlichkeit, Sicherung,<br />

Klassenauftrag, Staatsgrenze<br />

. . 293, 294, 295, 297, 358-<br />

360, 363, 366, 489-492, 570, 572, 573<br />

juristisches Unrecht<br />

➝ BRD-Unrecht, Unrecht im<br />

Rechtsstaat . . . . . . . . . 497, 593<br />

Justiz<br />

➝ Justizorgane, justizförmig,<br />

Sonderjustiz . . . . . . 15-18, 21-25,<br />

29, 31-33, 35, 39-41, 51, 56, 63, 70,<br />

91, 97, 98, 101, 104, 107, 109, 111,<br />

112, 121, 122, 133-135, 142, 148, 151,<br />

154, 196, 204, 207, 221, 222, 224, 225,<br />

228, 237, 240, 247, 263, 269-273, 276,<br />

284, 340, 343, 358, 379, 380, 392, 415,<br />

416, 424, 437, 438, 463, 465, 471, 475,<br />

478, 481, 494-497, 499, 513, 520, 526,<br />

531, 532, 545, 547, 548, 550, 555, 557,<br />

563, 566, 584, 585, 589-592<br />

justizförmig<br />

➝ Justizorgane, Justiz, Sonderjustiz<br />

. . . . . . . . . . . 307, 379, 403, 410, 465<br />

Justizgeschichte<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261, 589<br />

Justizkasse<br />

➝ Verfallsgelder, Geldbuße, Verfahrenskosten,<br />

Gerichtskosten,<br />

Strafe nach der Strafe, Forderungen,<br />

Anwaltskosten, Gebühren,<br />

Haftkosten . . . . . . . . . 61, 90<br />

Justizorgan<br />

➝ Justiz, justizförmig, Sonderjustiz,<br />

DDR-Justiz, Oberstes Gericht,<br />

Gericht der DDR, Unter-<br />

612<br />

suchungsorgane . . . . . 39, 47, 57,<br />

65, 121, 382, 523, 524, 530<br />

Justizvollzugsanstalt<br />

➝ JVA . . . . . 523, 545, 558, 578, 579<br />

JVA<br />

➝ Justizvollzugsanstalt . . . . . . 523,<br />

524, 548, 549, 551, 578, 579, 583-585<br />

Kalter Krieg<br />

➝ kalter Krieger . . . . . 38, 91, 112,<br />

136, 142, 153, 164, 189, 208, 212,<br />

221, 228, 236, 247, 274, 445, 544,<br />

577, 590, 592<br />

kalter Krieger<br />

➝ Kalter Krieg . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

Kampfgruppe gegen<br />

Unmenschlichkeit<br />

➝ KgU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284<br />

Kausal<br />

➝ Kausalität, Kausalzusammenhang,<br />

Kausalitätsauffassung<br />

. . . . . . . 306, 359, 376, 483, 484, 490<br />

Kausalität<br />

➝ Kausal, Kausalzusammenhang,<br />

Kausalitätsauffassung<br />

. . . . . . . . . . 267, 360, 363, 376, 475,<br />

479, 483, 492<br />

Kausalitätsauffassung<br />

➝ Kausal, Kausalzusammenhang,<br />

Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . 481<br />

Kausalzusammenhang<br />

➝ Kausal, Kausalität, Kausalitätsauffassung<br />

. . . . . . . 292, 295, 297,<br />

305, 306, 348, 359, 363, 371, 475,<br />

479, 480, 483, 492<br />

Kaution<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562, 563<br />

Kettenanstiftung<br />

➝ Anstiftungskette, Anstiftung<br />

348, 349, 352, 360-362, 486, 491, 492


KgU<br />

➝ Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . 248<br />

Klassenauftrag<br />

➝ Grenze, Grenzgebiet, Grenzdienst,<br />

Unverletzlichkeit, Sicherung,<br />

Staatsgrenze, Jahresbefehl<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 291, 292, 326<br />

Klassenjustiz<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

Kolonialisierung<br />

➝ Einverleibung, Beitritt, Deutsche<br />

Einheit<br />

Kommunistische Partei<br />

Deutschlands<br />

➝ KPD-Verbot, Verbotsprozesse<br />

KPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192<br />

Kontrollrat<br />

. . . . . . . . 92, 93, 114, 117, 136, 137,<br />

518, 521<br />

Körperverletzung<br />

➝ Misshandlung, Tatvorwurf<br />

. . . . . . . . . . . . . . . 39, 42, 54, 55, 74,<br />

195, 207, 211, 217, 245<br />

KPD-Verbot<br />

➝ Kommunistische Partei Deutschlands,<br />

Verbotsprozesse KPD<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589<br />

Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen<br />

➝ Kriegsverbrechen . . . . . . . . . 437<br />

Kriegsverbrechen<br />

➝ Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen<br />

. . . . . . 153, 435, 439,<br />

440, 461, 462<br />

Kriminalisierung<br />

➝ kriminell, Kriminelle Organisation<br />

. . . 9, 29, 47, 49, 56, 141, 160,<br />

184, 211, 219, 228, 496, 520, 565, 589<br />

Sachwortverzeichnis<br />

kriminell<br />

➝ Kriminalisierung, Kriminelle<br />

Organisation . . . . . . . 25, 26, 32,<br />

39, 44, 56, 57, 100, 141, 146, 164, 183,<br />

185, 186, 205, 207, 211, 248, 275, 283,<br />

288, 316, 460, 513, 579, 580<br />

kriminelle Organentnahme<br />

➝ Organentnahme . . . . . . . . . . . 39<br />

kriminelle Organisation<br />

➝ kriminell, Kriminalisierung . . 44<br />

Kronzeuge<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 130, 175, 575<br />

Kundschafter<br />

. . . . . . . . . . 48, 51, 55, 62, 145, 163,<br />

186, 228, 229, 232, 243, 338<br />

Küstenschutzschiff<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179<br />

KZ<br />

➝ Naziverbrechen, Nazi- und<br />

Kriegsverbrechen, NS-Verbrechen,<br />

Tötungsverbrechen, Nürnberger<br />

Urteil, Nürnberger Prinzipien<br />

. . . 180, 271, 516, 519, 567<br />

Landeskriminalamt<br />

➝ LKA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556<br />

Landesverrat<br />

➝ Tatvorwurf . . . . . . . . . 39, 55, 189<br />

Legaldefinition<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267, 477<br />

Legalitätsprinzip<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47, 130<br />

Legitimation<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32, 438<br />

LfV<br />

➝ Bundesnachrichtendienst, BND,<br />

Verfassungsschutz, BRD-<br />

Geheimdienst<br />

LKA<br />

➝ Landeskriminalamt<br />

613


2. ANHANG<br />

Menschenhandel<br />

➝ Menschenhändler, Menschenhändlerbande,Menschenhändlerorganisation<br />

. . . . . . . . 73, 100<br />

Menschenhändler<br />

➝ Menschenhandel, Menschenhändlerbande,Menschenhändlerorganisation<br />

. . . . . . . 164, 174<br />

Menschenhändlerbande<br />

➝ Menschenhändler, Menschenhandel,Menschenhändlerorganisation<br />

. . . . . . . . . . . 248<br />

Menschenhändlerorganisation<br />

➝ Menschenhändler, Menschenhändlerbande,<br />

Menschenhandel<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174<br />

Menschenrecht<br />

➝ Menschenrechtsschutz,<br />

Menschenrechtskonvention,<br />

Menschenrechtspakt . . . . 17, 27,<br />

31, 60, 80, 81, 88, 112, 114, 118, 128,<br />

134, 136, 137, 236, 370, 376, 384-386,<br />

391, 393, 419, 421, 428, 429, 461, 503,<br />

505, 537, 543, 578, 593<br />

menschenrechtliche Defizite<br />

➝ Menschenrechtsverletzung,<br />

Fallgruppen<br />

Menschenrechtsausschuss<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60<br />

Menschenrechtsbeschwerde<br />

➝ Verfassungsbeschwerde,<br />

Rechtsbeschwerde, Beschwerde<br />

Menschenrechtskonvention<br />

➝ Menschenrechtsschutz,<br />

Menschenrecht, Menschenrechtspakt<br />

. . . . . . . 119, 258, 299,<br />

338, 385, 389, 446, 453<br />

Menschenrechtspakt<br />

➝ Menschenrechtsschutz,<br />

Menschenrechtskonvention,<br />

614<br />

Menschenrecht . . . . . . 336, 337,<br />

389, 459<br />

Menschenrechtsschutz<br />

➝ Menschenrecht, Menschenrechtskonvention,Menschenrechtspakt<br />

. . . . . . . . . . . . . . . 422<br />

Menschenrechtsverletzung<br />

➝ menschenrechtliche Defizite,<br />

Fallgruppen . . . . . 43, 44, 80, 81,<br />

385, 388, 389 392, 394, 395, 398<br />

Menschenwürde<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49, 123, 520<br />

Menschlichkeit<br />

. . . 149, 153, 332, 345, 440, 461, 462<br />

MfS-Haftanstalt<br />

➝ UHA, Stasi-Gefängnis, Untersuchungshaftanstalt<br />

. . . . . . . 219<br />

milderes Gesetz<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78<br />

Militärische Abwehr<br />

➝ Abwehr . . . . . . . . . . . . . . . . 167<br />

Militärjurist<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322<br />

Minen<br />

➝ Minenverlegung, Selbstschussanlagen<br />

. . . . . 294, 295, 305, 306,<br />

351, 367, 368, 459<br />

Minenverlegung<br />

➝ Minen, Selbstschussanlagen … 54<br />

Misshandlung<br />

➝ Körperverletzung . . . . . 39, 519<br />

mittelbare Täterschaft<br />

➝ Täterschaft . . . . . . 351-353, 372,<br />

376, 487<br />

Mord<br />

➝ Mordvorhaben, Mordanschlag,<br />

Mordmafia, Mordaktion, Polizistenmord,<br />

Doppelmörder, Giftmord,<br />

Giftakte, Mordbefehl,<br />

Mordkommando, Hort von


Morden, Attentat, Politische<br />

Morde, Mordvorwurf, Tatvorwurf<br />

. . . 23, 39, 86, 170, 241, 296,<br />

315, 319, 347, 350, 355, 372, 455, 462,<br />

464, 471, 474, 486, 518<br />

Mordaktion<br />

➝ Mordvorhaben, Mordanschlag,<br />

Mordmafia, Mord, Polizistenmord,<br />

Doppelmörder, Giftmord,<br />

Giftakte, Mordbefehl, Mordkommando,<br />

Hort von Morden,<br />

Attentat, Politische Morde,<br />

Mordvorwurf . . . . . . . . . . . . 172<br />

Mordanschlag<br />

➝ Mordvorhaben, Mord, Mordmafia,<br />

Mordaktion, Polizistenmord,<br />

Doppelmörder, Giftmord,<br />

Giftakte, Mordbefehl, Mordkommando,<br />

Hort von Morden,<br />

Attentat, Politische Morde,<br />

Mordvorwurf . . . . . . . . . . . . 167<br />

Mordbefehl<br />

➝ Mordvorhaben, Mordanschlag,<br />

Mordmafia, Mordaktion, Polizistenmord,<br />

Doppelmörder, Giftmord,<br />

Giftakte, Mord, Mordkommando,<br />

Hort von Morden,<br />

Attentat, Politische Morde,<br />

Mordvorwurf . . . . . . . . . . . . 242<br />

Mordkommando<br />

➝ Mordvorhaben, Mordanschlag,<br />

Mordmafia, Mordaktion, Polizistenmord,<br />

Doppelmörder,<br />

Giftmord, Giftakte, Mordbefehl,<br />

Mord, Hort von Morden, Attentat,<br />

Politische Morde, Mordvorwurf<br />

. . . . . 162, 163, 165, 172, 174<br />

Mordmafia<br />

➝ Mordvorhaben, Mordanschlag,<br />

Mord, Mordaktion, Polizisten-<br />

Sachwortverzeichnis<br />

mord, Doppelmörder, Giftmord,<br />

Giftakte, Mordbefehl, Mordkommando,<br />

Hort von Morden,<br />

Attentat, Politische Morde,<br />

Mordvorwurf . . . . . . . . . . . . 165<br />

Mordvorhaben<br />

➝ Mord, Mordanschlag, Mordmafia,<br />

Mordaktion, Polizistenmord,<br />

Doppelmörder, Giftmord,<br />

Giftakte, Mordbefehl, Mordkommando,<br />

Hort von Morden,<br />

Attentat, Politische Morde,<br />

Mordvorwurf . . . . . 164, 167, 172<br />

Mordvorwurf<br />

➝ Mordvorhaben, Mordanschlag,<br />

Mordmafia, Mordaktion, Polizistenmord,<br />

Doppelmörder,<br />

Giftmord, Giftakte, Mordbefehl,<br />

Mordkommando, Hort von<br />

Morden, Attentat, Politische<br />

Morde, Mord . . . . . . 9, 157, 164,<br />

167, 172<br />

mutmaßlich<br />

➝ mutmaßlicher Wille (der Staatsund<br />

Parteiführung)<br />

mutmaßlicher Wille (der Staatsund<br />

Parteiführung)<br />

➝ mutmaßlich . . . . . . 437, 464-466<br />

Nationaler Verteidigungsrat<br />

➝ NVR . . . . . . . 348, 359, 364, 490,<br />

Naturrecht<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . 78, 118-120, 133<br />

Nazi- und Kriegsverbrechen<br />

➝ Naziverbrechen, NS-Verbrechen,<br />

KZ, Tötungsverbrechen, Nürnberger<br />

Urteil, Nürnberger Prinzipien<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 153<br />

Naziverbrechen<br />

➝ NS-Verbrechen, Nazi- und Kriegsverbrechen,<br />

KZ, Tötungsverbre-<br />

615


2. ANHANG<br />

chen, Nürnberger Urteil, Nürnberger<br />

Prinzipien . . . 44, 149, 524<br />

Nötigung<br />

➝ Tatvorwurf . . . 100, 195, 217, 218<br />

Notwehr<br />

. . . . . . 166, 177, 178, 268, 304, 370,<br />

374, 375<br />

NS-Sondergericht<br />

➝ Sondergericht<br />

NS-Verbrechen<br />

➝ Naziverbrechen, Nazi- und Kriegsverbrechen,<br />

KZ, Tötungsverbrechen,<br />

Nürnberger Urteil, Nürnberger<br />

Prinzipien, Verbrechen<br />

. . . . . . 9, 86, 141, 152-154, 239, 240,<br />

333, 435, 438, 439, 471, 472, 474, 475,<br />

509, 520<br />

NS-Volksgerichtshof<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70<br />

Nürnberger Prinzipien<br />

➝ Naziverbrechen, Nazi- und Kriegsverbrechen,<br />

KZ, Tötungsverbrechen,<br />

Nürnberger Urteil, NS-<br />

Verbrechen . . . . . . . . . . . . . . 452<br />

Nürnberger Urteil<br />

➝ Naziverbrechen, Nazi- und Kriegsverbrechen,<br />

KZ, Tötungsverbrechen,<br />

NS-Verbrechen, Nürnberger<br />

Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . 452<br />

NVR<br />

➝ Nationaler Verteidigungsrat<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 348, 356, 359<br />

Oberstes Gericht<br />

➝ Justizorgane, DDR-Justiz,<br />

Gericht der DDR, Untersuchungsorgane<br />

. . . . . . 138, 215,<br />

429, 440<br />

Opferbiographie<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148<br />

616<br />

Organentnahme<br />

➝ kriminelle Organentnahme<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39, 132<br />

Passkontrolle<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174<br />

Personenschutz<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 143, 176, 178<br />

Pilotprozess<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 162, 188, 198<br />

Politische Morde<br />

➝ Mordvorhaben, Mordanschlag,<br />

Mordmafia, Mordaktion, Polizistenmord,<br />

Doppelmörder, Giftmord,<br />

Giftakte, Mordbefehl,<br />

Mordkommando, Hort von<br />

Morden, Attentat, Mord, Mordvorwurf<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . 183<br />

Politische Strafjustiz<br />

➝ BRD-Justiz . . 434, 494, 495, 590<br />

politische Treuepflicht<br />

➝ Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . 102<br />

Polizistenmord<br />

➝ Mordvorhaben, Mordanschlag,<br />

Mordmafia, Mordaktion, Mord,<br />

Doppelmörder, Giftmord, Giftakte,<br />

Mordbefehl, Mordkommando,<br />

Hort von Morden, Attentat,<br />

Politische Morde, Mordvorwurf<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240<br />

Positives Recht<br />

. . . 115, 120, 332, 415, 416, 418, 433<br />

Postkontrolle<br />

➝ Postraub, Einziehung und Entnahme<br />

von Geld- und Wertgegenständen,<br />

Tatvorwurf . . 174<br />

Postraub<br />

➝ Postkontrolle, Einziehung und<br />

Entnahme von Geld- und<br />

Wertgegenständen . . . . 200, 246


Potsdamer Abkommen<br />

. . . . . . . 307, 435, 442, 443, 452, 453<br />

Psychiatrie<br />

➝ Psychiatrische Anstalt, Psychiatriemissbrauch,<br />

Psychopharmaka<br />

. . . . . . . . . 9, 132, 190, 193, 195, 245<br />

Psychiatriemissbrauch<br />

➝ Psychiatrische Anstalt,<br />

Psychiatrie, Psychopharmaka<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193<br />

Psychiatrische Anstalt<br />

➝ Psychiatrie, Psychiatriemissbrauch,<br />

Psychopharmaka . . . 39<br />

Psychopharmaka<br />

➝ Psychiatrische Anstalt,<br />

Psychiatriemissbrauch,<br />

Psychiatrie . . . . . . . . . . . . . . 193<br />

Quellenenttarnung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186, 187<br />

Radbruchformel<br />

➝ GRGA, Gustav-Radbruch-<br />

Forum, Gustav Radbruch . . 118<br />

RAF<br />

➝ Rote Armee Fraktion, RAF-<br />

Mitglieder . . . . . . . . . . . 158, 159<br />

RAF-Mitglieder<br />

➝ RAF, Rote Armee Fraktion<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159<br />

Recht<br />

➝ Rechtsfolgen, Rechtsbruch,<br />

rechtswidrig, Rechtsirrtum,<br />

Rechtsprechung . . . . . . 9, 16, 18,<br />

21-26, 29-31, 33, 35, 42, 43, 60, 70,<br />

77-79, 81, 88, 95, 97, 102, 104, 111,<br />

113, 115-121, 125, 133, 137, 147-150,<br />

164, 188, 197, 212, 226, 236, 258, 260-<br />

262, 264-266, 270, 281, 286, 310, 318,<br />

330-334, 337, 339, 344, 350, 352-355,<br />

378, 382, 384, 385, 387, 388, 399, 405,<br />

413-416, 418, 421, 422, 433, 439, 448,<br />

Sachwortverzeichnis<br />

451, 456, 459-462, 488, 489, 495, 499,<br />

506, 507, 513, 520, 525, 543, 569, 590,<br />

593<br />

Recht der BRD<br />

➝ BRD-Recht . . 120, 133, 229, 230<br />

Recht der DDR<br />

➝ DDR-Recht, Rechtspflege<br />

. . 18, 30, 35, 40, 46, 77, 79, 198, 211,<br />

212, 309, 330, 331, 335, 338, 355, 358,<br />

371, 375, 376, 380, 381, 383, 386-388,<br />

411, 416, 419, 421, 422, 487, 489, 530<br />

Rechtfertigung<br />

➝ Rechtfertigungsgrund . . . 16, 32,<br />

118, 329, 330, 340, 345, 478<br />

Rechtfertigungsgrund<br />

➝ Rechtfertigung . . . . . . . 167, 319,<br />

320, 330-332, 338, 339, 368, 456-458,<br />

460, 479<br />

Rechtsanwendung<br />

➝ Rechtsanwendungsrecht . . . . 75,<br />

78, 259, 261, 267, 333, 381, 404, 415,<br />

417, 419, 422, 425, 475-477<br />

Rechtsanwendungsrecht<br />

➝ Rechtsanwendung . . . . . . . . 381<br />

Rechtsbeschwerde<br />

➝ Verfassungsbeschwerde,<br />

Beschwerde, Menschenrechtsbeschwerde<br />

Rechtsbeugung<br />

➝ Tatvorwurf . . . . . . . . . . . . . 9, 39,<br />

42-44, 54, 59, 69, 70-78, 81, 82, 84,<br />

86-88, 91, 121, 127, 161, 207, 211,<br />

227, 236, 255, 257, 266, 278, 300-303,<br />

357, 378-381, 384, 385, 390-399,<br />

402-407, 411-414, 416, 420, 424, 425,<br />

429, 431, 438, 439, 444, 446-448, 450,<br />

452, 470, 499, 513, 515, 518, 521, 531,<br />

532, 594<br />

Rechtsbruch<br />

➝ Rechtsfolgen, Recht, rechtswid-<br />

617


2. ANHANG<br />

rig, Rechtsirrtum, Rechtsprechung<br />

. . . . . . . . 78, 132, 461, 463,<br />

468, 474, 494, 495, 593<br />

Rechtsfolgen<br />

➝ Recht, Rechtsbruch, rechtswidrig,<br />

Rechtsirrtum, Rechtsprechung<br />

. . . . . . . 260, 391, 392, 425<br />

Rechtsfrieden<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32, 190<br />

Rechtsirrtum<br />

➝ Rechtsfolgen, Rechtsbruch,<br />

rechtswidrig, Recht, Rechtsprechung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 450<br />

Rechtskonstruktionen<br />

. . . . 9, 80, 82, 11, 113, 122, 591-593<br />

Rechtsmittel<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 59, 60, 75, 87<br />

Rechtspflege<br />

➝ Recht der DDR, DDR-Recht<br />

. . . . . . . . . . . . 25, 106, 136, 276, 471<br />

Rechtsprechung<br />

➝ Rechtsfolgen, Rechtsbruch,<br />

rechtswidrig, Rechtsirrtum,<br />

Recht . . . . . . . . . . 15, 16, 40, 41,<br />

71, 75, 76, 78, 79, 81, 82, 103, 108,<br />

111, 113, 122-125, 128, 133, 148, 199,<br />

200, 224, 246, 255, 256, 266, 302, 319,<br />

353, 366, 372, 380, 381, 383, 385, 392,<br />

396, 400, 415, 417, 420, 428, 429, 432,<br />

433, 446, 450, 451, 456, 474, 493-495,<br />

499-501, 507, 583, 593<br />

Rechtssicherheit . . . . . 78, 103, 104,<br />

118, 119, 266, 333, 355, 378, 414, 420,<br />

421, 488, 493, 532<br />

Rechtsstaat<br />

➝ rechtsstaatlich, rechtsstaatswidrig<br />

. . . . .62, 63, 65, 66, 99, 104 105,111,<br />

115, 118-120, 122, 124, 133,135, 269,<br />

300, 329, 343, 367, 494, 504, 513, 536<br />

618<br />

rechtsstaatlich<br />

➝ Rechtsstaat, rechtsstaatswidrig<br />

. . . . . . . . . . 9, 31, 36, 37, 41, 56, 83,<br />

108, 111-113, 124, 189, 190, 231, 236,<br />

237, 274, 324, 404, 416, 420, 427, 455,<br />

459, 464, 466-468, 472, 474, 475, 495,<br />

498, 501, 589<br />

rechtsstaatswidrig<br />

➝ rechtsstaatlich, Rechtsstaat<br />

. . . . . . 64, 73, 91, 239, 420 469, 504<br />

rechtswidrig<br />

➝ Rechtsfolgen, Rechtsbruch,<br />

Recht, Rechtsirrtum, Rechtsprechung<br />

. . . . . . . . 22, 155, 166, 198,<br />

217, 226, 261, 268, 304, 317, 319,<br />

320, 328, 329, 333, 336, 338-340,<br />

342, 353, 362, 370, 371, 374, 384,<br />

385, 389, 397, 433, 452, 455, 458,<br />

459, 470, 474, 478, 479, 487, 493,<br />

501, 502, 533, 571, 576, 591-593<br />

Regierungs- und Vereinigungs-<br />

Kriminalität<br />

➝ ZERV, RVK, Sonderbereich der<br />

Kriminalpolizei . . . . . 36, 37, 69,<br />

98, 141<br />

Rehabilitierung<br />

➝ Rehabilitierungsverfahren, strafrechtliche<br />

. . . . . . . 38, 49, 64, 72,<br />

91, 111, 221, 239, 265, 497, 504,<br />

586, 589, 593<br />

Rehabilitierungsverfahren<br />

➝ Rehabilitierung, strafrechtliche<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38, 265<br />

Rekonstruktion des Sachverhaltes<br />

➝ Sachverhaltsverfälschung,<br />

Sachverhalt, Rekonstruktion des<br />

Tatgeschehens . . . . . . . . 10, 257,<br />

286-288, 290<br />

Rekonstruktion des Tatgeschehens<br />

➝ Sachverhaltsverfälschung, Sach-


verhalt, Rekonstruktion des<br />

Sachverhaltes . . . . 281, 286, 287,<br />

289<br />

Revision<br />

➝ Revisionsrecht, Revisionsverfahren,<br />

Revisionsurteil, revisionssichere<br />

Abfassung, Revisionsgericht<br />

. . . . . . 76-78, 84, 89, 171,<br />

198, 226, 231-233, 277, 284, 285,<br />

287, 342, 343, 356, 357, 371, 380,<br />

387, 402, 416, 444, 447, 449, 450,<br />

454, 458, 523, 531<br />

Revisionsgericht<br />

➝ Revisionsrecht, Revisionsverfahren,<br />

Revisionsurteil, revisionssichere<br />

Abfassung, Revision<br />

. . . . . . . 277, 280, 281, 283-285, 323,<br />

427, 449, 450, 518<br />

Revisionsrecht<br />

➝ Revision, Revisionsverfahren,<br />

Revisionsurteil, revisionssichere<br />

Abfassung, Revisionsgericht<br />

. . . . . . . 280, 286, 301, 328, 427, 449<br />

revisionssichere Abfassung<br />

➝ Revisionsrecht, Revisionsverfahren,<br />

Revisionsurteil, Revision,<br />

Revisionsgericht . . . . . . 277, 283<br />

Revisionsurteil<br />

➝ Revisionsrecht, Revisionsverfahren,<br />

Revision, revisionssichere<br />

Abfassung, Revisionsgericht<br />

. . . . . . . . . . . 318, 335, 342, 390, 486<br />

Revisionsverfahren<br />

➝ Revisionsrecht, Revision, Revisionsurteil,<br />

revisionssichere<br />

Abfassung, Revisionsgericht<br />

. . . 199, 240, 280, 283, 284, 380, 449<br />

richterliche Unabhängigkeit<br />

➝ Unabhängigkeit der Richter,<br />

Treupflicht . . . . . . . . . . 101, 127<br />

Sachwortverzeichnis<br />

Röntgengerät<br />

➝ Röntgenstrahlen, Verstrahlung,<br />

Spur der Strahlen, Durchleuchtungsgeräte<br />

. . . . . . . . . . . . . . 244<br />

Röntgenstrahlen<br />

➝ Röntgengerät, Verstrahlung,<br />

Spur der Strahlen, Durchleuchtungsgeräte<br />

. . . . . . . . . . . . 9, 190<br />

Rosenholz-Aktion<br />

➝ Aktion „Rosenholz“<br />

Rote Armee Fraktion<br />

➝ RAF, RAF-Mitglieder<br />

Rückwirkung<br />

➝ Rückwirkungsverbot . . . . . . . 71<br />

Rückwirkungsverbot<br />

➝ Rückwirkung . . . 10, 30, 33, 113,<br />

255, 257-260, 338, 339, 342, 388, 420,<br />

453-460, 473, 499, 544, 589, 590, 591<br />

Ruhen der Verjährung<br />

. . . . . . . . 64, 93, 239, 461, 463, 464,<br />

467, 469-471, 502, 509<br />

RVK<br />

➝ ZERV, Regierungs- und Vereinigungs-Kriminalität,Sonderbereich<br />

der Kriminalpolizei . . . 37<br />

Saarfrage<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30, 63<br />

Sachverhalt<br />

➝ Sachverhaltsverfälschung, Rekonstruktion<br />

des Sachverhaltes<br />

. . . . . . . . . 10, 53, 121-123, 131, 148,<br />

154, 157, 169-171, 179, 192, 217,<br />

230, 257, 281, 286-288, 290, 297,<br />

303, 310, 317, 318, 323, 328, 354,<br />

398, 475, 500, 524, 561<br />

Sachverhaltsverfälschung<br />

➝ Sachverhalt, Rekonstruktion des<br />

Sachverhaltes . . . . 289, 292, 297,<br />

301, 303, 306, 309, 325, 340, 348,<br />

357, 427, 458, 459<br />

619


2. ANHANG<br />

Schießbefehl<br />

➝ Schusswaffengebrauchsbestimmung,<br />

Schusswaffengebrauch,<br />

Schusswaffenanwendung,<br />

Gebrauch von Schusswaffen<br />

. . . . 54, 289-292, 295, 314, 347, 356<br />

Schlussgesetz<br />

➝ Strafbeendigung, Strafbeendigungsgesetz<br />

. . . . . . . . . . . . 50, 51<br />

Schuld<br />

➝ Schuldstrafrecht, Schuldprinzip,<br />

Schuldspruch, Schuldvermutung<br />

. . . . 18, 105, 121-123, 125, 131, 155,<br />

159-161, 164, 171, 211, 215, 220,<br />

267, 268, 320, 341, 343, 350, 352,<br />

353, 355, 369, 372, 390, 406, 424,<br />

436, 442, 445, 455, 459, 475, 479,<br />

481-483, 486, 520, 521, 543, 569, 583<br />

Schuldprinzip<br />

➝ Schuldstrafrecht, Schuld, Schuldspruch,<br />

Schuldvermutung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338<br />

Schuldspruch<br />

➝ Schuldstrafrecht, Schuldprinzip,<br />

Schuld, Schuldvermutung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424<br />

Schuldstrafrecht<br />

➝ Schuld, Schuldprinzip, Schuldspruch,<br />

Schuldvermutung . . 431<br />

Schuldvermutung<br />

➝ Schuldstrafrecht, Schuldprinzip,<br />

Schuldspruch, Schuld . . . . . . 125<br />

Schusswaffenanwendung<br />

➝ Schusswaffengebrauchsbestimmung,<br />

Schießbefehl, Schusswaffengebrauch,<br />

Gebrauch von<br />

Schusswaffen . . . . 292, 294, 299,<br />

311, 312, 314, 316, 331, 336, 359,<br />

365, 573, 574<br />

620<br />

Schusswaffengebrauch<br />

➝ Schusswaffengebrauchsbestimmung,<br />

Schießbefehl, Schusswaffenanwendung,<br />

Gebrauch von<br />

Schusswaffen . . . . 289, 291, 296,<br />

298, 303, 305, 306, 335, 340, 342, 378,<br />

356, 359, 363, 368, 480, 485, 492, 502<br />

Schusswaffengebrauchsbestimmung<br />

➝ Schusswaffengebrauch, Schießbefehl,<br />

Schusswaffenanwendung,<br />

Gebrauch von Schusswaffen<br />

. . . . . . 116, 290, 292, 294, 297, 311,<br />

340-342, 356, 375, 459<br />

Schwerpunktstaatsanwaltschaft<br />

➝ Sonderstaatsanwaltschaft<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64, 69<br />

Selbstschussanlagen<br />

➝ Minenverlegung, Minen<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 295, 305, 306<br />

Sicherung der Grenze<br />

➝ Grenze, Grenzgebiet, Grenzdienst,<br />

Unverletzlichkeit, Staatsgrenze,<br />

Klassenauftrag, Jahresbefehl<br />

. . . . 54, 166, 311, 351, 577<br />

Siegerjustiz<br />

. . . . . . 8, 16-18, 29, 56, 62, 236, 522<br />

SIRA-Unterlagen<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187<br />

SKK<br />

➝ Besatzungsrecht, Besatzungsmacht,<br />

SMAD, Sowjetische<br />

Militäradministration, Alliierter<br />

Kontrollrat in Deutschland,<br />

Alliierte Besatzungszone,<br />

Sowjetische Kontrollkommission<br />

in Deutschland . . . . . . . 437, 443<br />

SMAD<br />

➝ Besatzungsrecht, Besatzungsmacht,<br />

Alliierte Besatzungszone,<br />

Sowjetische Militäradministra-


tion, Alliierter Kontrollrat in<br />

Deutschland, SKK, Sowjetische<br />

Kontrollkommission in Deutschland<br />

. . . . . . . . 437, 439, 443, 518<br />

Solidarität<br />

➝ Solikomitee, Solidaritätskomitee,<br />

Solidaritätsbekundung . . 47, 49,<br />

51, 60, 90, 130, 516, 525, 526, 529,<br />

549, 550, 565, 566, 567, 581, 585<br />

Solidaritätsbekundung<br />

➝ Solikomitee, Solidaritätskomitee,<br />

Solidarität . . . . . . . . . . . . . . . 550<br />

Solidaritätskomitee<br />

➝ Solikomitee, Solidarität, Solidaritätsbekundung<br />

. . . . . . . . . 47, 49,<br />

519, 522, 526, 566<br />

Solikomitee<br />

➝ Solidarität, Solidaritätskomitee,<br />

Solidaritätsbekundung 48, 49, 65<br />

Sonderbereich der Kriminalpolizei<br />

➝ ZERV, RVK, Regierungs- und<br />

Vereinigungs-Kriminalität . . 185<br />

Sondergericht<br />

➝ NS-Sondergericht . . . . . . 71, 98,<br />

135, 519<br />

Sonderjustiz<br />

➝ Justizorgane, justizförmig, Justiz<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 37<br />

Sonderstaatsanwaltschaft<br />

. . . 17, 64, 69, 98, 130, 135, 185, 565<br />

Soraya-Urteil<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405, 507<br />

Sowjetische Kontrollkommission in<br />

Deutschland<br />

➝ Besatzungsrecht, Besatzungsmacht,<br />

SMAD, Sowjetische<br />

Militäradministration, Alliierter<br />

Kontrollrat in Deutschland,<br />

SKK, Alliierte Besatzungszone<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437<br />

