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Warum Nachhaltigkeit kein Trend ist, sondern die Zukunft - UmweltDialog Magazin No.19

Im Kontext der Nachhaltigkeit gewinnen Transformationsprozesse zunehmend an Dynamik. Angesichts künstlicher Intelligenz (KI), Nano- und Quantentechnologie sowie globalen Megatrends wie Klima- und Demografiewandel erscheint ein Zurückfahren der Transformationsgeschwindigkeit unwahrscheinlich. Zugleich machen es die Komple- xität der Themen und das Alles-hängt-mit-allem-zusammen-Prinzip immer schwieriger, Zukunftsszenarien herzuleiten. Und zugleich erhöht sich der Bedarf an Entscheidungswissen: Managemententschei- dungen sind stets mit Unsicherheit verbunden. Zukunftsforschung eröffnet Sichtweisen, die über den Horizont des Unbekannten hinausgehen. Nachhaltigkeit bedeutet nämlich neben vielem anderen auch, ausgetretene Pfade zu verlassen. Dazu lädt Sie diese Ausgabe herzlich ein! Schauen wir gemeinsam auf die Zukunft der Arbeit, die Rolle der Technik, Gerechtigkeitsfragen und insbesondere auf die Stadt als Lebensraum.

Im Kontext der Nachhaltigkeit gewinnen Transformationsprozesse zunehmend an Dynamik. Angesichts künstlicher Intelligenz (KI), Nano- und Quantentechnologie sowie globalen Megatrends wie Klima- und Demografiewandel erscheint ein Zurückfahren der Transformationsgeschwindigkeit unwahrscheinlich. Zugleich machen es die Komple- xität der Themen und das Alles-hängt-mit-allem-zusammen-Prinzip immer schwieriger, Zukunftsszenarien herzuleiten.
Und zugleich erhöht sich der Bedarf an Entscheidungswissen: Managemententschei- dungen sind stets mit Unsicherheit verbunden. Zukunftsforschung eröffnet Sichtweisen, die über den Horizont des Unbekannten hinausgehen. Nachhaltigkeit bedeutet nämlich neben vielem anderen auch, ausgetretene Pfade zu verlassen.
Dazu lädt Sie diese Ausgabe herzlich ein! Schauen wir gemeinsam auf die Zukunft der Arbeit, die Rolle der Technik, Gerechtigkeitsfragen und insbesondere auf die Stadt als Lebensraum.

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Ausgabe 19<br />

Mai 2023<br />

9,00 EUR<br />

<strong>Zukunft</strong><br />

<strong>Warum</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>kein</strong><br />

<strong>Trend</strong> <strong>ist</strong>, <strong>sondern</strong> <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong>.<br />

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<strong>Zukunft</strong><br />

<strong>Zukunft</strong>sforschung ...<br />

EDITORIAL<br />

... befasst sich mit <strong>Zukunft</strong>. Darauf können wir uns als Konsens sicher einigen. Nach<br />

kurzem Nachdenken wird auch jede und jeder zustimmen, dass seriöse <strong>Zukunft</strong>sforscherinnen<br />

und -forscher <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong> weder voraussagen wollen noch können. Denn<br />

dann könnte man sie nicht mehr beeinflussen, und gerade das macht ja den Reiz der<br />

<strong>Zukunft</strong> aus: Sie liegt in unserer Hand. Worum geht es also in <strong>die</strong>ser Ausgabe? Wir wollen<br />

künftige nachhaltige Entwicklungen herausarbeiten und damit eine Basis zum Durchspielen<br />

verschiedener möglicher Zukünfte schaffen. Frei nach dem Motto von<br />

Buckminster Fuller: „Die <strong>Zukunft</strong> wird uns immer überraschen, aber sie sollte uns nicht<br />

überrumpeln“.<br />

In Deutschland hat sich seit dem Jahrtausendwechsel eine Menge in Bezug auf <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong>sforschung<br />

getan. An der Freien Universität Berlin gibt es einen Masterstu<strong>die</strong>ngang,<br />

und es wurde ein Netzwerk für <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong>sforschung ins Leben gerufen. Zudem wurden<br />

zwei anerkannte Fachzeitschriften gegründet, <strong>die</strong> sich mit <strong>die</strong>sem Thema befassen. Auch<br />

interessant <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Entwicklung von innovativen Methoden wie <strong>die</strong> „generative Sozialwissenschaft“.<br />

Im Laufe der Zeit hat <strong>die</strong> Disziplin einige äußerst Erfolg versprechende Konzepte<br />

hervorgebracht. Technikfolgenabschätzung, Foresight und (Technologie-) Früherkennung<br />

ver<strong>die</strong>nen hierbei besondere Erwähnung. Sie alle bieten unterschiedliche Perspektiven<br />

auf <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong>. Technikfolgenabschätzung legt den Schwerpunkt auf <strong>die</strong> Abwägung von<br />

Chancen und Risiken. Foresight hingegen beschäftigt sich mit sozioökonomischen und<br />

technischen Veränderungsprozessen und Früherkennung zielt darauf ab, technische und<br />

gesellschaftliche Entwicklungen frühzeitig zu identifizieren und systematisch zu<br />

generieren.<br />

Im Kontext der <strong>Nachhaltigkeit</strong> gewinnen Transformationsprozesse zunehmend an<br />

Dynamik. Angesichts künstlicher Intelligenz (KI), Nano- und Quantentechnologie sowie<br />

globalen Megatrends wie Klima- und Demografiewandel erscheint ein Zurückfahren der<br />

Transformationsgeschwindigkeit unwahrscheinlich. Zugleich machen es <strong>die</strong> Komplexität<br />

der Themen und das Alles-hängt-mit-allem-zusammen-Prinzip immer schwieriger,<br />

<strong>Zukunft</strong>sszenarien herzuleiten.<br />

Und zugleich erhöht sich der Bedarf an Entscheidungswissen: Managemententscheidungen<br />

sind stets mit Unsicherheit verbunden. <strong>Zukunft</strong>sforschung eröffnet Sichtweisen,<br />

<strong>die</strong> über den Horizont des Unbekannten hinausgehen. <strong>Nachhaltigkeit</strong> bedeutet nämlich<br />

neben vielem anderen auch, ausgetretene Pfade zu verlassen.<br />

Dazu lade ich Sie in <strong>die</strong>ser Ausgabe herzlich ein! Schauen wir gemeinsam auf <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong><br />

der Arbeit, <strong>die</strong> Rolle der Technik, Gerechtigkeitsfragen und insbesondere auf <strong>die</strong> Stadt als<br />

Lebensraum.<br />

Viel Spaß beim Lesen wünscht im Namen der gesamten Redaktion Ihr<br />

Dr. Elmer Lenzen<br />

Chefredakteur<br />

Das nächste<br />

<strong>UmweltDialog</strong>-<strong>Magazin</strong><br />

erscheint am 15.11.2023.


6<br />

Inhalt<br />

Wer <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong> gestalten will, darf nicht<br />

den Staus quo aufrechterhalten, sagt<br />

Franz Kühmayer vom <strong>Zukunft</strong>sinstitut in<br />

Frankfurt. Ein Gespräch über Visionen,<br />

falsche <strong>Nachhaltigkeit</strong>skommunikation,<br />

erfolgsverwöhnte Unternehmen und<br />

zukünftige Arbeitstrends<br />

DIGITALISIERUNG UND KI<br />

Megatrend<br />

Eintauchen in <strong>die</strong> digitale Welt ...............................................14<br />

Megatrend<br />

Zunehmende Autonomie der KI ..............................................16<br />

KI und Corporate Digital Responsibility ...........................18<br />

Die Unternehmensverantwortung für digitale Belange steckt<br />

in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Das muss sich<br />

ändern.<br />

Digitalisierung 2023: Aus welchen <strong>Trend</strong>s<br />

<strong>ist</strong> was geworden? ..................................................................22<br />

Grüne KI als ökologischer Wettbewerbsvorteil<br />

für Europa...................................................................................24<br />

KI kann auf vielfältige Weise zum Klimaschutz beitragen.<br />

Aber aufgepasst: Der Einsatz von KI-Systemen geht oftmals<br />

mit einem hohen Ressourcenverbrauch einher.<br />

Konsument:innen der <strong>Zukunft</strong> ............................................26<br />

Wie werden sie sein und was werden sie kaufen?<br />

Keine Trennung von online und offline und komplett<br />

vernetzt: In <strong>Zukunft</strong> werden neue Geschäftsmodelle <strong>die</strong><br />

Konsumgüterlandschaft bestimmen.<br />

DIE ARBEITSWELT DER ZUKUNFT<br />

Megatrend<br />

Die menschliche Dimension freisetzen ..................................30<br />

Megatrend<br />

Gesundheit und Resilienz werden wichtiger ........................32<br />

„Der Staat <strong>ist</strong> nicht dazu da, das Überleben<br />

von Unternehmen zu sichern“ .............................................34<br />

Unternehmen, <strong>die</strong> sich gegen den ökologischen Fortschritt<br />

stellen, müssen pleite gehen. Nur so können sich innovative<br />

Betriebe durchsetzen, mit denen uns der ökologische<br />

Wandel gelingt. Davon <strong>ist</strong> Marcel Fratzscher vom DIW<br />

Berlin überzeugt. Ein Gespräch über <strong>die</strong> soziale Marktwirtschaft,<br />

Innovationskraft und mangelnde Chancengleichheit


<strong>Zukunft</strong><br />

New Work: Die Arbeitswelt der <strong>Zukunft</strong> ..........................38<br />

Eine nachhaltige Entwicklung erfordert eine Umwandlung<br />

der Weltwirtschaft. Das <strong>ist</strong> mit sozialen Risiken verbunden.<br />

Arbeitnehmer:innen-Typen .................................................42<br />

Advertorial | Bantleon<br />

„Gemeinsam kann man mehr bewegen und<br />

nachhaltiger agieren“ .............................................................44<br />

Interface und New Work passen zusammen .................46<br />

Wie sieht das Büro der <strong>Zukunft</strong> aus? Über nachhaltige<br />

Innenraumgestaltung<br />

26<br />

Digital, vernetzt und flexibel: So ticken <strong>die</strong><br />

zukünftigen Konsumierenden.<br />

SCHAUPLATZ STADT<br />

Megatrend<br />

Anpassung an ein sich veränderndes Klima .........................48<br />

Megatrend<br />

Leaner, cleaner und greener ....................................................50<br />

Der Moloch Stadt erfindet sich neu ...................................52<br />

Städte sind soziale und ökologische Krisenherde.<br />

Gleichzeitig bergen sie enormes Potenzial für Lösungen.<br />

34<br />

Überblick: Agropolis, Petropolis, Ökopolis .....................60<br />

Die „Stadt für morgen“ ..........................................................64<br />

Wie sieht <strong>die</strong> Stadtplanung der <strong>Zukunft</strong> aus?<br />

Einige Handlungsempfehlungen<br />

Forschung für eine nachhaltige <strong>Zukunft</strong> .........................66<br />

Innovationen und Leuchtturmprojekte in der Forschung<br />

sind unabdingbar, um unsere Gesellschaft in Richtung<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> zu transformieren.<br />

Open-Source-Maschine demokratisiert<br />

Kreislaufwirtschaft .................................................................70<br />

Umweltprobleme lösen und <strong>die</strong> Lösung für alle frei zugänglich<br />

machen. Zwei Erfinder aus Nordamerika zeigen, wie es<br />

geht.<br />

Chinas Ökostädte: Neue Hoffnung am Reißbrett .........74<br />

Chinas erste <strong>Zukunft</strong>sstadt <strong>ist</strong> längst Vergangenheit. Aber:<br />

Das Wirtschaftswachstum hat massive Umweltprobleme<br />

nach sich gezogen. Neue Ideen sind gefragt.<br />

Stockholm: Klimaschutz dank intelligenter<br />

Stadtplanung ............................................................................78<br />

Die erste grüne Hauptstadt Europas liegt in Schweden. Auch<br />

dank dem Öko-Stadtteil Hammarby Sjöstad.<br />

„Zurück zur sozialen Marktwirtschaft!“, fordert<br />

Marcel Fratzscher, einer der bekanntesten Ökonomen<br />

Deutschlands. <strong>Warum</strong> das Wirtschaftsmodell der alten<br />

BRD zukunftstauglich <strong>ist</strong>.<br />

52<br />

Sie sind Problem und Lösung zugleich:<br />

Städte als Motoren einer grünen Transformation.


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Von Sonja Scheferling<br />

Die <strong>Zukunft</strong> müsse von der <strong>Zukunft</strong> her gedacht werden, um sie zu gestalten. Das sagt der<br />

bekannte <strong>Zukunft</strong>sforscher Franz Kühmayer aus Österreich. Der Experte in Sachen neue<br />

Arbeitswelt vom <strong>Zukunft</strong>sinstitut in Frankfurt weiß, wie man Gesellschaften und Unternehmen<br />

fit für <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong> macht. <strong>Warum</strong> dafür gerade beim Thema <strong>Nachhaltigkeit</strong> eine andere<br />

Kommunikation notwendig <strong>ist</strong>, erklärt er im Gespräch mit <strong>UmweltDialog</strong>.<br />

Foto: Thomas Kamenar<br />

6


<strong>Zukunft</strong><br />

„<br />

<strong>Zukunft</strong> gilt es<br />

zu gestalten, nicht<br />

zu erdulden!<br />

<strong>UmweltDialog</strong>: Herr Kühmayer, Sie<br />

haben Physik stu<strong>die</strong>rt, haben dann<br />

in großen Unternehmen in leitenden<br />

Funktionen gearbeitet und sind nun<br />

<strong>Zukunft</strong>sforscher. Wie passt das zusammen?<br />

Franz Kühmayer: Weil es ein paar<br />

Dinge miteinander kombiniert! Im Physik-Studium<br />

erlernt man Eigenschaften,<br />

<strong>die</strong> in anderen Berufen hilfreich<br />

sind. Etwa in Modellen zu denken<br />

und <strong>die</strong> Welt in abstrakten Formen zu<br />

beschreiben. Auch schadet es nicht,<br />

wenn man in der Lage <strong>ist</strong>, Experimente<br />

durchzuführen,<br />

um zu schauen,<br />

wie sich <strong>die</strong> Welt<br />

unter bestimmten<br />

Voraussetzungen<br />

verändern kann.<br />

Außerdem lernt<br />

man systemisch<br />

an Dinge heranzugehen;<br />

faktenbasiert<br />

und rational.<br />

Was hält <strong>die</strong><br />

Welt im Innersten<br />

zusammen? Diese<br />

Frage zu beantworten,<br />

<strong>ist</strong> der Zweck von Physik. Und<br />

das <strong>ist</strong> ja etwas, was uns als Menschen<br />

generell bewegt. Und <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong>sforschung<br />

im Besonderen.<br />

Der wirtschaftliche Teil meiner<br />

Laufbahn hilft mir wiederum, in<br />

meiner jetzigen Beratungstätigkeit<br />

auch anschlussfähig zu den Themen<br />

von Organisationen zu sein. Ich habe<br />

international gearbeitet und nicht nur<br />

unterschiedliche multinationale Unternehmen,<br />

<strong>sondern</strong> auch Menschen<br />

mit unterschiedlichen kulturellen<br />

Hintergründen von verschiedenen<br />

Kontinenten kennengelernt. Insofern<br />

<strong>ist</strong> mein Blickwinkel auf <strong>die</strong> Welt vielschichtig<br />

und nicht eurozentr<strong>ist</strong>isch.<br />

Dabei stelle ich mir immer <strong>die</strong> Frage,<br />

welche Inputs und Impulse für Unternehmen<br />

hilfreich sein können, <strong>die</strong> wir<br />

als <strong>Trend</strong>forscher geben. An welcher<br />

Stelle müssen wir irritieren, um das<br />

Denken innerhalb einer Organisation<br />

zu verrücken?<br />

<strong>Zukunft</strong>sforschung ohne valide Daten<br />

funktioniert nicht, richtig?<br />

Das sehe ich so. Es gibt natürlich unterschiedliche<br />

Strömungen und <strong>Trend</strong>s<br />

in der <strong>Zukunft</strong>sforschung. Wenn man<br />

versucht, bestimmte gesellschaftliche<br />

Zusammenhänge zu verstehen, funktioniert<br />

das nur faktenbasiert aus der<br />

D<strong>ist</strong>anz. Schauen Sie sich <strong>die</strong> allseits<br />

bekannten Megatrends an. Wir schauen<br />

hier auf global sichtbare Entwicklungen,<br />

<strong>die</strong> wir über viele Jahre, im Idealfall<br />

über Jahrzehnte, hinweg beobachten<br />

können.<br />

Außerdem kommt es auch immer auf<br />

den spezifischen Blickwinkel auf <strong>die</strong><br />

<strong>Zukunft</strong> an. Eine meiner engsten<br />

‣<br />

7


Foto: kantver / Fotolia.com<br />

#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Kolleginnen <strong>ist</strong> Ernährungswissenschaftlerin.<br />

Sie beschäftigt sich daher<br />

mit Landwirtschaft, Ernährungstrends<br />

und <strong>Nachhaltigkeit</strong>. In Verbindung mit<br />

meiner Unternehmens- und Organisationsperspektive<br />

könnte eine gemeinsame<br />

Schnittstelle unserer Arbeit zum<br />

Beispiel <strong>die</strong> Frage sein, wie künftig<br />

Kantinen in Unternehmen aussehen?<br />

Wie und was wird gegessen? Sind sie<br />

angesichts von Homeoffice überhaupt<br />

noch notwendig?<br />

Da ich mich insbesondere mit der Entwicklung<br />

der Arbeit beschäftige, spielt<br />

für mich auch das Thema Konnektivität<br />

eine entscheidende Rolle. Natürlich<br />

verbirgt sich dahinter der <strong>Trend</strong> der<br />

Digitalisierung. Gemeint <strong>ist</strong> aber etwas<br />

Größeres.<br />

Das wäre?<br />

Wie sind wir miteinander verbunden?<br />

Aus kultureller Perspektive etwa. Dabei<br />

sind dann Fragen zur Globalisierung<br />

relevant. Auch der Demografie-Faktor<br />

<strong>ist</strong> zu berücksichtigen, weil wir auf eine<br />

sich verändernde Gesellschaftsstruktur<br />

treffen. Oder etwas, das wir Gender<br />

Shift nennen. Das Geschlecht wird<br />

weniger verbindlich, was wiederum<br />

für <strong>die</strong> Wirtschaft und <strong>die</strong> Gesellschaft<br />

insgesamt weitreichende Folgen haben<br />

wird.<br />

In reiferen Gesellschaften verspüren<br />

Menschen den Wunsch, dass <strong>die</strong> Welt<br />

sich um sie drehen möge und nicht<br />

umgekehrt. Wir nennen das dann<br />

Individualisierung als Strömung. Dieses<br />

Phänomen hat seinen Ursprung in der<br />

Aufklärung und verstärkt sich in unserer<br />

Konsumgesellschaft immer mehr.<br />

Es gibt Methoden, sich systematisch<br />

mit der Entwicklung von Gesellschaften,<br />

Branchen oder Unternehmen auseinanderzusetzen.<br />

Etwa <strong>die</strong> Szenariotechnik.<br />

Wie funktioniert das?<br />

Der erste Schritt <strong>ist</strong>, nach schwachen<br />

Signalen des Wandels Ausschau zu<br />

halten. Das sind etwa <strong>die</strong> Nachrichten,<br />

<strong>die</strong> weit hinten rangieren und <strong>die</strong> man<br />

schnell überliest. Fünf Jahre später<br />

würde man aber denken, warum wurde<br />

<strong>die</strong>se Meldung nicht prominenter platziert.<br />

Bei der Suche nach schwachen<br />

Signalen des Wandels merkt man, dass<br />

man davon Unzählige findet; unstrukturiert<br />

und zum Teil auch in sich widersprüchlich.<br />

Der zweite Schritt <strong>ist</strong> dann Ordnung<br />

und Struktur in <strong>die</strong> Fülle von Signalen<br />

und Widersprüchlichkeiten zu bringen,<br />

<strong>die</strong>se zu gewichten und aus unterschiedlichen<br />

Sektoren miteinander<br />

zu kombinieren. Beispielsweise ein<br />

<strong>Zukunft</strong>ssignal aus dem Bereich der<br />

Wirtschaft mit einem <strong>Zukunft</strong>ssignal<br />

aus dem Sektor Gesellschaftspolitik.<br />

Aus der Kombination kann vielleicht<br />

etwas Größeres entstehen und es zeigt<br />

sich eine <strong>Zukunft</strong>sgeschichte.<br />

Der dritte Schritt <strong>ist</strong>, <strong>die</strong>ses Phänomen<br />

in unterschiedlichen Varianten zu<br />

denken und zu bewerten. Das <strong>ist</strong> der<br />

eigentliche Kern der Szenariotechnik.<br />

Wie könnte etwa eine Nachrichtensendung<br />

aus dem Jahr 2030 für Szenario<br />

1, 2 oder 3 aussehen? Welche Schlagzeilen<br />

und Bilder gibt es? Mit welchen<br />

Werkzeugen werden wir arbeiten? Was<br />

wird in der Schule gelehrt? Dafür gibt<br />

es unzählige Fragen. Im vierten Schritt<br />

werden dann konkrete Ableitungen für<br />

<strong>die</strong> Praxis derjenigen gebildet, <strong>die</strong> sich<br />

eine bestimmte <strong>Zukunft</strong>sfrage gestellt<br />

haben.<br />

Seit mittlerweile einem Jahrzehnt schlittern<br />

wir als Gesellschaft unvorbereitet<br />

von einer Krise in <strong>die</strong> nächste. Entweder<br />

funktioniert <strong>die</strong> von Ihnen beschriebene<br />

Methode nicht oder <strong>die</strong> Entscheiderinnen<br />

und Entscheider hören nicht auf<br />

<strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong>sforschung. Was läuft da<br />

schief?<br />

[lacht] Das Geschäft des <strong>Zukunft</strong>sforschers<br />

<strong>ist</strong> es nicht, <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong> vorherzusagen.<br />

Das <strong>ist</strong> ein großer Irrtum.<br />

Unsere Idee <strong>ist</strong> es, systematisch <strong>die</strong><br />

Möglichkeiten aufzuzeigen und Organisationen<br />

und Gesellschaften fit für <strong>die</strong><br />

<strong>Zukunft</strong> zu machen. Es wäre furchtbar,<br />

wenn wir vorhersagen könnten, wie <strong>die</strong><br />

„<br />

Das Geschäft<br />

des <strong>Zukunft</strong>sforschers<br />

<strong>ist</strong> es nicht,<br />

<strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong><br />

vorherzusagen.<br />

Das <strong>ist</strong> ein<br />

großer Irrtum.<br />

8


<strong>Zukunft</strong><br />

Welt 2040 aussieht. Denn dann würde<br />

<strong>die</strong> Entwicklung bereits feststehen,<br />

unabhängig von unseren Entscheidungen.<br />

Aber unsere Entscheidungen, <strong>die</strong><br />

wir jeden Tag im Persönlichen, in der<br />

Politik, in der Wirtschaft et cetera treffen,<br />

machen ja gerade <strong>die</strong> Entwicklung<br />

der Welt aus. Daher lautet <strong>die</strong> entschei-<br />

dende Frage: Welche Vorstellung habe<br />

ich von der <strong>Zukunft</strong> und in welche<br />

Richtung sollen meine Entscheidungen<br />

gehen?<br />

Das, was in den vergangenen Jahren<br />

schiefgelaufen <strong>ist</strong>, <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Verabschiedung<br />

von dem Gestaltungswillen der<br />

<strong>Zukunft</strong>. Momentan fokussieren sich<br />

<strong>die</strong> Verantwortlichen auf naheliegende<br />

Themen und versuchen, den Status quo<br />

aufrechtzuerhalten, was beklagenswert<br />

<strong>ist</strong>. Nach dem Motto: ‚Das, was uns in<br />

der Vergangenheit erfolgreich gemacht<br />

hat, wird uns auch zukünftig erfolgreich<br />

machen.‘<br />

‣<br />

9


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

„<br />

Ein besserer Denkansatz wäre,<br />

<strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong> von der <strong>Zukunft</strong><br />

her zu denken.<br />

Ein besserer Denkansatz wäre, <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong><br />

von der <strong>Zukunft</strong> her zu denken.<br />

Was meinen Sie damit?<br />

Nehmen wir das Jahr 2050. Ich könnte<br />

eine Wunschvorstellung über <strong>die</strong> Beschaffenheit<br />

meiner Gemeinde, meiner<br />

Region, meines Bundeslandes et cetera<br />

entwickeln und mir dann <strong>die</strong> Frage stellen:<br />

Welche gegenwärtigen Maßnahmen<br />

muss ich treffen, um <strong>die</strong>ser Wunschvorstellung<br />

näherzukommen? Das hat<br />

etwas mit Vision und Vorstellungskraft<br />

zu tun. Diesen Auftrag müssen<br />

Verantwortliche le<strong>ist</strong>en. Es <strong>ist</strong> nicht ihre<br />

Aufgabe, <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong> zu erdulden oder<br />

sich zu fragen, wie man sich bestmöglich<br />

in der <strong>Zukunft</strong> bewähren, <strong>sondern</strong><br />

wie man sie stattdessen gestalten kann.<br />

Und das <strong>ist</strong> in der Vergangenheit zu<br />

wenig passiert.<br />

15-Minuten-Städte, <strong>die</strong> smart und ‚grün‘<br />

sind, CO2-neutrale Produktionsprozesse,<br />

Verkehrs- und Wärmewende:<br />

Visionen von einer nachhaltigen <strong>Zukunft</strong><br />

gibt es zur Genüge. Entsprechende<br />

Zielvorgaben bis 2045 untermauern den<br />

Anspruch. Wie real<strong>ist</strong>isch sind sie?<br />

Damit aus <strong>die</strong>sen Visionen und Zielvorstellungen<br />

auch Realität wird, braucht<br />

es zwei Dinge: Das Erste <strong>ist</strong>, tatsächlich<br />

Entscheidungen und Handlungen<br />

daraus abzuleiten. Aus politischer<br />

Perspektive heißt das, dass wir Gesetze,<br />

Regeln und Vorgaben gemäß <strong>die</strong>ser<br />

Vision anpassen müssen. Wir können<br />

uns den Traum von einer CO 2<br />

-neutralen<br />

Lebensweise in einer intakten, gesunden<br />

Umwelt wochen- und jahrelang ausmalen.<br />

Solange wir nichts an unserem<br />

Verhalten ändern, sind das nur hohle<br />

Phrasen. Der zweite entscheidende<br />

Faktor <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Kommunikation. Es muss<br />

klar sein, warum meine <strong>Zukunft</strong>svision<br />

lohnenswert <strong>ist</strong>. Nur so sind <strong>die</strong> Entscheidungen,<br />

