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50 Jahre LK Festschrift-Druck-2te Auflage

Die Festschrift zur 50-Jahre-Landkreis-Rhön-Grabfeld-Feier

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<strong>50</strong><br />

LANDKREIS<br />

RHÖN-GRABFELD<br />

DIE FESTSCHRIFT<br />

JAHRE<br />

1


<strong>50</strong> JAHRE<br />

RHÖN-GRABFELD<br />

Der Landkreis mit Weitblick.


4


5


IMPRESSUM<br />

Herausgeber<br />

Landkreis Rhön-Grabfeld<br />

Spörleinstraße 11<br />

97616 Bad Neustadt a.d.Saale<br />

Verleger<br />

Landkreis Rhön-Grabfeld<br />

Spörleinstraße 11<br />

97616 Bad Neustadt a.d.Saale<br />

Redaktion & Layout<br />

Landkreis Rhön-Grabfeld<br />

2. <strong>Auflage</strong>, Mai 2023<br />

<strong>Druck</strong><br />

<strong>Druck</strong>erei Mack GmbH & Co. KG<br />

Mellrichstadt<br />

<strong>Auflage</strong><br />

7<strong>50</strong> Stück<br />

Fotohinweise<br />

Seiten 11, 17, 23, 73, 92-93, 108-109,<br />

125, 141, 175: ©stock.adobe.com<br />

Genderhinweis: Aus Gründen der<br />

besseren Lesbarkeit wird auf eine<br />

geschlechtsneutrale Differenzierung<br />

in den Artikeln verzichtet. Entsprechende<br />

Begriffe gelten im Sinne der<br />

Gleichbehandlung grundsätzlich<br />

für alle Geschlechter. Die verkürzte<br />

Sprachform beinhaltet keine Wertung.


INHALTSVERZEICHNIS<br />

7<br />

Grußwort Thomas Habermann, Landrat Rhön-Grabfeld ....................................8<br />

Grußwort Dr. Markus Söder, Bayer. Ministerpräsident ................................... 14<br />

Grußwort Prof. Dr. Dr. Reinhard Heydenreuter ............................................... 16<br />

Grußwort Johann Böhm, Landtagspräsident a.D. .......................................... 20<br />

Landräte und Kreistagsmitglieder ab 1972 ..................................................... 26<br />

Der 1972 gebildete neue Landkreis heißt Rhön-Grabfeld<br />

und bekommt seinen Sitz in Bad Neustadt ..................................................... 46<br />

Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung<br />

des Landkreises Rhön-Grabfeld von 1973 bis 2023 ...................................... 76<br />

Die Entwicklung der Liegenschaften des Landkreises<br />

im Bau- und Umweltbereich ............................................................................. 96<br />

Der Wandel in der stationären Gesundheitsversorgung<br />

im Landkreis Rhön-Grabfeld ........................................................................... 112<br />

Der Landkreis als Region ................................................................................ 126<br />

Starke Kultur. Neue Wege in der Kulturarbeit ............................................... 144<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> Wiedervereinigung....................................................................158<br />

Mensch, Natur, Einklang das UNESCO-Biosphärenreservat Rhön .............. 172<br />

Blick in die Zukunft - eine Frage an ChatGPT! .............................................. 178


GRUSSWORT<br />

THOMAS HABERMANN<br />

LANDRAT RHÖN-GRABFELD<br />

8 DIE REFORM VON 1972<br />

HAT DIE WIRTSCHAFT­<br />

LICHKEIT UND EFFIZIENZ<br />

DER VERWALTUNG<br />

DEUTLICH GESTEIGERT.<br />

Die Gebietsreform vor <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n wurde<br />

im letzten Jahr in den meisten<br />

Landkreisen in Bayern bereits gebührend<br />

gefeiert. Wir im Landkreis Rhön-<br />

Grabfeld begehen das besondere Jubiläum<br />

im Jahr 2023, schließlich war<br />

die Namensgebung erst am 1. Mai<br />

1973 offiziell abgeschlossen.<br />

„Die große Kreisgebietsreform vor <strong>50</strong><br />

<strong>Jahre</strong>n hat sich bis heute bestens bewährt“:<br />

Bayerns Innen- und Kommunalminister<br />

Joachim Herrmann hat es<br />

bei der zentralen Jubiläumsveranstaltung<br />

für die Gebietsreform in Erlangen<br />

herausgestellt. „Bayern hat sich<br />

damals für eine Reform mit Augenmaß<br />

entschieden, für einen<br />

‚bürgerfreundlichen Weg‘ mit<br />

überschaubaren, aber dennoch<br />

leistungsfähigen Verwaltungseinheiten,<br />

nach der Devise:<br />

so leistungsstark wie möglich<br />

und so groß wie nötig. Heute ist


Bayern mit seinen 71 Landkreisen und<br />

25 kreisfreien Städten ein bestens<br />

etabliertes, solides und gleichzeitig<br />

modernes wie leistungsfähiges Land.“<br />

Der damalige Ministerpräsident Dr.<br />

Alfons Goppel und der damalige Innenminister<br />

Dr. Bruno Merk haben<br />

mit Weitblick und Standhaftigkeit die<br />

Reform auf den Weg gebracht und begleitet.<br />

Der Erfolg spricht für sich. Die<br />

Reform von 1972 hat die Wirtschaftlichkeit<br />

und Effizienz der Verwaltung<br />

deutlich gesteigert.<br />

Gemeinsam wurden auch im Landkreis<br />

Rhön-Grabfeld eine leistungsfähige<br />

und bürgerfreundliche Verwaltung<br />

und verschiedene Eigenbetriebe<br />

aufgebaut, die mit den immer komplexer<br />

werdenden Anforderungen<br />

Schritt halten. Infrastruktur und Wirtschaftsstandort<br />

wurden sukzessive<br />

ausgebaut. Und das inmitten einer<br />

einmaligen Kulturlandschaft mit hoher<br />

Lebensqualität und bezahlbarem<br />

Wohnraum. Unsere Schulen bieten ein<br />

hervorragendes Lernumfeld. Themen<br />

wie Natur- und Klimaschutz, Digitalisierung,<br />

Regionalentwicklung und<br />

Soziales sind weitere wichtige Aufgabengebiete,<br />

die sich in den letzten <strong>50</strong><br />

<strong>Jahre</strong>n stetig weiterentwickelt haben.<br />

Die drei Altkreise Bad Neustadt, Mellrichstadt<br />

und Bad Königshofen sind<br />

in den vergangenen fünf Jahrzehnten<br />

hervorragend zusammengewachsen.<br />

Heute ist bis auf die Kfz-Kennzeichen<br />

KÖN, MET und NES nichts mehr von<br />

den Gebietsgrenzen zu spüren. Als<br />

Landrat erlebe ich ein positiv geprägtes<br />

Zugehörigkeitsgefühl im Landkreis.<br />

Wir leben in einem Flächenlandkreis,<br />

der die drei Länder Bayern,<br />

Hessen und Thüringen verbindet. Die<br />

Bürgerinnen und Bürger in der Rhön<br />

und im Grabfeld sind sich ihrer Identität<br />

bewusst und sind mit ihren Le-<br />

9


10<br />

bensgewohnheiten fest verwurzelt<br />

in der Heimat. Ich bin gerne unterwegs<br />

bei den Menschen im Landkreis<br />

Rhön-Grabfeld.<br />

In guter interkommunaler Abstimmung,<br />

auch mit den Städten und<br />

Gemeinden und mit den Nachbarlandkreisen,<br />

werden Projekte angestoßen,<br />

die unsere Region positiv<br />

entwickeln. Die Menschen denken<br />

ohnehin nicht in Grenzen. Für sie<br />

ist es wichtig, in ihren unterschiedlichen<br />

Lebenssituationen individuelle<br />

Unterstützung in allen Bereichen<br />

der Daseinsvorsorge zu finden, die<br />

den Behördengang erleichtert. Dies<br />

gelingt im Verbund der Städte und<br />

Gemeinden mit dem Landkreis bestens.<br />

Wir sind eine größere Solidargemeinschaft<br />

und daher war die Bildung<br />

des neuen Landkreises genau<br />

richtig.<br />

In kommunaler Zusammenarbeit<br />

bieten sich immer wieder Möglichkeiten<br />

zur gemeinsamen, effizienteren<br />

und kostensparenden Aufgabenerfüllung.<br />

So wurden Kräfte<br />

und Mittel gebündelt und das Leistungsangebot<br />

für die Bürgerinnen<br />

und Bürger und die Wirtschaft verbessert.<br />

Darüber hinaus haben Synergieeffekte<br />

die Haushaltslage der<br />

beteiligten Kommunen entlastet.<br />

Ein positives Beispiel kommunaler<br />

Zusammenarbeit ist die Gründung<br />

des Kommunalunternehmens des<br />

Landkreises Rhön-Grabfeld, das<br />

sich als Dienstleister für die Bürgerinnen<br />

und Bürger rund um die<br />

Abfallbeseitigung versteht. Aus<br />

heutiger Sicht waren deshalb die<br />

Umstrukturierungen in der Gesundheitsversorgung<br />

in den letzten 20<br />

<strong>Jahre</strong>n notwendig und sinnvoll. Nur<br />

so war es möglich, eine Kreisklinik<br />

funktional in den Campus der Rhön-<br />

Klinikum AG zu integrieren und die<br />

stationäre Gesundheitsversorgung<br />

auf sehr hohem Niveau im Landkreis<br />

zu sichern.<br />

Die Stärkung des ländlichen Raums<br />

bleibt ein wichtiges politisches Ziel.<br />

Mit den positiven Erfahrungen innerhalb<br />

der kommunalen Familie<br />

braucht es auch in Zukunft eine<br />

enge und zielführende Zusammenarbeit.<br />

Gerade die Digitalisierung<br />

der Verwaltungsleistungen muss<br />

auch in den Kommunen konsequent


umgesetzt werden. Die Gründung<br />

der Interkomm-IT Rhön-Grabfeld<br />

GmbH ist ebenfalls eine gemeinsame<br />

Lösung für das höchste Maß<br />

an Effizienz und Mitbestimmungsrecht<br />

für alle beteiligten Verwaltungen<br />

beim Thema Datensicherheit<br />

und technische Betreuung.<br />

Die Gründung der Kulturagentur<br />

sowie die Etablierung des Kulturzentrums<br />

Kloster Wechterswinkel<br />

waren wichtige Meilensteine für<br />

den Landkreis, um eine hochwertige<br />

Kunst- und Kulturlandschaft zu<br />

sichern.<br />

Als Teil des UNESCO-Biosphärenreservats<br />

Rhön sind wir eine weltweite<br />

Modellregion, deren Ziel es ist,<br />

eine Region zu bewohnen, ohne sie<br />

zu verbrauchen. Es wundert daher<br />

nicht, dass unser Naturschutzgebiet<br />

Lange Rhön das größte bayerische<br />

Naturschutzgebiet jenseits der Alpen<br />

ist und der Anteil an ökologisch<br />

bewirtschafteten Flächen weit über<br />

dem Bundesdurchschnitt liegt.<br />

Die Feierlichkeiten zum Jubiläum<br />

„<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> Landkreis Rhön-Grabfeld“<br />