Sachwortverzeichnis<br />

Sowjetische Militäradministration<br />

➝ Besatzungsrecht, Besatzungsmacht,<br />

SMAD, Alliierte Besatzungszone,<br />

Alliierter Kontrollrat<br />

in Deutschland, SKK, Sowjetische<br />

Kontrollkommission in<br />

Deutschland . . . . . . . . . . . . . 437<br />

Spionage<br />

➝ Tatvorwurf . . . . . . 34, 53, 73, 87,<br />

100, 150, 172, 184, 185, 188, 191, 216,<br />

302, 392, 394, 431<br />

Sport<br />

➝ DDR-Sport, Turn- und Sportbund,<br />

Sportfunktionär, Trainer,<br />

Sportärzte, Sportwissenschaftler,<br />

DTSB, Sportverräter . . . . 29, 39,<br />

55, 173, 184, 225<br />

Sportärzte<br />

➝ DDR-Sport, Turn- und Sportbund,<br />

Sportfunktionär, Trainer,<br />

Sport, Sportwissenschaftler,<br />

DTSB, Sportverräter<br />

Sportfunktionär<br />

➝ DDR-Sport, Turn- und Sportbund,<br />

Sport, Trainer, Sportärzte,<br />

Sportwissenschaftler, DTSB,<br />

Sportverräter . . . . . . . . . . 48, 97<br />

Sportverräter<br />

➝ DDR-Sport, Turn- und Sportbund,<br />

Sportfunktionär, Trainer,<br />

Sportärzte, Sportwissenschaftler,<br />

DTSB, Sport . . . . . . . . . . . . . 173<br />

Sportwissenschaftler<br />

➝ DDR-Sport, Turn- und Sportbund,<br />

Sportfunktionär, Trainer,<br />

Sportärzte, Sport, DTSB, Sportverräter<br />

Sprengstoffanschlag<br />

. . . . . . . . . . . . . . 170, 214, 215, 240<br />

621


2. ANHANG<br />

Spur der Strahlen<br />

➝ Röntgenstrahlen, Verstrahlung,<br />

Röntgengeräte, Durchleuchtungsgeräte<br />

. . . . . . . . . . . . . . 244<br />

staatliches Ausfuhrverbot<br />

➝ Embargo, Embargo-Handel<br />

Staatsgrenze<br />

➝ Grenze, Grenzgebiet, Grenzdienst,<br />

Unverletzlichkeit, Sicherung,<br />

Klassenauftrag, Jahresbefehl<br />

. . . 39, 45, 46, 54, 166, 168,<br />

291, 292, 296, 298, 304, 305,<br />

309-311, 317, 320, 321, 326, 330,<br />

346, 351, 363, 373, 459, 478, 481,<br />

502, 505, 540, 574, 577<br />

Stasi-Akten<br />

➝ Akten, Stasi-Unterlagen, Akten<br />

des MfS, Archivalien, Aktensammlung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . 245<br />

Stasi-Gefängnis<br />

➝ UHA, Untersuchungshaftanstalt,<br />

MfS-Haftanstalt . . . . . . . . . . 181<br />

Stasi-Unterlagen<br />

➝ Stasi-Akten, Akten, Akten des<br />

MfS, Archivalien, Aktensammlung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147<br />

StGB<br />

➝ Strafjustiz, Strafzumessung,<br />

Strafgesetz, Strafgesetzbuch,<br />

Strafrecht . . . . 30, 63, 77, 78, 80,<br />

92, 113, 116, 117, 121, 130, 133, 137,<br />

138, 181, 187, 208, 230, 231, 258, 260,<br />

266-269, 300, 304, 314-316, 331, 340-<br />

344, 347, 349, 353, 364, 370, 372-374,<br />

376-378, 380-385, 391, 393, 394, 399,<br />

402, 406-415, 418-424, 433, 438, 444,<br />

447, 452, 454, 455, 561, 462, 469, 473,<br />

474, 482, 484, 503, 504-507<br />

Strafantritt<br />

➝ Haft, Haftantritt, Strafvollzug,<br />

622<br />

Vollzugsunfähigkeit, Strafunterbrechung<br />

. . . . . 58, 532, 534, 535<br />

Strafausstand auf Dauer<br />

➝ Haftverschonung . . . . . . . . . 526<br />

Strafbarkeit<br />

. . . . . . 47, 77, 87, 113, 116, 118, 255,<br />

260, 290, 318, 338, 380, 381, 420,<br />

460, 484, 544<br />

Strafe nach der Strafe<br />

➝ Verfallsgelder, Geldbuße,<br />

Verfahrenskosten, Justizkasse,<br />

Gerichtskosten, Forderungen,<br />

Anwaltskosten, Gebühren,<br />

Haftkosten . . . . . . . . 60, 61, 151,<br />

586, 594<br />

Straferlass<br />

➝ Amnestiegesetz, Amnestie,<br />

Straffreiheit, Strafverfolgungsbeendigung,<br />

Verzicht auf Strafverfolgung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . 50<br />

Straffreiheit<br />

➝ Amnestiegesetz, Straferlass,<br />

Amnestie, Strafverfolgungsbeendigung,<br />

Verzicht auf Strafverfolgung<br />

. . . . . . . . . . . . 65, 187<br />

Strafgesetz<br />

➝ Strafjustiz, Strafzumessung,<br />

Strafrecht, Strafgesetzbuch,<br />

StGB . . . . . . . . 71, 73, 79, 88, 93,<br />

117, 267, 318, 334, 344, 401, 417, 457,<br />

470, 478, 484, 492, 589<br />

Strafgesetzbuch<br />

➝ Strafjustiz, Strafzumessung,<br />

Strafgesetz, Strafrecht, StGB<br />

. . . . . . . 63, 70, 82, 92, 93, 114, 136,<br />

319, 370, 373, 415, 462, 470, 503, 508<br />

Strafjustiz<br />

➝ Strafrecht, Strafzumessung,<br />

Strafgesetz, Strafgesetzbuch,<br />

StGB . . . . . . . 255, 256, 267, 276,


288, 290, 320, 330, 334, 351, 373, 406,<br />

434, 452, 453, 469, 476, 479, 481, 486,<br />

489, 493-496, 499, 500-502, 590<br />

Strafrecht<br />

➝ Strafjustiz, Strafzumessung,<br />

Strafgesetz, Strafgesetzbuch,<br />

StGB . . . . . 10, 30, 33-35, 39, 44,<br />

46, 47, 50, 63-65, 74, 86, 88, 91, 93,<br />

100, 112-114, 121, 124, 126, 128, 130,<br />

133, 136, 151, 153, 154, 184, 208, 228,<br />

230, 236, 239, 256-258, 260-268, 270,<br />

279, 281, 286-289, 295, 299, 306, 307,<br />

309, 314, 315, 320, 329, 332, 338, 345-<br />

347, 349, 350, 351, 353, 359, 361, 365,<br />

366, 372, 375, 380, 393, 394, 400, 402,<br />

408, 411, 414, 415, 417, 427, 433, 434,<br />

439, 440, 442, 445, 452-457, 459-461,<br />

465, 471, 473, 475-488, 490-493, 497-<br />

502, 504, 506, 509, 510, 522, 590<br />

strafrechtliche Aufarbeitung<br />

➝ Aufarbeitung, DDR-Vergangenheit,<br />

Systemvergangenheit<br />

. . . . . . . . 65, 265, 498, 499, 501, 510<br />

Straftat<br />

➝ Tatvorwurf . . . . . . . . . 44, 64, 88,<br />

114, 116, 127, 130, 138, 149, 156, 185,<br />

198, 212, 229, 233, 248, 255, 259, 260,<br />

267, 268, 303, 304, 312, 315, 316, 318,<br />

331, 347, 349, 353,362, 370, 373, 374,<br />

378, 390, 392, 397,403, 457, 463-466,<br />

468-471, 474-479, 483, 487, 491, 494,<br />

519, 521, 544<br />

Straftatbestand<br />

. . . . . . . . 43, 80, 319, 390, 403, 440,<br />

456, 477<br />

Strafunterbrechung<br />

➝ Haft, Haftantritt, Strafantritt,<br />

Vollzugsunfähigkeit, Strafvollzug<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549<br />

Sachwortverzeichnis<br />

Strafverfahren<br />

➝ Verfahrensdurchführung, Verfahrensdauer,Verfahrensverschleppung,<br />

Verfolgungswelle,<br />

Verfolgungswille, Verfolgungsflut<br />

. . . . 35, 40, 43, 45, 55, 56, 69, 72-74,<br />

76, 84, 85, 89, 100, 157, 221, 222,<br />

232, 240, 271, 277-279, 281, 286,<br />

288, 299, 307, 329, 356, 380, 394,<br />

401, 434, 435, 454, 456, 459, 476,<br />

481, 498, 563,572, 576<br />

Strafverfolgungsanspruch<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577<br />

Strafverfolgungsbeendigungsgesetz<br />

➝ Amnestiegesetz, Straferlass,<br />

Straffreiheit, Amnestie, Schlussgesetz,<br />

Beendigung der Strafverfolgung,<br />

Verzicht auf Strafverfolgung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . 65<br />

Strafvollzug<br />

➝ Haft, Haftantritt, Strafantritt,<br />

Vollzugsunfähigkeit, Strafunterbrechung<br />

. . . . . 60, 89, 181,<br />

524, 534, 535, 357, 566<br />

Strafvorwurf<br />

➝ Tatvorwurf . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />

Strafzumessung<br />

➝ Strafjustiz, Strafrecht, Strafgesetz,<br />

Strafgesetzbuch, StGB . . . . 301,<br />

302, 391, 393, 394, 415, 424, 450<br />

Strasbourg<br />

➝ EGMR, Straßburg, Europäischer<br />

Gerichtshof für Menschenrechte<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537<br />

Straßburg<br />

➝ EGMR, Europäischer Gerichtshof<br />

für Menschenrechte,<br />

Strasbourg . . . . . . . . . . . . . . 247<br />

Strukturverfahren<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188<br />

623


2. ANHANG<br />

subjektive Teilnahme<br />

➝ Teilnahme, Teilnahmelehre<br />

. . . . . . . . . . . . . . 268, 484, 486, 487<br />

Systemunrecht<br />

➝ Unrechtsstaat, DDR-Unrecht,<br />

Unrechtsregime, Unrechtsgehalt<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46, 74<br />

Systemvergangenheit<br />

➝ strafrechtliche Aufarbeitung,<br />

DDR-Vergangenheit, Aufarbeitung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . 136, 510<br />

Tatbestand<br />

➝ Tatprinzip, Tatbestandslehre<br />

. . . . . . . . 43, 73, 127, 199, 208, 211,<br />

219,267, 341, 353, 382, 385, 396, 398,<br />

406, 413, 423, 424, 487<br />

Tatbestandslehre<br />

➝ Tatprinzip, Tatbestand<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267<br />

Täter hinter dem Täter<br />

➝ Tatherrschaft, Hintermann<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46, 506, 510<br />

Täterschaft<br />

➝ mittelbare Täterschaft . . . 46, 82,<br />

268, 349-353, 355, 372, 376, 407, 411-<br />

413, 483-487, 489, 506<br />

Täterwille<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 355, 485, 488<br />

Tatgeschehen<br />

. . . . . . . . . . 281, 282, 286, 287, 289,<br />

303, 307, 322, 327, 475<br />

Tatherrschaft<br />

➝ Täter hinter dem Täter, Hintermann<br />

. . . . 351, 353-355, 487, 488<br />

Tatprinzip<br />

➝ Tatbestand, Tatbestandslehre<br />

Tatrichter<br />

. . . 280-283, 286, 290-293, 303, 314,<br />

321-325,327, 328, 443, 345, 397, 427,<br />

449, 458, 459, 489<br />

624<br />

Tatsachenfrage<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323<br />

Tatvorwurf<br />

➝ Straftat, Strafvorwurf, Amtsmissbrauch,<br />

Wahlfälschung, Körperverletzung,<br />

Amtsanmaßung, Unterschlagung,<br />

Untreue, Postkontrolle,<br />

Doping, Spionage, geheimdienstliche<br />

Agententätigkeit,<br />

Landesverrat, Wirtschaftsdelikt,<br />

Rechtsbeugung, Freiheitsberaubung,<br />

Devisendelikt, Aussageerpressung,<br />

Nötigung, Mord, Totschlag,<br />

Verschleppung, Anstellungsbetrug<br />

. . . . . . . 160, 207, 444<br />

Tatzeit<br />

. . . . 30, 171, 230, 322, 324, 328, 332,<br />

338, 339, 419, 428, 432, 433, 450, 453,<br />

458, 494, 543, 589<br />

Tatzeitrecht<br />

. . . . 30, 230, 322, 324, 328, 338, 339,<br />

419, 428, 458, 494<br />

Teilnahme<br />

➝ Teilnahmelehre, subjektive<br />

Teilnahme . . . . . . . . 27, 154, 220,<br />

268, 316, 363, 483, 484, 492<br />

Teilnahmelehre<br />

➝ Teilnahme, subjektive Teilnahme<br />

. . . 268, 355, 376, 484, 486, 487, 488<br />

Terrorabwehr<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170<br />

Tote an der Mauer<br />

➝ Totschlag an der Staatsgrenze,<br />

Totschlag . . . . . . . . 10, 257, 309,<br />

346, 480<br />

Totschlag<br />

➝ Totschlag an der Staatsgrenze,<br />

Tote an der Mauer, Tatvorwurf<br />

. . . 39, 44, 45, 54, 161, 167, 177, 179,<br />

296, 304, 315, 319, 343, 347, 350,


353, 357, 358, 366, 372, 455, 479, 484,<br />

485, 486, 489, 490, 513, 514, 515, 518,<br />

521, 570<br />

Totschlag an der Staatsgrenze<br />

➝ Totschlag, Tote an der Mauer<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />

Tötung<br />

➝ Tötungsdelikt, Tötungsvorsatz<br />

. . . . . . 157, 291, 298, 319, 324, 327,<br />

344, 349, 355, 366, 367, 368, 369, 374,<br />

375, 377, 486<br />

Tötungsdelikt<br />

➝ Tötung, Tötungsvorsatz<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74, 298, 319<br />

Tötungsverbrechen<br />

➝ Naziverbrechen, Nazi- und<br />

Kriegsverbrechen, KZ, NS-<br />

Verbrechen, Nürnberger Urteil,<br />

Nürnberger Prinzipien<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154, 240<br />

Tötungsvorsatz<br />

➝ Tötungsdelikt, Tötung . . . . 283,<br />

298, 320, 341, 342, 343, 345, 349, 351<br />

Trainer<br />

➝ DDR-Sport, Turn- und Sportbund,<br />

Sportfunktionär, Sport,<br />

Sportärzte, Sportwissenschaftler,<br />

DTSB, Sportverräter . . . . . . 165<br />

Treuepflicht<br />

➝ politische Treuepflicht, richterliche<br />

Unabhängigkeit, Unabhängigkeit<br />

der Richter . . . . . 102<br />

Turn- und Sportbund<br />

➝ DDR-Sport, Sport, Sportfunktionär,<br />

Trainer, Sportärzte,<br />

Sportwissenschaftler, DTSB,<br />

Sportverräter<br />

Überdehnung der Straftatbestände<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390<br />

Sachwortverzeichnis<br />

Überpositives Recht<br />

. . . . . . . 120, 332, 415, 416, 418, 433<br />

UHA<br />

➝ Untersuchungshaftanstalt, Stasi-<br />

Gefängnis, MfS-Haftanstalt<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219<br />

Unabhängigkeit der Richter<br />

➝ richterliche Unabhängigkeit,<br />

Treuepflicht . . 101, 103, 121, 128<br />

Ungesetzlicher Grenzübertritt<br />

➝ Flüchtling, Grenzprovokateur,<br />

Grenzverletzer, Grenzdurchbruch,<br />

Grenzprovokation<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73, 315<br />

Unmittelbarer Zwang<br />

➝ UzwG, UzwGB . . . . . . 289, 313,<br />

342, 502, 505, 506<br />

Unrecht im Rechtsstaat<br />

➝ juristisches Unrecht, BRD-<br />

Unrecht<br />

Unrechtsgehalt<br />

➝ Unrechtsstaat, DDR-Unrecht,<br />

Systemunrecht, Unrechtsregime<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456<br />

Unrechtsregime<br />

➝ Unrechtsstaat, DDR-Unrecht,<br />

Systemunrecht, Unrechtsgehalt<br />

. . . . . . . . . . . . . 31, 42, 464, 504, 592<br />

Unrechtsstaat<br />

➝ Unrechtsregime, DDR-Unrecht,<br />

Systemunrecht, Unrechtsgehalt<br />

. . . 32, 63, 72, 99, 105, 108, 125, 134,<br />

141, 146, 262, 274, 275, 300, 379, 424,<br />

433, 434, 463, 494, 496, 590<br />

Unterlassen<br />

. . . . . . 174, 304, 358, 371, 372, 376,<br />

377,465, 466, 470, 489<br />

Unterschlagung<br />

➝ Tatvorwurf . . . . . . . . 39, 198, 199<br />

625


2. ANHANG<br />

Untersuchungshaftanstalt<br />

➝ UHA, Stasi-Gefängnis, MfS-<br />

Haftanstalt . . 141, 179, 180, 181,<br />

190, 191, 218, 219<br />

Untersuchungsorgane<br />

➝ Justizorgane, Oberstes Gericht,<br />

Gericht der DDR, DDR-Justiz<br />

. . . . 149, 152, 153, 154,180, 212, 239<br />

Unterwerfung<br />

. . . . . . . . . . . . . 10, 59, 257, 268, 276<br />

Untreue<br />

➝ Tatvorwurf .39, 201, 202, 206, 557<br />

Unverletzlichkeit der Grenze<br />

➝ Grenze, Grenzgebiet, Grenzdienst,<br />

Staatsgrenze, Sicherung,<br />

Klassenauftrag, Jahresbefehl<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320<br />

Ursache und Bedingung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479-481<br />

Urteil<br />

. . . . 24, 25, 32, 44, 46, 56, 59, 64, 65,<br />

71, 73, 76, 77, 79, 80, 81, 84, 85, 86,<br />

89, 91, 92, 99, 100, 114, 122, 151, 159,<br />

166, 170, 188, 189, 194, 196, 198, 199,<br />

200, 221, 224, 225, 226, 230231, 240,<br />

243, 245, 247, 248, 249, 250, 255, 260,<br />

277, 282- 289, 293, 299, 306-308, 322,<br />

325- 327, 329, 339, 350, 352, 355,<br />

357, 357, 363, 364, 366, 368, 371, 372,<br />

378, 379, 380, 396, 402, 405, 408, 416,<br />

419, 430, 437, 440, 445, 446, 447, 449,<br />

452, 455, 472, 487, 502, 503, 505-510,<br />

517, 520, 522, 523, 531, 542, 544, 563,<br />

575, 577, 578, 579, 585<br />

UzwG<br />

➝ Unmittelbarer Zwang, UzwGB<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502, 505<br />

UzwGB<br />

➝ UzwG, Unmittelbarer Zwang<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 343, 505, 506<br />

626<br />

Verbotsirrtum<br />

. . . . . . . . . . . 344, 345, 368, 426, 483<br />

Verbotsprozesse KPD<br />

➝ KPD-Verbot, Kommunistische<br />

Partei Deutschlands . . . . . . . 208<br />

Verbrechen<br />

➝ NS-Verbrechen . . . 9, 21, 34, 37,<br />

86, 115, 118, 129, 141, 142, 149, 152,<br />

153, 154, 156, 166, 190, 208, 216, 239,<br />

240, 259, 267, 312, 314, 315, 316, 331,<br />

333, 336, 351, 392, 425, 431, 435, 436,<br />

438, 439, 440, 442, 443, 448, 450, 453,<br />

461, 462, 471, 472, 474, 475, 405, 506,<br />

509, 520, 529<br />

Vereidigung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />

Verfahrensdauer<br />

➝ Verfahrensdurchführung, Strafverfahren,Verfahrensverschleppung,<br />

Verfolgungswelle, Verfolgungswille,<br />

Verfolgungsflut<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83, 84<br />

Verfahrensdurchführung<br />

➝ Strafverfahren, Verfahrensdauer,<br />

Verfahrensverschleppung, Verfolgungswelle,<br />

Verfolgungswille,<br />

Verfolgungsflut . . . . . . 44, 57, 80<br />

Verfahrenskosten<br />

➝ Verfallsgelder, Geldbuße,<br />

Gerichtskosten, Justizkasse,<br />

Strafe nach der Strafe, Forderungen,<br />

Anwaltskosten,<br />

Gebühren, Haftkosten . . . . . . 62<br />

Verfahrensverschleppung<br />

➝ Verfahrensdurchführung, Verfahrensdauer,<br />

Strafverfahren,<br />

Verfolgungswelle, Verfolgungswille,<br />

Verfolgungsflut . . . 25, 129,<br />

542


Verfallsgelder<br />

➝ Gerichtskosten, Geldbuße, Verfahrenskosten,<br />

Justizkasse, Strafe<br />

nach der Strafe, Forderungen,<br />

Anwaltskosten, Gebühren, Haftkosten<br />

. . . . . . . . . . . . . . 151, 228<br />

Verfassung<br />

➝ Verfassungsauftrag . . . . . 16, 25,<br />

26, 73, 79, 86, 101, 104-107, 115, 119,<br />

121, 126, 128, 130, 132, 138, 238, 251,<br />

264, 271, 292, 293, 294, 309, 311, 319,<br />

320, 326, 330, 331, 348, 356, 362, 373,<br />

374,375, 378, 383, 389, 394, 412, 421,<br />

422, 428, 441, 442, 445, 453, 456, 457,<br />

458, 461, 478, 481, 490, 504, 505, 507,<br />

508, 517, 518, 568, 583, 589<br />

Verfassungsauftrag<br />

➝ Verfassung . . . . . . 309, 320, 326,<br />

327, 348, 356, 373, 478<br />

Verfassungsbeschwerde<br />

➝ Beschwerde, Rechtsbeschwerde,<br />

Menschenrechtsbeschwerde<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 243, 454, 457<br />

Verfassungsschutz<br />

➝ Bundesnachrichtendienst, BND,<br />

BRD-Geheimdienst, LfV<br />

. . . . . . . . . . . . . . 168, 187, 206, 249<br />

Verfolgungsflut<br />

➝ Verfahrensdurchführung, Verfahrensdauer,Verfahrensverschleppung,<br />

Verfolgungswelle,<br />

Verfolgungswille, Strafverfahren<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69, 74<br />

Verfolgungswelle<br />

➝ Verfahrensdurchführung, Verfahrensdauer,Verfahrensverschleppung,<br />

Strafverfahren,<br />

Verfolgungswille, Verfolgungsflut<br />

. . . . . . . . . 97, 98, 112, 132, 133, 134<br />

Sachwortverzeichnis<br />

Verfolgungswille<br />

➝ Verfahrensdurchführung, Verfahrensdauer,Verfahrensverschleppung,<br />

Verfolgungswelle,<br />

Strafverfahren, Verfolgungsflut<br />

. . . . . . . . . . . 9, 43, 97, 133, 347, 373<br />

Vergatterung<br />

. . . 296, 297, 326, 327, 360, 361, 363<br />

Verhaftung<br />

➝ Festnahme 25, 143, 145, 160, 162,<br />

202, 212, 229, 411, 443, 533, 535, 556<br />

Verhältnismäßigkeit<br />

311, 391, 392, 394, 413, 414, 415, 425<br />

Verjährung<br />

➝ Verjährungsfristen, Verjährungsgefahr,<br />

Verjährungsgesetz, Verjährungsregelungen,Verjährungsverlängerung,Verjährungsinstitut<br />

. . . . . 10, 42, 57, 59, 64, 88, 93,<br />

149, 189, 190, 239, 255, 437, 461,<br />

462, 463, 464, 467-474, 499, 502, 509<br />

Verjährungsfristen<br />

➝ Verjährung, Verjährungsgefahr,<br />

Verjährungsgesetz, Verjährungsregelungen,Verjährungsverlängerung,<br />

Verjährungsinstitut<br />

. . . . . 664, 88, 93, 189, 190, 239, 471<br />

Verjährungsgefahr<br />

➝ Verjährungsfristen, Verjährung,<br />

Verjährungsgesetz, Verjährungsregelungen,Verjährungsverlängerung,<br />

Verjährungsinstitut<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />

Verjährungsgesetz<br />

➝ Verjährungsfristen, Verjährungsgefahr,<br />

Verjährung, Verjährungsregelungen,Verjährungsverlängerung,<br />

Verjährungsinstitut<br />

. . . . . 64, 93, 239, 437, 463, 464, 466,<br />

467, 471, 472, 474, 495, 502, 509<br />

627


2. ANHANG<br />

Verjährungsinstitut<br />

➝ Verjährungsfristen, Verjährungsgefahr,<br />

Verjährungsgesetz, Verjährungsregelungen,Verjährungsverlängerung,<br />

Verjährung . . . 43<br />

Verjährungsregelung<br />

➝ Verjährungsfristen, Verjährungsgefahr,<br />

Verjährungsgesetz, Verjährung,Verjährungsverlängerung,<br />

Verjährungsinstitut . . . 470<br />

Verjährungsverlängerung<br />

➝ Verjährungsfristen, Verjährungsgefahr,<br />

Verjährungsgesetz, Verjährungsregelungen,<br />

Verjährung,<br />

Verjährungsinstitut . . . . . . . . 42<br />

Verletzung des Devisengesetzes<br />

➝ Devisendelikt, Verletzung des<br />

Devisengesetzes, Tatvorwurf 225<br />

Verletzung des Devisengesetzes<br />

➝ Devisenvergehen, Devisendelikt<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225<br />

Vermögensstrafe<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443<br />

Vernehmung<br />

. . . . 58, 129, 156, 162, 204, 212, 213,<br />

216, 217, 282, 297, 531, 540, 541,<br />

556, 557<br />

Verrat<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144<br />

Verschleppung<br />

➝ Tatvorwurf . . . . . . . . . . 9, 25, 39,<br />

129, 165, 188, 207-211<br />

Verstrahlung<br />

➝ Röntgenstrahlen, Röntgengeräte,<br />

Spur der Strahlen, Durchleuchtungsgeräte<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191<br />

Verteidigung<br />

. . . 124, 185, 224, 236, 243, 244, 279,<br />

285, 289, 293, 303, 322, 346, 350, 351,<br />

628<br />

357, 360, 365, 367, 368, 443, 451, 476,<br />

477, 485, 491, 570, 572, 573<br />

Vertrauensmissbrauch<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233, 260<br />

Verzicht auf Strafverfolgung<br />

➝ Amnestiegesetz, Straferlass,<br />

Straffreiheit, Strafverfolgungsbeendigung,<br />

Amnestie<br />

Völkerrecht<br />

➝ völkerrechtswidrig, völkerrechtlich,<br />

Völkerrechtssubjekt … 9, 99,<br />

111, 113, 209, 336, 337, 388, 389, 460,<br />

464,540<br />

völkerrechtlich<br />

➝ völkerrechtswidrig, Völkerrecht,<br />

Völkerrechtssubjekt . . . 78, 164,<br />

247, 387, 390, 419, 422<br />

Völkerrechtssubjekt<br />

➝ völkerrechtswidrig, völkerrechtlich,<br />

Völkerrecht . . . 21, 32, 259,<br />

270, 436, 590<br />

völkerrechtswidrig<br />

➝ Völkerrecht, völkerrechtlich,<br />

Völkerrechtssubjekt . . . 116, 154<br />

Volksfremdheit der Justiz<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269, 271<br />

Volkskammer<br />

. . . . . . 16, 42, 47, 110, 198, 235, 373,<br />

375, 464, 469, 481, 518<br />

Vollzugsunfähigkeit<br />

➝ Haft, Haftantritt, Strafantritt,<br />

Strafvollzug, Strafunterbrechung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514, 549<br />

Vorbereitungshandlung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391<br />

Vorsatz<br />

. . . . . 70, 82, 122, 127, 283, 299, 300,<br />

325, 329, 342, 483<br />

Vorurteil<br />

➝ Vorverurteilung, Vorverständnis


. . . . . . . . . . . . . 35, 62, 275, 288, 466<br />

Vorverständnis<br />

➝ Vorverurteilung, Vorurteil<br />

. . . . . . . . . . . 102, 275, 288, 299, 482<br />

Vorverurteilung<br />

➝ Vorurteil, Vorverständnis<br />

. . . . . . . . . . . . 83, 133, 162, 175, 299<br />

Wahlfälschung<br />

➝ Tatvorwurf . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />

Wahrheit<br />

. . . 9, 15, 95, 125, 127, 131, 135, 177,<br />

181, 192, 204, 234, 237, 246, 277-282,<br />

284, 324, 328, 535, 583<br />

Wahrscheinlichkeit<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280, 281<br />

Waldheim<br />

➝ Waldheim-Richter, Waldheim-<br />

Prozesse, Waldheim-Verfahren<br />

. . . . . . . . 10, 86, 193, 257, 434, 435,<br />

437-439, 441, 446-449, 452, 453<br />

Waldheim-Prozess<br />

➝ Waldheim-Richter, Waldheim,<br />

Waldheim-Verfahren . . . . . . . 43<br />

Waldheim-Richter<br />

➝ Waldheim, Waldheim-Prozesse,<br />

Waldheim-Verfahren . . . 54, 437,<br />

442<br />

Waldheim-Verfahren<br />

➝ Waldheim-Richter, Waldheim-<br />

Prozesse, Waldheim . . . . . . . 518<br />

Weimarer Republik<br />

. . . . . . . . . . . . . . . 22, 106, 269, 273<br />

Widerstreit der Pflichten<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268<br />

Willkür<br />

. . . . . . 17, 22, 25, 104, 115, 119, 237,<br />

339, 385, 386, 397, 398, 404, 419, 425-<br />

427, 465-467, 474, 565<br />

Wirtschaftsdelikt<br />

➝ Geldtransfer, Immobilien,<br />

Sachwortverzeichnis<br />

Embargohandel, Devisenvergehen,<br />

Tatvorwurf . . . . . . . . 287<br />

Wortprotokoll<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 250, 277, 281<br />

Zellenspitzel<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204<br />

Zentrale Ermittlungsstelle<br />

Regierungs- und Vereinigungskriminalität<br />

➝ ZERV . . . . . . . . . . . . . . . . 37, 98<br />

Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen<br />

➝ Zentrale Stelle Ludwigsburg<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38, 155, 156<br />

Zentrale Stelle Ludwigsburg<br />

➝ Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen<br />

. . . . . . . . . . . . 156<br />

ZERV<br />

➝ Zentrale Ermittlungsstelle<br />

Regierungs- und Vereinigungskriminalität,<br />

RVK, Sonderbereich<br />

der Kriminalpolizei<br />

. . . . . . . . . . . . . . 37, 55, 98, 556, 563<br />

Zeuge<br />

. . . . . . 217, 282, 285, 364, 365, 367,<br />

540, 541<br />

Zurechnung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483, 485<br />

Zweifelssatz: in dubio pro reo<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280<br />

Zweite deutsche Diktatur<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 105, 125, 590<br />

629


Abkürzungsverzeichnis<br />

a.a.O. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . am angegebenen Ort<br />

a.A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . andere(r) Auffassung<br />

a.D. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . außer Dienst<br />

Abt. M . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postkontrolle<br />

AfNS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Amt für Nationale Sicherheit<br />

AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Amtsgericht<br />

AGM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitsgruppe des Ministers<br />

AMKR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Erklärung der Menschenrechte<br />

AR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Registerzeichen: Allgemeines Register<br />

AZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktenzeichen<br />

BB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brandenburg - Bundesland<br />

Bd. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Band<br />

Berliner Kurier . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitung für Berlin und Brandenburg<br />

BFC / SC-Dynamo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berliner Fußball-Club Dynamo<br />

BG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bezirksgericht<br />

BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bürgerliches Gesetzbuch<br />

BGBl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bundesgesetzblatt<br />

BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bundesgerichtshof<br />

BGHR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsprechung des BGH (Band u. Seite)<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .in Zivilsachen / Strafsachen<br />

BGHSt . . . . . . . . . . . . BGH-Entscheidungen in Strafsachen (Band u. Seite)<br />

BKA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bundeskriminalamt<br />

631


3. ANHANG<br />

BN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berlin - Bundesland<br />

BND . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bundesnachrichtendienst<br />

BRD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bundesrepublik Deutschland<br />

BStU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bundesbeauftragter für die Unterlagen<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR<br />

BV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bezirksverwaltung<br />

BvB . . . . . . . . . . . . Registerzeichen: Feststellung der Verfassungswidrigkeit<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .von Parteien (Art. 21, Abs.2, GG)<br />

BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bundesverfassungsgericht<br />

BVerfGE . . . . . . . . . . . . . . . . . Entscheidungen des BVerfG (Band u. Seite)<br />

BvF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Registerzeichen: Normenkontrolle<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .auf Antrag von Verfassungsorganen (Art.93)<br />

BvL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Registerzeichen: Normenkontrolle<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .auf Vorlage der Gerichte (Art.100, Abs. l, GG)<br />

BvR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Registerzeichen: Verfassungsbeschwerden<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .(Art.93 Abs.1 Nr. 4a und 4b GG)<br />

C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Registerzeichen: Allgemeine Zivilsachen (AG)<br />

CIA . . . . . . . . Amerikanischer Geheimdienst - Central Intelligence Agency<br />

CT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Computertomografie<br />

DBT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutscher Bundestag<br />

DBT-Drucks. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutscher Bundestag - Drucksache<br />

DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsche Demokratische Republik<br />

ddz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Deutsche Zollbeamte<br />

DKP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsche Kommunistische Partei<br />

DRiZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsche Richterzeitung<br />

DtZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch-Deutsche- Rechts-Zeitschrift<br />

DVO . . . . . . . . . . . Durchführungsverordnung / Durchführungsbestimmung<br />

632


Abkürzungsverzeichnis<br />

DVP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsche Volkspolizei<br />

DuR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Demokratie und Recht<br />

E-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernstfall<br />

EGMR . . . . . . . . . . . . . . . . . Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte<br />

EGStGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch<br />

Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Politische Zeitschrift der SED<br />

EinigV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einigungsvertrag<br />

Embargo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . staatliches Ausfuhrverbot<br />

EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europäische Konvention zum Schutze<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .der Menschenrechte und Grundfreiheiten<br />

e.V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . eingetragener Verein<br />

EVerfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermittlungsverfahren<br />

FAZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frankfurter Allgemeine Zeitung<br />

FDGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freier Deutscher Gewerkschaftsbund<br />

FDJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freie Deutsche Jugend<br />

Fn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fußnote<br />

Fokus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitschriftenmagazin<br />

FU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freie Universität Berlin<br />

GBl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetzblatt der DDR<br />

GBM . . . . . Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde<br />

GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundgesetz<br />

GRGA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gustav Radbruch-Gesamtausgabe<br />

GRH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschaft zur rechtlichen und<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .humanitären Unterstützung e. V.<br />