<strong>die</strong> daraufhin fallen, für<br />

<strong>die</strong> Gesellschaft nachvollziehbar und<br />

akzeptierbar.<br />

Beim Thema <strong>Nachhaltigkeit</strong> kommunizieren<br />

Verantwortliche nicht gut<br />

genug. Kälter duschen, weniger Urlaub,<br />

Fleischverzicht: Anstatt defizitär darüber<br />

zu sprechen und nur zu thematisieren,<br />

was alles wegfallen wird, sollten<br />

<strong>die</strong> Vorteile einer nachhaltigen Lebensweise<br />

und welcher Gewinn damit<br />

verbunden <strong>ist</strong>, benannt werden.<br />

Beim Thema Individualverkehr etwa<br />

bekommen wir in Deutschland gleich<br />

Schnappatmung, wenn es darum geht,<br />

<strong>die</strong> Freiheiten der Autofahrerinnen und<br />

Autofahrer zu begrenzen …<br />

Das <strong>ist</strong> bei uns in Österreich nicht anders.<br />

Aber anstatt darauf rumzureiten,<br />

dass in einem automobilen Kontext <strong>die</strong><br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong>sziele nicht zu erreichen<br />

sind, sollte man positive Aspekte<br />

betonen und mit lohnenden Bildern<br />

arbeiten: ,Stell dir doch mal vor, wie<br />

lebenswert es wäre, wenn dein Kind in<br />

einer Stadt auf <strong>die</strong> Straße laufen und<br />

spielen könnte, umgeben von vielen<br />

Bäumen und Pflanzen; mit genügend<br />

Platz und wenig Lärm.‘ Den Gesellschaften<br />

<strong>ist</strong> nicht damit geholfen, wenn<br />

dauernd Partikularinteressen nachgegeben<br />

und nicht konsequent genug<br />

gehandelt wird.<br />

Transparenz <strong>ist</strong> allerdings auch notwendig.<br />

Denn leicht wird der Wandel in<br />

Richtung <strong>Nachhaltigkeit</strong> nicht.<br />

,Die Wahrheit <strong>ist</strong> dem Menschen<br />

zumutbar‘, wie Ingeborg Bachmann<br />

so treffend gesagt hat. Es <strong>ist</strong> Unsinn,<br />

wenn Politikerinnen und Politiker den<br />

Menschen Sand in <strong>die</strong> Augen streuen<br />

und verkünden, dass weniger Plastiktüten<br />

und Lichtsparen reichen, um <strong>die</strong><br />

nachhaltige Wende zu schaffen. Die Vergangenheit<br />

hat gezeigt, dass Menschen<br />

und soziale Systeme sehr wohl in der<br />

Lage sind, gravierende Veränderungen<br />

zu me<strong>ist</strong>ern.<br />

Wenn man aus der <strong>Zukunft</strong> zurückschaut,<br />

dann fällt einem in manchen<br />

Bereichen <strong>die</strong> Absurdität der damaligen<br />

10


<strong>Zukunft</strong><br />

Gegenwart auf, <strong>die</strong> wir aber aus der<br />

Gegenwart heraus nicht wahrgenommen<br />

haben. Gerade bei technischen<br />

Dingen <strong>ist</strong> das leicht nachzuvollziehen.<br />

Können Sie sich noch an Floppy Disks<br />

oder Modems erinnern? Oder <strong>die</strong> ersten<br />

Mobiltelefone? Vor 30 Jahren waren <strong>die</strong><br />

noch ein Luxusgut und heute besitzt<br />

in unserer Gesellschaft fast jeder ein<br />

Smartphone.<br />

So wird es uns auch gehen, wenn wir in<br />

<strong>Zukunft</strong> auf den Individualverkehr zurückschauen:<br />

,Stell dir mal vor, noch im<br />

Jahr 2020 haben wir einen endlichen<br />

Rohstoff aus einem fernen Land per<br />

Bohrung gefördert, ihn dann mit Tankerschiffen<br />

um <strong>die</strong> ganze Welt geschippert,<br />

danach in kleine Tanks verladen,<br />

um damit dann Autos an einer Tankstelle<br />

zu befüllen. Die Automotoren hatten<br />

einen Wirkungsgrad von maximal 30<br />

Prozent und <strong>die</strong> restlichen 70 Prozent<br />

sind als Abwärme unter Schadstoffbelastung<br />

in <strong>die</strong> Umwelt gegangen.‘<br />

Wir müssen uns <strong>die</strong> Absurdität unserer<br />

aktuellen Wirtschaftsweise ganz plakativ<br />

vor Augen führen. Auf <strong>die</strong>se Weise<br />

wird <strong>die</strong> Notwendigkeit einer nachhaltigen<br />

<strong>Zukunft</strong> deutlich.<br />

Lassen Sie uns nun <strong>die</strong> gesamtgesellschaftliche<br />

Ebene verlassen und<br />

konkret über Unternehmen sprechen: 50<br />

Prozent der ‚Fortune Global 500‘-Unternehmen,<br />

<strong>die</strong> vor 20 Jahren ex<strong>ist</strong>ierten,<br />

sind verschwunden; <strong>die</strong> Lebenserwartung<br />

multinationaler Unternehmen sinkt<br />

stetig. Sie selbst beraten Unternehmen<br />

in <strong>Zukunft</strong>sfragen. Wie gehen Sie vor,<br />

wenn Sie merken, ein Unternehmen <strong>ist</strong><br />

nicht zukunftsfähig?<br />

Das passiert ja graduell. Sollte ein<br />

Unternehmen nicht zukunftsfähig sein,<br />

braucht es einen Konkursrichter und<br />

<strong>kein</strong>en beratenden <strong>Trend</strong>forscher mehr.<br />

Bevor es so weit <strong>ist</strong>, kann ein Unternehmen<br />

aus unterschiedlichen Gründen<br />

in Schieflage geraten. Entweder <strong>ist</strong> das<br />

Geschäftsmodell für <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong> nicht<br />

mehr tragfähig. Oder <strong>die</strong> Unternehmenskultur<br />

<strong>ist</strong> in der Vergangenheit<br />

steckengeblieben und wird in <strong>die</strong>ser<br />

Form Adaptionen brauchen. Vielleicht<br />

<strong>ist</strong> dabei auch das handelnde Personal<br />

nicht einsichtig und bereit für Veränderungen.<br />

In den me<strong>ist</strong>en Fällen <strong>ist</strong> es eine Gemengelage<br />

unterschiedlicher Faktoren,<br />

<strong>die</strong> einen Veränderungsprozess im Unternehmen<br />

notwendig machen. Das <strong>ist</strong><br />

aus Sicht der <strong>Trend</strong>- und Strategieberatung<br />

der schönste Zeitpunkt der Arbeit,<br />

weil sich daraus tatsächlich noch Veränderungsmöglichkeiten<br />

ergeben. Wenn<br />

eine gewisse Einsicht herrscht, ‣<br />

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11


„<br />

#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Wenn mich eine<br />

Organisation um<br />

Unterstützung<br />

bittet, <strong>ist</strong> es nicht<br />

meine Aufgabe,<br />

ihnen zu<br />

schmeicheln.<br />

Foto: Alexander Limbach / stock.adobe.com<br />

dass es ohne Veränderung nicht weitergeht,<br />

<strong>ist</strong> es meine Aufgabe, hier <strong>die</strong><br />

Unternehmen ein Stück des Weges zu<br />

begleiten. Es geht dann darum, strukturiert<br />

und systematisch Perspektiven zu<br />

eröffnen, zu irritieren und Inspiration<br />

zu stiften, in welche Richtung sich der<br />

Betrieb entwickeln könnte.<br />

Sie arbeiten nach dem Leitspruch ‚Klarheit<br />

vor Harmonie‘. Was bedeutet das?<br />

Wenn mich eine Organisation um<br />

Unterstützung bittet, <strong>ist</strong> es nicht meine<br />

Aufgabe, ihnen zu schmeicheln. Das<br />

wäre herausgeschmissenes Geld. Ich<br />

muss stattdessen das Augenmerk auf<br />

Dinge richten, <strong>die</strong> ich als Außenstehender<br />

– ich kenne mich ja nur in seltenen<br />

Fällen in den jeweiligen Branchen so<br />

gut aus, wie <strong>die</strong> Menschen der Unternehmen,<br />

<strong>die</strong> darin arbeiten – nicht<br />

verstehe und <strong>die</strong> mir unlogisch erscheinen.<br />

Und dann geht es darum, in einem<br />

positiv formulierten Streitgespräch<br />

neue Wege aufzuzeigen und Kritik in<br />

anschlussfähiger Weise zu üben.<br />

Für einen konstruktiven Dialog <strong>ist</strong> es<br />

dabei wichtig, dass mein Gegenüber<br />

nicht gleich in einen Verteidigungsmodus<br />

wechselt, <strong>sondern</strong> offen und<br />

neugierig gegenüber meinen Fragen<br />

und Anmerkungen <strong>ist</strong>. Um auf den Ausgangpunkt<br />

unseres Gesprächs zurückzukommen:<br />

Wenn ich in der Physik ein<br />

Phänomen vorfinde, dass mit meinem<br />

Weltbild nicht übereinstimmt, muss der<br />

Grund nicht unbedingt ein Messfehler<br />

sein [lacht].<br />

Welche Unternehmen sind Ihrer Erfahrung<br />

nach am schwierigsten zu beraten?<br />

Ab und an sind Betriebe mit einer<br />

langen Erfolgsgeschichte schwieriger<br />

zu beraten. Diese haben <strong>die</strong> Tendenz,<br />

Erfolg zu perpetuieren, also das, was<br />

sie in der Vergangenheit erfolgreich<br />

gemacht hat, in <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong> fortzuschreiben.<br />

Und dann bestenfalls durch<br />

mehr Le<strong>ist</strong>ung im Ex<strong>ist</strong>ierenden den<br />

Erfolg sicherzustellen. Diesen Effekt<br />

nennt man Linearismus, also linear in<br />

<strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong> zu denken.<br />

Schaut man sich beispielsweise das<br />

neueste iPhone an und vergleicht es<br />

mit dem Ersten, stellt man fest, dass<br />

sich <strong>die</strong> Geräte sehr ähneln – auch<br />

wenn sich <strong>die</strong> Le<strong>ist</strong>ung verbessert hat<br />

und <strong>die</strong> neuen Modelle eleganter sind.<br />

12


<strong>Zukunft</strong><br />

dass uns <strong>die</strong>ser Teil der Technologie<br />

Arbeit abnimmt, für <strong>die</strong> wir ohnehin<br />

nicht gut sind und <strong>die</strong> uns <strong>kein</strong>en Spaß<br />

macht wie ,dröge‘ Routinetätigkeiten.<br />

Und wozu braucht man uns Menschen<br />

dann noch?<br />

Für innovative Arbeitsle<strong>ist</strong>ung: Wenn<br />

etwa <strong>die</strong> Klimawende wirklich gelingen<br />

soll, dann brauchen wir ganz neue Herangehensweisen<br />

an Geschäftsmodelle,<br />

ganz neue Technologien, ganz neue<br />

Arten, <strong>die</strong> Welt zu denken. Das heißt,<br />

wir brauchen Menschen, deren Beruf es<br />

<strong>ist</strong>, kreativ und innovativ zu sein und<br />

<strong>die</strong> in der Lage sind, systematisch <strong>die</strong><br />

Welt neu zu erfinden. Das werden nicht<br />

Maschinen machen.<br />

Aber im Prinzip <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Vorstellung, wie<br />

wir mobil kommunizieren, konstant<br />

geblieben. Und so wie es jetzt funktioniert,<br />

<strong>ist</strong> es auch nach wie vor hervorragend.<br />

Aber irgendwann wird jemand<br />

kommen und eine andere Vorstellung<br />

haben und <strong>die</strong> gegenwärtige Technik<br />

ablösen.<br />

Ihr Spezialgebiet <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Entwicklung der<br />

Arbeit. Seit Corona hat sich hier bereits<br />

viel verändert. Abgesehen von Homeoffice<br />

oder ‚New Work‘: Welche großen<br />

<strong>Trend</strong>s sehen Sie hier für <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong>?<br />

Hier müssen wir auf <strong>die</strong> Veränderungstreiber<br />

schauen; am wichtigsten <strong>ist</strong> hier<br />

wohl der Faktor Demografie. Man kann<br />

heute mit <strong>kein</strong>em Unternehmen mehr<br />

sprechen, das nicht über einen generellen<br />

Arbeitskräftemangel klagt. Das<br />

<strong>ist</strong> längst nicht nur <strong>die</strong> Suche nach den<br />

wenigen Hochqualifizierten. Diese Entwicklung<br />

wird weiter voranschreiten,<br />

denn in den nächsten 20 bis 30 Jahren<br />

werden altersbedingt viele Menschen<br />

aus dem Arbeitsprozess ausscheiden.<br />

Folglich muss sich <strong>die</strong> menschliche<br />

Arbeit reduzieren.<br />

Gerade <strong>die</strong> letzten Monate haben der<br />

Öffentlichkeit gezeigt, welche enorme<br />

Sprengkraft in Systemen wie Machine<br />

Learning et cetera steckt, also in der<br />

berühmten künstlichen Intelligenz. Und<br />

da kommt jetzt <strong>die</strong> erlösende Botschaft,<br />

Gleichzeitig benötigen wir immer mehr<br />

Menschen in klassischen Sozialberufen,<br />

<strong>die</strong> andere durch den Wandel begleiten<br />

und sie dabei unterstützen, sich in<br />

einer komplexeren Welt mit vielfältigen<br />

Abhängigkeiten voneinander zurechtzufinden.<br />

Aber: Auch empathische<br />

Führungskräfte sind hier etwa gefragt,<br />

ihre Mitarbeitenden bei <strong>die</strong>sem Prozess<br />

zu begleiten. Und genau <strong>die</strong>se Eigenschaften<br />

– Schöpfungskraft, Empathie<br />

und soziales Verhalten – unterscheiden<br />

uns von Maschinen. Auch auf lange<br />

Sicht gesehen.<br />

In der Summe wird <strong>die</strong> Arbeitswelt insgesamt<br />

menschlicher werden, denn der<br />

,unmenschliche‘ Teil der Arbeit wird<br />

uns durch fortschreitende Automatisierungsprozesse<br />

abgenommen. Allerdings<br />

müssen wir uns fragen, wie <strong>die</strong>se<br />

Entwicklung mit unseren bestehenden<br />

Sozial- und Steuersystemen vereinbar<br />

<strong>ist</strong>, <strong>die</strong> derzeit auf menschliche Arbeitsle<strong>ist</strong>ung<br />

ausgelegt sind. Ein großer Teil<br />

des Steueraufkommens liegt bei uns an<br />

dem, was man Einkommenssteuer oder<br />

Lohnsteuer nennt. Wenn das aufgrund<br />

der Arbeitsmenge nicht mehr gleichermaßen<br />

funktionieren kann, müssen<br />

wir uns schnell was anderes überlegen,<br />

denn sonst bekommen wie gesellschaftliche<br />

Probleme.<br />

Vielen Dank für das Gespräch! f<br />

13


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Eintauchen in<br />

<strong>die</strong> digitale Welt<br />

Fotos: Alex from the Rock; Halfpoint; SFIO CRACHO /<br />

stock.adobe.com<br />

14


<strong>Zukunft</strong><br />

MEGATRENDS<br />

Die rasche Einführung von Digital- und Datentechnologien in jüngster Zeit hat dazu<br />

geführt, dass viele Sektoren und Organisationen innerhalb weniger Monate eine<br />

digitale Transformation im Wert von Jahren durchlaufen haben. Dies zeigt sich im<br />

Wachstum des Online-Einzelhandels, der Telearbeit, der Telemedizin, der virtuellen<br />

Bildung, der digitalen Währungen und der datengesteuerten Organisationen.<br />

Expertinnen und Experten gehen jedoch davon aus, dass <strong>die</strong>s nur <strong>die</strong> Spitze des<br />

Eisbergs <strong>ist</strong> und der größte Teil der Digitalisierung noch bevorsteht.<br />

15


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

MEGATRENDS<br />

Zunehmende<br />

Autonomie der KI<br />

16


<strong>Zukunft</strong><br />

Wir haben erstaunliche Fortschritte bei der Fähigkeit von Software und Maschinen<br />

erlebt, Probleme zu lösen und komplexe Aufgaben ohne ausdrückliche menschliche<br />

Anleitung auszuführen. Dies <strong>ist</strong> auf <strong>die</strong> anhaltenden wissenschaftlichen Durchbrüche<br />

im Bereich der künstlichen Intelligenz und <strong>die</strong> weltweiten Investitionen in<br />

technologieorientierte Forschung und Entwicklung (FuE) zurückzuführen. Heute<br />

setzen praktisch alle Industriezweige und Politikbereiche in allen Regionen der Welt<br />

zunehmend KI-Technologie ein und bauen ihre KI-Fähigkeiten aus.<br />

Fotos: Dieter Holstein; phonlamaiphoto; fotomek / stock.adobe.com<br />

17


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

KI und<br />

Corporate Digital<br />

Responsibility<br />

Foto: Prapat / stock.adobe.com<br />

Anwendungen wie ChatGPT<br />

erzeugen Unbehagen, da<br />

sie befürchten lassen, dass<br />

zahlreiche Arbeitsplätze<br />

durch den Text-Algorithmus<br />

überflüssig werden. In Bezug<br />

auf künstliche Intelligenz wird<br />

deshalb immer öfter eine<br />

verantwortungsvolle Handhabung<br />

gefordert. Allerdings<br />

steckt <strong>die</strong> Unternehmensverantwortung<br />

für digitale<br />

Belange in Deutschland noch<br />

in den Kinderschuhen.<br />

Vor einigen Wochen sorgte<br />

Microsoft mit der Ankündigung<br />

für Aufregung, dass<br />

ChatGPT in seine beliebte<br />

Suchmaschine Bing integriert wird.<br />

Diese bahnbrechende Maßnahme setzte<br />

nicht nur <strong>die</strong> Konkurrenz unter Druck,<br />

<strong>sondern</strong> auch zahlreiche Beschäftigte in<br />

den Bereichen Redaktion, Kommunikation<br />

und Kundenservice in Alarmbereitschaft.<br />

Der KI-Bot von Open AI, der von<br />

Microsoft eingesetzt wird, beeindruckt<br />

durch seine Fähigkeit, textbasierte Dialoge<br />

zu führen und Fragen von Nutzerinnen<br />

und Nutzern oder Kundinnen<br />

und Kunden zu beantworten. Ferner <strong>ist</strong><br />

er in der Lage, Texte zu generieren, <strong>die</strong><br />

aus Zeitungsartikeln, Büchern oder Online-Foren<br />

stammen.<br />

18


<strong>Zukunft</strong><br />

Die Verbreitung von Technologien, <strong>die</strong><br />

unter dem Begriff Künstliche Intelligenz<br />

bekannt sind, sorgt seitdem weltweit<br />

für hitzige Diskussionen. Dabei<br />

geht es insbesondere um <strong>die</strong> möglichen<br />

diskriminierenden Auswirkungen, intransparente<br />

Entscheidungs- und Optimierungsprozesse<br />

sowie <strong>die</strong> mögliche<br />

Reproduktion von gesellschaftlichen<br />

Ungleichheiten.<br />

Laut einer aktuellen Stu<strong>die</strong> von Sortl<strong>ist</strong>,<br />

einer Vermittlungsplattform für Agenturen<br />

und Werbungtreibende, fürchten<br />

23 Prozent der Beschäftigten in der<br />

Software- und Tech-Branche eine Jobverlust<br />

durch KI. Diese Befürchtungen sind<br />

<strong>kein</strong>esfalls unbegründet, da immerhin<br />

26 Prozent der Arbeitgeber:innen in<br />

<strong>die</strong>ser Branche tatsächlich Personalabbau<br />

durch den Einsatz von ChatGPT in<br />

Erwägung ziehen. Besonders stark von<br />

einer Personalreduzierung betroffen wären<br />

Marketing- und PR-Abteilungen, von<br />

denen über <strong>die</strong> Hälfte (51 Prozent) von<br />

einer möglichen Verschlankung ihrer<br />

Belegschaft ausgeht. Doch auch in der<br />

Finanzbranche wird das enorme Potenzial<br />

von ChatGPT von Entscheider:innen<br />

erkannt.<br />

Der AI Act der EU<br />

Das Europaparlament setzt sich seit einigen<br />

Monaten mit dem AI Act auseinander,<br />

um KI-Anwendungen zu regulieren.<br />

Ziel <strong>ist</strong> es, künstliche Intelligenz<br />

in einen Rahmen zu setzen, der ihre<br />

Möglichkeiten erweitert, ohne der Gesellschaft<br />

zu schaden. Der AI Act sieht<br />

ein Stufensystem vor, in dem <strong>die</strong> Risiken<br />

von KI-Systemen bewertet werden.<br />

Wenn eine Anwendung als hochriskant<br />

eingestuft wird, müssen Betreiber:innen<br />

Dritte zur Gefahreneinschätzung hinzuziehen<br />

und menschliche Kontrollen<br />

einführen.<br />

Außerdem sollen gewisse Sicherheitsstandards<br />

bezüglich Transparenz und<br />

Datenqualität eingehalten werden. Eine<br />

ständige Risikobewertung <strong>ist</strong> ebenfalls<br />

Pflicht. Diese Regulierungen könnten<br />

auch für textgenerierende Anwendungen<br />

wie ChatGPT gelten. Da nicht<br />

erkennbar <strong>ist</strong>, ob ein Text von einem<br />

Menschen oder einer Maschine erstellt<br />

wurde, würde der Chatbot höchstwahrscheinlich<br />

in <strong>die</strong> höchste Risikokategorie<br />

fallen und ohne Transparenz und<br />

menschliche Überprüfung nicht zulässig<br />

sein.<br />

KI für <strong>Nachhaltigkeit</strong> oder<br />

nachhaltige KI?<br />

Darüber hinaus geraten auch <strong>die</strong> Energieverbräuche<br />

und Treibhausgasemissionen<br />

in der KI-Modellentwicklung und<br />

-anwendung zunehmend in den Fokus<br />

der Öffentlichkeit. Zudem werden <strong>die</strong><br />

weitreichenden Folgen auf Arbeitsmärkte,<br />

Konsummuster sowie <strong>die</strong> Marktmacht<br />

großer Unternehmen kontrovers<br />

diskutiert.<br />

In der zunehmenden Diskussion um<br />

den Einsatz von KI-Anwendungen zur<br />

Bewältigung sozialer und ökologischer<br />

Herausforderungen, wie beispielsweise<br />

AI for Earth, AI for Social Good, Climate<br />

Change AI oder AI for Sustainable Development,<br />

liegt der Fokus auf einer<br />

instrumentellen Perspektive. Hierbei<br />

werden <strong>die</strong> Möglichkeiten der Technologie<br />

für eine nachhaltige Entwicklung<br />

besonders hervorgehoben.<br />

Die IÖW-Schriftenreihe hat dazu eine<br />

wertvolle Untersuchung unter dem Titel<br />

„<strong>Nachhaltigkeit</strong>skriterien für künstliche<br />

Intelligenz“ veröffentlicht. Darin werden<br />

<strong>die</strong> sozialen, ökologischen und ökonomischen<br />

Auswirkungen entlang des gesamten<br />

KI-Lebenszyklus und <strong>die</strong> organisatorische<br />

Einbettung <strong>die</strong>ser Systeme<br />

betrachtet. Mithilfe der vorgeschlagenen<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong>skriterien und -indikatoren<br />

soll eine systematische <strong>Nachhaltigkeit</strong>sbewertung<br />

von KI-basierten<br />

Systemen ermöglicht werden, um deren<br />

Entwicklung und Nutzung im Sinne der<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> zu fördern. Dieses Vorhaben<br />

<strong>ist</strong> von großer Bedeutung, um <strong>die</strong><br />

Ziel <strong>ist</strong> es,<br />

künstliche<br />

Intelligenz in<br />

einen Rahmen<br />

zu setzen, der ihre<br />

Möglichkeiten<br />

erweitert, ohne<br />

der Gesellschaft<br />

zu schaden.<br />

‣<br />

19


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Verantwortung von KI-Systemen zu gewährle<strong>ist</strong>en<br />

und eine langfr<strong>ist</strong>ige <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

sicherzustellen.<br />

„Im wachsenden Diskurs um <strong>die</strong> Rolle<br />

von KI für <strong>die</strong> Erreichung der Ziele der<br />

nachhaltigen Entwicklung (SDGs) werden<br />

große Erwartungen in <strong>die</strong> Nutzung<br />

von KI-Systemen gesetzt. Zunehmend<br />

werden unter Begriffen wie AI for Earth<br />

oder AI for social Good <strong>die</strong> Potenziale<br />

von KI-Systemen zur Lösung sozialer<br />

und ökologischer Problemlagen hervorgehoben.<br />

Besondere Potenziale für <strong>die</strong><br />

Erreichung von <strong>Nachhaltigkeit</strong>szielsetzungen<br />

werden in Anwendungsfeldern<br />

wie dem Monitoring von Ökosystemen,<br />

Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft- und<br />

Ressourceneffizienz, Agrar- und Lebensmitteltechnologien<br />

oder der Energiewende<br />

(Netzsteuerung, Prognosen, Gebäude-<br />

und Energieeffizienz) gesehen“,<br />

schreiben <strong>die</strong> Autorinnen und Autoren.<br />

Die Probleme beginnen jedoch im<br />

konkreten Betrachtungsfall: In Bezug<br />

auf <strong>die</strong> Auswertung der Beiträge von<br />

KI-Systemen zur Erreichung der SDGs<br />

zum Beispiel gibt es eine beträchtliche<br />

Bewertungsschwierigkeit. Es besteht<br />

grundlegend eine Herausforderung darin,<br />

dass <strong>die</strong> Interaktionen zwischen<br />

den verschiedenen Zielen nicht eindeutig<br />

erkennbar sind und Zielkonflikte<br />

häufig unbeachtet bleiben. Es <strong>ist</strong> nicht<br />

ausreichend, allein den Einsatz von<br />

KI-Systemen in verschiedenen Sektoren<br />

zu betrachten und zu evaluieren,<br />

ob dadurch positive Auswirkungen auf<br />

bestimmte Aspekte der nachhaltigen<br />

In Bezug auf <strong>die</strong><br />

Auswertung der<br />

Beiträge von<br />

KI-Systemen zur<br />

Erreichung der<br />

SDGs zum<br />

Beispiel gibt es<br />

eine beträchtliche<br />

Bewertungsschwierigkeit.<br />

Nachhaltige KI und KI für nachhaltige Entwicklung<br />

• KI & Ethik<br />

• Design Ethik<br />

• Ethik Leitlinien<br />

• ...<br />

• Green AI<br />

• Sustainability of Al<br />

• KI im sozioökonomischen<br />

Kontext<br />

• Al for Earth<br />

• Al for Climate<br />

• Al for Good<br />

DISKURSE<br />

EINGEBETTETE PERSPEKTIVE<br />

INSTRUMENTELLE PERSPEKTIVE<br />

Nachhaltige KI (Sustainable AI)<br />

Verantwortung für soziale, ökologische<br />

und ökonomische Auswirkungen entlang<br />

des Lebenszyklus von KI-Systemen<br />

KI für <strong>Nachhaltigkeit</strong> (AI4SDG)<br />

Nutzung von Kl-Anwendungen mit dem<br />

expliziten Ziel, <strong>die</strong> Sustainable<br />

Development Goals (SDGs) zu erreichen<br />

• Gesellschaftliche Lösungen mit<br />

Unterstützung von eingebetteten<br />

Technologien<br />

• Potenziale nutzen und Risiken<br />

minimieren<br />

• verantwortliche gesellschaftliche<br />

Gestaltung von KI-Technologien<br />

• Technologische Lösungen für<br />

gesellschaftliche Herausforderungen<br />

• Technologie wird angewendet auf<br />

gesellschaftliche Probleme<br />

(sozial & ökologisch)<br />

• KI-Technologien als „neutrales"<br />

Werkzeug<br />

Quelle: IÖW – <strong>Nachhaltigkeit</strong>skriterien für künstliche Intelligenz<br />

20


<strong>Zukunft</strong><br />

Foto: Timon / stock.adobe.com<br />

Entwicklung wie etwa Klimaschutz<br />

oder Armutsbekämpfung erzielt werden<br />

können. Eine solche instrumentelle<br />

Perspektive <strong>ist</strong> zu kurz gedacht. Um fun<strong>die</strong>rte<br />

Aussagen über <strong>die</strong> Auswirkungen<br />

von KI-Systemen auf <strong>die</strong> nachhaltige<br />

Entwicklung treffen zu können, bedarf<br />

es einer umfassenden Analyse entlang<br />

des gesamten Lebenszyklus. Es gilt zu<br />

untersuchen, wie KI-Systeme in ihrer<br />

Planung, Entwicklung, Entsorgung und<br />

ihrem Einsatz <strong>die</strong> Ziele für nachhaltige<br />

Entwicklung beeinflussen und welche<br />

positiven oder negativen Effekte hierbei<br />

entstehen. Nur so können wir sicherstellen,<br />

dass der Einsatz von KI-Systemen<br />

tatsächlich zu einer nachhaltigen Entwicklung<br />

beiträgt.<br />

KI braucht klare Governance!<br />

Experten und Expertinnen sehen dringenden<br />

Handlungsbedarf in den folgenden<br />

Bereichen: Digitale Governance,<br />

bei der es um eine ordnungsgemäße<br />

Entwicklung, Nutzung und Verwaltung<br />

der Informationswelt geht. Die Auswertung<br />

von <strong>Nachhaltigkeit</strong>sberichten<br />

zeigt, dass Unternehmen in der Digitalisierung<br />

noch viele Aufgaben und Rollen<br />

im Bereich der digitalen Verantwortung<br />

entwickeln und ausfüllen müssen. Ein<br />

weiterer wichtiger Aspekt <strong>ist</strong> der Umgang<br />

mit der Machtkonzentration in der<br />

Plattformökonomie. Die Konzentration<br />

von Macht über Daten, Märkte und Infrastrukturen<br />

in den Händen weniger<br />

großer Konzerne <strong>ist</strong> ein großes Problem.<br />

Kunden und Kundinnen haben <strong>kein</strong>e<br />

Wahlmöglichkeiten und werden oft<br />

durch einseitige Verkaufsbedingungen<br />

ausgebeutet. Dies hat auch Auswirkungen<br />

auf <strong>die</strong> digitale Souveränität. In den<br />

Berichten deutscher Unternehmen wird<br />

<strong>die</strong>ser Aspekt jedoch kaum thematisiert.<br />

Schließlich sind auch digitale Formen<br />

von politischer Einflussnahme von großer<br />

Bedeutung. Unternehmen und ihre<br />

Interessenverbände können technologische<br />

Innovationen fördern, neue digitale<br />

Regulierungen beeinflussen und digitale<br />

Möglichkeiten für das Lobbying nutzen.<br />

Es <strong>ist</strong> wichtig, dass Unternehmen Verantwortung<br />

für eine verantwortungsvolle<br />

Gestaltung der Digitalisierung übernehmen<br />

und sich aktiv an politischen<br />

Diskussionen beteiligen. Allerdings <strong>ist</strong><br />

<strong>die</strong> Berichterstattung über Aktivitäten<br />

der politischen Interessenvertretung in<br />

den Berichten generell eher lückenhaft<br />

und sollte verbessert werden. f<br />

Friederike Rohde u.a. (Hrsg):<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong>skriterien für<br />

künstliche Intelligenz, Schriftenreihe<br />

des IÖW 220 / 21, S. 21.<br />

21


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

DIGITALI-<br />

SIERUNG<br />

2023<br />

Aus welchen <strong>Trend</strong>s<br />

<strong>ist</strong> was geworden?<br />

Foto: 3dkombinat / stock.adobe.com<br />

22


<strong>Zukunft</strong><br />

Zum Jahresende geben<br />

führende Marktforschungsunternehmen<br />

regelmäßig <strong>die</strong><br />

Top-<strong>Trend</strong>s der Digitalisierung<br />

für das kommende Jahr<br />

bekannt. Aber welche<br />

Entwicklungen haben sich<br />

nun tatsächlich als relevant<br />

erwiesen und welche nicht?<br />

Die SRH Fernhochschule –<br />

The Mobile University hat<br />

das Update aus Praxis,<br />

Forschung und Lehre.<br />

Was interessieren mich meine<br />

Prognosen von neulich? Keine<br />

Sorge, <strong>die</strong> großen Player unter<br />

den Tech- und Digitalisierungs-Propheten<br />

geben in ihren <strong>Trend</strong>l<strong>ist</strong>s wohlüberlegte<br />

und fun<strong>die</strong>rte Prognosen ab. Aber<br />

<strong>Trend</strong>s unterliegen nun einmal rapiden<br />

Veränderungen, das betonen Unternehmen<br />

wie Gartner oder Forrester selbst,<br />

wenn sie ihre Einschätzungen veröffentlichen.<br />

Ein „rosa Elefant“ steht allerdings<br />

zuverlässig im Raum, wenn es<br />

um <strong>die</strong> nahe <strong>Zukunft</strong>, nicht nur in den<br />

digitalen Branchen, geht: <strong>die</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong>.<br />