sollen das Zusammengehörigkeitsgefühl<br />

in unserer Heimat<br />

weiter stärken. Veranstaltungsorte<br />

werden mit Bezug auf die Altlandkreise<br />

die Städte Bad Neustadt/<br />

Saale, Mellrichstadt und Bad Königshofen<br />

sein. Alle Bürgerinnen<br />

und Bürger sind herzlich zum Festabend<br />

am Donnerstag, 4. Mai, in<br />

die Stadthalle Bad Neustadt/Saale<br />

eingeladen. Wir freuen uns auf den<br />

Besuch unseres Ministerpräsidenten<br />

Dr. Markus Söder. Mit Prof. Dr.<br />

Reinhard Heydenreuther haben wir<br />

einen weiteren Ehrengast gewonnen,<br />

der die Geschichte der bayerischen<br />

Landkreise einmal mehr hintergründig<br />

darlegen wird. Eberhard<br />

Schellenberger wird durch das Programm<br />

führen und unser Landtagspräsident<br />

a.D. Johann Böhm wird<br />

als Zeitzeuge zu Wort kommen.<br />

Die Menschen im Landkreis Rhön-<br />

Grabfeld stehen in ihren Gemeinden<br />

für Tradition und Moderne, sie<br />

engagieren sich ehrenamtlich und<br />

prägen die örtliche Gemeinschaft.<br />

Viele sind wichtige Stützen in Familie,<br />

Beruf und Ehrenamt. Gerade<br />

die Corona-Pandemie, aber auch<br />

11


12<br />

andere Herausforderungen haben<br />

gezeigt, wie wir weltoffen im Miteinander<br />

zusammenstehen und<br />

mühelos helfen und zupacken. Im<br />

Rahmen unseres zweijährigen Ehrenamtsempfangs<br />

wollen wir im<br />

Herbst 2023 das vielfältige ehrenamtliche<br />

Engagement im Landkreis<br />

erneut entsprechend würdigen.<br />

Der Landkreis benötigt weiter eine<br />

engagierte Bürgerschaft, die Kultur,<br />

Sport, Kirchen, Umwelt, Politik und<br />

viele weitere Bereiche trägt und<br />

prägt. Gemeinschaftliches Zusammenarbeiten<br />

in Beruf und Freizeit,<br />

mehr Miteinander und Verständnis<br />

sind zukünftig wichtiger denn je. Solidarität<br />

im Kleinen und Großen verdienen<br />

Anerkennung und Respekt.<br />

Daher gilt es, das Ehrenamt weiter<br />

zu fördern und zu unterstützen.<br />

Eine gesunde Gesellschaft braucht<br />

Menschen, die sich für wichtige<br />

Themen und Aufgaben begeistern<br />

und mitgestalten. Schließlich müssen<br />

wir als Gesellschaft immer wieder<br />

gemeinsam unsere Krisen und<br />

Aufgaben meistern. Waren es zu<br />

Zeiten meiner Vorgänger Dr. Karl<br />

Grünewald und Dr. Fritz Steigerwald<br />

die Ölkrise, die Wiedervereinigung<br />

oder die Arbeitsmarktkrise in den<br />

1990ern, so stellen uns aktuell die<br />

Klimakrise, der Ukraine-Krieg sowie<br />

die Folgen der Corona-Pandemie<br />

vor bedeutende Aufgaben.<br />

Wir wollen mit Mut und Zuversicht<br />

gemeinsam den erfolgreichen Weg<br />

fortsetzen. Unser Ziel ist es, wirtschaftsstark,<br />

liebenswert, offen,<br />

nachhaltig und gut vernetzt zu<br />

sein und dabei weiterhin nah an<br />

den Menschen zu bleiben. Für die<br />

Zukunft wünsche ich allen Bürgerinnen<br />

und Bürgern alles Gute und<br />

einen gemeinsamen Blick nach vorne.<br />

Wir haben eine lebens- und liebenswerte<br />

Heimat und das soll so<br />

bleiben. Gott schütze uns!<br />

In herzlicher und dankbarer Verbundenheit<br />

Ihr<br />

Thomas Habermann<br />

Landrat


13


GRUSSWORT<br />

DR. MARKUS SÖDER<br />

DER BAYERISCHE MINISTERPRÄSIDENT<br />

14<br />

Einen herzlichen Gruß an die Bürgerinnen<br />

und Bürger! Heuer feiern sie<br />

ein schönes Jubiläum. Fünfzig <strong>Jahre</strong><br />

Landkreis Rhön-Grabfeld sind<br />

fünfzig <strong>Jahre</strong> einer guten Entwicklung<br />

ihrer Heimat.<br />

WIR FRANKEN<br />

HALTEN ZUSAMMEN!<br />

Die Gebietsreform von 1972 hat<br />

den Freistaat modernisiert. Auch<br />

an der Fränkischen Saale wurde die<br />

Zugehörigkeit mancher Kommune<br />

neu gegliedert. Die Verwaltung<br />

wurde gestrafft, die gemeindliche<br />

Verantwortung wurde gestärkt.<br />

Das hat die Gleichwertigkeit der<br />

Lebensverhältnisse in Stadt und<br />

Land spürbar verbessert. Diese<br />

Reform findet ihre Fortsetzung in<br />

der Bayerischen Heimatstrategie.<br />

Als Instrument aktiver Strukturpolitik<br />

bringt sie die Lebensqualität<br />

weiter voran. Fundament der<br />

Reform ist die Liebe zur Heimat.<br />

Gerade auch im Landkreis Rhön-


Grabfeld fühlen sich die Menschen<br />

ihrer Herkunft verbunden. Zugleich<br />

sind sie zukunftsorientiert. Das<br />

zeigt sich etwa am Breitbandausbau.<br />

Ihre Kraft aber schöpfen sie<br />

aus der Geborgenheit, die sie in der<br />

Heimat finden – gerade in Zeiten<br />

vielfältiger, oft globaler Herausforderungen.<br />

15<br />

Dank und Anerkennung gelten den<br />

Persönlichkeiten, die den Land<br />

kreis Rhön-Grabfeld zu einem Erfolgsmodell<br />

gemacht haben. Die<br />

besten Wünsche seinen Menschen!<br />

Wir Franken halten zusammen!<br />

Dr. Markus Söder<br />

Der Bayerische Ministerpräsident


GRUSSWORT<br />

PROF. DR. DR.<br />

REINHARD HEYDENREUTER<br />

16<br />

ICH WERDE MICH<br />

BEMÜHEN, AUCH DIE<br />

HISTORISCHE SEELE<br />

DES LANDKREISES<br />

RHÖN-GRABFELD ZU<br />

ERKUNDEN.<br />

Als 1802 bayerische Soldaten und<br />

bayerische Beamte im Vorgriff<br />

auf den Reichsdeputationshauptschluss<br />

in das Gebiet des Fürstbistums<br />

Würzburg einrückten und dabei<br />

auch die Würzburger Amtstädte<br />

Bischofsheim, Königshofen, Mellrichstadt<br />

und Neustadt an der Saale,<br />

die historischen Kerngebiete des<br />

heutigen Landkreises Rhön-Grabfeld,<br />

besetzten, versuchten sie, dem<br />

Gebiet seine Seele und seine Vergangenheit<br />

zu nehmen. Niemand<br />

sollte sich mehr daran erinnern,<br />

dass man unter dem Krummstab<br />

des Würzburger Fürstbischofs gut<br />

und liberal leben konnte. Alles hatte<br />

sich den weiß-blauen, von Freimaurern<br />

wie Zentner und Montgelas<br />

diktierten bayerischen Regierungsmaßnahmen<br />

unterzuordnen. Nach<br />

französischem Vorbild wurden<br />

1804 wie überall im Kurfürstentum<br />

Bayern und seinen neu erworbenen


Gebieten Landgerichte zurechtgeschneidert,<br />

darunter eben auch Bischofsheim,<br />

Königshofen, Mellrichstadt<br />

und Neustadt. Alles sollte nun<br />

kurfürstlich bayerisch werden, vor<br />

allem auch, um die gigantischen<br />

Schulden des vor dem Bankrott stehenden<br />

Kurfürstentums zu decken.<br />

Deshalb löste man auch die Klöster<br />

auf, in Altbayern und in den neu erworbenen<br />

Gebieten, darunter auch<br />

das Zisterzienserstift Maria Bildhausen<br />

mit seinen reichen Besitzungen<br />

im heutigen Landkreis Rhön-<br />

Grabfeld. Der Kurfürst von Bayern<br />

übernahm den Titel eines Herzogs<br />

von Franken, den die Fürstbischöfe<br />

seit dem hohen Mittelalter geführt<br />

hatten, und das fränkische Herzogsschwert<br />

wurde nach München<br />

in die Schatzkammer gebracht, wo<br />

es heute noch unberechtigterweise<br />

liegt. Selbst aus den Wappen der<br />

Würzburger Städte und Märkte entfernte<br />

man das Weiß und Rot der<br />

Würzburger Farben und ersetzte<br />

es durch Weiß und Blau. Erst sehr<br />

viel später hat Franken wenigstens<br />

bruchstückhaft seine Identität wiedererlangt,<br />

als König Ludwig I. 1835<br />

in das neue Königswappen auch<br />

den Würzburger Rechen, das Wappen<br />

des Fürstbistums, als Symbol<br />

für Franken einfügen ließ. Als fränkischer<br />

Rechen ist er im Wappen<br />

des Freistaats Bayern bis heute das<br />

Symbol für Franken geblieben.<br />

Als in Oberbayern geborener Landeshistoriker,<br />

Jurist und ehemals<br />

in München residierender bayerischer<br />

Beamter fühle ich mich in<br />

der Nachfolge der reformwütigen<br />

und geschichtsblinden Beamten<br />

Zentner und Montgelas mitschuldig<br />

am Raub der unterfränkischen<br />

Seele. Es war der sich so überlegen<br />

fühlende unselige Geist der Gleich-<br />

17


18<br />

macherei und des aufklärerischen<br />

Fortschrittsglaubens, der hochmütig<br />

über die Menschen hinweg alte<br />

Strukturen zerstörte und bis heute<br />

zerstört. Die Argumente der Gleichmacher<br />

sind uns bis heute geläufig:<br />

„Effizienz“, „Verbesserung der Lebensverhältnisse“,<br />

„Vereinfachung<br />

der Strukturen“.<br />

Schaut man hinter die Kulissen, so<br />

findet man vielfach nur Profit- und<br />

Karrieredenken, Neid und Besserwisserei,<br />

gepaart mit einem völligen<br />

Mangel an geschichtlichen<br />

Zusammenhängen und seelischen<br />

und menschlichen Befindlichkeiten.<br />

Und darüber hinaus: Wer meint,<br />

Effizienz und straffe hierarchische<br />

Strukturen seien der Dreh- und Angelpunkt<br />

aller organisatorischen<br />

Weisheit, ist meist ein Feind der Demokratie.<br />

Ich bin als Landeshistoriker quasi<br />

beruflich verpflichtet, die Seele Bayerns,<br />

die Seele seiner Landschaften<br />

und seiner Bewohner zu suchen<br />

und zu erklären. Und ich werde<br />

mich bemühen, auch die historische<br />

Seele des Landkreises Rhön-<br />

Grabfeld zu erkunden, um etwas<br />

gutzumachen, was die bayerischen<br />

Beamten seit 1802 in Franken angerichtet<br />

haben. Um die Seele eines<br />

Landes und einer Landschaft zu erfassen,<br />

muss man sich vor allem<br />

in die Geschichte vertiefen, auch<br />

in die Geschichte von Landkreisen,<br />

von Städten und Gemeinden. Indem<br />

wir uns klarmachen, woher wir<br />

kommen und warum wir so sind,<br />

finden wir auch heraus, was es mit<br />

einem zunächst so abstrakten Gebilde<br />

wie einem Landkreis Rhön-<br />

Grabfeld auf sich hat. Auch er hat<br />

eine Seele, eine Seele, die geprägt<br />

ist von seiner großartigen Integrationskraft<br />

an den Grenzen vieler<br />

Herrschaftsgebiete. Dieser Landkreis<br />

hat nicht nur fürstbischöfliche<br />

Landesherrn aus Würzburg oder<br />

Fulda oder protestantische herzogliche<br />

Landesherrn aus Thüringen<br />

in seinen historischen Genen,<br />

sondern auch adelige Reichsritter,<br />

bedeutende Klöster, stolze Bürger,<br />

Ganerbschaften mehrerer Herren,<br />

jüdische Gemeinden; kurzum: ein<br />

politisches und menschliches Miteinander<br />

und Nebeneinander und<br />

eine Integrationskraft, wie es ganz


selten in Bayern, ja in Deutschland<br />

zu finden ist. Deshalb freue ich<br />

mich, dass dieser bemerkenswerte<br />

Landkreis den Versuch unternimmt,<br />

auch seine neueste Geschichte aufzuarbeiten.<br />

Ich werde am 4. Mai 2023, wenn<br />

der Landkreis sein Jubiläum feiert,<br />

der Frage nachgehen, wie es zur Bildung<br />

unserer heutigen Landkreise<br />

gekommen ist. Welche äußeren Ereignisse,<br />

welche Ideen und welche<br />

Personen steckten hinter all den<br />

„Gebietsreformen“ des 19. und 20.<br />

Jahrhunderts und wie können wir<br />

uns in die „Seele“ eines jeden Landkreises<br />

versetzen, insbesondere<br />

auch in die Seele dieses besonderen<br />

Landkreises Rhön-Grabfeld?<br />

Ich wünsche dem Landkreis Rhön-<br />

Grabfeld und dieser Veröffentlichung<br />

viel Erfolg auf dem nicht<br />

immer einfachen Weg in die Vergangenheit.<br />

Prof. Dr. Dr. Reinhard Heydenreuter<br />

19


GRUSSWORT<br />

JOHANN BÖHM<br />

LANDTAGSPRÄSIDENT A.D.<br />

20 MANCHEM ANFANG<br />

WOHNT EIN<br />

SCHAUER INNE.<br />

Im Zuge der Wiedervereinigung<br />

Deutschlands hieß es: Es kommt<br />

zusammen, was zusammen gehört.<br />

Im Zuge der Kreisreform in<br />

Bayern – also schon 18 <strong>Jahre</strong> vorher<br />

– hätte man in unserem Raum<br />

dieselbe Feststellung treffen können.<br />

Da kam nämlich zusammen,<br />

was zusammen gehörte: die Altlandkreise<br />

Bad Neustadt, Königshofen<br />

und Mellrichstadt; hinzu kamen<br />

noch die Gemeinden Burglauer und<br />

Strahlungen. Im Jahr 1972 wurde<br />

also ein „vereinigter Großkreis“ geboren,<br />

der ein Jahr später auf den<br />

Namen „Rhön-Grabfeld“ getauft<br />

wurde. Die drei Altlandkreise hatten<br />

ortsbezogene Namen. Der „Neue“<br />

gab sich einen Namen mit Landschaftsbezug.<br />

Das passte. Er präsentierte<br />

sich nicht unter dem Namen<br />

des Kreissitzes, sondern als<br />

lebendiger Landschaftsraum. Er ist<br />

eingebettet zwischen der Rhön im


Westen und den Haßbergeausläufern<br />

bzw. den Gleichbergen im Osten.<br />

Wer von den Kreuzberghängen<br />

den Blick in Richtung Sonnenaufgang<br />

wirft, sieht eine harmonisch<br />

wellige Tal-Landschaft mit den<br />

Rhön-Gegenpolen der Gleichberge<br />

vor sich liegen. Vom Westen –<br />

wo die Nord-Süd-Ausdehnung des<br />

Kreisgebietes erheblich größer als<br />

im Osten ist – fließen Streu, Els und<br />

Brend in die Kreismitte. Vom Osten<br />

her kommt die Saale, die – durch<br />

die „thüringische“ Milz verstärkt<br />

– die drei Flüsschen des Westens<br />

aufnimmt. Durch diese Zuflüsse<br />

bereichert, verändert sie ihren Kurs<br />

nach Süden und strömt dem Main<br />

zu. Die Grenzen des Landkreises zu<br />

Thüringen im Norden und zu Hessen<br />

im Westen sind zusammen fast<br />

länger als die ins übrige Bayern.<br />

Aber die Topographie Rhön-Grabfelds<br />

öffnet sich in Richtung des<br />

„Mutterlandes“ Bayern. Menschen<br />

werden seit eh und je von der Landschaft<br />

geprägt, in der sie leben. So<br />

erhielten auch die Rhön-Grabfelder<br />

trotz der Vielgestaltigkeit der Kleinräume<br />

des Kreisgebiets eine eigenständige<br />

Prägung.<br />

Ich war in den <strong>Jahre</strong>n 1969 bis<br />

1973 juristischer Staatsbeamter<br />

am Landratsamt in Bad Neustadt,<br />

das dann zum Landratsamt Rhön-<br />

Grabfeld wurde. In einer nicht gerade<br />

unmaßgeblichen Stelle habe<br />

ich also das Entstehen des neuen<br />

Landkreises miterlebt. Es gab zwar<br />

Reibereien in der Öffentlichkeit und<br />

Winkelzüge im Hintergrund; aber<br />

sie führten nicht zu Auswüchsen.<br />

„Vereinigt“ waren ab 1972 die drei<br />

Landkreise; aber „vereint“ waren<br />

sie noch nicht. Die Zeichen zeigten<br />

eher auf Sturm als auf ruhige<br />

Wetterlage. Der Altlandkreis Bad<br />

Neustadt stellte fast die Hälfte der<br />

Einwohner des Kreises. Er war auch<br />

wirtschaftlich der stärkere Teil (Bad<br />

Neustadt war seinerzeit viertgrößter<br />

Industriestandort Unterfrankens).<br />

Weniger die Bevölkerung<br />

als die politischen Repräsentanten<br />

aus Königshofen und Mellrichstadt<br />

fühlten sich in „dieses dominante<br />

Bad Neustadt“ einverleibt und befürchteten<br />

dessen Vormachtstellung.<br />

Bei der Kreistagswahl 1972<br />

breitete sich daher in KÖN und MET<br />

Furcht aus, als Minderheit an die<br />

Wand gedrückt zu werden. Nicht<br />

21


22<br />

der Zusammenhalt im Großkreis,<br />

sondern der enge Schulterschluss<br />

in ihren Kreisteilen wurde zur Parole.<br />

Die Folge dessen war: Der Landratskandidat<br />

aus NES fiel gegen<br />

den – kurz vor der Pensionierung<br />

stehenden – Kandidaten aus KÖN<br />

durch; von den <strong>50</strong> Kreistagsmandaten<br />

gingen 20 nach KÖN, 19 nach<br />

MET und nur 11 nach NES. War das<br />

ein schlechter Start für den Großkreis?<br />

Dieser „Sieg“ für die kleineren<br />

Geschwister KÖN und MET war für<br />

die „Neustädter“ – die nicht lokal,<br />

sondern regional gewählt hatten –<br />

deprimierend, für die Königshöfer<br />

und die Mellrichstädter genugtuend.<br />

Im Raum KÖN und MET förderte<br />

er das Selbstbewusstsein und<br />

ließ den gekränkten Stolz vergessen.<br />

Das Gefühl, nicht mehr Herr<br />

im eigenen Haus zu sein, schwand.<br />

Das Bewusstsein, auf Augenhöhe<br />

mitwirken zu können, ließ die alten<br />

Vorbehalte schwinden. Was also<br />

zunächst als Rückschritt ins alte<br />

Kreisdenken erschien, erwies sich<br />

aus späterer Sicht betrachtet als<br />

Heilungsprozess, der alte Wunden<br />

vernarben ließ.<br />

Als der Pulverdampf des Wahlkampfes<br />

verzogen war, sah man die<br />

wahren Verhältnisse klarer. Manche<br />

klebten noch an alten Vorstellungen<br />

oder auch „Pfründen“. Aber der<br />

Großteil der Kreisbürger blickte in<br />

die Zukunft. Die Jugend marschierte<br />

an der Spitze der Reformkräfte.<br />

Die drei alten Kreisjugendringe<br />

hatten keinerlei Probleme mit dem<br />

Zusammenschluss. Sie konstituierten<br />

sich sofort zu einer Einheit. Als<br />

gewählter Vorsitzender des neuen<br />

Kreisjugendrings Rhön-Grabfeld tat<br />

ich das Meinige, alle Wege in Richtung<br />

Gemeinsamkeit zu öffnen.<br />

Die älteren Jahrgänge waren etwas<br />

zögerlicher. Aber Proteste löste die<br />

Kreisreform in keiner Weise aus. Für<br />

nahezu die Hälfte der Kreisbürger,<br />

nämlich die Bewohner des Altlandkreises<br />

NES, änderte sich organisatorisch<br />

ohnehin nichts; sie mussten<br />

sich nicht an ein neues Landratsamt<br />

gewöhnen (den Strahlungern<br />

ist das Landratsamt viel näher gerückt).<br />

Aus den anderen Landkreisteilen<br />

pendelten viele als Arbeitnehmer<br />

täglich in die Kreisstadt ein;<br />

der Weg nach Bad Neustadt war<br />

ihnen keineswegs fremd. So fügte


sich die überwiegende Mehrheit der<br />

Kreisbürger in die Reform.<br />

Diese hatte übrigens auch eine<br />

Stimmkreisänderung zur Folge, die<br />

die Einheit des neuen Kreises festigte.<br />

Hatten bisher die Altlandkreise<br />

KÖN und MET zu einem Stimmkreis<br />

entlang der Zonengrenze, der<br />

Altlandkreis NES zum Stimmkreis<br />

Bad Kissingen gehört, so bildete<br />

von nun an der Großkreis einen<br />

eigenen Stimmkreis. Landkreis und<br />

Stimmkreis (der Stimmkreis als Organisationseinheit<br />

für Landtags-,<br />

Bezirkstags- und Bundestagswahlen)<br />

wurden deckungsgleich. Dieser<br />

Umstand stabilisierte den Großkreis<br />

zusätzlich und ließ eine gefestigte<br />

Rhön-Grabfeld-Identität entstehen.<br />

Leider wurde die Deckungsgleichheit<br />

durch eine erneute Stimmkreisreform<br />

2003 wieder aufgelöst.<br />

1974 wählten mich die Kreisbürger<br />

in den Bayerischen Landtag.<br />

Damit wurde ich zum Vertreter des<br />

Landkreises im Parlament. Das<br />

trug mir besondere Verantwortung<br />

gegenüber „Land und Leuten“ von<br />

Rhön-Grabfeld auf. Dessen Gebiet<br />

war das „Nordkap Bayerns“; hier<br />

erreichte das Land seine weiteste<br />

Ausdehnung nach Norden. Es stieß<br />

an die 110 km lange Barriere der<br />

Zonengrenze, die den Kreis zum<br />

„Zonenrandgebiet“ machte. Da war<br />

es notwendig, den Blick Münchens<br />

auf unser Gebiet zu richten und dort<br />

nicht nur Verständnis zu wecken,<br />

sondern auch finanzielle Quellen zu<br />

erschließen. Diese Hilfe zur Selbsthilfe<br />

hat der Landkreis genutzt. Er<br />

rüstete schulisch auf; Kindern und<br />

Jugendlichen sollten Bildungs- und<br />

Entwicklungschancen gegeben<br />

werden. Aus dem Niedergang des<br />

Bäderwesens erwuchsen – nicht<br />

von allein, sondern durch Initiative<br />

tatkräftiger Persönlichkeiten – neue<br />

Chancen. Sie wendeten die Not, taten<br />

also das „Notwendige“, indem<br />

sie die darbenden Sanatorien in<br />

zukunftsträchtige Krankenhäuser<br />

umwandelten. Herr Münch von der<br />

Guttenbergischen Verwaltung war<br />

Ideengeber. Als Vorsitzender des<br />

Gesundheitsausschusses im Landtag<br />

konnte ich ihm zur Seite stehen.<br />

Hieß es in München am Anfang<br />

noch „Eine Herzklinik auf der grünen<br />

Wiese – das ist illusorisch“, so<br />

gab es später Zustimmung. Und als<br />

23


24<br />

es um die Frage ging, wo die für Unterfranken<br />

vorgesehene Einrichtung<br />

für Schlaganfallpatienten errichtet<br />

werden sollte, blieb der Landkreis<br />

erfolgreich. Warum weise ich darauf<br />

hin? Es gibt zwei Krankheiten,<br />

bei denen schnellste Behandlung<br />

notwendig ist: Das sind Herzinfarkt<br />

und Schlaganfall. Wir im Landkreis<br />

haben die kürzesten Wege zu diesen<br />

Einrichtungen. Es hat sich also<br />

im einstigen Zonenrand-Landkreis<br />

viel zum Positiven gewendet.<br />

Auf dieser „Gewinnliste“ steht nicht<br />

zuletzt die Tatsache, dass die Zonengrenze<br />

fiel. Bayern und Thüringen<br />

stehen wieder in fruchtbarem<br />

Austausch. Diesen Gewinn haben<br />

wir nicht selbst erarbeitet, aber wir<br />

haben ihn nach entbehrungsreichen<br />

<strong>Jahre</strong>n wohl verdient (dass<br />

der Landkreis 2003 wieder in zwei<br />

Stimmkreise aufgeteilt wurde, war<br />

bitter).<br />

In der Kreisreform sind in unserem<br />

Gebiet drei Kreise „zusammengekommen“.<br />

Würden sie auch „zusammenwachsen“,<br />

war die Frage.<br />

Ich denke: Das ist erfolgt. Wir alle in<br />

Rhön-Grabfeld dürfen uns darüber<br />

freuen.


LANDRÄTE UND<br />

KREISTAGSMITGLIEDER<br />

SEIT 1972<br />

26<br />

LANDRAT IM<br />

ALTLANDKREIS<br />

BAD NEUSTADT<br />

LANDRAT IM<br />

ALTLANDKREIS<br />

MELLRICHSTADT<br />

Gottfried Miller<br />

1963 - 1972<br />

LANDRAT IM<br />

ALTLANDKREIS<br />

BAD KÖNIGSHOFEN<br />

Alfred Hauser<br />

1951 - 1972<br />

Dr. Karl Grünewald<br />

1952 -<br />

1972


LANDRÄTE IM LANDKREIS<br />

RHÖN-GRABFELD<br />

27<br />

Dr. Karl<br />

Grünewald<br />

1972 - 1976<br />

Dr. Fritz<br />

Steigerwald<br />

1976 - 2003<br />

Thomas Habermann<br />

2003 - heute


KREISRÄTE 1972-1978<br />

CSU Oskar Adam<br />

28<br />

CSU Hans Albert<br />

CSU Erich Bach<br />

CSU Hilmar Braun<br />

CSU Adolf Büttner<br />

CSU Ludwig Dietz<br />

CSU Hermann Dürbeck<br />

CSU Paul Goebels<br />

CSU Raimund Goldbach<br />

CSU Elmar Griebel<br />

CSU Karl Groenen<br />

CSU Edmund Grom<br />

CSU Ernst Härter<br />

CSU Oskar Herbig<br />

CSU Alex Hösl<br />

CSU Eugen Köhler<br />

CSU Georg Lierheimer<br />

CSU Ferdinand Müller<br />

CSU Hans Repp<br />

CSU Rudolf Reß<br />

CSU Josef Scheuplein<br />

CSU Dr. Theo Schleicher<br />

CSU Elfriede Siegel<br />

CSU Franz Söder<br />

CSU Anton Türk<br />

CSU Georg Türk<br />

CSU Josef Volkmuth<br />

CSU Walter Wehner<br />

CSU Gertrud Werp<br />

FDP Hermann Koch<br />

FREIE WÄHLER Werner Artus<br />

FREIE WÄHLER Hans-Ulrich Dill<br />

FREIE WÄHLER Hans Imkeller<br />

FREIE WÄHLER Joachim Kolonat<br />

FREIE WÄHLER Hermann Krämer<br />

FREIE WÄHLER Andreas Kuhn<br />

FREIE WÄHLER Wolfgang Mack<br />

FREIE WÄHLER Friedrich, sen. Spatz<br />

FREIE WÄHLER Vitus Streit<br />

FREIE WÄHLER Dr. Hubert Widenmayer<br />

FREIE WÄHLER Wilhelm Zirkel<br />

SPD Johannes Brandt<br />

SPD Andreas Feldner<br />

SPD Walter Graumann bis 30.08.72<br />

SPD Raimund Hennig<br />

SPD Arthur Hofmann<br />

SPD Franz Jahrsdörfer ab 30.08.72<br />

SPD Günter Maisch<br />

SPD Gerhard Schätzlein<br />

SPD Kurt Zühlke<br />

Dr. Heinz Helm


Frauen-/Männeranteil Kreistag 1972-1978<br />

29<br />

2<br />

48<br />

Männer<br />

Frauen<br />

Der Wechsel von Kreistagsmitgliedern<br />

innerhalb einer Wahlperiode aufgrund<br />

von Todesfall oder vorzeitiger Amtsniederlegung<br />

ist unberücksichtigt.