GrundlV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertrag über die Beziehungen<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . .zwischen der DDR und derBRD (Grundlagenvertrag)<br />

633


3. ANHANG<br />

GS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Registerzeichen: Einzelne richterliche<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anordnungen in Strafsachen (Amtsgericht)<br />

GSSt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Registerzeichen: Großer Senat in Strafsachen<br />

GT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenztruppen<br />

GUS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemeinschaft Unabhängiger Staaten<br />

. . . .(1991 entstandener Staatenbund von ehemaligen Unionsrepubliken der UdSSR)<br />

GVBl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetz- und Verordnungsblatt Berlin<br />

GVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerichtsverfassungsgesetz<br />

HA I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hauptabteilung militärische Abwehr<br />

HA VI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hauptabteilung Passkontrolle<br />

HA VIII . . . . . . . . . . . . . . Hautabteilung Beobachtungen und Ermittlungen<br />

HA IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hauptabteilung Untersuchungsorgane<br />

HA XXII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hauptabteilung Terrorabwehr<br />

Hrsg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herausgeber<br />

HVA . . . Hauptverwaltung Aufklärung/Auslandsnachrichtendienst der DDR<br />

ICARUS . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitschrift der Gesellschaft zum Schutz von<br />

. . . . . . . . . . . . . .Bürgerrecht und Menschenwürde (Vorläufer: Siehe JfRW<br />

idF. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . in der Fassung<br />

idFdB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . in der Fassung der Bekanntmachung<br />

idNF. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . in der Neufassung<br />

IA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abteilungen bei den Staatsanwaltschaften<br />

der Bezirke und dem Generalstaatsanwalt der DDR, die sich mit Angriffen<br />

. . . . . . . . . . . .auf den Staat und die staatliche Ordnung zu befassen hatten.<br />

IM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inoffizieller Mitarbeiter<br />

IPbürgR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationaler Pakt über<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Bürgerrechte und politische Rechte<br />

ISOR . . . Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger<br />

. .Angehöriger bewaffneter Organe und der Zollverwaltung der DDR e. V.<br />

634


Abkürzungsverzeichnis<br />

JfRW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Journal für Recht und Würde<br />

. . . . . . . . . . . . . .(1992-1994 Vorläufer der Zeitschrift ICARUS); siehe dort.<br />

JMK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Justizministerkonferenz<br />

JR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Juristische Rundschau<br />

Js . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Registerzeichen: Ermittlungsverfahren (StA)<br />

JVA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Justizvollzugsanstalt<br />

jW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . junge Welt<br />

JZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Juristenzeitung<br />

JuS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Juristische Schulung<br />

KD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kreisdienststelle des MfS<br />

KgU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit<br />

KJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kritische Justiz<br />

KLs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Registerzeichen: Zusatz bei Strafsachen<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .vor der Großen Strafkammer<br />

KP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommunistische Partei<br />

KPČ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommunistische Partei der Tschechoslowakei<br />

KPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommunistische Partei Deutschlands<br />

KPdSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommunistische Partei der Sowjetunion<br />

KRD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollratsdirektive<br />

KRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollratsgesetz<br />

KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kreisgericht<br />

Ks . . . . . . . . . . . . . . . . . . Registerzeichen: Zusatz bei Schwurgerichtssachen<br />

KSK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr<br />

KVP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasernierte Volkspolizei<br />

KZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzentrationslager<br />

Lbls. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Loseblattsammlung<br />

635


3. ANHANG<br />

LG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Landgericht<br />

LPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft<br />

MdB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitglied des Bundestages<br />

MdI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ministerium des Innern<br />

MDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monatsschrift für Deutsches Recht<br />

mdr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fernsehsender Mitteldeutscher Rundfunk<br />

MEW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marx-Engels-Werke<br />

MfAA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten<br />

MfS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ministerium für Staatssicherheit<br />

MV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mecklenburg-Vorpommern - Bundesland<br />

MWD . russisch: Ministerswo Wnutrennych Del - (Ministerium des Innern)<br />

m.w.N. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . mit weiteren Nachweisen<br />

NATO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nordatlantikpakt<br />

ND . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neues Deutschland<br />

nF. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . neue Fassung<br />

NJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neue Justiz<br />

NJW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neue Juristische Wochenschrift<br />

NKWD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volkskommissariat des Innern (UdSSR)<br />

NS / Nazi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nationalsozialistisch / Nationalsozialismus<br />

NSDAP . . . . . . . . . . . . . . . . Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei<br />

NStZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neue Zeitschrift für Strafrecht<br />

NStZ-RR . . . . . . . . . . . .Neue Strafrechtszeitung - Rechtsprechungs-Report<br />

NVA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nationale Volksarmee<br />

NVR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nationaler Verteidigungsrat<br />

OA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ohne Angabe des Verfassers<br />

636


Abkürzungsverzeichnis<br />

OAS . . . . . . . . . . . . . Organisation Armée secréte – 1961 gegr. französische<br />

. . . . . . .weitverzweigte, terroristische Geheimorganisation / Kolonialarmee<br />

OG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberstes Gericht<br />

Ojs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erstinstanzliche Strafsachen (GenStA)<br />

OLG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberlandesgericht<br />

PB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Politbüro der SED<br />

PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Partei des demokratischen Sozialismus<br />

RAD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reichsarbeitsdienst<br />

RAF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rote Armee Fraktion<br />

RGBl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reichsgesetzblatt<br />

RGSt . . . . . . . . . . . . . . . . Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .(Band u. Seite)<br />

RHE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtshilfeentscheidung<br />

RJGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reichsjugendgerichtsgesetz<br />

RStGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich<br />

RStPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strafprozessordnung für das Deutsche Reich<br />

RuP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Recht und Politik<br />

RVK . . . . . . . . . . . . . Dezernate/ Regierungs- und Vereinigungskriminalität<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . .bei den Polizeibehörden der fünf neuen Bundesländer<br />

S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . siehe Seite<br />

SBZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sowjetische Besatzungszone<br />

SC-Dynamo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . BFC / Berliner Fußballclub Dynamo<br />

SED . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozialistische Einheitspartei Deutschlands<br />

SED-UnBerG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . SED-Unrechtsbereinigungsgesetz<br />

SIRA . . System Information und Recherche der DDR-Aufklärung (HVA)<br />

SJZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Süddeutsche Juristenzeitschrift<br />

637


3. ANHANG<br />

SKK . . . . . . . . Sowjetische Kontrollkommission in Deutschland(1945-1953)<br />

SMAD . . . . Sowjetische Militäradministration in Deutschland (1945-1949)<br />

SN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachsen – Bundesland<br />

Solikomitee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Solidaritätskomitee für die<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Opfer der politischen Verfolgung in Deutschland<br />

SS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . NS-Schutzstaffel<br />

Ss . . . . . . . . . . . . . . . . Registerzeichnen – Revisionen in Strafverfahren und<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Rechtsbeschwerden in Bußgeldsachen (Gen StA)<br />

ST . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachsen-Anhalt - Bundesland<br />

StE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Registerzeichen: Verfahren in<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .erstinstanzlichen Strafsachen beim BGH<br />

StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strafgesetzbuch der BRD<br />

StGB/DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strafgesetzbuch der DDR<br />

StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strafprozessordnung der BRD<br />

StPO/DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strafprozessordnung der DDR<br />

StR . . . . . . . . . . . . . . . . Registerzeichen: Revisionen in Strafsachen (BGH)<br />

StrRehG . . . . . . . . . . . Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung<br />

. . . . . . . . .von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im<br />

. . . . . . . . . . . . . . . .Beitrittsgebiet (Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz)<br />

StUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetz über die Unterlagen des<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR<br />

StV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strafverteidiger<br />

TH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thüringen – Bundesland<br />

U . . . . . . . . . . . . . . . . . . Registerzeichen: Berufungen in Zivilsachen (OLG)<br />

UA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urteilsausfertigung<br />

. . . . . . .(die nachgenannten Seiten sind die Seiten der Urteilsausfertigung)<br />

UdSSR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken<br />

UHA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchungshaftanstalt<br />

638


Abkürzungsverzeichnis<br />

UNO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organisation der Vereinten Nationen<br />

UPU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weltpostverein<br />

USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . United States of America<br />

UZwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei<br />

. . . . . . . .Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes<br />

UZwGBw . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetz über die Anwendung unmittelbaren<br />

. . .Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Bundeswehr und zivile Wachpersonen<br />

VDJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinigung demokratischer Juristen e.V.<br />

VEB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volkseigener Betrieb<br />

VerjG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verjährungsgesetz<br />

Vgl.: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleiche auch<br />

VIP . . . Very important person (sehr wichtige/ bedeutende Persönlichkeit)<br />

VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verordnung<br />

VP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volkspolizei<br />

VPKA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volkspolizeikreisamt<br />

WBl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weissenseer Blätter<br />

wistra . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer und Strafrecht<br />

Ws . . . Registerzeichen: Beschwerden in Straf- und Bußgeldsachen (OLG)<br />

WStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wehrstrafgesetz<br />

ZAP-Ost . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitschrift für die Anwaltspraxis<br />

ZERV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zentrale Ermittlungsstelle Regierungs- und<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Vereinigungskriminalität<br />

ZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitschrift für Gesetzgebung<br />

ZK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zentralkomitee<br />

ZKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zentrale Koordinierungsgruppe<br />

639


3. ANHANG<br />

ZK/SED . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zentralkomitee der SED<br />

ZStW . . . . . . . . . . . . . . . Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft<br />

ZVOBl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zentral-Verordnungsblatt, herausgegeben<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . .von der Deutschen Justizverwaltung der Sowjetischen<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Besatzungszone in Deutschland<br />

640


Verzeichnis der angeführten<br />

Rechtsvorschriften<br />

Siehe Dokumentenanhang<br />

Alliiertes Besatzungsrecht<br />

1945 Proklamation Nr. 3 des Alliierten Kontrollrates,<br />

20. Oktober 1945.<br />

Hier: Art. II (2, 3)<br />

1945 Kontrollratsgesetz Nr. 10, 20. Dezember 1945.<br />

Hier: Art. I, II 1 u. III 2, 6<br />

1946 Kontrollratsgesetz Nr. 11, 30. Januar 1946.<br />

Hier: Art. I<br />

1946 Kontrollratsdirektive Nr. 38, 12. Oktober 1946.<br />

Hier: Beilage 2, I 1 a, b, c u. Art. IX 1 bis 6<br />

1947 Befehl Nr.201 der Sowjetischen Militäradministration in<br />

Deutschland (SMAD) betreffend die Richtlinien zur Anwendung<br />

der Direktiven Nr. 24 und 38 des Kontrollrates. 16.<br />

August 1947 mit Ausführungsbestimmungen Nr. 1, 2 und 3<br />

vom 19. und 21. August 1947.<br />

Hier: Pkt. 2, 3, 4, 7, 9 u. 10.<br />

Europäisches Recht<br />

1948 Konvention über die Verhütung und Bestrafung des<br />

Völkermordes, 9. Dezember 1948.<br />

1948 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AMRK),<br />

10. Dezember 1948.<br />

Hier: Art. 11 (1, 2)<br />

1950 Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte<br />

und Grundfreiheiten (EMRK), 4. November 1950.<br />

Hier: Art. 6 (2), 7 (1, 2).<br />

Seite<br />

114, 136<br />

92, 439-446,<br />

508, 518, 699<br />

137<br />

92, 439-441,<br />

444, 446, 700<br />

439, 443, 446,<br />

701<br />

114, 136<br />

136, 376, 703<br />

136, 336, 376,<br />

389, 453, 503,<br />

703<br />

641


4. ANHANG<br />

1966 Internationaler Pakt über Bürgerrechte und politische<br />

Rechte (IPbürgR), 16. Dezember 1966<br />

Hier:Art. 6 (1), 12 (2), 14 (1, 2) u. 15 (1).<br />

NS-Recht<br />

1871 Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 15. Mai 1871.<br />

In: RGBl. S. 127. Zusammengestellt nach dem Stand vom<br />

1. Oktober 1935 im Reichsjustizministerium, Berlin, 1935.<br />

Hier: §§ 49, 49a, 59 u. 336.<br />

1877 Strafprozessordnung für das Deutsche Reich, 1. Februar<br />

1877. In: RGBl. S. 263, idFdB. vom 22. März 1924 sowie idF.<br />

des Gesetzes vom 28. Juni 1935.<br />

Hier: §§ 1, 2, 140, 249, 267, 267a u. 349.<br />

1887 Entscheidungen der Reichsregierung in Strafsachen.<br />

Hier: RGSt Bd. 16, S. 237, 331 ff.<br />

1933 Verordnung der Reichsregierung über die Bildung von<br />

Sondergerichten, 21. März 1933.<br />

Hier: §§ 1 u. 2.<br />

1934 Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei<br />

und zum Schutz der Parteiuniform, 20. Dezember 1934<br />

1939 Verordnung gegen Volksschädlinge, 12. September 1939<br />

1941 Verordnung über die Strafrechtspflege gegen Polen (und<br />

Juden) in den eingegliederten Ostgebieten, 4. Dezember<br />

1941.<br />

1942 Entscheidungen der Reichsregierung in Strafsachen.<br />

Hier: RGSt, Bd. 76, S. 159 u. 161<br />

1943 Reichsjugendgerichtsgesetz, 6. November 1943.<br />

DDR-Recht<br />

1949 Verfassung der DDR 7. Oktober 1949.<br />

Hier: Art. 126, 133, 134, 135 u. 136.<br />

642<br />

Seite<br />

136, 336-338,<br />

376, 386, 387,<br />

453, 506, 704<br />

449, 454, 508<br />

137, 446, 449-<br />

451, 454, 508<br />

138<br />

135<br />

138<br />

135<br />

506<br />

510<br />

509<br />

442, 453, 508,<br />

714


1952 StPO/DDR - Gesetz über das Verfahren in Strafsachen,<br />

2. Oktober 1952.<br />

StPO/DDR, 12. Januar 1968. In: GBl. I, S. 49, idNF. durch<br />

das Gesetz zur Änderung der StPO/DDR vom 19. Dezember<br />

1974 sowie idF. des 3. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 28.<br />

Juni 1979. Hier: §§ 88, 124, 133, 154, 156, 178, 187, 193 u. 199.<br />

1952 Entscheidungen des Obersten Gerichts der DDR in<br />

Strafsachen. Bd. 2, Berlin, 1952, S. 37 ff.<br />

1961 Verordnung über Aufenthaltsbeschränkung. 24. August<br />

1961, idNF. des StGB der DDR vom 12. Januar 1968.<br />

Hier: § 2.<br />

1968 StGB/DDR, 12. Januar 1968, idNF. vom 19. Dezember 1974<br />

sowie idF. des 3. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 28. Juni<br />

1979. Hier: Art. 4, Abs. 2, 3 u. 5, und Art. 5, 3. Satz, sowie §§<br />

1, 4, 5-16, 17, 20, 22, 46, 61, 81, 83-85, 86-95, 99, 100, 112, 113,<br />

165, 213, 243, 244 u. 258.<br />

Verfassung der DDR, 6. April 1968, idF. des Gesetzes zur<br />

Ergänzung und Änderung der Verfassung der DDR vom<br />

7. Oktober 1974.<br />

Hier: Art. 1, 2, 6, 7, 8, 19, 20, 30, 48, 49, 86, 91, 96, 99 u. 100.<br />

1971 Aus dem Befehl Nr. 101/71 des Ministers für Nationale<br />

Verteidigung für das Ausbildungsjahr 1971/72 und 1972/73.<br />

Vom 30. September 1971.<br />

Rechtsvorschriften<br />

1972 Aus dem Befehl 80/72 „Über die Aufgaben der Grenztruppen<br />

zur Sicherung der Staatsgrenze im Ausbildungsjahr<br />

1972/73“. Vom 17. Oktober 1972.<br />

Seite<br />

138, 239, 279,<br />

408, 505, 709<br />

248<br />

401, 507<br />

78, 80, 92, 137,<br />

181, 267, 304,<br />

314-316, 340-347,<br />

370, 372, 374, 376,<br />

378, 380, 382, 384,<br />

385, 391-394, 402,<br />

406-421, 433, 438-<br />

444, 452-455, 461,<br />

469, 477, 482, 484,<br />

503, 705<br />

294, 309-311, 320,<br />

348, 356, 362, 373,<br />

374, 378, 383, 394,<br />

421, 453, 458, 461,<br />

478, 504, 711<br />

293-295, 358-360,<br />

364-366, 715<br />

293-295, 358-360,<br />

364-366, 715<br />

643


4. ANHANG<br />

1972 Aus dem Befehl 40/72 „Über die Aufgaben des Grenzkommandos<br />

Mitte zur Sicherung der Staatsgrenze im<br />

Ausbildungsjahr 1972/73“. Vom 2. November 1972.<br />

1972 Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der<br />

DDR und der BRD. 21. Dezember 1972<br />

(Grundlagenvertrag)<br />

1973 20. Durchführungsbestimmung zum Zollgesetz der DDR.<br />

14. Juni 1973.<br />

1973 Bekanntmachung über im grenzüberschreitenden<br />

Geschenkpaket- und -päckchenverkehr auf dem Postwege<br />

geltende Verbote und Beschränkungen, 14. Juni 1973.<br />

1973 Devisengesetz, 19. Dezember 1973<br />

1974 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG/DDR) - Gesetz über die<br />

Verfassung der Gerichte der DDR, 27. September 1974.<br />

Hier: § 7.<br />

1982 Gesetz über die Staatsgrenze der DDR (Grenzgesetz), 25.<br />

März 1982. Hier: §§ 1, 9, 17, 18, 21, 26 u. 27.<br />

1982 Über den Schusswaffengebrauch aus dem Gesetz über die<br />

Staatsgrenze der DDR (§27 Grenzgesetz), 25. März 1982.<br />

Hier: § 27.<br />

1988 Beweisrichtlinie – Richtlinie des Obersten Gerichts der<br />

DDR zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und<br />

Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozess,<br />

15. Juni 1988 – Auszüge – In: Das Oberste Gericht der DDR<br />

– Rechtsprechung im Dienste des Volkes. Mit einem<br />

Dokumentenanhang. Berlin, 1989, S. 242 ff.<br />

1988 Dienstanweisung des Ministeriums des Innern Nr.2/1982<br />

sowie Dienstanweisung des Ministeriums für Staatssicher-<br />

644<br />

Seite<br />

293-295,<br />

358-360,<br />

364-366, 715<br />

92, 135, 240, 416,<br />

717<br />

246<br />

246<br />

246<br />

138<br />

310-314, 320-324,<br />

326-328, 330,<br />

331, 334-335,<br />

340, 374, 375,<br />

459, 504, 505, 720<br />

502, 505, 722<br />

138<br />

249


heit Nr.2/1988 (zu „Häftlingsfreikäufen“ und „Immobilienverkäufen“<br />

auf Grundlage der letzten Fassung der Verordnung<br />

des Ministerrates der DDR vom 30. November 1988).<br />

BRD-Recht 1949 - 1989<br />

1871 Strafgesetzbuch, 15. Mai 1871 idFdB. vom 13. November 1998,<br />

zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2001.<br />

Hier: §§ 2, 12, 13, 17, 21, 25, 46, 78, 94, 99, 129a, 211, 220a,<br />

234a, 240, 241a, 336, 339 u. 353d.<br />

1877 Zivilprozessordnung 30. Januar 1877 idFdB. vom 12. September<br />

1950., zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Juli<br />

2001. Hier: § 293.<br />

Strafprozessordnung, 1. Februar 1877, idFdB. vom 7. April<br />

1987, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Februar 2002.<br />

Hier: §§ 52, 59, 60, 120, 128, 129, 130, 154, 156, 160, 170, 203,<br />

244-256, 261, 267, 273 u. 274.<br />

1896 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), 18. August 1896 idNF. vom<br />

21. September 1994.<br />

1949 Grundgesetz, 23. Mai 1949, idF. vom 27. Oktober 1994,<br />

zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung des<br />

Grundgesetzes vom 26. Juli 2002.<br />

Hier: Art. 1, 2, 3, 20, 100, 101, 103, 130.<br />

1951 Erstes Strafrechtsänderungsgesetz (sog. „Blitzgesetz“),<br />

3o. August 1951<br />

Rechtsvorschriften<br />

1956 Vertrag zwischen der BRD und der Französischen Republik<br />

zur Regelung der Saarfrage, 27. Oktober 1956. Hier: Art. 1.<br />

1956 Memorandum der Bundesregierung „Zur Frage der Wiederherstellung<br />

der deutschen Einheit“. 2. September 1956.<br />

Hier: Pkt. 14.<br />

Seite<br />

63, 77, 92, 130,<br />

133, 137, 187, 190,<br />

191, 208, 228, 258,<br />

331, 344, 378-382,<br />

407, 414, 418, 424,<br />

454, 462, 473, 503,<br />

589, 734<br />

504<br />

131, 138, 278-281,<br />

300, 301, 306, 407,<br />

411, 412, 466, 504,<br />

724<br />

504<br />

59, 63, 71, 92, 112-<br />

116, 119, 123, 137,<br />

342, 388-390, 446,<br />

454-457, 473, 503,<br />

544, 589, 726<br />

71, 91, 238, 510<br />

63<br />

63, 594, 733<br />

645


4. ANHANG<br />

1957 Wehrstrafgesetz (WStG), 30. März 1957, idFdB. vom 24. Mai<br />

1974, zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Januar 1998.<br />

Hier: § 5.<br />

1961 Über den Schusswaffengebrauch aus dem Gesetz über den<br />

unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt<br />

durch Vollzugsbeamte des Bundes (BRD), 10. März 1961,<br />

idF. vom 29. Oktober 2001.<br />

Hier: §§ 9, 11, u. 12.<br />

1965 Gesetz über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen,<br />

13. April 1965, zuletzt geändert durch das Erste<br />

Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 25. Juni 1969.<br />

(Verfolgung von NS-Verbrechen in der (Alt-)BRD)<br />

Hier: § 1 (1, 2).<br />

1965 Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und<br />

die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der<br />

Bundeswehr und zivile Wachpersonen (UZwGBw.), 12.<br />

August 1965, zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. September<br />

1998. Hier: §§ 15 u. 16.<br />

1966 Gesetz zum Internationalen Pakt über Bürgerrechte und<br />

politische Rechte, verkündet am 20. November 1973<br />

1973 BVerfG-Urteil vom 31. Juli 1973 zum Gesetz vom 6. Juni<br />

1973 zu dem Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen<br />

zwischen der BRD und der DDR vom 21. Dezember 1972.<br />

1974 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB) 2. März<br />

1974. Hier: Art. 315 u. 315a.<br />

1989 Gesetz zur Änderung des StGB, der StPO und des<br />

Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer<br />

Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten. 9. Juni<br />

1989, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Januar 1996.<br />

646<br />

Seite<br />

344, 345, 506, 731<br />

502, 505, 723<br />

239, 471, 472, 509<br />

505<br />

136, 506<br />

240<br />

91, 381, 462, 467,<br />

503, 728<br />

138


BRD-Recht ab 1990<br />

1990 Vertrag zwischen der BRD und der DDR über die<br />

Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag),<br />

31. August 1990.<br />

Hier: Art.8, 315 u. 315a.<br />

1990 Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf<br />

Deutschland. (Zwei-plus-Vier-Vertrag) 12. September 1990.<br />

1990 Beschluss der Justizministerkonferenz vom November 1990.<br />

1991 Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes<br />

der ehemaligen DDR (StUG), 20. Dezember 1991, idF. vom<br />

17. Juni 1999.<br />

Beschluss der Justizministerkonferenz vom November 1991.<br />

Beschluss der Justizministerkonferenz vom November 1992.<br />

1992 Erstes Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht (1. SED-<br />

UnBerG) mit dem Gesetz über die Rehabilitierung und<br />

Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen<br />

im Beitrittsgebiet (StrRehG), 29. Oktober<br />

1992, idFdB. vom 17. Dezember 1999;,zuletzt geändert<br />

durch Gesetz vom 20. Dezember 2001.<br />

1992 Bildung der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Sachsen-<br />

Anhalt zur Verfolgung politisch motivierter und unter<br />

Missbrauch politischer Macht begangener Straftaten in der<br />

ehemaligen DDR, in der Bekanntmachung vom 18.<br />

Dezember 1992.<br />

1993 Gesetz über das Ruhen der Verjährung bei SED-Unrechtstaten<br />

(Verjährungsgesetz)., 26. März 1993.<br />

1993 Zweites Gesetz zur Berechnung strafrechtlicher<br />

Verjährungsfristen (Zweites Berechnungsgesetz), 27.<br />

September 1993<br />

Rechtsvorschriften<br />

Seite<br />

35, 40-43, 63, 90,<br />

91, 112, 136, 185,<br />

231, 239, 270, 318,<br />

340, 349, 350, 416,<br />

462, 463, 502, 589,<br />

591, 727<br />

16, 17, 19<br />

64, 135<br />

147, 239<br />

64, 135<br />

64, 135<br />

64, 91, 239, 504<br />

64<br />

64, 88, 93, 239,<br />

463-467, 502<br />

64, 88, 93, 239,<br />

463-467, 502<br />

647


4. ANHANG<br />

1994 Zweites Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht<br />

(2. SED-UnBerG), 23. Juni 1994.<br />

Beschluss der Justizministerkonferenz vom 29. August 1994.<br />

1994 Errichtung der Sonderstaatsanwaltschaft II bei dem Landgericht<br />

Berlin., 1. Oktober 1994, auf der Grundlage des Gesetzes<br />

zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes<br />

(GVG), 12. Juli 1994. Hier: Art. I, § 8.<br />

1994 Bildung einer „Zentralen Ermittlungsstelle für die Verfolgung<br />

der Regierungs- und Vereinigungskriminalität (ZERV)“ in<br />

Berlin und entsprechender Dezernate bei den Polizeidienststellen<br />

der Länder (Regierungs- und Vereinigungskriminalität<br />

– RVK) – (Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom<br />

Oktober 1992 in Dresden).<br />

1994 Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des<br />

Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG). 12. Juli 1994.<br />

1997 Gesetz zur weiteren Verlängerung strafrechtlicher<br />

Verjährungsfristen (3. Verjährungsgesetz), 22. Dezember 1997.<br />

648<br />

Seite<br />

91, 239<br />

64, 88, 93, 239,<br />

463-467, 502<br />

36, 64, 69, 98,<br />

135<br />

36, 98<br />

64, 135<br />

64, 88, 93, 239,<br />

464-470, 502


Verzeichnis der angeführten<br />

Gerichtsentscheidungen<br />

- nach Gerichtsebene und<br />

- Zeitfolge der Entscheidung<br />

Bundesverfassungsgerichts-Urteile<br />

BVerfG Urteile<br />

1956 17. August - AZ 1 BvB 2/51 (BVerfGE Bd. 5, S. 85)<br />

1961 21. März - (BVerfGE Bd.12, S. 296)<br />

1973 31. Juli - AZ BvF 1/73 (BVerfGE Bd. 36, S. 1-36)<br />

Bundesverfassungsgerichts-Beschlüsse<br />

BVerfG-Beschlüsse<br />

1969 26. Februar - AZ 2 BvL 15-23/68<br />

(BVerfGE Bd. 25, S. 269)<br />

1995 15. Mai - AZ 2 BvL 19/91<br />

(BVerfGE Bd. 92, S. 277 ff., 320)<br />

- AZ 2 BvR 1206/91<br />

(BVerfGE Bd. 92, S. 277 ff., 320)<br />

- AZ 2 BvR 1584/91<br />

(BVerfGE Bd. 92, S. 277 ff., 320)<br />

- AZ 2 BvR 2601/93<br />

(BVerfGE Bd. 92, S. 277 ff., 320)<br />

1996 24. Oktober - AZ 2 BvR 1851/94<br />

(BVerfGE Bd. 95, S.96 u. 136)<br />

- AZ 2 BvR 1852/94<br />

(BVerfGE Bd. 95, S. 96 u. 136)<br />

- AZ 2 BvR 1853/94<br />

(BVerfGE Bd. 95, S. 96 u. 136)<br />

- AZ 2 BvR 1875/94<br />

(BVerfGE Bd.95, S. 96 u. 136)<br />

Seite<br />

91<br />

91<br />

240<br />

509<br />

65, 243, 505, 688<br />

65, 243, 505, 688<br />

65, 243, 505, 688<br />

65, 243, 505, 688<br />

137, 502, 689<br />

137, 502, 689<br />

137, 502, 689<br />

137, 502, 689<br />

649


5. ANHANG<br />

1998 7. April - AZ 2 BvR 2560/95<br />

Bundesverfassungsgerichts-Entscheidungen<br />

BVerfGE Bd. 5, S. 85<br />

Bd. 12, S. 296<br />

Bd. 25, S. 269<br />

Bd. 36, S. 1-36<br />

Bd. 36, S. 15 ff.<br />

Bd. 58, S. 167<br />

Bd. 62, S. 192<br />

Bd. 92, S. 277 ff.<br />

Bd. 92, S. 277, 320<br />

Bd. 95, S. 96<br />

Bd. 95, S. 96, 136<br />

Bd. 95, S. 131 ff.<br />

Bundesgerichtshof-Urteile<br />

BGH-Urteile<br />

1958 30. Januar - AZ 1 StE 10/57 (BGHSt Bd. 11, S. 57)<br />

1984 23. Mai - AZ 3 StR 102/84 (BGHSt Bd. 32, S. 357 ff.)<br />

1992 3. November - AZ 5 StR 370/92 (BGHSt Bd.. 39, S. 1, 23)<br />

1993 20. Oktober - AZ 5 StR 473/93 (BGHSt Bd. 39, S. 354,<br />

356)<br />

13. Dezember - AZ 5 StR 76/93 (BGHSt Bd. 40, S.30 ,34)<br />

1994 29. April - AZ 3 StR 528/93<br />

9. Mai - AZ 5 StR 354/93 (BGHSt Bd. 40, S. 169,<br />

177)<br />

26. Juli - AZ 5 StR 98/64 (BGHSt Bd. 40, S. 218,<br />

230 ff.)<br />

6. Oktober - AZ 4 StR 23/94 (BGHSt Bd. 40, S. 272)<br />

11. Oktober - AZ VI ZR 234/93<br />

1995 5. Juli - AZ 3 StR 605/94<br />

15. September - AZ 5 StR 713/94 (BGHSt Bd. 41,<br />

S. 247 ff.)<br />

15. November - AZ 3 StR 527/94<br />

650<br />

Seite<br />

137<br />

91<br />

91<br />

509<br />

240<br />

504<br />

507<br />

507<br />

65<br />

505<br />

137, 502<br />

505<br />

509<br />

91<br />

92<br />

502<br />

509<br />

64, 92, 502<br />

249<br />

92, 507<br />

65, 506<br />

92, 507<br />

249<br />

507<br />

92, 507<br />

507


16. November - AZ 5 StR 747/94<br />

30. November - AZ 4 StR 714/94<br />

30. November - AZ 4 StR 777/94<br />

1997 21. August - AZ 5 StR 652/96<br />

1998 10. Dezember - AZ 5 StR 322/98<br />

1999 8. November - AZ 5 StR 632/98 (BGHSt Bd. 45, S. 270)<br />

2002 6. November - AZ 5 StR 281/01<br />

Bundesgerichtshof-Beschlüsse<br />

BGH-Beschlüsse<br />

1952 18. März - (BGHSt Bd. 2, S. 194)<br />

1991 3. Juli - AZ 3 StR 226/91<br />

18. September - AZ 3 StR 193/91<br />

1993 9. Dezember - AZ 4 StR 416/93 (BGHSt Bd. 40, S.8 ff.)<br />

24. September - AZ 3 StR 199/92<br />

1994 10. August - AZ 3 StR 252/94<br />

13. Oktober - AZ 5 StR 386/94<br />

1995 25. Juli - AZ GSSt 1/95 (BGHSt Bd. 41, S. 187 ff.)<br />

1997 15. Mai - AZ 5 StR 580/96<br />

1998 28. Oktober - AZ 5 StR 176/98<br />

1999 18. Februar - AZ 5 StR 193/98<br />

BGH-Entscheidungen in Strafsachen<br />

BGHSt Bd. 2, S. 194<br />

Bd. 11, S. 57<br />

Bd. 32, S. 357 ff.<br />

Bd. 34, S. 146, 149<br />

Bd. 39, S. 1, S. 23<br />

Bd. 39, S. 168, 170, 187<br />

Bd. 39, S. 354, 356<br />

Bd. 40, S. 8<br />

Gerichtsentscheidungen<br />

Seite<br />

64, 91<br />

92, 507<br />

92, 508<br />

92<br />

507<br />

505<br />

506<br />

508<br />

243<br />

243<br />

65, 246<br />

243<br />

64, 509<br />

247<br />

65, 247<br />

138<br />

506<br />

64<br />

508<br />

91<br />

92<br />

506<br />

502<br />

505<br />

509<br />

65, 246<br />

651


5. ANHANG<br />

Bd. 40, S. 30-34<br />

Bd. 40, S. 169, 177<br />

Bd. 40, S .218, 230<br />

Bd. 40, S.272<br />

Bd. 41, S. 187<br />

Bd. 41, S. 247<br />

Bd. 45, S. 270<br />

Bd. 45, S. 297<br />

Oberlandesgerichts-Urteile, -Beschlüsse<br />

OLG-Urteile<br />

OLG Dresden<br />

1993 13. Juli - AZ 7 U 172/93<br />

1995 20. April - AZ 7 U 172/93<br />

OLG Düsseldorf<br />

1991 23. Dezember - AZ IV 22/91 (17/91) 2 BvR 2601/93<br />

OLG Koblenz<br />

1991 5. Februar - AZ 3 StE 4/90-1-2 BvR 1584/91<br />

OLG Stuttgart<br />

1991 28. Februar - AZ 4 Ojs 11/90 - 2 BvR 1206/91<br />

Kammergerichts-Urteile<br />

Kammergericht Berlin<br />

1996 21. Juni - AZ (4) 1 Ss 189/95 (38/96)<br />

1998 20. März - AZ (4) Ws 160/97 (533-2/97)<br />

Kammergerichts-Beschlüsse<br />

Kammergericht Berlin<br />

1954 15. März - AZ (1) RHE AR 7/54-la-Ws 26/54<br />

1991 22. Juli - AZ (1) 3 StE 9/91-4 2 BvL 1991<br />

Landgerichtsurteile<br />

LG-Urteile<br />

LG Berlin<br />

1992 5. Februar - AZ (518) 2 Js 63/90 (57/91)<br />

652<br />

Seite<br />

64, 92, 502<br />

92, 507<br />

65, 506<br />

92, 507<br />

65, 247<br />

92, 507<br />

505<br />

505<br />

249, 663<br />

249<br />

243<br />

243<br />

243<br />

250<br />

508<br />

509<br />

243<br />

505


17. August - AZ (515) 76 JS 1589/91 Kls 26/92<br />

1993 14. Mai - AZ (2) StE 16/92 - 4 (l) 12/93<br />

16. September - AZ (527) 2 Js 26/90 Ks 10/92<br />

1995 29. März - AZ (573) 30 Js 2313/92 (159/94)<br />

1997 30. Mai - AZ (535) - 3/95<br />

1998 24. August - AZ (512) 10/98<br />

1999 11. August - AZ (506) 30 Js 1830/94 Kls(10/94)<br />

2000 18. Juli - AZ (502) - 26/99<br />

22. September - AZ (510) 30 Js 720/95 Kls 7/99<br />

LG Leipzig<br />

1993 1. September - AZ 1 Ks 04 Js 1807/91<br />

1997 28. November - AZ 1 Kls 825 Js 21994/94<br />

LG Magdeburg<br />

1993 4. Januar - AZ 23 Kls 27/91 (5 Kls 27/91)<br />

Landgerichts-Beschluss<br />

LG - Beschluss<br />

LG Dresden<br />

1997 17. Februar - AZ 1 Kls 812 Js 475/91 1 KKls 10/95<br />

Bezirksgerichts - und Kreisgerichtsentscheidungen<br />

BG Dresden<br />

1991 28. Oktober - Beschluss, AZ BSK (1) 231/91<br />

KG Kamenz<br />

1992 26. August - Urteil, AZ C 5/91<br />

KG Dresden<br />

Gerichtsentscheidungen<br />

- Haftbefehl, Gs 934/92 und 89 Js 475/91<br />

Seite<br />

91<br />

240<br />

506<br />

250<br />

506<br />

247<br />

248<br />

503<br />

245<br />

508<br />

509<br />

246<br />

247<br />

509<br />

249, 663<br />

247<br />

653


Verzeichnis der angeführten Literatur<br />

Arnold, Jörg:<br />

Strafrechtliche Auseinandersetzung mit Systemvergangenheit am Beispiel<br />

der DDR. Vortrag zum Gustav-Radbruch-Forum. 27. September 1997 in<br />

Heidelberg. Nomos <strong>Verlag</strong>sgesellschaft, Baden-Baden, 2000. S. 15 ff<br />

