Kanzlei- Informations- und Abrechnungssystem - BRAK-Mitteilungen
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186 Aufsätze <strong>BRAK</strong>-Mitt. 5/2007<br />
I. Einführung<br />
Henssler, Die Kapitalbeteiligung an Anwaltsgesellschaften<br />
Die Kapitalbeteiligung anAnwaltsgesellschaften*<br />
Das Recht der Anwaltsgesellschaften war in den beiden letzten<br />
Jahrzehnten europaweit gr<strong>und</strong>legenden Veränderungen unterworfen.<br />
Lange Zeit haben der klassische Einzelanwalt <strong>und</strong> die<br />
kleine regional begrenzte <strong>Kanzlei</strong> das Berufsbild des Rechtsanwaltes<br />
bestimmt. Erst seit Anfang der 90er Jahre haben sich daneben<br />
hoch spezialisierte Boutiquen, überörtliche <strong>und</strong> zum<br />
Teil international operierende Großkanzleien gebildet. Neben<br />
der Sozietät als Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind weitere<br />
Rechtsformen für die Anwaltschaft geöffnet bzw. sogar völlig<br />
neu eingeführt worden. Über sog. Hybridrechtsformen wird<br />
versucht, den Besonderheiten des Charakters als Freier Beruf<br />
Rechnung zu tragen. Nachdem nunmehr europaweit die Organisationsfreiheit<br />
für Rechtsanwälte weitgehend verwirklicht<br />
wurde, zielen neue Reformüberlegungen auf den Gesellschafterkreis<br />
der Anwaltsgesellschaften. Zwischen zwei –häufig miteinander<br />
vermengten –Fragen sollte in der Reformdiskussion<br />
deutlich getrennt werden:<br />
–Zum einen stellt sich für die europäischen Staaten die schon<br />
seit längerem kontrovers diskutierte Frage, ob <strong>und</strong> inwelchem<br />
Umfang eine interprofessionelle Berufsausübung zugelassen<br />
<strong>und</strong> damit die Beteiligung von Nichtanwälten anBerufsausübungsgesellschaften<br />
erlaubt werden soll.<br />
–Zum zweiten steht das bislang weitgehend anerkannte Dogma<br />
der aktiven Mitarbeit der Gesellschafter auf dem Prüfstand.<br />
Seine Aufgabe hätte schon bei einer Beibehaltung des<br />
bisherigen Gesellschafterkreises weit reichende Folgen, weil<br />
nunmehr konzernähnliche Strukturen <strong>und</strong> große Ketten gestaltbar<br />
wären. Kombiniert mit der Öffnung der Gesellschaften<br />
für Drittberufe würde die Zulassung von Kapitalbeteiligungen<br />
sogar einen gr<strong>und</strong>legenden Wandel des Rechtsberatungsmarktes<br />
nach sich ziehen.<br />
II. Die Reform der interprofessionellen Zusammenarbeit<br />
Die erstgenannte Debatte um die MDPs hatte vor einigen Jahren<br />
sowohl in Europa als auch inden USA einen Höhepunkt<br />
erreicht, wobei die Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsprüfern<br />
ganz im Vordergr<strong>und</strong> stand. Deutschland hat – abweichend<br />
von nahezu allen anderen Wirtschaftsnationen mit Ausnahme<br />
von Australien –eine solche Zusammenarbeit schon<br />
lange erlaubt. Rechtsanwälte, Patentanwälte, Wirtschaftsprüfer<br />
<strong>und</strong> Steuerberater werden hierzulande als berufsrechtlich<br />
gleichwertig <strong>und</strong> von §59a BRAO als sozietätsfähig angesehen.<br />
Die Kontroverse hatte schon mit der Wouters-Entscheidung<br />
des EuGH, 1 in der die restriktivere niederländische Regelung<br />
gebilligt wurde, an Bedeutung verloren. Durch die großen<br />
Skandale umEnron <strong>und</strong> Worldcom sind außerdem Gesetzesänderungen<br />
angestoßen worden, die nunmehr ausgehend vom<br />
Beruf der Wirtschaftsprüfer die interprofessionelle Zusammenarbeit<br />
erschweren. Die Sorge umdie Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfer<br />
führt dazu, dass verstärkt nicht nur im Ausland,<br />
sondern auch inEuropa eine enge Zusammenarbeit der Prüfer<br />
* Dieser Aufsatz wurde als Vortrag imRahmen der Europäischen Konferenz<br />
der <strong>BRAK</strong> am 22.6.2007 in Berlin gehalten. Teil 2wird inden<br />
kommenden <strong>BRAK</strong>-<strong>Mitteilungen</strong> erscheinen.<br />