KREISRÄTE 1978-1984<br />

30<br />

CSU Oskar Adam<br />

CSU Rudi Böhland bis 28.07.80<br />

CSU Johann Böhm<br />

CSU Hilmar Braun<br />

CSU Günter Burger<br />

CSU Adolf Büttner<br />

CSU Hermann Dürbeck bis 1982<br />

CSU Karl Fiedler<br />

CSU Kurt Geis<br />

CSU Paul Goebels<br />

CSU Johannes Gottfried<br />

CSU Elmar Griebel<br />

CSU Karl Groenen<br />

CSU Edmund Grom<br />

CSU Ernst Härter<br />

CSU Oskar Herbig<br />

CSU Günter Heußner<br />

CSU Egon Köhler<br />

CSU Walter Leirich<br />

CSU Georg Lierheimer<br />

CSU Werner Luft<br />

CSU Oskar Mangold<br />

CSU Kurt Mauer<br />

CSU Ferdinand Müller<br />

CSU Ludwig Müller<br />

CSU Hans Repp<br />

CSU Josef Scheuplein<br />

CSU Elfriede Siegel<br />

CSU Franz Söder<br />

CSU Anton Türk<br />

CSU Georg Türk<br />

CSU Josef Volkmuth<br />

CSU Walter Wehner<br />

CSU Gertrud Werp<br />

CSU Klaus Wiesner<br />

FDP Werner Becker<br />

FREIE WÄHLER Werner Artus<br />

FREIE WÄHLER Kurt Baer<br />

FREIE WÄHLER Willy Damm<br />

FREIE WÄHLER Hans Imkeller bis 1983<br />

FREIE WÄHLER Dr. Hans-Werner Lindeken bis 1983<br />

FREIE WÄHLER Wolfgang Mack<br />

FREIE WÄHLER Rosemarie Preh<br />

FREIE WÄHLER Günter Schmitt<br />

FREIE WÄHLER Friedrich, sen. Spatz<br />

FREIE WÄHLER Vitus Streit<br />

FREIE WÄHLER Dr. Hubert Widenmayer<br />

FREIE WÄHLER Wilhelm Zirkel<br />

SPD Klaus Ginkel<br />

SPD Walter Graumann<br />

SPD Raimund Henning<br />

SPD Arthur Hofmann<br />

SPD Bernd Roggenkamp<br />

SPD Gerhard Schätzlein<br />

SPD Alfred Schmitt<br />

SPD Kurt Zühlke


Frauen-/Männeranteil Kreistag 1978-1984<br />

31<br />

3<br />

53<br />

1 2


KREISRÄTE 1984-1990<br />

32<br />

CSU Hans Albert<br />

CSU Johann Böhm<br />

CSU Hilmar Braun<br />

CSU Adolf Büttner<br />

CSU Josef Demar<br />

CSU Ludwig Dietz<br />

CSU Rudolf Erhard<br />

CSU Karl Fiedler<br />

CSU Kurt Geis<br />

CSU Raimund Goldbach<br />

CSU Elmar Griebel<br />

CSU Karl Groenen<br />

CSU Edmund Grom<br />

CSU Ernst Härter<br />

CSU Gebhard Hartung<br />

CSU Oskar Herbig<br />

CSU Günther Heußner<br />

CSU Anni Jung<br />

CSU Hildegard Kirchner<br />

CSU Helmut Krämer<br />

CSU Georg Lierheimer<br />

CSU Oskar Mangold<br />

CSU Kurt Mauer<br />

CSU Ferdinand Müller<br />

CSU Hans Repp<br />

CSU Roland Reß<br />

CSU Helmut Ressel<br />

CSU Josef Schlagbauer<br />

CSU Peter Schön<br />

CSU Alfons Stuhl<br />

CSU Anton Türk<br />

CSU Georg Türk<br />

CSU Kurt Urban<br />

CSU Josef Volkmuth<br />

CSU Walter Wehner<br />

CSU Klaus Wiesner<br />

FREIE WÄHLER Werner Artus<br />

FREIE WÄHLER Kurt Baer<br />

FREIE WÄHLER Werner Hey<br />

FREIE WÄHLER Walter Koch<br />

FREIE WÄHLER Hermann Krämer<br />

FREIE WÄHLER Wolfgang Mack<br />

FREIE WÄHLER Rosemarie Preh<br />

FREIE WÄHLER Günter Schmitt<br />

FREIE WÄHLER Friedrich Spatz, sen.<br />

FREIE WÄHLER Gerhard Weigand<br />

FREIE WÄHLER Dr. Hubert Widenmayer<br />

SPD Arthur Hofmann<br />

SPD<br />

Klaus Ginkel<br />

SPD<br />

Walter Graumann<br />

SPD<br />

Hans Hartmann<br />

SPD<br />

Raimund Hennig<br />

SPD<br />

Franz Jahrsdörfer<br />

SPD<br />

Marlies Landgraf<br />

SPD<br />

Lore Neugebauer<br />

SPD<br />

Gerhard Schätzlein<br />

SPD<br />

Waldemar Wiener<br />

Dr. Hartmut Hoffmann<br />

Alfred Schmitt<br />

Dr. Heinrich Wagner


Frauen-/Männeranteil Kreistag 1984-1990<br />

33<br />

4<br />

56<br />

Männer<br />

Frauen


KREISRÄTE 1990-1996<br />

34<br />

CSU Clemens Behr<br />

CSU Johann Böhm<br />

CSU Hilmar Braun<br />

CSU Günter Burger<br />

CSU Adolf Büttner<br />

CSU Ludwig Dietz<br />

CSU Rudolf Erhard<br />

CSU Karl Fiedler<br />

CSU Kurt Geis<br />

CSU Raimund Goldbach<br />

CSU Karl Groenen<br />

CSU Edmund Grom<br />

CSU Ernst Härter<br />

CSU Oskar Herbig<br />

CSU Günter Heußner<br />

CSU Franz Juli<br />

CSU Anni Jung<br />

CSU Hildegard Kirchner<br />

CSU Helmut Krämer<br />

CSU Georg Lierheimer<br />

CSU Armin-Peter Lommel<br />

CSU Oskar Mangold<br />

CSU Kurt Mauer<br />

CSU Stilla May<br />

CSU Hans Repp<br />

CSU Roland Reß<br />

CSU Josef Schlagbauer<br />

CSU Peter Schön<br />

CSU Hubert Storath<br />

CSU Peter Suckfüll<br />

CSU Marita Urban<br />

CSU Josef Volkmuth<br />

CSU<br />

Gisela Wagner<br />

FDP Dr. Bernd Hahn<br />

FDP Wolfgang Hösch<br />

FREIE WÄHLER Wolfgang Abschütz<br />

FREIE WÄHLER Werner Hey<br />

FREIE WÄHLER Wolfgang Hoesch<br />

FREIE WÄHLER Walter Koch<br />

FREIE WÄHLER Dr. Rainer Kochinki<br />

FREIE WÄHLER Wolfang Mack<br />

FREIE WÄHLER Rosemarie Preh<br />

FREIE WÄHLER Dr. Wolfgang Schneider<br />

FREIE WÄHLER Friedrich Spatz jun.<br />

FREIE WÄHLER Dr. Hubert Widenmayer<br />

FWG Manfred Dietz<br />

FWG Rudolf Glaesner<br />

GRÜNE Hans Schönberg<br />

SPD Klaus Ginkel<br />

SPD Walter Graumann<br />

SPD Hans Hartmann<br />

SPD Arthur Hofmann<br />

SPD Franz Jahrsdörfer<br />

SPD Marlies Landgraf<br />

SPD Lore Neugebauer<br />

SPD Gerhard Schätzlein<br />

SPD Wolfgang Steube<br />

SPD Johann Treubert<br />

SPD Waldemar Wiener<br />

WI KÖN Dr. Jörg Fliegauf<br />

Annemarie Schönberg


Frauen-/Männeranteil Kreistag 1990-1996<br />

35<br />

8<br />

52<br />

Männer<br />

Frauen


KREISRÄTE 1996-2002<br />

36<br />

CSU Clemens Behr<br />

CSU Stephan Biedermann<br />

CSU Johann Böhm<br />

CSU Günter Burger<br />

CSU Adolf Büttner<br />

CSU Josef Demar<br />

CSU Rudolf Erhard<br />

CSU Karl Fiedler<br />

CSU Kurt Geis<br />

CSU Karl Groenen<br />

CSU Thomas Habermann<br />

CSU Udo Jahrsdörfer<br />

CSU Franz Juli<br />

CSU Anni Jung<br />

CSU Oskar Kaiser<br />

CSU Margot Kaufmann<br />

CSU Inge Keßler<br />

CSU Hildegard Kirchner<br />

CSU Richard Knaier<br />

CSU Helmut Krämer<br />

CSU Georg Lierheimer<br />

CSU Armin-Peter Lommel<br />

CSU Oskar Mangold<br />

CSU Kurt Mauer<br />

CSU Stilla May<br />

CSU Roland Reß<br />

CSU Josef Schlagbauer<br />

CSU Peter Schön<br />

CSU Friedrich-Wilhelm Spatz, jun.<br />

CSU Peter Suckfüll<br />

CSU Marita Urban<br />

CSU Gisela Wagner<br />

CSU Helmut Will<br />

FDP Wolfgang Hoesch<br />

FREIE WÄHLER Lorenz Albert<br />

FREIE WÄHLER Bruno Altrichter<br />

FREIE WÄHLER Burgunde Bahr<br />

FREIE WÄHLER Manfred Dietz<br />

FREIE WÄHLER Rudolf Glaesner<br />

FREIE WÄHLER Werner Hey<br />

FREIE WÄHLER Dr. Rainer Kochinki<br />

FREIE WÄHLER Werner Ortloff<br />

FREIE WÄHLER Dietmar Roßhirt<br />

GRÜNE Gottfried Fauser<br />

GRÜNE Siglinde Fröhlich<br />

GRÜNE Siegfried Fuchs<br />

GRÜNE Waldemar Manger<br />

GRÜNE Hans Schöneberg<br />

SPD Albrecht Finger<br />

SPD Egon Friedel<br />

SPD Klaus Ginkel<br />

SPD Walter Grauman<br />

SPD Vilmar Herden<br />

SPD Marlies Landgraf<br />

SPD Gerhard Schätzlein<br />

SPD Ulrike Stanek<br />

SPD Wolfgang Steube<br />

SPD Johann Treubert<br />

SPD Waldemar Wiener<br />

SPD Angelika Wilimsky<br />

WI KÖN Dr. Jörg Fliegauf


Frauen-/Männeranteil Kreistag 1996-2002<br />

37<br />

12<br />

48<br />

Männer<br />

Frauen


KREISRÄTE 2002-2008<br />

38<br />

CSU Reinhold Albert<br />

CSU Martin Balling<br />

CSU Clemens Behr<br />

CSU Stephan Biedermann<br />

CSU Adolf Büttner<br />

CSU Gottfried Christ<br />

CSU Josef Demar<br />

CSU Hubert Dörr<br />

CSU Birgit Erb<br />

CSU Kurt Geis<br />

CSU Mathias Gerstner<br />

CSU Helmut Gröschel<br />

CSU Thomas Habermann<br />

CSU Udo Jahrsdörfer<br />

CSU Anton Joachim<br />

CSU Franz Juli<br />

CSU Anni Jung<br />

CSU Oskar Kaiser<br />

CSU Inge Keßler<br />

CSU Richard Knaier<br />

CSU Georg Lierheimer<br />

CSU Armin Lommel<br />

CSU Dr. Christian Machon<br />

CSU Kurt Mauer<br />

CSU Bernhard Müller<br />

CSU Johanna Saal-Unsleber<br />

CSU Peter Schön<br />

CSU Georg Seiffert<br />

CSU Gisela Sendner<br />

CSU Friedrich Spatz<br />

CSU Peter Suckfüll<br />

CSU Gisela Wagner<br />

CSU Dr. Bernd Weiß<br />

CSU Markus Werner<br />

CSU Helmut Will<br />

CSU Annemarie Zeisner<br />

CSU<br />

Wolfgang Ullrich<br />

FDP Wolfgang Hoesch<br />

FREIE WÄHLER Lorenz Albert<br />

FREIE WÄHLER Bruno Altrichter<br />

FREIE WÄHLER Burgunde Bahr<br />

FREIE WÄHLER Peter Bulheller<br />

FREIE WÄHLER Manfred Dietz<br />

FREIE WÄHLER Anna Maria Drescher<br />

FREIE WÄHLER Rudolf Glaesner<br />

FREIE WÄHLER Bernhard Mosandl<br />

FREIE WÄHLER Werner Ortloff<br />

FREIE WÄHLER Irmgard Seifert<br />

GRÜNE Karl Breitenbücher<br />

GRÜNE Gottfried Fauser<br />

GRÜNE Siglinde Fröhlich<br />

SPD Albrecht Finger<br />

SPD Egon Friedel<br />

SPD Walter Graumann<br />

SPD Angelika Keil-Fuchs<br />

SPD Marlies Landgraf<br />

SPD Wolfgang Steube<br />

SPD Sabine Stührmann<br />

SPD Johann Treubert<br />

SPD Monika Verchov<br />

SPD Angelika Wilimsky<br />

Wi KÖN Dr. Jörg Fliegauf<br />

WI KÖN Karl-Heinz Schönefeld


Frauen-/Männeranteil Kreistag 2002-2008<br />

39<br />

16<br />

44<br />

Männer<br />

Frauen


KREISRÄTE 2008-2014<br />

40<br />

CSU Reinhold Albert<br />

CSU Martin Balling<br />

CSU Udo Baumann<br />

CSU Petra Bieber<br />

CSU Stephan Biedermann<br />

CSU Cornelia Dahinten<br />

CSU Josef Demar<br />

CSU Hubert Dörr<br />

CSU Birgit Erb<br />

CSU Alois Gensler<br />

CSU Mathias Gerstner<br />

CSU Gabriele Gröschel<br />

CSU Thomas Helbling<br />

CSU Christof Herbert<br />

CSU Franz Juli<br />

CSU Ulrike Kehm<br />

CSU Inge Keßler<br />

CSU Norbert Klein<br />

CSU Richard Knaier<br />

CSU Axel Kochinki<br />

CSU Friedolin Link<br />

CSU Dr. Christian Machon<br />

CSU Kurt Mauer<br />

CSU Bernhard Müller<br />

CSU Johanna Saal-Unsleber<br />

CSU Ruth Scheublein<br />

CSU Friedrich Spatz<br />

CSU Peter Suckfüll<br />

CSU Dr. Bernd Weiß<br />

CSU Bruno Werner<br />

CSU Markus Werner<br />

CSU Helmut Will<br />

CSU Annemarie Zeisner<br />

FDP Erich Gutermuth<br />

FDP Wolfgang Hoesch<br />

FDP Hartmut Rausch<br />

FREIE WÄHLER Bruno Altrichter<br />

FREIE WÄHLER Werner Angermüller<br />

FREIE WÄHLER Peter Bulheller<br />

FREIE WÄHLER Manfred Dietz<br />

FREIE WÄHLER Anna Maria Drescher<br />

FREIE WÄHLER Rudolf Glaesner<br />

FREIE WÄHLER Werner Ortloff<br />

FREIE WÄHLER Edeltraut Rapp<br />

FREIE WÄHLER Irmgard Seifert<br />

FREIE WÄHLER Georg Straub<br />

FREIE WÄHLER Eberhard Streit<br />

FREIE WÄHLER Ulrich Waldsachs<br />

FREIE WÄHLER Thomas Wirsing<br />

GRÜNE Karl Breitenbücher<br />

GRÜNE Gottfried Fauser<br />

GRÜNE Siglinde Fröhlich<br />

GRÜNE Cornelia Müller<br />

GRÜNE Birgit Zirkelbach<br />

SPD Albrecht Finger<br />

SPD Egon Friedel<br />

SPD Angelika Keil-Fuchs<br />

SPD Marlies Landgraf<br />

SPD Dr. Friedrich Oehm<br />

SPD Ulrike Stanek<br />

SPD Sabine Stührmann<br />

SPD Angelika Wilimsky<br />

WI KÖN Dr. Jörg Fliegauf<br />

WI KÖN Hartmut Eppler<br />

WI KÖN Karl-Heinz Schönefeld


Frauen-/Männeranteil Kreistag 2008-2014<br />

41<br />

20<br />

40<br />

Männer<br />

Frauen


KREISRÄTE 2014-2020<br />

42<br />

CSU Reinhold Albert<br />

CSU Udo Baumann<br />

CSU Stephan Biedermann<br />

CSU Cornelia Dahinten<br />

CSU Josef Demar<br />

CSU Juliane Demar<br />

CSU Hubert Dörr<br />

CSU Birgit Erb<br />

CSU Alois Gensler<br />

CSU Mathias Gerstner<br />

CSU Gabriele Gröschel<br />

CSU Thomas Helbling<br />

CSU Christof Herbert<br />

CSU Jürgen Heusinger<br />

CSU Norbert Klein<br />

CSU Richard Knaier<br />

CSU Matthias Liebst<br />

CSU Friedolin Link<br />

CSU Dr. Christian Machon<br />

CSU Steffen Malzer<br />

CSU Bernhard Müller<br />

CSU Bernd Roßmanith<br />

CSU Ruth Scheublein<br />

CSU Stefan Schmöger<br />

CSU Friedrich Spatz<br />

CSU Bastian Steinbach<br />

CSU Peter Suckfüll<br />

CSU Bruno Werner<br />

CSU Rudolf Zehe<br />

CSU Annemarie Zeisner<br />

FDP Hartmut Rausch<br />

FDP Dr. Thomas Smolin<br />

FREIE WÄHLER Bruno Altrichter<br />

FREIE WÄHLER Peter Bulheller<br />

FREIE WÄHLER Thomas Dietz<br />

FREIE WÄHLER Stefan Hippeli<br />

FREIE WÄHLER Werner Ortloff<br />

FREIE WÄHLER Gerald Pittner<br />

FREIE WÄHLER Peter Schön<br />

FREIE WÄHLER Irmgard Seifert<br />

FREIE WÄHLER Eberhard Streit<br />

FREIE WÄHLER Egon Sturm<br />

FREIE WÄHLER Ulrich Waldsachs<br />

GRÜNE Karl Breitenbücher<br />

GRÜNE Winfried Christ<br />

GRÜNE Klara May<br />

GRÜNE Dagmar Richter<br />

GRÜNE Klaus Schmitt<br />

GRÜNE Birgit Zirkelbach<br />

SPD Lara Albert<br />

SPD Albrecht Finger<br />

SPD Egon Friedel<br />

SPD Matthias Kihn<br />

SPD Dr. Friedrich Oehm<br />

SPD Thorsten Raschert<br />

SPD Sabine Stührmann<br />

SPD René van Eckert<br />

SPD Angelika Wilimsky<br />

WI KÖN Hartmut Eppler<br />

WI KÖN Jens Konrad<br />

WI KÖN Karl-Heinz Schönefeld


Frauen-/Männeranteil Kreistag 2014 - 2020<br />

43<br />

13<br />

47<br />

Männer<br />

Frauen


KREISRÄTE 2020-2026<br />

44<br />

CSU Karola Back<br />

CSU Eva Böhm<br />

CSU Thomas Bruckmüller<br />

CSU Cornelia Dahinten<br />

CSU Josef Demar<br />

CSU Juliane Demar<br />

CSU Birgit Erb<br />

CSU Thomas Fischer<br />

CSU Angelika Götz<br />

CSU Gabriele Gröschel<br />

CSU Christiane Hanshans<br />

CSU Thomas Helbling<br />

CSU Christof Herbert<br />

CSU Jürgen Heusinger<br />

CSU Matthias Liebst<br />

CSU Steffen Malzer<br />

CSU Daniela Mültner<br />

CSU Sonja Reubelt<br />

CSU Ruth Scheublein<br />

CSU Martin Schmitt<br />

CSU Stefan Schmöger<br />

CSU Georg Seiffert<br />

CSU Anja Seufert<br />

CSU Bastian Steinbach<br />

CSU Peter Suckfüll<br />

CSU Frank Vetter<br />

CSU Bruno Werner<br />

CSU Annemarie Zeisner<br />

DIE LINKE Matthias Freund<br />

FDP Dr. Helmut Klum<br />

FDP Karl Schenk Graf von Stauffenberg<br />

FREIE WÄHLER Bruno Altrichter<br />

FREIE WÄHLER Thomas Dietz<br />

FREIE WÄHLER Frank Helmerich<br />

FREIE WÄHLER Michael Kraus<br />

FREIE WÄHLER Julian Lörzel<br />

FREIE WÄHLER Gerald Pittner<br />

FREIE WÄHLER Sonja Rahm<br />

FREIE WÄHLER Irmgard Seifert<br />

FREIE WÄHLER Georg Straub<br />

FREIE WÄHLER Eberhard Streit<br />

FREIE WÄHLER Egon Sturm<br />

FREIE WÄHLER Ulrich Waldsachs<br />

FREIE WÄHLER Michael Werner<br />

GRÜNE Karl Breitenbücher<br />

GRÜNE Daniel Doser<br />

GRÜNE Jutta Helm<br />

GRÜNE Carmen-Sita Kronester<br />

GRÜNE Klara May<br />

GRÜNE Eberhard Räder<br />

GRÜNE Birgit Reder-Zirkelbach<br />

GRÜNE Yatin Shah<br />

SPD Elke Bassil<br />

SPD Albrecht Finger<br />

SPD Egon Friedel<br />

SPD Thorsten Raschert<br />

SPD René van Eckert<br />

WI KÖN Michael Custodis<br />

WI KÖN Hartmut Eppler<br />

WI KÖN Gerald Kneuer


Frauen-/Männeranteil Kreistag 2020-2026<br />

45<br />

20<br />

40<br />

Männer<br />

Frauen


REINHOLD ALBERT<br />

46 „ES ENTSTAND EINE<br />

TOPOGRAPHISCH<br />

SINNVOLLE EINHEIT!“ 1<br />

Vor <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n wurde es offiziell:<br />

Der 1972 gebildete neue Landkreis<br />

heißt Rhön-Grabfeld und bekommt<br />

seinen Sitz in Bad Neustadt<br />

Rhön-Grabfeld: Seit 1. Mai 1973<br />

führt der 1972 im Rahmen der<br />

Kreisgebietsreform in Bayern gebildete<br />

neue Landkreis diesen Namen.<br />

Er besteht aus den drei Altlandkreisen<br />

Bad Neustadt an der<br />

Saale, Königshofen im Grabfeld und<br />

Mellrichstadt sowie der bis dahin<br />

zum Landkreis Bad Kissingen gehörenden<br />

Gemeinde Strahlungen. Bad<br />

Neustadt ist zudem nach einem Beschluss<br />

des Bayerischen Landtags<br />

Sitz der Kreisverwaltung, nachdem<br />

sich zuvor der Kreistag mehrheitlich<br />

dafür ausgesprochen hatte. 2<br />

1 Johann Böhm: <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> Gebietsreform – Ein Rückblick.<br />

In: Bayerischer Gemeindetag 11/2022, S. 358<br />

2 Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Nr.<br />

9/1973: Verordnung zur Bestimmung der Namen<br />

des Landkreises und der Sitz der Kreisverwaltungen<br />

vom 10. April 1973. Name Rhön-Grabfeld,<br />

Sitz Bad Neustadt. Diese Verordnung tritt am 1.


Die Gemeinde Burglauer kam am<br />

1. Mai 1978 aus dem Landkreis Bad<br />

Kissingen zum Landkreis Rhön-<br />

Grabfeld noch dazu.<br />

Bezirksämter waren Vorgänger der<br />

Landkreise<br />

Die Uniform des königlichen Bezirksamtmanns<br />

von Königshofen aus dem<br />

19. Jahrhundert. Sie war einst im<br />

Grabfeld-Museum in Bad Königshofen<br />

ausgestellt. Fotos und Repros: Archiv<br />

Reinhold Albert<br />

1852 konnte nach der 1848/49 erfolgten<br />

Auflösung der Patrimonialund<br />

Herrschaftsgerichte die rechtliche<br />

Grundlage für die Bezirksämter<br />

als mittlere der drei kommunalen<br />

Ebenen in Bayern geschaffen werden.<br />

Aus ihnen gingen später die<br />

Landkreise hervor. Sie wurden damals<br />

im Sprengel der Landgerichte<br />

gebildet. 1862 wurden dann die<br />

Aufgaben der Landgerichte auf die<br />

Rechtsprechung beschränkt, doch<br />

bestanden sie mit ihren bisherigen<br />

Sprengeln fort. Jetzt wurden die<br />

bayerischen Bezirksämter als reine<br />

Verwaltungsbehörden installiert.<br />

Der Amtsvorstand führte den Titel<br />

„Königlicher Bezirksamtmann“.<br />

Er war, wie zuvor der Landrichter,<br />

für die Bevölkerung in seinem Bezirk<br />

der staatliche Repräsentant<br />

und bildete in etwa vergleichbar<br />

mit dem heutigen Landrat die Brücke<br />

zwischen dem staatlichen und<br />

kommunalen Bereich. 3 Viele neue<br />

Bezirksämter erhielten 1862 erheblich<br />

größere Außenbezirke und so<br />

standen 249 Landgerichten nunmehr<br />

142 Bezirksämter gegenüber.<br />

47<br />

Mai 1973 in Kraft. Gez.: Der Bayer. Ministerpräsident,<br />

i. A. Dr. Held, Justizminister<br />

3 URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/<br />

Lexikon/Gebietsreform (Julia Mattern)


48<br />

Dem neuen Bezirksamt Königshofen<br />

wurde z. B. der Landgerichtsbezirk<br />

Hofheim zugewiesen. Die<br />

Bezirksämter blieben zahlenmäßig<br />

bis zur Landkreisgebietsreform<br />

1972 nahezu unverändert. 4 Lediglich<br />

im Jahr 1900 wurde in Hofheim<br />

ein eigenständiges Bezirksamt mit<br />

41 Gemeinden eingerichtet und von<br />

Königshofen abgetrennt. 5<br />

Erste Ansätze einer Gebietsreform<br />

Die erste bayerische Gemeindeordnung<br />

von 1869 brachte einen echten<br />

Fortschritt. Erstmals wurde das<br />

Recht der Selbstverwaltung der Gemeinden<br />

deutlich formuliert. 6 Eine<br />

sehr weitgehende, doch mitunter<br />

auch einschränkende Staatsaufsicht<br />

blieb jedoch erhalten. <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong><br />

geschah nun nichts mehr.<br />

Bereits 1878 war eine Gebietsreform<br />

versucht worden. Am Beispiel<br />

des Bezirksamts Königshofen im<br />

4 Wolfgang Renner: Geschichte der bayerischen<br />

Landkreise. In: Unser Landkreis Rhön-Grabfeld,<br />

erschienen in der Schriftenreihe über Landkreise<br />

und kreisfreie Städte in Bayern, Bamberg 1986,<br />

S. 21<br />

5 Herbert Kössler: Historischer Atlas, Teil Hofheim i.<br />

Ufr., München 1964, S. 159<br />

6 URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/<br />

Lexikon/Gemeindeverfassung_<br />

Grabfeld sei dies dargestellt. Es<br />

sollten sog. Bürgermeistereien gebildet<br />

werden. Nach Artikel 6 der<br />

Gemeindeordnung hätten mehrere<br />

benachbarte Gemeinden in einer<br />

Bürgermeisterei vereinigt werden<br />

können. So sollten damals z. B.<br />

Saal und Wülfershausen oder Großbardorf,<br />

Sulzfeld und Leinach oder<br />

Sulzdorf, Serrfeld und Schwanhausen<br />

zusammengeschlossen werden.<br />

Doch die Gemeinden ignorierten<br />

den Vorschlag des königlichen<br />

Bezirksamtmanns Poesl. 7<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg (1914-<br />