Angesichts vielfältiger Umwelt- und<br />

Energieprobleme wird digitale Evolution<br />

ohne nachhaltige Grundlagen nicht<br />

mehr möglich sein. Nachhaltig zu wirtschaften<br />

und zu handeln, <strong>ist</strong> praktisch<br />

obligatorisch geworden, nicht nur in<br />

den digitalen Branchen. Das bringt<br />

Herausforderungen mit sich, aber vor<br />

allem auch Chancen. Diese Erkenntnis<br />

<strong>ist</strong> bei vielen Unternehmen tatsächlich<br />

angekommen, sie investieren massiv in<br />

Green IT. Dabei soll <strong>die</strong> Technik selbst<br />

umwelt- und ressourcenschonender<br />

werden und gleichzeitig andere Unternehmenbereiche<br />

grüner machen. Beispiel<br />

Smart Grids – intelligente Netze,<br />

<strong>die</strong> helfen, Strom effizienter zu verteilen<br />

und nutzen.<br />

Everything everywhere all at once<br />

Das spart idealerweise Energie und Ressourcen.<br />

Beispiel: Umfassende Cloud-Lösungen,<br />

<strong>die</strong> natürlich industriellen Anforderungen<br />

gerecht werden müssen,<br />

wenn Unternehmen mehr und mehr Essentielles<br />

nur noch remote nutzen. Das<br />

Kürzel XaaS bringt den <strong>Trend</strong> auf den<br />

Punkt: Everything as a Service – Anwendungen,<br />

Datenbanken, Plattformen,<br />

Infrastruktur. Immer wichtiger wird<br />

in dem Zusammenhang <strong>die</strong> Resilienz,<br />

das heißt <strong>die</strong> Widerstands- und Anpassungsfähigkeit<br />

solcher Systeme. Firmen<br />

bevorzugen deshalb zunehmend lokale<br />

Lösungen, zum Beispiel Dienstle<strong>ist</strong>er,<br />

deren Server in Europa stehen anstatt in<br />

Übersee.<br />

Milliardengrab Metaverse? Erst einmal<br />

<strong>die</strong> Super-Apps!<br />

Auch wenn sich Facebook-Gründer<br />

Mark Zuckerberg viel Kritik gefallen<br />

lassen muss – <strong>die</strong> Expertinnen und<br />

Experten haben den Glauben an sein<br />

Metaverse noch lange nicht verloren.<br />

Dennoch bleibt es bis auf Weiteres bei<br />

reiner Neugier, selbst Optim<strong>ist</strong>:innen<br />

raten noch zum Beobachten und nicht<br />

zum Investieren. 2023 wird sich das<br />

nicht ändern. Anders bei den sogenannten<br />

Super-Apps: Diese etablieren sich,<br />

wenn auch weitgehend geräuschlos. Super-Apps<br />

sollen <strong>die</strong> bekannten Funktionen<br />

einer App mit denen einer Plattform<br />

samt eigenem Ökosystem verbinden.<br />

Die Idee: Mini-Apps von Dritten können<br />

integriert werden und so den Funktionsumfang<br />

erweitern. Eine logische Evolutionsstufe<br />

des App-Prinzips, <strong>die</strong> bereits<br />

vollzogen wird.<br />

Dieser Text wurde (noch nicht) mit<br />

ChatGPT verfasst<br />

Künstliche Intelligenz trendet seit Jahren<br />

– nicht ohne Grund. Doch selbst <strong>die</strong><br />

Expertinnen und Experten hatten einen<br />

Paukenschlag, wie er mit dem Textprogramm<br />

ChatGPT jüngst gelungen <strong>ist</strong>,<br />

wohl nicht erwartet. Die Software <strong>ist</strong><br />

nicht <strong>die</strong> erste ihrer Art, schreibt aber als<br />

erste verblüffend lesbare Texte auf Basis<br />

minimaler Vorgaben. Faszinierend, aber<br />

manchen auch unheimlich. Die Branche<br />

tut also gut daran, Akzeptanz für <strong>die</strong><br />

KI zu verbessern. Der Ansatz hat einen<br />

Namen – AI TRiSM – (A)rtificial (I)ntelligence<br />

(T)rust, (Ri)sk, & (S)ecurity (M)<br />

anagement, zu Deutsch das Vertrauens-,<br />

Risiko- und Sicherheitsmanagement<br />

künstlicher Intelligenz – und <strong>ist</strong> selbst<br />

zum <strong>Trend</strong> geworden.<br />

Ein „<strong>Trend</strong>“, den niemand braucht …<br />

… wird auf absehbare Zeit der Fachkräftemangel<br />

bleiben. An der SRH Fernhochschule<br />

sind <strong>die</strong> Möglichkeiten, sich<br />

für digitale Branchen zu qualifizieren,<br />

vielfältig und State of the Art. Schon das<br />

Studium an der Mobile University führt<br />

Stu<strong>die</strong>rende an digitale Arbeitswelten<br />

heran, jenseits von Präsenzveranstaltungen<br />

und analogen Bibliotheken. Doch<br />

interessieren sich noch immer zu wenige<br />

Stu<strong>die</strong>rende für <strong>die</strong>se Fächer. Um das<br />

zu ändern, müsste bereits an den Schulen<br />

mehr getan werden in Sachen Digitalisierung.<br />

Aber das <strong>ist</strong> in Deutschland<br />

leider nach wie vor nicht im <strong>Trend</strong>. f<br />

23


GRÜNE KI<br />

als ökologischer<br />

Wettbewerbsvorteil für Europa<br />

Foto: Mongta Studio / stock.adobe.com<br />

Emissionsarme Mobilität, klimafreundliche Energieversorgung, saubere Industrieproduktion<br />

oder optimierte Kreislaufwirtschaft – KI kann auf vielfältige Weise zum Klimaschutz beitragen.<br />

Gleichzeitig gehen <strong>die</strong> Entwicklung und der Einsatz der KI-Systeme häufig selbst mit einem<br />

hohen Ressourcenverbrauch einher. Wo <strong>die</strong> Technologie ihr Potenzial am besten entfalten kann<br />

und was zu tun <strong>ist</strong>, um den ökologischen Fußabdruck von KI-Anwendungen gering zu halten,<br />

erklärt Oliver Zielinski, Leiter des Kompetenzzentrums KI für Umwelt und <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

(DFKI4planet) und Mitglied der Plattform Lernende Systeme, im Interview.<br />

24


<strong>Zukunft</strong><br />

<strong>UmweltDialog</strong>: Künstliche Intelligenz<br />

(KI) kann auf vielfältige Weise zum<br />

Klimaschutz beitragen. In welchen Bereichen<br />

sehen Sie das größte Potenzial<br />

der Technologie im Kampf gegen den<br />

Klimawandel?<br />

Oliver Zielinski: KI <strong>ist</strong> ein Werkzeug,<br />

um Wissen zu generieren, Effizienz zu<br />

steigern und Prozesse zu automatisieren.<br />

Neben Mobilität, Energieversorgung,<br />

Industrie und Kreislaufwirtschaft<br />

kann <strong>die</strong> Technologie insbesondere im<br />

Gebäudemanagement sowie in der<br />

Agrarwirtschaft ihr großes Potenzial<br />

für klima- und umweltförderliche Innovationen<br />

entfalten. Diese Bereiche weisen<br />

einen höheren Digitalisierungs-Reifegrad<br />

auf. Diese ‚digital readiness‘ <strong>ist</strong><br />

wichtig, wenn man <strong>die</strong> Möglichkeiten<br />

der KI schnell wirkungsvoll nutzen will,<br />

da künstliche Intelligenz sowohl einen<br />

technologischen Überbau als auch eine<br />

entsprechende Bereitschaft der Beteiligten<br />

benötigt.<br />

Wichtig <strong>ist</strong> generell <strong>die</strong> Frage: Wieviel<br />

Effizienz lässt sich durch KI innerhalb<br />

<strong>die</strong>ser Bereiche überhaupt erzielen?<br />

Experten gehen hier von zehn bis 30<br />

Prozent aus, beispielsweise durch<br />

<strong>die</strong> Verbesserung von Prozessen,<br />

<strong>die</strong> Verkürzung von Wegen und <strong>die</strong><br />

Optimierung des Rohstoffeinsatzes.<br />

Ein Bereich, in dem ich langfr<strong>ist</strong>ig<br />

<strong>die</strong> Möglichkeit sehe, noch deutlich<br />

weiterzukommen, <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Kreislaufwirtschaft.<br />

Die bisherigen Erfolge sind hier<br />

mit Blick auf <strong>die</strong> globalen Stoffströme<br />

eher bescheiden, auch weil sich der für<br />

eine durchgehende Wiedernutzung von<br />

Produkten und Rohstoffen benötigte<br />

Aufwand wirtschaftlich nicht lohnt. KI<br />

kann <strong>die</strong>se Prozesse auf allen Ebenen<br />

unterstützen, gezielt Informationen<br />

über Produkte bereitstellen, deren<br />

Wiedernutzbarkeit verbessern und<br />

arbeitsintensive Prozesse automatisieren<br />

– trotz der hohen Komplexität der<br />

Aufgaben.<br />

Der hohe Energieverbrauch von KI-<br />

Systemen wird viel diskutiert. Wie sieht<br />

‚grüne KI‘ aus?<br />

Wir brauchen mehr <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

durch KI und mehr <strong>Nachhaltigkeit</strong> in<br />

der KI. Der Begriff ‚grüne KI‘ orientiert<br />

sich an der von Roy Schwartz und<br />

Co-Autoren im Jahr 2020 publizierten<br />

Arbeit zu ‚Green AI‘ und dem dort formulierten<br />

Anspruch, dass grüne KI ihren<br />

eigenen ökologischen Fußabdruck<br />

verringert und Inklusion befördert.<br />

Ressourceneffizienz <strong>ist</strong> der Schlüsselbegriff,<br />

das heißt ein möglichst<br />

geringer Einsatz von Material und<br />

Energie, und zwar über den gesamten<br />

Lebenszyklus von KI-Methoden. Dazu<br />

zählt auch <strong>die</strong> offene Bereitstellung<br />

von annotierten Daten und vortrainierten<br />

beziehungsweise voroptimierten<br />

Modellen, um deren hohe Wiederverwendbarkeit<br />

zu fördern und Akteuren<br />

mit schlechterem Zugang zu Wissensund<br />

Recheninfrastrukturen Teilhabe zu<br />

ermöglichen. Mit dem zunehmenden<br />

Einsatz intelligenter Endgeräte werden<br />

auch KI-Modelle immer öfter direkt<br />

vor Ort bei den Nutzern betrieben.<br />

Aufgrund der sehr hohen Stückzahl<br />

solcher ‚AI-of-Things‘-Systeme müssen<br />

nun auch der individuelle Energieund<br />

Rohstoffbedarf jedes einzelnen<br />

Systems, dessen Nutzungsdauer sowie<br />

<strong>die</strong> Wiederverwendbarkeit beachtet<br />

werden. Grüne KI geht also über den<br />

reinen Energieverbrauch hinaus und<br />

unterscheidet sich von der Diskussion<br />

um den Betrieb von großen Rechenzentren<br />

mit regenerativen Energien.<br />

Was <strong>ist</strong> zu tun, damit <strong>die</strong> ökologische<br />

Bilanz des KI-Einsatzes im Auftrag des<br />

Klimaschutzes positiv ausfällt?<br />

Einiges wird bereits gemacht, aber das<br />

reicht noch nicht aus. Gerade in der<br />

Forschungsförderung haben verschiedene<br />

Bundesmin<strong>ist</strong>erien – BMUV,<br />

BMBF, BMWK – Programme entwickelt<br />

und veröffentlicht, <strong>die</strong> Grundlagen<br />

schaffen und in exemplarische Anwendungen<br />

überführen. Diese Vorhaben<br />

werden gerne als Leuchttürme bezeichnet.<br />

Das <strong>ist</strong> ein Anfang, aber wir<br />

brauchen ein ganzes Lichtermeer: Erfolgreiche<br />

Ansätze müssen in <strong>die</strong> Breite<br />

gebracht werden. Dazu <strong>ist</strong> gesellschaftliche<br />

Akzeptanz notwendig, rechtliche<br />

Rahmenbedingungen und nicht zuletzt<br />

Investoren. Breitere Akzeptanz <strong>ist</strong><br />

erreichbar durch Partizipation und<br />

Transparenz, auch und gerade in der<br />

oft emotional geführten KI-Debatte.<br />

Rechtsrahmen und Normen helfen,<br />

ökologische <strong>Nachhaltigkeit</strong> zum Standard<br />

zu machen, was wiederum auch<br />

positive Impulse für <strong>die</strong> Finanzierung<br />

von neuen Geschäftsmodellen und<br />

Unternehmungen gibt. Am Ende kann<br />

Grüne KI so zum Qualitätssiegel für klimaförderliche<br />

KI-Technologien werden<br />

und gleichzeitig zu einem ökologischen<br />

Wettbewerbsvorteil für Europa.<br />

Lernende Systeme<br />

Die Plattform für Künstliche<br />

Intelligenz<br />

25


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Konsument:innen<br />

der <strong>Zukunft</strong>:<br />

Wie<br />

werden sie<br />

sein und was<br />

werden sie<br />

kaufen?<br />

Foto: dimj / stock.adobe.com


<strong>Zukunft</strong><br />

In <strong>Zukunft</strong> werden neue<br />

Geschäftsmodelle und<br />

Technologien <strong>die</strong><br />

Verbraucher:innen-<br />

Landschaft bestimmen.<br />

Auch <strong>die</strong> deutsche Konsumgüterwirtschaft<br />

wird sich an<br />

<strong>die</strong> stetigen Veränderungen<br />

anpassen müssen. Um sich<br />

auf <strong>die</strong> Herausforderungen<br />

vorzubereiten, entwickelte<br />

GS1 Germany in Zusammenarbeit<br />

mit Vertreter:innen aus<br />

Industrie, Handel und Dienstle<strong>ist</strong>ung<br />

ein Szenario für das<br />

Jahr 2025, um zu zeigen,<br />

welche Geschäftsmodelle,<br />

Prozesse und Technologielösungen<br />

<strong>die</strong> Branche prägen<br />

werden. Die Stu<strong>die</strong> „2025:<br />

Smart Value Networks“ wurde<br />

von PwC Deutschland und<br />

dem Rheingold Institut für<br />

Marktforschung unterstützt.<br />

Die Konsument:innen – das Maß aller Dinge!?<br />

Die Konsument:innen von morgen sind anspruchsvoller als<br />

je zuvor. Sie sehen <strong>kein</strong>en Unterschied mehr zwischen Online-<br />

und Offline-Angeboten und erwarten eine durchgängige<br />

Vernetzung aller Einkaufskanäle und Formen. Digitale Technologien,<br />

vernetzte Systeme und künstliche Intelligenz sind<br />

integraler Bestandteil ihrer Lebenswelt. Sie möchten „alles,<br />

sofort, bequem und preiswert“ haben. Unternehmen müssen<br />

sich daher flexibel auf <strong>die</strong> Bedürfnisse der Shopper einstellen<br />

und maßgeschneiderte Angebote, Produkte und Services<br />

liefern. Zudem werden in <strong>Zukunft</strong> neue Möglichkeiten geschaffen,<br />

da autonomes Fahren, interaktives Fernsehen und<br />

Smarthome ermöglichen, Einkaufserfahrungen auch jenseits<br />

der Geschäftszeiten anzubieten. Nur so kann man als Unternehmen<br />

auf dem aktuellen Markt „in Touch“ bleiben.<br />

Shopping im Jahr 2050 repräsentiert<br />

einen bedarfsgesteuerten Markt. Da es<br />

<strong>kein</strong>e klar definierten Einkäufertypen<br />

mehr gibt, <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Kunst für Unternehmen,<br />

sich variabel an <strong>die</strong> situativen<br />

Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden<br />

anzupassen, um Produkte, Dienstle<strong>ist</strong>ungen<br />

und Angebote entsprechend<br />

anzubieten. Die multioptionalen Käufer:innen<br />

unterscheiden nicht mehr<br />

zwischen Einkaufskanälen. Online- und<br />

Offline-Einkaufsmöglichkeiten sind<br />

bereits verschmolzen. Durch den technologischen<br />

Fortschritt, insbesondere<br />

den Einsatz von künstlicher Intelligenz,<br />

Ass<strong>ist</strong>enzsystemen und mobilen Internetgeräten,<br />

erweitern sich <strong>die</strong> Optionen<br />

für <strong>die</strong> Einkäufer:innen zusätzlich. Sie<br />

erwarten ein Einkaufserlebnis ohne Unterbrechungen<br />

und Brüche im Kaufprozess.<br />

Der Schlüssel hierfür liegt in einer<br />

konsequenten technischen, prozessualen<br />

und organisatorischen Vernetzung<br />

Das erwartet uns in der <strong>Zukunft</strong><br />

‣ Starke <strong>Trend</strong>s provozieren starke<br />

Gegentrends.<br />

und Interoperabilität. Der Käufer und <strong>die</strong> Käuferin von 2025<br />

hat ein vorherrschendes Mindset: immer, alles, schnell, bequem,<br />

preiswert und State-of-the-Art! Wenn Unternehmen <strong>die</strong>sem<br />

Anspruch nicht gerecht werden, leidet ihr Geschäft. Die<br />

Käufer:innen haben <strong>die</strong> Möglichkeit, ein anderes Angebot zu<br />

wählen, da sie überall rund um <strong>die</strong> Uhr auf eine große Anzahl<br />

an Angeboten, Preisvergleichsseiten und international vernetzten<br />

Marktplätzen zugreifen können. Autonomes Fahren,<br />

interaktives Fernsehen, Smarthome – eine vernetzte, automatisierte<br />

und intelligente Welt schafft neue Freiräume, <strong>die</strong> auch<br />

neue Einkaufszeiten sein können. Eine weitere Gelegenheit für<br />

Unternehmen, „in Verbindung“ mit den Käufer:innen zu sein.<br />

‣ Es gibt nur noch eine Realität – analog<br />

und zugleich digital.<br />

‣ Verfügbarkeit: alles – sofort – aber<br />

individuell<br />

‣ Die Shopper sind alles: situativ,<br />

differenziert, fokussiert, emotional,<br />

rational.<br />

‣ Co-Creation – Identität folgt aus<br />

Mitgestaltung.<br />

‣ Neue Einkaufszeit: Autonomes Fahren<br />

und Automatisierung schaffen neue<br />

„Zeit-Räume“.<br />

‣<br />

27


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Ist unsere derzeitige Art<br />

des Denkens und Handelns<br />

also überhaupt noch für<br />

<strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong> geeignet?<br />

Umwelt wird zum dominierenden Faktor<br />

Städte wachsen global und regional und locken immer mehr<br />

Menschen an. Die Lebensweisen in städtischen Gebieten verschwimmen<br />

und das führt zu neuen Herausforderungen wie<br />

Schadstoffbelastung, Fahrverboten, Infrastrukturgrenzen und<br />

kurzen Lieferzyklen. In der <strong>Zukunft</strong> werden neue, innovative<br />

Lösungen entwickelt, <strong>die</strong> durch kollaborative Strategien unterstützt<br />

werden, um <strong>die</strong> Schadstoffemissionen zu senken und <strong>die</strong><br />

Umwelt zu schützen. Dazu gehört auch <strong>die</strong> Nutzung von alternativer<br />

Energie, wie zum Beispiel Photovoltaiktechnologie.<br />

Außerdem werden <strong>die</strong> bestehenden Strukturen infrage gestellt<br />

und überdacht, da der Gebrauch des öffentlichen Personennahverkehrs<br />

zum Warentransport genutzt werden kann und<br />

Berufspendler:innen als Partner:innen für Lieferungen herangezogen<br />

werden können. Vor allem wird es wichtig sein, neue<br />

Denkansätze und mutige Ideen zu entwickeln, um <strong>die</strong> Lastkraftwagen<br />

und Sattelzugmaschinen,<br />

<strong>die</strong> 2015 eine Gesamtfahrle<strong>ist</strong>ung von<br />

85,5 Milliarden Kilometern verursachten<br />

im Vergleich zu 635,8 Milliarden<br />

Kilometern des Personenkraftverkehrs,<br />

zu reduzieren.<br />

Wirtschaftliche Schäden, verursacht<br />

durch <strong>die</strong> Folgen des Klimawandels,<br />

wie Hitzeperioden, Trockenheit, Starkregen,<br />

Überflutungen und niedrige<br />

Wasserstände, zwingen zu restriktiven<br />

Gesetzen und Vorgaben. Zusätzlich wird<br />

der Ressourcenverbrauch durch <strong>die</strong> globale<br />

Bevölkerungsexplosion und den<br />

steigenden Wohlstand in Schwellenländern<br />

weiter angetrieben, was <strong>die</strong> ökologischen<br />

Herausforderungen erheblich<br />

erschwert.<br />

Das erwartet uns in der <strong>Zukunft</strong><br />

‣ Der globale Klimawandel erhöht den<br />

Druck, nachhaltig zu agieren.<br />

‣ Eine forcierte EU-weite Regulierung<br />

schafft neue Anforderungen an Dokumentation<br />

und Nachweispflichten.<br />

‣ Die Verknappung von Rohstoffen<br />

und <strong>die</strong> weltweit steigende Nachfrage<br />

nach Produkten verschärfen den<br />

Wettbewerb um Ressourcen und<br />

Marktzugänge.<br />

‣ Individualisierung und Personalisierung<br />

stärken alternative Produktkonzepte<br />

und Instore-Manufacturing-Lösungen.<br />

‣ Prognosegenauigkeit, Echtzeit-Systeme,<br />

Skalierbarkeit und schnelle<br />

Infrastrukturen bilden <strong>die</strong> Basis für<br />

Effizienzsprünge.<br />

28


<strong>Zukunft</strong><br />

Das erwartet uns in der <strong>Zukunft</strong><br />

‣ Marktveränderungen zugunsten agiler<br />

und kooperativer Wertschöpfungsmodelle<br />

‣ Digitale Plattformen gewinnen zunehmend<br />

Marktanteile.<br />

Werte & Wertschöpfung neu gedacht<br />

‣ Echtzeit-Technologien erhöhen den<br />

Reaktionsdruck und ermöglichen neue<br />

Qualitäten in Prognose, Priorisierung<br />

und Entscheidungsfindung.<br />

Die Anzahl der Menschheit nimmt kontinuierlich<br />

zu: von 6,96 Milliarden im Jahr<br />

2010 auf 8,55 Milliarden im Jahr 2030.<br />

Dies erhöht <strong>die</strong> Nachfrage nach Lebensmitteln,<br />

Rohstoffen und Energie. Dieser<br />

<strong>Trend</strong> wird noch durch das Wirtschaftswachstum<br />

in bevölkerungsreichen Ländern<br />

befeuert, wie China, In<strong>die</strong>n und<br />

Deutschland mit einem Verhältnis von 1<br />

‣ Allgemeiner Kostendruck forciert<br />

Wertschöpfungsmodelle mit geringem<br />

Fixkostenanteil.<br />

zu 33. Um auf <strong>die</strong> globalen Veränderungen effektiv zu reagieren,<br />

müssen wir neue alternative Wege beschreiten – lokal,<br />

regional und global.<br />

In der <strong>Zukunft</strong> wird es zu grundlegenden Veränderungen am<br />

Markt kommen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Einführung agiler und kooperativer<br />

Wertschöpfungsmodelle erfordern. Digitale Plattformen bieten<br />

neue Chancen, da sie verschiedene Zielgruppen verbinden<br />

und innovative Geschäftsmodelle unterstützen. Bedingt durch<br />

den Klimawandel und eine Verknappung globaler Ressourcen<br />

sind nachhaltige Lösungen und alternative, intelligente Ansätze<br />

für Beschaffung, Produktion und Konsum erforderlich.<br />

‣ Die zunehmende Personalisierung<br />

erfordert kooperative und skalierbare<br />

Konzepte.<br />

Foto: adam121 / stock.adobe.com<br />

Ist unsere derzeitige Art des Denkens und Handelns also<br />

überhaupt noch für <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong> geeignet? Sollten unsere Lebensmittel<br />

in der aktuellen Form und Menge weiterhin verzehrt<br />

werden? Haben <strong>die</strong> Fleischproduktion und der Fleischkonsum<br />

im globalen Kontext überhaupt einen Sinn? Viele<br />

Konsument:innen und Unternehmen haben <strong>die</strong>se Fragen verneint<br />

und nach Alternativen gesucht. Diese neuen Optionen<br />

können zu grundlegenden Veränderungen in unserer Ernährungskultur<br />

beitragen. Unkonventionelle Lebensmittel und<br />

Rohstoffe wie Algen, Insekten oder Pflanzen, <strong>die</strong> als Basis für<br />

vegetarische Fleischersatzprodukte <strong>die</strong>nen, haben nachhaltiges<br />

Potenzial. Es geht aber nicht nur darum, <strong>die</strong> traditionelle<br />

Produktion zu ersetzen, <strong>sondern</strong> <strong>die</strong>se mit innovativen Ideen<br />

zu verbinden. Start-ups übernehmen hier eine wichtige Rolle<br />

und treiben den Fortschritt voran. Sie erforschen neue Wege,<br />

entwickeln Produktideen und erschließen neue Märkte mit<br />

Produkten, <strong>die</strong> höchste Standards in Bezug auf soziale Verantwortung,<br />

Umweltschutz und Gesundheit erfüllen. f<br />

29


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

30


MEGATRENDS<br />

Die menschliche<br />

Dimension freisetzen<br />

Aufkommende gesellschaftliche <strong>Trend</strong>s haben<br />

den Einfluss menschlicher Perspektiven und<br />

Erfahrungen auf künftige Entscheidungen in<br />

Gesellschaft, Wirtschaft, Technologie und Politik<br />

verstärkt. Die Verbraucherinnen und Verbraucher<br />

fordern von Organisationen, Regierungen und<br />

Wissenschaft mehr Transparenz, um ihr<br />

Vertrauen zu erhalten, und es gibt Bedenken hinsichtlich<br />

der Verbreitung von Fehlinformationen.<br />

Das schnelle Tempo, <strong>die</strong> rasante Geschwindigkeit<br />

des technologischen Wandels führt auch zu<br />

neuen Überlegungen über <strong>die</strong> ethische<br />

Gestaltung und den Einsatz von Technologien.<br />

Fotos: C D/peopleimages.com; Alextype; alphaspirit / stock.adobe.com


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Fotos: Peter; Andrey Popov; Valerii / stock.adobe.com<br />

32


<strong>Zukunft</strong><br />

MEGATRENDS<br />

Gesundheit und Resilienz<br />

werden wichtiger<br />

Die Ausgaben für das Gesundheitswesen steigen weiter an, und <strong>die</strong>ser <strong>Trend</strong> wird<br />

sich mit der Alterung der Weltbevölkerung und dem Auftreten neuer gesundheitlicher<br />

Herausforderungen (zum Beispiel Antibiotikares<strong>ist</strong>enz, künftige Pandemien)<br />

wahrscheinlich noch verstärken. Die COVID-19-Pandemie hat <strong>die</strong> bestehenden<br />

gesundheitlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Belastung durch<br />

chronische Krankheiten und psychische Probleme aufgezeigt und verschärft. Sie<br />

hat aber auch <strong>die</strong> Bedeutung der sozialen und wirtschaftlichen Determinanten der<br />

Gesundheit hervorgehoben.<br />

33


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Foto: www.<strong>die</strong>tlb.de<br />