Andert, Reinhold:<br />

Unsere Besten. Die VIPs der Wendezeit. Elefanten Press-<strong>Verlag</strong>,<br />

Berlin, 1993.<br />

Anders, Hardi / Opitz, Willi:<br />

Zur Arbeit des MfS mit inoffiziellen Mitarbeitern. In: Die Sicherheit. Zur<br />

Abwehrarbeit des MfS. Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das Neue Berlin, <strong>Verlag</strong>sgesellschaft<br />

mbH, Berlin, 2002. Bd. 1, S. 332 ff.<br />

Antidiskriminierungskonferenz.<br />

Berlin, 6. Dezember 1997. In: ICARUS, Heft 1/1998, S. 20 ff. Hier: S. 65<br />

Bastian, Till:<br />

55 Gründe, mit den USA nicht solidarisch zu sein und schon gar nicht<br />

bedingungslos. Pendo-<strong>Verlag</strong> GmbH, Zürich/München, 2002.<br />

Buchholz, Erich:<br />

Probleme legitimer Fremdrechtsanwendung, dargestellt an der bundesdeutschen<br />

Strafrechtsprechung. Beitrag zur Festschrift für Prof. Dr.<br />

Dionysios Spinellis. Die Strafrechtswissenschaften im 21. Jahrhundert.<br />

Abt. für Strafrechtswissenschaft, Juristische Fakultät der Universität<br />

Athen. – Sonderdruck - ANT. N. Sakkoulas <strong>Verlag</strong>, 2001.<br />

Blau, Joachim:<br />

Zum Ausbau des staatlichen Repressionsapparates seit Ende der 60er Jahre.<br />

Institut für Marxistische Studien und Forschungen, Frankfurt a. Main, 1977.<br />

Berg, Stefan:<br />

Die Spur der Strahlen. In: „Der Spiegel“, Hamburg, Nr. 12/2000, S. 30 ff.<br />

655


6. ANHANG<br />

Beling, Ernst:<br />

Die Lehre vom Verbrechen. Tübingen 1906. Neudruck: Lizenzausgabe mit<br />

Genehmigung des <strong>Verlag</strong>s J. C. B. Mohr, Tübingen, Scienta-<strong>Verlag</strong>, 1964.<br />

Blankenburg, Erhard:<br />

Rezension zu Heitmann, Steffen: Die Revolution in der Spur des Rechts.<br />

Reuter & Klöckner <strong>Verlag</strong>, Hamburg, 1996. In: NJ, Heft 12/1997, S. 642.<br />

Braumann, Marcel:<br />

Tote der Ostsee als Marktlücke. Eine Amokfahrt als Heldentat? Medienrummel<br />

um den „Fall Strehlow“. In: ND, 3. März 1993.<br />

Braun, Edgar/ Engelhardt, Heinz / Möller, Günter / Niebling, Gerhard:<br />

Eine notwendige Empfehlung zur Nachlese. In: Die Sicherheit. Zur<br />

Abwehrarbeit des MfS. Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das Neue Berlin, <strong>Verlag</strong>sgesellschaft<br />

mbH, Berlin, 2002. Bd. 1, S. 38 ff.<br />

von Buri, Maximilian:<br />

Über Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, sowie: Die<br />

Causalität und ihre strafrechtlichen Beziehungen. Stuttgart, 1885.<br />

Berlekamp, Hinnerk:<br />

Häftling Nr. 41586 pokert mit Georg Bush. In: „Berliner Zeitung“,<br />

8. Januar 1991.<br />

Bartl, Klaus:<br />

Berufsverbote in Sachsen. In: „Ossietzky“, Juni 2000. Nachdruck.<br />

In: ISOR-aktuell, Nr. 8/2002 (Beilage).<br />

Bericht und Erfahrungsaustausch mit der französischen Zollverwaltung.<br />

In: ddz, Heft 3/1994, S. 53 ff. Hier: S. 244<br />

Burges, Gerd / Rautenberg, Erardo:<br />

Anfangsverdacht wegen Rechtsbeugung gegen Staatsanwälte und Richter<br />

der früheren DDR. In: DtZ, Nr. 3/1993, S. 71.<br />

Bush, George W.<br />

Präsident der USA, erteilt Mordbefehl an CIA-Agenten. In: jW, 17. Dezember<br />

2002 und ND, 16. Dezember 2002.<br />

656


CIA-Mordkomplotte gegen ausländische Politiker:<br />

Angeführte Literatur<br />

(Unter Bezug auf Bericht „Alleged Assassination Plots Involving Foreign Leaders“ des<br />

Senat Select Committee to Study Governmental Operations with Respect to<br />

Intelligence Activities. U.S. Government Printing Office 1975),Washington 1975. In:<br />

Arno Schölzel (Hrsg.): Das Schweigekartell. Berlin, 2002, S. 213 f. Hier: S. 241<br />

Coburger, Karli / Skiba, Dieter:<br />

Die Untersuchungsorgane des MfS. In: Die Sicherheit. Zur Abwehrarbeit<br />

des MfS. Bd. 2, S. 426 u. 464 ff.<br />

Deckwerth, Sabine:<br />

Aus Erfurt will der Fischhändler flüchten. In: „Berliner Zeitung“,<br />

9. November 1993.<br />

Deutscher Bundestag (DBT):<br />

Protokoll der 217. Sitzung, 10. Juni 1952, S. 9510. Hier: S. 137<br />

Deutscher Bundestag (DBT), 13. März 1991:<br />

In: ND, 18. Februar 1992 (Auszug).Vgl. auch: ND, 17. Februar 1992. Hier: S. 250<br />

Deutscher Bundestag (DBT), 12.Wahlperiode:<br />

Schlussbericht 1994: Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-<br />

Diktatur in Deutschland. Hier: S. 63<br />

Deutscher Bundestag (DBT), 13. Wahlperiode:<br />

Schlussbericht 1998: Überwindung und Folgen der SED-Diktatur im<br />

Prozess der deutschen Einheit. Hier: S. 63<br />

Deutscher Richtertag (15.) 23. September 1991 in Köln.:<br />

In: DRiZ, Heft 1/1992, S. 4 ff. Hier: S. 19, 63, 87, 88, 132, 135, 237, 592, 730<br />

Diestel, Peter-Michael:<br />

McCarthy läßt brüderlich grüßen oder: Die Gauck-Behörde als Fortsetzung<br />

der Stasi mit anderen Mitteln. In: Jochen Zimmer (Hrsg.): Das<br />

Gauck-Lesebuch. Eine Behörde abseits der Verfassung? Eichborn <strong>Verlag</strong><br />

& Co. KG, Frankfurt a. Main, 1998.<br />

Diskriminierung und Verfolgung ehemaliger Bürgerinnen und Bürger der<br />

DDR in der BRD:<br />

Erklärung führender Persönlichkeiten der DDR, 10. Februar 1998. Hier: S. 65<br />

657


5. ANHANG<br />

Dokumentensammlung MfAA:<br />

Für Entspannung und dauerhaften Frieden in Europa. Hrsg.: Ministerium<br />

für Auswärtige Angelegenheiten der DDR (MfAA). Staatsverlag der<br />

DDR, Berlin, 1976, S. 100 ff.<br />

Dümde, Claus:<br />

Stasi-Röntgenkanone. In Gera bisher „keine greifbaren Hinweise“. Staatsanwaltschaft<br />

Erfurt führt dennoch Ermittlungen weiter. In: ND, 9. Juli 1999, S. 3.<br />

Dwars, Jens-F.:<br />

Traum vom Souveränen Volk. Zum 10. Todestag von Gerhard Riege.<br />

In: ND, 15. Februar 2002<br />

Eik, Jan:<br />

Besondere Vorkommnisse. Politische Affären und Attentate. <strong>Verlag</strong> Das<br />

Neue Berlin, 1995.<br />

Einfuhr- und Zollvorschriften fremder Länder:<br />

Handbuch (Aktuelle Lbls.) Hrsg.: Generaldirektion der Deutschen<br />

Bundespost. Hier: S. 246<br />

Engberding, Rainer:<br />

Angaben zur Enttarnung von Quellen des Auslandsnachrichtendienstes<br />

der DDR anlässlich einer Tagung der Gauck-Behörde vom 14. - 16.<br />

November 2002 in Berlin.<br />

Engelhardt, Heinz / Braun, Edgar / Möller, Günter / Niebling, Gerhard:<br />

Eine notwendige Empfehlung zur Nachlese. In: Die Sicherheit. Zur<br />

Abwehrarbeit des MfS. Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das Neue Berlin, <strong>Verlag</strong>sgesellschaft<br />

mbH, Berlin 2002, Bd. 1, S. 38 ff.<br />

Fernitz, G.:<br />

Einsatz der Röntgentechnik zur Aufdeckung von Schmuggel und<br />

Spekulation im grenzüberschreitenden Reiseverkehr. In: „Sozialistische<br />

Zollkontrolle“ Nr. 4/1985, S. 9 ff.<br />

Forum (Erstes) des Bundesministers der Justiz, 9. Juli 1991 in Köln:<br />

Siehe dazu: Enno von Loewenstern: 40 Jahre SED-Unrecht. Eine<br />

Herausforderung für den Rechtsstaat. In: Sonderheft der Zeitschrift für<br />

Gesetzgebung (ZG), 1991, S. 41. Hier: S. 63, 729<br />

658


Angeführte Literatur<br />

Friedrich, Jörg:<br />

Freispruch für die Nazi-Justiz.<br />

Taschenbuch 1983<br />

Reinbeck bei Hamburg. rororo<br />

Fritsche, Ingo:<br />

Anmerkungen zu den Urteilen KG Kamenz vom 26. August 1992 und<br />

OLG Dresden vom 13. Juli 1993. In: NJ, Heft 14/1993, S. 182 ff. und NJ, Heft<br />

10/1993, S. 464.<br />

Gast, Gabriele:<br />

Kundschafterin des Friedens - 17 Jahre Topspionin der DDR im BND.<br />

Eichborn <strong>Verlag</strong> & Co. KG, Frankfurt a. Main, 1999.<br />

Gauck-Behörde:<br />

Tagung vom 14.-l6. November 2000 zum Thema: Staatssicherheit im<br />

Westen - Geheimdienste und Politik im Deutsch-Deutschen Verhältnis.<br />

Generaldirektion der Deutschen Bundespost:<br />

Einfuhr- und Zollvorschriften fremder Länder. Handbuch (Aktuelle Lbls.)<br />

Hier: S. 246<br />

Gerlof / Rietz:<br />

Öffentliches Klima trieb Prof. Gerhard Riege in den Freitod. Beschimpft<br />

von der Uni gefeuert. In: ND, 17.Februar 1992.<br />

Gössner, Rolf:<br />

Die vergessenen Justizopfer des Kalten Krieges. Verdrängung im Westen -<br />

Abrechnung mit dem Osten? Aufbau Taschenbuchverlag GmbH, Berlin, 1998.<br />

Graubuch:<br />

Expansionspolitik und Neonazismus in Westdeutschland. Hintergründe,<br />

Ziele, Methoden. Eine Dokumentation. Hrsg.: Nationalrat der Nationalen<br />

Front. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Staatsverlag der DDR,<br />

Berlin, April 1967. Hier: S. 238<br />

Grimmer, Reinhard / Irmler, Werner / Opitz, Willi / Schwanitz, Wolfgang<br />

(Hrsg.):<br />

Die Sicherheit. Zur Abwehrarbeit des MfS. Bd. 1; Bd. 2 - mit einem<br />

Plädoyer von Peter-Michael Diestel. Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das Neue<br />

Berlin, <strong>Verlag</strong>sgesellschaft mbH, Berlin, 2002.<br />

659


5. ANHANG<br />

Grossmann, Werner:<br />

Bonn im Blick. Die DDR-Aufklärung aus der Sicht ihres letzten Chefs.<br />

Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das Neue Berlin, <strong>Verlag</strong>sgesellschaft mbH, Berlin,<br />

2001.<br />

Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung e.V. (GRH):<br />

Gründungsaufruf der GRH. 19. Mai 1993. (Siehe Dokumentenanhang).<br />

Monatliche „Mitteilungen“ und „Informationen“ der Gesellschaft zur<br />

rechtlichen und humanitären Unterstützung e. V.<br />

Hier: S.48, 65, 590, 592, 731.<br />

Grutza, Hans-Günther:<br />

Robert Havemann und seine Richter. Ein Gerichtsprotokoll aus der<br />

Perspektive eines angeklagten ehemaligen DDR-Richters. Politik &<br />

Gesellschaft, Frieling & Partner GmbH, Berlin, 1. Auflage, 2000.<br />

Gysi, Gregor:<br />

Zur Einschätzung des MfS als „verbrecherische Organisation“. Erklärung<br />

zur Tätigkeit des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit der DDR.<br />

Eigene Verantwortung nicht durch Suche nach „Sündenböcken“ verdrängen.<br />

In: ND, 17. April 1991.<br />

Fragen, Verdächtigungen, Anwürfe und Erkenntnisse nach einem ersten<br />

Aktenstudium in der Gauck-Behörde:<br />

In: ND, 27. Januar 1992.<br />

Hannover, Heinrich:<br />

Die Republik vor Gericht. Bd. 1, 1954-1974; Bd. 2, 1975-1995. 2. Auflage.<br />

Aufbau-<strong>Verlag</strong> GmbH, Berlin, 1998.<br />

Harich, Wolfgang:<br />

Unrechtsstaat? Politische Justiz und die Aufarbeitung der DDR-<br />

Vergangenheit. VSA-<strong>Verlag</strong>, Hamburg, 1994.<br />

Havel, J.:<br />

Röntgentechnik in der Zollkontrolle. In: „Sozialistische Zollkontrolle“,<br />

Nr.1/1988, S. 18 ff.<br />

Hirsch, Rudolf:<br />

Der Markus-Wolf-Prozess. Eine Reportage. Brandenburgisches <strong>Verlag</strong>shaus,<br />

Berlin, 1994.<br />

660


Angeführte Literatur<br />

Hoffmann / Müller-Enbergs / Wielgohs:<br />

Wer war wer in der DDR? Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn,<br />

2000<br />

Irmler, Werner / Grimmer, Reinhard / Opitz, Willi / Schwanitz, Wolfgang<br />

(Hrsg.):<br />

Die Sicherheit. Zur Abwehrarbeit des MfS. Bd. 1; Bd. 2 - mit einem<br />

Plädoyer von Peter-Michael Diestel. Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das Neue<br />

Berlin, <strong>Verlag</strong>sgesellschaft mbH, Berlin, 2002.<br />

Jahntz, B. / Kähne, V.:<br />

Darstellung der Ermittlungen der Staatsanwaltschaften bei dem Landgericht<br />

Berlin gegen ehemalige Richter und Staatsanwälte am Volksgerichtshof.<br />

Berlin(West). Der Senator für Justiz und Bundesangelegenheiten. 1986.<br />

Jescheck, Hans-Heinrich:<br />

Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 4. Auflage, <strong>Verlag</strong> Duncker<br />

und Humblodt, 1988, S.601.<br />

Joseph, Detlef:<br />

Der Rechtsstaat und die ungeliebte DDR. GNN-<strong>Verlag</strong>, Sachsen / Berlin<br />

mbH, Berlin, 1997.<br />

Joseph, Detlef:<br />

Nazis in der DDR. Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das Neue Berlin, <strong>Verlag</strong>sgesellschaft<br />

mbH, Berlin, 2000.<br />

Kähne, V. / Jahntz, B.:<br />

Darstellung der Ermittlungen der Staatsanwaltschaften bei dem Landgericht<br />

Berlin gegen ehemalige Richter und Staatsanwälte am Volksgerichtshof.<br />

Berlin(West). Der Senator für Justiz und Bundesangelegenheiten.<br />

1986.<br />

Kaufmann, Arthur:<br />

Gustav Radbruch, Rechtsdenker, Philosoph, Sozialdemokrat. München,<br />

1987, S. 27.<br />

Kenzler, Evelyn:<br />

Zur Strafverfolgung wegen „Anstellungsbetrug“. In: ICARUS, Heft<br />

4/1996, S. 26.<br />

661


5. ANHANG<br />

Kinkel, Klaus:<br />

Begrüßungsansprache als damaliger Bundesminister der Justiz vor dem<br />

15. Deutschen Richtertag am 23. September 1991 in Köln. In: DRiZ, Heft<br />

1/1992, S. 4 ff. (Siehe Dokumentenanhang).<br />

Kommunistische Partei Kubas:<br />

Rechenschaftsbericht des ZK an den 1. Parteitag. 17./18. Dezember 1975.<br />

Dietz <strong>Verlag</strong> Berlin, 1976. Hier: S. 242.<br />

Kossakowski, Adolf:<br />

Leserbrief zum „Fall Eggert“ an „Neues Deutschland“, ND, 12./13. März<br />

1995.<br />

Kramp, Uwe:<br />

Der panamaische Caudillo diente allen und jedem. In: ND, 19. August<br />

1991.<br />

Landtag Brandenburg. Debatte zum Bericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses<br />

1/3 des Landtages:<br />

Wortprotokoll, 16. Juni 1994. In: Schriften des Landtages, Heft 2 /1994.<br />

Hier: S. 250.<br />

Lambrecht / Müller / Sandmeyer:<br />

Auftrag Mord. In: „Der Stern“, Nr. 49/1993, S. 30 ff u. Nr. 50/1993, S. 36 ff..<br />

Letzgus, K.:<br />

Festschrift für Herbert Helmrich zum 60. Geburtstag. München, 1994.<br />

Limbach, Jutta:<br />

Politische Justiz im Kalten Krieg. In: NJ, Heft 3/1994, S, 49 ff.<br />

von Loewenstern, Enno:<br />

40 Jahre SED-Unrecht. Eine Herausforderung für den Rechtsstaat. Redebeitrag<br />

vor dem Ersten Forum des Bundesminister der Justiz am 9. Juli 1991<br />

in Bonn. In: Sonderheft der Zeitschrift für Gesetzgebung (ZG), 1991, S. 41<br />

(Siehe Dokumentenanhang).<br />

Marx – Engels:<br />

Werke (MEW), Bd. 8., S 396. Hier: S. 592.<br />

662


Angeführte Literatur<br />

Marxen, Klaus / Werle, Gerhard:<br />

Die strafrechtliche Aufarbeitung von DDR-Unrecht. Eine Bilanz. Walter<br />

de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin, 1999.<br />

Mecklenburg, Jens (Hrsg.):<br />

Handbuch deutscher Rechtsextremismus. Elefanten Press-<strong>Verlag</strong>, Berlin,<br />

1966.<br />

Meinerzhagen, Ulrich:<br />

„Chefankläger“ von Sachsen. In: „Sächsische Zeitung“, 16. März 1993.<br />

(Strafverfolgung von DDR-Hoheitsträgern in Sachsen.)<br />

Memorandum zur juristischen Verfolgung von Bürgern der DDR durch die<br />

Justizorgane der BRD:<br />

Berlin, November 1996. Hier: S. 65.<br />

Menschenraub:<br />

Über Menschenraub, Spitzel, Wanzen und Demagogen. In: „Roter<br />

Morgen“ Nr. 11/1998, S. 9 ff. Hier: S. 248.<br />

Mielke, Michael:<br />

Ich hatte eine Falle vermutet. Bewährungsstrafe für einen Ex-NVA-Offizier,<br />

der seinen Onkel an die Stasi verriet. In: „Die Welt“, 30. März 1995, S. 36.<br />

Möller, Günther / Braun, Edgar / Engelhardt, Heinz / Niebling, Gerhard:<br />

Eine notwendige Empfehlung zur Nachlese. In: Die Sicherheit. Zur<br />

Abwehrarbeit des MfS. Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das Neue Berlin,<br />

<strong>Verlag</strong>sgesellschaft mbH, Berlin, 2002. Bd. 1, S. 38 ff.<br />

Mordvorwürfe gegenüber dem MfS:<br />

Medienrummel über angebliche Giftmordpläne. In: „TANGO“ Nr. 44 vom<br />

27. Oktober 1994, S. 36 ff. Hier: S. 241.<br />

Müller / Lambrecht / Sandmeyer:<br />

Auftrag Mord. In: „Der Stern“, Nr. 49/1993, S. 30 ff. u. Nr. 50/1993, S. 36 ff.<br />

Müller-Enbergs / Hoffmann / Wielgohs:<br />

Wer war wer in der DDR? Bundeszentrale für politische Bildung,<br />

Bonn, 2000.<br />

663


5. ANHANG<br />

Müller, Ingo:<br />

Furchtbare Juristen. Kindler <strong>Verlag</strong> GmbH, München, 1987.<br />

Nationalrat der Nationalen Front (Hrsg.):<br />

Graubuch. Expansionspolitik und Neonazismus in Westdeutschland.<br />

Hintergründe, Ziele, Methoden. Eine Dokumentation. Hrsg.: Nationalrat<br />

der Nationalen Front. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Staatsverlag<br />

der DDR, Berlin, April 1967. Hier: S. 238.<br />

Neubert, Erhard:<br />

Untersuchung zu den Vorwürfen gegen den Ministerpräsidenten des<br />

Landes Brandenburg Dr. Manfred Stolpe. Hrsg.: Fraktion Bündnis-Grüne<br />

im Landtag Brandenburg, Potsdam, 1990.<br />

Niebling, Gerhard / Möller, Günther / Braun, Edgar / Engelhardt, Heinz:<br />

Eine notwendige Empfehlung zur Nachlese. In: Die Sicherheit. Zur<br />

Abwehrarbeit des MfS. Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das Neue Berlin,<br />

<strong>Verlag</strong>sgesellschaft mbH, Berlin, 2002. Bd. 1, S. 38 ff.<br />

Offener Brief leitender Generale und Offiziere des MfS:<br />

Zur angeblichen Verstrahlung von ehemaligen U-Häftlingen durch das<br />

MfS. Berlin, Oktober 2000. In: Schriftenreihe für marxistisch-leninistische<br />

Bildung, Heft 70/2000. Hier: S. 244.<br />

Opitz, Willi / Anders, Hardi:<br />

Zur Arbeit des MfS mit inoffiziellen Mitarbeitern. In: Die Sicherheit. Zur<br />

Abwehrarbeit des MfS. Edition Ost im Ver1ag Das Neue Berlin,<br />

<strong>Verlag</strong>sgesellschaft mbH, Berlin, 2002. Bd. 1, S. 332 ff.<br />

Opitz, Willi / Irmler, Werner / Grimmer, Reinhard / Schwanitz, Wolfgang<br />

(Hrsg.):<br />

Die Sicherheit. Zur Abwehrarbeit des MfS. Bd. 1; Bd. 2 - mit einem<br />

Plädoyer von Peter-Michael Diestel. Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das Neue<br />

Berlin, <strong>Verlag</strong>sgesellschaft mbH, Berlin, 2002.<br />

Oschlies, Renate:<br />

In der Haft war alles möglich. Zum Vorwurf der Körperverletzung an<br />

Häftlingen. In: „Berliner Zeitung“, 23./24. September 2000.<br />

664


Angeführte Literatur<br />

Ostdeutscher Kongress:<br />

Für eine gesicherte Zukunft Deutschlands. Workshop: Rechtsstaat und<br />

politische Strafverfolgung. 23./24. Mai 1997, Berlin. In: ICARUS,<br />

Sonderheft 1997. Hier: S. 65.<br />

Peters, Karl:<br />

Fehlerquellen im Strafprozess. Eine Untersuchung der Wiederaufnahmeverfahren<br />

in der Bundesrepublik Deutschland. <strong>Verlag</strong> F. C. Müller,<br />

Karlsruhe. Bd. 1, 1970; Bd. 2, 1972; Bd. 3, 1974.<br />

Pfeiffer, G.:<br />

Zur inneren Unabhängigkeit des Richters. In: „FAZ“, 5. Dezember 1987, S. 10.<br />

Podewin, Norbert (Hrsg.):<br />

Braunbuch. Kriegs- und Naziverbrecher in der BRD und in Berlin (West).<br />

Reprint der Ausgabe 1968 (3. Auflage). Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das Neue<br />

Berlin, <strong>Verlag</strong>sgesellschaft mbH, Berlin, 2002.<br />

Posser, Diether:<br />

Anwalt im Kalten Krieg. Ein Stück deutscher Geschichte in politischen<br />

Prozessen. 1951-1968, München, 1991.<br />

Priepke, Walther:<br />

Die Treuepflicht des Richters. In: DRiZ, Heft 1/1991, S. 4 ff.<br />

Radbruch, Gustav:<br />

Aufsatz als Antwort auf die Verbrechen der Nazis. 1946/1947 sowie Aufsatz<br />

„Gesetz und Recht“ 1947. In: GRGA, Bd. 3, S. 89 ff., S. 99.<br />

Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht.<br />

In: SJZ, Heft 5/1946, S. 105 ff.<br />

Rataizik, Siegfried:<br />

Der Untersuchungshaftvollzug im MfS. In: Die Sicherheit. Zur Abwehrarbeit<br />

des MfS.. Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das Neue Berlin, <strong>Verlag</strong>sgesellschaft<br />

mbH, Berlin 2002. Bd. 2; S. 495 ff<br />

Rautenberg, Erardo / Burges, Gerd:<br />

Anfangsverdacht wegen Rechtsbeugung gegen Staatsanwälte und Richter<br />

der früheren DDR. In: DtZ, Nr. 3/1993, S. 71.<br />

665


5. ANHANG<br />

Renger, Reinhard / Volze, Armin:<br />

Der Postraub der Stasi. Anmerkungen zur Rechtsprechung des BGH.<br />

In: NJ, Heft 9/1995 S. 467 ff.<br />

Rietz / Gerlof:<br />

Öffentliches Klima trieb Prof. Gerhard Riege in den Freitod. Beschimpft<br />

von der Uni gefeuert. In: ND, 17. Februar 1992.<br />

Richter, Wolfgang:<br />

Unfrieden in Deutschland. Weißbuch, Bd. 2, Wissenschaft und Kultur im<br />

Beitrittsgebiet. KOLOG-<strong>Verlag</strong> GmbH i. G., Berlin, 1993.<br />

Rittstieg, Helmut:<br />

Zur bundesdeutschen Politik der Abrechnung mit der DDR als<br />

„Fortsetzung des Bürgerkrieges mit den Mitteln des Strafrechts, der<br />

öffentlichen Diffamierung und der beruflichen und gesellschaftlichen<br />

Diskriminierung.“ In: „Freitag“, 10. September 1993.<br />

Rovan, J.:<br />

Zur Erklärung der Bundesregierung, dass Art. 103, Abs. 2 GG für Bürger<br />

der DDR nicht oder nur eingeschränkt gelte. In: „FAZ“, 17. Oktober 1997.<br />

Rothin, Ilona:<br />

Premiere der Mielke-Posse. ... Gegen Mielke beginnt ... der Prozess wegen<br />

Polizistenmordes. Justiz droht eine Blamage. In: „Berliner Zeitung“, 8./9.<br />

Februar 1992, S. 3.<br />

Rüter, Christiaan Frederik:<br />

DDR-Justiz und NS-Verbrechen. Bd. 1: Die Verfahren 1975-1990; Bd. 2:<br />

Verfahrensregister und Dokumentenband. Sammlung ostdeutscher<br />

Strafurteile wegen NS-Tötungsverbrechen. Amsterdam University Press<br />

und K. G. Saur <strong>Verlag</strong>, 2002<br />

Sarge, Günther:<br />

Gesetzlichkeit und Humanismus unserer Rechtspflege. In: „Einheit“, Heft<br />

8/1988, S. 703 ff.<br />

Sandmeyer / Müller / Lambrecht:<br />

Auftrag Mord. In: „Der Stern“, Nr. 49/1993, S. 30 ff. u. Nr. 50/1993, S. 36 ff.<br />

666


Angeführte Literatur<br />

Schäuble, Wolfgang:<br />

Der Vertrag. Wie ich über die deutsche Einheit verhandelte. Deutsche-<br />

<strong>Verlag</strong>s-Anstalt, Stuttgart, 1991.<br />

Schaefgen, Christof:<br />

Zehn Jahre Aufarbeitung des Staatsunrechts in der DDR. In: NJ, Heft<br />

1/2000, S. 1 ff.<br />

Schäfer, Ilse und Horst:<br />

Ausführliche Darstellung zum Abschlussbericht über CIA-Mordkomplotte<br />

gegen ausländische Politiker. In: Schölzel, Arnold: Das Schweigekartell.<br />

Fragen und Widersprüche zum 11. September. Edition Zeitgeschichte, <strong>Kai</strong><br />

<strong>Homilius</strong> <strong>Verlag</strong>, Berlin, 2002.<br />

Schalk-Golodkowski, Alexander:<br />

Deutsch-Deutsche Erinnerungen. Rowohlt-<strong>Verlag</strong>, Hamburg, 2000.<br />

Schneider, Hartmut:<br />

Überlegungen zur Zulässigkeit des Aushorchens von Inhaftierten durch V-<br />

Leute unter Einsatz technischer Hilfsmittel. In: JR, Nr. 10/1996, S. 401 ff.<br />

Schölzel, Arnold (Hrsg.):<br />

Das Schweigekartell. Fragen und Widersprüche zum 11. September.<br />

Edition Zeitgeschichte, <strong>Kai</strong> <strong>Homilius</strong> <strong>Verlag</strong>, Berlin, 2002.<br />

Schröder, Friedrich-Christian:<br />

Der Täter hinter dem Täter. Ein Beitrag zur Lehre der mittelbaren<br />

Täterschaft. <strong>Verlag</strong> Duncker & Humblodt, 1965.<br />

Schwanitz, Wolfgang / Irmler, Werner / Grimmer, Reinhard / Opitz, Willi (Hrsg.):<br />

Die Sicherheit. Zur Abwehrarbeit des MfS. Bd. 1; Bd. 2 - mit einem<br />

Plädoyer von Peter-Michael Diestel. Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das Neue<br />

Berlin, <strong>Verlag</strong>sgesellschaft mbH, Berlin, 2002.<br />

Skiba, Dieter / Coburger, Karli:<br />

Die Untersuchungsorgane des MfS. In: Die Sicherheit. Zur Abwehrarbeit<br />

des MfS. Bd. 2, S. 426 u. 464 ff.<br />

Statistisches Jahrbuch der DDR:<br />

39. Jhrg., Rudolf Hauf-<strong>Verlag</strong> Berlin, 1990. Hier: S. 241.<br />

667


5. ANHANG<br />

Strafverfolgungsbeendigungsgesetz:<br />

Entwurf eines Gesetzes über die Beendigung der Strafverfolgung für<br />

hoheitliches Handeln von DDR-Bürgern und über die Gewährung für<br />

Straffreiheit für Handlungen, bei denen der Strafzweck mit Herstellung der<br />

deutschen Einheit entfallen ist. Vom 19. Juni 1995. Eingebracht von der<br />

PDS-Fraktion im Deutschen Bundestag. DBT-Drucks. 13/18/23. Hier: S. 65.<br />

Stolpe-Untersuchungsausschuss:<br />

Der Bericht. Ergebnisse, Analysen, Argumente. SPD-Landtagsfraktion<br />

Brandenburg, Juni 1994. Hier: S. 250.<br />

Suckut, Siegfried:<br />

Zehn Jahre deutsche Einheit. In: Bundeszentrale für politische Bildung,<br />

Bonn, 2000, S. 131 ff.<br />

Süß, Sonja:<br />

Politisch mißbraucht? Psychiatrie und Staatssicherheit in der DDR. Chr.<br />

Links-<strong>Verlag</strong>, Berlin, 1998.<br />

Taler, Conrad:<br />

Zweierlei Maß oder: Juristen sind zu allem fähig. PapyRossa <strong>Verlag</strong>s-<br />

GmbH & Co., Köln, 2000.<br />

Tiedge, Hansjoachim:<br />

Der Überläufer. Eine Lebensgeschichte. Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das Neue<br />

Berlin, <strong>Verlag</strong>sgesellschaft mbH, Berlin, 1998.<br />

Vormbaum, Thomas:<br />

Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Richtern wegen Rechtsbeugung.<br />

