Kanzlei- Informations- und Abrechnungssystem - BRAK-Mitteilungen
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190 Aufsätze <strong>BRAK</strong>-Mitt. 5/2007<br />
Wort meldet. Dass eine Diskussion gleichwohl nicht aufzuhalten<br />
ist, zeigt sich schon daran, dass die Monopolkommission in<br />
ihrem letzten, 2006 veröffentlichten Hauptgutachten der Frage<br />
der Kapitalbeteiligung an Anwaltsgesellschaften einige Seiten<br />
Raum eingeräumt hat. 57 Sie weist ausdrücklich auf die diesbezüglichen<br />
Entwicklungen des Auslands hin. Die Monopolkommission<br />
hält esfür einen bedenkenswerten Ansatz, die berufsrechtliche<br />
Verantwortlichkeit in multiprofessionell strukturierten<br />
Gesellschaften auf die Person des Rechtsanwalts zu konzentrieren.<br />
Sie verweist insoweit auf die Situation von angestellten<br />
Ärzten, die inKrankenhaus-GmbHs <strong>und</strong> Aktiengesellschaften<br />
angestellt seien, ohne dass Gefahren für ihren Status<br />
als Freiberufler bestünden. Die Monopolkommission sieht als<br />
Vorteil der Kapitalbeteiligung Dritter die Möglichkeit der Beschaffung<br />
von Kapital <strong>und</strong> verweist auf die Probleme deutscher<br />
Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, bei denen hoher Kapitalbedarf<br />
ein Zugangshemmnis zur Prüfung multinationaler Unternehmen<br />
darstellt. Ähnliches gelte auch für Anwaltsgesellschaften.<br />
Etwas überraschend macht sich die Monopolkommission<br />
Gedanken über die Transparenz von Rechtsanwaltsgesellschaften,<br />
an denen Dritte beteiligt sind –ein Ansatz, der invergleichbaren<br />
Reformüberlegungen im Ausland keine Rolle gespielt<br />
hat. Die Monopolkommission treibt die Sorge um, dass<br />
Mandanten keine Klarheit über den Eigentümerkreis gewinnen<br />
können, <strong>und</strong> es für sie nicht möglich wäre, etwaige wirtschaftliche<br />
Interessenkonflikte zu erkennen. Da hiermit wohl der<br />
Konflikt zwischen dem für den Mandanten wirtschaftlich Sinnvollen<br />
<strong>und</strong> den über dass allgemeine Gewinninteresse hinausgehenden<br />
Interessen der nicht-anwaltlichen Eigentümer gemeint<br />
ist, scheint mir dieser Hinweis auf die wahrscheinlichsten<br />
Investoren, die Versicherungsindustrie, zuzielen. Richtig<br />
zu Ende gedacht sind die Bedenken der Kommission freilich<br />
nicht: Entscheidender Ausgangspunkt ist stets die „Immunisierung“<br />
der Vorbehaltsaufgabenvor Einflüssen der Gesellschafter,<br />
also gleichsam das Primat des Berufsrechts. Ist dieses sichergestellt<br />
–<strong>und</strong> nur in einem solchen Fall ist an die Öffnung von<br />
Berufsausübungsgesellschaften zudenken –ist das Auftreten<br />
von wirtschaftlichen Interessenkonflikten zwischen Eigentümern<br />
<strong>und</strong> Mandanten ein bloßes Scheinproblem. Wirtschaftliche<br />
Interessenkonflikte können sich imÜbrigen auch zwischen<br />
anwaltlichen Eigentümern <strong>und</strong> Mandanten ergeben, sind also<br />
kein spezifisches Attribut berufsfremder Kapitalgeber.<br />
Das Resümee der Monopolkommission lautet: „Die Monopolkommission<br />
spricht sich für eine Zulassung des Fremdbesitzes<br />
an Rechtsanwaltssozietäten aus. Allerdings sollten Vorkehrungen<br />
getroffen werden, um eine Transparenz der Eigentümerstruktur<br />
gegenüber potenziellen Mandanten zu ermöglichen<br />
<strong>und</strong> Interessenkonflikte auszuschließen. Unter diesem Gesichtspunkt<br />
sollte eine Börsennotierung der Rechtsanwalts-AG<br />
ausgeschlossen sein. Denkbar sind auch weitere Vorkehrungen<br />
wie eine Zuverlässigkeitsprüfung von nicht-anwaltlichen Kapitalgebern.<br />
58 Die Monopolkommission schlägt zudem eine Alternative<br />
vor: „Falls dieser Vorschlag dem Gesetzgeber zu radikal<br />
erscheint, sollte er die Möglichkeit einer anteilsmäßig beschränkten<br />
Zulassung von Kapitalbeteiligungen Dritter erwägen.<br />
So wäre z.B. auch eine auf 25 %der Anteile <strong>und</strong> Stimmrechte<br />
beschränkte Zulassung von Kapitalbeteiligungen Dritter<br />
denkbar“. 59 So weit die Monopolkommission.<br />
VI. Eigener Reformvorschlag<br />
Ich habe das Erfordernis der aktiven Berufsausübung –<strong>und</strong> damit<br />
das Verbot externer Kapitalbeteiligungen –stets sowohl für<br />
56 Kritisch etwa Michalski/Römermann, (Fn. 9) §1Rdnr. 7ff. mit eingehender<br />
Begründung.<br />
57 BT-Drucks. 16/2460 S. 411 f.<br />