34


„<br />

Der Staat <strong>ist</strong> nicht<br />

<strong>Zukunft</strong><br />

dazu da, das Überleben von<br />

Unternehmen zu sichern<br />

Von Sonja Scheferling<br />

Eine ökologische<br />

Transformation der<br />

Gesellschaft schaffen wir<br />

nur, wenn Unternehmen<br />

innovativ sind und<br />

Fortschritte implementieren,<br />

so Professor Marcel<br />

Fratzscher, Ökonom und<br />

Präsident des DIW Berlin.<br />

<strong>Warum</strong> nur <strong>die</strong> soziale<br />

Marktwirtschaft das Wirtschaftsmodell<br />

der <strong>Zukunft</strong><br />

sein kann, erläutert er im<br />

Gespräch mit<br />

<strong>UmweltDialog</strong>.<br />

<strong>UmweltDialog</strong>: ‚Weg vom Primat der Wirtschaft über Politik<br />

und Gesellschaft‘ lautet Ihre Forderung an ein künftiges<br />

Wirtschaftsmodell. Dabei verlangen Sie nicht weniger als eine<br />

komplette Neuerfindung des bestehenden Systems. <strong>Warum</strong>?<br />

Prof. Marcel Fratzscher: Ich fordere nicht unbedingt eine<br />

Neuerfindung des Wirtschaftssystems. Vielmehr spreche ich<br />

mich für einen grundlegenden Wandel zu dem aus, was wir<br />

in der Vergangenheit nach dem Zweiten Weltkrieg über 40<br />

Jahre in Westdeutschland mit unserem Wirtschaftsmodell<br />

der sozialen Marktwirtschaft hatten. Aktuell haben wir leider<br />

ein falsches Verständnis davon, was <strong>die</strong> Aufgaben des Staates<br />

sind. Auf der einen Seite fordern Unternehmen immer eine<br />

niedrige Steuerbelastung und verbitten sich eine staatliche<br />

Einmischung in ihre Belange, wenn es ihnen gut geht. In<br />

Krisensituationen denken viele Unternehmen allerdings, dass<br />

der Staat jeden Betrieb retten und sicherstellen muss, dass<br />

sie überleben und Geld ver<strong>die</strong>nen können. Dazu gehört dann,<br />

dass der Staat riesige wirtschaftliche Hilfen le<strong>ist</strong>et und beispielsweise<br />

Energiepreise deckelt, sodass <strong>die</strong> Unternehmen<br />

vor der Konkurrenz aus dem Ausland geschützt werden.<br />

Was <strong>ist</strong> denn daran schlecht?<br />

Aus der wirtschaftlichen Perspektive <strong>ist</strong> das extrem gefährlich,<br />

denn Unternehmen sind nur dann innovativ, wenn sie<br />

im Wettbewerb stehen und den notwendigen Druck haben,<br />

mit anderen Unternehmen mitzuhalten. Gute Entscheidungen<br />

müssen belohnt werden, während falsche Entscheidungen<br />

und schlechte Geschäftsmodelle konsequenterweise zum<br />

Verlassen des Marktes führen müssen.<br />

Denn eines <strong>ist</strong> klar: Eine ökologische Transformation unserer<br />

Gesellschaft in Richtung <strong>Nachhaltigkeit</strong> können wir nur<br />

schaffen, wenn Unternehmen innovativ sind, gute Ideen<br />

haben und Fortschritte implementieren. Und damit <strong>die</strong>se<br />

erfolgreich sind, müssen in <strong>Zukunft</strong> jene Betriebe plei- ‣<br />

35


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Foto: FLORIAN SCHUH<br />

Das größte Problem <strong>ist</strong><br />

auch hier <strong>die</strong> fehlende<br />

Chancengleichheit.<br />

Wir sind weit davon<br />

entfernt, dass alle Kinder,<br />

unabhängig von ihrer<br />

Herkunft, <strong>die</strong> gleichen<br />

„Möglichkeiten haben.<br />

tegehen, deren Geschäftsmodell nicht mehr zeitgemäß <strong>ist</strong> und<br />

<strong>die</strong> sich gegen den ökologischen Fortschritt stellen. In der<br />

Ökonomie nennt man <strong>die</strong>sen Vorgang ‚kreative Zerstörung‘.<br />

Momentan behindert <strong>die</strong> Politik <strong>die</strong>sen Prozess, weil sie alte<br />

Strukturen durch massive Subventionen zementiert, entscheidet,<br />

wer Unterstützung erhält und wer nicht, und <strong>die</strong> Risiken<br />

der Unternehmen übernimmt.<br />

Aber: Der Staat <strong>ist</strong> nicht dazu da, den Unternehmen das<br />

Überleben zu sichern, <strong>sondern</strong> klare Rahmenbedingungen<br />

zu setzen, in denen alle Betriebe <strong>die</strong> gleichen Chancen und<br />

Voraussetzungen haben, indem sie sich im Wettbewerb um<br />

<strong>die</strong> besten Ideen messen.<br />

Die Wählerinnen und Wähler werden es der Politik aber mit<br />

ihren Wahlstimmen danken, denn das, was Sie fordern, führt<br />

unweigerlich zu Arbeitsplatzverlusten.<br />

Die Politik muss immer wieder erklären,<br />

worum es eigentlich geht und<br />

den Menschen sagen: ‚Schaut mal, wir<br />

haben in Deutschland heute ein extrem<br />

hohes Maß an Wohlstand, weil sich<br />

hierzulande in der Vergangenheit sehr<br />

gute Unternehmen erfolgreich durchsetzen<br />

konnten und weniger innovative<br />

Unternehmen verschwunden sind.<br />

Wollt ihr nicht lieber einen guten Job,<br />

der zukunftsfähig <strong>ist</strong> und gut bezahlt<br />

wird?‘<br />

Wir brauchen ein Modell, das <strong>die</strong><br />

Interessen künftiger Generationen viel,<br />

viel stärker in den Mittelpunkt stellt<br />

als bisher. Wie irrsinnig <strong>die</strong> momentane<br />

Praxis <strong>ist</strong>, zeigt der Kohleausstieg.<br />

In der Branche arbeiten immer noch<br />

30.000 Beschäftigte und wir werden<br />

dafür in den nächsten 15 Jahren 40<br />

Milliarden Euro ausgeben. Meiner<br />

Meinung nach sind Wählerinnen und<br />

Wähler sehr viel glücklicher, wenn man<br />

ehrlich und transparent kommuniziert,<br />

wie <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong> aussieht und ihnen<br />

hilft, bessere Jobs zu bekommen.<br />

Kann <strong>die</strong> soziale Marktwirtschaft <strong>die</strong><br />

sozialen Risiken abmildern, <strong>die</strong> <strong>die</strong>ser<br />

Transformationsprozess mit sich<br />

bringt?<br />

Teil der sozialen Marktwirtschaft <strong>ist</strong> ja auch ein starkes<br />

soziales Sicherungsnetz, das wir in Deutschland haben. Nur<br />

muss unser Sozialstaat modernisiert und aktiver werden. Das<br />

Problem <strong>ist</strong>, dass er me<strong>ist</strong>ens erst reagiert, wenn das Kind<br />

36


<strong>Zukunft</strong><br />

schon in den Brunnen gefallen <strong>ist</strong>. Beispielsweise, wenn ein<br />

Mensch bereits arbeitslos <strong>ist</strong> und seine Fähigkeiten nicht<br />

mehr benötigt werden. Das gilt es zu verändern. Dinge wie<br />

das lebenslange Lernen müssen einen viel höheren Stellenwert<br />

in unserer Gesellschaft bekommen.<br />

Natürlich müssen wir parallel unser Bildungssystem modernisieren.<br />

Denn das <strong>ist</strong> miserabel. Im internationalen<br />

Vergleich rangieren wir <strong>die</strong>sbezüglich im unteren Mittelfeld,<br />

während wir bezogen auf den materiellen Wohlstand vorne<br />

sind. Das passt nicht zusammen. Es <strong>ist</strong> nur eine Frage der<br />

Zeit, bis unser wirtschaftlicher Erfolg schwindet. Und Bildung<br />

<strong>ist</strong> essenziell für all jene Dinge, <strong>die</strong> wir eben angesprochen<br />

haben. Denn Innovationen für eine nachhaltige <strong>Zukunft</strong> werden<br />

von klugen Köpfen gemacht.<br />

Was sind <strong>die</strong> größten Mängel unseres Bildungssystems?<br />

Das größte Problem <strong>ist</strong> auch hier <strong>die</strong> fehlende Chancengleichheit.<br />

Wir sind weit davon entfernt, dass alle Kinder,<br />

unabhängig von ihrer Herkunft, <strong>die</strong> gleichen Möglichkeiten<br />

haben. Unser Bildungssystem gibt viel Verantwortung an <strong>die</strong><br />

Eltern ab, wie zum Beispiel der Mangel an Ganztagsschulen<br />

zeigt. Außerdem unternimmt Deutschland am wenigsten, um<br />

Kinder in den ersten sechs Lebensjahren zu fördern. Gerade<br />

<strong>die</strong> frühkindliche Bildung <strong>ist</strong> besonders wichtig für <strong>die</strong><br />

Entwicklung eines Menschen. Darüber hinaus benötigen wir<br />

ein neues Curriculum mit modernen Lerninhalten. Auch das<br />

Fach Wirtschaft müsste hier eine wichtige Rolle einnehmen.<br />

Mit der sozialen Marktwirtschaft bewegen wir uns aber immer<br />

noch im kapital<strong>ist</strong>ischen System. Einige Stimmen sagen, dass<br />

sich Klimaschutz und Wachstum per se ausschließen, weil<br />

wir niemals genügend Ökostrom für dauerhaftes Wachstum<br />

bereitstellen können. Was halten Sie davon?<br />

Nur <strong>die</strong> Marktwirtschaft kann Klimaschutz gewährle<strong>ist</strong>en.<br />

Denn Klimaschutz erfordert schnelle Anpassung von Unternehmen,<br />

es erfordert Innovationsfähigkeit und einen Wettbewerb<br />

um <strong>die</strong> besten Ideen. Der Staat kann nicht verordnen:<br />

‚Unternehmen X‘ entwickelt jetzt ‚Technologie Y‘. So funktioniert<br />

Innovationsmanagement nicht. Und wir haben heute<br />

mehr denn je einen enormen Druck für Innovationen und<br />

für Veränderungen unserer Verhaltensweisen. Zum Thema<br />

Wachstum: Ich glaube, wir brauchen nicht eine Abschaffung<br />

von Marktwirtschaft im Kapitalismus, <strong>sondern</strong> wir brauchen<br />

eine eindeutige Position, worum es geht.<br />

Das heißt?<br />

Dass es tatsächlich nicht darum geht, immer mehr materielle<br />

Güter herzustellen, <strong>sondern</strong> um Wohlstand insgesamt. Dazu<br />

gehören Gesundheit, eine intakte Umwelt, sozialer Frieden,<br />

Glück und Lebenszufriedenheit in einer starken Gemeinschaft,<br />

<strong>die</strong> solidarisch handelt.<br />

Das hört sich theoretisch gut an. In der Praxis entscheiden<br />

aber nach wie vor harte, finanzielle Fakten über den Erfolg<br />

unserer Wirtschaft.<br />

Das <strong>ist</strong> per se nicht schlecht. Auch in <strong>die</strong>sem Fall geht es um<br />

<strong>die</strong> Rahmenbedingungen, <strong>die</strong> der Staat festlegen muss. Wenn<br />

etwa ein Unternehmen etwas herstellen möchte, bei dem es<br />

viele fossile Energieträger verbraucht, muss das über einen extrem<br />

hohen CO 2<br />

-Preis geregelt werden. Oder über Verbote. Es<br />

muss klar sein, was Unternehmen tun können und was nicht,<br />

weil es <strong>kein</strong>en nachhaltigen Wert für unsere Gesellschaft hat.<br />

Ein Gedankenspiel: Sollten Unternehmen, <strong>die</strong> einen wichtigen<br />

ökologischen und sozialen Wert für <strong>die</strong> Gesellschaft haben,<br />

verstaatlicht werden, wenn sie ihren Auftrag nicht erfüllen<br />

können?<br />

Es gibt bestimmte Aufgaben, <strong>die</strong> der Staat besser erledigen<br />

kann als Privatunternehmen; wenn nicht Gewinn und Ertrag<br />

den Wert des Betriebs bestimmen und Innovationen für <strong>die</strong><br />

Erfüllung der Aufgabe irrelevant sind. In manchen Bereichen<br />

der Daseinsfürsorge etwa. In allen anderen Fällen vergrößert<br />

eine Verstaatlichung eines Unternehmens <strong>die</strong> Probleme hingegen,<br />

als dass sie sie verbessern wird.<br />

Nehmen wir als Beispiel <strong>die</strong> Deutsche Bahn. Die liefert eine<br />

so schlechte Le<strong>ist</strong>ung ab, nicht weil sie zu privatwirtschaftlich<br />

agiert, <strong>sondern</strong> weil der Staat dem Unternehmen über<br />

Jahrzehnte hinweg nicht das notwendige Geld gegeben hat,<br />

um in <strong>die</strong> Infrastruktur zu investieren.<br />

Dinge, wie ein funktionierender öffentlicher Nahverkehr oder<br />

<strong>die</strong> Energiewende sind aber essenziell, um unsere <strong>Nachhaltigkeit</strong>sziele<br />

zu erreichen. Glauben Sie, dass wir unseren Vorsatz<br />

der Klimaneutralität bis 2045 umsetzen können?<br />

Technologisch gesehen, ja. Erneuerbare Energien etwa sind<br />

heute schon viel günstiger als fossile Energieträger und Atomkraft.<br />

Die Herausforderung lautet: Haben wir den politischen<br />

Willen dazu, <strong>die</strong>ses Ziel zu erreichen? Wir müssen manch<br />

liebgewonnene Gewohnheit ablegen. Stichwort Tempolimit<br />

auf Autobahnen. Solange wir nicht dazu bereit sind, <strong>die</strong>sen<br />

verhältnismäßig geringen Preis des langsameren Fahrens zu<br />

bezahlen, um Energie zu sparen und in der Übergangszeit<br />

mehr Spielraum zu haben, sehe ich schwarz.<br />

Ich habe <strong>die</strong> Sorge, dass <strong>die</strong> Menschen zu ego<strong>ist</strong>isch sind,<br />

um ihr Verhalten zu ändern. Wir können aber nicht weiter<br />

nach dem Prinzip ‚nach mir <strong>die</strong> Sinnflut‘ leben und müssen<br />

Verantwortung für unser Handeln übernehmen. Momentan<br />

suggeriert <strong>die</strong> Politik den Menschen allerdings, dass das<br />

nicht notwendig <strong>ist</strong>, sie genauso weiter leben können wie bisher<br />

und wir dennoch unsere <strong>Nachhaltigkeit</strong>sziele erreichen.<br />

Vielen Dank für das Gespräch! f<br />

37


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Die Erfüllung der globalen Klimaziele erfordert<br />

eine nachhaltige Umwandlung der Weltwirtschaft,<br />

obwohl <strong>die</strong>s für manche Branchen und<br />

Arbeitsbereiche mit hohen Risiken verbunden<br />

<strong>ist</strong>. Aus <strong>die</strong>sem Grund <strong>ist</strong> es wichtig, dass<br />

Gerechtigkeit berücksichtigt wird. Um <strong>die</strong>s<br />

zu erreichen, müssen <strong>die</strong> vielfältigen neuen<br />

Beschäftigungsmöglichkeiten, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong><br />

Transformation entstehen, effektiv genutzt<br />

werden, um <strong>die</strong> „Green Collar Workforce“ von<br />

morgen aufzubauen.<br />

Der globale Kampf gegen den Klimawandel bis 2050<br />

erfordert eine grüne industrielle Revolution, <strong>die</strong> wirtschaftliche,<br />

soziale und ökologische Veränderungen<br />

beinhaltet. Dies wird weitreichende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt<br />

haben und eine koordinierte Wirtschaftspolitik erfordern,<br />

<strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Schaffung und Förderung einer „Green<br />

Collar Workforce“ negative Folgen verhindert und neue Arbeitsplätze<br />

schafft. Die Deloitte-Stu<strong>die</strong> „Work towards net zero.<br />

The rise of the Green Collar Workforce in a just transition“<br />

untersucht mögliche Entwicklungen und leitet daraus wichtige<br />

Schritte ab.<br />

Wie kann <strong>die</strong> Netto-Null-Transition gerechter werden?<br />

Die Stu<strong>die</strong> zeigt, dass aufgrund des Klimawandels und des<br />

Übergangs zu einer klimaneutralen Ökonomie weltweit Millionen<br />

Arbeitsplätze bedroht sind, besonders in Asien und<br />

Afrika, wo bis zu 40 Prozent der Arbeitnehmer:innen betroffen<br />

sein können – und <strong>die</strong>se in vielen Fällen auch direkten physischen<br />

Folgen ausgesetzt sind. Insgesamt sind 800 Millionen<br />

Arbeitsplätze (ein Viertel der globalen Arbeitnehmerschaft)<br />

gefährdet, darunter auch 170 Millionen in Südamerika. Die<br />

Bedrohung <strong>die</strong>ser Regionen wird sich im Laufe der Zeit noch<br />

verstärken, weshalb eine koordinierte Anstrengung notwendig<br />

<strong>ist</strong>.<br />

Die Transformation in Richtung <strong>Nachhaltigkeit</strong> ermöglicht<br />

es, viele neue Arbeitsplätze zu schaffen. Eine Intensivierung<br />

der Ziele bis 2050 könnte auch langfr<strong>ist</strong>ig zu einem weltweiten<br />

Wirtschaftswachstum bis 2070 führen. Wohlstand und<br />

Gerechtigkeit müssen hierbei im Vordergrund stehen, damit<br />

sich alle sozialen Gruppen an einem übergreifenden „Gesellschaftsvertrag“<br />

beteiligen können, der auf eine Berücksichtigung<br />

aller Interessen abzielt.<br />

Der Konsens <strong>ist</strong> ein Schlüsselfaktor für <strong>die</strong> Transformation.<br />

Die Arbeitnehmer:innen sind <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> den Wandel bewirken.<br />

Die Wirtschaftspolitik sollte <strong>die</strong>s berücksichtigen,<br />

indem bestehende Kompetenzlücken vorhergesehen und ‣<br />

38


<strong>Zukunft</strong><br />

New Work:<br />

Die Arbeitswelt<br />

der <strong>Zukunft</strong><br />

39


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Maßnahmen ergriffen werden, um sie zu<br />

schließen. Gerechtigkeit spielt hier eine<br />

wichtige Rolle. Um <strong>die</strong> Auswirkungen<br />

unterschiedlicher Politiken zu bewerten,<br />

wird <strong>die</strong> proprietäre Deloitte-Climate-<br />

Stu<strong>die</strong> herangezogen. Diese hat eine<br />

schöne „Job-Dividende“ ergeben, <strong>die</strong><br />

durch eine schnelle Umsetzung der Net-<br />

Zero-Agenda und eine Unterstützung<br />

der „Green Collar Workforce“ erreicht<br />

werden kann.<br />

„Green Collar Workforce“ – neue<br />

Arbeitsplätze für eine grünere <strong>Zukunft</strong><br />

Deloitte-Analysen zufolge könnte durch<br />

den Übergang zur Klimaneutralität ein<br />

Jobbonus von über 300 Millionen Stellen<br />

entstehen. Dafür <strong>ist</strong> <strong>die</strong> aktive Mitgestaltung<br />

der Politik unbedingt notwendig.<br />

Regierungen müssen ihre Investitionen,<br />

Regulierungen und Anreizsetzungen<br />

dementsprechend planen und verwalten.<br />

Mit der Einbindung der gesamten<br />

Belegschaft kann <strong>die</strong> Transformation<br />

sowohl gerechter als auch effektiver<br />

gestaltet werden. So profitieren nicht<br />

nur <strong>die</strong> jetzigen, <strong>sondern</strong> auch künftige<br />

Generationen. Ein weiteres Highlight<br />

<strong>ist</strong> <strong>die</strong> Schaffung neuer und angepasster<br />

Jobprofile, <strong>die</strong> von Unternehmen<br />

im Wandel wie auch aus noch zu gründenden<br />

Branchen gefragt sind. Die sogenannte<br />

Green Collar Workforce kann<br />

sowohl körperliche Arbeit als auch Verwaltungsaufgaben<br />

beinhalten, solange<br />

eine enge Verbindung zur Dekarbonisierung<br />

besteht.<br />

Die Deloitte-Stu<strong>die</strong> hat <strong>die</strong> erstaunliche<br />

Erkenntnis erbracht, dass 80 Prozent<br />

der benötigten Fähigkeiten für <strong>die</strong> neuen<br />

oder umgestalteten „Green Collar<br />

Jobs“ der <strong>Zukunft</strong> bereits bei den heutigen<br />

Arbeitnehmern vorhanden sind. In<br />

vielen Fällen können daher Upskilling-<br />

Programme ausreichen, um <strong>die</strong> Veränderungen<br />

in den individuellen Jobprofilen<br />

zu bewältigen. Die Stu<strong>die</strong> untersucht<br />

auch <strong>die</strong> Auswirkungen für fünf<br />

verschiedene Arten von Jobs innerhalb<br />

der „Green Collar Workforce“ noch detaillierter:<br />

negative Effekte auf Arbeitsplätze,<br />

<strong>die</strong> hochwirksam sind und von<br />

Klimaextremen betroffen sind; neutrale<br />

40


<strong>Zukunft</strong><br />

Auswirkungen auf solche Arbeitsplätze,<br />

<strong>die</strong> erhalten bleiben, sich jedoch wandeln;<br />

zusätzliche Nachfrage nach Jobs<br />

im Zusammenhang mit Dekarbonisierung<br />

(zum Beispiel grüner Wasserstoff:<br />

Ingenieur:innen, Techniker:innen) sowie<br />

völlig neue Positionen für zukünftige<br />

Geschäftsfelder und Technologien<br />

wie zum Beispiel Brennstoffzellen.<br />

New Work: Arbeiten innovativ gedacht<br />

Können wir wissen, wie sich unsere <strong>Zukunft</strong><br />

entwickeln wird? Bis Forscher:innen<br />

effektive Technologien entwickeln,<br />

um <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong> vorhersagen zu können,<br />

müssen wir uns auf Stu<strong>die</strong>n stützen,<br />

<strong>die</strong> auf rezenten Daten basieren. Ein<br />

Beispiel hierfür <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Delphi-Stu<strong>die</strong><br />

„Arbeit 2050“ der Bertelsmann-Stiftung.<br />

Sie ermittelte Megatrends für unsere Arbeit<br />

aus fünf verschiedenen Bereichen<br />

und zeigte auf, dass Robotik, künstliche<br />

Intelligenz und Technologie-Konvergenz<br />

<strong>die</strong> Entwicklung vorantreiben werden,<br />

während Arbeitgeber hinterherhinken<br />

werden. Arbeit <strong>ist</strong> heute multilokal und<br />

mobil, in <strong>Zukunft</strong> wird sie virtuell und<br />

im Metaversum stattfinden und das<br />

Bildungssystem muss sich in Richtung<br />

selbstgesteuerter Bildungsportfolios<br />

ändern.<br />

Global verlassen wir also langsam das<br />

Industriezeitalter, was für uns eine<br />

schwierige und herausfordernde Aufgabe<br />

darstellt. Wir hatten genügend<br />

Zeit, um uns auf <strong>die</strong> nächste Phase der<br />

Arbeitswelt vorzubereiten, doch leider<br />

haben wir unseren Vorsprung nicht genutzt,<br />

sodass wir jetzt abgehängt sind.<br />

Mit der <strong>Zukunft</strong> <strong>ist</strong> es so, dass Maschinen<br />

des klassischen Autos zusammenbauen<br />

werden, anstatt viele Menschen.<br />

Länder, <strong>die</strong> mit <strong>die</strong>ser Transformation<br />

besser umgehen, sind nicht <strong>die</strong> klassischen<br />

Industriestaaten, <strong>sondern</strong> Länder<br />

wie <strong>die</strong> skandinavischen.<br />

Wie wird <strong>die</strong> Arbeit im Jahr 2050<br />

aussehen?<br />

Unser Leben wird wahrscheinlich zunehmend<br />

dörflich. Durch mobiles Arbeiten<br />

müssen wir nicht mehr in den Großstädten<br />

und Industriezentren leben.<br />

Aber: Bis zum Jahr 2050 werden viele<br />

der aktuell bekannten Tätigkeiten, <strong>die</strong><br />

sich durch Wiederholungen und hohe<br />

Redundanzen auszeichnen, verschwunden<br />

sein, wie zum Beispiel Kassierer:innen<br />

oder der Liefer<strong>die</strong>nst, der von Drohnen<br />

abgelöst wird. Während Work Life<br />

Balance darauf abstellt, ein positives<br />

Leben und ein negatives Arbeitsleben<br />

auszugleichen, soll Work Life Blending<br />

sowohl <strong>die</strong> Arbeit als auch das Leben<br />

miteinander verbinden. Also, wie sollen<br />

<strong>die</strong>se Arbeitnehmer:innen über <strong>die</strong> Runden<br />

kommen? Vermutlich wird es bis zu<br />

<strong>die</strong>sem Zeitpunkt eine Form des Grundeinkommens<br />

geben, sodass <strong>die</strong> Menschen<br />

nicht mehr arbeiten müssen, um<br />

zu überleben. Das bedeutet aber nicht,<br />

dass niemand arbeitet. Vielmehr bedeutet<br />

es, dass Menschen genau das tun,<br />

was sie gerne machen, und damit ihre<br />

Umgebung verbessern. Dies <strong>ist</strong> schließlich<br />

das, was uns Menschen auszeichnet<br />

- wir haben nicht <strong>die</strong> Körperkräfte und<br />

Zähne, aber wir sind sehr kooperativ<br />

und das <strong>ist</strong> unser enormer evolutionärer<br />

Vorteil.<br />

Wozu überhaupt noch Büros?<br />

Office-Modelle der <strong>Zukunft</strong><br />

Das Kaffeehaus-Modell: Im 17. Jahrhundert<br />

tauchte in London <strong>die</strong> Idee eines öffentlichen<br />

Kaffeehauses auf, in dem Geschäftsleute,<br />

Journal<strong>ist</strong>en und Politiker<br />

zusammentrafen, um zu lesen, zu diskutieren<br />

und zu plaudern. Im Kontext<br />

des hybriden Arbeitens bedeutet <strong>die</strong>se<br />

Vorstellung, dass Unternehmen einen<br />

optionalen Co-Working-Space mit den<br />

Grundfunktionen zur Verfügung stellen:<br />

Tische, Stühle, Internetverbindung und<br />

Kaffee.<br />

Das Gentlemen’s-Club-Modell: Als gegen<br />

Ende des 18. Jahrhunderts der Zuspruch<br />

bei Kaffeehäusern sank, entstanden in<br />

London Hunderte von privaten Gesellschaftsclubs.<br />

Diese hatten im Wesentlichen<br />

ein ähnliches Konzept wie Kaffeehäuser,<br />

waren aber nur für Mitglieder<br />

zugänglich und boten zusätzlich Bars,<br />

Bibliotheken, Spielzimmer, Leseräume,<br />

Fitnesszentren, Gesellschaftsräume und<br />

manchmal auch Gästezimmer für Übernachtungen<br />

an. In der heutigen Version<br />

<strong>die</strong>ses Modells, dem Co-Working-Space,<br />

werden noch zusätzlich Sozialräume,<br />

Speisen und Getränke, Fitnesszentren,<br />

Kindertagesstätten und vor allem schnelle<br />

Internetverbindungen, Videokonferenzräume,<br />

hochwertige Drucker und<br />

andere Hightech-Bürogeräte, <strong>die</strong> zu groß<br />

und zu teuer für das Homeoffice sind, angeboten.<br />

Genau wie in den Gentlemen's<br />

Clubs beinhaltet auch das Büro in erster<br />

Linie einen Raum für soziale Interaktion,<br />

Meetings und Kollaborationen.<br />

Das Hotel-Modell: Mithilfe des Hotel-Modells<br />

können Unternehmen Arbeitsplätze<br />

und Konferenzräume für ihre Mitarbeitenden<br />

im Voraus reservieren. Dabei<br />

überprüft ein digitales Tool, das speziell<br />

für <strong>die</strong> Reservierung von Ressourcen<br />

entwickelt wurde, den Check-in- und<br />

Check-out-Prozess. Durch <strong>die</strong>ses Modell<br />

werden <strong>die</strong> zur Verfügung stehenden<br />

Büroräume begrenzt und und es wird<br />

Mitarbeitenden gleichberechtigter –<br />

aber nicht ununterbrochener – Zugang<br />

gewährt. In der Regel sind <strong>die</strong> Räume so<br />

gestaltet, dass nicht alle Mitarbeitenden<br />

gleichzeitig Platz finden.<br />

Nächster Schritt: Metaverse? Moderne<br />

Unternehmen stellen heutzutage nicht<br />

nur Hardware zur Verfügung, <strong>sondern</strong><br />

auch digitale Collaboration und Communication<br />

Tools. Einige Start-ups erproben<br />

<strong>die</strong> Kombination von einer virtuellen<br />

und einer Vor-Ort-Belegschaft,<br />

was durch den Einsatz von Augmented<br />

Workplaces möglich <strong>ist</strong>. Es wird debattiert,<br />

dass das sogenannte „Metaverse“<br />

einen großen Einfluss auf das klassische<br />

Schreibtischmodell haben wird. Mithilfe<br />

von VR-Geräten können Mitarbeitende<br />

sich in einen virtuellen Raum begeben<br />

und miteinander interagieren. Manchmal<br />

werden auch dynamische Inhalte<br />

an virtuelle Wände gepinnt, um ein<br />

Spielfeld für Zusammenarbeit zu schaffen.<br />

Weitere Alternativen ermöglichen<br />

virtuelle Check-ins und Status-Updates,<br />

welche <strong>die</strong> Produktivität des Teams verbessern.<br />

Bald wird es möglich sein, ein<br />

Hologramm als virtuelles Abbild zu erschaffen.<br />

f<br />

Foto: _KUBE_ / stock.adobe.com<br />

41


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Die fünf Arbeitnehmer-Typen<br />