Anmerkungen zum Urteil des LG Berlin vom 17. August 1992.<br />

In: NJ, Heft 5/1993, S. 212 ff.<br />

Voss, Knut:<br />

Wissenschaftler als Mordgehilfen? Immer wieder Toxdat. Über die<br />

Legenden um ein Vademecum für Kriminalisten, das im Jahre 1988 an der<br />

Humboldt-Universität Berlin entstand. In: jW, 27. August 1999.<br />

Volze, Armin / Renger, Reinhard:<br />

Der Postraub der Stasi. Anmerkungen zur Rechtsprechung des BGH. In:<br />

NJ, Heft 9/1995, S. 467 ff.<br />

668


Angeführte Literatur<br />

Verstrahlung - Angebliche Verstrahlung von ehemaligen U-Häftlingen durch<br />

das MfS.:<br />

Offener Brief leitender Generale und Offiziere des MfS, Oktober 2000.<br />

In: Schriftenreihe für marxistisch-leninistische Bildung, Heft 70/2000.<br />

Hier: S. 244.<br />

Wagner, Helmut:<br />

Schöne Grüße aus Pullach. Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das Neue Berlin,<br />

<strong>Verlag</strong>sgesellschaft mbH, Berlin, 2001.<br />

Wagner, Mathias:<br />

Das Stasi-Syndrom. Edition Ost im <strong>Verlag</strong> Das Neue Berlin, <strong>Verlag</strong>sgesellschaft<br />

mbH, Berlin, 2001.<br />

Wallenberg, Markus:<br />

Shritah Nabil: Ich war nicht der Häuptling der Botschaft. In: ND, 15.<br />

Februar 1994.<br />

von Weizsäcker, Richard:<br />

Das Strafen muss ein Ende haben. In: „Der Spiegel“, Nr. 4/1995, S. 22 ff.<br />

Wenk, Karin:<br />

Anschuldigung gegen Gysi beruht auf Fälschung. In. ND, 13./14.April 1991.<br />

Wesel, Uwe:<br />

Der Ruf nach dem Richter. In: „BZ“, 29./30. April 2000.<br />

Werle, Gerhard / Marxen, Klaus:<br />

Die strafrechtliche Aufarbeitung von DDR-Unrecht. Eine Bilanz. Walter<br />

de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin, 1999.<br />

Whitney, Craig, R.:<br />

Advocatus Diaboli. Wolfgang Vogel - Anwalt zwischen Ost und West. Wolf<br />

Jobst-Siedler <strong>Verlag</strong> GmbH, Berlin 1993.<br />

Wielgohs / Enbergs / Müller / Hoffmann:<br />

Wer war wer in der DDR? Bundeszentrale für politische Bildung,<br />

Bonn, 2000.<br />

669


5. ANHANG<br />

Wieland, Günther:<br />

Das war der Volksgerichtshof. Ermittlungen, Fakten, Dokumente. Staatsverlag<br />

der DDR, Berlin, 1989.<br />

Wolff, Friedrich:<br />

Verlorene Prozesse 1953-1998. Meine Verteidigungen in politischen<br />

Verfahren. Nomos-<strong>Verlag</strong>sgesellschaft, Baden-Baden, 1999.<br />

Zimmer, Jochen (Hrsg.):<br />

Gauck-Lesebuch. Eine Behörde abseits der Verfassung? <strong>Verlag</strong> Eichborn<br />

& Co. KG, Frankfurt a. Main, 1998.<br />

Zollverwaltung:<br />

Bericht und Erfahrungsaustausch mit der französischen Zollverwaltung.<br />

In: ddz, Heft 3/1994, S. 53 ff. Hier: S. 244.<br />

Zeigert, Konrad:<br />

Zur inneren Unabhängigkeit des Richters. Festschrift zum 70. Geburtstag<br />

für Fritz Hippel. Hrsg.: Esser, Josef, und Thieme, Hans. <strong>Verlag</strong> J. C. B. Mohr<br />

(Paul Siebeck), Tübingen, 1967, S. 711 ff., hier S. 715.<br />

670


Weitere Veröffentlichungen<br />

- Eine Auswahl weiterführender<br />

Literaturhinweise -<br />

Arnold, Jörg:<br />

Regierungskriminalität in der ehemaligen DDR. In: NJ, Heft 6/1992,<br />

S. 254 f.<br />

Bauer, Hans:<br />

Gegen Kriminalisierung zur Wehr setzen. In: ICARUS, Heft 4/1996, S. 38.<br />

Bauer, Hans:<br />

Rechtlosigkeit im Namen des „Rechtsstaates“. Es bleibt bei der<br />

Forderung: Politische Strafverfolgung per Gesetz beenden! In: WBl, Heft<br />

4/1999, S. 56.<br />

Bauer, Hans:<br />

Fakten und Zahlen der politischen Strafverfolgung ehemaliger DDR-<br />

Bürger in der BRD. Eine Zwischenbilanz. In: Solikomitee, Heft 7, Juni<br />

2000.<br />

Bauer, Hans:<br />

GRH und Solidaritätskomitee gemeinsam weiter gegen die politische<br />

Strafverfolgung. In: Solikomitee, Heft 15, Juni 2002.<br />

Bisky, Lothar / Heuer, Uwe-Jens /Schumann, Michael (Hrsg.):<br />

Unrechtsstaat? Politische Justiz und die Aufarbeitung der DDR-<br />

Vergangenheit. VSA-<strong>Verlag</strong>, Hamburg, 1994.<br />

Blickpunkt Einigungsvertrag:<br />

Denkschrift. Hrsg: PDS /Linke Liste, März 1993<br />

Buchholz. Erich:<br />

Verurteilung von DDR-Hoheitsakten. In: JfRW, Heft 6/1992, S. 14.<br />

671


7. ANHANG<br />

Buchholz, Erich:<br />

Rechtsbeugung durch DDR-Richter und Staatsanwälte. In: ZAP-Ost,<br />

Nr. 7 vom 17. April 1996, Fach 21, Seite 219 f.<br />

Buchholz, Erich:<br />

Politische Strafverfolgung in Deutschland. In: Solikomitee, Heft XIV,<br />

Januar 1998.<br />

Buchholz, Erich:<br />

Menschenrechtswidrige Strafverfolgung. Redebeitrag vor dem Dritten<br />

Demokratiekongress am 24. Oktober 1998 in Berlin.<br />

Buchholz, Erich:<br />

Rehabilitierung tut not! In: WBl, Heft 1/1999, S. 8.<br />

Buchholz, Erich:<br />

Politische Strafjustiz in der Bundesrepublik damals und heute. Ein unvollkommener<br />

Literaturbericht. In: WBl., Heft 2/1999, S. 57.<br />

Buchholz, Erich:<br />

Teufel mit Beelzbub austreiben oder Rechtsbeugung wider Rechtsbeugung.<br />

In: ICARUS, Heft 2/1999, S. 24.<br />

Buchholz, Erich:<br />

Gab es in der DDR gesetzliches Unrecht? In:ICARUS, Heft 2/1999, S. 31.<br />

Buchholz, Erich:<br />

Das Fünf-Broschüren-Urteil. In: WBl, Heft 1/2000, S. 54.<br />

Buchholz, Erich:<br />

Leitfaden durch die (bundes)deutsche Strafjustiz. In: ICARUS, Heft<br />

3/2000, S. 6.<br />

Buchholz, Erich:<br />

Zehn Jahre unter bundesdeutscher Strafjustiz. In: WBl, Heft 3/2000, S. 20.<br />

Buchholz, Erich:<br />

Rechtsstaat - richterliche Unabhängigkeit. In: WBl, Heft 4/2000, S. 39.<br />

672


Weitere Veröffentlichungen<br />

Buchholz, Erich:<br />

Ergebnisse und Folgen der politischen Strafverfolgung gegen DDR-<br />

Bürger nach dem Beitritt der DDR zur BRD am 3. Oktober 1990. In:<br />

Solikomitee, Heft 10 / Dezember 2000.<br />

Buchholz, Erich:<br />

Strasbourg und die Menschenrechte — wohin geht Europa? In: WBl, Heft<br />

4/2001, S. 29. In: ICARUS, Heft 1/2002, S. 14.<br />

Buchholz, Erich / Fischer, Dirk / Kubiak, Luisa:<br />

Der transferable Rubel in der bundesdeutschen Rechtsprechung. Nora<br />

<strong>Verlag</strong>sgemeinschaft Dyck & Westerheide 2002<br />

Bundesverfassungsgericht contra Einigungsvertrag:<br />

Der „Mauerschützen“-Beschluss des BVerfG auf den strafrechtlichen<br />

Prüfstand. In: NJ, Heft 3/1997, S. 115 f.<br />

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strasbourg:<br />

Anhörung zu den Beschwerdeverfahren gegen Streletz u.a. am 8.<br />

November 2000. In: ICARUS, Heft 4/2000, S .3.<br />

Die Berücksichtigung der systemimmanenten Auslegung des DDR-Rechts:<br />

Insbesondere erläutert am Beispiel der Rechtsprechung des LG Rostock<br />

und des BGH zum Vertrauensmissbrauch (§ 165, Abs. 1, StGB der DDR).<br />

In: wistra, 1994, S. 323.<br />

Die „Bewältigung“ der DDR-Vergangenheit vor den Schranken des rechtsstaatlichen<br />

Strafrechts:<br />

In: Institut für Kriminalwissenschaften der Universität Frankfurt am Main<br />

(Hrsg.). Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, Frankfurt a. Main u.a.<br />

1995, S. 283 f.<br />

Die strafrechtliche Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit:<br />

am Beispiel der „Mauerschützen“ — und der Rechtsbeugungsverfahren.<br />

In: NJ, Heft 5/1997, S. 226.<br />

Dokumentation zur politischen Strafverfolgung in Ostdeutschland:<br />

Hrsg.: PDS / Linke Liste, November 1993, Selbstverlag.<br />

673


7. ANHANG<br />

Dokumente:<br />

- Solidaritätskomitee für die Opfer der politischen Verfolgung in<br />

Deutschland, Berlin.<br />

- Veröffentlichungen seit 1995, insbesondere:<br />

- Prozess- und Verfahrensdokumente der politischen Strafverfolgung<br />

gegen DDR-Bürger nach dem Beitritt der DDR zur BRD am 3. Oktober<br />

1990;<br />

- politische und juristische Beiträge, Kommentare und Einschätzungen zu<br />

Praxis und Umfang der politischen Strafverfolgung;<br />

- Erklärungen, Briefe und Appelle von Persönlichkeiten, Vertretern von<br />

Verbänden, Organisationen, Institutionen und Parteien des In- und<br />

Auslandes an verantwortliche Politiker der BRD mit Forderungen:<br />

- nach Beendigung der politischen Strafverfolgung sowie<br />

- nach Rehabilitierung der Opfer der politischen Strafverfolgung, insbesondere<br />

der Opfer des Kalten Krieges in der (Alt)BRD und in<br />

Westberlin, die mit Berufsverbot, Gefängnis und gesellschaftlicher<br />

Ausgrenzung verfolgt wurden und werden.<br />

z.B. aus dem Ausland:<br />

Argentinien<br />

Erklärung der Vertreter für Menschenrechte Argentiniens zur sofortigen<br />

Einstellung der Gerichtsverfahren, Verfolgung und Verurteilung ehemaliger<br />

Mandatsträger der DDR, vom 12. Februar 1998. In: Solikomitee, Heft<br />

XXII/1998<br />

Belgien<br />

Resolution der Teilnehmer am Internationalen Kommunistischen Seminar<br />

gegen Imperialismus und Faschismus vom 2.-4. Mai in Brüssel.<br />

Zur Solidarität mit verfolgten Antifaschisten aus der Deutschen Demokratischen<br />

Republik. In: Solikomitee, Heft 7, Juni 2000<br />

674


Weitere Veröffentlichungen<br />

Brasilien<br />

Offener Brief des Forums von Sao Paulo an die Mitglieder des Deutschen<br />

Bundestages. In: Solikomitee, Heft VII/1997.<br />

Chile<br />

Erklärung des chilenischen Solidaritätskomitees an den Bundeskanzler<br />

der BRD.<br />

Übergeben am 2. Juli 1997 in der Botschaft der BRD in Chile/Santiago.<br />

In: Solikomitee, Heft XII/1997.<br />

Erklärung des Honecker-Komitees für Internationale Solidarität, vom 3.<br />

Oktober 2000. In: Solikomitee, Heft 10, Dezember 2000.<br />

Niederlande<br />

Brief aus Amsterdam an Justizsenator Körting gegen die politische<br />

Strafverfolgung von Juristen und Angehörigen der Grenztruppen der<br />

DDR, vom September 1998. In: Solikomitee, Heft XX, 1998.<br />

Österreich<br />

Schreiben des Bundesvorstandes der Kommunistischen Partei Österreichs<br />

an die Justizsenatorin in Berlin, Frau Peschel-Gutzeit, vom 23. Januar<br />

1997. In: Solikomitee, Heft X, Mai 1997<br />

Russland<br />

Schreiben hoher sowjetischer/russischer Militärs an den Bundespräsidenten<br />

der BRD, vom 5. Mai 2000, mit dem diese sich gegen die<br />

Strafverfolgungspraxis der BRD-Justiz aussprechen. In: Solikomitee, Heft<br />

8/2000.<br />

Offener Brief des Zentralrates der gesamtrussischen gesellschaftlichen<br />

Organisation „Russische Wissenschaftler sozialistischer Orientierung“ an<br />

Bundeskanzler Gerhard Schröder, vom 22./23. Oktober 2002 mit der<br />

Forderung nach endgültiger Einstellung der politischen Strafverfolgung<br />

gegen ehemalige DDR-Bürger. In: Solikomitee, Heft 10, Dezember 2000.<br />

Dokumente der Tagung des Solidaritätskomitees,<br />

Berlin, vom 4. November 2000. In: Solikomitee, Heft 10, Dezember 2000.<br />

Dokumente von der Anhörung vor dem Europäischen Gerichtshof für<br />

Menschenrechte (EGMR) in Strasbourg in Sachen Streletz, Keßler und<br />

675


7. ANHANG<br />

K.-H. W. einschließlich Pressekonferenz am 8.November 2000. In: Solikomitee,<br />

Heft 11, Januar 2001.<br />

Persönlichkeiten der Russischen Föderation wenden sich an den<br />

Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strasbourg.<br />

In: Solikomitee, Heft 12, Februar 2001.<br />

Zum Urteil des EGMR in Strasbourg<br />

sowie aus der Anhörung der Bundestagsgruppe der PDS vom 26. April<br />

2001. In: Solikomitee, Heft 13, Mai 2001<br />

Strasbourg und wie weiter.<br />

Gemeinsame Tagung der Gesellschaft für rechtliche und humanitäre<br />

Unterstützung e.V. (GRH) und des Solidaritätskomitees am 9. Juni 2001.<br />

In: Solikomitee, Heft 14, Juni 2001.<br />

Für Frieden und Solidarität.<br />

Gemeinsame Tagung der GRH und des Solidaritätskomitees am 22. Mai<br />

2002. In: Solikomitee Heft 15, Juni 2002.<br />

Dümcke, Wolfgang / Vilmar, Fritz:<br />

Kolonialisierung der DDR. Kritische Analysen und Alternativen des<br />

Einigungsprozesses. Münster 1995.<br />

Einschränkungen des Rückwirkungsverbotes sowie sorgfältige Schuldprüfung<br />

bei den Tötungsfällen an der DDR-Grenze.<br />

Anmerkungen. In: JuS, 1997, S. 400 f.<br />

Erbach, Günter:<br />

Die politische Diffamierung und Verfolgung des DDR-Sports wird<br />

fortgesetzt. „Dopingopfer und ihre Entschädigung.“ In: Solikomitee, Heft<br />

14, Juni 2001.<br />

Erbach, Günter:<br />

Die politische Strafverfolgung gegen den DDR-Sport hat die<br />

Dopingpraxis im bundesdeutschen Sport nicht verhindert. In: Solikomitee,<br />

Heft .10, Dezember 2000.<br />

Fischer, Dirk / Buchholz Erich / Kubiak, Luisa:<br />

Der transferable Rubel in der bundesdeutschen Rechtsprechung. Nora<br />

676


Weitere Veröffentlichungen<br />

<strong>Verlag</strong>sgemeinschaft Dyck & Westerheide 2002.<br />

Frotscher, Kurt / Krug, Wolfgang (Hrsg.):<br />

Im Namen des Volkes — Grenzer vor Gericht. GNN-<strong>Verlag</strong> 2000.<br />

Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverarbeitung,<br />

<strong>Verlag</strong>sgesellschaft für Sachsen/Berlin mbH, Badweg 1.<br />

Grünwald, Gerald:<br />

Die strafrechtliche Bewertung in der DDR begangener Handlungen.<br />

In: StV, Heft 1/1991, S. 31 f.<br />

Hegner,Manfred:<br />

Kriminalitätsexplosion in Ostdeutschland — eine schlimme Folge des<br />

Anschlusses (Statement). In: ICARUS, Heft 3/1995, S. 42.<br />

Heuer, Uwe-Jens:<br />

Im Streit — Ein Jurist in zwei deutschen Staaten. Nomos-<strong>Verlag</strong>sgesellschaft,<br />

Baden-Baden, 2002.<br />

Heuer, Uwe-Jens /Bisky, Lothar/ Schumann, Michael (Hrsg.):<br />

Unrechtsstaat? Politische Justiz und die Aufarbeitung der DDR-<br />

Vergangenheit. VSA-<strong>Verlag</strong>, Hamburg, 1994.<br />

Honecker, Erich:<br />

Rede vor dem Landgericht Berlin-Moabit (ungekürzte Fassung). In: JfRW,<br />

Heft 1/1993, S. 19.<br />

Jakobs, Günther:<br />

Vergangenheitsbewältigung durch Strafrecht? Zur Leistungsfähigkeit des<br />

Strafrechts nach einem politischen Umbruch. In: Isensee, Vergangenheitsbewältigung,<br />

S. 37 f.<br />

Jochum, Dietmar:<br />

Das Politbüro auf der Anklagebank. Magnus <strong>Verlag</strong>, Berlin, 1996. Hrsg.:<br />

Klaus Tzschach Presseagentur (TP) und Hans-Ekkehard Plöger.<br />

Jochum, Dietmar:<br />

Die Beweisaufnahme im Politbüro-Prozess. Magnus <strong>Verlag</strong>, Berlin, 1996.<br />

Hrsg.: Klaus Tzschach Presseagentur (TP) und Hans-Ekkehard Plöger.<br />

677


7. ANHANG<br />

Jochum, Dietmar:<br />

Die Plädoyers und das Urteil im Politbüro-Prozess. Eine Dokumentation<br />

mit Interviews, Stellungnahmen und internationalen Vergleichen. Magnus<br />

<strong>Verlag</strong>, Berlin, 1998. Hrsg.: Klaus Tzschach Presseagentur (TP)<br />

Joseph, Detlef:<br />

Ist bundesdeutsches Recht bei der Beseitigung der DDR-Relikte Maß<br />

oder Mittel der Politik? Zugleich einige Gedanken zum Urteil im Krenz-<br />

Prozess. In: ICARUS, Heft 2/1998, S. 9.<br />

<strong>Kai</strong>ser, Hans:<br />

Siegerjustiz? — Klassenjustiz? In: WBl, Heft 3/2000, S. 32.<br />

Kellner, Horst:<br />

Rückwirkungsverbot. In: ICARUS, Heft 2/1998, S. 18.<br />

Kirchheimer, Otto:<br />

Politische Justiz. eva-Taschenbuch, Europäische <strong>Verlag</strong>sanstalt, 1993.<br />

Krug, Wolfgang / Frotscher, Kurt (Hrsg.):<br />

Im Namen des Volkes — Grenzer vor Gericht. GNN-<strong>Verlag</strong> 2000.<br />

Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverarbeitung,<br />

<strong>Verlag</strong>sgesellschaft für Sachsen/Berlin mbH, Badweg 1.<br />

Kubiak, Luisa / Buchholz Erich / Fischer, Dirk:<br />

Der transferable Rubel in der bundesdeutschen Rechtsprechung. Nora<br />

<strong>Verlag</strong>sgemeinschaft Dyck & Westerheide 2002.<br />

Kühl, Martin:<br />

Forum: Probleme der Strafbarkeit von „Mauerschützen“.<br />

In: JuS, Heft 12/1992, S. 991 f.<br />

Leonhardt, Karl:<br />

Ich stehe zu meiner Biografie als Offizier der Grenztruppen der DDR.<br />

Erinnerung von Betroffenen der politischen Strafverfolgung in der<br />

Bundesrepublik Deutschland. In: Solikomitee, Heft 16, August 2002<br />

Mechler, Siegfried:<br />

Keine Strafe ohne Gesetz. In: ICARUS, Heft 1/1997, S. 20<br />

678


Mechler, Siegfried / Bauer, Hans:<br />

Gegen politische Strafverfolgung. In: ICARUS, Heft 3/1998, S. 44.<br />

Menschenrechtsschutz durch Art. 7,<br />

Abs. 1, EMRK. In: NJ, Heft 11/2001, S. 561 f.<br />

Weitere Veröffentlichungen<br />

Opposition konkret.<br />

Beiträge und Materialien. Amnestie — Straffreiheit — Schlussgesetz?<br />

Hrsg.: Bundestagsgruppe der PDS, Mai 1995<br />

Politik und Recht.<br />

Dokumentation zur Strafverfolgung. Politisch motivierte Strafverfolgung<br />

nach der deutschen Einheit in den neuen Bundesländern Hrsg.:<br />

Parteivorstand der PDS / Bereich III, Berlin, 1998.<br />

Popp, Dieter (Hrsg.), Autorenkollektiv:<br />

Initiativgruppe Kundschafter für den Frieden fordern Recht. Wir alle werden<br />

unseren Auftrag erfüllen. Motivation, Situation, soziale Abstrafung<br />

und Forderungen der Kundschafter des Friedens.<br />

Rechtsbeugung von Richtern und Staatsanwälten der DDR im „Fall Robert<br />

Havemann“?<br />

In: NJ, Heft 6/1999, S. 286 f.<br />

Richterstrafbarkeit und Wechsel der Rechtsordnung.<br />

In: JZ, 1994, S. 769 f.<br />

Ridder, Helmut:<br />

Die deutsch-deutsche Spionage im Okular der westdeutschen<br />

Deutschland-Jusrisprudenz. <strong>Verlag</strong>sgesellschaft mbH, 1996.<br />

Rittstieg, Helmut:<br />

Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Grenzsoldaten der DDR. In DuR,<br />

Heft 4/1991, S. 404 f.<br />

Roggemann, Herwig:<br />

Zur Strafbarkeit der Mauerschützen. In: DtZ, Heft 1/1993, S. 10 f.<br />

Rottleuthner. Hubert:<br />

Steuerung der Justiz in der DDR. Einflussnahme der Politik auf Richter,<br />

679


7. ANHANG<br />

Staatsanwälte und Rechtsanwälte. In: Bundesanzeiger, Köln, 1994.<br />

Rudorf, Reginald:<br />

Krenzfälle und die Grenzen der Justiz. <strong>Kai</strong> <strong>Homilius</strong> <strong>Verlag</strong>, Berlin, 2002.<br />

Rüttimann, Vera:<br />

Modrow-Prozess in Dresden. In: JfRW, Heft 7 u. 8/1993, S. 32.<br />

Schirmer, Gregor:<br />

Das Grenzregime der DDR und das Völkerrecht. In: ICARUS, Heft<br />

3/1995, S. 43.<br />

Schlinck, Bernhard:<br />

Rechtsstaat und revolutionäre Gerechtigkeit. In: NJ, Heft 10/1994, S. 433 f.<br />

Schmähling, Elmar:<br />

Menschenrechte und deutsche Justiz. In: ICARUS, Heft 4/1998, S. 53.<br />

Schneider, Horst:<br />

Ein missglückter Pilotprozess. In: ICARUS, Heft 2/1998, S. 16.<br />

Schumann, Günter:<br />

Die Strafverfolgung von Hoheitsträgern der DDR und das Völkerrecht.<br />

In: ICARUS, Heft 4/1997, S. 3.<br />

Schumann, Michael / Heuer, Uwe-Jens /Bisky, Lothar (Hrsg.):<br />

Unrechtsstaat? Politische Justiz und die Aufarbeitung der DDR-<br />

Vergangenheit. VSA-<strong>Verlag</strong>, Hamburg, 1994.<br />

Spionage & Justiz nach dem Anschluss der DDR.<br />

Meinungen und Dokumente zu den Prozessen gegen ehemalige.<br />

Mitarbeiter des Auslandsnachrichtendienstes der DDR. Hrsg.: Herausgebergruppe<br />

Andrea Lederer u.a., Juli 1992.<br />

Untaten des Staates — Unrecht im Staat.<br />

Strafe für die Tötungen an der Grenze der ehemaligen DDR? In: GA,<br />

1994, S. 1 ff.<br />

Verjährung von DDR-Systemunrecht.<br />

In: NJ, Heft 5/2001, S. 225 f.<br />

680


Weitere Veröffentlichungen<br />

Vertrauensmissbrauch<br />

Die Berücksichtigung der systemimmanenten Auslegung des DDR-<br />

Rechts. Insbesondere erläutert am Beispiel der Rechtsprechung des LG<br />

Rostock und des BGH zum Vertrauensmissbrauch. (§ 165 Abs. 1 StGB der<br />

DDR). In: wistra, 1994, S. 323.<br />

Vilmar, Fritz / Dümcke, Wolfgang:<br />

Kolonialisierung der DDR. Kritische Analysen und Alternativen des<br />

Einigungsprozesses. Münster 1995.<br />

Vormbaum, Thomas:<br />

Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit von DDR-Richtern wegen<br />

Rechtsbeugung. In: NJ, Heft 5/1993, S. 212 f.<br />

Weissbuch — Unfrieden in Deutschland.<br />

Bd. 1: Diskriminierung in den neuen Bundesländern. Hrsg.: Gesellschaft<br />

für Bürgerrecht und Menschenwürde (GBM), Berlin, 1992, Originalausgabe.<br />

Weissbuch — Unfrieden in Deutschland.<br />

Bd. 5: Unrecht im Rechts-Staat. Hrsg.: Gesellschaft für Bürgerrecht und<br />

Menschenwürde (GBM). GNN-<strong>Verlag</strong> Sachsen/Berlin GmbH, 1995.<br />

Wesel, Uwe:<br />

Der Honecker-Prozess: Ein Staat vor Gericht. Frankfurt a. Main 1994<br />

Wiessala, Georg:<br />

Zur britischen Reaktion auf die deutsche Vereinigung und den Umgang<br />

mit ehemaligen DDR-Juristen. In: ICARUS, Heft 1/1995, S. 29.<br />

Wolff, Friedrich:<br />

Politische Strafverfolgung nach dem 3. Oktober 1990. In: Solikomitee, Heft<br />

XIV, Januar 1998.<br />

Wolff, Friedrich:<br />

Menschenrechtsbeschwerden in Strasbourg. In: ICARUS, Heft 1-2/2000,<br />

S. 39.<br />

Wolff, Friedrich:<br />

Der Fall der Berliner Mauer als Herausforderung für Strafrecht und<br />

681


7. ANHANG<br />

Strafverteidigung. In: ICARUS, Heft 3/2000, S. 3.<br />

Wolff, Friedrich:<br />

Die Lehre von Strasbourg oder Verlorene Illusionen. In: ICARUS, Heft<br />

2/2001, S. 14.<br />

Wolff, Friedrich:<br />

Zum Urteil in Strasbourg. In: Solikomitee, Heft 14, Juni 2001.<br />

Zur strafrechtlichen Beurteilung von Wahlfälschungen in der DDR -<br />

zugleich Anmerkung zum Urteil des BG Dresden vom 29. Juli 1992.<br />

In: NJ, Heft 11/1992, S. 476 f.<br />

682


Beiträge aus „Informationen“<br />

der Gesellschaft zur rechtlichen und<br />

humanitären Unterstützung e. V. (GRH)<br />

1994<br />

Wolf, Markus:<br />

Schlusswort vor dem 4. Strafsenat des Oberlandesgerichtes Düsseldorf.<br />

Heft 5, S. 1<br />

Braumann, Marcel:<br />

Bürgerkrieg mit den Mitteln des Strafrechts. Heft 6, S. 1<br />

Buchholz, Erich:<br />

Zur rechtlichen Stellung des Zeugen im Strafverfahren. Heft 6, S. 8<br />

GRH und VdJ:<br />

Stellungnahme zum Bericht „Recht, Justiz und Polizei im SED-Staat“ der<br />

Bundestags-Enquete-Kommission. Heft 8, S. 3<br />

Buchholz, Erich:<br />

Zur rechtlichen Stellung des Beschuldigten und des Angeklagten im Strafverfahren.<br />

Heft 8, S. 22<br />

Buchholz, Erich:<br />

Zur Strafverfolgung von DDR-Richtern wegen Rechtsbeugung.<br />

Heft 9, S. 15<br />

1995<br />

Benser, Gudrun:<br />

Ich fordere Freispruch. Stellungnahme zum Anklagevortrag der Staatsanwaltschaft.<br />

Heft 10, S. 7<br />

Wittenbeck, Siegfried:<br />

Bericht über die Tagung der Evangelischen Akademie Loccum. Die Rolle<br />

der Richter und Richterinnen zwischen Rechtsprechung und Politik.<br />

Heft 10, S. 13<br />

Joseph, Detlef:<br />

Parteilichkeit - Makel oder immanenter Bestandteil richterlicher Entscheidungstätigkeit.<br />

Heft 10, S. 17<br />

683


8. ANHANG<br />

Leonhardt, Karl.:<br />

Zur Strafverfolgung von ehemaligen Angehörigen der Grenztruppen<br />

der DDR. Heft 11, S. 9<br />

GRH-Vorstand:<br />

Zum Vorwurf der Rechtsbeugung gegenüber DDR-Richtern.<br />

Heft 11, S. 11<br />

Buchholz, Erich:<br />

Zum ersten Urteil des LG Berlin zur Rechtsbeugung durch einen<br />

Richter des Obersten Gerichts der DDR. Heft 11, S. 21<br />

Hegner, Manfred:<br />

Recht auf Auskunftsverweigerung und Zwangsmittel zur Zeugniserzwingung.<br />

Heft 11, S. 32<br />

Gemeinsame Erklärung der angeklagten Generale und Admirale des<br />

Kollegiums des Ministeriums für Nationale Verteidigung der DDR<br />

vor dem LG Berlin<br />

Heft 12, S. 10<br />

GRH-Vorstand:<br />

Weiterer Freispruch von der Anklage der Rechtsbeugung und<br />

Freiheitsberaubung - Urteil des 4.Strafsenats des BGH. Heft 12, S. 19<br />

1996<br />

Coburger, Karli:<br />

Zum Beschluss des BVerfG vom 15. Mai 1995. Heft 1, S. 33<br />

Osterloh, Frank:<br />

Verteidiger der vor dem LG Berlin angeklagten 6 Generale der DDR-<br />

Grenztruppen fordern Einstellung des Strafverfahrens wegen Völkerrechts-<br />

und Verfassungswidrigkeit. Heft 1, S. 32<br />

Richter, Wolfgang:<br />

Beschwerde der GBM an das UN-Menschenrechtszentrum in Genf.<br />

Menschenrechtsverletzungen bei der Herstellung der Einheit Deutschlands.<br />

Heft 2, S. 8<br />

Bauer, Hans:<br />

Die „Vergangenheitsbewältigung“ des BGH. Heft 2, S. 21<br />

Gritschneder, Otto:<br />

Die späte Beichte des BGH. Fehlgeschlagene Auseinandersetzung mit der<br />

NS-Justiz. Heft 2, S. 23<br />

AG Recht der GRH:<br />

Standpunkt des Vorstandes der GRH zum Urteil des BGH gegen Hans<br />

Reinwarth. Heft 2, S. 30<br />

684


Köhler, Otto:<br />

Wenn der BGH in sich geht. (Zur Verurteilung des DDR-Richters Hans<br />

Reinwarth.) Heft 2, S. 38<br />

1997<br />

Beiträge der GRH<br />

Bauer, Hans:<br />

Gegen Siegerjustiz hilft nur verstärkte Solidarität. Heft 1, S. 23<br />

Leonhardt, Karl:<br />

Kein Anlass zur Resignation oder Verzweiflung. Heft 1, S. 25<br />

Weber, Hans:<br />

Sechs Jahre nach der deutschen Einheit - die politische Strafverfolgung im<br />

Osten Deutschlands. Heft 1, S. 28<br />

Hegner, Manfred / Sarge, Günther:<br />

Das BVerfG und das Rückwirkungsverbot. Völker-, staats- und strafrechtliche<br />