1918) trat nach der Gründung<br />

der Weimarer Republik 1919 das<br />

Bayerische Selbstverwaltungsgesetz<br />

in Kraft. Es brachte eine<br />

moderne demokratische Lösung<br />

der Gemeindeverwaltung. 8 Der<br />

gewählte Stadt- bzw. Gemeinderat<br />

war nun das alleinige Vertretungs-<br />

und Verwaltungsorgan der<br />

Gemeinde und gab diesem damit<br />

eine sehr starke Stellung. Den nun-<br />

7 Amts- und Privat-Anzeiger des Bezirksamts Königshofen<br />

i. Gr. vom 9.9.1878<br />

8 Günther U. Müller: Die neuen Landkreise Bayerns.<br />

In: Unser Landkreis Rhön-Grabfeld, München<br />

1980, S. 15


mehrigen Bezirken, den späteren<br />

Landkreisen, wurde als Körperschaft<br />

des öffentlichen Rechts das<br />

Recht der Selbstverwaltung nach<br />

Maßgabe der Gesetze eingeräumt.<br />

Den Staatsbehörden blieb also nur<br />

noch die Rechtsaufsicht. Ein entsprechendes<br />

Wahlgesetz brachte<br />

außerdem die Wahl der Bezirksräte<br />

(heute Kreisräte) durch das Volk. 9<br />

Die Gleichschaltungsgesetze der<br />

nationalsozialistischen Machthaber<br />

von 1933 und die Deutsche Gemeindeordnung<br />

von 1935 beseitigten<br />

jedoch diese Errungenschaften<br />

wieder. In diesen wurde festgelegt,<br />

dass nun Beauftragte der Nationalsozialistischen<br />

Arbeiterpartei<br />

(NSDAP) Bürgermeister und Gemeinderäte<br />

bestimmten. Eine Wahl<br />

durch die Bürger entfiel. Der Bürgermeister<br />

war nach dem Führerprinzip<br />

alleiniger Leiter der Gemeinde.<br />

Den Gemeinderäten oblag lediglich<br />

die Rolle eines Beratergremiums. 10<br />

Gemäß der Verordnung über den<br />

Neuaufbau des Reiches vom 28.<br />

November 1938 musste sich das<br />

bayerische Bezirksamt die Umtaufe<br />

9 Renner (1986), S. 28<br />

10 https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/<br />

Lexikon/Gebietsreform<br />

in „Landratsamt“ gefallen lassen,<br />

mit der die Umbenennung des Vorstands<br />

in „Landrat“ und des Bezirks<br />

in „Landkreis“ in Angleichung an die<br />

preußischen Bezeichnungen verbunden<br />

war. 11 Diese Umbenennung<br />

ist erhalten geblieben.<br />

Die Entwicklung nach 1945<br />

Die Landkreisordnung vom 18. Februar<br />

1946 brachte dann nach Beendigung<br />

des Zweiten Weltkriegs<br />

gegenüber der Bezirksordnung der<br />

Weimarer Republik eine Neuerung:<br />

Der Landrat blieb zwar wie bisher<br />

Vorsitzender des Kreistags, übernahm<br />

aber wieder den Vorsitz im<br />

Kreisausschuss und wurde zugleich<br />

durch seine Wahl durch den<br />

Kreistag Vorsitzender des staatlichen<br />

Landratsamtes. Seit dem<br />

Inkrafttreten der neuen Landkreisordnung<br />

vom 16. Februar 1952<br />

wird der Landrat durch das Volk gewählt.<br />

12 Landrat und Landratsamt<br />

üben jeweils eine Doppelfunktion<br />

aus: Beide sind Organe der staatlichen<br />

Verwaltung einerseits und<br />

11 URL: http://www.verfassungen.de/de33-45/neuaufbau34-v3.htm<br />

12 https://www.verkuendung-bayern.de/files/<br />

gvbl/1952/05/gvbl-1952-05.pdf<br />

49


<strong>50</strong><br />

auch der Kommunalverwaltung des<br />

Landkreises andererseits, sowohl<br />

in der unteren staatlichen Verwaltung<br />

tätig als auch in der Kommunalverwaltung<br />

des Kreises. 13<br />

Die Gemeindeordnung von 1952,<br />

die den Ausbau demokratischer<br />

Verwaltungsstrukturen förderte,<br />

führte Elemente der direkten Demokratie<br />

ein: So müssen die Gemeinden<br />

mindestens<br />

In den<br />

1970er <strong>Jahre</strong>n entstandene<br />

Ansichtskarte der Landkreisstädte aus<br />

der Ansichtskartensammlung Elfriede<br />

Herda (Ostheim vor der Rhön), und zwar<br />

Bad Neustadt.<br />

13 Mattern, Julia: Dörfer nach der Gebietsreform –<br />

Die Auswirkungen der kommunalen Neuordnung<br />

auf kleine Gemeinden in Bayern (1978-2008),<br />

Regensburg 2020, S. 16<br />

einmal jährlich eine Bürgerversammlung<br />

abhalten, um dem Partizipations-<br />

und Mitberatungsrecht<br />

der Bürger nachzukommen.<br />

Die Gebietsreform in Bayern<br />

1969 bis 1978<br />

1962 wurde ein neuer Versuch für<br />

eine Gemeindegebietsreform u.<br />

a. im Grabfeld gestartet. Bei einer<br />

Dienstbesprechung der Bürgermeister<br />

sollte dieses Thema abschließend<br />

behandelt werden. Doch<br />

an einer Zusammenlegung von<br />

Gemeinden, wie sie die Regierung<br />

von Unterfranken zur Verwaltungsvereinfachung<br />

anstrebte, bestand<br />

keinerlei Interesse. Die in Frage<br />

kommenden Gemeinden, wie z. B.<br />

Ober- und Untereßfeld, Aub und Gabolshausen<br />

oder Königshofen und<br />

Ipthausen, lehnten eine Zusammenlegung<br />

rundweg ab. 14<br />

Die Zeit drängte und Ende der<br />

1960er <strong>Jahre</strong> galt es, endlich<br />

sprichwörtlich Nägel mit Köpfen<br />

zu machen. Und so begann 1969<br />

in Bayern eine Gebietsreform, die<br />

14 Erinnerungen von Bürgermeister Hans Albert im<br />

Archiv Reinhold Albert


ihren Namen verdiente. Diese basierte<br />

auf Vorarbeiten und Vorstellungen,<br />

die mehrere Jahrzehnte<br />

zurückreichten. Ein wichtiger Gedanke<br />

war die Vorstellung der Verwaltungsvereinfachung,<br />

die bereits<br />

aus den 1920er <strong>Jahre</strong>n stammte<br />

und von der Arbeitsgemeinschaft<br />

für Staatsvereinfachung in Bayern<br />

Mitte der 19<strong>50</strong>er <strong>Jahre</strong> aufgegriffen<br />

wurde. 15 Diese nach ihrem Leiter<br />

Ottmar Kollmann (1886-1969) benannte<br />

Gruppe erarbeitete ein ausführliches<br />

Gutachten. Ähnliche Anstöße<br />

gab auch 1959 der damalige<br />

bayerische Staatsminister des Innern<br />

und spätere Ministerpräsident<br />

Alfons Goppel (1905-1991), der für<br />

eine territoriale Verwaltungsvereinfachung<br />

eintrat.<br />

Ein Maßstab für die Gebietsreform<br />

war die Idee vom System der zentralen<br />

Orte, die der Geograph Walter<br />

Christaller (1893-1969) 16 in den<br />

15 Mattern (2020), S. 19<br />

16 Christaller entwickelte in seinem Hauptwerk „Die<br />

zentralen Orte in Süddeutschland von 1933“<br />

eine Theorie der zentralen Orte, die im NS-Staat<br />

von der Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung<br />

für die Raumplanung herangezogen<br />

wurde. Er war von 1940 bis 1945 Mitarbeiter im<br />

Amt Planung und Boden im Stabshauptamt des<br />

Reichskommissars für die Festigung des deutschen<br />

Volkstums. Christaller pries das Modell<br />

1930er <strong>Jahre</strong>n entworfen hatte. Für<br />

eine Neuordnung der Kommunen in<br />

Bayern waren diese Ideen von großer<br />

Bedeutung, konnte damit doch<br />

überlegt werden, welche Funktionen<br />

zukünftige, neugebildete Gemeinden<br />

haben sollten. So legten<br />

die Planer im neugeschaffenen<br />

Bayerischen Staatsministerium für<br />

Landesentwicklung und Umweltfragen<br />

die zentralen Orte in Bayern<br />

sowohl für die beginnende Gebietsreform<br />

als auch für die Aufstellung<br />

eines Landesentwicklungsprogramms<br />

ab 1969 fest. 17<br />

Nach seinem ersten Vorstoß in<br />

Richtung Gebietsreform 1959 noch<br />

als bayerischer Staatsminister des<br />

Innern, kündigte Ministerpräsident<br />

Alfons Goppel in seiner Regierungserklärung<br />

am 25. Januar 1967 eine<br />

der zentralen Orte, nach dem diese hierarchisch<br />

nach ihren Versorgungsangeboten klassifiziert<br />

werden und jedes Oberzentrum von einem Ring<br />

von Mittelzentren umgeben ist, die ihrerseits<br />

wiederum von einem Ring von Unterzentren<br />

umgeben sind, als Umsetzung des „Führerprinzips“<br />

in der Raumordnung. In der Nachkriegszeit<br />

war Christaller freischaffender Geograph und<br />

gründete 19<strong>50</strong> zusammen mit Emil Meynen den<br />

Deutschen Verband für Angewandte Geographie<br />

(DVAG). Das Modell der zentralen Orte wurde zur<br />

Grundlage für die Raumplanung in der Bundesrepublik<br />

Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.<br />

17 Mattern (2020), S. 20/21<br />

51


52<br />

grundlegende Gebietsreform an.<br />

Unter dem bayerischen Staatsminister<br />

des Innern Bruno Merk (1922-<br />

2013) trat nun eine Arbeitsgruppe<br />

zur Kommunalverwaltungsreform<br />

zusammen, die 1968 ihre Resultate<br />

präsentierte.<br />

Die Gebietsreform in Bayern basierte<br />

nicht auf den Vorstellungen einer<br />

wissenschaftlichen Kommission,<br />

wie das in anderen deutschen Ländern<br />

der Fall war, sondern auf mehreren<br />

Gutachten und Meinungen<br />

verschiedener Gruppen aus Politik,<br />

Verwaltung und Wissenschaft. Diese<br />

waren auf Grundlagen wie der<br />

Vorstellung einer Verwaltungsvereinfachung<br />

und eines zentralörtlichen<br />

Systems zu der Überzeugung<br />

gelangt, dass in Bayern eine Gebietsreform<br />

durchgeführt werden<br />

sollte. 18 Bedingt war dies durch die<br />

seit den 19<strong>50</strong>er <strong>Jahre</strong>n stark gewandelten<br />

Lebensverhältnisse im ländlichen<br />

Raum. Die Bürger hatten nun<br />

nicht nur gestiegene Ansprüche an<br />

die Verwaltung, sondern die öffentlichen<br />

Aufgaben waren auch deutlich<br />

18 Mattern (2020), S. 22<br />

ausgeweitet worden, was besonders<br />

kleine Gemeinden mit ihren wenig<br />

geschulten Verwaltungskräften und<br />

den ehrenamtlichen Bürgermeistern<br />

überforderte. Bestes Beispiel<br />

dafür ist, dass der Schreiber dieses<br />

Aufsatzes bereits im Alter von 13<br />

<strong>Jahre</strong>n Gemeindeschreiber seines<br />

Vaters Hans Albert, Bürgermeister<br />

in Sternberg im Grabfeld, war.<br />

Die finanzielle Ausstattung der Landgemeinden<br />

bisher war viel zu gering,<br />

der Einsatz moderner Technik nicht<br />

rentabel durchführbar. Es wurde<br />

festgestellt, dass viele Gemeinden<br />

und Kreise zu klein und zu schwach<br />

an Einwohnern und Finanzen wären,<br />

um die gestellten Aufgaben, aber<br />

auch Anforderungen, die in Zukunft<br />

zu erwarten seien, bewältigen zu<br />

können. Das war im Wesentlichen<br />

die Argumentationskette der Reformer<br />

und Planer der Ministerialverwaltung,<br />

nicht der Bewohner dieser<br />

Gemeinden und Kreise. Es bleibt<br />

festzustellen: Von den Kommunen<br />

war der Anstoß zur Gebietsreform<br />

nicht ausgegangen. Doch die politischen<br />

Entscheidungsträger waren<br />

sich einig darüber, dass die großen


Ziele der Reform sein mussten:<br />

• Steigerung von Effektivität und<br />

Wirtschaftlichkeit der Verwaltung<br />

durch den Einsatz von<br />

hauptamtlichem Personal und<br />

modernen Hilfsmitteln<br />

• Größere Bürgernähe durch die<br />

Verlagerung staatlicher Aufgaben<br />

von den Landkreisen<br />

auf die künftig finanziell besser<br />

ausgestatteten Gemeinden<br />

Insgesamt sollte die kommunale<br />

Selbstverwaltung auf allen Ebenen<br />

gestärkt werden. Vor allem die Lebensverhältnisse<br />

im ländlichen<br />

Raum galt es zu verbessern, denn<br />

die Bürger hätten ein Recht darauf,<br />

überall auf dem Land gleichwertige<br />

Lebensbedingungen wie in den<br />

Städten vorzufinden. Unausgesprochen<br />

sollte damit auch der Abwanderung<br />

vom Land in die Städte entgegengesteuert<br />

werden. Mit diesen<br />

gleichwertigen Lebensbedingungen<br />

waren Bildungseinrichtungen<br />

wie Kindergärten und Schulen, Versorgungssysteme<br />

für Wasser und<br />

Abwasser, Sportstätten oder auch<br />

Verkehrsinfrastrukturen gemeint.<br />

53<br />

In den 1970er <strong>Jahre</strong>n entstandene Ansichtskarten der Landkreisstädte aus der<br />

Ansichtskartensammlung Elfriede Herda (Ostheim vor der Rhön), und zwar Bad<br />

Königshofen.


54<br />

Erst die Landkreis-, dann die Gemeindegebietsreform<br />

Weitere Zielvorstellungen und Kriterien<br />

formulierten die Reformer im<br />

Staatsministerium des Inneren vor<br />

allem für die beiden großen Reformen:<br />

die der Landkreise und kreisfreien<br />

Städte sowie die Gemeindegebietsreform.<br />

Die Neuabgrenzung<br />

der sieben bayerischen Bezirke<br />

ging relativ reibungslos über die<br />

Bühne. Als einzige numerische Vorgabe<br />

für die Kreis- und Gemeindegebietsreform<br />

legten die Planer<br />

jeweils Einwohnerzahlen fest. Bei<br />

den Landkreisen stellten sich die<br />

Reformer nach Untersuchungen zur<br />

optimalen Größe dieser Gebietskörperschaften<br />

eine Einwohnerzahl<br />

von 80.000 Menschen vor, bei den<br />

kreisfreien Städten eine Einwohnerzahl<br />

zwischen 25.000 und <strong>50</strong>.000<br />

Personen. Eigenständige Gemeinden<br />

sollten mindestens 5.000 Einwohner<br />

haben, Mitgliedsgemeinden<br />

von Verwaltungsgemeinschaften<br />

mindestens 1.000 Einwohner. Das<br />

Modell der Verwaltungsgemeinschaft<br />

hatte Bayern mit dem 1. Gesetz<br />

zur Stärkung der kommunalen<br />

Selbstverwaltung vom 27. Juli 1971<br />

neu in der bayerischen Kommunallandschaft<br />

verankert.<br />

Während der Einwohnerrichtwert<br />

bei der Kreisreform von großer Bedeutung<br />

war, wurde dieser bei der<br />

Gemeindereform nach zum Teil<br />

heftiger Kritik eher nachlässig behandelt<br />

und im Laufe der Reformphase<br />

verkleinert, so dass schließlich<br />

auch Gemeinden mit rund<br />

2.000 Einwohnern und teilweise<br />

noch weniger eine eigenständige<br />

Gemeinde ohne Mitgliedschaft in<br />

der Verwaltungsgemeinschaft bilden<br />

konnten. 19<br />

Weitere Ziele der Kreisgebietsreform<br />

waren die Einheit von Lebens-,<br />

Verwaltungs- und Investitionsraum<br />

und die Einräumigkeit der Verwaltung,<br />

was bedeutete, dass die verschiedenen<br />

Behörden und Gerichte<br />

den gleichen Zuständigkeitsbereich<br />

haben sollten. Ferner sollte die Ausdehnung<br />

des neuen Kreises nur so<br />

weit gehen, dass es jedem Bewohner<br />

möglich sei, mit den vorhandenen<br />

öffentlichen Verkehrsmitteln<br />

19 Mattern (2022), S. 22


einen Besuch im Landratsamt an<br />

höchstens einem halben Tag zu<br />

verwirklichen. Außerdem galt es,<br />

kulturelle, historische und stammesmäßige<br />

Zusammenhänge zu<br />

berücksichtigen.<br />

1967 stellte der bayerische Ministerpräsident<br />

Alfons Goppel dann<br />

in einer Regierungserklärung verschiedene<br />

Pläne und Planungen für<br />

das Land vor. Neben der Gebietsreform<br />

waren das so unterschiedliche<br />

Vorhaben wie ein Schulentwicklungs-,<br />

ein Krankenhausbedarfs-,<br />

ein Gesamtverkehrs- und ein Marktstrukturplan<br />

sowie weitere Pläne,<br />

die alle Teile einer großangelegten<br />

Landesentwicklungsplanung für<br />

ein optimales Wachstum von Staat<br />

und Gesellschaft sein sollten, wie<br />

Goppel in seinem Aufsatz „Ein Land<br />

plant seine Zukunft“ 1971 teilweise<br />

bereits im Rückblick selbstbewusst<br />

erklärte. 20<br />

Den Startschuss für Gebietsreformen<br />

in der Bundesrepublik<br />

Deutschland gab im April 1965 das<br />

20 Ernst Schmacke: Bayern auf dem Weg in das Jahr<br />

2000, Düsseldorf 1990<br />

Bundesraumordnungsgesetz, nach<br />

dem mehrere Länder begannen,<br />

entsprechende Beratergremien zu<br />

bilden und Planungen auf den Weg<br />

zu bringen. Die Gemeindefinanzreform,<br />

die die kommunalen Finanzen<br />

kräftigen sollte, war 1969 der<br />

Startschuss für die Gebietsreform<br />

in Bayern, ebenso wie ein Gesetz<br />

zur Änderung des Finanzausgleichgesetzes<br />

vom 24. März 1969. Darin<br />

förderte der Freistaat nun Zusammenschlüsse<br />

von Gemeinden.<br />

Zunächst wandten sich die Reformer<br />

im Innenministerium nach<br />

der Bezirksgebietsreform jedoch<br />

der Landkreisreform zu, die mit<br />

erhöhter Geschwindigkeit bis zur<br />

Kommunalwahl 1972 durchgeführt<br />

sein sollte. Mit der einfacher erscheinenden<br />

Landkreisreform wollte<br />

man das Reformwerk frühzeitig<br />

absichern, bevor die wohl kompliziertere<br />

Gemeindegebietsreform<br />

durchgesetzt werden sollte.<br />

Für die Landkreisreform erarbeiteten<br />

1970/71 die Arbeitsgruppe „Gebietsreform“<br />

im Innenministerium,<br />

bestehend vor allem aus Vertretern<br />

der Verwaltung, sowie die sieben<br />

55


56<br />

Bezirksregierungen Vorschläge für<br />

die Neugliederung der Landkreise.<br />

Anhand dieser Ausarbeitungen erstellte<br />

das Innenministerium einen<br />

Gesamtplan, den es den Gemeinden,<br />

Kreisen und Bezirken in zwei<br />

Anhörungsverfahren vorlegte. 21<br />

Im November 1970 fanden in Bayern<br />

Landtagswahlen statt. In seiner<br />

am 27. Januar 1971 gehaltenen Regierungserklärung<br />

begründete der<br />

im Amt bestätigte Ministerpräsident<br />

Alfons Goppel eine Gebietsreform<br />

wie folgt: 22 „Mit einer Kommunalreform<br />

will die Staatsregierung<br />

ihre Politik, in Stadt und Land möglichst<br />

wertgleiche Lebensbedingungen<br />

zu schaffen, fortführen. Ziel der<br />

Reform ist es, durch den Zusammenschluss<br />

von Gemeinden und<br />

Landkreisen zu leistungsfähigeren<br />

kommunalen Körperschaften zu<br />

kommen. Landkreise sollen künftig<br />

so groß sein, dass sie die notwendigen<br />

kostspieligen Investitionen betriebswirtschaftlich<br />

sinnvoll tätigen<br />

können. Sie sollen eine Einheit von<br />

21 Mattern (2022), S. 33<br />

22 URL: https://www.bayern.landtag.de/www/Elan-<br />

TextAblage_WP07/Protokolle/<br />

Lebens- und Verwaltungsraum darstellen.<br />

Bei der Neugliederung der<br />

Landkreise werden die kulturellen,<br />

historischen und sonstigen Bindungen<br />

berücksichtigt werden.“<br />

Die Durchführung der Landkreisreform<br />

beschloss der Landtag<br />

schließlich am 9. November 1971.<br />

Am 27. Dezember 1971 trat dann<br />

die Verordnung über die Neugliederung<br />

Bayerns in Landkreise und<br />

kreisfreie Städte in Kraft. Damit<br />

reduzierte sich am 1. Juli 1972 die<br />

Zahl der Landkreise von 143 auf 71,<br />

die Zahl der kreisfreien Städte von<br />

48 auf 25.<br />

Der neue Landkreis im Norden Bayerns<br />

(über seinen endgültigen Namen<br />

Bad Neustadt oder Rhön-Grabfeld<br />

wurde erst später entschieden)<br />

setzte sich zusammen aus den bisherigen<br />

Landkreisen<br />

• Bad Neustadt (31 Gemeinden,<br />

rund 332 Quadratkilometer,<br />

36.153 Einwohner)<br />

• Königshofen i. Grabfeld<br />

(31 Gemeinden, rund 280 Quadratkilometer,<br />

17.722<br />

Einwohner)


• Mellrichstadt (22 Gemeinden,<br />

rund 301 Quadratkilometer,<br />

23.434 Einwohner)<br />

• Hinzu kam die bis dahin zum<br />

Nachbarlandkreis Bad Kissingen<br />

gehörenden Gemeinde<br />

Strahlungen (752 Einwohner)<br />

Der neue Landkreis wies nun eine<br />

Fläche von 1.008 Quadratkilometern<br />

und eine Einwohnerzahl von<br />

78.061 auf. Die Gemeinde Burglauer<br />

mit 1.220 Einwohnern kam dann<br />

noch zum 1. Mai 1978 aus dem<br />

Landkreis Bad Kissingen zum Landkreis<br />

Rhön-Grabfeld.<br />

57<br />

Grafik von Jutta Glöckner, entnommen der 2012 erschienenen Sonderausgabe der<br />

Tageszeitung Main-Post, Würzburg, Lokalausgabe Rhön-Grabfeld, mit dem Titel:<br />

„Gebietsreform im Landkreis Rhön-Grabfeld“.


58<br />

Was bringt uns der Großlandkreis<br />

Rhön-Grabfeld?<br />

Der ehemalige Landtagspräsident<br />

und langjährige Abgeordnete des<br />

Landkreises Rhön-Grabfeld, Johann<br />

Böhm (er gehörte von 1974<br />

bis 2003 dem Bayer. Landtag an),<br />

erinnert sich, dass die Gebietsreform<br />

zu Beginn der 1970er <strong>Jahre</strong><br />

eine der meistdiskutierten staatlichen<br />

Zielsetzungen war. Er war von<br />

Frühjahr 1969 bis Juli 1973 als juristischer<br />

Staatsbeamter am Landratsamt<br />

Bad Neustadt tätig und als<br />

solcher tief in die Bemühungen um<br />

eine sinnvolle Neuordnung in seinem<br />

Wirkungskreis eingebunden. 23<br />

„Was bringt uns der Großlandkreis<br />

Rhön-Grabfeld?“ Diese Frage stellten<br />

sich im Vorfeld der am 1. Juli<br />

1972 verwirklichten Kreisgebietsreform<br />

vor allem die Bürger der<br />

Landkreise Mellrichstadt und Königshofen.<br />

24 Sie fürchteten nicht<br />

ganz unberechtigt eine gewisse<br />

23 Johann Böhm: <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> Gebietsreform – Ein<br />

Rückblick. In: Bayerischer Gemeindetag 11/2022,<br />

S. 356 f.<br />

24 Georg Stock/Alfred Kordwig: Vor 40 <strong>Jahre</strong>n: Sorge<br />

um den Lebensnerv der Stadt – Diskussionen<br />

um die ehemaligen Kreisstädte Mellrichstadt<br />

und Königshofen. In: 40 <strong>Jahre</strong> Gebietsreform im<br />

Landkreis Rhön-Grabfeld, Beilage zu den Tageszeitungen<br />

im Landkreis Rhön-Grabfeld 2012<br />

Abwertung ihrer Städte, während<br />

Bad Neustadt als Kreisstadt besonders<br />

profitiere. Es versteht sich<br />

von selbst, dass bei den Informationsveranstaltungen<br />

stets lebhaft<br />

diskutiert wurde. So wurde u. a. ein<br />

Ausgleich für den Zentralitätsverlust<br />

von Königshofen und Mellrichstadt<br />

gefordert. Der Vorsitzende<br />

der Mellrichstädter CSU, Ferdinand<br />

Müller, sorgte sich etwa bei einer<br />

Wahlveranstaltung im Juni 1972:<br />

„Wir sind in ernster Sorge, dass der<br />

Lebensnerv unserer Stadt gelähmt<br />

wird.“ Dahingegen versprach der<br />

CSU-Landratskandidat Gottfried<br />

Miller, sich dafür einzusetzen, dass<br />

„der Lebensnerv nicht gelähmt, sondern<br />

gestärkt wird“. Er bekräftigte,<br />

auf die Folgeaspekte der Landkreisreform<br />

eingehend, dass die Sorgen<br />

in Mellrichstadt und Königshofen<br />

ernst genommen werden, warnte<br />

aber zugleich vor übertriebenen Formulierungen<br />

wie „sterbender Landkreis“<br />

oder ähnlichem. Bereits in einem<br />

Interview hatte Miller in seiner<br />

Funktion als Landrat des Kreises<br />

Bad Neustadt in den Lokalzeitungen<br />

am 3. Januar 1972 ausführlich<br />

Stellung genommen und engagiert


für den neuen Landkreis geworben.<br />

25 Mellrichstadts Bürgermeister<br />

Oskar Herbig (1924-1998) forderte<br />

eine Funktionstrennung, und zwar<br />

Bad Neustadt als Industrie-, Königshofen<br />

als Kur- und Mellrichstadt als<br />

Verwaltungsmetropole. 26 Raimund<br />

Hennig (1922-2022), langjähriger<br />

SPD-Stadt- und Kreisrat, erinnerte<br />

sich: 27 „Die Gebietsreform haben<br />

die Einwohner der Altlandkreise<br />

Königshofen und Mellrichstadt als<br />

aufgedrängt empfunden, sie hatten<br />

die schlimmsten Befürchtungen!“<br />

Es hieß, der Zusammenschluss<br />

werde finanzielle Vorteile bringen,<br />

denn man müsse nicht drei Landräte<br />

und drei Verwaltungen bezahlen,<br />

alles werde zentralisiert.<br />

Es war freilich nicht zu verkennen,<br />

dass es für die Bürger der Altland-<br />

25 Geburtsjahr des Rhön-Grabfeld-Kreises begann –<br />

Interview mit Bad Neustadts Landrat Gottfried<br />

Miller. In den Tagezeitungen Bote vom Grabfeld,<br />

Rhön- und Saalepost, Rhön und Streubote vom<br />

3.1.1972<br />

26 Brigitte Gbureck: 40 <strong>Jahre</strong> Erfolgsgeschichte –<br />

Helmut Will, Alt-Bürgermeister und stv. Landrat.<br />

In: 40 <strong>Jahre</strong> Gebietsreform im Landkreis Rhön-<br />

Grabfeld, Beilage zu den Tageszeitungen im<br />

Landkreis Rhön-Grabfeld 2012<br />

27 Regina Vossenkaul: „Die schlimmsten Befürchtungen<br />

– Raimund Hennig berichtet von der Kreisreform<br />

vor 40 <strong>Jahre</strong>n. In: 40 <strong>Jahre</strong> Gebietsreform<br />