Grafiken: Sell Vector; Mihail; OneLineStock / stock.adobe.com<br />

Die umweltorientierten<br />

Kümmerer:innen<br />

Ein verantwortungs<br />

voller Umgang mit<br />

der Umwelt gehört zu<br />

ihren obersten Kriterien.<br />

Sie übernehmen<br />

gerne Verantwortung,<br />

können gut mit Veränderungen<br />

umgehen<br />

und sind passionierte<br />

Teamplayer.<br />

Der sicherheitsbewusste<br />

Familientyp<br />

Familie <strong>ist</strong> ihm<br />

wichtiger als Karriere.<br />

Er bevorzugt klare<br />

Aufgabenstellungen.<br />

Große Veränderungen<br />

im Job belasten ihn<br />

eher. Im Unternehmen<br />

würde er sich gerne<br />

engagieren, z.B. im<br />

Betriebsrat.<br />

Die ehrgeizigen<br />

Individual<strong>ist</strong>:innen<br />

Sie würden am<br />

liebsten ohne Chef,<br />

selbstbestimmt an<br />

innovativen Projekten<br />

arbeiten. Persönlicher<br />

Erfolg und Geld treiben<br />

sie an.<br />

Die innovativen<br />

Macher:innen<br />

Sie möchten ihr<br />

Unternehmen mit<br />

neuen Ideen voranbringen<br />

und sich mit<br />

einer Mitarbeit an<br />

Innovationsprojekten<br />

für ihr Unternehmen<br />

engagieren. Dabei<br />

übernehmen sie gerne<br />

Verantwortung, bevorzugen<br />

aber auch klare<br />

Aufgabenstellungen.<br />

Digitale Kommunikationsformen<br />

sind für sie<br />

selbstverständlich.<br />

Die technikaffinen<br />

Phlegmatiker:innen<br />

Sie bevorzugen klare,<br />

von ihrem Chef vorgegebene<br />

Aufgabenstellungen<br />

und können<br />

sicher mit digitalen<br />

Kommunikationsformen<br />

umgehen. Sie<br />

möchten aber weder<br />

Verantwortung übernehmen,<br />

noch sich<br />

für ihr Unternehmen<br />

engagieren. Umweltaspekte<br />

sind ihnen<br />

völlig egal.<br />

Was trägt aktuell am me<strong>ist</strong>en zur Unzufriedenheit mit Ihrer Arbeitssituation bei?<br />

Für <strong>die</strong> umweltorientierten Kümmerer:innen trägt vor allem <strong>die</strong> Arbeit im Homeoffice zur Unzufriedenheit bei.<br />

Gesamt<br />

Umweltorientierte<br />

Kümmerer:innen<br />

Der sicherheitsbewusste<br />

Familientyp<br />

Ehrgeizige<br />

Individual<strong>ist</strong>:innen<br />

Innovative<br />

Macher:innen<br />

Technikaffine<br />

Phlegmatiker:innen<br />

Basis (N) 1.000 283 219 112 212 148<br />

Höhe der Vergütung 26% 28% 23% 25% 26% 31%<br />

Arbeit im Homeoffice 25% 41% 26% 26% 12% 8%<br />

Führungskultur in meinem Unternehmen 23% 27% 18% 26% 18% 24%<br />

Präsenzpflicht im Büro 23% 36% 20% 15% 16% 11%<br />

Starre oder unflexible Arbeitszeiten 21% 35% 18% 13% 17% 9%<br />

Fehlende Weiterbildungsangebote 21% 30% 18% 17% 19% 11%<br />

Zweifel an der Sinnhaftigkeit meiner Arbeit 15% 14% 19% 12% 15% 13%<br />

Fehlende Vereinbarkeit von Beruf und Familie 14% 20% 14% 12% 11% 6%<br />

Atmosphäre in meinem Unternehmen 13% 12% 11% 11% 14% 20%<br />

Agile Arbeitsformen (z.B. Scrum und Kanban) 11% 24% 9% 9% 3% 3%<br />

Fehlende Aufstiegsmöglichkeiten 9% 6% 8% 7% 17% 11%<br />

Die fehlende Zusammengehörigkeit im Team<br />

bzw. mit meinen Kolleginnen und Kollegen<br />

9% 7% 10% 6% 10% 14%<br />

42


<strong>Zukunft</strong><br />

Frage 5: Welche Eigenschaften erwarten Sie von Führungskräften für <strong>die</strong> Arbeitswelt der <strong>Zukunft</strong>?<br />

Motivationskraft als Führungseigenschaft wird vor allem von innovativen Macher:innen und technikaffinen Phlegmatiker:innen erwartet.<br />

Gesamt<br />

Umweltorientierte<br />

Kümmerer:innen<br />

Der sicherheitsbewusste<br />

Familientyp<br />

Ehrgeizige<br />

Individual<strong>ist</strong>:innen<br />

Innovative<br />

Macher:innen<br />

Technikaffine<br />

Phlegmatiker:innen<br />

Basis (N) 1.000 283 219 112 212 148<br />

Kommunikationsstärke 66% 66% 57% 48% 83% 75%<br />

Einfühlungsvermögen 55% 55% 47% 38% 65% 63%<br />

Entscheidungsstärke 53% 52% 41% 38% 67% 63%<br />

Stärkere fachliche Expertise 43% 44% 42% 40% 45% 45%<br />

Motivationskraft 35% 12% 28% 23% 62% 63%<br />

Digitalkompetenz 34% 37% 31% 21% 41% 34%<br />

Fähigkeit zur Moderation 26% 18% 22% 15% 43% 34%<br />

Was werden aus Ihrer Sicht künftig <strong>die</strong> wichtigsten Fähigkeiten sein, um in Ihrem Job erfolgreich voranzukommen?<br />

Die technikaffinen Phlegmatiker:innen sehen <strong>die</strong> erfolgsrelevanten Fähigkeiten vor allem bei den digitalen Kompetenzen.<br />

Gesamt<br />

Umweltorientierte<br />

Kümmerer:innen<br />

Der sicherheitsbewusste<br />

Familientyp<br />

Ehrgeizige<br />

Individual<strong>ist</strong>:innen<br />

Innovative<br />

Macher:innen<br />

Technikaffine<br />

Phlegmatiker:innen<br />

Basis (N) 1.000 283 219 112 212 148<br />

Flexibilität/Bereitschaft zum permanenten Wandel 49% 51% 38% 32% 61% 55%<br />

Teamfähigkeit 48% 41% 42% 25% 70% 62%<br />

Digitale Kompetenzen 40% 27% 32% 26% 59% 64%<br />

Bereitschaft zum lebenslangen Lernen 37% 38% 31% 32% 47% 39%<br />

Querdenken/Innovative Ideen 36% 40% 33% 26% 41% 30%<br />

Durchsetzungsvermögen 34% 37% 27% 26% 41% 28%<br />

Gutes Selbstmanagement 32% 17% 21% 25% 59% 51%<br />

Unternehmerische Sichtweise 32% 41% 28% 28% 36% 20%<br />

Kommunikationsfähigkeit 31% 13% 19% 21% 62% 52%<br />

Selbstmarketing u.a. in den sozialen Me<strong>die</strong>n 6% 2% 6% 4% 14% 3%<br />

In welchen Bereichen würden sie sich gern für ihr Unternehmen engagieren? *<br />

Der technikaffine Phlegmatiker kann sich am wenigsten vorstellen, sich für sein Unternehmen zu engagieren.<br />

Gesamt<br />

Umweltorientierte<br />

Kümmerer:innen<br />

Der sicherheitsbewusste<br />

Familientyp<br />

Ehrgeizige<br />

Individual<strong>ist</strong>:innen<br />

Innovative<br />

Macher:innen<br />

Technikaffine<br />

Phlegmatiker:innen<br />

Basis (N) 1.000 283 219 112 212 148<br />

Mitarbeit an Innovationsprojekten 82% 98% 86% 51% 97% 57%<br />

Chancengleichheit 81% 98% 93% 48% 88% 61%<br />

Engagement für <strong>Nachhaltigkeit</strong> und Umwelt 77% 99% 81% 60% 85% 43%<br />

Einbindung bei der Strategie- 75% 98% 89% 63% 78% 21%<br />

und Leitlinien-Entwicklung<br />

Aufbau einer neuen Unternehmenskultur 73% 98% 84% 41% 79% 41%<br />

Betriebsrat 64% 95% 88% 42% 42% 24%<br />

Anteil signifikant über dem Durchschnitt<br />

Anteil signifikant unter dem Durchschnitt<br />

Basis: Alle Befragten, n = 1.000 (Mehrfachnennung); * Basis: Alle Befragten, n = 1.000 (Skalierte Abfrage: Top 2: Sehr gern + Eher gern)<br />

Quelle: EY – Arbeitswelt im Umbruch oder nach der Pandemie zurück in <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong>?<br />

43


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

ADVERTORIAL<br />

„Gemeinsam<br />

kann man mehr<br />

bewegen und<br />

nachhaltiger<br />

agieren“<br />

Fotos: Bantleon<br />

Von Sonja Scheferling<br />

Politikerinnen und Politiker<br />

müssen mehr praktische<br />

Expertise berücksichtigen<br />

und mit Weitblick agieren,<br />

um <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong>sfähigkeit<br />

unserer Gesellschaft zu<br />

erhalten. Das sagt Rainer<br />

Janz, Bereichsleiter Produktund<br />

Qualitätsmanagement<br />

bei Bantleon. Wie das<br />

Unternehmen, Spezial<strong>ist</strong><br />

in Sachen Hochle<strong>ist</strong>ungsschmierstoffe,<br />

selbst junge<br />

Talente von sich überzeugt,<br />

erklärt er im Interview.<br />

<strong>UmweltDialog</strong>: Energiepreise, Lieferengpässe<br />

oder Infrastrukturmängel: Unterschiedliche<br />

Entwicklungen schwächen<br />

<strong>die</strong> deutsche Wirtschaft. Was erwarten<br />

Sie von der Politik, um <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong>sfähigkeit<br />

hierzulande zu erhalten?<br />

Rainer Janz: Auch wenn wir momentan<br />

natürlich viele Spannungsfelder<br />

vorfinden – Klimawandel, Energiekrise,<br />

volatile Lieferketten und Ressourcenpreise<br />

– <strong>ist</strong> es um so wichtiger, einen<br />

konzeptionellen politischen Rahmen,<br />

zumindest eine verlässliche erkennbare<br />

Strategie zu schaffen. In der jetzigen<br />

Situation macht es aus meiner Sicht<br />

etwa wenig Sinn, zunehmend mit Verund<br />

Geboten zu arbeiten. Wichtiger<br />

wäre es, <strong>die</strong> Menschen für bestimmte<br />

Probleme zu sensibilisieren, abzuholen<br />

und nicht durch zusätzliche Regularien<br />

zu belasten. Insbesondere dann, wenn<br />

<strong>die</strong>se oftmals vielleicht gut gemeint<br />

sind, sich im zweiten Schritt dann aber<br />

gar nicht oder schwierig bis wenig<br />

zielführend umsetzbar sind. Hier wäre<br />

an der einen oder anderen Stelle eine<br />

zusätzliche Expertise wünschenswert.<br />

Alles andere erzeugt in der Bevölkerung<br />

Unsicherheit und damit auch<br />

Unzufriedenheit und eine gesellschaftliche<br />

Spaltung.<br />

Sie sprechen sich für ein konzeptionelles<br />

Vorgehen in der Politik aus und<br />

fordern von den Entscheider:innen, mit<br />

größerem Weitblick zu agieren und<br />

praktische Expertise zu berücksichtigen.<br />

Was meinen Sie damit?<br />

Ein aktuelles Beispiel sind etwa <strong>die</strong><br />

Verhandlungen über das Aus für Verbrennungsmotoren:<br />

Gerade mit unserer<br />

H<strong>ist</strong>orie und unserem Know-how im Bereich<br />

der Automobilfertigung hätte ich<br />

mir hier von der Bundesregierung mehr<br />

Weitsicht erhofft. Wären etwa synthetische<br />

Kraftstoffe (E-Fuels) gleich ins<br />

Kalkül miteinbezogen worden, hätte <strong>die</strong><br />

Politik sich einige Verhandlungsrunden<br />

44


<strong>Zukunft</strong><br />

Das <strong>ist</strong> eine zentrale Frage, mit der wir<br />

uns aktuell strategisch beschäftigen.<br />

Auch hier geht es um <strong>Zukunft</strong>sfähigkeit<br />

im Kontext der wichtigsten Ressource<br />

Personal. Denn: Hier in Süddeutschland<br />

herrscht ein großer Arbeitgeberwettbewerb,<br />

und der Kampf um Fach- und<br />

Nachwuchskräfte <strong>ist</strong> längst entfacht. Es<br />

geht darum, erstens als attraktiver und<br />

innovativer Arbeitgeber in der Region<br />

wahrgenommen zu werden, der Bewerberinnen<br />

und Bewerber anspricht.<br />

Und zweitens, <strong>die</strong>se Nachwuchskräfte<br />

dauerhaft im Unternehmen zu halten.<br />

in Brüssel sparen können. Natürlich<br />

sind wir froh, dass es jetzt so definiert<br />

wurde, wie es definiert worden <strong>ist</strong>, weil<br />

es technologisch gesehen alle Wege<br />

offen lässt.<br />

Wollen wir wirklich unsere Klimaziele<br />

erreichen, dürfen wir uns technologisch<br />

gesehen nicht beschneiden und müssen<br />

unterschiedliche Möglichkeiten und<br />

Optionen in Betracht ziehen, selbst<br />

dann, wenn sie zum jetzigen Zeitpunkt<br />

vielleicht noch mit Fragen behaftet<br />

sind. Ich bin der Meinung, dass am<br />

Ende des Tages ein Technologiemix,<br />

jede an seinem Platz, <strong>die</strong> beste Lösung<br />

bringen wird.<br />

Mittelständische Unternehmen sind der<br />

Motor unserer Wirtschaft. <strong>Warum</strong> wird<br />

ein Unternehmen wie Bantleon auch<br />

künftig erfolgreich sein? Was sind <strong>die</strong><br />

Eckpunkte Ihrer <strong>Zukunft</strong>sstrategie?<br />

Wir sind uns unserer Verantwortung<br />

gegenüber allen Stakeholdern durchaus<br />

bewusst und beschäftigen uns im Einklang<br />

mit den drei <strong>Nachhaltigkeit</strong>sfeldern<br />

Ökonomie, Ökologie und Soziales /<br />

Ethisches intensiv mit den Bereichen<br />

Innovation und Technologie. Mit dem<br />

klaren Fokus, Prozesse, Produkte,<br />

Dienstle<strong>ist</strong>ungen und Services noch<br />

nachhaltiger und damit zukunftsfähiger<br />

zu gestalten.<br />

Dafür arbeiten wir viel in sogenannten<br />

Clustern und Interessensgemeinschaften<br />

und sind in Verbänden organisiert,<br />

weil man gemeinsam mehr bewegen<br />

und nachhaltiger agieren kann. So<br />

entwickeln wir innerhalb des deutschen<br />

und eurpäischen Schmierstoffverbands<br />

aktuell eine klassische <strong>Nachhaltigkeit</strong>sstrategie<br />

und entwerfen Modelle, mit<br />

denen wir den CO 2<br />

-Fußabdruck unserer<br />

Produkte nach einheitlicher Methodik<br />

bestimmen können.<br />

Natürlich sind <strong>die</strong> Unternehmen<br />

untereinander Konkurrenten, aber als<br />

Allianz kann man gerade im Hinblick<br />

auf <strong>Zukunft</strong>sfähigkeit und Akzeptanz<br />

mehr erreichen.<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong>, Gehalt und flexible<br />

Arbeitszeiten: Der Fachkräftemangel<br />

hat das Selbstbewusstsein der Arbeitnehmer:innen<br />

gestärkt. Wie müssen<br />

sich mittelständische Unternehmen wie<br />

Bantleon aufstellen, um auch künftig<br />

attraktiv für junge Talente zu sein?<br />

Das <strong>ist</strong> vor allem ein Generationenthema,<br />

denn jede Generation bringt<br />

bestimmte Tugenden mit sich, <strong>die</strong><br />

Entwicklungen befördern und beeinflussen.<br />

Das sollte man als Chance und<br />

nicht als Hindernis begreifen, denn es<br />

gibt parallel dazu wenige Alternativen.<br />

Es geht um eine enge Verzahnung aller<br />

Arbeitnehmergenerationen im Unternehmen,<br />

für eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit.<br />

Teil Ihrer Recruiting-Maßnahmen <strong>ist</strong><br />

auch <strong>die</strong> enge Zusammenarbeit mit<br />

Hochschulen. Was sind weitere Vorteile<br />

<strong>die</strong>ser Kooperationen?<br />

Wir arbeiten schon seit vielen Jahren<br />

mit Hochschulen und Universitäten<br />

zusammen und sind Mitbegründer<br />

von Stiftungsprofessuren. Auf <strong>die</strong>se<br />

Weise können wir Forschungsprojekte<br />

anstoßen, <strong>die</strong> für uns relevant sind und<br />

bestimmte Themen in den Lehrplan<br />

einfließen lassen.<br />

Die Hochschulkooperationen sehen<br />

wir außerdem als Bestandteil unserer<br />

sozialen Verantwortung. Zwischen<br />

Universitäten beziehungsweise Stu<strong>die</strong>renden<br />

und der Wirtschaft müssen<br />

Synergien genutzt werden. Genauso wie<br />

wir gut ausgebildete Nachwuchskräfte<br />

brauchen, benötigen junge Menschen<br />

praktische Erfahrungen, damit sie<br />

ihren beruflichen Weg gehen und <strong>die</strong><br />

Universitäten ihren Lehrauftrag richtig<br />

erfüllen können.<br />

Vielen Dank für das Gespräch! f<br />

45


Von Sonja Scheferling<br />

Fotos: Interface<br />

Interface und<br />

„New Work“<br />

passen<br />

zusammen<br />

Moderne Büroräume müssen<br />

zu den Aufgaben der<br />

Mitarbeitenden passen.<br />

Feste Arbeitsplätze sind<br />

passé. Wichtig <strong>ist</strong>, dass das<br />

jeweilige Innenraumdesign<br />

<strong>die</strong> Funktion der Räume<br />

unterstützt. Dass „New<br />

Work“-Ausstattung auch noch<br />

nachhaltig geht, zeigt zum<br />

Beispiel Interface.<br />

46


<strong>Zukunft</strong><br />

Räume im Loungestil, <strong>die</strong> an moderne<br />

Wohnzimmer erinnern,<br />

Ecken für <strong>die</strong> gemeinsame kreative<br />

Ideenentwicklung und separate<br />

Nischen zum konzentrierten Arbeiten:<br />

Beim sogenannten aktivitätsbasierten<br />

Arbeiten können sich <strong>die</strong> Mitarbeitenden<br />

ihre Arbeitsumgebung frei aussuchen;<br />

<strong>die</strong> Wahl hängt von der jeweiligen<br />

Tätigkeit ab. Auf <strong>die</strong>se Weise sollen<br />

Produktivität und Kreativität gesteigert<br />

werden. Feste Arbeitsplätze gehören bei<br />

<strong>die</strong>sem Ansatz der Vergangenheit an.<br />

Wie so etwas konkret aussieht, zeigt<br />

das neue Arbeitsumfeld für <strong>die</strong> Mitarbeitenden<br />

der Deutschlandzentrale für<br />

Marketing und Vertrieb des französischen<br />

Pharmaunternehmens Sanofi in<br />

Berlin. Neben offenen Kommunikationsbereichen<br />

gibt es in dem Gebäude<br />

im Bürokomplex „3 Höfe work“, in dem<br />

Sanofi vier Etagen gemietet hat, auch<br />

ausreichend Rückzugsorte für fokussiertes<br />

Arbeiten. Aushängeschild und<br />

Blickfang des Büros <strong>ist</strong> der Empfang, in<br />

dem eine breite Treppe <strong>die</strong> Lobby und<br />

das erste Stockwerk miteinander verbindet.<br />

Gleichzeitig <strong>die</strong>nt <strong>die</strong> Treppe als<br />

Treffpunkt für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />

und kann für kurze Versammlungen<br />

genutzt werden.<br />

Interface punktet durch <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

Eine gute New-Work-Strategie steht und<br />

fällt mit der richtigen Innenraum- und<br />

Bürogestaltung, welche <strong>die</strong> unterschiedlichen<br />

funktionalen Anforderungen unterstützen.<br />

Bei Sanofi verwendete man<br />

Unternehmensangaben zufolge ausschließlich<br />

hochwertige und langlebige<br />

Materialien, da das Gebäude nach DGNB<br />

und BREEAM zertifiziert werden soll. So<br />

wurde beispielsweise für den Fußboden<br />

eine Kombination aus Teppichfliesen<br />

und nora Kautschukböden von Interface<br />

verwendet, einem globalen Anbieter modularer<br />

Bodenbeläge.<br />

Interface hat den Anspruch, mit seinen<br />

klimaneutralen Produkten Design, Innovation<br />

und <strong>Nachhaltigkeit</strong> miteinander<br />

zu verbinden. Auf <strong>die</strong>se Weise will das<br />

Unternehmen Innenräume schaffen, in<br />

denen sich Menschen wohlfühlen und<br />

<strong>die</strong> eine positive Wirkung auf <strong>die</strong> Umwelt<br />

haben. „Egal ob Gebäudehülle oder<br />

Innenraumgestaltung, für ein nachhaltiges<br />

Ergebnis kommt es immer auf <strong>die</strong><br />

Wahl der richtigen Materialien an. Diese<br />

sollten so wenig negative Auswirkungen<br />

auf <strong>die</strong> Umwelt haben wie möglich und<br />

gleichzeitig eine gute architektonische<br />

Qualität schaffen“, erklärt Interface.<br />

Das Unternehmen, das 2022 von unabhängiger<br />

Stelle als klimaneutrales<br />

Unternehmen gemäß dem international<br />

führenden Standard PAS 2060 zertifiziert<br />

wurde, verfolgt eigenen Angaben<br />

zufolge das übergeordnete Ziel, bis<br />

zum Jahr 2040 durch nachhaltige Materialien,<br />

CO 2<br />

-Reduktion und Offsetting<br />

CO 2<br />

-negativ zu werden. Eingebettet<br />

<strong>ist</strong> <strong>die</strong>se Zielsetzung in <strong>die</strong> Mission<br />

„Climate Take Back“: „Wir glauben,<br />

dass es möglich <strong>ist</strong>, <strong>die</strong> globale Erwärmung<br />

umzukehren. Wissenschaftliche<br />

Forschungen haben bereits gezeigt, wie<br />

sichere Klimagrenzen früher erreicht<br />

werden können: durch radikale Dekarbonisierung.<br />

Wir müssen CO 2<br />

aus unserer<br />

Atmosphäre entfernen sowie natürliche<br />

Kohlenstoffsenken wiederherstellen<br />

und schützen.“<br />

„Climate Take Back“: Gemeinsam ein<br />

lebensfähiges Klima schaffen<br />

Die Mission „Climate Take Back“ fußt<br />

auf verschiedenen Grundsätzen, <strong>die</strong> sich<br />

in den Produkten und Services des Unternehmens<br />

widerspiegeln. Dazu gehört<br />

zum Beispiel, <strong>kein</strong>e negativen Auswirkungen<br />

auf <strong>die</strong> Umwelt zu verursachen<br />

und Kohlenstoff als Ressource zu verstehen.<br />

Beispiele, wie <strong>die</strong>s in der Praxis<br />

umgesetzt wird, sind unter anderem:<br />

‣ Carbon Neutral Floors: Alle von Interface<br />

verkauften Bodenbeläge sind<br />

über den gesamten Lebenszyklus<br />

CO 2<br />

-neutral.<br />

‣ CO 2<br />

-negative Rückenkonstruktion<br />

CQuestBio: Standard für alle Teppichfliesen<br />

aus biobasierten Materialien<br />

und recycelten Füllstoffen, durch <strong>die</strong><br />

der CO 2<br />

-Fußabdruck der Produkte laut<br />

Interface im Durchschnitt um 33 Prozent<br />

gesunken <strong>ist</strong>.<br />

‣ ReEntry: Interface nimmt gebrauchte<br />

Teppichfliesen zurück und gibt sie<br />

für <strong>die</strong> Wiederverwendung weiter:<br />

„Kreislaufwirtschaft konzentriert sich<br />

auf <strong>die</strong> Vermeidung von Abfall und<br />

Umweltbelastung und fängt bei der<br />

Produktentwicklung an. Für Hersteller<br />

bedeutet das, langlebige Produkte<br />

zu entwickeln, <strong>die</strong> wiederverwendbar<br />

und recycelbar sind.“<br />

Akustik muss stimmen<br />

Schon am früheren Berliner Sanofi-Standort<br />

im Sony Center am Potsdamer<br />

Platz lagen Teppichfliesen von Interface.<br />

„Wir waren mit den Böden sehr<br />

zufrieden, und da im neuen Gebäude <strong>die</strong><br />

Zellenstruktur der Büros zugunsten von<br />

offenen Bürolandschaften aufgehoben<br />

wurde, stand bei der Gestaltung der Office-<br />

Etagen einmal mehr das Thema Akustik<br />

im Fokus, weshalb <strong>die</strong> Wahl erneut auf<br />

Interface fiel“, berichtet Matthias Nebel,<br />

der bei Sanofi das Facility Management<br />

in der DACH-Region verantwortet. Durch<br />

ihre hohe Schallabsorption und <strong>die</strong> gute<br />

Trittschalldämmung sorgen <strong>die</strong> Teppichfliesen<br />

für eine ruhige Atmosphäre<br />

und überzeugen außerdem durch ihre<br />

Wohnlichkeit sowie <strong>die</strong> einheitliche, monochrome<br />

Optik. „Obwohl es sich um einen<br />

modularen Belag handelt, erscheint<br />

<strong>die</strong> Fläche wie aus einem Guss“, sagt<br />

Thomas Mieruch, der für <strong>die</strong> Umsetzung<br />

des Entwurfs und für <strong>die</strong> Ausführungsplanung<br />

des Interior Designs des neuen<br />

Sanofi-Büros verantwortlich war.<br />

Weitere Pluspunkte der modularen Verlegung:<br />

Die unter den Teppichböden<br />

liegenden Verkabelungen sind leicht zugänglich<br />

und stark beanspruchte Fliesen<br />

können einfach ausgetauscht werden. f<br />

47


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Anpassung<br />

an ein sich<br />

veränderndes<br />

Klima<br />

Extreme und noch nie da gewesene<br />

Wetterereignisse nehmen an Häufigkeit<br />

und Ausmaß der Auswirkungen zu.<br />

Aktuelle Klimaprognosen sagen voraus,<br />

dass wir wahrscheinlich extreme Wetterbedingungen<br />

erleben werden, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

Grenzen h<strong>ist</strong>orischer Normen überschreiten.<br />

Gleichzeitig werden Klimagefahren<br />

das allgemeine Klimarisiko<br />

für Sektoren und Regionen wahrscheinlich<br />

noch erhöhen. Die Anpassung des<br />

Gesundheitssystems, kritischer<br />

Infrastrukturen und Siedlungsmuster<br />

an den Klimawandel und extreme Wetterbedingungen<br />

wird für viele Länder in<br />

den kommenden Jahren und Jahrzehnten<br />

immer mehr zur Realität werden.<br />

48


<strong>Zukunft</strong><br />

MEGATRENDS<br />

Fotos: UN Photo / Logan Abassi / UNICEF / Marco Dormino; maho / bannafarsai / stock.adobe.com<br />