1EuGH NJW 2002, 877; dazu Henssler, JZ 2002, 983.<br />
Prof. Dr. Martin Henssler,Köln<br />
mit sonstigen Beratern als problematisch angesehen wird. Der<br />
vieldiskutierte US-amerikanische Sarbanes-Oxley Act aus dem<br />
Jahr 2002 schränkt nicht nur die eigene rechtsberatende Tätigkeit<br />
der Wirtschaftsprüfer <strong>und</strong> ihr forensisches Auftreten in<br />
Steuersachen ein, sondern zwingt auch zueiner weitgehenden<br />
Abgrenzung von sonstigen Beratungsberufen. Auf europäischer<br />
Ebene ist als Parallelregelung die Richtlinie 2006/43/EG 2 beschlossen<br />
worden. Die Richtlinie ersetzt u.a. die bislang einschlägige<br />
Achte Gesellschaftsrichtlinie 84/253/EWG. 3 Der<br />
deutsche Gesetzgeber ist ebenfalls aktiv geworden. Im Dezember<br />
2004 ist das Bilanzrechtsreformgesetz in Kraft getreten.<br />
Dieses hat neben der Einführung der IAS-Standards <strong>und</strong> der<br />
Umsetzung bilanzrechtlicher EU-Rechtsakte 4 eine Neufassung<br />
des §319 HGB sowie die Einfügung des §319a HGB zum Gegenstand.<br />
Durch das Reformgesetz sind weitere, unwiderlegliche<br />
Vermutungen für die Befangenheit von Abschlussprüfern<br />
normiert worden, die zum Ausschluss der Prüfertätigkeit für ein<br />
Unternehmen führen. Die Regelungen lehnen sich eng an internationale<br />
Standards, insbesondere an den Sarbanes-Oxley<br />
Act, den IFAC Code ofEthics <strong>und</strong> die EU-Empfehlung „Unabhängigkeit<br />
des Abschlussprüfers inder EU –Gr<strong>und</strong>prinzipien“ 5<br />
an. Sie führen zwar nicht zu einem Verbot der interprofessionellen<br />
Zusammenarbeit, beeinträchtigen aber seine Attraktivität,<br />
da die gleichzeitige Erbringung von Beratungs- <strong>und</strong> Prüfungsleistungen<br />
erheblich eingeschränkt wird. Durch die letzte<br />
Reform des HGB sind bereits im Vorgriff die wichtigsten Vorgaben<br />
der Richtlinie 2006/43/EG umgesetzt worden. Zusätzlicher<br />
Anpassungsbedarf dürfte im Bereich der Assoziierungsmöglichkeiten<br />
bestehen. 6 Bei der Zusammenarbeit mit Wirtschaftsprüfern<br />
ist damit ein gegen die interprofessionelle Berufsausübung<br />
gerichteter Trend festzustellen.<br />
Aus anwaltlicher Sicht sind dagegen Erweiterungen angedacht.<br />
So sieht der Gesetzesentwurf der B<strong>und</strong>esregierung zum neuen<br />
RDG eine Öffnung der interprofessionellen Zusammenarbeit<br />
mit allen Berufen vor, die der Rechtsanwalt auch als Zweitberuf<br />
ausüben darf (§ 59a BRAO-E). Nach den Ergebnissen einer<br />
Umfrage des Soldan Instituts für Anwaltsmanagement 7 haben<br />
7% der befragten Anwälte bereits entschieden, im Falle der<br />
Verabschiedung der Reform eine Praxis gemeinsam mit anderen<br />
Berufen betreiben zuwollen. 50 %der Anwälte schließen<br />
dies aus, 43%sind in diesem Punkt noch unentschlossen. Besonders<br />
Anwälte mit einem hohen Anteil an gewerblichen<br />
Mandaten sind aneiner Erweiterung der Möglichkeiten interprofessioneller<br />
Zusammenarbeit interessiert. Als gewünschte<br />
Partner werden amhäufigsten Architekten, Ingenieure, Unternehmensberater<br />
<strong>und</strong> Sachverständige genannt. Von den selte-<br />
2Vom 17.5.2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen<br />
<strong>und</strong> konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/<br />
660/EWG <strong>und</strong> 83/349/EWG des Rates <strong>und</strong> zur Aufhebung der Richtlinie<br />
84/253/EWG des Rates, ABl. EG 2006 L157, S.87.<br />
3Vgl. Erwägungsgr<strong>und</strong> Nr. (27) der Abschlussprüferrichtlinie.<br />
4IAS Verordnung EG Nr. 1606/2002; Modernisierungsrichtlinie 2003/<br />
51/EG; Schwellenwertrichtlinie 2003/38/EG.<br />
5ABl. EG2002, L191, S. 22.<br />
6Vgl. Pressemitteilung des Vorstandssprechers des IDW, Klaus-Peter<br />
Naumann ,IDW-Presseinformation 7/05 vom 12.10.2005.<br />
7Für die Umfrageergebnisse siehe Hommerich/Kilian , NJW 2007,<br />
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