Rhön-Grabfeld 2012<br />

kreise Königshofen und Mellrichstadt<br />

erst einmal größere Umstände<br />

mit sich brachte, wenn sie<br />

Behördengänge zu erledigen hatten.<br />

Ein großer Teil der Haushalte<br />

hatte kein Telefon und man war<br />

nicht so mobil wie heute. Ein Besuch<br />

beim Bauamt, beim Sozialoder<br />

Gesundheitsamt war für viele<br />

Leute, besonders aus den weiter<br />

entfernten Gemeinden, eine Tagesreise.<br />

Eine Bündelung der Verwaltung<br />

wurde zwar unterstützt, aber<br />

es ging auch die Furcht um, dass<br />

der neue Landkreis als Zonenrandgebiet<br />

wirtschaftlich größere Nachteile<br />

erfahren könnte.<br />

Königshofen und Mellrichstadt verloren<br />

dann tatsächlich zahlreiche<br />

Arbeitsplätze und damit Steuereinnahmen.<br />

Die Amtsgerichte wurden<br />

verlegt, ebenso Bau-, Sozial-, Gesundheits-,<br />

Veterinär- und Schulämter<br />

– alles kam nach Bad Neustadt.<br />

Damit endete für die Bürger<br />

aus dem Grabfeld und der Rhön die<br />

Zeit, in der sie die Verwaltungsangestellten<br />

persönlich kannten und<br />

Tür an Tür mit ihnen lebten. In Bad<br />

Neustadt standen sie überwiegend<br />

59


60<br />

fremden Personen gegenüber. Mit<br />

viel Überredungskunst wurde wenigstens<br />

eine Kfz-Anmeldestelle in<br />

Königshofen eingerichtet.<br />

Der ehemalige Fremdenverkehrsreferent<br />

des Landkreises, Werner<br />

Zeise, konstatierte: 28 „Die Gebietsreform<br />

war im Grunde ein Thema,<br />

das weniger die Herzen der Bürger<br />

berührte als die der kommunalpolitischen<br />

Mandatsträger.“ Das<br />

dokumentiert, dass es weniger die<br />

Bürger, sondern vielmehr die Amtsträger<br />

waren, die opponierten.<br />

Dass die Zusammenfassung der<br />

Landkreise laut Aussagen vieler<br />

Landkreispolitiker nicht immer auf<br />

Gegenliebe stieß, versteht sich von<br />

selbst. Während man sich jedoch<br />

mit der neuen Konstellation der drei<br />

alten Landkreise relativ schnell abgefunden<br />

hatte, blieb der Standort<br />

des Verwaltungssitzes eine heiß<br />

umkämpfte Angelegenheit. Da<br />

Mellrichstadt schon verschiedene<br />

Behörden beherbergte, wollte die<br />

Stadt unbedingt Verwaltungszent-<br />

rum des neuen Kreises werden.<br />

Während im August 1971 der Kreistag<br />

des Landkreises Mellrichstadt<br />

ablehnte, dass Bad Neustadt Sitz<br />

des neuen Landkreises werden soll,<br />

votierten damals schon die Kreistage<br />

der Landkreise Königshofen im<br />

Grabfeld und Bad Neustadt dafür. 29<br />

Nachdem das ganze Vorhaben in<br />

einem relativ kurzen Zeitraum über<br />

die Bühne gebracht werden sollte,<br />

verabschiedete 1971 die Bürgermeisterversammlung<br />

des Landkreises<br />

Mellrichstadt eine Resolution,<br />

in der es um Fristverlängerungen<br />

ging. Darin wurde auch die Angst<br />

vor Benachteiligungen bei Förderungen<br />

der einzelnen Gemeinden<br />

zum Ausdruck gebracht.<br />

Der staatliche Eingriff vollzog sich<br />

zumeist in einer von der Einsicht<br />

in die Notwendigkeit geprägten Atmosphäre,<br />

aber auch in erbitterten<br />

Auseinandersetzungen. Ostheims<br />

ehemaliges Stadtoberhaupt und<br />

einstiger Bezirksrat Adolf Büttner<br />

war damals Kreisvorsitzender der<br />

28 Eckhard Heise: Den „Stein der Weisen“ entdeckt<br />

– Werner Zeise schildert den Ablauf der Gebietsreform<br />

29 Bote vom Grabfeld, Ausgabe vom 17.11.1972:<br />

Wie soll das Kind heißen und von wo verwaltet<br />

werden?


Jungen Union. 30 Der Nachwuchsorganisation<br />

ging die Reform sogar<br />

nicht weit genug, erinnerte er sich.<br />

Während die älteren Mitglieder der<br />

CSU für eine Zusammenfassung<br />

der drei Landkreise Mellrichstadt,<br />

Bad Königshofen und Bad Neustadt<br />

plädierten, wollten die jungen<br />

Christsozialen sogar noch den<br />

Landkreis Bad Kissingen mit ins<br />

Boot holen. Für diesen Vorschlag<br />

konnten sie aber niemanden recht<br />

begeistern, vor allem, weil der damalige<br />

Bundestagsabgeordnete<br />

Alex Hösl (1919-1977) aus Nordheim<br />

eine andere Linie vertrat und<br />

durchzusetzen wusste. In diesem<br />

Zusammenhang berichtete Altbürgermeister<br />

und ehemaliger SPD-<br />

Kreisrat Gerhard Schätzlein, auch<br />

auf Kreisebene sei die Diskussion<br />

eher leidenschaftslos verlaufen.<br />

Vor allem angesichts eines übermächtigen<br />

Alex Hösl, der alle Fäden<br />

in der Hand hielt. Es habe auch für<br />

die SPD keine Alternative für eine<br />

Zusammenlegung der drei Landkreise<br />

gegeben.<br />

30 Eckhard Heise: Mit Leichenhäusern Zugeständnisse<br />

erkauft. In: 40 <strong>Jahre</strong> Gebietsreform im<br />

Landkreis Rhön-Grabfeld, Beilage zu den Tageszeitungen<br />

im Landkreis Rhön-Grabfeld 2012<br />

Viel Diplomatie sei im Vorfeld der<br />

Reform notwendig gewesen, damit<br />

sich bei der Kreiszusammenlegung<br />

niemand benachteiligt vorkam, erinnert<br />

sich der ehemalige Senator<br />

Karl Groenen. Im Grunde bereitete<br />

auch weniger das Reformwerk Sorgen,<br />

sondern die Zukunft als Zonenrandgebiet<br />

und wie es weiter gehe<br />

zwischen Ost und West. 31 Der Landkreis<br />

Rhön-Grabfeld hatte immerhin<br />

rund 110 km gemeinsame Grenze<br />

mit dem als Folge des Zweiten<br />

Weltkriegs entstandenen zweiten<br />

deutschen Staat, der Deutschen<br />

Demokratischen Republik (DDR).<br />

Diese hatte einen nahezu unüberwindlichen<br />

sog. Eisernen Vorhang<br />

mit Minenfeldern, Todesschussautomaten<br />

und Schießbefehl entlang<br />

ihrer Grenze installiert, um die<br />

eigenen Leute an der Flucht in den<br />

Westen zu hindern.<br />

Die erste Kreistagswahl<br />

In Zusammenhang mit der ersten<br />

Wahl des neuen Kreistags 1972 berichtete<br />

der Landratskandidat der<br />

31 Ebd.<br />

61


62<br />

CSU, Gottfried Miller (1923-2018): 32<br />

„Mir ging es darum, das neue Kreisbewusstsein<br />

herauszustellen. Deshalb<br />

forderten wir die Bürger des<br />

Altlandkreises Bad Neustadt auch<br />

auf, Kandidaten für den Kreistag<br />

aus dem gesamten Angebot zu<br />

wählen.“ Die Bürger der Altlandkreise<br />

Königshofen und Mellrichstadt<br />

wählten aber aus den 170 zur Wahl<br />

stehenden Personen ihre Kandidaten,<br />

während die Bad Neustädter<br />

sich mehr an der Parteizugehörigkeit<br />

orientierten. So waren im ersten<br />

Kreistag speziell die Mitglieder aus<br />

diesen Bereichen stark vertreten.<br />

Von den <strong>50</strong> Sitzen im neuen Kreistag<br />

gingen lediglich 11 nach Bad<br />

Neustadt, die restlichen Mandate<br />

teilten sich Königshofen (20) und<br />

Mellrichstadt (19). Zeitzeuge Raimund<br />

Hennig: „In den ersten sechs<br />

<strong>Jahre</strong>n haben wir im Kreisrat die<br />

Bad Neustädter häufig überstimmt.<br />

So stammten am Ende viele Kreisräte<br />

aus Mellrichstadt und Königshofen<br />

und konnten einiges durch-<br />

32 Hanns Friedrich: Miller: „Alle Wasser fließen nach<br />

Neustadt – Gottfried Miller blickt auf das Jahr<br />

1972 zurück. In: 40 <strong>Jahre</strong> Gebietsreform im<br />

Landkreis Rhön-Grabfeld, Beilage zu den Tageszeitungen<br />

im Landkreis Rhön-Grabfeld 2012<br />

setzen, wenn sie sich einig waren,<br />

was den Bad Neustädtern nicht so<br />

gut gefiel.“<br />

Dr. Karl Grünewald (1911-1976),<br />

bisher Landrat im Altlandkreis Königshofen,<br />

der für die Freien Wähler<br />

antrat, wurde erster Landrat des<br />

neuen Landkreises Rhön-Grabfeld.<br />

Er gewann mit 52 % der Stimmen<br />

gegen Gottfried Miller (CSU).<br />

Dass bei diesen Mehrheitsverhältnissen<br />

Spannung bei der Wahl des<br />

Kreissitzes und vor allem auch des<br />

Namens des neuen Landkreises<br />

aufkam, versteht sich von selbst.<br />

Schließlich siegte aber die Einsicht,<br />

dass nur Bad Neustadt als größte<br />

Stadt als Sitz für die Kreisverwaltung<br />

infrage komme. Gottfried Miller<br />

stellte fest: „Alle Wasser fließen<br />

nach Bad Neustadt und so blieb der<br />

Sitz der Landkreisverwaltung hier.“<br />

Weiterer Streitpunkt war der Name<br />

des Landkreises. Statt „Landkreis<br />

Bad Neustadt“, beschloss der Kreistag<br />

mehrheitlich, dass der neue<br />

Landkreis die Bezeichnung „Rhön-<br />

Grabfeld“ erhalten soll. Der Name<br />

Rhön-Saalekreis stand nicht zur


Debatte, denn es wurde bekannt,<br />

dass sich der neu gebildete Landkreis<br />

Bad Kissingen evtl. so nennen<br />

würde.<br />

Doch lassen wir nun die offiziellen<br />

Unterlagen sprechen:<br />

Sitzung des Kreistags Bad Neustadt<br />

am 21. November 1972<br />

In einer historischen Sitzung des<br />

neu gewählten Kreistags Bad Neustadt<br />

am 21. November 1972 erklärte<br />

Landrat Dr. Karl Grünewald,<br />

dass der Kreistag eine Stellungnahme<br />

darüber abzugeben habe, in<br />

welcher Stadt des Kreisgebiets der<br />

Sitz des Landratsamtes sein soll. 33<br />

Die am 1. Juli 1972 in Kraft getretene<br />

Gebietsreform mache eine solche<br />

Klärung zwingend notwendig.<br />

Er schränkte ein, zu entscheiden<br />

hätte dies aber letztendlich die bayerische<br />

Staatsregierung, für deren<br />

Erlass einer Rechtsverordnung aber<br />

die Stellungnahme des Kreistags<br />

Gewicht habe.<br />

Als vorläufiger Sitz des Landratsamtes<br />

und der Landkreisverwal-<br />

33 Sitzungsprotokoll des Kreistags Rhön-Grabfeld<br />

vom 21.11.1972<br />

tung war von der Staatsregierung<br />

bereits die Stadt Bad Neustadt a.<br />

d. Saale favorisiert worden, weil sie<br />

sich von ihrer geografischen Lage<br />

her, durch die Größe der Einwohnerzahl<br />

und durch das Vorhandensein<br />

der für eine Kreisstadt notwendigen<br />

Einrichtung als Sitz des Landratsamtes<br />

geradezu anbiete. Dies wurde<br />

bereits in einem Gesetzblatt 34<br />

am 27. Dezember 1971 bekannt gegeben.<br />

Darin ist u. a. vermerkt:<br />

• „Landkreis Bad Neustadt a. d.<br />

Saale mit dem Sitz der Kreisverwaltung<br />

in Bad Neustadt a.<br />

d. Saale<br />

• das Gebiet der Gemeinde<br />

Strahlungen des bisherigen<br />

Landkreises Bad Kissingen,<br />

• das Gebiet des bisherigen<br />

Landkreises Bad Neustadt a. d.<br />

Saale,<br />

• das Gebiet des bisherigen<br />

Landkreises Königshofen i.<br />

Grabfeld,<br />

34 Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 26/1971: Verordnung<br />

zur Neugliederung Bayerns in Landkreise<br />

und kreisfeie Städte vom 27. Dezember 1971,<br />

unter § 28 Nr. 3<br />

63


64<br />

• das Gebiet des bisherigen<br />

Landkreises Mellrichstadt.“<br />

Trotz dieser Sachlage bleibe es<br />

aber, so Grünewald, den Vertretern<br />

der bisherigen Kreisstädte Mellrichstadt<br />

und Königshofen unbenommen,<br />

gewichtige Argumente für ihre<br />

Bestimmung zum Kreissitz ins Feld<br />

zu führen, weil in diesen Städten<br />

vor dem Inkrafttreten der Gebietsreform<br />

alle Einrichtungen der Daseinsvorsorge<br />

geschaffen wurden,<br />

die die Lebensqualität in diesen<br />

Räumen verbessern konnten. Die<br />

Entwicklung dieser Städte sei nun<br />

durch Maßnahmen der Gebietsreform<br />

jäh unterbrochen. Aus diesem<br />

Grund befürchte die Bevölkerung<br />

zu Recht, dass die an und für sich<br />

schwache Struktur des grenznahen<br />

Raumes erheblich beeinträchtigt<br />

werde. Es sei zu befürchten, dass<br />

mit dem Abzug der Verwaltungsbehörden<br />

der unteren Ebene eine<br />

noch verstärkte Abwanderung einsetze,<br />

die den Bestand der bisherigen<br />

Kreisstädte Mellrichstadt und<br />

Königshofen bedenklich gefährde.<br />

Die Stadt Bad Neustadt, die auf<br />

Grund ihrer geografischen Lage ohnehin<br />

begünstigt sei, werde einen<br />

Sog auf die Nachbarstädte ausüben,<br />

weil nicht nur das Landratsamt,<br />

sondern mit Sicherheit auch<br />

andere Behörden aus dem Umland<br />

abgezogen und in Bad Neustadt<br />

angesiedelt werden. Landrat Grünewald<br />

forderte die Staatsregierung in<br />

diesem Zusammenhang dazu auf,<br />

für die Folgen des Zentralitätsverlustes<br />

einen wirksamen Ausgleich<br />

zu schaffen.<br />

Der Mellrichstädter Bürgermeister<br />

und Kreisrat Oskar Herbig eröffnete<br />

die Aussprache. Er verwies<br />

auf einen Beschluss seines Stadtrates,<br />

dass die Stadt Mellrichstadt<br />

den Sitz des Landratsamtes erhält,<br />

da zu befürchten sei, dass sich<br />

die Stadt und ihr Umland von dem<br />

durch den Abzug des Landratsamtes<br />

eingetretenen Schaden nicht erholen<br />

werde. Ein Ausgleich für den<br />

Verlust wäre einfach nicht möglich.<br />

Dem widersprach Bad Neustadts<br />

Bürgermeister und Kreisrat Paul<br />

Goebels. Eine Verlegung des Kreissitzes<br />

nach Mellrichstadt liege nicht<br />

im Interesse des weitaus größten<br />

Teiles der Kreisbevölkerung, zu-


65<br />

In den 1970er <strong>Jahre</strong>n entstandene Ansichtskarten der Landkreisstädte aus der Ansichtskartensammlung<br />