49


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

MEGATRENDS<br />

Leaner, cleaner<br />

and greener<br />

50


<strong>Zukunft</strong><br />

Da <strong>die</strong> Weltbevölkerung weiter wächst<br />

und immer mehr Menschen aus<br />

niedrigeren in höhere Einkommensschichten<br />

aufsteigen, wird der Druck<br />

auf <strong>die</strong> endlichen Nahrungsmittel-,<br />

Wasser-, Mineral- und Energieressourcen<br />

zunehmen. Gleichzeitig treiben <strong>die</strong>se<br />

Zwänge bahnbrechende Innovationen<br />

voran, <strong>die</strong> darauf abzielen, mit weniger<br />

mehr zu erreichen, kohlenstoffneutral<br />

zu werden, den Verlust der biologischen<br />

Vielfalt zu verringern und das globale<br />

Abfallproblem anzugehen.<br />

Fotos: RareStock; Dmytro; moonrise; Arsenii / stock.adobe.com<br />

51


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Der<br />

Von Ralf Fücks<br />

Moloch<br />

Stadt<br />

erfindet<br />

sich neu<br />

Fotos: TensorSpark / stock.adobe.com<br />

52


<strong>Zukunft</strong><br />

Wie der Begriff des nachhaltigen<br />

Wachstums <strong>ist</strong> auch <strong>die</strong><br />

Vision der nachhaltigen Stadt<br />

für viele immer noch ein Oxymoron.<br />

Denn Städte sind unter den Hauptverursachern<br />

des Klimawandels, ökologische<br />

Monster mit einem immensen<br />

Verbrauch an Energie, Rohstoffen und<br />

Fläche mit einem gewaltigen Schadstoffausstoß,<br />

Verkehrslawinen, Abwasserströmen<br />

und Müllbergen. In den<br />

Anfängen der Ökobewegung galten <strong>die</strong><br />

urbanen Metropolen als Inbegriff der<br />

Entfremdung des Menschen von der<br />

Natur. Wer alternativ leben wollte, zog<br />

aufs Land, weg von den Verirrungen der<br />

Konsumgesellschaft und der Hektik der<br />

Stadt.<br />

Inzwischen <strong>ist</strong> das Pendel umgeschlagen.<br />

Städte sind ökologische und<br />

soziale Krisenherde – aber zugleich<br />

gelten sie als Pioniere des<br />

Wandels. Sie stehen im Zentrum<br />

der Probleme und bergen<br />

gleichzeitig alle Elemente zu<br />

ihrer Lösung: als verdichtete<br />

Orte menschlichen Zusammenlebens<br />

mit all ihrer sozialen<br />

und kulturellen Vielfalt, ihrem<br />

Reichtum an Wissen,<br />

ihrer demokratischen Öffentlichkeit,<br />

ihrer Kreativität<br />

und Innovationsfähigkeit.<br />

Die Idee einer Auflösung der<br />

großen Städte zugunsten dezentraler<br />

Siedlungsstrukturen<br />

widerspricht nicht nur allen realen<br />

Entwicklungstendenzen, <strong>die</strong> überall auf<br />

der Welt eine beschleunigte Urbanisierung<br />

anzeigen. Der damit verbundene<br />

Flächenverbrauch wäre auch eine ökologische<br />

Katastrophe. Heute lebt zum ersten<br />

Mal in der menschlichen Geschichte<br />

mehr als <strong>die</strong> Hälfte der Weltbevölkerung<br />

in Städten. Das weitere Wachstum der<br />

Menschenzahl auf der Erde in den kommenden<br />

Jahrzehnten wird sich fast vollständig<br />

in den Städten niederschlagen.<br />

Bis zur Mitte <strong>die</strong>ses Jahrhunderts wird<br />

der Urbanisierungsgrad auf etwa 80<br />

Prozent steigen.<br />

Der Zuwachs der Weltbevölkerung<br />

auf rund neun Milliarden Menschen<br />

multipliziert mit einem gewaltigen<br />

Nachholbedarf der Menschen in den<br />

Entwicklungsländern an Wohnraum,<br />

Mobilität, Lebensmitteln, Wasser und<br />

Konsumgütern aller Art – das bedeutet<br />

einen gewaltigen Stresstest für <strong>die</strong> ohnehin<br />

schon strapazierten Ökosysteme.<br />

Mit den überkommenen Energie- und<br />

Verkehrssystemen, Gebäudetechniken,<br />

Verhaltensweisen und Regierungsformen<br />

<strong>ist</strong> <strong>die</strong>se Herausforderung nicht zu<br />

bewältigen. Die Städte der <strong>Zukunft</strong> werden<br />

sich von den heutigen nicht nur graduell<br />

unterscheiden. Das gilt zumindest<br />

für <strong>die</strong> expan<strong>die</strong>renden Städte Asiens,<br />

Amerikas und Afrikas. Wir brauchen <strong>die</strong><br />

stimulierende Kraft visionärer Entwürfe<br />

wie <strong>die</strong> Ökostadt Dongtan in China, <strong>die</strong><br />

eine der ersten CO 2<br />

-neutralen Städte der<br />

Welt werden soll, um gegen <strong>die</strong> Macht<br />

der Gewohnheit und <strong>die</strong> Trägheit der<br />

politischen und kommerziellen Mächte<br />

den Umbau der Stadt zu beschleunigen.<br />

„Charta von Athen“ endlich im<br />

Museum<br />

Architektur und Städtebau waren schon<br />

immer ein kosmopolitisches Metier.<br />

Baume<strong>ist</strong>er und Handwerker wanderten<br />

schon in der Antike von Land zu Land<br />

– das gilt heute erst recht, wo nationale<br />

Grenzen sich innerhalb Europas allenfalls<br />

als Restriktionen des jeweiligen<br />

Bau- und Planungsrechts bemerkbar<br />

machen. Auch wenn sich <strong>die</strong> urbanen<br />

Realitäten im alten Europa, in den USA,<br />

in Asien oder Lateinamerika in Vielem<br />

fundamental unterscheiden, stehen<br />

Städte doch fast überall auf der Welt<br />

vor gleichen Problemen und Herausforderungen.<br />

Es ergibt durchaus Sinn<br />

zu fragen, wie Städte in verschiedenen<br />

Weltregionen sich der Aufgabe stellen,<br />

<strong>die</strong> Treibhausgasemissionen drastisch<br />

zu senken und einen zukunftsfähigen<br />

Entwicklungspfad einzuschlagen. Wie<br />

können sie der Energienachfrage und<br />

den Mobilitätsbedürfnissen einer wachsenden<br />

städtischen Bevölkerung ‣<br />

53


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

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54


<strong>Zukunft</strong><br />

gerecht werden, ohne <strong>die</strong> Ökosphäre<br />

definitiv zu ruinieren? Wie verwandeln<br />

wir unsere Städte zu Nettoenergieproduzenten<br />

auf der Basis erneuerbarer Energien?<br />

Wie sieht das Verkehrssystem der<br />

<strong>Zukunft</strong> aus, das individuelle Mobilität<br />

mit einem Maximum an Flexibilität und<br />

einem Minimum an Flächenverbrauch<br />

und Emissionen verbindet? Wie holen<br />

wir mithilfe modernster Technik wieder<br />

mehr Nahrungsmittelanbau in <strong>die</strong><br />

Städte zurück und verwandeln monofunktionale<br />

Gebäude in multifunktionale<br />

Gebilde, in denen Läden, Büros und<br />

Wohnungen mit Gewächshäusern und<br />

gemeinschaftlichen Dachgärten kombiniert<br />

werden?<br />

Zu all <strong>die</strong>sen Fragen gibt es schon heute<br />

eine Vielzahl von praktischen Antworten.<br />

Rund um den Globus sind Städte<br />

auf dem Weg, sich neu zu erfinden.<br />

Sie sind Vorreiterinnen bei der Senkung<br />

von Treibhausemissionen, setzen<br />

auf erneuerbare Energien und Kraft-<br />

Wärme-Kopplung, bauen <strong>die</strong> öffentlichen<br />

Verkehrssysteme aus und entdecken<br />

<strong>die</strong> Vorzüge lebendiger Stadtquartiere,<br />

in denen man auf kurzer D<strong>ist</strong>anz<br />

arbeiten, wohnen, einkaufen und eine<br />

Vielzahl von Dienstle<strong>ist</strong>ungen in Anspruch<br />

nehmen kann.<br />

Die 1933 von einem internationalen Architekturkongress<br />

verabschiedete und<br />

in den Folgejahren von dem Architekten<br />

und Künstler Le Corbusier weiter ausgearbeitete<br />

„Charta von Athen“, <strong>die</strong> wohl<br />

wirksamste und unheilvollste städtebauliche<br />

Doktrin der Moderne, wandert<br />

endlich ins Architekturmuseum. Unter<br />

dem Vorsatz einer Humanisierung der<br />

Städte entworfen, entwickelte sie sich<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem<br />

Programm der Stadtzerstörung. Im Kern<br />

ging es um <strong>die</strong> funktional-räumliche<br />

Trennung von Arbeiten, Wohnen, Einkaufen<br />

und Kultur in der Stadt. Breitspurige<br />

Verkehrstrassen zerschnitten den<br />

Stadtraum, auf denen <strong>die</strong> Masse Mensch<br />

zwischen monotonen Wohnquartieren,<br />

monofunktionalen Gewerbegebieten<br />

und sterilen Innenstädten mit ihren<br />

Kauf- und Kulturpalästen zirkulierte.<br />

Die Zerstörungen des Krieges in Europa<br />

boten den Propagand<strong>ist</strong>en der funktional<br />

gegliederten Stadt ein ideales Betätigungsfeld,<br />

um ihr Zerstörungswerk an<br />

der alten, dichten und gemischten Stadt<br />

fortzusetzen.<br />

Schickes Stadtrad statt PS-strotzende<br />

Limousine<br />

Der Grundriss einer weiträumig gegliederten,<br />

aufgelockerten und<br />

autogerechten Stadt mit weitgehend<br />

separierten Lebensbereichen<br />

entspricht<br />

exakt dem<br />

Zeitalter der<br />

scheinbar grenzenlos<br />

verfügbaren<br />

fossilen<br />

Energien. Sie<br />

wird noch gesteigert<br />

durch<br />

<strong>die</strong> fortschreitende<br />

Suburbanisierung,<br />

das Ausfransen<br />

der Vorstädte in<br />

<strong>die</strong> offene Landschaft,<br />

was weitere<br />

Verkehrsströme erzeugt.<br />

Billiges Öl war<br />

der Schmierstoff der<br />

automobilen Revolution,<br />

<strong>die</strong> den öffentlichen<br />

Raum in den Städten<br />

okkupierte und <strong>die</strong> Landschaften<br />

zerschnitt. Große<br />

Kohlekraftwerke deckten den<br />

wachsenden Strombedarf von<br />

Haushalten, Innenstädten und<br />

Industrie. Dieser Typus von urbaner<br />

Moderne steigert nicht nur den Energieverbrauch<br />

in gewaltige Dimensionen;<br />

sie frisst auch immer mehr Lebenszeit<br />

der Stadtbewohner:innen durch Ausdehnung<br />

der Verkehrswege. Zugleich<br />

zerstört sie <strong>die</strong> spezifische Qualität<br />

urbaner Öffentlichkeit, <strong>die</strong> nur durch<br />

funktionale Mischung, pulsierende ‣<br />

55


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Stadtquartiere und belebte Plätze entsteht.<br />

Tatsächlich korrespon<strong>die</strong>rt der<br />

funktional<strong>ist</strong>isch-monumentale Städtebau<br />

eher mit fasch<strong>ist</strong>ischen und kommun<strong>ist</strong>ischen<br />

Ideen, in denen Menschen als<br />

zu formende und kontrollierende Masse<br />

gelten, als mit einer demokratischen<br />

Vorstellung der Stadt als „res publica“.<br />

Heute begünstigt der Strukturwandel<br />

der städtischen Ökonomie <strong>die</strong> Rückwendung<br />

zur dichten und gemischten Stadt.<br />

Die Zeit der rauchenden Schlote <strong>ist</strong> zumindest<br />

in den postindustriellen Städten<br />

des Westens vorbei. Der räumliche<br />

Abstand zwischen Gewerbe und Wohnen<br />

kann wieder schrumpfen. Altindustrielle<br />

Brachen werden in Kultur- und<br />

Dienstle<strong>ist</strong>ungsquartiere umgewandelt.<br />

Die Kreativwirtschaft aus Designbüros,<br />

Me<strong>die</strong>nunternehmen, Galerien, Modestudios,<br />

Beratungsunternehmen, Finanz<strong>die</strong>nstle<strong>ist</strong>ern<br />

und Forschungsinstituten<br />

sucht ein urbanes, kommunikatives<br />

Umfeld. Kultur, Bildung, Kindergärten,<br />

Restaurants und Bioläden im Nahbereich<br />

werden zu einem harten Standortfaktor.<br />

Für <strong>die</strong> neue Generation von<br />

Young Urban Professionals <strong>ist</strong> das Auto<br />

<strong>kein</strong> Statussymbol mehr. Es muss <strong>kein</strong>e<br />

PS-strotzende Limousine mehr sein. Ein<br />

Hybridfahrzeug oder Elektroauto, das<br />

man lediglich für <strong>die</strong> gefahrenen Kilometer<br />

bezahlt, tut es auch. Statt eines<br />

teuren Schlittens le<strong>ist</strong>et man sich jetzt<br />

ein schickes Stadtrad.<br />

Öko-Wissen gehört inzwischen zum<br />

guten Architektenton<br />

Wer dem Klimawandel zu Leibe rücken<br />

will, muss sich mit der Bautätigkeit der<br />

Menschen befassen. In den hochindustrialisierten<br />

Ländern entfallen rund 40<br />

Prozent der Treibhausgasemissionen<br />

auf den Gebäudesektor. Zwar gibt es<br />

inzwischen weltweit innovative Beispiele<br />

für Green Buildings, <strong>die</strong> kaum noch<br />

Fremdenergie verbrauchen, ohne elektrische<br />

Klimaanlage auskommen und mit<br />

getrennten Wasserkreisläufen arbeiten.<br />

Ohne staatliche Nachhilfe dauert es aber<br />

noch Jahrzehnte, bis sich <strong>die</strong>se Pioniertechniken<br />

auf den Bestand ausgedehnt<br />

haben werden. Das liegt maßgeblich an<br />

den langen Lebens- und Abschreibungszyklen<br />

von Gebäuden. Entsprechend<br />

langsam <strong>ist</strong> auch <strong>die</strong> Innovationsgeschwindigkeit<br />

im gebauten Raum.<br />

Es gibt aber auch professionellen Nachholbedarf<br />

bei vielen Architekt:innen,<br />

Bauunternehmen und Immobilienmanager:innen.<br />

Lange Zeit spielten Energieeffizienz<br />

und <strong>Nachhaltigkeit</strong> weder in<br />

der Ausbildung noch in der beruflichen<br />

Praxis eine große Rolle. Das hat sich inzwischen<br />

geändert. Zumindest im Neubau<br />

zeichnet sich ein Boom ökologischen<br />

Bauens ab. Es gehört inzwischen zum<br />

guten Ton, über Energiebilanzen und<br />

ökologische Baustoffe Bescheid zu wissen.<br />

Technische Fortschritte, neue Materialien<br />

und besseres Design ermöglichen<br />

<strong>die</strong> Integration von Funktionalität,<br />

Ästhetik und Ökologie. Gebäudefassaden<br />

erzeugen Solarstrom und regulieren<br />

<strong>die</strong> Temperatur, vertikale Treibhäuser<br />

verbessern das Gebäudeklima und absorbieren<br />

überschüssige Wärme, horizontale<br />

Windkraftanlagen rotieren<br />

auf Dächern, dezentrale Kraft-Wärme-<br />

Aggregate decken den restlichen Energiebedarf,<br />

alle verbauten Materialien<br />

lassen sich recyceln: Das alles <strong>ist</strong> <strong>kein</strong>e<br />

Utopie, <strong>sondern</strong> bereits heute machbar.<br />

Im Jahr 2009 übergab der Bund Deutscher<br />

Architekten dem damaligen Bundesbaumin<strong>ist</strong>er<br />

Wolfgang Tiefensee<br />

das von zahlreichen Architekten, Ingenieurinnen<br />

und Landschaftsplanern<br />

unterzeichnete Manifest „Vernunft für<br />

<strong>die</strong> Welt“, in dem sie für ihre Zunft<br />

Verantwortung für den Klimawandel<br />

übernehmen. Das stimmt durchaus<br />

hoffnungsvoll. Viele Fragen einer<br />

Low-Carbon-Baukultur sind jedoch noch<br />

unbeantwortet: Wie übersetzen wir ambitionierte<br />

Pionierprojekte in einen umfassenden<br />

Stadtumbau, der möglichst<br />

rasch auch den Gebäudebestand ergreift?<br />

Welche Finanzierungs- und Förderinstrumente<br />

sind dafür nötig?<br />

In der Energiewirtschaft hat das Erneuerbare-Energien-Gesetz<br />

mit seinen<br />

garantierten Einspeisevergütungen für<br />

erneuerbare Energien für einen raschen<br />

Strukturwandel gesorgt. Ein vergleichbares<br />

Instrumentarium für den ökologischen<br />

Stadtumbau steht noch aus. Dabei<br />

können Visionen der zukunftsfähigen<br />

Stadt nicht beim einzelnen Gebäude<br />

haltmachen. Es geht um veränderte<br />

Stadtlandschaften und eine Erneuerung<br />

der Infrastruktur, insbesondere in<br />

den Bereichen Verkehr, Energienetze,<br />

schnelle Datennetze und Wasserversorgung.<br />

Dahinter stehen neue Entwürfe<br />

urbanen Arbeitens und Lebens, urbaner<br />

Kommunikation und Öffentlichkeit.<br />

Die Transformation zur nachhaltigen<br />

Stadt lässt sich nur im Zusammenwirken<br />

einer Vielzahl von Akteuren und<br />

Akteurinnen bewältigen. Dabei <strong>ist</strong> <strong>die</strong><br />

Politik auf allen Ebenen ebenso gefordert<br />

wie Investor:innen, Stadtplaner:innen,<br />

Architekt:innen und <strong>die</strong> städtische<br />

Öffentlichkeit – also wir alle. Politik<br />

muss <strong>die</strong> rechtlichen und ökonomischen<br />

Rahmenbedingungen setzen, um private<br />

Investitionen und individuelles Verhalten<br />

in ökologische Bahnen zu<br />

lenken. Dazu gehören progressiv<br />

steigende Energiestandards<br />

für Neu- und<br />

56


<strong>Zukunft</strong><br />

In den hochindustrialisierten<br />

Ländern entfallen<br />

rund 40 Prozent<br />

der Treibhausgasemissionen<br />

auf den<br />

Gebäudesektor.<br />

Altbauten, steuerliche Anreize für Wärmedämmung,<br />

ein attraktiver öffentlicher<br />

Verkehrsverbund, <strong>die</strong> fahrrad- und<br />

fußgängerfreundliche Umgestaltung des<br />

öffentlichen Raums, der Aufbau einer<br />

standardisierten Lade-Infrastruktur für<br />

Elektroautos und <strong>die</strong> schrittweise Umstellung<br />

der Staatsfinanzierung auf Ressourcensteuern.<br />

Der Aufbau der modernen<br />

Wasser- und Abwasserinfrastruktur<br />

in den Städten war nur möglich, weil<br />

für alle Immobilienbesitzer:innen<br />

ein Anschlusszwang festgelegt<br />

wurde. Eine analoge Regelung<br />

brauchen wir in <strong>Zukunft</strong> auch<br />

für Strom und Wärme aus<br />

erneuerbaren Energiequellen.<br />

Wohlstandsinseln und Armutszonen<br />

vermeiden<br />

Moderne Großstädte sind zu komplexe<br />

Gebilde, um sie zentral „von oben nach<br />

unten“ zu steuern. Das gilt erst recht für<br />

<strong>die</strong> Megacities in Asien, Lateinamerika<br />

und Afrika. Selbstverständlich braucht<br />

es eine integrierte Rahmenpla- ‣<br />

57


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Die Transformation<br />

zur nachhaltigen<br />

Stadt lässt sich nur<br />

im Zusammenwirken<br />

einer Vielzahl von<br />

Akteuren und<br />

Akteurinnen<br />

bewältigen.<br />

Foto: AdriFerrer / stock.adobe.com<br />

58


<strong>Zukunft</strong><br />

nung für Bauen, Verkehr, Energie- und<br />

Wasserversorgung, Schulen und soziale<br />

Dienste. Aber sie wird nicht umgesetzt<br />

werden können ohne <strong>die</strong> frühzeitige<br />

Beteiligung der Stadtbürger:innen an<br />

städtischen Planungs- und Entscheidungsprozessen.<br />

Das Internet erweitert<br />

<strong>die</strong> traditionellen Formen der Versammlungsdemokratie<br />

um neue Informationskanäle<br />

und Diskussionsforen zu<br />

städtischen Angelegenheiten. Die zentrale<br />

Verwaltung <strong>ist</strong> um eine dezentrale<br />

Selbstverwaltung der Stadtquartiere zu<br />

ergänzen. Eine dritte Akteurin <strong>ist</strong> <strong>die</strong><br />

Zivilgesellschaft selbst – Bürgerinitiativen,<br />

Stadtteilprojekte, freie Träger für<br />

soziale und kulturelle Einrichtungen,<br />

Vereine, Selbsthilfegruppen, genossenschaftliche<br />

Projekte. Last but not least<br />

geht es darum, Unternehmen zu guten<br />

Corporate Citizens zu machen, <strong>die</strong> sich<br />

für <strong>die</strong> öffentlichen Angelegenheiten<br />

engagieren: als Sponsoren, aber auch<br />

als Partner von Schulen, Universitäten,<br />

Kulturhäusern und bürgerschaftlichen<br />

Projekten.<br />

Die ökologische Erneuerung der Städte<br />

wird schwerlich gelingen, wenn sie<br />

nicht mit einer Überwindung der sozialen<br />

Kluft verbunden <strong>ist</strong>, <strong>die</strong> sich vielerorts<br />

immer stärker öffnet. Fällt <strong>die</strong> Stadt<br />

in räumlich segregierte Wohlstandsinseln<br />

und Armutszonen auseinander,<br />

wird auch einer integrierten Verkehrsund<br />

Flächenplanung der Boden entzogen.<br />

Das hat Auswirkungen bis hinein<br />

in <strong>die</strong> Verkehrsstruktur: Wenn sich <strong>die</strong><br />

sozialen Gegensätze verschärfen und<br />

<strong>die</strong> Unsicherheit steigt, ziehen sich <strong>die</strong><br />

Wohlhabenderen in ihre Autos zurück.<br />

Die öffentlichen Verkehrsmittel verkommen,<br />

der öffentliche Raum verödet.<br />

Vermieter:innen in Stadtquartieren mit<br />

hoher Arbeitslosigkeit werden schwerlich<br />

dafür zu gewinnen sein, in <strong>die</strong><br />

ökologische Sanierung ihrer Gebäude<br />

zu investieren. Sozialer Wohnungsbau,<br />

Kulturzentren, Sportvereine, Anwohnerinitiativen<br />

und <strong>die</strong> Ansiedlung kleiner<br />

Gewerbebetriebe können zur Stabilisierung<br />

prekärer Wohnviertel beitragen.<br />

Der Schlüssel jedoch liegt in Bildung<br />

und beruflicher Qualifizierung – nur sie<br />

eröffnen auf Dauer einen Ausweg aus<br />

Armut und Perspektivlosigkeit.<br />

Städte waren im Altertum <strong>die</strong> Wiege<br />

der Demokratie, der Philosophie und<br />

der Wissenschaft. Sie waren Zentren<br />

bürgerlicher Selbstverwaltung im späten<br />

Mittelalter und Pioniere der industriellen<br />

Revolution. Auch <strong>die</strong> großen<br />

demokratischen Bewegungen der Neuzeit<br />

gingen von den Städten aus: der<br />

Sturz der Feudalherrschaft und <strong>die</strong> Errichtung<br />

der demokratischen Republik.<br />

Jetzt müssen sie zu Vorreiterinnen der<br />

ökologischen Transformation werden.<br />

In ihnen entscheidet sich, ob wir einer<br />

humanen <strong>Zukunft</strong> entgegengehen, <strong>die</strong><br />

das Gleichgewicht mit dem Ökosystem<br />

wiederherstellt und soziale Teilhabe für<br />

alle ermöglicht. f<br />

Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.):<br />

Urban Futures 2050 – Szenarien<br />

und Lösungen für das Jahrhundert<br />

der Städte<br />

59


Schnittho<br />

#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Ackerbau ohne<br />

Brachland<br />

Agropolis<br />

Petropolis<br />

Ökopolis<br />

Ackerbau, Brachland<br />

und Weideland<br />

Drei-Felder-System<br />

Viezucht<br />

Importe/Exporte<br />

auf dem Luftweg<br />

Importe/Exporte<br />

auf der Straße<br />

Importe/Exporte<br />

auf der Schiene<br />

Stadt<br />

Schiffbarer Fluss<br />

Importe/Exporte<br />

auf dem Seeweg<br />

Globale Kommunikation<br />

Landwirtschaft und<br />

Milchproduktion<br />

Brennholz- und<br />

Schnittholzproduktion<br />

Ackerbau ohne<br />

Brachland<br />

Ackerbau, Brachland<br />

und Weideland<br />

Drei-Felder-System<br />

Viezucht<br />

Importe/Exporte<br />

auf dem Luftweg<br />

Importe/Exporte<br />

auf der Straße<br />

Importe/Exporte<br />

auf der Schiene<br />

Öl-Importe<br />

Lebensmittel-Importe<br />

Autobahnverbindungen<br />

Erneuerbare Energie<br />

Landwirtschaft und<br />

gemeinschaftlich<br />

betriebene Bauernhöfe<br />

Naturpark und<br />

gemeinschaftlicher<br />

Obstgarten<br />

Gemischte Landwirtschaft<br />

und erneuerbare<br />

Energie<br />

Weidehaltung und<br />

Wälder<br />

Importe/Exporte<br />

auf dem Seeweg<br />

60


<strong>Zukunft</strong><br />

Agropolis<br />

In seinem Buch „Der isolierte Staat“ zeigte<br />

Johann Heinrich von Thünen 1826, in<br />

welcher Weise Städte in ihre umliegende<br />

Landschaft eingebettet waren, <strong>die</strong> sie<br />

mit allen Notwendigkeiten versorgte.<br />

In unmittelbarer Nähe umgaben <strong>die</strong><br />

Stadt Gemüse- und Obstgärten. Weiter<br />

draußen lag der Stadtwald, da Holz ein<br />

schwerer Brenn- und Baustoff <strong>ist</strong> und es<br />

deshalb besonders wichtig war, dass der<br />

Wald nah liegt. Ebenfalls weiter draußen<br />

befanden sich Felder für den Anbau von<br />

Getreide und anderen Bodenfrüchten<br />

sowie Weiden für Schafe, Kühe und<br />

Pferde. Dieses Konzept einer Stadt, <strong>die</strong><br />

eine enge Beziehung zu ihrer Umwelt<br />

hat, nennt man „Agropolis“.<br />

Es war von besonderer Bedeutung<br />

für den langfr<strong>ist</strong>igen Bestand der<br />

Städte der Vergangenheit, dass ihre<br />

natürlichen Abfälle immer wieder auf<br />

<strong>die</strong> Felder zurückgeführt wurden, um<br />

<strong>die</strong>se für künftige Ernten fruchtbar zu<br />

erhalten. Dadurch hatten Städte eine<br />

symbiotische Beziehung zu ihrer<br />

unmittelbaren Umgebung –<br />

Agrikultur und Agropolis<br />

waren zu einer Einheit<br />

verschmolzen. Einige Städte, wie<br />

Hamburg oder Amsterdam, konnten<br />

aufgrund ihrer Lage an Flüssen oder am<br />

Meer Handelsbeziehungen aufbauen,<br />

<strong>die</strong> über ihre Region hinausreichten.<br />

Doch erst <strong>die</strong> Einführung von Techniken<br />

seit der industriellen Revolution hat es<br />

ermöglicht, dass Städte in ein globales<br />

Handelssystem eingebunden werden<br />

konnten. Moderne Städte sind daher<br />

für ihr Bestehen nicht mehr auf ihren<br />

unmittelbaren Lebensraum angewiesen,<br />

<strong>sondern</strong> sind in ein Netzwerk aus<br />

Produktionen verstrickt, das mittlerweile<br />

<strong>die</strong> ganze Welt umspannt. ‣<br />

61


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Petropolis<br />

Die industrielle Revolution markierte<br />

eine grundlegende Veränderung in der<br />

Beziehung zwischen Stadt und Natur.<br />

Mit dem Beginn des Kohlebergbaus<br />

wurde der Menschheit eine neue Energiequelle<br />

zur Verfügung gestellt, deren<br />

Entwicklung durch Öl und Gas weiter<br />

beschleunigt wurde. Heutzutage leben<br />

wir „Petropolis“: Unsere Städte sind auf<br />

den routinemäßigen Verbrauch von<br />

fossilen Brennstoffen angewiesen, um<br />

ihren Bedarf an Nährstoffen, Energie,<br />

Transport und Wasser zu befriedigen.<br />

Moderne Städte verbrauchen ungefähr<br />

80 Prozent aller jährlich produzierten<br />

Mengen an Öl, Gas und Kohle und <strong>die</strong><br />

Tendenz <strong>ist</strong> dabei stetig steigend. Dadurch<br />

<strong>ist</strong> der Energieverbrauch unserer<br />

Städte ein entscheidender Faktor<br />

bei der Verursachung des<br />

Klimawandels und<br />

in <strong>Zukunft</strong> werden sie auch seine<br />

Hauptopfer sein, vor allem in den<br />

großen Küstenstädten der Welt.<br />

Petropolis arbeitet im Gegensatz zur<br />

Natur im Wesentlichen linear: Große<br />

Mengen an Ressourcen werden aus der<br />

Natur entnommen, um in einer Vielzahl<br />

an industriellen Produkten verarbeitet<br />

zu werden, <strong>die</strong> anschließend zurückgegeben<br />

werden. Städte auf der ganzen<br />

Welt sind traditionell als Motor des Wirtschaftswachstums<br />

und Zentren des<br />

globalen Handels bekannt. In einer Welt,<br />

<strong>die</strong> sich rasant durch Klimawandel und<br />

Umweltzerstörung verändert, müssen<br />

Städte eine aktive Rolle in der Regeneration<br />

von gefährdeten Ökosystemen<br />

spielen. Dies bedeutet, dass Städte als<br />

Teil der jeweiligen Nationalwirtschaft<br />

eine entscheidende Verantwortung für<br />

den globalen Klima- und Umweltschutz<br />

übernehmen müssen.<br />

62


<strong>Zukunft</strong><br />

Ökopolis<br />

Wie lässt sich eine modern gestaltete<br />

Stadt aufbauen? Die Antwort darauf <strong>ist</strong><br />

<strong>die</strong> Ökopolis. Sie <strong>ist</strong> durch eine regenerative<br />