Probleme in der Rechtsprechung des höchsten deutschen Gerichts.<br />

Heft 2A, S. 1<br />

AG Recht der GRH:<br />

Stellungnahme des Vorstandes der GRH zum Beschluss des 2. Senats des<br />

BVerfG vom 24. Oktober 1996. Heft 2B, S. 3<br />

Bauer, Hans:<br />

Für eine Beendigung der politischen Strafverfolgung durch die BRD.<br />

Heft 2B, S. 10<br />

Höppner, Reinhard:<br />

Gemeinsame Werte als Voraussetzung für gemeinsames Recht -<br />

Erfahrungen aus dem Prozess der deutschen Vereinigung. Heft 2B, S. 19<br />

Joseph, Detlef:<br />

Einführung in den Workshop: „Rechtsstaat und politische Strafverfolgung“.<br />

Heft 3, S. 6<br />

Joseph, Detlef:<br />

Zur Problematik der politischen Prozesse gegen DDR-Amtsträger.<br />

Heft 3, S. 12<br />

Popp, Dieter:<br />

Die Kriminalisierung und soziale Abstrafung der Kundschafter des<br />

Friedens. Heft 3, S. 15<br />

Krenz, Egon:<br />

Siegreiche Macht rächt sich an besiegter Macht. Aus dem Schlusswort im<br />

Strafprozess am LG Berlin. Heft 4, S. 5<br />

685


8. ANHANG<br />

Wesel, Uwe:<br />

Müssen die Richter Egon Krenz verurteilen? Heft 4, S. 13<br />

Wolff, Friedrich:<br />

Fairer Prozess? (Zum so genannten ,,Politbüroprozess“) Heft 4, S. 15<br />

1998<br />

Buchholz, Erich:<br />

Der Krenz-Prozess. Heft 1, S. 3<br />

Schumann, Günter:<br />

Die Strafverfolgung von Hoheitsträgern der DDR und das Völkerrecht.<br />

Heft 1, S. 16<br />

Modrow, Hans:<br />

Keine gerichtliche Überprüfung von DDR-Hoheitsträgern. Offener Brief<br />

an die Präsidentin des BVerfG. Heft 2, S. 8<br />

Osterloh; Frank:<br />

Ausschluss von DDR-Strafrecht - de facto Rechtsbeugung? Heft 2, S. 10<br />

Buchholz, Erich:<br />

Der letzte Waldheimprozess ? Heft 2, S. 18 u. Heft 3, S. 15<br />

AG Sport der GRH:<br />

Erklärung zum Prozessbeginn gegen Trainer und Sportärzte vor dem<br />

Berliner Landgericht. Heft 3, S. 10<br />

Benser, Gudrun:<br />

Eine juristisch zweifelhafte Begründung. Zum Beschluss des BVerfG wegen<br />

der Verfassungsbeschwerde der ehemaligen DDR-Richterin Gerda K.<br />

Heft 4, S. 10<br />

Roehl, Christa:<br />

Kein bewusster Verstoß gegen DDR-Recht. Zu meiner Verteidigung.<br />

Heft 4, S. 13<br />

Becker, Nicolas:<br />

Strafprozesse gegen Funktionäre der ehemaligen DDR. Zwölf Thesen<br />

aus der Sicht der Verteidigung. Heft 4, S. 19<br />

1999<br />

Buchholz, Erich:<br />

BVerfG versus BVerfG. Die Schwierigkeiten bundesdeutscher Gerichte<br />

mit dem Völkerrecht. Heft 1, S. 3<br />

686


Mechler, Siegfried/Bauer, Hans:<br />

Die Kraft der Schwachen macht auch ihre Stärke aus. Heft 1, S. 14<br />

Buchholz, Erich:<br />

Zum 50. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.<br />

Heft 2, S. 3<br />

Schumann, Günter:<br />

UN-Komitee: Grundsätzliche menschenrechtliche Defizite der BRD.<br />

Heft 2, S. 26<br />

Buchholz, Erich:<br />

Fehlurteile — Rechtsbeugung — gesetzliches Unrecht in oder gegenüber<br />

der DDR? Heft 3, S. 3<br />

Schneider, Horst:<br />

Über Recht reden, nicht über Gefühle. Heft 3, S. 30<br />

Wolff, Friedrich:<br />

Das Problem der Amnestie und ein Wort von Lessing. Heft 3, S. 34<br />

Landau, Herbert / Eschelbach Ralf:<br />

Absprachen zur strafrechtlichen Hauptverhandlung. Dokumente aus dem<br />

Verfahren gegen ehemalige Grenzoffiziere des Grenzkommando Süd.<br />

Heft 4A, S. 2 u. Heft 4B, S. 2<br />

Bauer, Hans:<br />

Eine Kette von Unrecht. Heft 5, S. 3<br />

Buchholz, Erich:<br />

Ein bemerkenswertes Urteil zum Vorwurf der Rechtsbeugung.<br />

Heft 5, S. 6<br />

Niebling, Gerhard:<br />

Zum Vorwurf der Körperverletzung und Aussageerpressung. Heft 5, S. 10<br />

AG Recht der GRH:<br />

Über tatsächliche und vermeintliche Opfer der DDR-Gerichtspraxis<br />

(mit Anlagen 1-5). Heft 5, S. 19<br />

Fischer, Tilo:<br />

Die Geschichte einer Verurteilung. Eine nicht nachvollziehbare Groteske.<br />

Heft 5, S.37<br />

2000<br />

Beiträge der GRH<br />

Walther, Helmut:<br />

Die Aburteilung des DDR-Grenzregimes durch bundesdeutsche Gerichte<br />

ist völkerrechtswidrig und verfassungswidrig. Heft 1, S. 3<br />

687


8. ANHANG<br />

Buchholz, Erich:<br />

Menschenrechtsbeschwerden zum Europäischen Gerichtshof für<br />

Menschenrechte (EGMR). Heft 1, S. 22<br />

Buchholz, Erich:<br />

Der BGH duldet keinen Freispruch. Heft 2, S. 3<br />

Jaene, Hans Dieter:<br />

Der letzte Schuldige. Heft 2, S. 10<br />

Weber, Hans:<br />

Sonderunrecht statt Gesetzeswortlaut. Heft 3, S. 3<br />

Wesel, Uwe:<br />

Der Ruf nach dem Richter. Über den strafrechtlichen Umgang mit<br />

Systemwechseln am Ende des 20. Jahrhunderts. Heft 3, S. 12<br />

<strong>Kai</strong>ser, Hans:<br />

Klassenjustiz (Zur Verfolgung von „DDR-Unrecht“). Heft 4, S. 9<br />

Buchholz, Erich:<br />

Das Wiederaufnahmeverfahren. Heft 4, S. 13<br />

Niebling, Gerhard:<br />

,,Strahlungsgeräte“ und der Tod von Jürgen Fuchs. Heft 4, S. 19<br />

2001<br />

Bauer, Hans:<br />

Hoffnung auf Strasbourg (Dokumente 1 - 9). Heft 1, S. 4<br />

Erbach, Günter:<br />

Die politische Strafverfolgung gegen den DDR-Sport hat die Dopingpraxis<br />

im bundesdeutschen Sport nicht verhindert. Hat die Siegerblindheit<br />

gegenüber dem DDR-Sport neue Wege im Sport der BRD verstellt?<br />

Heft 2, S. 3 und Sonderheft, S. 22<br />

Richter, Erhard:<br />

Justiz auf Glatteis! (Zur „Dopingkampagne“ gegen Trainer, Funktionäre<br />

und Wissenschaftler des DDR-Sportes durch die Justiz der BRD)<br />

Heft 2, S. 27<br />

Pressekommunique des Kanzlers des EGMR vom 22. März 2001 zu den<br />

Urteilen in der Sache Streletz, Keßler, Krenz und K.-H. W. gegen<br />

Deutschland.<br />

Heft 3, S. 4<br />

Schirmer, Gregor:<br />

Roma locuta, causa finita? Eine Nachbetrachtung zu den Urteilen.<br />

Heft 3, S. 12<br />

688


Walther, Helmut:<br />

Strasbourger Geschichtsfälschung. Heft 3, S. 15<br />

Buchholz, Erich:<br />

Eine erste Äußerung zum Urteil von Strasbourg. Heft 3, S. 18<br />

Streletz, Fritz:<br />

Standpunkt zum Strasbourger Urteil. Heft 4, S. 5<br />

Baumgarten, Klaus-Dieter:<br />

Standpunkt zum Strasbourger Urteil. Heft 4, S. 23<br />

Bauer, Hans:<br />

Einige Bemerkungen zu Strasbourg aus juristischer Sicht der GRH.<br />

Heft 4, S. 27<br />

Erbach, Günter:<br />

Die politische Diffamierung und Verfolgung des DDR-Sports wird<br />

fortgesetzt: „Dopingopfer und ihre Entschädigung“. Heft 5, S, 8<br />

Buchholz, Erich:<br />

Der 13. August 1961 aus der Sicht eines Juristen. Heft 6, S. 3<br />

Sonderdruck der AG Sport der GRH:<br />

mit Beiträgen von: Richter, Erhard:<br />

Fern der Wahrheitsfindung. Sonderheft, S. 3<br />

Röder, Horst:<br />

Bemerkungen zu den Dopingprozessen gegen Trainer, Sportärzte und<br />

Sportfunktionäre der DDR. Sonderheft, S. 4<br />

Erbach, Günter:<br />

Über die sportmedizinische Betreuung durch den Sportmedizinischen<br />

Dienst der DDR (SMD), insbesondere über die Behandlung von<br />

Erkrankungen, Sportverletzungen und Schäden infolge leistungssportlicher<br />

Betätigung und deren Bewertung. Sonderheft, S. 54<br />

2002<br />

Beiträge der GRH<br />

Arnold, Jörg:<br />

Menschenrechtsschutz nach der Europäischen Menschenrechtskonvention.<br />

Heft 1, S. 19<br />

Buchholz, Erich:<br />

War der Mauerbau ein Verfassungsbruch? Eine fundamentale Begriffsverwirrung.<br />

Heft 1, S. 11<br />

Wolff, Friedrich:<br />

Gerechtigkeit in Strasbourg? Ein König und zwei Kommunisten vor<br />

dem höchsten Gericht. Heft 1, S. 3<br />

689


8. ANHANG<br />

Buchholz, Erich:<br />

V-Mann für den falschen Staat. Heft 3, S. 3<br />

2003<br />

Busse, Horst / Nehmer, Hans-Herbert:<br />

Wahrheit lässt sich nicht ewig unterdrücken (Strafverfahren geggen NS-<br />

Verbrechen in Ost und West). Heft 1, S. 3 ff.<br />

690


GESELLSCHAFT ZUR RECHTLICHEN UND<br />

HUMANITÄREN UNTERSTÜTZUNG e.V.<br />

GEGEN POLITISCHE STRAFVERFOLGUNG UND KRIMINALISIERUNG<br />

VON DDR-BÜRGERN UND FREUNDEN DIE FÜR DIE DDR TÄTIG<br />

WAREN, FÜR REHBILITIERUNG UND GERECHTIGKEIT<br />

Die GRH e. V. ist eine Organisation, die in Verwirklichung der Grundsätze eines<br />

sozialen und demokratischen Staatswesens mit politischen und juristischen Mitteln<br />

im Rahmen des Grundgesetzes der BRD, in Übereinstimmung mit den internationalen<br />

Vereinbarungen über die Bürger- und Menschenrechte in der Öffentlichkeit wirkt.<br />

Sie ist parteipolitisch und konfessionell unabhängig.<br />

Die GRH wurde am 19.5.1993 gegründet und ist Mitglied der „Gesellschaft zum<br />

Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde“ (GBM).<br />

WIR TRETEN EIN<br />

➞ für Bürger, die wegen der im Rahmen der Verfassung und Rechtsordnung der<br />

DDR ausgeübten Tätigkeit einer Strafverfolgung ausgesetzt bzw. von der politischen<br />

Strafjustiz verurteilt wurden oder von ihr bedroht sind;<br />

➞ für Bürger, die außerhalb der DDR für deren staatliche Einrichtungen tätig waren<br />

und wegen der ausgeübten Tätigkeit einer Strafverfolgung ausgesetzt oder von ihr<br />

bedroht sind.<br />

Unsere Gesellschaft leistet im Rahmen ihrer Möglichkeiten durch Rat und Tat Hilfe<br />

und Unterstützung<br />

➞ bei der Gewährleistung einer rechtsstaatlichen Verteidigung oder Vertretung in<br />

Strafverfahren oder anderen Verfahren, vor allem für ihre Mitglieder;<br />

➞ für Betroffene und Familienangehörige, die im Zusammenhang mit der<br />

Strafverfolgung oder als Folge in Not und Bedrängnis geraten sind;<br />

➞ zur Vermittlung gegenseitigen solidarischen Beistands der Betroffenen;<br />

➞ Die GRH wirkt für öffentliche Aufklärung zum Charakter der politischen<br />

Strafverfolgung und setzt sich für eine umfassende Rehabilitierung der<br />

Betroffenen ein.<br />

Geschäftsstelle der GRH e. V.:<br />

Franz-Mehring-Platz 1<br />

10243 Berlin<br />

Tel/Fax: (030) 2978-225<br />

GRH e.V.<br />

UNSERE STÄRKE IST UNSERE SOLIDARITÄT!


Wort- und Begriffserläuterungen<br />

Soweit lateinische Rechtsbegriffe angeführt sind, wurden diese der<br />

Zusammenstellung „Latein im Recht“ von Prof. Dr. Rolf Lieberwirth,<br />

Staatsverlag der DDR, Berlin 1986, entnommen.<br />

animus auctoris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geist / Wille des Täters<br />

animus soci . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geist / Wille des Gehilfen<br />

ante portas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vor den Toren<br />

a priori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aus Vernunftsgründen, von vornherein<br />

Annex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang<br />

apodiktisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . sicher, bestimmt<br />

contra legem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gegen das Gesetz<br />

contra legem scriptam . . . . . . . . . . . . . . . . . . gegen das geschriebene Gesetz<br />

da mihi factum, dabo te ibi jus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gib mir die Tatsachen,<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ich gebe dir das Recht<br />

desavouieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bloßstellen, verleugnen<br />

dolus eventualis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bewußtes Inkaufnehmen des<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .möglichen negativen Erfolgs<br />

dubios . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . zweifelhaft<br />

Enquete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . amtliche Erhebung / Untersuchung<br />

ex cathedra . . . . . . . . . . . . . . unfehlbare Äußerung von maßgeblicher Seite<br />

gerieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . sich verhalten, sich darstellen<br />

Gusto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschmack, Neigung<br />

693


9. ANHANG<br />

inadäquat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .- nicht entsprechend<br />

in dubio pro reo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . im Zweifel für den Angeklagten<br />

indoktriniert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . politisch beeinflusst<br />

Intentionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absichten<br />

Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . wechselseitige Aktivität<br />

inter partes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . zwischen den Seiten, den Parteien<br />

involviert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . eingeschlossen<br />

judizieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Recht sprechen<br />

Jurisdiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . juristische Gesetzlichkeit<br />

Legaldefinition . . . . . . . . . . . . . . . . durch das Gesetz festgelegte Definition<br />

lege artis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .- nach den Regeln (z. B. der Heilkunst)<br />

lex-mitius-Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . jeweils milderes Gesetz anzuwenden<br />

mutieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (sich) verändern<br />

nullum crimen sine lege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . keine Straftat ohne Gesetz<br />

nulla poena-Grundsatz . . . . . . . . . . . . Grundsatz: Ohne Gesetz keine strafe<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .zu verhängen<br />

nulla poena sine lege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . keine Strafe ohne Gesetz<br />

perfide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .- treulos, hinterlistig, tückisch, niederträchtig<br />

propria causa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . sich parteiisch auf eine Seite stellen<br />

qua DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . an Stelle der DDR<br />

sui generis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . eigene Art<br />

ultima-ratio-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . das Strafrecht als letztes und<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .äußerstes Mittel anzuwende<br />

694


DOKUMENTENANHANG


Dokumentenanhang<br />

Der Dokumentenanhang enthält Auszüge ausgewählter Dokumente, die in<br />

Beiträgen dieses Buches angeführt werden.<br />

Alliierte Kontrollbehörde - Kontrollrat, Gesetz Nr.10, 20. Dezember 1945 . . . . . . . 699<br />

Direktive Nr.38 des Kontrollrats, 12. Oktober 1946 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 700<br />

Befehl Nr.201 der Sowjetischen Militäradministration, 16. August 1947 . . . . . . . . . . 701<br />

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, 10. Dezember 1948 . . . . . . . . . . . . . . . 703<br />

Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten,<br />

4. November 1950 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 703<br />

Internationale Konvention über Bürgerrechte und politische Rechte, (IPbürgR),<br />

16. Dezember 1966 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 704<br />

Strafgesetzbuch der DDR, 19. Dezember 1974, idF. vom 28. Juni 1979 . . . . . . . . . . . 705<br />

Strafprozessordnung der DDR,12. Januar 1968, idF. vom 28. Juni 1979 . . . . . . . . . . 709<br />

Verfassung der DDR, 6. April 1968 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 711<br />

Verfassung der DDR, 7. Oktober 1949 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 714<br />

Aus dem Befehl 101/71 des Ministers für Nationale Verteidigung, 30. September 1971<br />

sowie zu den Befehlen 80/72 und 40/72 der Grenztruppen der DDR . . . . . . . . . . . . 715<br />

Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der DDR und der BRD<br />

(Grundlagenvertrag), 21. Dezember 1972 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 717<br />

Gesetz über die Staatsgrenze der DDR (Grenzgesetz) über den Schusswaffengebrauch<br />

, 25. März 1982 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 720<br />

Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch<br />

Vollzugsbeamte des Bundes (UzwG), - Über den Schusswaffengebrauch,


10. März 1961 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 723<br />

Strafprozessordnung der BRD,1. Februar 1877, idFdB. vom 7. April 1987 . . . . . . . . 724<br />

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, 23. Mai 1949,<br />

idF. vom 26. Juli 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 726<br />

Vertrag zwischen der BRD und der DDR über die Herstellung der Einheit<br />

Deutschlands (Einigungsvertrag), 31. August 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 727<br />

Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB) 2. März 1974,<br />

idF. des Einigungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 728<br />

Aus dem Redebeitrag von Enno v. Loewenstern vor dem Ersten Forum des Bundesministers<br />

der Justiz in Bonn, 9. Juli 1991 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 729<br />

Begrüßungsansprache Dr. Klaus Kinkel vor dem 15. Deutschen Richtertag in Köln,<br />

23. September 1991 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 730<br />

Gründungsaufruf der „Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung“<br />

e.V. (GRH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 731<br />

Wehrstrafgesetz (WStG), 30. März 1957, idF. vom 26. Januar 1998 . . . . . . . . . . . . . . 731<br />

Memorandum der Bundesregierung zur Frage der Wiederherstellung der deutschen<br />

Einheit, 2. September 1956 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 733<br />

Strafgesetzbuch der BRD, 15. Mai 1871, idF. vom 13. November 1998 . . . . . . . . . . . 734


Dokumentenanhang<br />

Alliierte Kontrollbehörde – Kontrollrat<br />

Gesetz Nr. 10<br />

20. Dezember 1945<br />

Bestrafung von Personen, die sich Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen den<br />

Frieden oder gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht haben<br />

(Amtsblatt des Kontrollrates, Nr. 3/1946, S. 50)<br />

…<br />

Artikel I<br />

Die Moskauer Deklaration vom 30. Oktober 1943 „betreffend die<br />

Verantwortlichkeit der Hitleranhänger für begangene Greueltaten“ und das<br />

Londoner Abkommen vom 8. August 1945 „betreffend Verfolgung und<br />

Bestrafung von Hauptkriegsverbrechern der Europäischen Achse“ werden<br />

als untrennbare Bestandteile in das gegenwärtige Gesetz aufgenommen.<br />

…<br />

Artikel II<br />

1. Jeder der folgenden Tatbestände stellt ein Verbrechen dar:<br />

a) Verbrechen gegen den Frieden. Das Unternehmen des Einfalls in andere<br />

Länder und des Angriffskrieges unter Verletzung des Völkerrechts und internationaler<br />

Verträge einschließlich der folgenden, den obigen Tatbestand<br />

jedoch nicht erschöpfenden Beispiele: Planung, Vorbereitung, Beginn oder<br />

Führung eines Angriffskrieges oder eines Krieges unter Verletzung von<br />

internationalen Verträgen, Abkommen oder Zusicherungen; Teilnahme an<br />

einem gemeinsamen Plan oder einer Verschwörung zum Zwecke der<br />

Ausführung eines der vorstehend aufgeführten Verbrechen.<br />

b) Kriegsverbrechen. Gewalttaten oder Vergehen gegen Leib, Leben oder<br />

Eigentum, begangen unter Verletzung der Kriegsgesetze oder -gebräuche,<br />

einschließlich der folgenden, den obigen Tatbestand jedoch nicht erschöpfenden<br />

Beispiele: Mord, Mißhandlung der Zivilbevölkerung der besetzten<br />

Gebiete oder ihre Verschleppung zur Zwangsarbeit oder zu anderen<br />

Zwecken; Mord oder Mißhandlung von Kriegsgefangenen oder Personen<br />

auf hoher See; Tötung von Geiseln; Plünderung von öffentlichem oder privatem<br />

Eigentum; mutwillige Zerstörung von Stadt oder Land; oder Verwüstungen,<br />

die nicht durch militärische Notwendigkeit gerechtfertigt sind.<br />

c) Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Gewalttaten und Vergehen, einschließlich<br />

der folgenden, den obigen Tatbestand jedoch nicht erschöpfenden<br />

Beispiele:<br />

Mord, Ausrottung, Versklavung, Zwangsverschleppung, Freiheitsberaubung,<br />

Folterung, Vergewaltigung oder andere an der Zivilbevölkerung begangene<br />

unmenschliche Handlungen; Verfolgung aus politischen, rassischen oder reli-<br />

699


10. ANHANG<br />

giösen Gründen, ohne Rücksicht darauf, ob sie das nationale Recht des<br />

Landes, in welchem die Handlung begangen worden ist, verletzen.<br />

d) Zugehörigkeit zu gewissen Kategorien von Verbrechervereinigungen oder<br />

Organisationen, deren verbrecherischer Charakter vom Internationalen<br />

Militärgerichtshof festgestellt worden ist.<br />

…<br />

Artikel III<br />

1. Die Besatzungsbehörden sind berechtigt, innerhalb ihrer Besatzungszonen<br />

die folgenden Maßnahmen zu treffen:<br />

…<br />

2. Die Zonenbefehlshaber bestimmen oder bezeichnen für ihre Zonen das<br />

Gericht, vor dem die eines Verbrechens unter dem gegenwärtigen Gesetz<br />

beschuldigten Personen abgeurteilt werden sollen, sowie die dabei anzuwendende<br />

Verfahrensordnung.<br />

…<br />

6. Jeder Zonenbefehlshaber wird dafür Sorge tragen, daß die Urteile der<br />

zuständigen Gerichte hinsichtlich des nach diesem Gesetz seiner Kontrolle<br />

unterliegenden Vermögens so ausgeführt werden, wie dies nach seiner<br />

Ansicht der Gerechtigkeit entspricht.<br />

…<br />

Direktive Nr. 38 des Kontrollrats vom 12. Oktober 1946<br />

Verhaftung und Bestrafung von Kriegsverbrechern, Nationalsozialisten und<br />

Militaristen und Internierung, Kontrolle und Überwachung von möglicherweise<br />

gefährlichen Deutschen (Amtsblatt des Kontrollrates, Nr. 11/1946, S. 184)<br />

Der Kontrollrat erläßt folgende Direktive:<br />

Abschnitt I<br />

1. Zweck<br />

Der Zweck dieser Direktive ist es, für ganz Deutschland gemeinsame<br />

Richtlinien zu schaffen betreffend:<br />

a) die Bestrafung von Kriegsverbrechern, Nationalsozialisten, Militaristen<br />

und Industriellen, welche das nationalsozialistische Regime gefördert und<br />

gestützt haben;<br />

b) die vollständige und endgültige Vernichtung des Nationalsozialismus und<br />

des Militarismus durch Gefangensetzung oder Tätigkeitsbeschränkung von<br />

700


edeutenden Teilnehmern oder Anhängern dieser Lehren;<br />

c) die Internierung von Deutschen, welche, ohne bestimmter Verbrechen<br />

schuldig zu sein, als für die Ziele der Alliierten gefährlich zu betrachten sind,<br />

sowie die Kontrolle und Überwachung von Deutschen, die möglicherweise<br />

gefährlich werden können.<br />

…<br />

Artikel IX<br />

Sühnemaßnahmen gegen Belastete<br />

1. Sie können auf die Dauer bis zu zehn Jahren in einem Gefängnis oder in<br />

einem Lager interniert werden, um Wiedergutmachungs- und Wiederaufbauarbeiten<br />

zu verrichten. Internierung aus politischen Gründen nach<br />

dem 8. Mai 1945 kann angerechnet werden.<br />

2. Ihr Vermögen kann als Beitrag zur Wiedergutmachung ganz oder teilweise<br />

eingezogen werden. Bei teilweiser Einziehung des Vermögens sind insbesondere<br />

die Sachwerte einzuziehen. Die notwendigen Gebrauchsgegenstände<br />

sind ihnen zu belassen.<br />

3. Sie dürfen kein öffentliches Amt einschließlich Notariat und Anwaltschaft<br />

bekleiden.<br />

4. Sie verlieren alle Rechtsansprüche auf eine aus öffentlichen Mitteln zahlbare<br />

Pension oder Zuwendung.<br />

5. Sie verlieren das aktive und passive Wahlrecht, das Recht, sich irgendwie<br />

politisch zu betätigen oder Mitglied einer politischen Partei zu sein.<br />

6. Sie dürfen weder Mitglieder einer Gewerkschaft noch einer wirtschaftlichen<br />

oder beruflichen Vereinigung sein.<br />

…<br />

Befehl Nr. 201<br />

Dokumentenanhang<br />

Richtlinien zur Anwendung der Direktiven<br />

Nr. 24 und Nr. 38 des Kontrollrats<br />

16. August 1947, Berlin<br />

(ZVOBl. Nr. 13 vom 25. August 1947, S. 153)<br />

…<br />

2. Die deutschen Verwaltungsorgane und Entnazifizierungskommissionen<br />

werden verpflichtet, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, die die<br />

Beschleunigung der Durchführung und den Abschluß der Entnazifizierung<br />

in der sowjetischen Besatzungszone entsprechend den Direktiven Nr. 24 und<br />

38 des Kontrollrats und dem vorliegenden Befehl sichern.<br />

701


10. ANHANG<br />

3. Die deutschen Gerichtsorgane werden verpflichtet, ihre Aufmerksamkeit<br />

darauf zu konzentrieren, daß die Kriegsverbrecher, Mitglieder der verbrecherischen<br />

Naziorganisationen und führenden Persönlichkeiten des Hitlerregimes<br />

zur gerichtlichen Verantwortung gezogen und ihre Angelegenheiten<br />

beschleunigt durchgeführt werden; zugleich ist eine allgemeine gerichtliche<br />

Belangung der nominellen nicht aktiven Mitglieder der Nazipartei nicht<br />

zulässig.<br />

…<br />

4. Die deutschen Verwaltungsorgane werden damit betraut, daß in einer dreimonatigen<br />

Frist die ehemaligen aktiven Faschisten und Militaristen von allen<br />

öffentlichen und halböffentlichen Posten und den entsprechenden Posten in<br />

den wichtigen Privatbetrieben entfernt werden.<br />

…<br />

7. Die Prüfung der dem Gericht durch die Entnazifizierungskommissionen,<br />

Staatsanwaltschaften oder anderen entsprechenden Organen übergebenen<br />

Fälle zur Feststellung der Schuld und zur Bestrafung der Kriegsverbrecher,<br />

ehemaligen Nazis, Militaristen, Schieber und Industriellen, welche das<br />

Hitlerregime inspirierten und unterstützten, ist von deutschen Gerichten<br />

unter Anwendung der in der Direktive Nr. 38 des Kontrollrats vorgesehenen<br />

Sanktionen durchzuführen. Die Zuständigkeit des Gerichts richtet sich nach<br />

dem Wohnort des Angeklagten. Die Prüfung besonders wichtiger Fälle ist<br />

durch Militärgerichte auf Anordnung der entsprechenden Organe der<br />

Sowjetischen Militärverwaltung durchzuführen.<br />

…<br />

9. Die Verantwortung für die Durchführung des vorliegenden Befehls wie<br />

auch für die Durchführung der Direktiven Nr. 24 und 38 des Kontrollrats<br />

wird den deutschen Verwaltungen für Inneres und für Justiz und den<br />

Länderregierungen der sowjetischen Besatzungszone übertragen.<br />

Die allgemeine Kontrolle für die Durchführung des vorliegenden Befehls<br />

wird den Verwaltungschefs der Sowjetischen Militärverwaltung der Länder<br />

auferlegt.<br />

…<br />

702


Allgemeine Erklärung<br />

der Menschgenrechte<br />

10. Dezember 1948<br />

Dokumentenanhang<br />

HERAUSGEGEBEN VON DEN VEREINTEN NATIONEN<br />

…<br />

Artikel 11.<br />

(1) Jeder Mensch, der einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, ist so<br />

lange als unschuldig anzusehen, bis seine Schuld in einem öffentlichen<br />

Verfahren, in dem alle für seine Verteidigung nötigen Voraussetzungen<br />

gewährleistet waren, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist.<br />

(2) Niemand kann wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden,<br />

die im Zeitpunkt, da sie erfolgte, auf Grund des nationalen oder internationalen<br />

Rechts nicht strafbar war. Desgleichen kann keine schwerere<br />

Strafe verhängt werden als die, welche im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren<br />

Handlung anwendbar war.<br />

…<br />

Konvention zum Schutze der Menschenrechte<br />

und Grundfreiheiten<br />

Vom 4. November 1950<br />

…<br />

Art. 6. (1)<br />

…<br />

(2) Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, daß der<br />

wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist.<br />

…<br />

Art. 7. (1) 1Niemand kann wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt<br />

werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder internationalem<br />

Recht nicht strafbar war. Ebenso darf keine höhere Strafe als die im<br />

Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung angedrohte Strafe verhängt<br />

werden.<br />

…<br />

1 - Die Bundesrepublik Deutschland machte bei der am 5. 12. 1952 erfolgten<br />

Ratifikation folgenden Vorbehalt: „Gemäß Artikel 64 der Konvention macht die<br />

Bundesrepublik Deutschland den Vorbehalt, daß sie die Bestimmung des Artikels 7<br />

Abs. 2 der Konvention nur in den Grenzen des Artikels 103 Abs. 2 des Grundgesetzes<br />

der Bundesrepublik Deutschland anwenden wird. Die letztgenannte Vorschrift lautet<br />

wie folgt: >Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich<br />

bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.<<br />

703


10. ANHANG<br />

(2) Durch diesen Artikel darf die Verurteilung oder Bestrafung einer Person<br />

nicht ausgeschlossen werden, die sich einer Handlung oder Unterlassung<br />

schuldig gemacht hat, welche im Zeitpunkt ihrer Begehung nach den allgemeinen<br />

von den zivilisierten Völkern anerkannten Rechtsgrundsätzen strafbar<br />

war.<br />

Internationale Konvention<br />

über Bürgerrechte und politische Rechte 1<br />

Vom 16. Dezember 1966<br />

…<br />

Artikel 6<br />

1. Jedem Menschen ist das Recht auf Leben eigen. Dieses Recht wird gesetzlich<br />

geschützt.<br />

…<br />

Artikel 12<br />

2. Es steht jedem frei, jedes Land, auch sein eigenes, zu verlassen.<br />

…<br />

Artikel 14<br />

1. Alle Menschen sind vor Gerichten und Tribunalen gleich. Jedermann hat<br />

Anspruch darauf, daß über eine strafrechtliche Anklage gegen ihn sowie<br />

über seine Rechte und Pflichten in einem Zivilprozeß in einer gerechten und<br />

öffentlichen Verhandlung durch ein zuständiges, unabhängiges und unparteiisches,<br />

auf Gesetz beruhendes Gericht entschieden wird.<br />

…<br />

2. Jeder wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte hat das Recht, so<br />

lange als unschuldig angesehen zu werden, bis er gemäß dem Gesetz für<br />

schuldig befunden worden ist.<br />

…<br />

Artikel 15<br />

1. Niemand darf wegen einer Handlung oder Unterlassung für schuldig<br />

befunden werden, die nach nationalem oder internationalem Recht zur Zeit<br />

der Tat nicht strafbar war.Auch darf keine höhere Strafe für dieses Vergehen<br />

verhängt werden als diejenige, die zur Zeit der Straftat vorgesehen war.<br />

Wenn nachträglich für die strafbare Handlung gesetzlich eine mildere Strafe<br />

vorgesehen ist, so ist diese bei der Strafzumessung anzuwenden.<br />

…<br />

1 - Die Konvention wurde am 16. Dezember 1966 mit der UNO-Resolution A/2200<br />

(XXI) einstimmig angenommen.<br />

704


Dokumentenanhang<br />

Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik<br />

— StGB — vom 12. Januar 1968 idNF. vom 19. Dezember<br />

1974 (GBl. I, 1975 Nr. 3, S. 14) sowie idF. des 2.<br />

Strafrechtsänderungsgesetzes vom 7. April 1977 (GBl. I, Nr.<br />

10, S. 100) und des 3. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 28.<br />

Juni 1979 (GBl. I, Nr. 17, S. 139)<br />

…<br />

Artikel 4<br />

Schutz der Würde und der Rechte des Menschen<br />

…<br />

Die Achtung der Menschenwürde, von der sich die sozialistische Gesellschaft<br />

auch gegenüber dem Gesetzesverletzer leiten läßt, ist für die Tätigkeit der<br />

staatlichen und gesellschaftlichen Strafrechtspflege und für den Strafvollzug<br />

unverbrüchliches Gebot.<br />

Eine Person darf nur in strikter Übereinstimmung mit den Gesetzen strafrechtlich<br />

verfolgt und zur Verantwortung gezogen werden. Eine Handlung<br />

zieht strafrechtliche Verantwortlichkeit nur nach sich, wenn dies zur Zeit<br />

ihrer Begehung durch Gesetz vorgesehen ist, der Täter schuldhaft gehandelt<br />

hat und die Schuld zweifelsfrei nachgewiesen ist. Die Rückwirkung und die<br />

analoge Anwendung von Strafgesetzen zuungunsten des Betroffenen ist<br />

unzulässig.<br />

…<br />

Niemand darf als einer Straftat schuldig behandelt werden, bevor nicht in<br />

einem gesetzlich durchgeführten Verfahren von einem Gericht oder gesellschaftlichen<br />

Organ der Rechtspflege seine Schuld zweifelsfrei nachgewiesen<br />

und rechtskräftig festgestellt worden ist.<br />

…<br />

Artikel 5<br />

Gewährleistung der Gleichheit vor dem Gesetz<br />

…<br />

Die Gerechtigkeit in der Strafrechtspflege erfordert, daß die objektiven und<br />

subjektiven Umstände der Tat, wie Art und Weise ihrer Begehung, ihre<br />

Folgen, ihre Ursachen und Bedingungen, die Schuld des Täters sowie die<br />

Möglichkeiten seiner Erziehung zu einem gleichberechtigten und gleichverpflichteten<br />

Mitglied der sozialistischen Gesellschaft unter Berücksichtigung<br />

seiner Persönlichkeit festgestellt und nach den für alle geltenden Gesetzen<br />

beurteilt werden.<br />

…<br />

705


10. ANHANG<br />

§ 1<br />

(1) Straftaten sind schuldhaft begangene gesellschaftswidrige oder gesellschaftsgefährliche<br />

Handlungen (Tun oder Unterlassen), die nach dem Gesetz<br />

als Vergehen oder Verbrechen strafrechtliche Verantwortlichkeit begründen.<br />

…<br />

(3) Verbrechen sind gesellschaftsgefährliche Angriffe gegen die Souveränität<br />

der Deutschen Demokratischen Republik, den Frieden, die Menschlichkeit<br />

und die Menschenrechte, Kriegsverbrechen, Straftaten gegen die Deutsche<br />

Demokratische Republik sowie vorsätzlich begangene Straftaten gegen das<br />

Leben. Verbrechen sind auch andere vorsätzlich begangene gesellschaftsgefährliche<br />

