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Kanzlei- Informations- und Abrechnungssystem - BRAK-Mitteilungen

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196 Aufsätze <strong>BRAK</strong>-Mitt. 5/2007<br />

dern nach §74Abs. 1Satz 1BRAO „das Verhalten“, durch das<br />

der Rechtsanwalt Pflichten verletzt habe, gerügt wird, tatsächlich<br />

aber mehrere Verhaltensweisen in einem Rügebescheid<br />

„beanstandet“ werden, so dürfte schon alleine imHinblick auf<br />

die notwendige Prüfung zum Merkmal „wegen desselben Verhaltens“<br />

nach §§115 a), 115 b) BRAO eine differenzierte Beurteilung<br />

in der Sache notwendig sein. Die aufgegriffene Kostenbelastungsregelung<br />

nimmt möglicherweise auch darauf Bezug.<br />

Die präzise Definition des als Pflichtverletzung gewürdigten<br />

„Verhaltens“ gehört mithin geradezu zum Kernbestand der<br />

Handhabung des Rügerechts.<br />

– „Der Beschluss muss …mit Gründen …versehen sein<br />

….“ 13<br />

Angesichts des Hinweises auf allgemeine Regeln des Verwaltungsverfahrens<br />

dürfte dieses Zitat genügen. Auch die Begründung<br />

gehört folglich zum Kernbereich der „Handhabung des<br />

Rügerechts“.<br />

– Vor allem gehört zum Kernbestand aber auch die<br />

Ermessensausübung <strong>und</strong> Begründung wiederum hierfür. 14<br />

Zusammengefasst: Sehr viel mehr pflegt ein Rügebescheid<br />

nicht zuenthalten. Es mag dahingestellt bleiben, ob Höflichkeitsanrede,<br />

oder auch Rechtsbehelfsbelehrung, im „Beschluss“<br />

bereits enthalten sein müssen oder als büromäßige<br />

Routine ebenso wie die Schlussgrußklausel geschäftsordnungsmäßig<br />

beigefügt werden dürfen. Wesentlich ist aber: Der Gesamtakt<br />

Rüge ist Kollegialhandeln. 15<br />

Diese Auffassung ist nicht nur literarisch weiter abzustützen. 16<br />

Vielmehr gibt esdazu deutliche Hinweise in der Rechtsprechung,<br />

wonach sogar ein aus 15 Personen bestehendes Kollegium<br />

seine Entscheidung in einer die gerichtliche Nachprüfung<br />

ermöglichenden Weise begründen müsse. 17 Die zwingende<br />

Notwendigkeit, wonach eine Kollegialentscheidung nicht nur<br />

der Mitwirkung der Kollegen „dem Gr<strong>und</strong>e nach“ nach Stichworten<br />

oder im allgemeinen Ergebnis, etwa nur mit einer Kernaussage,<br />

bedarf, ist übrigens auch imgesellschaftsrechtlichen,<br />

jedenfalls genossenschaftsrechtlichen Bereich in einer jüngeren<br />

Entscheidung hervorgehoben. 18<br />

Wenn nach §39 Abs. 1Satz 3GenG die Generalversammlung<br />

über die Führung von Prozessen gegen Vorstandsmitglieder<br />

(durch den Aufsichtsrat, vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1 GenG) entscheidet,<br />