Beziehung zur Natur geprägt,<br />

wird aber dennoch wirtschaftlich aktiv<br />

sein, insbesondere in Bezug auf Umwelttechnik<br />

und alternative Energien.<br />

Sie verfolgt das Konzept des „One Planet<br />

Living“ und möchte einen geringen<br />

ökologischen Fußabdruck hinterlassen,<br />

indem der Pro-Kopf-Verbrauch an Energie<br />

in klaren Grenzen gehalten wird. Bei<br />

Ökopolis werden Null-Emissionen-Häuser<br />

und Transportsysteme gebaut, <strong>die</strong><br />

sich hauptsächlich durch erneuerbare<br />

Energien aus dem Stadtgebiet und<br />

benachbarten Gebieten versorgen.<br />

Ökopolis verfügt über einen zirkulären<br />

Stoffwechsel, bei dem biologische<br />

Abfälle zum Kompostieren<br />

verwendet werden, um<br />

eine nachhaltige Landwirtschaft in der<br />

Umgebung zu fördern. Darüber hinaus<br />

erzeugt Biogas sowohl Strom als auch<br />

Wärme. Technische Abfälle aus Metall,<br />

Glas und Kunststoff werden auch<br />

getrennt recycelt, um neue Produkte zu<br />

produzieren.<br />

Dieser Ansatz, Städte in <strong>die</strong> umliegende<br />

Landschaft einzubetten, wird durch<br />

neue Technologien wie Solar- und Windenergie,<br />

Biogastechnologie und sogar<br />

durch <strong>die</strong> zunehmenden Kosten fossiler<br />

Brennstoffe unterstützt. Dadurch werden<br />

viele Produkte, besonders Lebensmittel,<br />

nicht mehr global transportiert.<br />

Man kann daher nicht nur von Peak Oil,<br />

<strong>sondern</strong> auch von Peak Globalization<br />

sprechen. Dennoch bedeutet <strong>die</strong>s nicht,<br />

dass Ökopolis sich der Welt verschließt;<br />

vielmehr wird <strong>die</strong> moderne Kommunikationstechnologie<br />

den globalen Austausch<br />

von Ideen beschleunigen. f<br />

Quelle: Herbert Girardet – Creating Regenerative Cities<br />

63


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Handlungsempfehlungen<br />

Die „Stadt für Morgen“<br />

Kompakt wohnen,<br />

Flächen sparen,<br />

Verkehr vermeiden<br />

Das Umweltbundesamt (UBA)<br />

skizziert, wie eine Stadt der<br />

<strong>Zukunft</strong> aussehen kann, <strong>die</strong><br />

lärmarm und grün <strong>ist</strong> und in<br />

der <strong>die</strong> Menschen umweltfreundlich<br />

unterwegs sind.<br />

Kernelement <strong>die</strong>ser „Stadt für<br />

Morgen“ <strong>ist</strong> ein gut<br />

ausgebauter öffentlicher<br />

Nahverkehr. Ergänzt wird<br />

<strong>die</strong>ser um Fuß- und<br />

Radverkehr sowie elektrisch<br />

angetriebene, automatisiert<br />

fahrende Carsharing-Autos<br />

64


<strong>Zukunft</strong><br />

Mehr Miteinander<br />

Durch <strong>die</strong> Bereitstellung hochwertiger<br />

Grünflächen und begrünter Räume,<br />

Straßen, Passagen und öffentlicher Bereiche<br />

erhalten sowohl Wohnen als auch<br />

Arbeiten mehr Lebensqualität. Dächer,<br />

Fassaden und Innenhöfe werden durch<br />

Grün- und Wasserflächen verschönt<br />

und bieten im Sommer angenehme<br />

Kühle. Es wird ein vielfältiges Angebot<br />

an Flächen für Begegnung, Kommunikation<br />

und Erholung bereitgestellt, wie<br />

zum Beispiel Begegnungszonen und<br />

Shared Spaces. Darüber hinaus <strong>ist</strong> <strong>die</strong><br />

Stadt durch öffentliche Verkehrsmittel<br />

und Radschnellwege mit den umliegenden<br />

Siedlungsgebieten verbunden.<br />

Funktionsgemischte Quartiere<br />

Anders mobil sein<br />

Um <strong>die</strong> Wohnnutzung innerstädtischer<br />

Quartiere zu stärken und den Menschen<br />

einen Ort für Begegnungen zu bieten,<br />

fördert man <strong>die</strong> Bereitstellung von privaten,<br />

halböffentlichen und öffentlichen<br />

Flächen. Lautes Gewerbe wird in Wohngebieten<br />

und urbanen Mischgebieten<br />

so weit wie möglich vermieden und im<br />

Gegenzug emissionsarmes Gewerbe erhalten<br />

oder dort, wo freie Flächen vorhanden<br />

sind, integriert. Eine nachhaltige<br />

und attraktive Bebauung entsteht<br />

durch <strong>die</strong> Nutzung von Baulücken, Hinterhöfen<br />

und Parkplätzen. Brachflächen<br />

werden wieder genutzt und reaktiviert<br />

und in erster Linie mit Formen von Bebauung<br />

versehen, <strong>die</strong> ein gesundes Wohnen<br />

mit einer hohen Lebensqualität ermöglichen.<br />

Wohnen in der Stadt soll auf <strong>die</strong><br />

verschiedenen Bedarfslagen von Jung<br />

Im ersten Schritt werden an allen<br />

Hauptverkehrsstraßen Radwege ergänzt<br />

und an 50 Prozent des Hauptverkehrsnetzes<br />

eigene Fahrspuren für den<br />

öffentlichen Verkehr (ÖV) eingerichtet,<br />

zulasten der Pkw-Stellplätze. Darüber<br />

hinaus ersetzen wir an Straßenrändern<br />

und gegebenenfalls auch auf Privatgrundstücken<br />

einige Pkw-Stellplätze<br />

durch Fahrradstellplätze. Der maximale<br />

Anteil an ruhendem, motorisiertem<br />

Individualverkehr am Straßenrand<br />

und auf Wohngrundstücken beträgt in<br />

<strong>die</strong>ser ersten Umsetzungsphase drei<br />

Quadratmeter pro Einwohner:in. Im<br />

Anschluss wird dann <strong>die</strong> autogerechte<br />

Stadt zurückgebaut, wobei <strong>die</strong> Flächenbelegung<br />

für den ruhenden motorisierten<br />

Individualverkehr auf 1,5 Quadratmeter<br />

pro Einwohner:in begrenzt wird.<br />

und Alt abgestimmt werden und flexibel<br />

organisiert sein. Zugang zu bezahlbarem<br />

Wohnen soll erleichtert und so eine<br />

räumliche Trennung von Arm und Reich<br />

vermieden werden. Der Fußweg pro Person<br />

und Tag soll auf ein Viertel des heutigen<br />

Durchschnitts reduziert werden,<br />

sodass <strong>die</strong> Weglänge letztendlich nur<br />

noch acht Kilometer beträgt.<br />

Die freiwerdenden Flächen werden für<br />

Fahrradwege und ÖV-Spuren, Freizeit<br />

und Grünflächen, Fahrradstellplätze<br />

und – in einigen Fällen – für Carsharing<br />

verwendet. Carsharing sowie Fahrradverleihsysteme<br />

einschließlich Pedelecs<br />

sind flächendeckend verfügbar. Das<br />

Stadtauto der <strong>Zukunft</strong> <strong>ist</strong> klein, leise,<br />

elektrisch, wird von mehreren geteilt<br />

und kann eventuell autonom sein. f<br />

Fotos: Studio Romantic; Oleksandr; photoschmidt / stock.adobe.com<br />

65


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

FORSCHUNG<br />

für eine<br />

nachhaltige<br />

<strong>Zukunft</strong><br />

Fotos: RealPeopleStudio; Vladimir / stock.adobe.com<br />

Finnen machen Beton ohne<br />

Klimakiller-Zement<br />

Das aus dem Forschungszentrum VTT Technical Research<br />

Centre of Finland hervorgegangene Unternehmen Carbonaide<br />

nutzt versteinertes, da in den Boden gepresstes CO 2<br />

zur<br />

Herstellung extrem harter Fertigbauteile. Diese sind hart wie<br />

Beton, kommen aber völlig ohne Zement aus, dessen Herstellung<br />

acht Prozent der weltweiten CO 2<br />

-Emissionen verursacht.<br />

Nach einer Laborphase, in der <strong>die</strong> Entwickler:innen den Prozess<br />

optimiert haben, stattet Carbonaide jetzt ein Betonfertigteilewerk<br />

im finnischen Hollola mit der umweltfreundlichen<br />

Technik aus, und das gleich im großtechnischen Maßstab.<br />

Dafür stehen 1,8 Millionen Euro zur Verfügung, <strong>die</strong> der Staat,<br />

finnische Betonunternehmen und strategische Investor:innen<br />

aufgebracht haben. Dort sollen pro Tag bis zu fünf Tonnen<br />

CO 2<br />

verbraucht werden.<br />

Karbonatisierungs-Pilotsystem<br />

Alles begann mit einem automatisierten Karbonatisierungs-Pilotsystem,<br />

das CO2 bei atmosphärischem Druck in<br />

Betonfertigteile bindet. Es steckt in einem Container auf dem<br />

Gelände des Betonwerks in Hollola. Der Eigentümer <strong>die</strong>ser<br />

Anlage, Rakennusbetoni, nutzt <strong>die</strong> Technologie zur Herstellung<br />

von Pflastersteinen für eine Baustelle der Skanska Group<br />

in der schwedischen Hauptstadt Stockholm.<br />

„Im vergangenen Herbst haben wir gezeigt, dass wir den<br />

CO 2<br />

-Fußabdruck unserer Produkte auf minus 60 Kilogramm<br />

pro Kubikmeter senken können, wenn wir Portlandzement<br />

durch Schlacke ersetzen“, so Carbonaide-CEO Tapio Vehmas.<br />

Der CO 2<br />

-Fußabdruck von herkömmlichem Beton liegt bei 250<br />

bis 300 Kilogramm pro Kubikmeter. Vehmas will bis 2026 in<br />

Finnland zehn Fabriken zur Herstellung der neuartigen Bauteile<br />

errichten, <strong>die</strong> pro Jahr Millionen Tonnen CO 2<br />

binden.<br />

Zement fungiert in Beton als Bindemittel zwischen den Zuschlagstoffen<br />

Sand und Kies. Carbonaide ersetzt das Bindemittel<br />

durch ein Gemisch aus Hochofenschlacke, Grünlauge,<br />

<strong>die</strong> bei der Zellstoffherstellung anfällt, und Bioasche, etwa aus<br />

Heizkraftwerken, in denen Holz verfeuert wird.<br />

66


<strong>Zukunft</strong><br />

Durchbruch auf dem Weg zur<br />

biologischen Solarzelle<br />

Einem Forschungsteam der Universität Cambridge, der<br />

Universität Rostock sowie der Ruhr-Universität Bochum <strong>ist</strong> es<br />

erstmals gelungen, Elektronen direkt aus den Anfangssta<strong>die</strong>n<br />

der Fotosynthese zu gewinnen. Dieser Durchbruch stellt das<br />

bisherige Modell zur grundlegenden Funktionsweise der Fotosynthese<br />

infrage und besitzt das Potenzial, <strong>die</strong> Entwicklung<br />

von Solarzellen auf Basis von biologischen Katalysatoren zu<br />

revolutionieren.<br />

„Wir wollen in einem interdisziplinären<br />

Ansatz beispielsweise Hybridsysteme<br />

entwickeln, <strong>die</strong> mithilfe biologischer<br />

Katalysatoren und Lichtenergie Wasserstoff<br />

Biologische Katalysatoren, sogenannte Enzyme, bestimmen<br />

längst unseren Alltag. Sie werden beispielsweise als Zusätze<br />

in Waschmitteln verwendet, sie veredeln Lebensmittel<br />

oder werden in großtechnischen Prozessen eingesetzt, um<br />

Medikamente oder Rohstoffe für <strong>die</strong> chemische Industrie<br />

zu produzieren. Im Vergleich zu chemischen Katalysatoren<br />

haben sie den Vorteil, dass sie nur mit ganz bestimmten<br />

Ausgangstoffen reagieren und daher sehr spezifische Produkte<br />

herstellen. Zudem basieren biologische Katalysatoren<br />

niemals auf Edelmetallen oder anderen selten Rohstoffen. „In<br />

der Natur haben sich immer Lösungen durchgesetzt, <strong>die</strong> nicht<br />

durch <strong>die</strong> Verfügbarkeit von Rohstoffen limitiert sind“, sagt<br />

Prof. Dr. Marc Nowaczyk, Leiter des Lehrstuhls für Biochemie<br />

an der Universität Rostock und Ko-Autor der Stu<strong>die</strong>.<br />

Aber kann man biologische Katalysatoren auch zur Energiegewinnung<br />

nutzen, um zum Beispiel mit Sonnenlicht Wasserstoff<br />

herzustellen? Auch hierzu liefert <strong>die</strong> Natur mit dem<br />

Prozess der Fotosynthese eine Blaupause. So gut wie alles<br />

Leben <strong>ist</strong> direkt oder indirekt von der Umwandlung von Lichtenergie<br />

durch Pflanzen, Algen oder<br />

bestimmte Bakterien abhängig, <strong>die</strong><br />

aus dem Kohlenstoffdioxid der Atmosphäre<br />

Biomasse herstellen. Genauer:<br />

Bei der Fotosynthese werden<br />

durch <strong>die</strong> Umwandlung von Kohlenstoffdioxid<br />

und Wasser mithilfe von<br />

Lichtzufuhr Zuckermoleküle und<br />

Sauerstoff erzeugt. Auch sämtliche<br />

fossile Energieträger wie Kohle,<br />

Öl oder Gas basieren letztendlich<br />

auf der Energieumwandlung durch<br />

fotosynthetische Organismen. Das<br />

Team um Marc Nowaczyk untersucht<br />

<strong>die</strong> molekularen Grundlagen<br />

der Fotosynthese und versucht auf<br />

<strong>die</strong>ser Basis biologische Lösungen<br />

zur Umwandlung und Speicherung<br />

von Energie zu konzipieren.<br />

als Energieträger produzieren.“„<br />

‣<br />

Fotos: Marion Lenzen; ITMZ | Universität Rostock<br />

Marc Nowaczyk<br />

‣<br />

67


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Textile Gebäudehülle mindert<br />

Hochwasser- und Hitzerisiken in Städten<br />

Stetig neue Hitzerekorde und vermehrte Starkregenereignisse<br />

sind Auswirkungen des Klimawandels, mit fatalen Folgen für<br />

<strong>die</strong> Städte und ihre Bewohner:innen. Eine Wissenschaftlerin<br />

der Universität Stuttgart hat eine mögliche Lösung dafür:<br />

Leichte, textile Fassadenelemente mit dem Namen<br />

„HydroSKIN“ nehmen Regenwasser auf und geben in<br />

Hitzeperioden Wasser ab, um Gebäudeinnenraum und Stadtraum<br />

durch Verdunstung zu kühlen.<br />

Fotos: Universität Stuttgart; Chr<strong>ist</strong>ina Eisenbarth<br />

Überschwemmungen und städtische Hitzeinseln ziehen nicht<br />

nur <strong>die</strong> Bevölkerung in Mitleidenschaft. Die durch Hochwasser<br />

verursachten Sachschäden an Gebäuden und Infrastruktur<br />

erreichen allein in Deutschland jährlich Milliardenhöhe.<br />

Dringend benötigt werden urbane Flächen zur Regenwasserrückhaltung<br />

und Regulierung des Mikroklimas durch<br />

Verdunstungskühlung – Flächen, <strong>die</strong> <strong>kein</strong>en kostbaren<br />

städtischen Lebensraum einnehmen, um dennoch wirksam<br />

und wirtschaftlich gegen <strong>die</strong> beiden immer akuter werdenden<br />

Klimagefahren vorzugehen.<br />

Eine universell anwendbare Lösung zur<br />

Klimaanpassung der Städte hat nun<br />

Chr<strong>ist</strong>ina Eisenbarth vom Institut für<br />

Leichtbau Entwerfen und Konstruieren<br />

(ILEK) an der Universität Stuttgart hervorgebracht.<br />

Die Architektin hat ein hydroaktives<br />

Fassadensystem entwickelt,<br />

das als artifizielle Retentionsfläche in<br />

der Gebäudehülle fungiert.<br />

Die leichten, textilen Fassadenelemente<br />

mit dem Namen „HydroSKIN“<br />

nehmen das schräg auf <strong>die</strong> Gebäudehülle<br />

treffende Regenwasser auf und<br />

geben in Hitzeperioden Wasser ab, um<br />

Gebäudeinnenraum und Stadtraum<br />

durch Verdunstung natürlich zu kühlen.<br />

Die Größe der Elemente <strong>ist</strong> flexibel. Ihr<br />

minimales Flächengewicht ermöglicht<br />

eine einfache Montage an sämtlichen<br />

konventionellen Fassaden im Neubau<br />

sowie auch im Gebäudebestand.<br />

Das Kernelement der HydroSKIN <strong>ist</strong><br />

ein sogenanntes Abstandsgewirke,<br />

zwei textile Lagen, <strong>die</strong> durch Fäden<br />

auf Abstand gehalten und dadurch gut<br />

durchlüftet werden. Die hohe Luftzirkulation<br />

fördert <strong>die</strong> Verdunstung von<br />

Wasser und verstärkt den Kühleffekt<br />

der Fassade. Das Gewirke <strong>ist</strong> an der Au-<br />

68


<strong>Zukunft</strong><br />

ßenseite von einer wasserdurchlässigen Textilhülle umgeben,<br />

<strong>die</strong> nahezu alle Regentropfen eindringen lässt und gleichzeitig<br />

das Gewirke vor Verunreinigungen durch Insekten und Blätter<br />

schützt. Eine Folie an der Innenseite leitet das Wasser in das<br />

untere Profilsystem ab. Von dort kann es, entweder in einem<br />

Reservoir gespeichert oder direkt im Gebäude genutzt, den<br />

Wasserverbrauch reduzieren. An heißen Tagen wird Wasser<br />

in das Fassadenelement zurückgeleitet, verdunstet dort und<br />

sorgt so für den natürlichen Kühleffekt durch Evaporation.<br />

Gekühlt wird nicht nur das Innere des Gebäudes, <strong>sondern</strong><br />

auch <strong>die</strong> Umgebung.<br />

Besonderes Potenzial für hydroaktive Gebäudehüllen bieten<br />

Hochhäuser. Nicht nur aufgrund ihrer immensen Fassadenfläche.<br />

Mit zunehmender Gebäudehöhe trifft der Regen durch<br />

<strong>die</strong> hohen Windkräfte als Schlagregen schräg auf <strong>die</strong> Gebäudefassade,<br />

so dass ab etwa 30 Metern Gebäudehöhe mehr<br />

Regen auf <strong>die</strong> Fassade trifft als auf eine gleich große horizontale<br />

Dachfläche. Zum anderen verstärken <strong>die</strong> hohen Windgeschwindigkeiten<br />

den Verdunstungskühleffekt, wobei ein kühler<br />

Luftstrom entsteht, der abwärts in den Stadtraum zieht. f<br />

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69


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Open-Source-Maschine<br />

demokratisiert<br />

Kreislaufwirtschaft<br />

Von Gabriela Ensinck<br />

Wie man ein Umweltproblem lösen kann und gleichzeitig<br />

<strong>die</strong> Lösung für alle frei zugänglich macht, das haben zwei<br />

Erfinder aus Nordamerika gezeigt. Sie haben eine<br />

recycelte Open-Source-Maschine erfunden,<br />

<strong>die</strong> selbst PET-Flaschen zu Filament für den<br />

3D-Druck umwandelt. Dafür wurden sie<br />

Ende des vergangenen Jahres mit dem<br />

James Dyson Award 2022 auf internationaler<br />

Ebene ausgezeichnet.<br />

70


<strong>Zukunft</strong><br />

Aus einer Familie<br />

von Tischlern und<br />

Schneidern stammend,<br />

<strong>ist</strong> praktische<br />

Arbeit Reiten Cheng<br />

nicht fremd. Der Absolvent<br />

des ArtCenter<br />

College of Design<br />

in den USA stu<strong>die</strong>rte<br />

eigenen Angaben<br />

zufolge zunächst Maschinenbau,<br />

bevor<br />

er seinen Abschluss<br />

in Industriedesign<br />

machte. „Als Industriedesigner<br />

verbinde<br />

ich Design und Technik,<br />

um Erfindungen zu schaffen,<br />

<strong>die</strong> unsere Beziehung<br />

zu physischen Objekten verbessern“,<br />

sagt Cheng. „Ich nehme<br />

ein Vergrößerungsglas auf <strong>die</strong><br />

User Journey und decke <strong>die</strong> grundlegenden<br />

Gründe auf, <strong>die</strong> zu Unzufriedenheit<br />

mit Produkten führen.“<br />

Seine Innovationsfähigkeit hat Cheng<br />

zusammen mit dem Kana<strong>die</strong>r Swaleh<br />

Owais, der ein Ingenieursstudium an<br />

der McMaster University abgeschlossen<br />

hat, unter Beweis gestellt. Gemeinsam<br />

haben <strong>die</strong> beiden den sogenannten Polyformer<br />

entwickelt. „Der Polyformer<br />

<strong>ist</strong> eine Maschine, <strong>die</strong> Plastikflaschen<br />

zu Fasern für 3D-Drucker recycelt und<br />

so den Plastikverbrauch reduziert und<br />

gleichzeitig Fasern für 3D-Drucker zu<br />

niedrigen Kosten produziert“, erklärt<br />

Dyson.<br />

Dafür wurden <strong>die</strong> beiden kürzlich mit<br />

dem James Dyson Award 2022 international<br />

im Bereich <strong>Nachhaltigkeit</strong> ausgezeichnet,<br />

sie erhielten ein Preisgeld in<br />

Höhe von 30.000 Pfund. Mit <strong>die</strong>ser von<br />

der Dyson Foundation finanzierten Auszeichnung<br />

werden Erfinderinnen und<br />

Erfinder geehrt, <strong>die</strong> daran arbeiten, alltägliche<br />

Probleme zu lösen oder Herausforderungen<br />

globaler Natur effektiv und<br />

durchdacht zu me<strong>ist</strong>ern. Bis jetzt hat <strong>die</strong><br />

Stiftung mehr als 300 Erfindungen auf<br />

der ganzen Welt finanziert. „Dadurch,<br />

dass der Polyformer gebrauchte Plastikflaschen<br />

in Fasern für den 3D-Druck<br />

umwandelt, trägt er dazu bei, <strong>die</strong> Abfallmenge<br />

zu reduzieren, <strong>die</strong> auf Mülldeponien<br />

landet, und er verschafft Ingenieuren<br />

und Designern, insbesondere in<br />

Entwicklungsländern, kostengünstiges<br />

und hochwertiges Material“, erklärt Sir<br />

James Dyson, Gründer und Chefingenieur<br />

der Firma Dyson.<br />

Demokratisierung der Technik<br />

Das Projekt entstand aus der Abschlussarbeit<br />

Chengs, <strong>die</strong> er als Open Source<br />

veröffentlichte. Owais beschloss, sich<br />

mit ihm in Verbindung zu setzen, da<br />

er in einem kommunalen Recyclingzentrum<br />

in Ruanda arbeitete, wo er <strong>die</strong><br />

Maschine vorstellen wollte. Selbst aus<br />

recyceltem Kunststoff von PET-Flaschen<br />

hergestellt, sind alle Teile des Polyformers<br />

leicht zusammenzubauen; seine<br />

Größe <strong>ist</strong> kompakt, sodass er in jede<br />

Werkstatt passt; und seine Architektur<br />

<strong>ist</strong> modular, sodass er erweitert und<br />

verändert werden kann. „Jede Maschine<br />

kann mit 3D-gedruckten Teilen und<br />

leicht verfügbaren Komponenten gebaut<br />

werden. Die modulare Architektur<br />

ermöglicht es, Komponenten auszutauschen<br />

und <strong>die</strong> Maschine an <strong>die</strong> Wünsche<br />

und Bedürfnisse des jeweiligen Benutzers<br />

anzupassen“, erklärt Cheng.<br />

Mittlerweile besteht <strong>die</strong> Polyformer-Gemeinschaft<br />

aus mehr als 3.000 Personen,<br />

<strong>die</strong> weltweit mehr als 100 Geräte betreiben,<br />

hauptsächlich in afrikanischen<br />

Ländern. „Das Ziel von Polyformer war<br />

es nie, einfach nur Flaschen in Filament<br />

zu verwandeln, <strong>sondern</strong> ein dezentralisiertes<br />

Herstellungs- und Recyclingmodell<br />

zu schaffen, das für jeden zugänglich<br />

<strong>ist</strong>“, so der Unternehmer. Und ‣<br />

71


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Wir haben uns zu sehr an<br />

ein Material gewöhnt,<br />

das unsere Gesellschaft<br />

langsam vergiftet.<br />

unsere Gesellschaft<br />

langsam<br />

vergiftet.<br />

Ich bin der<br />

festen Überzeugung,<br />

dass<br />

Plastik nicht völlig<br />

abgeschafft werden<br />

kann, aber sein unnötiger<br />

Gebrauch sollte<br />

vermieden werden. Und<br />

ich glaube auch, dass <strong>die</strong><br />

Plastikprodukte, <strong>die</strong> wir<br />

jeden Tag benutzen, einen<br />

neuen Lebenszyklus<br />

bekommen können“, so<br />

Cheng.<br />

So funktioniert der<br />

Polyformer<br />

Foto: Vitte Yevhen / stock.adobe.com<br />

<strong>die</strong> Idee <strong>ist</strong>,<br />

ihre Verwendung<br />

weiter auszubauen, um<br />

zum Recycling und zur Kreislaufwirtschaft<br />

weltweit beizutragen.<br />

„Unser Lebensstil, unsere Produktionsund<br />

Energieinfrastruktur und unsere<br />

Politik sind in hohem Maße vom Kunststoffverbrauch<br />

abhängig. Wir haben uns<br />

zu sehr an ein Material gewöhnt, das<br />

Um den Polyformer<br />

zu benutzen, müssen<br />

PET-Flaschen zunächst<br />

mithilfe eines Flaschenschneidemechanismus<br />

in einen langen,<br />

durchgehenden Streifen<br />

geschnitten werden. Dieser<br />

wird danach in den sogenannten<br />

Polyformer-Extruder<br />

eingeführt und durch eine<br />

Düse in 1,75 Millimeter dicke<br />

Fasern umgewandelt. Diese werden<br />

wiederum durch Entlüftungsöffnungen<br />

geleitet, um sie abzukühlen, bevor sie<br />

auf eine Spule gewickelt und in einem<br />

3D-Drucker eingesetzt werden.<br />

„Es <strong>ist</strong> eine große Ehre, den <strong>Nachhaltigkeit</strong>spreis<br />

des James Dyson Award<br />

2022 zu gewinnen. Wir verwenden das<br />

Preisgeld, um mehrere Polyformer und<br />

Polyformer-Lites in unseren Werkstätten<br />

in Ruanda einzusetzen. Mit <strong>die</strong>sen<br />

Maschinen werden Studenten, Designer<br />

und Gründer in Ruanda Zugang zu kostengünstigen<br />

Fasern für den 3D-Druck<br />

haben“, freuen sich Cheng und Owais. f<br />

72


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#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Millionen Chinesinnen<br />

und Chinesen drängen<br />

in <strong>die</strong> Städte, und China<br />

sucht Konzepte für <strong>die</strong><br />

<strong>Zukunft</strong>. Nachdem<br />

Dongtan gescheitert <strong>ist</strong>,<br />

sollen jetzt neue Städte<br />

von unten wachsen –<br />

zumindest ein wenig.<br />

Chinas Ökostädte<br />

Foto: 安 琦 王 / stock.adobe.com<br />

Neue Hoffnung<br />

am Reißbrett<br />

74


<strong>Zukunft</strong><br />

Chinas (erste) Stadt der <strong>Zukunft</strong> <strong>ist</strong> Vergangenheit.<br />

