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Kanzlei- Informations- und Abrechnungssystem - BRAK-Mitteilungen

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218 Berufsrechtliche Rechtsprechung <strong>BRAK</strong>-Mitt. 5/2007<br />

künfte oder Einnahmen, auf die ein durchsetzbarer Anspruch<br />

besteht (s. insbes. Rechtssachen Van Marle u.a../.Niederlande,<br />

Urt. v.26.6.1986, Serie A, Bd. 101, S. 13, Rdnrn. 39–41, Wendenburg<br />

u.a../.Deutschland (Entsch.), Nr. 71630/01, CEDH<br />

2003-II, <strong>und</strong> Buzescu./.Rumänien, Nr. 61302/00, Rdnr. 81,<br />

24.5.2005).<br />

Anwendung des Art. 1<br />

auf Anwaltskanzleien<br />

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte<br />

Gleichwohl findet Art. 1auf RA-<br />

<strong>Kanzlei</strong>en <strong>und</strong> ihre Mandanten<br />

Anwendung, weil sie Einrichtungen<br />

von einem gewissen Wert<br />

darstellen. Da sie invieler Hin-<br />

sicht privatrechtlicher Natur sind, stellen sie einen Vermögenswert,<br />

also Eigentum i.S.v. Art. 1 Satz 1, dar (vorerwähnte<br />

Rechtssache VanMarle u.a., S.13, Rdnr. 41, Döring./.Deutschland<br />

[Entsch.], Nr. 37595/97, CEDH, 1999-VIII, vorerwähnte<br />

Rechtssachen Wendenburg u.a. <strong>und</strong> Buzescu, Rdnr. 81 in fine ).<br />

Im vorliegenden Fall räumt der Gerichtshof ein, dass der<br />

Widerruf der Zulassung des Bf., der seine RA-<strong>Kanzlei</strong> hat aufgeben<br />

müssen, zur Rechtsanwaltschaft zum Verlust eines Teils<br />

seiner Mandantschaft geführt hat, auch wenn die Berufung des<br />

Bf. zum ordentlichen Universitätsprofessor wahrscheinlich<br />

ohnehin einen Rückgang seiner Anwaltstätigkeit mit sich<br />

gebracht hätte. Somit liegt ein Eingriff in sein Recht auf Achtung<br />

seines Eigentums vor. Dieser Eingriff stellte eine Maßnahme<br />

zur Regelung der Eigentumsnutzung dar, die, wie der<br />

Gerichtshof in ähnlich gelagerten Fällen erkannt hat (s. insbes.<br />

vorerwähnte Rechtssachen Döring <strong>und</strong> Buzescu, Rdnr. 88),<br />

unter dem Blickwinkel des Art. 1Abs. 2des Protokolls Nr. 1zu<br />

prüfen ist.<br />

Im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des Eingriffs weist der<br />

Gerichtshof zunächst darauf hin, dass die streitige Maßnahme<br />

sich auf §7 Ziff. 10 <strong>und</strong> § 14 Abs. 2 Ziff. 5 BRAO stützte.<br />

Danach ist die Funktion eines RA mit der eines Beamten auf<br />

Lebenszeit ausdrücklich unvereinbar <strong>und</strong> eine Ausnahme für<br />

Hochschullehrer ausgeschlossen. Daraufhinhabendie nationalen<br />

Gerichte, insbesondere unter Bezugnahme auf die st. Rspr.<br />

des BGH <strong>und</strong> des BVerfG in diesem Bereich, bestätigt, dass<br />

diese Bestimmungen nicht gegen das GG verstoßen.<br />

Hinsichtlich der Zweckbestimmtheit ist der Gerichtshof der<br />

Auffassung, dass der Eingriff unbestreitbar ein Ziel von allgemeinem<br />

Interesse verfolgte, das darin besteht, im Interesse<br />

einer geordneten Rechtspflege die Unabhängigkeit des RA-<br />

Berufs zu wahren.<br />

Ihm liegt die gr<strong>und</strong>sätzliche<br />

Unvereinbarkeit der Rechtsstellung<br />

eines Beamten auf Lebenszeit,<br />

die durch die öffentlichrechtliche<br />

Bindung an den<br />

Wahrung der Unabhängigkeit<br />

des RA<br />

Dienstherrn gekennzeichnet ist, mit der eines RA, der Angehöriger<br />

eines im Wesentlichen freien Berufs ist, dem eine zentrale<br />

Rolle als ander Rechtspflege beteiligter unabhängiger Person<br />

zukommt, zugr<strong>und</strong>e.<br />

Schließlich hat sich der Gerichtshof mit der Verhältnismäßigkeit<br />

des Eingriffs zu befassen. In diesem Zusammenhang erinnert<br />

erdaran, dass Art. 1Abs. 2des Protokolls Nr. 1im Lichte<br />

des im ersten Satz dieses Art. niedergelegten Gr<strong>und</strong>satzes zu<br />

sehen ist. Der Gerichtshof hat hieraus die Bedingung abgeleitet,<br />

dass ein Eingriff einen „gerechten Ausgleich“ zwischen den<br />

Erfordernissen des Allgemeininteresses der Gemeinschaft <strong>und</strong><br />

den Anforderungen an den Schutz der Gr<strong>und</strong>rechte des Einzelnen<br />