Straftaten gegen die Rechte und Interessen der Bürger, das sozialistische<br />

Eigentum oder andere Rechte und Interessen der Gesellschaft, die<br />

eine schwerwiegende Mißachtung der sozialistischen Gesetzlichkeit darstellen<br />

und für die deshalb eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren<br />

angedroht ist oder für die innerhalb des vorgesehenen Strafrahmens im<br />

Einzelfall eine Freiheitsstrafe von über zwei Jahren ausgesprochen wird.<br />

…<br />

§ 5 Grundsätze<br />

(1) Eine Tat ist schuldhaft begangen, wenn der Täter trotz der ihm gegebenen<br />

Möglichkeiten zu gesellschaftsgemäßem Verhalten durch verantwortungsloses<br />

Handeln den gesetzlichen Tatbestand eines Vergehens oder<br />

Verbrechens verwirklicht.<br />

(2) Bei der Feststellung der Art und Schwere der Schuld sind alle objektiven<br />

und subjektiven Umstände sowie die Ursachen und Bedingungen der Tat zu<br />

berücksichtigen, die den Täter zum verantwortungslosen Handeln bestimmt<br />

haben.<br />

(3) Strafrechtliche Verantwortlichkeit für fahrlässiges Handeln tritt nur ein,<br />

wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist.<br />

…<br />

§ 17 Notwehr<br />

(1) Wer einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff gegen sich oder einen<br />

anderen oder gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in<br />

einer der Gefährlichkeit des Angriffs angemessenen Weise abwehrt, handelt<br />

im Interesse der sozialistischen Gesellschaft und ihrer Gesetzlichkeit und<br />

begeht keine Straftat.<br />

(2) Bei Überschreitung der Notwehr ist von Maßnahmen der strafrechtlichen<br />

Verantwortlichkeit abzusehen, wenn der Handelnde in begründete<br />

hochgradige Erregung versetzt wurde und deshalb über die Grenzen der<br />

Notwehr hinausging.<br />

…<br />

706


Dokumentenanhang<br />

§ 20 Widerstreit der Pflichten<br />

(1) Wer in Ausübung ihm obliegender Pflichten sich nach verantwortungsbewußter<br />

Prüfung der Sachlage zur Begehung einer Pflichtverletzung entscheidet,<br />

um durch die Erfüllung anderer Pflichten den Eintritt eines größeren,<br />

anders nicht abwendbaren Schadens für andere Personen oder die<br />

Gesellschaft zu verhindern, handelt gerechtfertigt und begeht keine Straftat.<br />

(2) Hat der Täter die Gefahren, zu deren Abwendung er tätig wird, selbst<br />

schuldhaft herbeigeführt, findet diese Bestimmung keine Anwendung.<br />

…<br />

§ 21 Vorbereitung und Versuch<br />

(1) Vorbereitung und Versuch einer Straftat begründen strafrechtliche<br />

Verantwortlichkeit nur, wenn es das Gesetz ausdrücklich bestimmt.<br />

(2) Vorbereitung liegt vor, wenn der Täter Voraussetzungen oder Bedingungen<br />

für die Ausführung der geplanten Straftat schafft, ohne mit der Ausführung<br />

zu beginnen.<br />

(3) Versuch liegt vor, wenn der Täter mit der vorsätzlichen Ausführung der<br />

Straftat beginnt, ohne sie zu vollenden.<br />

(4) Vorbereitung und Versuch begründen strafrechtliche Verantwortlichkeit<br />

nach demselben Gesetz wie die vollendete Straftat. Dabei sind die Beweggründe<br />

des Täters, die von ihm angestrebten oder für möglich gehaltenen<br />

Folgen, der Grad der Verwirklichung der Straftat und die Gründe, aus denen<br />

sie nicht vollendet wurde, zu berücksichtigen. Die Strafe kann nach den<br />

Grundsätzen über die außergewöhnliche Strafmilderung herabgesetzt werden.<br />

(5) Von Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ist abzusehen,<br />

wenn der Täter freiwillig und endgültig von der Vollendung der Tat Abstand<br />

nimmt. Das gilt auch, wenn im Falle des Versuchs der Täter den Eintritt der<br />

Folgen freiwillig abwendet.<br />

§ 22 Täter und Teilnehmer<br />

(1) Als Täter ist strafrechtlich verantwortlich, wer eine Straftat selbst ausführt<br />

oder wer sie durch einen anderen, der für diese Tat selbst nicht verantwortlich<br />

ist, ausführen läßt.<br />

…<br />

§ 61 Grundsätze der Strafzumessung<br />

(1) Bei der Strafzumessung hat das Gericht die Grundsätze der sozialistischen<br />

Gerechtigkeit zu verwirklichen.<br />

(2) Art und Maß der Strafe sind innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens<br />

unter Berücksichtigung der objektiven und subjektiven Umstände der Tat,<br />

wie Art und Weise ihrer Begehung, ihrer Folgen, der Art und Schwere der<br />

Schuld des Täters, zu bestimmen. Dabei sind auch die Persönlichkeit des<br />

707


10. ANHANG<br />

Täters, sein gesellschaftliches Verhalten vor und nach der Tat und die<br />

Ursachen und Bedingungen der Tat zu berücksichtigen, soweit diese über die<br />

Schwere der Tat und die Fähigkeit und Bereitschaft des Täters Aufschluß<br />

geben, künftig seiner Verantwortung gegenüber der sozialistischen<br />

Gesellschaft nachzukommen. Es ist insbesondere zu prüfen, inwieweit der<br />

Täter aus bereits erfolgten Bestrafungen richtige Lehren gezogen hat. Bei<br />

der Festsetzung der Strafe hat das Gericht sowohl die zugunsten als auch<br />

zuungunsten des Täters vorliegenden Umstände allseitig zu würdigen.<br />

…<br />

§ 81 Zeitliche Geltung<br />

(1) Eine Straftat wird nach dem Gesetz bestraft das zur Zeit ihrer Begehung gilt.<br />

(2) Gesetze, welche die strafrechtliche Verantwortlichkeit begründen oder<br />

verschärfen, gelten nicht für Handlungen, die vor ihrem Inkrafttreten begangen<br />

wurden.<br />

(3) Gesetz welche die strafrechtliche Verantwortlichkeit nachträglich aufheben<br />

oder mildern, gelten auch für Handlungen, die vor ihrem Inkrafttreten<br />

begangen wurden.<br />

…<br />

§ 213 Ungesetzlicher Grenzübertritt<br />

(1) Wer widerrechtlich die Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen<br />

Republik passiert oder Bestimmungen des zeitweiligen Aufenthalts in der<br />

Deutschen Demokratischen Republik sowie des Transits durch die Deutsche<br />

Demokratische Republik verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren<br />

oder mit Verurteilung auf Bewährung, Haftstrafe oder mit Geldstrafe bestraft.<br />

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Bürger der Deutschen Demokratischen<br />

Republik rechtswidrig nicht oder nicht fristgerecht in die Deutsche Demokratische<br />

Republik zurückkehrt oder staatliche Festlegungen über seinen<br />

Auslandsaufenthalt verletzt.<br />

(3) In schweren Fällen wird der Täter mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis<br />

zu acht Jahren bestraft. Ein schwerer Fall liegt insbesondere vor, wenn<br />

1. die Tat Leben oder Gesundheit von Menschen gefährdet;<br />

2. die Tat unter Mitführung von Waffen oder unter Anwendung gefährlicher<br />

Mittel oder Methoden erfolgt;<br />

3. die Tat mit besonderer Intensität durchgeführt wird;<br />

4. die Tat durch Urkundenfälschung (§ 240), Falschbeurkundung (§ 242) oder<br />

durch Mißbrauch von Urkunden oder unter Ausnutzung eines Versteckes erfolgt;<br />

5. die Tat zusammen mit anderen begangen wird;<br />

6. der Täter wegen ungesetzlichen Grenzübertritts bereits bestraft ist.<br />

(4) Vorbereitung und Versuch sind strafbar.<br />

…<br />

708


Dokumentenanhang<br />

§ 243 Nötigung zu einer Aussage<br />

Wer als Richter, Staatsanwalt oder Mitarbeiter eines Untersuchungsorgans<br />

in einem Strafverfahren Zwangsmittel anwendet oder anwenden läßt, um<br />

Geständnisse oder Aussagen zu erpressen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf<br />

Jahren bestraft.<br />

§ 244 Rechtsbeugung<br />

Wer wissentlich bei der Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens oder<br />

eines Ermittlungsverfahrens als Richter, Staatsanwalt oder Mitarbeiter eines<br />

Untersuchungsorgans gesetzwidrig zugunsten oder zuungunsten eines<br />

Beteiligten entscheidet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.<br />

…<br />

§ 258 Handeln auf Befehl<br />

(1) Eine Militärperson ist für eine Handlung, die sie in Ausführung des<br />

Befehls eines Vorgesetzten begeht, strafrechtlich nicht verantwortlich, es sei<br />

denn, die Ausführung des Befehls verstößt offensichtlich gegen die anerkannten<br />

Normen des Völkerrechts oder gegen Strafgesetze.<br />

(2) Werden durch die Ausführung eines Befehls durch den Unterstellten die<br />

anerkannten Normen des Völkerrechts oder ein Strafgesetz verletzt, ist dafür<br />

auch der Vorgesetzte strafrechtlich verantwortlich, der den Befehl erteilt hat.<br />

…<br />

Strafprozeßordnung der Deutschen<br />

Demokratischen Republik<br />

— StPO — vom 12. Januar 1968 i. d. Neufassung vom 19.<br />

Dezember 1974 (GBl. I, 1975 Nr. 4, S. 62) sowie i. d. F. des 2.<br />

Strafrechtsänderungsgesetzes vom 7. April 1997 (GBl. I, Nr<br />

10, S. 100) und des 3. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 28.<br />

Juni 1979 (GBl. I, Nr. 17, S. 139)<br />

…<br />

§ 88 Durchführung der Ermittlungen<br />

(1) Die Ermittlungen in Strafsachen führen die staatlichen Untersuchungsorgane<br />

durch.<br />

(2) Untersuchungsorgane sind:<br />

1. die Untersuchungsorgane des Ministeriums des Innern;<br />

2. die Untersuchungsorgane des Ministeriums für Staatssicherheit;<br />

3. die Untersuchungsorgane der Zollverwaltung.<br />

…<br />

709


10. ANHANG<br />

§ 124 Verhaftung<br />

(1) Die Verhaftung erfolgt auf Antrag des Staatsanwalts auf Grund eines<br />

schriftlichen Haftbefehls des Richters. Im gerichtlichen Verfahren ist das<br />

Gericht auch ohne Antrag des Staatsanwalts zum Erlaß eines Haftbefehls<br />

berechtigt. Der Staatsanwalt ist zu hören.<br />

…<br />

(3) Der Haftbefehl ist dem Beschuldigten oder dem Angeklagten bekanntzugeben.<br />

Die Bekanntgabe ist unter Angabe des Datums und der Uhrzeit<br />

durch den Beschuldigten oder den Angeklagten schriftlich zu bestätigen.<br />

…<br />

§ 133 Aufhebung des Haftbefehls vor Anklageerhebung<br />

Ist die Anklage noch nicht erhoben, ist der Haftbefehl aufzuheben, wenn der<br />

Staatsanwalt es beantragt. Er kann die Entlassung des Beschuldigten schon<br />

vor der Entscheidung des Gerichts anordnen.<br />

…<br />

§ 154 Erhebung der Anklage<br />

Liegt hinreichender Tatverdacht vor und sind weder die Voraussetzungen für<br />

die Übergabe der Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege<br />

noch die Voraussetzungen für eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 148<br />

Absatz 1 Ziffern 3 und 4 gegeben, hat der Staatsanwalt bei Gericht Anklage<br />

zu erheben oder Antrag auf Erlaß eines Strafbefehls oder auf Durchführung<br />

eines beschleunigten Verfahrens zu stellen.<br />

…<br />

§ 156 Grundsatz<br />

Das Gericht ist verpflichtet, jede Strafsache unvoreingenommen zu untersuchen<br />

und zu entscheiden.<br />

…<br />

§ 178<br />

(1) Alle Entscheidungen des Kollegialgerichts werden im Kollektiv der zur<br />

Entscheidung berufenen Richter beraten. Über jede Entscheidung wird<br />

abgestimmt.<br />

(2) Das Beratungs- und Abstimmungsgeheimnis ist zu wahren.<br />

…<br />

§ 187<br />

Umfang der Prüfungspflicht des Gerichts nach Eingang der Anklageschrift<br />

(1) Mit Einreichung der Anklageschrift wird das Verfahren bei Gericht<br />

anhängig; die Anklage bestimmt in tatsächlicher Hinsicht den Gegenstand<br />

des gerichtlichen Verfahrens.<br />

(2) Das Gericht hat auf der Grundlage des vorliegenden Ermittlungsergebnisses<br />

zu prüfen,<br />

710


Dokumentenanhang<br />

1. ob es für die Sache zuständig ist;<br />

2. ob hinsichtlich der in der Anklageschrift erhobenen Beschuldigung<br />

hinreichender Tatverdacht besteht;<br />

3. ob Gründe vorliegen, die die Einstellung, die vorläufige Einstellung<br />

oder die Übergabe der Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege<br />

rechtfertigen.<br />

(3) Hinreichender Tatverdacht liegt vor, wenn die Ermittlungen im Sinne der<br />

§§ 101, 102 Absatz 3 und § 69 vollständig geführt sind und das vorliegende<br />

Ergebnis den Schluß rechtfertigt, daß der Beschuldigte einen Straftatbestand<br />

verletzt hat.<br />

…<br />

§ 199 Vorbereitung der Hauptverhandlung<br />

(1) In Vorbereitung der Hauptverhandlung hat sich das Gericht mit der<br />

Strafsache und ihren gesellschaftlichen Zusammenhängen vertraut zu<br />

machen. Es legt die erforderlichen Maßnahmen zur Erreichung einer wirksamen<br />

Hauptverhandlung fest.<br />

(2) Das Gericht soll zur Erhöhung seiner Sachkunde bei der Klärung komplizierter<br />

Fragen sachkundige Bürger und Kollektive aus Betrieben,<br />

Genossenschaften oder Einrichtungen konsultieren.<br />

(3) In Vorbereitung der Hauptverhandlung ist eine Beweisaufnahme durch<br />

das Gericht unzulässig.<br />

…<br />

Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik<br />

vom 6 April 1968<br />

in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Verfassung<br />

der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1974<br />

(GBl. I, Nr. 47/1974, S. 425)<br />

Artikel 1<br />

Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat der<br />

Arbeiter und Bauern. Sie ist die politische Organisation der Werktätigen in<br />

Stadt und Land unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen<br />

Partei.<br />

…<br />

Artikel 2<br />

1 Alle politische Macht in der Deutschen Demokratischen Republik wird von<br />

den Werktätigen in Stadt und Land ausgeübt. Der Mensch steht im Mittelpunkt<br />

aller Bemühungen der sozialistischen Gesellschaft und ihres Staates.<br />

…<br />

711


10. ANHANG<br />

Artikel 6<br />

1 Die Deutsche Demokratische Republik hat getreu den Interessen des<br />

Volkes und den internationalen Verpflichtungen auf ihrem Gebiet den deutschen<br />

Militarismus und Nazismus ausgerottet. Sie betreibt eine dem<br />

Sozialismus und dem Frieden, der Völkerverständigung und der Sicherheit<br />

dienende Außenpolitik.<br />

…<br />

Artikel 7<br />

1 Die Staatsorgane gewährleisten die territoriale Integrität der Deutschen<br />

Demokratischen Republik und die Unverletzlichkeit ihrer Staatsgrenzen<br />

einschließlich ihres Luftraumes und ihrer Territorialgewässer sowie den<br />

Schutz und die Nutzung ihres Festlandsockels.<br />

2 Die Deutsche Demokratische Republik organisiert die Landesverteidigung<br />

sowie den Schutz der sozialistischen Ordnung und des friedlichen Lebens der<br />

Bürger.<br />

…<br />

Artikel 19<br />

1 Die Deutsche Demokratische Republik garantiert allen Bürgern die<br />

Ausübung ihrer Rechte und ihre Mitwirkung an der Leitung der gesellschaftlichen<br />

Entwicklung. Sie gewährleistet die sozialistische Gesetzlichkeit<br />

und Rechtssicherheit.<br />

2 Achtung und Schutz der Würde und Freiheit der Persönlichkeit sind Gebot<br />

für alle staatlichen Organe, alle gesellschaftlichen Kräfte und jeden einzelnen<br />

Bürger.<br />

…<br />

Artikel 20<br />

1 Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat unabhängig<br />

von seiner Nationalität, seiner Rasse, seinem weltanschaulichen oder religiösem<br />

Bekenntnis, seiner Herkunft und Stellung die gleichen Rechte und<br />

Pflichten. Gewissens- und Glaubensfreiheit sind gewährleistet. Alle Bürger<br />

sind vor dem Gesetz gleich.<br />

…<br />

Artikel 30<br />

1 Die Persönlichkeit und Freiheit jedes Bürgers der Deutschen Demokratischen<br />

Republik sind unantastbar.<br />

2 Einschränkungen sind nur im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen<br />

oder einer Heilbehandlung zulässig und müssen gesetzlich begründet sein.<br />

Dabei dürfen die Rechte solcher Bürger nur insoweit eingeschränkt werden,<br />

als dies gesetzlich zulässig und unumgänglich ist.<br />

…<br />

712


Dokumentenanhang<br />

Artikel 48<br />

1 Die Volkskammer ist das oberste staatliche Machtorgan der Deutschen<br />

Demokratischen Republik. Sie entscheidet in ihren Plenarsitzungen über die<br />

Grundfragen der Staatspolitik.<br />

2 Die Volkskammer ist das einzige verfassungs- und gesetzgebende Organ in der<br />

Deutschen Demokratischen Republik. Niemand kann ihre Rechte einschränken.<br />

…<br />

Artikel 86<br />

Die sozialistische Gesellschaft, die politische Macht des werktätigen Volkes,<br />

ihre Staats- und Rechtsordnung sind die grundlegende Garantie für die<br />

Einhaltung und die Verwirklichung der Verfassung im Geiste der<br />

Gerechtigkeit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Menschlichkeit.<br />

…<br />

Artikel 91<br />

Die allgemein anerkannten Normen des Völkerrechts über die Bestrafung<br />

von Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit und von<br />

Kriegsverbrechen sind unmittelbar geltendes Recht. Verbrechen dieser Art<br />

unterliegen nicht der Verjährung.<br />

…<br />

Artikel 96<br />

1 Die Richter, Schöffen und Mitglieder der gesellschaftlichen Gerichte sind<br />

in ihrer Rechtsprechung unabhängig. Sie sind nur an die Verfassung, die<br />

Gesetze und anderen Rechtsvorschriften der Deutschen Demokratischen<br />

Republik gebunden.<br />

2 Die Schöffen üben die Funktion eines Richters in vollem Umfang und mit<br />

gleichem Stimmrecht wie die Berufsrichter aus.<br />

…<br />

Artikel 99<br />

1 Die strafrechtliche Verantwortlichkeit wird durch die Gesetze der<br />

Deutschen Demokratischen Republik bestimmt.<br />

2 Eine Tat zieht strafrechtliche Verantwortlichkeit nur nach sich, wenn diese<br />

zur Zeit der Begehung der Tat gesetzlich festgelegt ist, wenn der Täter<br />

schuldhaft gehandelt hat und die Schuld zweifelsfrei nachgewiesen ist.<br />

Strafgesetze haben keine rückwirkende Kraft.<br />

3 Eine strafrechtliche Verfolgung ist nur in Übereinstimmung mit den<br />

Strafgesetzen möglich.<br />

4 Die Rechte des Bürgers dürfen im Zusammenhang mit einem Strafverfahren<br />

nur insoweit eingeschränkt werden, wie dies gesetzlich zulässig<br />

und unumgänglich ist.<br />

…<br />

713


10. ANHANG<br />

DIE VERFASSUNG DER DEUTSCHEN<br />

DEMOKRATISCHEN REPUBLIK<br />

7. Oktober 1949<br />

(GBl. Nr. I, S. 5)<br />

…<br />

Artikel 126<br />

Die ordentliche Gerichtsbarkeit wird durch den Obersten Gerichtshof der<br />

Republik und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.<br />

Artikel 133<br />

Die Verhandlungen vor den Gerichten sind öffentlich.<br />

Bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder der<br />

Sittlichkeit kann die Öffentlichkeit durch Gerichtsbeschluß ausgeschlossen<br />

werden.<br />

Artikel 134<br />

Kein Bürger darf seinen gesetzlichen Richtern entzogen werden. Ausnahmegerichte<br />

sind unstatthaft. Gerichte für besondere Sachgebiete können vom<br />

Gesetzgeber nur errichtet werden, wenn sie für im voraus und allgemein<br />

bezeichnete Personengruppen oder Streitgegenstände zuständig sein sollen.<br />

Artikel 135<br />

Strafen dürfen nur verhängt werden, wenn sie zur Zeit der Tat gesetzlich<br />

angedroht sind.<br />

Kein Strafgesetz hat rückwirkende Kraft.<br />

Ausgenommen sind Maßnahmen und die Anwendung von Bestimmungen,<br />

die zur Überwindung des Nazismus, des Faschismus und des Militarismus<br />

getroffen werden oder die zur Ahndung von Verbrechen gegen die<br />

Menschlichkeit notwendig sind.<br />

Artikel 136<br />

Bei vorläufigen Festnahmen, Hausdurchsuchungen sowie Beschlagnahmen<br />

im Ermittlungsverfahren ist die richterliche Bestätigung unverzüglich einzuholen.<br />

Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der<br />

Richter zu entscheiden. Verhaftete sind spätestens am Tage nach dem<br />

Ergreifen dem Richter vorzuführen. Wird von ihm die Untersuchungshaft<br />

angeordnet, so hat er in regelmäßigen Abständen zu prüfen, ob ihre Fortdauer<br />

gerechtfertigt ist.<br />

Der Grund der Verhaftung ist dem Festgenommenen bei der ersten richter-<br />

714


Dokumentenanhang<br />

lichen Vernehmung zu eröffnen und auf seinen Wunsch einer von ihm<br />

benannten Person innerhalb weiterer 24 Stunden mitzuteilen.<br />

…<br />

Aus dem Befehl Nr. 101/71 des Ministers für Nationale<br />

Verteidigung, Armeegeneral Hoffmann, für das Ausbildungsjahr<br />

1971/72 und 1972/73 vom 30. September 1971<br />

Zur Verwirklichung der vom VIII. Parteitag und vom Zentralkomitee der<br />

Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands sowie von der Staatsführung der<br />

Deutschen Demokratischen Republik gefaßten Beschlüsse über die sozialistische<br />

Landesverteidigung<br />

BEPEHLE ICH<br />

1. Die militärische Hauptaufgabe der Nationalen Volksarmee besteht darin,<br />

die Staatsgrenze, das Territorium, den Luftraum und das Küstenvorfeld der<br />

Deutschen Demokratischen Republik sowie die verbündeten sozialistischen<br />

Staaten gemeinsam mit der Sowjetarmee und den anderen Bruderarmeen<br />

des Warschauer Vertrages zuverlässig zu schützen.<br />

Im Falle der Entfesselung einer Aggression durch den Gegner ist dieser kühn<br />

und entschlossen auf seinem Territorium zu vernichten.<br />

Das erfordert, die Kampfkraft, Gefechts- und Mobilmachungsbereitschaft<br />

der Führungsorgane, Verbände, Truppenteile, Wehrkommandos, Einheiten<br />

und Einrichtungen der Nationalen Volksarmee ununterbrochen zu gewährleisten<br />

und weiter zu vervollkommnen.<br />

2. Die Hauptaufgabe der Grenztruppen besteht in der ununterbrochenen<br />

und zuverlässigen Sicherung der Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen<br />

Republik unter allen Lagebedingungen.<br />

(1) Die Unantastbarkeit der Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen<br />

Republik ist jederzeit zu wahren. Grenzdurchbrüche sind nicht zuzulassen.<br />

Die Sicherheit und Ordnung an den Grenzübergangsstellen, im Grenzgebiet<br />

sowie in den Grenz- und Territorialgewässern der Deutschen Demokratischen<br />

Republik ist ständig zu gewährleisten.<br />

(2) Die Ausdehnung provokatorischer Handlungen des Gegners auf das<br />

Territorium bzw. die Territorialgewässer der Deutschen Demokratischen<br />

Republik ist nicht zuzulassen.<br />

In das Grenzgebiet der Deutschen Demokratischen Republik eingedrungene<br />

gegnerische Kräfte sind durch die Grenztruppen selbständig oder im<br />

715


10. ANHANG<br />

Zusammenwirken mit den bewaffneten Kräften der Grenzbezirke und -kreise<br />

festzunehmen bzw. zu vernichten.<br />

(3) Im Falle einer Aggression des Gegners haben die Grenztruppen schnell<br />

und organisiert zur gefechtsmäßigen Grenzsicherung überzugehen. Durch<br />

aktive Gefechtshandlungen ist die organisierte Heranführung und<br />

Entfaltung der Vorauseinheiten der Landstreitkräfte zu sichern.<br />

3. Zur Gewährleistung der Erfüllung der Hauptaufgabe sind<br />

- die Kampfkraft und die Gefechtsbereitschaft der Verbände, Truppenteile,<br />

Einheiten und Einrichtungen der Grenztruppen zu erhöhen;<br />

- die taktischen Handlungen zur Sicherung der Staatsgrenze zielstrebig<br />

weiterzuentwickeln, die Effektivität der Kräfte und Mittel weiter zu erhöhen<br />

und die Grenzsicherung in ihrer Komplexität zu vervollkommnen;<br />

- die Grenztruppen in wachsendem Maße zu befähigen, Gefechtsaufgaben<br />

im Rahmen der gefechtsmäßigen Grenzsicherung selbständig und im<br />

Zusammenwirken mit den Landstreitkräften sowie den bewaffneten<br />

Kräften der Grenzbezirke und -kreise zu erfüllen.<br />

Alle Anstrengungen bei der weiteren Entwicklung der Grenztruppen sind<br />

auf die ununterbrochene zuverlässige Gewährleistung einer standhaften und<br />

effektiven Grenzsicherung zu richten.<br />

4. (1) Die Stäbe und Truppen sind weiter zu befähigen, unter allen<br />

Lagebedingungen unverzüglich zur gefechtsmäßigen Grenzsicherung überzugehen<br />

sowie entschlossene und aktive Gefechtshandlungen aufzunehmen.<br />

…<br />

(Der Befehl 80/72 von Generalleutnant Erich Peter, Stellvertreter des Ministers und Chef<br />

der Grenztruppen der DDR, vom 17. Oktober 1972: „Über die Aufgaben der<br />

Grenztruppen zur Sicherung der Staatsgrenze im Ausbildungsjahr 1972/73“ zur<br />

Durchsetzung des Befehls Nr. 101/71 und der Direktive des Ministers für Nationale<br />

Verteidigung über die politische Arbeit in der Nationalen Volksarmee und der Befehl<br />

40/72 von Generalmajor Bernhard Geier, Kommandeur des Grenzkommandos Mitte,<br />

vom 2. November 1972: „Über die Aufgaben des Grenzkommandos Mitte zur Sicherung<br />

der Staatsgrenze im Ausbildungsjahr 1972/73“, die in diesem Buch angeführt werden, enthalten<br />

der Befehlshierarchie entsprechend die gleichen Aufgabenstellungen.)<br />

716


Dokumentenanhang<br />

Der Grundlagenvertrag<br />

Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen<br />

der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen<br />

Demokratischen Republik<br />

(Dokumentenband des MfAA der DDR — Für Entspannung und dauerhaften<br />

Frieden in Europa, Staatsverlag der DDR, Berlin, 1976, S. 100)<br />

Die Hohen Vertragschließenden Seiten<br />

eingedenk ihrer Verantwortung für die Erhaltung des Friedens, in dem<br />

Bestreben, einen Beitrag zur Entspannung und Sicherheit in Europa zu leisten,<br />

in dem Bewußtsein, daß die Unverletzlichkeit der Grenzen und die<br />

Achtung der territorialen Integrität und der Souveränität aller Staaten in<br />

Europa in ihren gegenwärtigen Grenzen eine grundlegende Bedingung für<br />

den Frieden sind, in der Erkenntnis, daß sich daher die beiden deutschen<br />

Staaten in ihren Beziehungen der Androhung oder Anwendung von Gewalt<br />

zu enthalten haben, ausgehend von den historischen Gegebenheiten und<br />

unbeschadet der unterschiedlichen Auffassungen der Bundesrepublik<br />

Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zu grundsätzlichen<br />

Fragen, darunter zur nationalen Frage, geleitet von dem Wunsch, zum<br />

Wohle der Menschen in den beiden deutschen Staaten die Voraussetzungen<br />

für die Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der<br />

Deutschen Demokratischen Republik zu schaffen,<br />

sind wie folgt übereingekommen:<br />

Artikel 1<br />

Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik<br />

entwickeln normale gutnachbarliche Beziehungen zueinander auf der<br />

Grundlage der Gleichberechtigung.<br />

Artikel 2<br />

Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik<br />

werden sich von den Zielen und Prinzipien leiten lassen, die in der Charta<br />

der Vereinten Nationen niedergelegt sind, insbesondere der souveränen<br />

Gleichheit aller Staaten, der Achtung der Unabhängigkeit, Selbständigkeit<br />

und territorialen Integrität, dem Selbstbestimmungsrecht, der Wahrung der<br />

Menschenrechte und der Nichtdiskriminierung.<br />

Artikel 3<br />

Entsprechend der Charta der Vereinten Nationen werden die Bundesrepub-<br />

717


10. ANHANG<br />

lik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik ihre Streitfragen<br />

ausschließlich mit friedlichen Mitteln lösen und sich der Drohung mit<br />

Gewalt oder der Anwendung von Gewalt enthalten.<br />

Sie bekräftigen die Unverletzlichkeit der zwischen ihnen bestehenden<br />

Grenze jetzt und in der Zukunft und verpflichten sich zur uneingeschränkten<br />

Achtung ihrer territorialen Integrität.<br />

Artikel 4<br />

Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik<br />

gehen davon aus, daß keiner der beiden Staaten den anderen international<br />

vertreten oder in seinem Namen handeln kann.<br />

Artikel 5<br />

Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik<br />

werden friedliche Beziehungen zwischen den europäischen Staaten fördern<br />

und zur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa beitragen.<br />

Sie unterstützen die Bemühungen um eine Verminderung der Streitkräfte<br />

und Rüstungen in Europa, ohne daß dadurch Nachteile für die Sicherheit der<br />

Beteiligten entstehen dürfen.<br />

Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische<br />

Republik werden mit dem Ziel einer allgemeinen und vollständigen<br />

Abrüstung unter wirksamer internationaler Kontrolle der internationalen<br />

Sicherheit dienende Bemühungen um Rüstungsbegrenzung und Abrüstung,<br />

insbesondere auf dem Gebiet der Kernwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen,<br />

unterstützen.<br />

Artikel 6<br />

Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik<br />

gehen von dem Grundsatz aus, daß die Hoheitsgewalt jedes der beiden<br />

Staaten sich auf sein Staatsgebiet beschränkt. Sie respektieren die<br />

Unabhängigkeit und Selbständigkeit jedes der beiden Staaten in seinen inneren<br />

und äußeren Angelegenheiten.<br />

Artikel 7<br />

Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische<br />

Republik erklären ihre Bereitschaft, im Zuge der Normalisierung ihrer<br />

Beziehungen praktische und humanitäre Fragen zu regeln. Sie werden<br />

Abkommen schließen, um auf der Grundlage dieses Vertrages und zum beiderseitigen<br />

Vorteil die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wirtschaft, der<br />

Wissenschaft und Technik, des Verkehrs, des Rechtsverkehrs, des Post- und<br />

718


Fernmeldewesens, des Gesundheitswesens, der Kultur, des Sports, des<br />

Umweltschutzes und auf anderen Gebieten zu entwickeln und zu fördern.<br />

Einzelheiten sind in dem Zusatzprotokoll geregelt.<br />

Artikel 8<br />

Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik<br />

werden ständige Vertretungen austauschen. Sie werden am Sitz der jeweiligen<br />

Regierung errichtet.<br />

Die praktischen Fragen, die mit der Einrichtung der Vertretungen zusammenhängen,<br />

werden zusätzlich geregelt.<br />

Artikel 9<br />

Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik<br />

stimmen darin überein, daß durch diesen Vertrag die von ihnen früher<br />

abgeschlossenen oder sie betreffenden zweiseitigen und mehrseitigen internationalen<br />

Verträge und Vereinbarungen nicht berührt werden.<br />

Artikel 10<br />

Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation und tritt am Tage nach dem<br />

Austausch entsprechender Noten in Kraft. *<br />

Zu URKUND DESSEN haben die Bevollmächtigten der Hohen Vertragschließenden<br />

Seiten diesen Vertrag unterzeichnet.<br />

GESCHEHEN in Berlin, am 21. Dezember 1972, in zwei Urschriften in deutscher<br />

Sprache.<br />

Für die Bundesrepublik Deutschland<br />

Egon Bahr<br />

Für die Deutsche Demokratische Republik<br />

Michael Kohl<br />

Dokumentenanhang<br />

* Der Notenaustausch fand am 20. Juni 1971 In Bonn statt. Der Vertrag trat somit am<br />

21. Juni 1973 in Kraft.<br />

719


10. ANHANG<br />

Gesetz über die Staatsgrenze der Deutschen<br />

Demokratischen Republik<br />

(Grenzgesetz)<br />

vom 25. März 1982<br />

(GBl. I, Nr. 11, S. 203)<br />

Die strikte Achtung und Einhaltung der allgemein anerkannten Prinzipien<br />

des Völkerrechts, darunter die Achtung der Souveränität, der Unverletzlichkeit<br />

der Staatsgrenzen, der territorialen Integrität und der Nichteinmischung<br />

in die inneren Angelegenheiten, ist eine wesentliche Vorraussetzung für die<br />

Entwicklung gutnachbarlicher Beziehungen, der Sicherheit und Zusammenarbeit<br />

zwischen den Staaten und die entscheidende Grundlage einer stabilen<br />

Friedensordnung.<br />

In Wahrnehmung ihrer souveränen Rechte gestaltet die Deutsche Demokratische<br />

Republik ihre Beziehungen in Grenzangelegenheiten mit den<br />

benachbarten Staaten in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht und organisiert<br />

den Schutz der Staatsgrenze einschließlich des Luftraumes und der<br />

Territorialgewässer.<br />

Zu diesem Zwecke beschließt die Volkskammer auf der Grundlage der<br />

Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik das folgende Gesetz:<br />