Elfriede Herda (Ostheim vor der Rhön), und zwar Mellrichstadt.<br />

mal 87 % der Kreisbevölkerung in<br />

einem Umkreis von 20 km um Bad<br />

Neustadt wohnten, das zudem eine<br />

zentrale Lage aufweise. Letzteres<br />

betonten ebenfalls sowohl die<br />

Kreisräte Anton Türk aus Oberstreu,<br />

Eugen Köhler aus dem Milzgrund<br />

und Bürgermeister Hans Repp aus<br />

Bischofsheim. Kreisrat Franz Jahrdörfer<br />

aus Königshofen stellte fest,<br />

dass die Bevölkerung des Grabfelds<br />

kein Verständnis aufbringen<br />

würde, den Kreissitz nach Mellrichstadt<br />

zu verlegen. Vielmehr plädiere<br />

er, ebenso wie Königshofens Bürgermeister<br />

und Kreisrat Wolfgang<br />

Mack, für einen Kreissitz in Bad<br />

Neustadt. Mack beantragte zudem,


66<br />

bei der Beschlussfassung verbindlich<br />

festzulegen, dass die Städte<br />

Königshofen und Mellrichstadt für<br />

den Verlust, den sie im Zuge der<br />

Kreisreform erlitten, so stark gefördert<br />

werden, dass die Aufwärtsentwicklung<br />

in diesen Randbereichen<br />

keine Unterbrechung erfahre.<br />

Landrat Dr. Karl Grünewald ließ<br />

schließlich über folgenden Beschlussantrag<br />

abstimmen:<br />

Als Sitz der Landkreisverwaltung<br />

wird die Stadt Bad Neustadt a. d.<br />

Saale in Vorschlag gebracht. Dieser<br />

Beschluss ergeht in der Erwartung,<br />

dass die bisherige Kreisstadt Mellrichstadt<br />

als Teilentschädigung für<br />

erlittenen Zentralitätsverlust eine<br />

ihrem bisherigen Landratsamt hinsichtlich<br />

der Beschäftigtenzahl<br />

gleichwertige Dienststelle oder öffentliche<br />

Einrichtung, z. B. die Zentralstelle<br />

für Ordnungsstraßen im<br />

Straßenverkehr, zugewiesen erhält<br />

und der bisherigen Kreisstadt Königshofen<br />

die Entwicklung zur Kurund<br />

Schulstadt durch Sonderförderungsmaßnahmen<br />

ermöglicht wird.<br />

Der Landkreis wird seinerseits bemüht<br />

sein, dass bei Durchführung<br />

kommunaler Baumaßnahmen und<br />

Schaffung kreiseigener Einrichtungen,<br />

z. B. neuer Schulen, die bisherigen<br />

Kreisstädte weitgehend berücksichtigt<br />

werden, um auch auf<br />

diese Weise dazu beizutragen, den<br />

Zentralitätsverlust zu mindern.<br />

Der Kreistag ist sich seiner besonderen<br />

Verantwortung bewusst, die<br />

er gegenüber den strukturschwachen<br />

Gebieten und ihrer bisherigen<br />

Kreisstädte übernommen hat. Der<br />

Kreistag erwartet aber insbesondere<br />

von der Bayer. Staatsregierung,<br />

dass sie in Bezug auf den in Aussicht<br />

gestellten Zentralitätsverlustausgleich<br />

auch zu ihrem Versprechen<br />

steht.“<br />

Der Kreistag votierte mit 32 zu 15<br />

Stimmen für diesen Beschlussvorschlag<br />

– und damit wurde festgelegt,<br />

dass Bad Neustadt Sitz des<br />

Landratsamtes wird.<br />

Bad Neustadt oder Rhön-Grabfeld?<br />

Kontrovers diskutiert wurde bei der<br />

historischen Kreistagssitzung am<br />

21. November 1972 auch, welchen<br />

Namen der neue Landkreis erhalten<br />

soll. Landrat Karl Grünewald wies


in diesem Zusammenhang ebenfalls<br />

darauf hin, dass der Kreistag<br />

nach dem Willen der Staatsregierung<br />

einen Vorschlag für die Namensgebung<br />

des Landkreises zu<br />

unterbreiten habe. Die endgültige<br />

Entscheidung behielt sich aber der<br />

bayerische Landtag vor. Der Kreisausschuss<br />

hatte bereits in einer<br />

Sitzung am 23. August 1972 empfohlen,<br />

dem neuen Landkreis den<br />

Namen „Rhön-Grabfeld-Kreis“ zu<br />

geben.<br />

Zuvor hatte schon der Kreistag des<br />

ehemaligen Landkreises Bad Neustadt<br />

dem Vorschlag der Staatsregierung,<br />

den Landkreis „Bad Neustadt<br />

a. d. Saale“ zu benennen,<br />

zugestimmt, jedoch seine Bereitschaft<br />

bekundet, auch die Benennung<br />

„Rhön-Grabfeld-Kreis“ gut zu<br />

heißen. Die bisherigen Kreistage<br />

der Landkreise Königshofen und<br />

Mellrichstadt hatten sich ebenfalls<br />

für Rhön-Grabfeld ausgesprochen.<br />

Kreisrat Oskar Herbig unterstrich<br />

in der Kreistagssitzung vom 21.<br />

November 1972, dass mit der Bezeichnung<br />

Rhön-Grabfeld die Rhön<br />

als Fremdenverkehrsgebiet angesprochen<br />

werde und der Name eine<br />

bessere Aussagekraft über den<br />

Landkreis habe als die Ortsbezeichnung<br />

Bad Neustadt. Dem widersprach<br />

Kreisrat Elmar Griebel, denn<br />

der Landkreisname Bad Neustadt<br />

habe sich bereits eingebürgert. Die<br />

Stadt habe zudem wegen ihres Kurbetriebs<br />

und ihrer industriellen Bedeutung<br />

bei Gebiets- und Ortsfremden<br />

einen guten Klang.<br />

Kreis- und Bezirksrat Adolf Büttner<br />

unterstrich, die Bezeichnung<br />

Rhön-Grabfeld biete die Gewähr für<br />

eine möglichst rasche Integration<br />

der bisherigen drei Kreise und mindere<br />

den Eindruck, dass sich die<br />

Stadt Bad Neustadt zum absoluten<br />

Schwerpunkt des neuen Landkreises<br />

herausbilde. Kreisrat Josef<br />

Scheuplein bat, zu bedenken, dass<br />

Schwierigkeiten entstünden, wenn<br />

der Landkreis einen Namen erhalte,<br />

der im Kfz-Kennzeichen keinen Niederschlag<br />

finde. Dies könne aber, so<br />

der Landrat, kein Hinderungsgrund<br />

sein, da die Staatsregierung keine<br />

Einwände gegen geographische Namen<br />

geltend mache. Mit 29:18 Stimmen<br />

votierte der Kreistag schließlich<br />

für den Namen Rhön-Grabfeld.<br />

67


68<br />

1. Sitz der Kreisverwaltung<br />

Die Neugliederungsverordnung hat<br />

die Stadt Bad Neustadt a. d. Saale<br />

zum vorläufigen Sitz der Kreisverwaltung<br />

bestimmt. Der Kreistag<br />

hat mit 32:15 Stimmen beschlossen,<br />

diese Stadt als Kreissitz vorzuschlagen.<br />

Ossi Krapf (1922-1996) gestaltete zusammen<br />

mit dem Kulturreferenten Dr.<br />

Heinrich Mehl Mitte der 1970er <strong>Jahre</strong><br />

den ersten Prospekt des Landkreises<br />

Rhön-Grabfeld.<br />

Entscheidung des Bayer. Landtags<br />

Der Bayerische Landtag beschloss<br />

dann am 14. Februar 1973 35 , dass<br />

der Landkreis den Namen Rhön-<br />

Grabfeld erhält und seinen Sitz in<br />

Bad Neustadt an der Saale hat. Die<br />

Begründung lautete:<br />

Die Staatsregierung hält an der<br />

Stadt Bad Neustadt a. d. Saale als<br />

Kreissitz fest. Die Stadt liegt am<br />

Südrand des Landkreisgebietes<br />

verkehrszentral zu den westlichen,<br />

nördlichen und östlichen Teilräumen,<br />

von denen sie über die Bundesstraßen<br />

19 und 279 erreicht<br />

werden kann. Sie ist die einwohnerstärkste<br />

Stadt im Landkreis und<br />

bildet den natürlichen wirtschaftlichen<br />

und verwaltungsmäßigen<br />

Schwerpunkt in diesem nördlichen<br />

Teil Unterfrankens. Entsprechend<br />

ihrer hohen zentralörtlichen Bedeutung<br />

soll sie als Mittelzentrum eingestuft<br />

werden.<br />

35 14.2.1973 Bayer. Landtag 7. Wahlperiode <strong>Druck</strong>sache<br />

7/3863: Verordnung zur Bestimmung<br />

der Namen der Landkreise und der Sitze der<br />

Kreisverwaltungsbehörden; § 6 Regierungsbezirk<br />

Unterfranken<br />

2. Name des Landkreises<br />

Die Neugliederungsverordnung hat<br />

als vorläufigen Namen des Landkreises<br />

„Bad Neustadt a. d. Saale“


festgelegt. Der Kreistag hat mit<br />

29:18 Stimmen beschlossen, der<br />

Staatsregierung den Namen „Rhön-<br />

Grabfeld-Kreis“ zu empfehlen.<br />

Die Staatsregierung folgt dem Vorschlag<br />

des Kreistags, weil der Name<br />

die wesentlichen Landschaften des<br />

neuen Kreisgebiets nennt. Zwar erstreckt<br />

sich die Rhön auch auf den<br />

benachbarten Landkreis Bad Kissingen<br />

und das Land Hessen; ihre Interessen<br />

werden aber durch die Benennung<br />

des neuen Landkreises nach<br />

diesem Gebirge nicht beeinträchtigt.<br />

Um die unschöne Wiederholung<br />

des Wortes „Kreis“ zu vermeiden,<br />

soll der Name des Landkreises nur<br />

„Rhön-Grabfeld“ lauten.<br />

Das Landkreiswappen<br />

Das Kreisbewusstsein galt es insbesondere<br />

durch ein neues Landkreiswappen<br />

zu stärken. In einer<br />

Sitzung des Kreistags Rhön-Grabfeld<br />

am 24. Januar 1975 informierte<br />

Landrat Dr. Karl Grünewald daher<br />

die Mitglieder des Kreistags, dass<br />

eine Reihe von Vorschlägen für<br />

das neue Kreiswappen einging. Es<br />

sei die Aufgabe, so Grünewald, ein<br />

neues Wappen zu schaffen, das der<br />

geschichtlichen Entwicklung der<br />

ehemaligen drei Landkreise Rechnung<br />

trage. Es wurden mehrere Variationen<br />

erörtert. So waren u. a. ein<br />

Heilbrunnen, der fränkische Rechen<br />

oder das Henneberger Wappen Bestandteil<br />

der Entwürfe. Schließlich<br />

fand der von Oberschulrat a. D. und<br />

Kreisheimatpfleger Heinrich Hirsch<br />

vorgeschlagene und von Graphiker<br />

Ossi Krapf (Würzburg) ausgearbeitete<br />

Entwurf eine Mehrheit.<br />

69<br />

Das neue Landkreiswappen informiert<br />

gewissermaßen in Kurzfassung<br />

über die geschichtlichen Hintergründe<br />

und die geographischen<br />

Gegebenheiten im Landkreis. Die<br />

waagerechte Zweiteilung des<br />

Wappens durch ein silbernes Wellenband<br />

deutet in mehrfacher Beziehung<br />

auf „Wasser“ hin: auf die


70<br />

Fränkische Saale, die bei Alsleben<br />

und Obereßfeld entspringt und sich<br />

windungsreich durch unser Gebiet<br />

hindurch schlängelt; auf die zahlreichen<br />

Flüsschen und Bäche, wie<br />

Milz, Streu oder Brend, aber auch<br />

auf die Heilquellen, welche die<br />

Städte Bad Königshofen im Grabfeld<br />

und Bad Neustadt an der Saale<br />

zu bekannten Heilbädern machten.<br />

Schließlich symbolisiert das silberne<br />

Wellenband auch die landschaftliche<br />

Zweiteilung des Landkreises<br />

in die Rhön und das Grabfeld.<br />

In der oberen Hälfte des Wappens<br />

befindet sich eine Krone – sie ist<br />

das Symbol für das ehemalige Königsgut<br />

im Grabfeld, Königshofen,<br />

und auch für die Kaiserpfalz Salz,<br />

die in unmittelbarer Nähe des heutigen<br />

Bad Neustadt lag. Die drei<br />

Kreuze in der unteren Wappenhälfte<br />

stellen den Bezug zum Wahrzeichen<br />

der Rhön her, dem Kreuzberg.<br />

Dieser ist seit Jahrhunderten ein<br />

Ziel der Wallfahrer und Wanderer.<br />

Krone und Kreuz im Landkreiswappen<br />

weisen im Übrigen auch auf die<br />

historische Bedeutung hin, die die<br />

kirchlichen und weltlichen Landesherren<br />

(im Wesentlichen die Herren<br />

von Henneberg und das Würzburger<br />

Hochstift) für unser Gebiet hatten.<br />

Die im Wappen vorkommenden<br />

Farben weiß und rot sind die Farben<br />

Frankens, denn die Besiedelung<br />

durch die Franken war für das<br />

gesamte Landkreisgebiet von entscheidender<br />

Bedeutung. Das Grün<br />

nimmt Bezug auf den Waldreichtum.<br />

Mit Schreiben vom 17. August 1976<br />

genehmigte der unterfränkische Regierungspräsident<br />

Philip Meyer das<br />

neue Wappen. Die offizielle Wappenbeschreibung<br />

lautet: „Durch<br />

einen erhöhten silbernen Wellenbalken<br />

geteilt von Rot und Grün; oben<br />

eine goldene Laubkrone, unten auf<br />

silbernem Dreiberg drei silberne<br />

Kreuze. Die Zweiteilung soll den<br />

neuen Landkreis-Doppelnamen<br />

„Rhön-Grabfeld“ verdeutlichen.“<br />

Die neue Landkreisfahne zeigt drei<br />

Streifen in der Farbenfolge Rot-<br />

Weiß-Grün. Sie muss mit dem Landkreiswappen<br />

geführt werden.


Einwohnerzahlen der zurückliegenden<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Nachdem die drei Landkreise Bad<br />

Neustadt, Mellrichstadt und Königshofen<br />

im Grabfeld zum 1.7.1972<br />

im Rahmen der Kreisgebietsreform<br />

vereinigt wurden, betrug die<br />

Einwohnerzahl 78.061, und als<br />

der Landkreis offiziell den Namen<br />

Rhön-Grabfeld am 1.5.1973 erhielt,<br />

waren es 78.1<strong>50</strong>.<br />

Bevor die Gemeinde Burglauer am<br />

1.5.1978 Bestandteil Rhön-Grabfelds<br />

wurde, zählte der Landkreis<br />

76.426, danach 77.585 Einwohner.<br />

Erstmals am 30.6.1990 wurden mit<br />

80.766 Einwohnern über 80.000<br />

Personen im Landkreis gezählt.<br />

Die höchste Einwohnerzahl wies<br />

der Landkreis Rhön-Grabfeld am<br />

31.12.1999 mit 87.076 Einwohnern,<br />

die geringste am 31.12.1977 mit<br />

76.426 Einwohnern auf.<br />

Am 31.12.2013 fiel die Einwohnerzahl<br />

erstmals wieder unter 80.000.<br />

Jetzt wurden 79.965 Einwohner<br />

gezählt. Kontinuierlich zwischen<br />

79.000 und 80.000 blieb die Zahl<br />

der Bewohner im Landkreis Rhön-<br />

Grabfeld zwischen 2013 und 2021.<br />

Erst zum 30.6.2022 wurden wieder<br />

mehr als 80.000 Einwohner gezählt.<br />

Gegenwärtig zählt der Landkreis<br />

Rhön-Grabfeld 80.340 Einwohner. 36<br />

Eine erste Bilanz<br />

Trotz aller Geburtswehen entwickelte<br />

sich sehr schnell in der Bevölkerung<br />

des neuen Landkreises Rhön-<br />

Grabfeld ein „Kreisbewusstsein“,<br />

das Gefühl der Zusammengehörigkeit,<br />

der Schicksalsgemeinschaft.<br />

Damit war dem schon frühzeitigen<br />

Bemühen der Kreispolitik, die Gemeinsamkeiten<br />

zu fördern und Unterschiede<br />

auszugleichen, ein erster<br />

Erfolg beschieden.<br />

Gründe für das rasche Zusammenwachsen<br />

waren aber auch darin<br />

zu sehen, dass sich der Landkreis<br />

über Gebiete erstreckt, die in ihrer<br />

vielhundertjährigen Entwicklung<br />

bei wechselhaften, zeitweisen verwirrenden<br />

Besitzverhältnissen immer<br />

wieder eine schicksalhafte<br />

geschichtliche Verflochtenheit be-<br />

36 Einwohnerzahlen des Landkreises Rhön-Grabfeld<br />

von 1972-2022, vom LRA Rhön-Grabfeld z. V.<br />

gestellt<br />

71


72<br />

Landkreiskarte von 1972<br />

wiesen. Wie geschichtsträchtig der<br />

Landkreis Rhön-Grabfeld ist, erfährt<br />

man auf Schritt und Tritt, allenthalben<br />

werden die Zeugen historischer<br />

Tradition sichtbar: Burgen, Ruinen,<br />

Kirchen, Kapellen, schmucke Dörfer<br />

mit artenreichen Fachwerkhäusern,<br />

zahllose kunstvoll gestaltete Bildstöcke,<br />

da und dort auch Brunnen,<br />

Wegkreuze und Grabdenkmäler der<br />

hier einstmals herrschenden und oft<br />

heute noch bestehenden Adelsgeschlechter.<br />

Nicht zu vergessen das<br />

ausgeprägte Brauchtum und das<br />

reichhaltige Kunst- und Musikschaffen.<br />

Gottfried Miller erinnerte sich<br />

2012: 37 „Mir war klar, dass es eine<br />

ganze Generation braucht, bis Rhön-<br />

Grabfeld zusammengewachsen ist.<br />

Die Stimmung in den drei ehemali-<br />

37 Hanns Friedrich: Miller: „Alle Wasser fließen nach<br />

Neustadt – Gottfried Miller blickt auf das Jahr<br />

1972 zurück. In: 40 <strong>Jahre</strong> Gebietsreform im<br />

Landkreis Rhön-Grabfeld, Beilage zu den Tageszeitungen<br />

im Landkreis Rhön-Grabfeld 2012


gen Landkreisen war stark geteilt. In<br />

Mellrichstadt und Königshofen wurde<br />

der Verlust der Landratsämter<br />

immer wieder beklagt.“ Ergänzend<br />

fügte Raimund Hennig hinzu: „Die<br />

schlimmsten Befürchtungen der<br />

Bürger sind nicht eingetroffen. Sie<br />

hatten Angst, künftig in einer sterbenden<br />

Stadt zu wohnen, im Grabfeld<br />

zu viele Einwohner zu verlieren<br />

und langsam auszubluten. Das ist<br />

zum Glück nicht geschehen!“<br />

Landrat Dr. Fritz Steigerwald (er<br />

folgte 1976 als Landrat dem 1975<br />

verstorbenen Dr. Karl Grünewald<br />

und war bis 2003 im Amt, bevor<br />

Thomas Habermann sein Nachfolger<br />

wurde) schrieb 1979 im ersten<br />

Rhön-Grabfelder Heimatjahrbuch<br />

38 , das bis in unsere Tage ein<br />

Bindeglied des seit nunmehr einem<br />

halben Jahrhundert bestehenden<br />

Landkreises Rhön-Grabfeld ist:<br />

„Trotz der mit aller Heftigkeit geführten<br />

Diskussion über Sinn und<br />

Zweck sowie Zweckmäßigkeit der<br />

Reform der Kreisebene in der rela-<br />

tiv kurzen Zeit von Januar 1971 an<br />

und erheblicher Widerstände waren<br />

die Ergebnisse insgesamt gesehen<br />

erfreulich. Schon im Februar 1973<br />

konnte der Bayer. Staatsminister<br />

des Innern berichten, dass die Bevölkerung<br />

die Kreisreform akzeptiert<br />

hat und Umstellungsschwierigkeiten<br />

nennenswerter Art dabei<br />

nicht aufgetreten sind. Diese Aussage<br />

kann auch für die Situation<br />

im Landkreis Rhön-Grabfeld gelten,<br />

der heute eine Einheit ist.“<br />

Eine Bilanz zog 1998, also 25 <strong>Jahre</strong><br />

nach dem Zustandekommen der<br />

Kreisgebietsreform, der Kulturreferent<br />

des Landkreises Rhön-Grabfeld,<br />

Josef Kuhn (1918-2005), im<br />

Heimatjahrbuch: 39 „Es kann nicht<br />

geleugnet werden, dass es innerhalb<br />

der Bevölkerung kaum Befürworter<br />

dieser Lösung gab. Es ist dem damaligen<br />

Landrat Dr. Karl Grünewald<br />

und den beiden Abgeordneten Alex<br />

Hösl (MdB) und Hermann Dürbeck<br />

(MdL) zu verdanken, dass man sich<br />

letzten Endes mit ihr abfand. Trotz-<br />

73<br />

38 Dr. Fritz Steigerwald: Der Landkreis Rhön-Grabfeld<br />

und seine Gemeinden in der Reform. In: Heimatjahrbuch<br />

Rhön-Grabfeld 1979, S. 16 f.<br />

39 Josef Kuhn: 25 <strong>Jahre</strong> Gebietsreform – Ein Rückblick.<br />

In: Heimatjahrbuch Rhön-Grabfeld 1998,<br />

S. 14 ff.


74<br />

dem ist es erstaunlich, dass dieser<br />

Zusammenschluss ohne größere<br />

Hemmnisse gelang. Freilich war es,<br />

neben der Überzeugungsarbeit der<br />

genannten Persönlichkeiten, auch<br />

die eine oder andere Mitgift, mittels<br />

derer die Eheschließung schmackhafter<br />

gemacht wurde. Dazu gehörte,<br />

dass man Mittel und Wege gefunden<br />

hatte, den Zentralitätsverlust<br />

der ehemaligen Kreisstädte durch<br />

besondere Maßnahmen wenigstens<br />

einigermaßen auszugleichen. Dazu<br />

gehören Krankenhäuser, Schulen,<br />

Behördenstellen oder auch im Falle<br />

von Bad Königshofen die Förderung<br />

des Fremdenverkehrs durch die Anerkennung<br />

als Badestadt. Bei alledem<br />

ist positiv zu werten, dass die<br />

drei Altlandkreise in vielfacher Beziehung<br />

ihre Eigenart und ihr jeweiliges<br />

Zusammengehörigkeitsgefühl<br />

in das neue Gefüge hinübergerettet<br />

haben, ohne dem wachsenden Kreisbewusstsein<br />

Schaden zuzufügen.“<br />

Anlässlich des 40-jährigen Bestehens<br />

des Landkreises 2012 schrieb<br />

Landrat Thomas Habermann: 40<br />

40 Thomas Habermann: Landkreis hat sich gut positioniert.<br />

In: 40 <strong>Jahre</strong> Gebietsreform im Landkreis<br />

„Unser Landkreis ist in den vergangenen<br />

40 <strong>Jahre</strong>n sehr gut zusammengewachsen<br />

und kann auf<br />

eine äußerst positive Entwicklung<br />

zurückschauen. Ein Blick in unsere<br />

Zukunft gibt keinen Anlass zur<br />

Sorge, denn der Landkreis Rhön-<br />

Grabfeld hat sich gut positioniert<br />

und ist durch seine innovativen<br />

und beständigen Unternehmen, die<br />

hervorragende Infrastruktur, die Zusammenarbeit<br />

mit starken Partnern<br />

sowie dem ausgewogenen Verhältnis<br />

zwischen wirtschaftlicher Entwicklung<br />

und der Erhaltung unseres<br />

natürlichen Lebensraumes bestens<br />

für Herausforderungen der Zukunft<br />

aufgestellt.“<br />

Johann Böhm, langjähriger Stimmkreisabgeordneter<br />

Rhön-Grabfelds<br />

im Bayer. Landtag und von 1994 bis<br />

2003 dessen Präsident, konstatierte<br />

anlässlich des <strong>50</strong>. Jubiläums der<br />

Gebietsreform 2022, dass 1972 mit<br />

dem Landkreis Rhön-Grabfeld, eingebettet<br />

zwischen Rhön und Haßbergen,<br />

eine topographisch sinnvolle<br />

Einheit entstand.<br />

Rhön-Grabfeld, Beilage zu den Tageszeitungen<br />

im Landkreis Rhön-Grabfeld 2012


75


BEVÖ<strong>LK</strong>ERUNGS- UND WIRTSCHAFTS-<br />

ENTWICKLUNG DES LANDKREISES<br />

RHÖN-GRABFELD VON 1973 BIS 2023<br />

DR. JÖRG GEIER<br />

76<br />

ÜBERRASCHUNG:<br />

RHÖN-GRABFELD WÄCHST<br />

Rhön-Grabfeld ist seit seiner Gründung<br />

gewachsen. Die amtliche<br />

Einwohnerstatistik zählte am 01.<br />

Juni 1973 eine Anzahl von 78.061<br />

Einwohnern. 41 Am 01. Juni 2022<br />

wurden amtlich 80.340 Einwohner<br />

gezählt. 42 Ein Zuwachs um mehr als<br />

2.000 Personen. Dieses Fazit lässt<br />

aufhorchen, suggerieren Nachrichten<br />

doch, der ländliche Raum<br />

schrumpfe oder blute gar aus. So<br />

wies die Main-Post zuletzt im Januar<br />

2022 in einem Artikel darauf<br />

hin, dass die Bevölkerung im Jahr<br />

2022 und in den folgenden <strong>Jahre</strong>n<br />

drastisch sinken würde, und berief<br />

sich auf eine Prognose des Statistischen<br />

Landesamtes. 43 Die amt-<br />

41 Landratsamt Rhön-Grabfeld, Einwohnermeldedaten<br />

1973.<br />

42 Landratsamt Rhön-Grabfeld, Einwohnermeldedaten<br />

2022.<br />

43 Pfeuffer, Thomas (2022): Rhön-Grabfelder werden<br />

weniger, älter und internationaler. IN: Main-Post


lichen Einwohnermeldezahlen der<br />

landkreisangehörigen Kommunen<br />

belegen jedoch, dass die Bevölkerungsanzahl<br />

von 2021 auf 2022 von<br />

79.452 auf 80.340 anstieg. Eine signifikant<br />

hohe Zuwachsrate. Auch<br />

die überregionalen Medien neigen<br />

zur Ignoranz der faktischen Zahlen<br />

und produzieren Sendungen wie<br />

„Der Ort, an dem keiner wohnen<br />

will“ 44 und skizzieren eine schrumpfende<br />

Gesellschaft, die es so nicht<br />

gibt.<br />

Richtig ist: Deutschlands natürliche<br />

Bevölkerung ist rückläufig. Das bedeutet,<br />

dass die Geburtenzahlen<br />

rückläufig sind. Dem gegenüber<br />

stehen aber Zuwanderungszahlen,<br />

die statistisch nicht nur genügen,<br />

um die ausbleibenden Geburten zu<br />

kompensieren, sondern deutschlandweit<br />

auch einen Bevölkerungsanstieg<br />

bedingen; dies gilt für das<br />

Zuwanderungsland Bayern in bevom<br />

26. Januar 2022.<br />

URL: https://www.mainpost.de/regional/rhoengrabfeld/rhoen-grabfelder-werden-weniger-aelterund-internationaler-art-10718065<br />

44 Bayerischer Rundfunk (2014): ausgerechnet. Der<br />

Ort, an dem keiner wohnen will.<br />

URL: https://www.br.de/mediathek/video/ausgerechnet-der-ort-an-dem-keiner-wohnen-willav:585d9fed3e2f290012954dab<br />

sonderem Maße. Dieser Anstieg<br />

verteilt sich jedoch nicht gleichmäßig,<br />

sondern konzentriert sich auf<br />

ausgewählte Regionen in Deutschland,<br />

die eine überdurchschnittliche<br />

Attraktivität aus Sicht der<br />

Zuwanderergruppen ausstrahlen.<br />

Typische Zuwanderergebiete sind<br />

die dynamischen Wirtschaftsmetropolen<br />

der Bundesrepublik wie<br />

die Metropolregionen Frankfurt,<br />

München und Hamburg. Aber auch<br />

ländliche Regionen zählen zu den<br />

Gewinnern, so auch Rhön-Grabfeld.<br />

So berichtete der Focus im November<br />

2022, dass die Rhön-Grabfelder<br />

Kreisstadt Bad Neustadt a. d. Saale<br />

inklusive ihres Umlandes zur bundesweit<br />

zweit-attraktivsten Stadt<br />

für Senioren gehöre. 45 Dementsprechend<br />

erklärt sich ein bundesweit<br />

überdurchschnittlicher Zuzug<br />

der Bevölkerungsgruppe der über<br />

65-Jährigen. Rhön-Grabfeld profitiert<br />

dabei nicht nur von Neuzuwanderern,<br />

sondern erlebt eine starke<br />

45 Focus (2022): Norden, Süden, Osten oder Westen?<br />

4 Grafiken zeigen, wo Senioren in Deutschland<br />

am besten leben.<br />

URL: https://www.focus.de/perspektiven/<br />

norden-sueden-osten-oder-westen-4-grafikenzeigen-wo-senioren-in-deutschland-am-bestenleben_id_180377119.html<br />

77


78<br />

Tendenz der Rückkehrwilligen. Viele<br />

Menschen, die ihr Berufsleben in<br />

europäischen Verdichtungsräumen<br />

gelebt haben, kehren nach ihrer aktiven<br />

Berufslaufbahn zurück in ihre<br />

Heimat. Aber nicht nur die Senioren<br />

suchen den ländlichen Raum.<br />

Schon vor der Corona-Pandemie<br />

zeichneten sich Tendenzen der<br />

Suburbanisierung und der Deurbanisierung<br />

ab. 46 So verzeichnet das<br />

Ruhrgebiet, Deutschlands größter<br />

Verdichtungsraum, rückläufige<br />

Zahlen, in Rhön-Grabfeld hingegen<br />

ist ein Wachstum nachweisbar.<br />

Diese Entwicklung kommt nicht<br />

überraschend, denn im Wettbewerb<br />

der Regionen Europas und Deutschlands<br />

zeigt sich bereits seit 2008,<br />

dass Rhön-Grabfelds Wirtschaftsdynamik<br />

überdurchschnittlich<br />

ist. Der Landkreis gilt als Hidden<br />

Champion – ein Geheimtipp, der<br />

nicht allzu geheim ist, da bundesweite<br />

Medien wie die Bild-Zeitung,<br />

das Handelsblatt und große Tageszeitungen<br />

immer wieder über Ran-<br />

46 ARD (2022): Meldung der Tagesschau vom<br />

05.12.2022: Viele Menschen verlassen die Großstädte.<br />

URL: https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/abwanderung-grossstaedte-101.html<br />

kings wie den Zukunftsatlas und<br />

die Lebenswertstudie berichten. 47<br />

So zählt Rhön-Grabfeld seit <strong>Jahre</strong>n<br />

zu den Top-Aufsteigern unter den<br />

kreisfreien Städten und Landkreisen<br />

der Bundesrepublik Deutschland,<br />

wie u. a. der Zukunftsatlas<br />

2016 belegt. 48<br />

47 Steinle, Wolfgang J. (2014): Focus Lebenswertstudie<br />

Deutschland. Die 402 Kreise und kreisfreien<br />

Städte im Vergleich. Köln.<br />

48 Prognos AG: Zukunftsatlas 2016 – das Ranking für<br />

Deutschlands Regionen. Berlin.<br />

URL: https://www.prognos.com/sites/default/<br />

files/2021-02/prognos_zukunftsatlas_2016_auf_<br />

einen_blick.pdf


79<br />

Abbildung 1: Die 10 Aufsteiger: Rang 2016 gegenüber 2004<br />

Quelle: Zukunftsatlas 2016, Seite 9.