herbeizuführen hat (siehe u.a. Rechtssache Sporrong <strong>und</strong><br />

Lönnroth./.Schweden, Urt. v. 23.9.1982, Serie A, Bd. 52, S. 26,<br />

Rdnr. 69). Die Besorgnis, einen solchen Ausgleich sicherzustellen,<br />

ergibt sich aus der Ausgestaltung des Art. 1 in seiner<br />

Gesamtheit, also auch bezogen auf den Abs. 2. Die eingesetz-<br />

ten Mittel müssen ineinem angemessenen Verhältnis zu dem<br />

angestrebten Ziel stehen (Urt. Tre Traktörer v. 7.7.1989, Serie<br />

A, Bd. 159, S. 23, Rdnr. 59).<br />

Der Bf. behauptet, dass der Widerruf seiner Zulassung zur<br />

Rechtsanwaltschaft inBezug auf das verfolgte Ziel gem. Art. 1<br />

des Protokolls Nr. 1 nicht verhältnismäßig gewesen sei. Er ist<br />

der Ansicht, dass eine einseitige Anwendung von §7Ziff. 10<br />

<strong>und</strong> §14Abs. 2Ziff. 5BRAO auf alle Beamten ohne Berücksichtigung<br />

der besonderen Situation der Hochschullehrer nicht<br />

hinnehmbar sei. Letztere hätten nämlich eine „freiheitliche“<br />

Rechtsstellung inne, die sie gr<strong>und</strong>legend von anderen Beamten<br />

unterscheide; insoweit sei die Anwendung der Unvereinbarkeitsregel<br />

in ihrem Fall umso unverständlicher.<br />

Der Bf. führt aus, dass Hochschullehrer aufgr<strong>und</strong> der nach<br />

Art. 5Abs. 3 GG garantierten Freiheit der Wissenschaft, Forschung<br />

<strong>und</strong> Lehre in ihrer Berufsausübung völlig unabhängig<br />

seien. Dies erkläre auch, weshalb sie vor Gericht auftreten dürfen;<br />

dies bedeute, dass der Beruf des RA<strong>und</strong> der des Hochschullehrers<br />

nicht unvereinbar seien. Diese fehlende Rechtfertigung<br />

werde auch durch die inanderen europäischen Staaten<br />

(wie z.B. Frankreich oder Spanien) bestehenden Vorschriften<br />

belegt.<br />

Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die innerstaatlichen<br />

Gerichte, insbesondere der Senat des Bayerischen AGH, im<br />

vorliegenden Fall umfassend begründet haben, warum das<br />

innerstaatliche Recht bei Hochschullehrern keine Ausnahme<br />

von dem Gr<strong>und</strong>satz der Unvereinbarkeit zwischen der Funktion<br />

eines RA <strong>und</strong> der eines Beamten auf Lebenszeit vorsieht.<br />

Ein Gr<strong>und</strong> besteht zunächst darin, dass trotz der relativen Freiheit<br />

der Hochschullehrer die Gemeinsamkeiten mit den anderen<br />

Beamten auf Lebenszeit überwiegen; dies wird insbesondere<br />

dadurch deutlich, dass der Bf. sich eine Nebentätigkeit<br />

von seinem Arbeitgeber genehmigen lassen musste <strong>und</strong> er ihm<br />

seine Einkünfte ab einer bestimmten Höhe anzeigen muss. Ein<br />

zweiter Gr<strong>und</strong> ist, dass einige Verfahrensvorschriften (s.o. einschlägiges<br />

innerstaatliches Recht) es Hochschullehrern eigentlich<br />

gestatten, vor den innerstaatlichen Gerichten, insbesondere<br />

dem BVerfG, wie Anwälte aufzutreten.<br />

Kein schwerwiegender<br />

Eingriff<br />

Daraus folgt nach Ansicht des<br />

Gerichtshofs, dass der streitige<br />

Eingriff inder Praxis nicht sehr<br />

schwer wiegt. Einerseits kann der<br />

Bf. seine Mandanten nämlich<br />

z.T. behalten <strong>und</strong> sie auch ohne Zulassung zur Rechtsanwaltschaft<br />

vor bestimmten nationalen Gerichten vertreten. Andererseits<br />

handelte es sich nur um die Fortführung einer in seinem<br />

Fall auf durchschnittlich einen Tag pro Woche beschränkten<br />

Nebentätigkeit.<br />

Der Gerichtshof weist im Übrigen darauf hin, dass die nationalen<br />

Behörden bei der Beurteilung, ob eine Kontrollmaßnahme<br />

notwendig ist, einen weiten Ermessensspielraum haben. Die<br />

Beurteilung des Gesetzgebers in diesem Bereich wird gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

respektiert, es sei denn, sie stellt sich als offensichtlich<br />

unangemessen heraus (Rechtssachen Lithgow u.a../.Vereinigtes<br />

Königreich , Urt. v. 8.7.1986, Serie A, Bd. 102, S. 51,<br />

Rdnr. 122; Chassagnou u.a../.Frankreich [GK], Nrn. 25088/94,<br />

28331/95 u. 28443/95, Rdnr. 75, CEDH 1999-III, <strong>und</strong> vorerwähnte<br />

Rechtssache Wendenburg u.a. ).<br />

Nun können die Rechtfertigungsgründe der innerstaatlichen<br />

Gerichte, insbesondere bestehende Verfahrensvorschriften, die<br />

es Hochschullehrern gestatten, wie Anwälte vor bestimmten<br />

nationalen Gerichten aufzutreten, nach Ansicht des Gerichtshofs<br />

nicht als unangemessen angesehen werden, <strong>und</strong> zwar<br />

unabhängig davon, dassdie Rechtsvorschriftenanderer europäischer<br />

Staaten, in denen diesbezüglich unterschiedliche Traditi-

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