…<br />

§ 1 Hoheitsgebiet<br />

Das Hoheitsgebiet der Deutschen Demokratischen Republik umfasst das<br />

Festlandgebiet einschließlich des Erdinneren und der Binnengewässer<br />

(Flüsse, Kanäle, Seen, Staubecken), die inneren Seegewässer, die Territorialgewässer<br />

und den Grund und Untergrund dieser Gewässer sowie den<br />

Luftraum über dem gesamten Festlandgebiet und allen Gewässern.<br />

…<br />

§ 9 Allgemeine Bestimmungen<br />

(1) Die Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik darf grundsätzlich<br />

nur über die Grenzübergangsstellen oder an anderen in völkerrechtlichen<br />

Verträgen festgelegten Stellen und mit den erforderlichen Dokumenten<br />

passiert werden.<br />

(2) Der grenzüberschreitende Eisenbahn-, See-, Binnenschiffs-, Luft-, Kraftfahrzeug-<br />

und Personenverkehr, der internationale Post- und Fernmeldeverkehr,<br />

die Überleitung von gasförmigen und flüssigen Stoffen und Elektroenergie über<br />

die Staatsgrenze sowie der Bau, die Wartung und die Instandsetzung dazugehörender<br />

Anlagen und Einrichtungen an der Staatsgrenze erfolgt auf der<br />

Grundlage völkerrechtlicher Verträge und Rechtsvorschriften.<br />

720


Dokumentenanhang<br />

(3) Der unberechtigte Austausch von Gegenständen sowie die unberechtigte<br />

Aufnahme anderer Verbindungen über die Staatsgrenze sind verboten.<br />

…<br />

§ 17 Grenzverletzungen<br />

Grenzverletzungen im Sinne dieses Gesetzes sind alle Handlungen, die<br />

gegen die Unverletzlichkeit der Staatsgrenze oder die territoriale Integrität<br />

der Deutschen Demokratischen Republik gerichtet sind, sowie Handlungen,<br />

die das Hoheitsgebiet oder den Verlauf der Staatsgrenze der Deutschen<br />

Demokratischen Republik beeinträchtigen. Dazu gehören:<br />

a) das Schießen oder Werfen von Gegenständen über die Staatsgrenze,<br />

b) das widerrechtliche Passieren der Staatsgrenze,<br />

c) das widerrechtliche Eindringen in die See- oder Grenzgewässer oder das<br />

widerrechtliche Verlassen der See- oder Grenzgewässer,<br />

d) die Verletzung der Bestimmungen über das Ein- oder Auslaufen, den<br />

Aufenthalt oder das Durchfahren der See- oder Grenzgewässer,<br />

e) das Vortäuschen eines Notfalles durch Wasser- oder Luftfahrzeuge zum<br />

Zwecke des Aufenthaltes im Hoheitsgebiet,<br />

f) der widerrechtliche Ein- oder Ausflug über die Staatsgrenze sowie die<br />

Nichteinhaltung der zugewiesenen Flugstrecken und -höhen oder der<br />

Weisungen des Flugsicherungsdienstes,<br />

g) die Beschädigung oder Zerstörung der zur Sicherung der Staatsgrenzen<br />

errichteten Anlagen,<br />

h) die widerrechtliche Entfernung oder Verlegung oder die Beschädigung<br />

oder Zerstörung der Grenzmarkierung oder anderer Kennzeichen der<br />

Staatsgrenze oder<br />

i) die Durchführung land-, forst-, wasserwirtschaftlicher oder anderer<br />

Arbeiten oder Maßnahmen entgegen den entsprechenden völkerrechtlichen<br />

Verträgen.<br />

§ 18 Pflichten der staatlichen Organe<br />

(1) Die Schutz- und Sicherheitsorgane und die anderen zuständigen staatlichen<br />

Organe haben in enger Zusammenarbeit die erforderlichen Maßnahmen<br />

zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in den Grenzgebieten<br />

und den Seegewässern, des grenzüberschreitenden Verkehrs und zur Durchsetzung<br />

der Rechtsvorschriften zu treffen.<br />

(2) Die Grenztruppen der Deutschen Demokratischen Republik (nachfolgend<br />

Grenztruppen der DDR genannt) haben alle erforderlichen Maßnahmen<br />

zum zuverlässigen Schutz der Staatsgrenze zu treffen und im engen<br />

Zusammenwirken mit den anderen Schutz- und Sicherheitsorganen die territoriale<br />

Integrität der Deutschen Demokratischen Republik und die Unver-<br />

721


10. ANHANG<br />

letzlichkeit ihrer Staatsgrenze einschließlich ihres Luftraumes und der<br />

Territorialgewässer zu gewährleisten.<br />

(3) Die Abgrenzung der Verantwortung der Schutz- und Sicherheitsorgane<br />

beim Schutz der Staatsgrenze legt der Nationale Verteidigungsrat der<br />

Deutschen Demokratischen Republik fest.<br />

…<br />

§ 21 Recht zum Betreten<br />

Die Angehörigen der Grenztruppen der DDR haben das Recht, zur<br />

Beseitigung eines im erheblichen Maße die Sicherheit und Ordnung im<br />

Grenzgebiet und in den Seegewässern gefährdenden oder störenden Zustandes<br />

Grundstücke,Wohnungen, andere Räume oder Fahrzeuge zu betreten.<br />

…<br />

§ 26 Durchsetzung von Maßnahmen der Grenztruppen der DDR<br />

(1) Wird den Angehörigen der Grenztruppen der DDR bei der Ausübung<br />

ihrer Befugnisse Widerstand entgegengesetzt oder werden die von ihnen auf<br />

der Grundlage dieses Gesetzes oder der zu seiner Durchführung erlassenen<br />

Rechtsvorschriften angeordneten Maßnahmen behindert oder nicht befolgt,<br />

ist die körperliche Einwirkung zulässig, wenn andere Mittel nicht ausreichen,<br />

um ernste Auswirkungen für die Sicherheit und Ordnung im Grenzgebiet zu<br />

verhindern.<br />

(2) Die Anwendung von Hilfsmitteln ist nur gestattet zur Abwehr von<br />

Gewalttätigkeiten, Verhinderung von Fluchtversuchen oder wenn die körperliche<br />

Einwirkung nicht zum Erfolg führt. Es sind dabei diejenigen Mittel<br />

anzuwenden, die im Verhältnis zur Art und Schwere der Rechtsverletzung<br />

und des Widerstandes stehen. Die körperliche Einwirkung und die Anwendung<br />

von Hilfsmitteln ist nur so lange zulässig, bis der Zweck der Maßnahme<br />

erreicht ist.<br />

§ 27 Anwendung von Schußwaffen<br />

(1) Die Anwendung der Schußwaffe ist die äußerste Maßnahme der Gewaltanwendung<br />

gegenüber Personen. Die Schußwaffe darf nur in solchen Fällen<br />

angewendet werden, wenn die körperliche Einwirkung ohne oder mit Hilfsmitteln<br />

erfolglos blieb oder offensichtlich keinen Erfolg verspricht. Die Anwendung<br />

von Schußwaffen gegen Personen ist erst dann zulässig, wenn durch<br />

Waffenwirkung gegen Sachen oder Tiere der Zweck nicht erreicht wird.<br />

(2) Die Anwendung der Schußwaffe ist gerechtfertigt, um die unmittelbar<br />

bevorstehende Ausführung oder die Fortsetzung einer Straftat zu verhindern,<br />

die sich den Umständen nach als ein Verbrechen darstellt. Sie ist auch<br />

gerechtfertigt zur Ergreifung von Personen, die eines Verbrechens dringend<br />

verdächtig sind.<br />

722


Dokumentenanhang<br />

(3) Die Anwendung der Schußwaffe ist grundsätzlich durch Zuruf oder<br />

Abgabe eines Warnschusses anzukündigen, sofern nicht eine unmittelbar<br />

bevorstehende Gefahr nur durch die gezielte Anwendung der Schußwaffe<br />

verhindert oder beseitigt werden kann.<br />

(4) Die Schußwaffe ist nicht anzuwenden, wenn<br />

a) das Leben oder die Gesundheit Unbeteiligter gefährdet werden können,<br />

b) die Personen dem äußeren Eindruck nach im Kindesalter sind oder<br />

c) das Hoheitsgebiet eines benachbarten Staates beschossen würde.<br />

Gegen Jugendliche und weibliche Personen sind nach Möglichkeit<br />

Schußwaffen nicht anzuwenden.<br />

(5) Bei der Anwendung der Schußwaffe ist das Leben von Personen nach<br />

Möglichkeit zu schonen. Verletzten ist unter Beachtung der notwendigen<br />

Sicherheitsmaßnahmen Erste Hilfe zu erweisen.<br />

…<br />

Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher<br />

Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes<br />

(UZwG)<br />

Vom 10. März 1961, idF. vom 29. Oktober 2001<br />

(BGBl. I, Nr. 14, S. 165)<br />

…<br />

§ 9 Zum Gebrauch von Schußwaffen Berechtigte<br />

Bei Anwendung unmittelbaren Zwanges ist der Gebrauch von Schußwaffen<br />

nur gestattet<br />

1. den Polizeivollzugsbeamten des Bundes (§ 1 Bundespolizeibeamtengesetzes<br />

vom 19. Juli 1960 — BGBI. I, S. 569);<br />

2. den Beamten des Grenzaufsichtsdienstes und denen des Grenzabfertigungsdienstes,<br />

wenn sie Grenzaufsichtsdienst verrichten, des Zollfahndungsdienstes<br />

und des Bewachungs- und Begleitdienstes;<br />

3. (aufgehoben)<br />

4. den Beamten der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes mit<br />

strom- und schiffahrtspolizeilichen Befugnissen nach näherer Anweisung des<br />

Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen;<br />

…<br />

§ 11 Schußwaffengebrauch im Grenzdienst<br />

(1) Die in § 9 Nr. 1, 2, 7 und 8 genannten Vollzugsbeamten können im<br />

Grenzdienst Schußwaffen auch gegen Personen gebrauchen, die sich der<br />

wiederholten Weisung, zu halten oder die Überprüfung ihrer Person oder der<br />

723


10. ANHANG<br />

etwa mitgeführten Beförderungsmittel und Gegenstände zu dulden, durch<br />

die Flucht zu entziehen versuchen. Ist anzunehmen, daß die mündliche<br />

Weisung nicht verstanden wird, so kann sie durch einen Warnschuß ersetzt<br />

werden.<br />

(2) Als Grenzdienst gilt auch die Durchführung von Bundes- und Landesaufgaben,<br />

die den in Absatz 1 bezeichneten Personen im Zusammenhang mit<br />

dem Grenzdienst übertragen sind.<br />

§ 12 Besondere Vorschriften für den Schußwaffengebrauch<br />

(1) Schußwaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen<br />

des unmittelbaren Zwanges erfolglos angewendet sind oder offensichtlich<br />

keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig,<br />

wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht wird.<br />

(2) Der Zweck des Schußwaffengebrauchs darf nur sein, angriffs- oder<br />

fluchtunfähig zu machen. Es ist verboten zu schießen, wenn durch den<br />

Schußwaffengebrauch für die Vollzugsbeamten erkennbar Unbeteiligte mit<br />

hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet werden, außer wenn es sich beim<br />

Einschreiten gegen eine Menschenmenge (§ 10 Abs. 2) nicht vermeiden lässt.<br />

(3) Gegen Personen, die sich dem äußeren Eindruck nach im Kindesalter<br />

befinden, dürfen Schusswaffen nicht gebraucht werden.<br />

…<br />

Strafprozessordnung — (StPO)<br />

Vom 1. Februar 1877 (RGBl. S. 253)<br />

IdF. der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGB1. I, S. 1074, ber. S. 1319)<br />

zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung<br />

vom 15. Februar 2002 (BGBl. I, S. 682)<br />

…<br />

§ 160 [Aufgaben der Staatsanwaltschaft]<br />

(1) Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem<br />

Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie zu ihrer<br />

Entschließung darüber, ob die öffentliche KIage zu erheben ist, den Sachverhalt<br />

zu erforschen.<br />

(2) Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur die zur Belastung, sondern auch die<br />

zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln und für die Erhebung der<br />

Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust zu besorgen ist.<br />

(3) Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sollen sich auch auf die<br />

Umstände erstrecken, die für die Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat von<br />

724


Dokumentenanhang<br />

Bedeutung sind. Dazu kann sie sich der Gerichtshilfe bedienen.<br />

…<br />

§ 244 [Beweisaufnahme]<br />

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.<br />

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von<br />

Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die<br />

Entscheidung von Bedeutung sind.<br />

…<br />

§ 261 [Freie Beweiswürdigung]<br />

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner<br />

freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.<br />

…<br />

§ 273 [Beurkundung der Hauptverhandlung]<br />

(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung<br />

im wesentlichen wiedergeben und die Beobachtung aller wesentlichen<br />

Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen<br />

Schriftstücke oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen<br />

worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die<br />

ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten.<br />

(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht<br />

sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in<br />

das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung<br />

Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein<br />

Rechtsmittel eingelegt wird.<br />

(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung<br />

oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der<br />

Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung<br />

beteiligten Person die vollständige Niederschreibung und Verlesung anzuordnen.<br />

Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag<br />

einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll<br />

ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt<br />

ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.<br />

(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt<br />

werden.<br />

…<br />

725


10. ANHANG<br />

Grundgesetz<br />

für die Bundesrepublik Deutschland<br />

Vom 23. Mai 1949 (BGBl. I, S. 1)<br />

zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes<br />

(Artikel 96) vom 26. Juli 2002 (BGBl. I, S. 2863)<br />

…<br />

I. Die Grundrechte<br />

Artikel 1<br />

[Menschenwürde - Menschenrechte - Rechtsverbindlichkeit der Grundrechte]<br />

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen<br />

ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.<br />

…<br />

Artikel 2<br />

[Persönliche Freiheitsrechte]<br />

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit<br />

er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige<br />

Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.<br />

…<br />

Artikel 3<br />

[Gleichheit vor dem Gesetz]<br />

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.<br />

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche<br />

Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und<br />

wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.<br />

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner<br />

Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner<br />

religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.<br />

Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.<br />

…<br />

Artikel 103<br />

[Grundrechte vor Gericht]<br />

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.<br />

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich<br />

bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.<br />

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen<br />

Strafgesetze mehrmals bestraft werden.<br />

…<br />

726


Dokumentenanhang<br />

Vertrag<br />

zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der<br />

Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung<br />

der Einheit Deutschlands<br />

- Einigungsvertrag -<br />

Vom 31. 8. 1990 (BGBl. II, S. 889)<br />

…<br />

Abschnitt II<br />

Bundesrecht wird wie folgt aufgehoben, geändert oder ergänzt:<br />

…<br />

b) Artikel 315 EGStGB erhält folgende Fassung:<br />

„Art. 315 Geltung des Strafrechts für in der Deutschen Demokratischen<br />

Republik begangene Taten. (1) Auf vor dem Wirksamwerden des Beitritts in<br />

der Deutschen Demokratischen Republik begangene Straftaten findet § 2<br />

des Strafgesetzbuches mit der Maßgabe Anwendung, daß das Gericht von<br />

Strafe absieht, wenn nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht der<br />

Deutschen Demokratischen Republik weder eine Freiheitsstrafe noch eine<br />

Verurteilung auf Bewährung, noch eine Geldstrafe verwirkt gewesen wäre.<br />

Neben der Freiheitsstrafe werden die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung<br />

sowie die Führungsaufsicht nach § 68 Abs. 1 des Strafgesetzbuches<br />

nicht angeordnet.Wegen einer Tat, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts<br />

begangen worden ist, tritt Führungsaufsicht nach § 68 f des Strafgesetzbuches<br />

nicht ein.<br />

(2) Die Vorschriften des Strafgesetzbuches über die Geldstrafe (§§ 40 bis 43)<br />

gelten auch für die vor dem Wirksamwerden des Beitritts in der Deutschen<br />

Demokratischen Republik begangenen Taten, soweit nachfolgend nichts<br />

anderes bestimmt ist. Die Geldstrafe darf nach Zahl und Höhe der Tagessätze<br />

insgesamt das Höchstmaß der bisher angedrohten Geldstrafe nicht übersteigen.<br />

Es dürfen höchstens dreihundertsechzig Tagessätze verhängt werden.<br />

(3) Die Vorschriften des Strafgesetzbuches über die Aussetzung eines<br />

Strafrestes sowie den Widerruf ausgesetzter Strafen finden auf Verurteilungen<br />

auf Bewährung (§ 33 des Strafgesetzbuches der Deutschen<br />

Demokratischen Republik) sowie auf Freiheitsstrafen Anwendung, die wegen<br />

vor dem Wirksamwerden des Beitritts in der Deutschen Demokratischen<br />

Republik begangener Taten verhängt worden sind, soweit sich nicht aus den<br />

Grundsätzen des § 2 Abs. 3 des Strafgesetzbuches etwas anderes ergibt.<br />

(4) Die Absätze 1 bis 3 finden keine Anwendung, soweit für die Tat das<br />

Strafrecht der Bundesrepublik Deutschland schon vor dem Wirksamwerden<br />

des Beitritts gegolten hat.“<br />

727


10. ANHANG<br />

c) Nach Artikel 315 werden folgende Artikel 315a bis 315 c eingefügt:<br />

„Art. 315 a Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung für in der Deutschen<br />

Demokratischen Republik verfolgte und abgeurteilte Taten. Soweit die<br />

Verjährung der Verfolgung oder der Vollstreckung nach dem Recht der<br />

Deutschen Demokratischen Republik bis zum Wirksamwerden des Beitritts<br />

nicht eingetreten war, bleibt es dabei. Die Verfolgungsverjährung gilt als am<br />

Tag des Wirksamwerdens des Beitritts unterbrochen; § 78 c Abs. 3 des<br />

Strafgesetzbuches bleibt unberührt.<br />

Art. 315b Strafantrag bei in der Deutschen Demokratischen Republik begangenen<br />

Taten. Die Vorschriften des Strafgesetzbuches über den Strafantrag<br />

gelten auch für die vor dem Wirksamwerden des Beitritts in der Deutschen<br />

Demokratischen Republik begangenen Taten. War nach dem Recht der<br />

Deutschen Demokratischen Republik zur Verfolgung ein Antrag erforderlich,<br />

so bleibt es dabei. Ein vor dem Wirksamwerden des Beitritts gestellter<br />

Antrag bleibt wirksam. War am Tag des Wirksamwerdens des Beitritts das<br />

Recht, einen Strafantrag zu stellen, nach dem bisherigen Recht der Deutschen<br />

Demokratischen Republik bereits erloschen, so bleibt es dabei. Ist die Tat<br />

nach den Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland nur auf Antrag verfolgbar,<br />

so endet die Antragsfrist frühestens am 31. Dezember 1990.<br />

Art. 315 c Anpassung der Strafdrohungen. Soweit Straftatbestände der<br />

Deutschen Demokratischen Republik fortgelten, treten an die Stelle der bisherigen<br />

Strafdrohungen die im Strafgesetzbuch vorgesehenen<br />

Strafdrohungen der Freiheitsstrafe und der Geldstrafe. Die übrigen<br />

Strafdrohungen entfallen. § 10 Satz 2 des 6. Strafrechtsänderungsgesetzes der<br />

Deutschen Demokratischen Republik bleibt jedoch unberührt. Die<br />

Geldstrafe darf nach Art und Höhe der Tagessatze insgesamt das Höchstmaß<br />

der bisher angedrohten Geldstrafe nicht übersteigen. Es dürfen höchstens<br />

dreihundertsechzig Tagessätze verhängt werden.“<br />

Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch<br />

(EGStGB)<br />

Vom 2. März 1974 (BGBl. I, S. 469, 1975 S. 1916, 1976 S. 507)<br />

(BGBl. III, 450-16)<br />

zuletzt geändert durch Gesetz zur Einführung des Euro in Rechtspflegegesetzen<br />

und in Gesetzen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts,<br />

zur Änderung der Mahnvordruckverordnungen sowie zur Änderung weiterer<br />

Gesetze vom 13. Dezember 2001 (BGBI. I, S. 3574, 3578)<br />

…<br />

(2) Die Verfolgung von Taten, die in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages<br />

728


Dokumentenanhang<br />

genannten Gebiet begangen worden sind und die im Höchstmaß mit<br />

Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind, verjährt<br />

frühestens mit Ablauf des 2. Oktober 2000, die Verfolgung der in diesem<br />

Gebiet vor Ablauf des 2. Oktober 2000 begangenen und im Höchstmaß<br />

mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bedrohten Taten<br />

frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 1995.<br />

(3) Verbrechen, die den Tatbestand des Mordes (§ 211 des<br />

Strafgesetzbuches) erfüllen, für welche sich die Strafe jedoch nach dem<br />

Recht der Deutschen Demokratischen Republik bestimmt, verjähren nicht.<br />

40 Jahre SED-Unrecht Eine Herausforderung<br />

für den Rechtsstaat<br />

Erstes Forum des Bundesministers der Justiz am<br />

9. Juli 1991 in Bonn<br />

(Sonderheft ZG, 1991, S. 41)<br />

Aus der Diskussion:<br />

Enno v. Loewenstern<br />

…<br />

Wenn Sie die Tat eines Mörders untersuchen, bekommen Sie mit der<br />

Urteilsbegründung zugleich ein Stück Zeitgeschichte. Aber zunächst einmal<br />

ist klar, daß hier keine „singuläre“ Situation vorliegt, sondern daß wir das<br />

schon ein paarmal durchexerziert haben, vor allem im eigenen Land. Wir<br />

haben kein Problem damit gehabt, Nazi-Mörder vor Gericht zu stellen. Es<br />

werden seltsamerweise immer die Nürnberger Prozesse herangezogen, als ob<br />

diese besondere Rechtslage hier eine Rolle spielt. Der Herr Schwammberger<br />

ist nicht unter Nürnberger Recht angeklagt, sondern unter den §§ 122 ff.<br />

Genau das gilt auch für die DDR-Verbrechen. Dabei haben wir, was den<br />

Nazi-Staat betrifft, immerhin das Rechtsproblem gehabt, daß dieser ein eigener<br />

Rechtskreis war mit Wirkung vom 31. Januar 1933 oder spätestens nach<br />

dem Reichstagsbrand, und daß nachträglich ein neuer Rechtsstaat geschaffen<br />

wurde, der sein Recht auf die Verhältnisse des Nazi-Staats anwendet.<br />

Aber niemand hat die Ansicht vertreten, gegenüber NS-Verbrechen solle das<br />

damalige Recht gelten. Die gesamte Staatsrechtslehre ist sich einig, daß das<br />

geltende Recht des Nazi-Staats der sogenannte Wille des Führers war. Herr<br />

Schwammberger wird nicht angeklagt, weil er gegen das Recht des NS-Staats<br />

verstoßen, sondern weil er sich gegen das zivilisierte rechtsstaatliche Recht<br />

schlechthin vergangen hat.<br />

Was aber die sogenannte DDR und deren Regierung betrifft, so handelt es<br />

729


10. ANHANG<br />

sich dort nicht einmal um einen eigenständigen Staat; diese sogenannte DDR<br />

ist niemals von uns staatsrechtlich anerkannt worden. Es gab ein einheitliches<br />

Deutschland, von dem ein gewisser Teil von einer Verbrecherbande<br />

besetzt war. Es war aus bestimmten Gründen nicht möglich, gegen diese<br />

Verbrecherbande vorzugehen, aber das ändert nichts daran, daß es ein einheitliches<br />

Deutschland war, dass selbstverständlich ein einheitliches deutsches<br />

Recht dort galt und auf die Verbrecher wartete und daß Salzgitter<br />

sozusagen das Symbol dieses Sachverhalts war.“<br />

…<br />

Begrüßungsansprache des Bundesministers der Justiz<br />

Dr. Klaus Kinkel vor dem 15. Deutschen Richtertag am<br />

23. September 1991 in Köln<br />

(DRiZ, Heft 1/1992, S. 4)<br />

…<br />

„Wir hatten das Glück und die Chance, nach 1945 unser Land wirtschaftlich,<br />

den Rechtsstaat in Freiheit aufbauen zu können.<br />

Sie, meine Damen und Herren, haben als Richter und Staatsanwälte bei dem<br />

was noch auf uns zukommt, eine ganz besondere Aufgabe. Es wird sehr darauf<br />

ankommen, wie die in allen Rechtsbereichen auf die Gerichte zukommenden<br />

Fragen behandelt werden, ob es vor allem auch gelingen wird, die<br />

für die Einheit so wichtige Akzeptanz der gerichtlichen Entscheidungen bei<br />

den Menschen zu erreichen. Davon hängt ab, ob der Rechtsstaat in den<br />

Augen der Bevölkerung in der Lage ist, mit dem fertig zu werden, was uns<br />

das vierzigjährige Unrechtsregime in der früheren DDR hinterlassen hat.<br />

Und in manchem müssen wir sehr aufpassen, daß uns nicht wieder später<br />

gesagt werden muß, wir hätten verdrängt, versagt, zu spät gehandelt. Ich weiß<br />

sehr wohl, daß die Gerichte nicht allein leisten können, was aufzuarbeiten ist.<br />

Aber einen wesentlichen Teil müssen Sie leisten, alternativlos. Ich baue auf<br />

die deutsche Justiz. Es muß gelingen, das SED-System zu delegitimieren, das<br />

bis zum bitteren Ende seine Rechtfertigung aus antifaschistischer Gesinnung,<br />

angeblich höheren Werten und behaupteter absoluter Humanität hergeleitet<br />

hat, während es unter dem Deckmantel des Marxismus-Leninismus<br />

einen Staat aufbaute, der in weiten Bereichen genauso unmenschlich und<br />

schrecklich war wie das faschistische Deutschland, das man bekämpfte und<br />

— zu Recht — nie mehr wieder entstehen lassen wollte.<br />

Es muß gelingen, auch die schreckliche, STASI-Vergangenheit zu entmystifizieren,<br />

um die Menschen, angstfrei zu machen.<br />

Meine Damen und Herren! Bei Ihnen, den Richtern, liegt unter anderem die<br />

730


Dokumentenanhang<br />

Entscheidung über eine ganz wichtige Frage: die Verjährung im strafrechtlichen<br />

Bereich. Ich meine, daß wir für die vor uns liegenden schwierigen<br />

Prozesse keine weiteren Hindernisse aufbauen sollten. Politische Straftaten<br />

in der früheren DDR dürfen nicht verjähren. Die Entscheidung darüber liegt<br />

allein bei den Gerichten. In ihre Rechtsprechung habe ich großes Vertrauen.<br />

Der Gesetzgeber kann aus rechtsstaatlichen Gründen wegen des Problems<br />

der Rückwirkung nicht tätig werden.“<br />

…<br />

Wehrstrafgesetz<br />

(WstG)<br />

Vom 30. März 1957 (BGBI. I, S. 298)<br />

in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Mai 1974 (BGBl. I, S. 1213),<br />

(BGBl. III, 452-2), zuletzt geändert durch Sechstes Gesetz zur Reform des<br />

Strafrechts vom 26. Januar 1998 (BGBl. I, S. 164, 187)<br />

…<br />

§ 5 Handeln auf Befehl<br />

(1) Begeht ein Untergebener eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand<br />

eines Strafgesetzes verwirklicht, auf Befehl, so trifft ihn eine Schuld nur,<br />

wenn er erkennt, daß es sich um eine rechtswidrige Tat handelt oder dies<br />

nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist.<br />

(2) Ist die Schuld des Untergebenen mit Rücksicht auf die besondere Lage,<br />

in der er sich bei der Ausführung des Befehls befand, gering, so kann das<br />

Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern, bei<br />

Vergehen auch von Strafe absehen.<br />

…<br />

Gründungsaufruf<br />

der Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären<br />

Unterstützung e. V.<br />

(GRUHU)<br />

Die Nachkriegsperiode war durch Konfrontation der politischen Systeme charakterisiert.<br />

Es gab Opfer auf beiden Seiten und in beiden deutschen Staaten.<br />

Alle Opfer sind zu bedauern.<br />

Eine Politik der Siegermentalität und einseitiger Schuldzuweisung ist jedoch<br />

nicht geeignet, die Einheit Deutschlands zu vollenden.<br />

Verlierer in einem bewaffneten Krieg haben mehr Rechte als Bürger der<br />

ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, die durch Missachtung<br />

ihrer Rechte und Würde ihrer Persönlichkeit beraubt werden sollen. Dabei<br />

731


10. ANHANG<br />

haben wir uns alle — vom einfachen Bürger bis zum Regierungschef — in<br />

freier Selbstbestimmung mit der Bundesrepublik Deutschland verbunden,<br />

haben uns unter den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes begeben.<br />

Unter Verletzung des Völkerrechts, des Einigungsvertrages und des<br />

Grundgesetzes hat die Bundesrepublik Deutschland die massenhafte strafrechtliche<br />

Verfolgung von Bürgern der ehemaligen Deutschen Demokratischen<br />

Republik wegen deren verfassungsgemäßen Handelns eingeleitet.<br />

Bisherige Strafverfahren gegen Angehörige der Grenztruppen, anderer<br />

Staatsorgane, gegen Richter und Staatsanwälte beweisen, dass es sich bei den<br />

Verfahren um politische Prozesse handelt, die nachträglich gegen die<br />

Souveränität sowie Staats- und Rechtsordnung der Deutschen Demokratischen<br />

Republik gerichtet sind.<br />

Tausende Verfahren gegen Bürger, die staatliche oder gesellschaftliche<br />

Verantwortung wahrgenommen haben, sind anhängig bzw. geplant.<br />

Da gegenwärtig kein Ansatz zur Beendigung dieses Vorgehens zu erblicken<br />

ist, haben wir uns als Betroffene zusammengefunden, um in solidarischer<br />

Gemeinschaft Widerstand gegen Wort- und Verfassungsbruch, gegen<br />

Kriminalisierung und Demütigung, gegen Ausgrenzung und Verdammnis zu<br />

leisten, den Verfolgten und ihren Familien mit Rat und Tat Beistand zu leisten<br />

— wo immer dies erforderlich und gewünscht ist.<br />

Wir wollen Machtmissbrauch und Rechtsbeugung nicht tatenlos zusehen und<br />

Verletzungen von Menschenrechten und Menschenwürde öffentlich machen.<br />

Nicht Kriminalisierung eines Teils deutscher Geschichte und deren Träger,<br />

sondern Versöhnung und Ausgleich wäre eine konstruktive Politik zur<br />

Sicherung des inneren Friedens und Überwindung der unübersehbaren sozialen<br />

Spannungen.<br />

Die Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung e.V.<br />

(GRUHU) versteht sich als Teil der übergreifenden Gesellschaft zum Schutz<br />

von Bürgerrecht und Menschenwürde e. V. (GBM).<br />

Sie ist ohne Ansehen der Person oder politischen oder religiösen<br />

Auffassungen für alle Bürger offen, die in Übereinstimmung mit der Satzung<br />

für eine Beendigung der Politik der Verfolgung und Ausgrenzung, für gleiche<br />

Bürgerrechte und Menschenwürde eintreten.<br />

Berlin, den 19. Mai 1993<br />

Der Vorstand<br />

im Namen der Gründungsversammlung<br />

732


Dokumentenanhang<br />

Auszug aus dem MEMORANDUM DER BUNDESREGIERUNG<br />

vom 2. September 1956<br />

ZUR FRAGE DER WIEDERHERSTELLUNG DER<br />

DEUTSCHEN EINHEIT<br />

(übergeben am 7. September 1956 durch die Botschafter der<br />

Bundesrepublik in Moskau, Washington, Paris und London)<br />

Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung<br />

Bonn, den 8. Septenber 1956<br />

...<br />

14. Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß freie Wahlen in ganz<br />

Deutschland, wie Sie auch immer ausfallen mögen, nur den Sinn haben dürfen,<br />

das deutsche Volk zu einen und nicht zu entzweien. Die Errichtung eines<br />

neuen Regierungssystems darf daher in keinem Teile Deutschlands zu einer<br />

politischen Verfolgung der Anhänger des alten Systems führen. Aus diesem<br />

Grunde sollte nach Auffassung der Bundesregierung dafür Sorge getragen<br />

werden, daß nach der Wiedervereinigung Deutschlands niemand wegen seiner<br />

politischen Gesinnung oder nur weil er in Behörden oder politischen<br />

Organisationen eines Teils Deutschlands tätig gewesen ist, verfolgt wird.<br />

Strafgesetzbuch - ( StGB)<br />

Vom 15. Mai 1871 (RGBl., S.127) idFdB. vom<br />

13. November 1998 (BGBl. I, S.3322)<br />

§ 1 Keine Strafe ohne Gesetz<br />

Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich<br />

bestimmt war,bevor die Tat begangen wurde.<br />

§ 2 Zeitliche Geltung<br />

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das<br />

zur Zeit der Tat gilt.<br />

...<br />

§ 13 Begehen durch Unterlassen<br />

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines<br />

Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er<br />

rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das<br />

Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun<br />

entspricht.<br />

... Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.<br />

733


10. ANHANG<br />

...<br />

§ 17 Verbotsirrtum<br />

Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt<br />

er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte<br />

der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. l gemildert<br />

werden.<br />

...<br />

§ 234 a Verschleppung<br />

(1) Wer einen anderen durch List, Drohung oder Gewalt in ein Gebiet außerhalb<br />

des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes verbringt oder veranlaßt,<br />

sich dorthin zu begeben, oder davon abhält, von dort zurückzukehren,<br />

und dadurch der Gefahr aussetzt, aus politischen Gründen verfolgt zu werden<br />

und hierbei im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen durch<br />

Gewalt- oder Willkürmaßnahmen Schaden an Leib oder Leben zu erleiden,<br />

der Freiheit beraubt oder in seiner beruflichen oder wirtschaftlichen Stellung<br />

empfindlich beeinträchtigt zu werden, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter<br />

einem Jahr bestraft.<br />

...<br />

§ 339 Rechtsbeugung<br />

Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei<br />

der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum<br />

Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit<br />

Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.<br />

...<br />

§ 353d Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen<br />

Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer<br />

1. entgegen einem gesetzlichen Verbot über eine Gerichtsverhandlung, bei<br />

der die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, oder über den Inhalt eines die<br />

Sache betreffenden amtlichen Schriftstücks öffentlich eine Mitteilung macht,<br />

2. entgegen einer vom Gericht auf Grund eines Gesetzes auferlegten<br />

Schweigepflicht Tatsachen unbefugt offenbart, die durch eine nichtöffentliche<br />

Gerichtsverhandlung oder durch eine die Sache betreffendes amtliches<br />

Schriftstück zu seiner Kenntnis gelangt sind, oder<br />

3. die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens,<br />

eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz<br />

oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in<br />

öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen<br />

ist.<br />

...<br />

734

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