80<br />

Der Blick auf die Einwohnerstatistik<br />

Bei genauerer Betrachtung der regionalen<br />

Einwohnerstatistik lassen<br />

sich seit 1973 Fluktuationen erkennen,<br />

die auf überregionale, zum Teil<br />

globale und gesamtgesellschaftliche<br />

Phänomene zurückzuführen<br />

sein dürften. Zum einen wirken globale<br />

Krisen auf die globale Bevölkerungsmobilität<br />

ein und beeinflussen<br />

so Wanderungsbewegungen. Zum<br />

anderen vollzieht sich der demographische<br />

Wandel überall in der Europäischen<br />

Union. Regional um einige<br />

<strong>Jahre</strong> versetzt zeigt sich, dass die<br />

Generation der sogenannten Baby-<br />

Boomer, d. h. der Menschen in Europa<br />

und Nordamerika, die im Nachkriegszeitraum<br />

bis 1964 geboren<br />

wurden und besonders geburtsstarken<br />

Jahrgängen angehören, im Verhältnis<br />

kinderarm geblieben ist und<br />

sich die Struktur der Bevölkerungsverteilung<br />

deutlich verändert hat. 49<br />

Die ursprünglich als Pyramiden abgebildeten<br />

Bevölkerungsstatistiken<br />

wurden im Laufe der Jahrzehnte<br />

immer mehr zur urnenartigen Säule,<br />

so auch in Rhön-Grabfeld. Die<br />

eigentliche Bevölkerungsentwicklung<br />

des Landkreises folgt seit den<br />

1970er <strong>Jahre</strong>n insgesamt einem<br />

Aufwärtstrend und entspricht damit<br />

der gesamtdeutschen Entwicklung.<br />

Wie überall in der Bundesrepublik<br />

sind auch in der regionalen Statistik<br />

die klassischen „Peaks“, wie die<br />

Ölkrise zu Beginn der 1970er <strong>Jahre</strong><br />

und vor allem der Fall des Eisernen<br />

Vorhangs im Jahr 1989, ablesbar.<br />

49 von Becker, Bernhard (2014): Babyboomer. Die<br />

Generation der vielen. Frankfurt 2014.


81<br />

Abbildung 2: Bevölkerungsentwicklung<br />

des Landkreises Rhön-Grabfeld seit<br />

1973<br />

Quelle: Eigene Darstellung nach harmonisierten<br />

Einwohnermeldedaten der<br />

kreisangehörigen Gemeinden des Landkreises<br />

Rhön-Grabfeld. <strong>50</strong><br />

So setzt der Prozess der Wiedervereinigung<br />

und die Öffnung der Staa-<br />

<strong>50</strong> Der Landkreis Rhön-Grabfeld wurde in seiner<br />

Gebietskulisse nach seiner Gründung modifiziert<br />

und bis 1978 um die Gemeinden Strahlungen<br />

und Burglauer ergänzt. Die hier erwähnten Zahlenreihen<br />

rechnen die Gemeindewerte der beiden<br />

Kommunen Strahlungen und Burglauer gleich<br />

mit ein, um die zeitlichen Entwicklungspfade einheitlich<br />

darstellen zu können.<br />

ten Osteuropas auch für Rhön-Grabfeld<br />

Zeichen. Der einstige Landkreis<br />

im Zonenrandgebiet rückt ins räumliche<br />

Zentrum der vergrößerten<br />

Bundesrepublik und profitiert vom<br />

Zuzug aus den neuen Bundesländern<br />

und aus Osteuropa. In dieser<br />

Zeit der innereuropäischen Wanderungsbewegung<br />

erlebt der Landkreis<br />

mit 86.928 gemeldeten Einwohnern<br />

am 01. Juni 1999 seinen<br />

vorläufigen Spitzenwert. In den folgenden<br />

<strong>Jahre</strong>n schrumpft der Landkreis<br />

im deutschlandweiten Trend<br />

gleichsam wieder, unterschreitet<br />

aber selbst in Folge der Weltfinanz-


82<br />

krise 2007/08 nicht das Niveau<br />

vom 01. Juni 1989. Der damalige<br />

Wert von 78.389 Einwohnern wird<br />

zu keiner Zeit unterschritten. Dies<br />

belegt, dass ein grundsätzliches<br />

Bevölkerungswachstum, bereinigt<br />

um das vom Fall des Eisernen Vorhangs<br />

ausgelöste Migrationsgeschehen,<br />

festgestellt werden kann.<br />

In einer mehrjährigen Phase der<br />

Stagnation zeichnet sich 2022 ein<br />

Bevölkerungsanstieg ab, der am 01.<br />

Juni 2022 eine Einwohnerzahl von<br />

80.340 zählen lässt. 51 Dieser Wert<br />

ist zum einen das Ergebnis einer<br />

leichten Zuwanderung, teils aufgrund<br />

von weltweiten Flüchtlingsbewegungen,<br />

teils als Resultat der<br />

Mobilität von Arbeitssuchenden.<br />

Zum anderen lässt sich dieser Positivtrend<br />

mit einer wachsenden Geburtenzahl<br />

erklären.<br />

Der Blick auf die Entwicklung der<br />

Arbeitswelt<br />

Die vorgenannte Positiventwicklung<br />

des Landkreises Rhön-Grabfeld<br />

lässt sich auch mit Blick auf<br />

die harmonisierten Daten der<br />

Arbeitsmarktstatistiken ablesen.<br />

Auch die absolute Anzahl an sozialsteuerpflichtigen<br />

Arbeitsplätzen ist<br />

von rund 35.900 im Jahr 1970 auf<br />

43.800 im Jahr 2021 angestiegen.<br />

Einem Anstieg von knapp 2.000 Einwohnern<br />

steht ein Anstieg von fast<br />

8.000 Arbeitsplätzen gegenüber,<br />

und das, obgleich sich die Anzahl<br />

der Rentner in den letzten <strong>Jahre</strong>n<br />

stetig erhöht hat.<br />

51 Landratsamt Rhön-Grabfeld, Einwohnermeldedaten<br />

2022.


83<br />

Abbildung 3: Entwicklung der Anzahl der<br />

sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze<br />

im Landkreis Rhön-Grabfeld seit<br />

1970<br />

Quelle: Eigene Darstellung nach harmonisierten<br />

Daten des Statistischen<br />

Landesamtes Bayern 2022.<br />

Dieser starke Anstieg ist zum einen<br />

der wirtschaftlichen Entwicklung<br />

Rhön-Grabfelds zu verdanken und<br />

zum anderen dem gesamtgesellschaftlichen<br />

Wandel. In den letzten<br />

fünf Dekaden hat die Rolle der Frau<br />

stark zugenommen. Auch in Rhön-<br />

Grabfeld wächst die Anzahl der Arbeitsplätze<br />

geschlechterspezifisch<br />

unterschiedlich. Der Anzahl der<br />

Arbeitnehmerinnen wächst stärker<br />

als die Anzahl der Arbeitnehmer.<br />

Mit einem Anteil von 62,4 % bei den<br />

Arbeitnehmerinnen entspricht der<br />

Landkreis damit voll dem bayerischen<br />

Trend.


84<br />

Abbildung 4: Beschäftigungsquoten<br />

im Landkreis Rhön-Grabfeld von 2007<br />

bis 2022<br />

Quelle: Bundesministerium für Familie,<br />

Senioren, Frauen und Jugend 2023.<br />

Die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen<br />

Beschäftigten bezieht<br />

sich indes nicht nur auf Vollzeitarbeitsplätze.<br />

Der absolute Anstieg<br />

der Arbeitsplatzzahlen resultiert<br />

auch aus der gesellschaftlichen<br />

Entwicklung heraus, dass immer<br />

mehr Menschen Teilzeitstellen<br />

wahrnehmen. Diese Entwicklung ist<br />

ein typischer Trend, der bundesweit<br />

- regional in unterschiedlicher Ausprägung<br />

- feststellbar ist. Bundesweit<br />

arbeiteten im Jahr 2010 rund<br />

64 % der sozialversicherungspflichtig<br />

beschäftigten Mütter in Teilzeit.<br />

Zehn <strong>Jahre</strong> später wuchs der Anteil<br />

auf rund 66 %. Die Werte der Väter<br />

stiegen bundesweit im selben<br />

Zeitraum von 5 auf 7 %. 52 In Rhön-<br />

Grabfeld ist der Anteil der Mütter in<br />

52 Statistisches Bundesamt (2022): 66 % der erwerbstätigen<br />

Mütter arbeiten Teilzeit, aber nur 7<br />

% der Väter. Pressemitteilung Nr. N 012 vom 7.<br />

März 2022. Wiesbaden.


Teilzeitbeschäftigung mit 55,3 % im<br />

Beispieljahr 2019 niedriger. Überraschenderweise<br />

kompensiert der<br />

Wert der teilzeitbeschäftigten Väter<br />

mit 11 % klar den Wert, zeigt aber<br />

eine Signifikanz gegenüber dem<br />

bundesdeutschen Durchschnittswert<br />

im Vergleichszeitraum, für<br />

den es keine stichhaltige Erklärung<br />

zu geben scheint. Eine ähnliche<br />

Verteilung mit überdurchschnittlicher<br />

Quotierung bei den Vätern ist<br />

eigentlich ein Merkmal in urbanen<br />

Räumen und ein Ausreißer im ländlich<br />

geprägten Umfeld.<br />

Entwicklung der Branchenstruktur<br />

Der strukturelle Blick auf den Arbeitsmarkt<br />

lässt nicht nur Rückschlüsse<br />

auf die gesellschaftlichen<br />

und demografischen Entwicklungen<br />

zu, sondern gibt auch Hinweise<br />

auf die Systemtransformation der<br />

Arbeitswelt. Seit den Nachkriegsjahren<br />

erleben wir in Deutschland<br />

eine Entwicklung zur Dienstleistungsgesellschaft.<br />

Automatisierungen<br />

und Effizienzsteigerungen<br />

in der Landwirtschaft und im produzierenden<br />

Gewerbe sorgen für<br />

einen relativen und absoluten Zuwachs<br />

der Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor.<br />

Erwartungsgemäß schrumpft die<br />

Anzahl der Arbeitnehmer im primären<br />

Sektor. Entgegen des Trends<br />

stagniert jedoch der Arbeitsmarkt<br />

im sekundären Sektor. Dies weist<br />

auf den Charakter Rhön-Grabfelds<br />

als industriell starker Wirtschaftsstandort<br />

hin.<br />

85


86<br />

Abbildung 5: Entwicklung der Erwerbstätigen<br />

in Rhön-Grabfeld nach Sektoren<br />

Quelle: Eigene Darstellung nach harmonisierten<br />

Daten des Bayerischen<br />

Landesamtes für Statistik 2022.<br />

Entlang der Entwicklungsachse<br />

A71, die zweifelsohne die bleibende<br />

Wirtschaftsstärke im Landkreis<br />

positiv umrahmt, bilden große,<br />

langjährig erfolgreiche Akteure die<br />

Basis der Stabilität. So feierten alleine<br />

2019 jeweils die drei großen,<br />

mittelständisch geführten Unternehmen<br />

Jopp, Preh und Reich ihr<br />

100-jähriges Bestehen. Wie der<br />

Landkreis selbst, passten sich<br />

die Unternehmen immer wieder<br />

den dynamischen Anforderungen<br />

des Marktes an und entwickelten<br />

sich. So produzierte zum Beispiel<br />

das Mellrichstädter Unternehmen<br />

Reich zu Zeiten der Landkreisgründung<br />

Fahrradklingeln. Inzwischen<br />

werden in den Werkhallen


87<br />

Abbildung 6: Entwicklungszentrum der<br />

Jopp GmbH im Sommer 2019 in<br />

Bad Neustadt<br />

Quelle: Jopp GmbH, Entwicklungszentrum,<br />

Marius Ballasus, 2019.<br />

hochkomplexe Fahrzeug- und<br />

Werkzeugkomponenten entwickelt<br />

und produziert. 53 Diese Änderung<br />

der Produktion im Sinne dynami-<br />

53 Reich, André und Reich, Nina (HRSG/ 2019): Das<br />

Familienunternehmen Reich – eine Zeitreise<br />

durch 100 <strong>Jahre</strong>. Mellrichstadt.<br />

scher Marktanpassungsstrategien<br />

lässt sich auch in den anderen großen<br />

Unternehmen in Rhön-Grabfeld<br />

beobachten. 54 So werden auch die<br />

Jopp-Werke in Bad Neustadt kontinuierlich<br />

modernisiert und erleben<br />

mit der Einweihung des neuen<br />

Entwicklungszentrums der Jopp<br />

GmbH am Standort Bad Neustadt<br />

im 100. Jahr der Firmengeschichte<br />

ein vorläufiges Highlight.<br />

54 Büchs, Hubert und Kritzer, Stefan (2019): 100<br />

<strong>Jahre</strong> Jopp in Bad Neustadt. Mellrichstadt.


88<br />

Zeitgleich entwickelt sich das Bad<br />

Neustädter Unternehmen Preh von<br />

einem Zulieferer für die TV- und Radioelektronik<br />

zu einem Automotive-<br />

Konzern, der weltweit über 7.000<br />

Mitarbeiter beschäftigt und mit<br />

einem <strong>Jahre</strong>sumsatz von 1,34 Mrd.<br />

Euro inzwischen den Sprung in die<br />

Riege der multinationalen Player<br />

vollzogen hat. Dieser wirtschaftliche<br />

Erfolg lässt sich auch baulich<br />

am Werkgelände des Firmensitzes<br />

Preh ablesen. Stetige Modernisierungsmaßnahmen<br />

und Erweiterungen<br />

dokumentieren das Wachstum.<br />

Abbildung 7: Das im Jahr 2018 eröffnete<br />

Entwicklungszentrum der Firma Preh<br />

GmbH<br />

Quelle: Preh GmbH, Entwicklungszentrum,<br />

Ronald Schaare, 2019.<br />

Erfreulich ist die Tatsache, dass sich<br />

der Fortschritt im Landkreis Rhön-<br />

Grabfeld nicht nur auf einen Standort<br />

konzentriert, sondern auch in<br />

kleineren Ortschaften jenseits der<br />

Hauptverkehrswege dokumentiert<br />

werden kann. Ein gutes Beispiel für<br />

die dezentrale Entwicklung ist das


89<br />

Gewerbegebiet Großbardorf. Hier<br />

finden Handwerk, Maschinenbau<br />

und Bioenergieerzeugung gleichsam<br />

Entwicklungsraum und stoßen<br />

dabei auf deutschlandweite Beachtung,<br />

da es vor Ort vorbildlich gelingt,<br />

den Ausbau von regenerativen<br />

Energien zeitgleich zur wirtschaftlichen<br />

Expansion zu gestalten. 55<br />

55 Wienand, Alisa (2022): Keine Energie-Sorgen:<br />

Großbardorf ist unabhängig von Erdgas. TV-Beitrag<br />

des Bayerischen Rundfunks vom 08. Juli<br />

2022.<br />

URL: https://www.br.de/nachrichten/bayern/keine-energie-sorgen-grossbardorf-ist-unabhaengigvon-erdgas,TAvSszE<br />

Abbildung 8: Das Gewerbegebiet von<br />

Großbardorf im Grabfeld<br />

Quelle: Landkreis Rhön-Grabfeld/<br />

©Dr. Jörg Geier<br />

Auch andere mittelständisch geprägte<br />

Unternehmen wie Caldatrac,<br />

Steinbach und Kunert investieren<br />

stetig und agieren zunehmend wissensintensiv.<br />

Während Rhön-Grabfeld<br />

zu seinen Gründungstagen in<br />

den 1970ern bis in die 1990er <strong>Jahre</strong><br />

hinein als Raum mit wirtschaftlicher<br />

Strukturschwäche klassifiziert wer-


90<br />

den konnte 56 , erfährt der Landkreis<br />

vor allem entlang seiner Entwicklungsachse<br />

eine hohe Dynamik. So<br />

entwickelten sich einige Gewerbegebiete<br />

in den letzten <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n äußerst<br />

dynamisch. Das interkommunale<br />

Gewerbegebiet der Gemeinden<br />

Salz und Niederlauer wächst stetig,<br />

ebenso wie das Gewerbegebiet Loh<br />

in Mellrichstadt. Hierbei ist festzustellen,<br />

dass die Gewerbegebiete<br />

keine Monostrukturen darstellen,<br />

56 Gutsche, Heimar, Pokorny, Doris, Schuster,<br />

Hans-Jürgen et.al. (1995): Biosphärenreservat<br />

Rhön. Rahmenkonzept für Schutz, Pflege und<br />

Entwicklung. Radebeul.<br />

Abbildung 9: Luftaufnahme des<br />

Gewerbegebietes Loh in Mellrichstadt<br />

Quelle: Landkreis Rhön-Grabfeld/<br />

©Dr. Jörg Geier<br />

sondern einen breit aufgestellten<br />

Branchenmix aus Produktion, Logistik<br />

und Handel aufweisen.<br />

Die Unternehmen bauen zielstrebig<br />

Abteilungen für die Bereiche Forschung<br />

und Entwicklung aus und<br />

positionieren sich wettbewerbsfähig<br />

auf dem Weltmarkt. Auch die


91<br />

Rhön-Grabfelder Standorte großer,<br />

multinational operierender Unternehmen<br />

passen sich immer wieder<br />

an und verändern ihre Produktportfolios.<br />

Die Siemens AG etablierte<br />

beispielsweise im Jahr 2017 die<br />

„Digitale Arena“ als konzerneigenen<br />

Showroom für neue Wege der<br />

industriellen, digitalisierten Produktion.<br />

57<br />

57 Geier, Jörg (2022): Bad Neustadt a. d. Saale – die<br />

Erste Bayerische Modellstadt für Elektromobilität.<br />

IN: Bayerischer Landesverein für Heimatpflege<br />

e.V.: Schönere Heimat, Jahrgang 111, Heft<br />

2, S. 107-113.<br />

Abbildung 10: Digitale Arena der Firma<br />

Siemens am Standort Bad Neustadt<br />

Quelle: Siemens AG, Digitale Arena,<br />

Anja Schmidt, 2023.<br />

Mit der Gründung des Technologietransferzentrums<br />

für Elektromobilität<br />

im <strong>Jahre</strong> 2012 avancierte die<br />

Kreisstadt Bad Neustadt zum Hochschulstandort.<br />

Angegliedert an die<br />

Technische Hochschule Würzburg-<br />

Schweinfurt, bindet das Institut vornehmlich<br />

die regionale Wirtschaft<br />

in Forschungs- und Entwicklungs-


92<br />

projekte ein und sucht sich immer<br />

wieder neue Aufgaben in den Bereichen<br />

Batteriemanagement und<br />

Leistungselektronik. Der Aktionsradius<br />

der Hochschuleinrichtung in<br />

Rhön-Grabfeld reicht jedoch weit,<br />

so dass die regionale Verankerung<br />

der internationalen Vernetzung keinesfalls<br />

im Wege steht. Nicht nur in<br />

anwendungsbezogenen, sondern<br />

auch in akademischen Themen arbeitet<br />

man von Rhön-Grabfeld aus<br />

international. 58<br />

Entsprechend der hinzugewonnenen<br />

Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte<br />

überrascht es nicht,<br />

dass sich die Anzahl der Arbeitsplätze<br />

im Dienstleistungssegment<br />

in den vergangenen fünf Dekaden<br />

mehr als verdoppelt hat, wie Abbildung<br />

5 darstellt. Die zunehmende<br />

Teilzeitquote, die in der Verwaltung<br />

und im Handel ebenfalls zu beobachten<br />

ist, fördert den Bedeutungs-<br />

58 Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt<br />

(2023): Technologietransferzentrum Elektromobilität:<br />

die ersten Doktortitel im Bereich Batteriesysteme.<br />

Pressemeldung vom 10. Januar 2023.<br />

URL: https://www.thws.de/service/news-presse/<br />

pressemeldungen/thema/technologietransferzentrum-elektromobilitaet-die-ersten-doktortitelim-bereich-batteriesysteme/<br />

gewinn des tertiären Sektors auf<br />

dem Arbeitsmarkt. Bei all der positiven<br />

Entwicklung im produzierenden<br />

Gewerbe, gibt jedoch ein Blick auf<br />

einige Branchen, vor allem auf das<br />

Handwerk, Anlass zur Sorge. Und<br />

das, obwohl die Unternehmen fachlich<br />

und technisch auf sehr hohem<br />

Niveau agieren. Der zunehmende<br />

Mangel an Arbeitskräften schlägt<br />

sich im Gesundheitswesen, im Gastronomiebereich,<br />

dem Beherbergungsgewerbe<br />

und im Handwerk<br />

im Besonderen nieder. So haben<br />

sich die Zahlen der Auszubildenden<br />

im Handwerk alleine von 1991 bis<br />

2021 nahezu halbiert.<br />

Während man mit Blick auf die Datenlage<br />

bis Mitte der 1990er <strong>Jahre</strong><br />

von stabilen, im Trend liegenden<br />

Werten ausgehen konnte, schwindet<br />

kurz vor der Jahrtausendwende<br />

erkennbar das Interesse an handwerklichen<br />

Berufen. Der durch den<br />

demografischen Wandel ausgelöste<br />

Mangel an Auszubildenden<br />

macht sich besonders im Handwerk<br />

bemerkbar, während andere wirtschaftliche<br />

Sparten durchaus weiterhin<br />

auf ihren jeweiligen Niveaus


93<br />

Abbildung 11: Regionale Entwicklung der Auszubildenden im Handwerk seit 1971<br />

Quelle: Eigene Darstellung nach harmonisierten, statistischen Daten der<br />

Handwerkskammer für Unterfranken, 2023.<br />

ausbilden können. Der Mangel manifestiert<br />

sich im Handwerk und<br />

man geht mittlerweile davon aus,<br />

dass die Begeisterung für körperliche<br />

Arbeit überdurchschnittlich<br />

schrumpfte. 59 Da Rhön-Grabfeld<br />

und ganz Unterfranken traditionell<br />

mittelständisch geprägt sind, hat<br />

59 Riedl, Markus (2019): Erfolglose Azubi-Suche: Woran<br />

Betriebe scheitern. IN: Deutsche Handwerkszeitung<br />

vom 13. November 2019.<br />

das Handwerk in seiner Bedeutung<br />

für den regionalen Arbeitsmarkt<br />

eine signifikant über dem bundesdeutschen<br />

Durchschnitt liegende<br />

Relevanz.<br />

So haben regionale Vertreter des<br />

Tourismus und der Gesundheitsbranche<br />

längst damit begonnen,<br />

den fehlenden Arbeitskräftebedarf<br />

durch externes Potenzial zu decken.<br />

Unternehmen wie das Rhön


94<br />

Park Hotel bei Hausen/Roth oder<br />

die Rhön-Klinikum AG wenden professionelle<br />

Recruiting-Methoden<br />

an, um Arbeitskräfte aus dem Ausland<br />

für vakante Stellen in Rhön-<br />

Grabfeld zu interessieren. 60 So<br />

leisten einige der größeren Player<br />

in den besonders betroffenen Branchen<br />

Pionierarbeit und initiieren<br />

einen Zuzug von Arbeitskräften, der<br />

sich mittelfristig positiv auf die Bevölkerungsstatistik<br />

auswirken kann<br />

und einer natürlichen Schrumpfung<br />

im Zuge der demografischen Entwicklung<br />

durchaus effektiv entgegenwirken<br />

kann.<br />

Abschließend weicht die Überraschung<br />

der Gewissheit:<br />

Rhön-Grabfeld wächst.<br />

60 Knauer, Nina (2020): Indische Pflegekräfte verstärken<br />

Team des Campus Bad Neustadt. IN:<br />

Main-Ppost vom 16. April 2020.