Dongtan sollte eine CO2-<br />

freie Musterstadt im Reich der Mitte werden:<br />

eine auf dem Reißbrett komplett neu<br />

entworfene, autarke Stadt, <strong>die</strong> ihre eigene<br />

erneuerbare Energie erzeugen und in<br />

Ökologie und Ökonomie mit Wohn- und<br />

Lebensqualität eng verzahnt sein sollte.<br />

Aus den Plänen wurde nichts, doch<br />

das Land, das von einem rasanten Wirtschaftswachstum<br />

und der wohl höchsten<br />

Urbanisierungsrate der Welt geprägt <strong>ist</strong>,<br />

plant bereits Alternativen.<br />

Dongtan sollte am östlichen Rand der<br />

Jangtse-Insel Chongming in der Nähe<br />

der Metropole Shanghai entstehen.<br />

Chongming <strong>ist</strong> nicht nur wegen ihres Vogelschutzgebiets<br />

international bekannt,<br />

<strong>sondern</strong> auch wegen zahlreicher Umweltsünden.<br />

Hier wurden Wälder abgeholzt,<br />

Ufergebiete urbanisiert, Staudämme<br />

gebaut. In der Folge versandete der<br />

Jangtse immer mehr, und das Wasser <strong>ist</strong><br />

stark verschmutzt. Genau dort war auf<br />

einer Fläche von 84 Quadratkilometern<br />

<strong>die</strong> grüne Null-Emissions-Stadt Dongtan<br />

vorgesehen. Umgerechnet knapp eine<br />

Milliarde Euro wollte <strong>die</strong> Stadt Shanghai<br />

zunächst in <strong>die</strong>ses Projekt investieren.<br />

Nach den Plänen des britischen Ingenieurbüros<br />

Arup sollte Dongtan noch<br />

vor Masdar <strong>die</strong> erste Ökostadt der Welt<br />

werden.<br />

Die Stadt sollte sich selbst versorgen,<br />

nicht nur mit Energie, <strong>sondern</strong> auch mit<br />

Nahrung und Wasser. Sie sollte von Anfang<br />

an kompakt gebaut und so geplant<br />

werden, dass ihre Bewohner:innen mit<br />

deutlich weniger Energie auskommen<br />

und deutlich weniger Abfall produzieren<br />

als <strong>die</strong> Bewohner:innen anderer<br />

Städte. Die Gebäude sollten maximal<br />

sechs Stockwerke hoch, gut isoliert und<br />

auf natürliche Weise belüftet sein, ‣<br />

75


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Einen völligen<br />

Rückzug aus der<br />

ökologischen<br />

Stadtplanung kann<br />

sich China nicht<br />

le<strong>ist</strong>en. Denn das<br />

enorme Wirtschaftswachstum<br />

des<br />

Landes hat tiefe Spuren<br />

hinterlassen<br />

und massive<br />

Umweltprobleme<br />

nach sich gezogen.<br />

um bis zu 70 Prozent weniger Energie zu verbrauchen als<br />

herkömmliche Bauten. Die Dächer sollten begrünt sein und<br />

als Wasserfilter oder Wasserspeicher <strong>die</strong>nen. Es sollten ausschließlich<br />

erneuerbare Energien genutzt werden: Solarzellen<br />

und kleine Windkrafträder auf den Dächern, ein Windkraftpark<br />

außerhalb der Stadt sowie Biogas, das aus einem Abfallprodukt<br />

der Reismühlen in der Region und anderem organischen<br />

Stadtmüll gewonnen werden könnte. 100 Prozent aller<br />

organischen Abfälle und 90 Prozent der sonstigen Abfälle sollten<br />

recycelt werden. Innerhalb der Stadt sollten nur Autos mit<br />

Elektromotor oder Brennstoffzellenantrieb zugelassen sein,<br />

alle anderen Autos vor den Toren der Stadt bleiben. Geplant<br />

war, das Wasser aufzubereiten und in einem durchdachten<br />

Kreislaufsystem hocheffizient zu nutzen.<br />

Wäre <strong>die</strong> Idee realisiert worden, hätten am Ende der ersten<br />

Bauphase 2010 bereits 30.000 Menschen in Dongtan gelebt,<br />

später eine halbe Million. Auf der Expo 2010 in Shanghai wollte<br />

China der Welt mit Dongtan eine andere, nachhaltige Klimaseite<br />

zeigen. Doch im Expo-Programm tauchte das Projekt<br />

irgendwann gar nicht mehr auf. Lediglich ein paar Windturbinen<br />

zeugen noch von den ehrgeizigen Plänen. Nach vierjähriger<br />

Planung wurden sie auf Eis gelegt. Offiziell hieß es, das<br />

Vogelschutzgebiet auf Chongming werde durch Dongtan gefährdet<br />

– obwohl genau deshalb eine mehrere Kilometer breite<br />

Pufferzone zwischen Naturschutzgebiet und Stadt eingeplant<br />

worden war. Vermutlich haben vor allem Finanzierungspro-<br />

Foto: Weiming / stock.adobe.com<br />

76


<strong>Zukunft</strong><br />

bleme für das vorzeitige Ende der Vorzeige-Ökostadt<br />

gesorgt. Als Grund wurde<br />

auch <strong>die</strong> kaum flexible chinesische<br />

Bauordnung genannt, <strong>die</strong> wenig Raum<br />

für Neues lässt. Außerdem hieß es, <strong>die</strong><br />

örtlichen Gegebenheiten und <strong>die</strong> Menschen<br />

seien in <strong>die</strong> Planungen zu wenig<br />

einbezogen worden.<br />

Einen völligen Rückzug aus der ökologischen<br />

Stadtplanung kann sich China<br />

nicht le<strong>ist</strong>en. Denn das enorme Wirtschaftswachstum<br />

des Landes hat tiefe<br />

Spuren hinterlassen und massive<br />

Umweltprobleme nach sich gezogen:<br />

verschmutzte Luft, verdreckte Flüsse,<br />

zerstörte Böden, knappes Trinkwasser.<br />

Hunderte Millionen Menschen wird es<br />

in den nächsten Jahrzehnten vom Land<br />

in <strong>die</strong> Stadt ziehen. Eine neue Ökostadt<br />

<strong>ist</strong> in Wanzhuang zwischen Tjianjin und<br />

Peking geplant, ebenfalls unter anderem<br />

vom Büro Arup. Bislang leben hier rund<br />

100.000 Menschen in 15 Dörfern. Anders<br />

als in Dongtan sollen <strong>die</strong> künftigen<br />

Bewohner:innen der Stadt <strong>die</strong>smal in <strong>die</strong><br />

Planungen einbezogen und <strong>die</strong> bereits<br />

vorhandenen topographischen Gegebenheiten<br />

stärker berücksichtigt werden.<br />

Laut Arup soll bei der Entwicklung der<br />

Ökostadt von der Landwirtschaft her<br />

gedacht werden, das Wissen und <strong>die</strong><br />

Fähigkeiten der Bewohner:innen in <strong>die</strong>sem<br />

Bereich will man nutzen. Umbau<br />

statt völligen Neubaus heißt jetzt <strong>die</strong><br />

Formel. Die Energie soll klimafreundlich<br />

aus Wind, Sonne, Biomasse und<br />

Erdwärme erzeugt werden. Grün würde<br />

Wanzhuang nicht nur durch 60 geplante<br />

Parks, <strong>sondern</strong> zum Beispiel auch durch<br />

eine durchdachte Verkehrsplanung: kurze<br />

Wege zu Geschäften oder Schulen<br />

und eine gute Straßenbahnanbindung<br />

an <strong>die</strong> nächste größere Stadt Langfan.<br />

2025 sollen nahezu 400.000 Menschen<br />

in Wanzhuang leben.<br />

Die Regierungen von China und Singapur<br />

wollen außerdem mit der „Tianjin<br />

ECO-City“ eine neue Musterstadt schaffen,<br />

<strong>die</strong> für einen sparsamen Umgang<br />

mit Energie, Wasser und Rohstoffen, für<br />

Umweltfreundlichkeit und eine boomende<br />

ökobewusste Wirtschaft stehen soll.<br />

In zehn bis 15 Jahren sollen hier rund<br />

350.000 Menschen leben, deren Energiebedarf<br />

zu mindestens 20 Prozent<br />

von Sonne, Erdwärme, Biomasse, Wasser-<br />

und Windkraft gedeckt wird. Die<br />

Menschen sollen in grünen Gebäuden<br />

wohnen, der öffentlicher Nahverkehr,<br />

Fußgänger:innen und Radfahrer:innen<br />

Vorrang vor Privatautos haben. 60 Prozent<br />

des Abfalls würden in der Ökostadt<br />

recycelt – für China wäre das viel.<br />

Lingang New City<br />

Ein weiteres Ökostadt-Projekt soll am<br />

Rand von Shanghai entstehen: In der<br />

Umgebung von Shanghai haben sich<br />

fünf neue Städte entwickelt, <strong>die</strong> das<br />

bereits dicht besiedelte Gebiet um <strong>die</strong><br />

Metropole noch weiter ausdehnen. Mit<br />

einer Bevölkerung von mehr als 25 Millionen<br />

Menschen auf einer Fläche von<br />

6.340 Quadratkilometern <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Region<br />

bereits eine der bevölkerungsreichsten<br />

der Welt. Doch <strong>die</strong> Stadtplaner:innen<br />

scheinen noch nicht genug zu haben:<br />

Eine <strong>die</strong>ser neuen Städte <strong>ist</strong> „Shanghai<br />

Neu“ oder „Lingang New City“, eine Hafenstadt,<br />

<strong>die</strong> von einem grünen Gürtel<br />

umgeben <strong>ist</strong>. Der Komplex besteht aus<br />

zwei Bereichen, <strong>die</strong> durch einen Fluss<br />

getrennt sind: Im Westen befindet sich<br />

ein Hochhaus, während im Osten zwei<br />

langgestreckte Bürogebäude mit einem<br />

runden Abschluss liegen. Zwischen den<br />

Gebäuden erstreckt sich ein Innenhof<br />

mit Wasserbecken, der von zwei Fußgängerbrücken<br />

überquert wird. Der<br />

öffentliche Zugang führt vom Hof in<br />

das Hauptgebäude im Osten, wo Besucher:innen<br />

über eine kaskadenartige<br />

Treppe zum Hauptfoyer gelangen, das<br />

einen Konferenzsaal mit Platz für bis zu<br />

tausend Personen beherbergt. Obwohl<br />

<strong>die</strong> Planstadt New Lingang City für insgesamt<br />

800.000 Menschen ausgelegt <strong>ist</strong>,<br />

sind bisher nur 136.000 Einwohner:innen<br />

auf einer bebauten Fläche von 17<br />

Quadratkilometern erkennbar, wie Satellitenkarten<br />

zeigen.<br />

New Lingang City <strong>ist</strong> ein bedeutender<br />

Knotenpunkt für <strong>die</strong> internationale<br />

Schifffahrt und ein beeindruckendes<br />

Großprojekt, das Top-Unternehmen wie<br />

Tesla anzieht. Der voll automatisierte<br />

Hafen <strong>ist</strong> ein Highlight, aber auch <strong>die</strong><br />

wichtigen Produktionsstätten in den Bereichen<br />

Biomedizin, Halbleiter und Automobilindustrie<br />

sind hier zu finden. Die<br />

Lingang-Freihandelszone beherbergt<br />

fast alle führenden chinesischen K.I.-<br />

Unternehmen wie SenseTime, Cambricon<br />

oder Inflametec und zieht mittlerweile<br />

auch österreichische Unternehmen<br />

an. Bis 2025 werden sich hier voraussichtlich<br />

über 1.000 High-Tech-Unternehmen<br />

ansiedeln. Die Gigafactory von<br />

Tesla mit fast 20.000 Mitarbeitern <strong>ist</strong><br />

ebenfalls in Lingang angesiedelt und<br />

macht <strong>die</strong> Region zu einem wichtigen<br />

Standort für <strong>die</strong> Automobilindustrie.<br />

Lingang <strong>ist</strong> nicht nur ein bedeutender<br />

Stadtteil von Shanghai, <strong>sondern</strong> auch<br />

der größte Container-Hafen der Welt<br />

und der wichtigste Warenumschlagplatz<br />

Chinas. Darüber hinaus beherbergt Lingang<br />

den bahnbrechenden Tiefseehafen<br />

Yangshan, der als erster vollautomatisierter<br />

Hafenterminal weltweit gilt.<br />

Derzeit erfährt <strong>die</strong>ser Hafen eine Modernisierung<br />

und Erweiterung seiner<br />

Kapazitäten, was für Unternehmen, <strong>die</strong><br />

im Bereich der Hafeninfrastruktur tätig<br />

sind, vielversprechende Projektchancen<br />

bietet. Mit der steigenden Bedeutung<br />

des Welthandels und dem wachsenden<br />

Wirtschaftswachstum Chinas wird Lingang<br />

in <strong>Zukunft</strong> eine noch wichtigere<br />

Rolle spielen. Die Stadt hat bereits jetzt<br />

einen hohen Stellenwert für <strong>die</strong> chinesische<br />

Regierung, <strong>die</strong> hier zahlreiche<br />

Investitionen tätigt, um den Hafen weiter<br />

auszubauen und zu modernisieren.<br />

Für europäische Unternehmen ergeben<br />

sich dadurch vielfältige Möglichkeiten<br />

zur Zusammenarbeit mit chinesischen<br />

Partnern. Auch andere Branchen wie<br />

beispielsweise Maschinenbau oder Umwelttechnologie<br />

bieten vielversprechende<br />

Perspektiven. f<br />

Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.):<br />

Urban Futures 2050 – Szenarien<br />

und Lösungen für das Jahrhundert<br />

der Städte und eigene Recherchen<br />

77


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Stockholm<br />

Foto: Kavalenkava / stock.adobe.com<br />

Klimaschutz<br />

dank intelligenter<br />

Stadtplanung<br />

In Schwedens Hauptstadt Stockholm <strong>ist</strong> Umweltschutz<br />

ein Projekt auf allen Ebenen: vom Verkehr übers Heizen<br />

bis hin zur Abfallverwertung. Ein Blick auf <strong>die</strong> erste<br />

„Grüne Hauptstadt Europas“.<br />

Stockholm liegt auf 14 Inseln zwischen<br />

dem See Mälaren auf der<br />

einen und der Ostsee auf der anderen<br />

Seite. Schwedens Hauptstadt mit fast<br />

einer Million Einwohner:innen hat sich<br />

in den letzten zwei Jahrzehnten zu einer<br />

Ökometropole entwickelt. Die EU-Kommission<br />

hat <strong>die</strong> Stadt deshalb für das<br />

Jahr 2010 zur ersten „Grünen Hauptstadt<br />

Europas“ gekürt. Von 1990 bis<br />

2010 senkte sie ihren CO 2<br />

-Ausstoß pro<br />

Einwohner:innen um mehr als ein Vier-<br />

78


<strong>Zukunft</strong><br />

tel von 5,3 auf 3,4 Tonnen, obwohl <strong>die</strong><br />

Stadt gleichzeitig wuchs. Im restlichen<br />

Schweden <strong>ist</strong> der Ausstoß im Schnitt<br />

doppelt so hoch, in Deutschland liegt<br />

er bei elf Tonnen. Laut jüngsten Zahlen<br />

emittieren <strong>die</strong> Einwohner:innen von<br />

Schwedens Hauptstadt nur noch 2,7 Tonnen<br />

CO 2<br />

pro Person und Jahr. Der schwedische<br />

Durchschnitt liegt laut Weltbank<br />

bei 4,6 Tonnen. „Der Stadtrat hat sich<br />

das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2050<br />

vollständig auf fossile Brennstoffe zu<br />

verzichten“, ergänzt Gunnar Söderholm,<br />

der Leiter der Stockholmer Umwelt- und<br />

Gesundheitsbehörde.<br />

„Niemand kann alles machen, aber alle<br />

können etwas tun“, heißt das Motto<br />

Stockholms. Deshalb soll sichergestellt<br />

werden, dass <strong>die</strong> Umweltziele nicht nur<br />

im städtischen Haushalt, <strong>sondern</strong> auch<br />

bei der betrieblichen Planung, bei Berichterstattung<br />

und Überwachung berücksichtigt<br />

werden. Knapp 130 Unternehmen<br />

aus der Region haben seit 2007<br />

mit der Stadt einen Klimapakt geschlossen<br />

beziehungsweise an der Umsetzung<br />

des Stockholmer Umweltprogramms<br />

mitgewirkt.<br />

Um <strong>die</strong> Treibhausgasemissionen zu<br />

reduzieren, setzt Stockholm vor allem<br />

auf <strong>die</strong> Umstellung von Öl-Heizzentralen<br />

auf Fernwärme: 2010 waren bereits<br />

knapp 80 Prozent der Haushalte an das<br />

Fernwärmenetz angeschlossen. ‣<br />

79


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

Erzeugt wird <strong>die</strong> Fernwärme zu rund 80<br />

Prozent aus nachwachsenden Brennstoffen,<br />

aus Abfall und Abwärme. Zunehmend<br />

auch aus Biogas, das in Kläranlagen<br />

durch Vergärung von organischen<br />

Abfällen und Klärschlamm gewonnen<br />

In den Hauptverkehrszeiten nutzen<br />

etwa 60 Prozent der Einwohner:innen<br />

regelmäßig Busse und Bahnen, zeitweise<br />

sogar rund 77 Prozent. Demgegenüber<br />

fahren „nur“ etwa 26 Prozent<br />

regelmäßig oder zumindest häufig mit<br />

dem Auto zur Arbeit. Mehr als 750 Kilometer<br />

Radwege ziehen sich durch<br />

Stockholm. Heute sind 75 Prozent mehr<br />

Radler in Stockholm unterwegs als noch<br />

1998. Vor allem für Innenstadtbewohner<br />

<strong>ist</strong> das Rad zum wichtigsten Verkehrsmittel<br />

geworden.<br />

Die 2006 zunächst testweise und 2007<br />

dann dauerhaft eingeführte tageszeitabhängige<br />

Staugebühr sorgt in der<br />

Innenstadt für knapp 20 Prozent weniger<br />

Autos und etwa 14 Prozent weniger<br />

Treibhausgasemissionen. Anfangs<br />

Foto: Roland / stock.adobe.com<br />

und derzeit vor allem in Kraftfahrzeugen<br />

und Bussen genutzt wird. Der gut<br />

ausgebaute öffentliche Nahverkehr <strong>ist</strong><br />

für viele Stockholmer:innen eine echte<br />

Alternative zum privaten PKW. Immer<br />

mehr Menschen steigen auf das Schienennetz<br />

um, das aus Wind und Wasserkraft<br />

gespe<strong>ist</strong> wird.<br />

„Niemand kann<br />

alles machen,<br />

aber alle können<br />

etwas tun“,<br />

heißt das Motto<br />

Stockholms.<br />

lehnten viele Stockholmer:innen <strong>die</strong><br />

City-Maut ab, aus Furcht vor weiteren<br />

Abgaben und zu hohem bürokratischem<br />

Aufwand. Zu Europas erster<br />

grüner Hauptstadt wurde Stockholm<br />

auch dank dem Öko-Viertel Hammarby<br />

Sjöstad. Der Umbau eines am Wasser<br />

gelegenen, verseuchten Industriegeländes<br />

zum ökologischen Modellstadtteil<br />

begann bereits 1994. 2010 lebten hier<br />

etwa 20.000 Menschen, rund 35.000<br />

könnten es noch werden. Neben einer<br />

dichten Bebauung und gut isolierten<br />

Häusern mit großen Südfenstern und<br />

Gras oder Solarzellen auf den Dächern<br />

setzt das Vorzeigeviertel vor allem auf<br />

80


<strong>Zukunft</strong><br />

Energierecycling, nicht nur von Abfall,<br />

auch von Wasser.<br />

Das Abfallsystem erinnert an <strong>die</strong> frühere<br />

Rohrpost: Statt der üblichen Mülltonnen<br />

und -container stehen hier vor<br />

Hammarby Sjöstad<br />

den Häusern Säulen für jede Abfallart.<br />

Mit 70 Kilometern pro Stunde wird der<br />

vorsortierte Müll Säule für Säule durch<br />

unterirdische Röhren zu einer Sammelstation<br />

gesogen. Das erspart den Bewohner:innen<br />

Abgase, CO 2<br />

-Emissionen und<br />

Lärm durch <strong>die</strong> Müllabfuhr. Was nicht<br />

recycelt, kompostiert oder zu Biogas<br />

wird, <strong>die</strong>nt der Energiegewinnung, zum<br />

Beispiel für Fernwärme. Über 95 Prozent<br />

der Abfälle werden auf <strong>die</strong>se Weise<br />

wiederverwertet. Dass <strong>die</strong> Bewohner:innen<br />

den Müll tatsächlich trennen, dafür<br />

sorgt auch soziale Kontrolle. Die Säulen<br />

sind so vor den Häusern platziert, dass<br />

<strong>die</strong> Nachbarschaft sofort sehen kann,<br />

wenn jemand sein Papier in <strong>die</strong> Glassäule<br />

oder gar daneben wirft.<br />

Abwasser <strong>ist</strong> in dem Ökostadtteil eine so<br />

wichtige Ressource, dass es gleich dreifach<br />

genutzt wird: Zunächst wird aus<br />

dem Klärschlamm Biogas für Busse und<br />

den heimischen Herd zum Kochen gewonnen.<br />

Danach fließt das Wasser zum<br />

Heizwerk, wo <strong>die</strong> Wärme des Abwassers<br />

mittels Wärmepumpe ins Fernwärmenetz<br />

eingespe<strong>ist</strong> wird. Das erkaltete<br />

Wasser wird schließlich zur Kühlung<br />

der Gebäude genutzt.<br />

Ursprünglich sollte in Hammarby<br />

Sjöstad <strong>die</strong> Umweltbelastung im Vergleich<br />

zu ähnlichen Siedlungen nur halb<br />

so groß sein. Doch das hat das Vorzeigeviertel<br />

(noch) nicht ganz erreicht: 2010<br />

waren es schätzungsweise 30 bis 40 Prozent<br />

weniger. „Wir haben uns bei Konstruktion<br />

und Bau der Gebäude anfangs<br />

nicht genug auf Energiefragen konzentriert,<br />

etwa auf <strong>die</strong> Vermeidung von<br />

Wärmebrücken“, erklärt Martin Skillbäck,<br />

zuständig für <strong>die</strong> Projektplanung<br />

des Öko-Viertels. Auch hätten sie <strong>die</strong><br />

Bauphase nicht ausreichend überwacht.<br />

„Doch wir haben aus <strong>die</strong>sen Anfangsfehlern<br />

gelernt.“<br />

Gleichzeitig geht <strong>die</strong> Stadt noch einen<br />

Schritt weiter: Der Stadtteil Royal<br />

Seaport soll bis 2025 ebenfalls auf einer<br />

zentrumsnahen alten Industriebrache<br />

entstehen. Stockholm Royal Seaport <strong>ist</strong><br />

eines der größten Stadtentwicklungsgebiete<br />

in Nordeuropa mit 12.000 neuen<br />

Wohnungen und 35.000 Arbeitsplätzen.<br />

Die Planungsarbeiten begannen in den<br />

frühen 2000er-Jahren.<br />

Das Gebiet verläuft entlang der Wasserlinie<br />

der Ostsee, liegt direkt neben dem<br />

königlichen Stadtpark und <strong>ist</strong> mit dem<br />

Fahrrad nur zehn Minuten vom Zentrum<br />

Stockholms entfernt. Das Industriegelände<br />

rund um das Gaswerk wurde in<br />

ein Stadtviertel umgewandelt, das mit<br />

dem Hafenbetrieb und den bestehenden<br />

Wohngebieten interagiert.<br />

Das Gebiet des Königlichen Seehafens<br />

Stockholm (Norra Djurgårdsstaden)<br />

we<strong>ist</strong> <strong>die</strong> Merkmale und <strong>die</strong> Dichte eines<br />

innerstädtischen Viertels auf, mit einer<br />

breiten Mischung aus Wohnungen,<br />

Einrichtungen und Unternehmen sowie<br />

einer strategischen Infrastruktur und<br />

internationalem Hafenverkehr.<br />

In Royal Seaport werden fossile Brennstoffe<br />

schon 2030 passé sein und der<br />

CO 2<br />

-Ausstoß pro Einwohner:in liegt bei<br />

weniger als 1,5 Tonnen. Für <strong>die</strong> Entwicklung<br />

des neuen Vorzeigeviertels will sich<br />

<strong>die</strong> Stadt deutlich mehr Zeit nehmen als<br />

für Hammarby Sjöstad. „Außerdem wollen<br />

wir ein Kompetenzzentrum einrichten,<br />

das das Projekt von Anfang bis Ende<br />

überwacht“, sagt Daniel Carlsson-Mård<br />

von Stockholms Entwicklungsbüro für<br />

Großprojekte. „In Royal Seaport sollen<br />

zudem Forschungs- und Entwicklungsprojekte<br />

etabliert werden.“ Eines davon<br />

<strong>ist</strong> ein intelligentes Stromnetz für<br />

den gesamten Stadtteil. Royal Seaport<br />

soll noch mehr als Hammarby Sjöstad<br />

zu Schwedens ökologischem Aushängeschild<br />

werden und anderen Städten<br />

weltweit als Vorbild <strong>die</strong>nen. f<br />

Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.):<br />

Urban Futures 2050 – Szenarien<br />

und Lösungen für das Jahrhundert<br />

der Städte und eigene Recherchen<br />

81


#19 | Mai 23 | Umweltdialog.de<br />

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<strong>UmweltDialog</strong> <strong>ist</strong> ein unabhängiger Nachrichten<strong>die</strong>nst<br />

rund um <strong>die</strong> Themen <strong>Nachhaltigkeit</strong> und Corporate Social<br />

Responsibility. Die Redaktion von <strong>UmweltDialog</strong> berichtet<br />

unabhängig, auch von den Interessen der eigenen Gesellschafter,<br />

über alle relevanten Themen und Ereignisse aus<br />

Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.<br />

Grafik: strichfiguren.de / stock.adobe.com<br />

Grün <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Hoffnung<br />

und zwar algengrün. Wenn<br />

man <strong>die</strong> Arbeiten verschiedener<br />

Wissenschaftler:innen übereinander<br />

legt, dann wird klar: Algen haben ein riesiges Potenzial.<br />

Sie ernähren uns, sie filtern CO 2<br />

aus der Luft<br />

und Energie kann man damit auch noch erzeugen!<br />

Beispiel Paneele des mexikanischen Unternehmens<br />

Greenfluidics: Sie entfernen Kohlenstoffdioxid aus der<br />

Luft, emittieren für Mensch und Tier lebenswichtigen<br />

Sauerstoff, erzeugen umweltneutralen Brennstoff, <strong>die</strong>nen<br />

als Schattenspender, entlasten so Klimaanlagen und nutzen,<br />

wie Solarkollektoren, <strong>die</strong> Wärme der Sonne, um <strong>die</strong><br />

Warmwasserbereitung zu unterstützen. Die Ausweitung<br />

der Algenzucht könnte laut dem Experten dazu beitragen,<br />

<strong>die</strong> globalen Treibhausgasemissionen um bis zu zehn Prozent<br />

zu senken.<br />

Und essen kann man sie auch noch:<br />

Wissenschaftler:innen der australischen<br />

University of Queensland haben<br />

errechnet, dass weltweit rund 650 Millionen<br />

Hektar Ozeanflächen geeignet<br />

sind, auf denen insgesamt 34 kommerziell<br />

wichtige Algenarten angebaut werden<br />

könnten. Nahrung für Millionen<br />

von Menschen und Tieren! ■<br />

Herausgeber:<br />

macondo publishing GmbH<br />

Dahlweg 87<br />

48153 Münster<br />

Tel.: 0251 / 200782-0<br />

Fax: 0251 / 200782-22<br />

E-Mail: redaktion@umweltdialog.de<br />

Redaktion <strong>die</strong>ser Ausgabe:<br />

Dr. Elmer Lenzen (V.i.S.d.P.), Sonja Scheferling,<br />

Gabriela Ensinck<br />

Bildredaktion:<br />

Marion Lenzen, Gesa Weber<br />

Gestaltung:<br />

Gesa Weber<br />

Lektorat:<br />

Marion Lenzen, Milena Knoop<br />

Klimaneutraler Druck, FSC ® -zertifiziertes<br />

Papier, CO 2<br />

-neutrale Server<br />

© 2023 macondo publishing GmbH<br />

© Titelbild: Sarah Holmlund / stock.adobe.com<br />

ISSN<br />

Digital: 2199-1626<br />

Print: 2367-4113<br />

82


Bisherige Ausgaben<br />

Das nächste<br />

<strong>UmweltDialog</strong>-<strong>Magazin</strong><br />

erscheint am 15.11.2023.


In freier Wildbahn schwimmen<br />

Clownfische in Revieren von etwa<br />

3.000 m 3<br />

Keine Wohnung kann den Ozean ersetzen.<br />

Helfen Sie uns, Wildtiere in ihrem natürlichen<br />

Lebensraum zu schützen. www.prowildlife.de

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