somuss der Ermächtigungsbeschluss „eindeutig erkennen<br />

lassen“, nicht nur dass ein Anspruch gerichtlich geltend<br />

gemacht wird, sondern auch: Er muss „den betreffenden Anspruch<br />

inseinem wesentlichen Kern hinreichend konkret umreißen“.<br />

19 Dort geschieht dann die eigentliche Geltendmachung<br />

in separatem Akt durch ein anderes Organ, nämlich den<br />

Aufsichtsrat. Dann mag gelten, dass die „Einzelheiten“, etwa in<br />

veränderter Gestaltung jenach Prozessverlauf, der Aufsichtsrat<br />

als berechtigtes Organ bestimmt. 20 Solche Präzisierungsspielräume<br />

werden nicht anzuerkennen sein, wenn ein Kollegialorgan<br />

selbst eine Maßnahme zu treffen hat, wie der Aufsichtsrat<br />

einer Aktiengesellschaft. 21 Entscheidungen, etwa nach § 112<br />

AktG, sind nicht delegierbar oder übertragbar, auch nicht auf<br />

13 Wolff ,Verwaltungsrecht III, 3. Aufl., München 1973, §157 Abs. 2c)<br />

4.<br />

14 Peus, AnwBl. 2005, 524, 527 zu III 3.<br />

15 Peus, AnwBl. 2005, 524, 527.<br />

16 Peus, AnwBl. 2005, 524, 528 zu IV 2m.w.N.<br />

17 VG Berlin NJW 1973, 1148, 1150; vgl. auch BVerwG DVBl. 1994,<br />

1351, 1355; vgl. auch OLG Düsseldorf VergabeR 2001, 154, 157;<br />

AnwG Hamm, Beschlüsse vom 29.9.1999, AR 3/98; vom 6.6.2001,<br />

AR 3/99.<br />

18 BGH WM 2003, 741.<br />

19 BGH WM 2003, 741, 742 rechte Spalte.<br />

20 A.a.O., Seite 743.<br />

Peus, Rügebescheide als Kollegialhandeln<br />

einen Vorsitzenden. Dies wird abgeleitet aus der Begrenzung<br />

der Übertragbarkeit auf Ausschüsse, §107 Abs. 3AktG, <strong>und</strong><br />

aus dem Verbot der Übertragung auf Einzelpersonen, §111<br />

Abs. 5AktG. In gleicher Weise ist die Zuordnung auf ein Kollegium,<br />

<strong>und</strong> zwar bezüglich der Entscheidung, hier zur Handhabung<br />

des Rügerechts, eröffnet, darauf aber auch begrenzt, wie<br />

der Umkehrschluss zu §73Abs. 3BRAO belegt.<br />

Es ist nicht auszuschließen, dass auch inAufsichtsräten von Aktiengesellschaften<br />

Befassung mit einer komplexen Regelung<br />

<strong>und</strong> Details als „unpraktikabel“ angesehen werden könnte.<br />

Sich deswegen mit „Rahmenbeschlüssen mit allgemeiner<br />

Marschrichtung“ zu begnügen, dürfte aber ähnlich riskant sein.<br />

6. Zusammenfassend hält der Verfasser, selbstredend auch hier<br />

seine schlichte persönliche Auffassung darlegend, für richtig:<br />

DiegesamteRüge, mit Definitiondes Verhaltens, das beanstandet<br />

wird, Begründung, Ermessensausübung für den Griff zum<br />

Mittel der Rüge <strong>und</strong> Begründung hierfür (die im Regelfall mangels<br />

Besonderheiten recht kurz <strong>und</strong> möglicherweise auch implizit<br />

enthalten sein kann) muss komplett Ergebnis von Kollegialhandeln<br />

sein. Das setzt Zustimmung der mitwirkenden Personen<br />

zudem gesamten Inhalt als schriftlich verfestigtes Substrat<br />

des Beschlusses voraus, einstimmig oder mehrheitlich.<br />

Dem Inhalt des herausgehenden Textes muss die beschlussfassende<br />

Behörde oder Stelle (Vorstand bzw. bestimmte Abteilung)<br />

<strong>und</strong> müssen außerdem die Namen der mitwirkenden Kollegiumsmitglieder<br />

zu entnehmen sein.<br />

Höflichkeitsklauseln <strong>und</strong> Rechtsbehelfsbelehrung können geschäftsordnungsmäßig<br />

bei Reinschrift des herausgehenden Bescheides<br />

zugesetzt werden.<br />

Eine Mitwirkung der Kollegen am inhaltlichen Beschluss inGestalt<br />

einer Sitzung <strong>und</strong>/oder Unterzeichnung eines Aktenoriginals<br />

ist nicht vorgeschrieben <strong>und</strong> auch nicht erforderlich. Keine<br />

der üblich inBetracht kommenden Formen telekommunikativen<br />

Austausches, mindestens soweit in Textform feststellbar, ist<br />

ausgeschlossen. Letzterenfalls müsste ein Verfahrensleiter, im<br />

Regelfall der Vorsitzende, die Stellungnahmenzentral sammeln<br />

<strong>und</strong> in der Akte festhalten mit dem Vermerk, dass <strong>und</strong> wie ein<br />

Beschluss, <strong>und</strong> zwar zu einem konkreten Text, zustande gekommen<br />

ist. Das alles muss freilich letztlich kontrollierbar sein<br />

<strong>und</strong> sich aus der ggf. vom Anwaltsgericht beizuziehenden Verfahrensakte<br />

ergeben.<br />

Verfertigung <strong>und</strong> Unterzeichnung des herausgehenden Bescheides<br />

in Reinschrift erfordern nicht auf diesem herausgehenden<br />

Rügebescheid die Unterschrift aller mitwirkenden Kollegiumsmitglieder.<br />

Nach der klassischen, von Wolff referierten Auffassung<br />

zeichnet der Vorsitzende als Verfahrensleiter des Kollegiums.<br />

Jedenfalls ist dies allerdings nicht die Zeichnung eines<br />

„Vertreters“ einer verbescheidenden monokratischen Behörde<br />

im Sinne einer Außenvertretung der Behörde. Bisher nicht abschließend<br />

geklärt oder abgesichert ist die Überlegung, mindestens<br />

nach entsprechender geschäftsordnungsmäßiger Satzungsbestimmung<br />

einer Kammer das herausgehende Original<br />

mit der Zeichnung einer für die Richtigkeit der Ausfertigung<br />

stehenden beauftragten Person aus dem Bereich der Geschäftsführung<br />

der Kammer genügen zulassen. Der sichere Weg ist<br />

die Zeichnung durch den verfahrensleitenden Vorsitzenden des<br />

beschließenden Kollegiums.<br />

21 Graef, GmbHR 2005, 675, 676; vgl. dazu früher bereits Peus, Der<br />

Aufsichtsratsvorsitzende, Köln usw. 1983, Seite 172 f.; Seite 167,<br />

168 mit Fußnote 23zukontroversen Literaturauffassungen; gemäß<br />

BGHZ 41, 282, 285, kann die „Entschließung“ (gedanklich getrennt<br />

vom Vertretungsakt) nicht einem einzelnen Aufsichtsratsmitglied<br />

übertragen werden.

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