58 BT-Drucks. 16/2460 S. 412.<br />
59 BT-Drucks. 16/2460 S. 412.<br />
Henssler, Die Kapitalbeteiligung an Anwaltsgesellschaften<br />
die Partnerschaft 60 als auch für die Kapitalgesellschaft für wesentlich<br />
erklärt. 61 M.E. ist dieses Postulat sogar eine zentrale<br />
Voraussetzung, um die anwaltliche Unabhängigkeit sicherzustellen.<br />
Die Auslagerung der Rechtsabteilungen von Banken<br />
<strong>und</strong> Versicherungen in nur scheinselbständige Anwaltskanzleien<br />
wäre eine berufspolitische Fehlentwicklung, die unbedingt<br />
verhindert werden sollte. 62 De facto greifen hier die gleichen<br />
Gründe, die hinter den Beschränkungen des §46BRAO für<br />
Syndikusanwälte stehen. Aufgr<strong>und</strong> der engen wirtschaftlichen<br />
Abhängigkeit wäre eine weisungsfreie <strong>und</strong> selbständige Rechtsberatung<br />
nicht mehr sichergestellt.<br />
Allerdings sollte das Verbot dort, wosich Gefahren für die Unabhängigkeit<br />
vernünftigerweise ausschließen lassen, restriktiv<br />
gehandhabt werden. Insbesondere sollte bei Rechtsanwälten<br />
jede Form einer aktiven Tätigkeit, also auch eine Managementtätigkeit<br />
oder ein Akquisitionsengagement als ausreichend angesehen<br />
werden. Nur begrenzte <strong>und</strong> steuerbare Gefahren ergeben<br />
sich zudem bei einer Gesellschafterstellung ehemals aktiver<br />
Rechtsanwälte, die sich alters- oder ges<strong>und</strong>heitsbedingt zurückgezogen<br />
haben. Eine angemessene Sicherung der Altersversorgung<br />
ist durchaus im Interesse des Berufsstandes, sollte<br />
daher nicht durch allzu strikte Regelung erschwert werden. Die<br />
derzeitige Grauzone ist einem juristischen Beruf <strong>und</strong> Rechtspflegeorgan<br />
nicht angemessen. Entsprechend den französischen<br />
<strong>und</strong> österreichischen Vorbildern sollte schließlich auch<br />
den Erben (überlebende Ehegatten <strong>und</strong> Kinder) eines Rechtsanwaltes<br />
für eine Übergangszeit eine Gesellschafterstellung erlaubt<br />
werden. Selbstverständlich bleiben sie von jeder Einflussnahme<br />
auf die anwaltliche Tätigkeit ausgeschlossen. Die Gefahren<br />
für die anwaltliche Unabhängigkeit sind hier begrenzt,<br />
die Vorteile der Waisen- <strong>und</strong> Witwenversorgung überwiegen.<br />
Will man noch einen Schritt weitergehen, so erscheinen mir<br />
zwei Varianten ernsthaft diskussionswürdig:<br />
–Generelle Öffnung der aktiven Zusammenarbeit mit anderen<br />
verkammerten Berufen, dieeiner strafrechtlichsanktionierten<br />
Pflicht zur Verschwiegenheit unterworfen sind. Sicherung<br />
der anwaltlichen Unabhängigkeit durch absolute Weisungsfreiheit<br />
im Bereich der Rechtsdienstleistung. Außerdem gilt<br />
für die interprofessionelle Gesellschaft der Gr<strong>und</strong>satz des jeweils<br />
strengsten Berufsrechts.<br />
–Minderheitsbeteiligung von sonstigen Berufen, die aktiv in<br />
der Gesellschaft mitarbeiten <strong>und</strong> deren Mitwirkung gegenüber<br />
der Anwaltstätigkeit eine „dienende“ bzw. unterstützende<br />
Funktion (Management, Büroleitung u.Ä.) hat (dänisches<br />
Modell).<br />
BeideÖffnungen sindberufsrechtlichunproblematisch. Sie wären<br />
zugleich ein wichtiger Beitrag zur Stärkung des Anwaltsberufs<br />
<strong>und</strong> zur Professionalisierung der kooperativen anwaltlichen<br />
Berufsauübung. Die Anwaltschaft sollte ungeachtet der<br />
berechtigten Sorge um ihre Unabhängigkeit die Chance ergreifen,<br />
sich neue Geschäftsfelder zu erschließen <strong>und</strong> die Effizienz<br />
ihrer eigenen Tätigkeit zuverbessern. Von Seiten der internationalen<br />
Großkanzleien wird ausdrücklich ein Bedarf für die Einbeziehung<br />
von im Management <strong>und</strong> im Finanz- <strong>und</strong> Rechnungswesen<br />
tätigen Personen in den Gesellschafterkreis bejaht.<br />
63 Die langfristige Einbindung von Spitzenkräften aus diesem<br />
Bereich wird häufig für Professionalität <strong>und</strong> Wirtschaftlichkeit<br />
der Anwaltsgesellschaft von entscheidender Bedeutung<br />
sein.<br />
60 Henssler,PartGG, 2Aufl. 2007 (demnächst), §1Rdnr. 22.<br />
61 Etwa Henssler,JZ1992, 697, 703 f.; Henssler in: Henssler/Streck<br />
(Fn. 16) ERdnr. 54.<br />
62 Henssler,JZ1992, 697, 703 f.; Henssler (Fn. 16), ERdnr. 68; zustimmend<br />
Damm, FSBrandner, 1996, S. 31, 53.<br />
63 Vgl. FAZv.26. 6. 2007.