95


DIE ENTWICKLUNG DER LIEGEN-<br />

SCHAFTEN DES LANDKREISES IM<br />

BAU- UND UMWELTBEREICH<br />

MANFRED ENDRES<br />

96<br />

DIE HERAUSFORDERUNGEN<br />

WERDEN NEUE<br />

MASSNAHMEN UND<br />

METHODEN ERFORDERN.<br />

Nach der Landkreisordnung haben<br />

die Landkreise das Recht und damit<br />

verbunden die Aufgabe, überörtliche<br />

Angelegenheiten, deren Bedeutung<br />

über das Kreisgebiet nicht hinausgeht,<br />

im Rahmen der Gesetze zu<br />

ordnen und zu verwalten 1 . Grundsätzlich<br />

sind dies die öffentlichen<br />

Aufgaben, die über die Zuständigkeit<br />

und das Leistungsvermögen<br />

der kreisangehörigen Gemeinden<br />

hinausgehen. Deshalb müssen die<br />

Landkreise die öffentlichen Einrichtungen<br />

schaffen, die für das wirtschaftliche,<br />

soziale und kulturelle<br />

Wohl ihrer Einwohner erforderlich<br />

sind 2 . So sind in der Landkreisordnung<br />

u. a. die Straßenverwaltung,<br />

die Feuersicherheit und das Gesundheitswesen<br />

namentlich genannt.<br />

1 Art. 1 Bayerische Landkreisordnung (<strong>LK</strong>rO)<br />

2 Art. 51 Abs. 1 <strong>LK</strong>rO


Darüber hinaus gibt es noch weitere<br />

Aufgaben, die in Fachgesetzen – wie<br />

z. B. dem Bayerischen Naturschutzgesetz<br />

– dem Landkreis zugeordnet<br />

sind. Um diese Aufgaben zu erfüllen,<br />

musste bzw. muss der Landkreis<br />

Rhön-Grabfeld zahlreiche Einrichtungen<br />

schaffen und unterhalten.<br />

Folglich verfügt der Landkreis über<br />

zahlreiche Liegenschaften, auf<br />

denen zur Aufgabenerfüllung kreiseigene<br />

Einrichtungen betrieben werden.<br />

Naturgemäß bedingt dies eine<br />

umfangreiche Grunderwerbs- und<br />

Bautätigkeit.<br />

Im folgenden Beitrag, der keinen<br />

Anspruch auf Vollständigkeit erhebt,<br />

soll ein Überblick über die<br />

Liegenschaften des Landkreises<br />

gegeben werden, wobei der Fokus<br />

auf den Bau- und Umweltbereich<br />

gerichtet ist.<br />

Baumaßnahmen zur Herstellung<br />

einer leistungsfähigen Landkreisverwaltung<br />

Nach der Zusammenlegung der drei<br />

Landkreise Königshofen, Mellrichstadt<br />

und Bad Neustadt war es eine<br />

der ersten Aufgaben, die bis zur Gebietsreform<br />

bestehenden Kreiseinrichtungen<br />

(die es in der Regel in<br />

dreifacher Ausführung gab), soweit<br />

es sinnvoll und möglich erschien,<br />

so zusammenzuführen, dass zeitgemäße<br />

neue Strukturen entstehen<br />

konnten. Als erstes galt es, die<br />

Landkreisverwaltung zu vereinen,<br />

was nach dem Abschluss der Landkreisgebietsreform<br />

zielstrebig angegangen<br />

wurde.<br />

Im Kreistag des neuen Landkreises<br />

wurde zunächst eine Bestandsaufnahme<br />

durchgeführt, was an<br />

Kreiseinrichtungen in den drei Altlandkreisen<br />

vorhanden war. Beim<br />

Lesen des Protokolls der Kreistagssitzung<br />

vom 30. August 1972, die in<br />

Bad Königshofen stattfand, meint<br />

man, den Stolz von Landrat Dr. Karl<br />

Grünewald zu spüren, welche modernen<br />

und gut geführten Kreiseinrichtungen<br />

in dem bisher von ihm<br />

geführten Landkreis Königshofen<br />

vorhanden sind 3 .<br />

Nachdem die Entscheidung getroffen<br />

war, das Landratsamt und an-<br />

3 Protokoll der Kreistagssitzung vom 30.08.1972<br />

TOP 1<br />

97


98<br />

dere Verwaltungseinrichtungen in<br />

der Kreisstadt Bad Neustadt anzusiedeln<br />

4 , war eine wichtige kommunalpolitische<br />

Aufgabe, abzuklären,<br />

wie die ehemaligen Kreisstädte Bad<br />

Königshofen und Mellrichstadt für<br />

den Verlust an Zentralität einen Ausgleich<br />

erhalten können. So wurde<br />

als Ziel für Bad Königshofen formuliert,<br />

die Stadt zur Kur-, Fremdenverkehrs-<br />

und Schulstadt auszubauen.<br />

Die ehemalige Kreisstadt Mellrichstadt<br />

sollte als Standort zentraler<br />

Behörden für den Verlust des Landratsamtes<br />

entschädigt werden 5 .<br />

Die nicht mehr benötigten Gebäude,<br />

in denen die Landratsämter in<br />

Bad Königshofen und Mellrichstadt<br />

untergebracht waren, wurden im<br />

Laufe der <strong>Jahre</strong> an die neu gegründeten<br />

Verwaltungsgemeinschaften<br />

veräußert und dienten damit weiter<br />

der öffentlichen Verwaltung. In<br />

Mellrichstadt hat die Verwaltungsgemeinschaft<br />

bis heute ihr Domizil<br />

im einstigen Landratsamt in der<br />

Hauptstraße 4.<br />

4 Protokoll der Kreistagssitzung vom 21.11.1972<br />

TOP 1<br />

5 Protokoll der Kreistagssitzung vom 28.02.1973<br />

TOP 2<br />

Das Bestreben der Landkreisführung<br />

war stets, die Verwaltung<br />

möglichst zentral und zusammengefasst<br />

unterzubringen. Hierzu<br />

wurden im Umgriff des Landratsamtes<br />

in der Spörleinstraße in Bad<br />

Neustadt mehrere Käufe getätigt<br />

und Erweiterungsmaßnahmen<br />

durchgeführt.<br />

Ein erster Schritt war der Erwerb<br />

des ehemaligen Juliusspitals in<br />

der Roßmarktstraße 6 . Das Gebäude<br />

wurde in der darauffolgenden Zeit<br />

saniert und diente zunächst zur<br />

Unterbringung des Bauamtes und<br />

der Technischen Bauabteilung des<br />

Landratsamtes. Später wurde das<br />

historische Gebäude vom Jugendamt<br />

bezogen.<br />

Ab dem Jahr 1993 gab es Überlegungen<br />

zur Umgestaltung des in<br />

die <strong>Jahre</strong> gekommenen Eingangsbereiches<br />

des Landratsamtes.<br />

Im Jahr 1994 fasste der Kreisausschuss<br />

den Beschluss für die<br />

Durchführung der Baumaßnahme.<br />

Der Maßnahmenumfang wurde<br />

1995 noch erweitert und mit einer<br />

6 Protokoll Kreisausschuss vom 25.06.1985, TOP 18


Aufstockung des Verbindungsbaus<br />

wurden zusätzliche Büroflächen<br />

geschaffen. Ergebnis dieser Baumaßnahme<br />

ist u. a. der markante<br />

Glasbau am Haupteingang, der des<br />

Öfteren auch als „Lippenstift“ bezeichnet<br />

wurde.<br />

Eine wichtige Maßnahme zur Linderung<br />

der chronischen Raumnot war<br />

der Ankauf von Büroflächen im geplanten<br />

Ämtergebäude in der Roßmarktstraße,<br />

der 1997 beschlossen<br />

wurde 7 . Um die Anbindung des<br />

Ämtergebäudes an das Haupthaus<br />

zu verbessern, wurde im Jahr 1998<br />

damit begonnen, eine Verbindungsbrücke<br />

zwischen den beiden Gebäudetrakten<br />

zu schaffen. Dieses<br />

Bauwerk, das von Spöttern mitunter<br />

auch als „höhere Beamtenlaufbahn“<br />

betitelt wird, stellt ein weiteres architektonisches<br />

Ausrufezeichen in Bad<br />

Neustadts Innenstadt dar. Die Bauträgerin<br />

für das Ämtergebäude meldete<br />

bereits kurz nach Fertigstellung<br />

des Gebäudes Insolvenz an. Nach<br />

langwierigen Verhandlungen übernahm<br />

der Landkreis als Hauptnutzer<br />

schließlich die Liegenschaft.<br />

7 Protokoll Kreisausschuss vom 28.01.1997, TOP 19<br />

Die letzte große Erweiterungsmaßnahme<br />

– der Anbau an das bestehende<br />

Landratsamt – liegt erst<br />

einige <strong>Jahre</strong> zurück, wobei dies<br />

eine lange Vorgeschichte hatte. So<br />

fasste der Kreisausschuss bereits<br />

im Jahr 1994 einen Beschluss für<br />

den Erwerb der dem Landratsamt<br />

benachbarten Gebäude in der Weingasse<br />

2 und in der Spörleinstraße<br />

9 8 . Der Kauf kam allerdings damals<br />

nicht zustande. Bedingt durch den<br />

oben erwähnten Ankauf von Büroflächen<br />

im Ämtergebäude Ende der<br />

90er <strong>Jahre</strong> wurde dieses Vorhaben<br />

nicht mit oberster Priorität weiterverfolgt.<br />

Als sich im Jahr 2004<br />

wieder die Möglichkeit zum Ankauf<br />

ergab, zögerten die Landkreisverantwortlichen<br />

nicht und erwarben die<br />

Grundstücke 9 , um der sich damals<br />

schon wieder abzeichnenden Platznot<br />

zu begegnen. Es dauerte aber<br />

noch bis 2015, ehe der Abbruch der<br />

alten Gebäude durchgeführt werden<br />

konnte und anschließend (nach<br />

Durchführung umfangreicher Untersuchungen<br />

auf vorhandene Bodendenkmäler)<br />

der Neubau begann.<br />

8 Protokoll Kreisausschuss vom 01.06.1994, TOP 22<br />

9 Protokoll Kreisausschuss vom 11.10.2004, TOP 7.1<br />

99


100<br />

Nach zweijähriger Bauzeit konnte<br />

der neue Anbau im Juni 2018 offiziell<br />

eingeweiht werden.<br />

Nach heutigem Stand unterhält der<br />

Landkreis Rhön-Grabfeld acht Verwaltungsgebäude<br />

im Stadtgebiet<br />

von Bad Neustadt, in denen die Landkreisaufgaben<br />

erledigt werden. Vor<br />

allem die zentrale Lage des Landratsamtes<br />

in der Spörleinstraße 11<br />

mit seinen Nebenstellen in der Roßmarktstraße<br />

<strong>50</strong> (Jugendamt) und in<br />

der Roßmarktstraße 42 (Ämtergebäude)<br />

trägt zu einer Belebung der Innenstadt<br />

in Bad Neustadt bei. Weitere<br />

bedeutende Nebenstellen in nicht<br />

ganz so zentraler Lage befinden sich<br />

in der Siemensstraße 10, wo die Zulassungsstelle<br />

untergebracht ist, und<br />

in der Hedwig-Fichtel-Straße 12, in<br />

der das Jobcenter residiert. Die Interkomm-IT<br />

als zentraler IT-Dienstleister<br />

für den Landkreis und die Gemeinden<br />

hat in der Kolpingstraße 10 ein neues<br />

Domizil gefunden. Komplettiert wird<br />

die Auflistung durch das Schulamt<br />

mit Medienzentrum in der Martin-Luther-Straße<br />

10 und die Außenstelle<br />

des Gesundheitsamtes in der Martin-<br />

Luther-Straße 12.<br />

Anders als bei den Verwaltungsgebäuden<br />

ist der Bestand des Landkreises<br />

an Wohngebäuden vernachlässigbar.<br />

Da es dem Landkreis<br />

nicht erlaubt ist, eigene Wohnungsbaugesellschaften<br />

zu betreiben,<br />

wurden die meisten Wohnanwesen,<br />

die sich im Eigentum des Landkreises<br />

befanden, im Laufe der <strong>Jahre</strong><br />

veräußert, so dass sich heute neben<br />

verschiedenen Hausmeisterund<br />

Betriebsleiterwohnungen nur<br />

noch drei Wohnanwesen im Eigentum<br />

des Landkreises befinden.<br />

Trotz der mitunter sehr aufwändigen<br />

Erweiterungsmaßnahmen<br />

ist es zu keinem Zeitpunkt in den<br />

letzten <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n gelungen, die gesamte<br />

Landkreisverwaltung an einem<br />

Ort zusammenzufassen. Zum<br />

einen lag dies an dem begrenzten<br />

Platzangebot in der Altstadt von<br />

Bad Neustadt; in erster Linie sorgten<br />

aber die ständig zunehmenden<br />

Aufgaben und die parallel dazu steigenden<br />

Anforderungen dafür, dass<br />

im Landratsamt unentwegt Platznot<br />

herrschte.


Bau und Unterhaltung der Landkreisschulen<br />

Nach den Regelungen des Bayerischen<br />

Schulfinanzierungsgesetzes<br />

tragen die Landkreise im Wesentlichen<br />

den Sachaufwand für die Berufs-<br />

und weiterführenden Schulen,<br />

die nicht in der Trägerschaft von<br />

kreisangehörigen Gemeinden stehen<br />

10 . Deshalb sind die Schulgrundstücke<br />

im Eigentum und damit in<br />

der Obhut des Landkreises, der für<br />

den Bau und den Unterhalt dieser<br />

Einrichtungen zu sorgen hat.<br />

Derzeit hat der Landkreis zehn<br />

Schulen in seiner Trägerschaft, für<br />

die ihm der Sachaufwand obliegt:<br />

• Berufsfachschule für Holzbildhauer<br />

in Bischofsheim<br />

• Hauswirtschaftsschule in<br />

Bischofsheim<br />

• Berufsfachschule für Musik mit<br />

dem Schlaginstrumentenhaus<br />

in Bad Königshofen<br />

• Gymnasium in<br />

Bad Königshofen<br />

• Dr.-Karl-Grünewald-Realschule<br />

in Bad Königshofen<br />

• Martin-Pollich-Gymnasium in<br />

Mellrichstadt<br />

• Rhön-Gymnasium in<br />

Bad Neustadt<br />

• Jakob-Preh-Berufsschule in<br />

Bad Neustadt, die auch Kommunale<br />

Meisterschule für<br />

Schneid- und Schleiftechnik<br />

(Fachschule), die Staatl. Fachschule<br />

für Elektrotechnik, die<br />

Staatl. Fachschule für Fahrzeugtechnik<br />

u. Elektromobilität<br />

sowie das Technologietransferzentrum<br />

für Elektromobilität<br />

der Technischen Hochschule<br />

Würzburg-Schweinfurt beherbergt<br />

• Wirtschaftsschule in Bad Neustadt<br />

• Fachoberschule und Berufsoberschule<br />

(FOS/BOS) in Bad<br />

Neustadt<br />

101<br />

10 Art. 8 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BaySchFG


102<br />

Neben den reinen Schulgebäuden<br />

unterhält der Landkreis diverse,<br />

für den Schulbetrieb notwendige<br />

Nebenanlagen, wie z. B. die Schulsportplätze<br />

und Dreifachturnhallen<br />

in Bad Königshofen und Bad Neustadt,<br />

die Einfachturnhalle in Mellrichstadt<br />

sowie einige Hausmeisterwohnungen.<br />

Nicht fehlen darf<br />

in dieser Auflistung das vom Landkreis<br />

betriebene Schulschwimmbad<br />

in Bad Königshofen, ohne das<br />

der Schwimmunterricht im Grabfeld<br />

nicht mehr angeboten werden<br />

könnte.<br />

Anders als bei den Verwaltungsgebäuden<br />

ist in einigen Schulbereichen<br />

noch bis heute die historisch<br />

gewachsene Struktur erkennbar. So<br />

werden in den ehemaligen Kreisstädten<br />

die klassischen weiterführenden<br />

Schulen wie Realschule und<br />

Gymnasium vorgehalten und (mit<br />

Ausnahme der Realschulen in Mellrichstadt<br />

und Bad Neustadt) vom<br />

Landkreis unterhalten. Die Trägerschaft<br />

für das Rhön-Gymnasium<br />

ging allerdings erst 2007 von der<br />

Stadt Bad Neustadt auf den Landkreis<br />

über. Die ehemaligen Berufsschulen<br />

in Bad Königshofen und<br />

Mellrichstadt sind dagegen nicht<br />

mehr vorhanden. Die Schulgebäude<br />

wurden anderen Nutzungen zugeführt.<br />

So dient die ehemalige<br />

Berufsschule in Mellrichstadt heute<br />

als Gemeinschaftsunterkunft für<br />

Flüchtlinge und beherbergt darüber<br />

hinaus eine Außenstelle der Regierung<br />

von Unterfranken.<br />

In regelmäßigen Abständen wurden<br />

an den Landkreisschulen die notwendig<br />

werdenden, oftmals sehr<br />

aufwendigen Sanierungs- und Erweiterungsmaßnahmen<br />

durchgeführt.<br />

Nicht selten waren derartige<br />

Maßnahmen auch wegen gesetzlich<br />

verordneten, höheren Anforderungen<br />

unumgänglich.<br />

Eines der größten Schulbauvorhaben<br />

war der Neubau der Staatlichen<br />

Realschule Bad Königshofen, mit<br />

dem im Jahr 1971 begonnen wurde.<br />

Nach dreijähriger Bauzeit konnte<br />

das neue Gebäude im Jahr 1974<br />

bezogen werden. Als im März 1977<br />

auch die benachbarte Dreifachturnhalle<br />

fertiggestellt war, wurde am<br />

14. Mai 1977 die Einweihung des


Gesamtkomplexes gefeiert. Allerdings<br />

konnte der Schulgründer,<br />

Landrat Dr. Grünewald, dies nicht<br />

mehr miterleben, da er im Frühjahr<br />

1976 verstarb. Angesichts seiner<br />

Verdienste um die Schule erhielt<br />

diese 1997 den Namen Dr.-Karl-Grünewald-Schule.<br />

An allen Schulen des Landkreises<br />

waren in den vergangenen <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n<br />

nicht nur aufgrund steigender<br />

Schülerzahlen rege Bautätigkeiten<br />

im Gange. Neben den stets notwendig<br />

werdenden Sanierungsmaßnahmen<br />

lösten die schon erwähnten<br />

neuen Aufgaben und zusätzliche<br />

Anforderungen viele Baumaßnahmen<br />

aus. So führte das Investitionsprogramm<br />

„Zukunft, Bildung<br />

und Betreuung“, mit dem der Einstieg<br />

in die Ganztagesbetreuung an<br />

den Schulen einherging, in den drei<br />

Gymnasien des Landkreises Anfang<br />

des neuen Jahrtausends zur<br />

Errichtung von Funktionsgebäuden,<br />

um Schulküchen, Speisesäle und<br />

Aufenthaltsräume unterzubringen.<br />

Mit Hilfe staatlicher Konjunkturprogramme<br />

konnten umfangreiche<br />

energetische und sonstige Sanierungen<br />

an den Schulgebäuden<br />

durchgeführt werden.<br />

Der Landkreis Rhön-Grabfeld hat<br />

seit seinem Bestehen ein großes<br />

Augenmerk auf ein leistungsstarkes<br />

und gut funktionierendes Schulwesen<br />

gelegt. Nicht zuletzt deshalb<br />

beherbergt er heute Bildungseinrichtungen<br />

mit überörtlicher und<br />

– betrachtet man die Ausbildungszweige<br />

der Jakob-Preh-Berufsschule<br />

– sogar bundesweiter Bedeutung.<br />

Diese Einrichtungen hat sich<br />

der Landkreis im wahrsten Sinne<br />

des Wortes einiges kosten lassen.<br />

Voraussetzung für die gelungenen<br />

Anstrengungen war der stets herrschende<br />

Konsens unter den Verantwortlichen,<br />

dass Investitionen<br />

in die Bildung Investitionen in die<br />

Zukunft sind. Damit zeigt sich der<br />

Landkreis gut aufgestellt, um auch<br />

die künftigen Herausforderungen<br />

zu meistern.<br />

Der Aufbau eines leistungsfähigen<br />

Kreisstraßennetzes<br />

Ein nicht unwesentlicher Teil der<br />

Landkreisliegenschaften besteht<br />

aus den Straßengrundstücken, die<br />

103


104<br />

das Kreisstraßennetz bilden. Die<br />

Kreisstraßen dienen nach der Einteilung<br />

im Bayerischen Straßenund<br />

Wegegesetz dem überörtlichen<br />

Verkehr innerhalb eines Landkreises,<br />

dem Verkehr zwischen benachbarten<br />

Landkreisen und kreisfreien<br />

Gemeinden oder dem erforderlichen<br />

Anschluss von Gemeinden an<br />

das überörtliche Verkehrsnetz 11 .<br />

Nach der Landkreisgründung 1972<br />

war eine der wesentlichen Aufgaben<br />

der Tiefbauverwaltung, die<br />

neue Struktur des Landkreises auch<br />

beim Kreisstraßennetz nachzuvollziehen.<br />

So änderte sich infolge neu<br />

entstehender Verkehrsverbindungen<br />

des Öfteren die Verkehrsbedeutung<br />

einer Straße, was sich in einer<br />

Vielzahl von Umstufungen von<br />

Straßen (zumeist die Aufstufung<br />

von Gemeindeverbindungsstraßen<br />

zu Kreisstraßen) bemerkbar machte.<br />

So wurden beispielsweise im<br />

Jahr 1973 die Salzforststraße 12 , die<br />

Gemeindeverbindungsstraße Groß-<br />

eibstadt-Aubstadt-Ottelmannshau-<br />

11 Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 Bayerisches Straßen- und Wegegesetz<br />

(BayStrWG)<br />

12 Protokoll der Kreistagssitzung vom 04.01.1973,<br />

TOP 10<br />

sen 13 , die Gemeindeverbindungsstraße<br />

Fladungen-Stetten 14 und<br />

die Gemeindeverbindungsstraße<br />

Gabolshausen-Untereßfeld-Obereßfeld<br />

15 zur Kreisstraße aufgestuft.<br />

Die Tiefbauverwaltung des Landratsamtes<br />

hat im Wesentlichen die<br />

Aufgabe, das Kreisstraßennetz des<br />

Landkreises in einem funktionsfähigen<br />

Zustand zu erhalten und die<br />

Verkehrssicherheit zu gewährleisten.<br />

Vor allem im Bereich der Verkehrssicherheit<br />

haben sich beim<br />

Straßenbau die Anforderungen, die<br />

in unzähligen Richtlinien und technischen<br />

Regelwerken niedergelegt<br />

sind, laufend gesteigert. Dies führte<br />

dazu, dass jede Sanierungsmaßnahme<br />

an einer in die <strong>Jahre</strong> gekommenen<br />

Kreisstraße mit einem<br />

großen Aufwand verbunden war,<br />

da neben der anstehenden Instandsetzung<br />

die Straße den aktuell bestehenden<br />

Ausbaustandards angepasst<br />

werden musste. In der Folge<br />

13 Protokoll der Kreistagssitzung vom 22.01.1973,<br />

TOP 3<br />

14 Protokoll der Kreistagssitzung vom 18.06.1973,<br />

TOP 2<br />

15 Protokoll der Kreistagssitzung vom 26.11.1973,<br />

TOP 6


war praktisch für jede Ausbaumaßnahme<br />

ein entsprechender Grunderwerb<br />

erforderlich, da auf den<br />

vorhandenen Straßengrundstücken<br />

eine richtliniengetreue Bauausführung<br />

nicht möglich war. Grund und<br />

Boden wurde aber auch benötigt,<br />

um Ausgleichsflächen für naturschutzfachlich<br />

notwendige Ausgleichs-<br />

und Ersatzmaßnahmen<br />

bereitstellen zu können. Schließlich<br />

wurden auch landwirtschaftliche<br />

Grundstücke erworben, um den betroffenen<br />

Anliegern Tauschflächen<br />

anbieten zu können.<br />

Trotz der Vielzahl der notwendigen<br />

Grunderwerbsfälle – in den<br />

70er und 80er <strong>Jahre</strong>n gab es kaum<br />

eine Sitzung des Kreisausschusses,<br />

in der nicht der Grunderwerb<br />

von Kreisstraßen auf der Tagesordnung<br />

stand – wurden für den<br />

Bau bzw. Ausbau von Kreisstraßen<br />

bis heute kaum Enteignungsverfahren<br />

notwendig, da fast immer<br />

eine Einigung mit den Eigentümern<br />

erzielt werden konnte. Landrat Dr.<br />

Steigerwald gab in seiner Amtszeit<br />

stets die Anweisung, dass eine<br />

Kreisstraße nur gebaut wird, wenn<br />

der dafür notwendige Grunderwerb<br />

freihändig möglich ist. Solange dies<br />

nicht gelang, wurde die Maßnahme<br />

zurückgestellt. Dies wurde auch so<br />

publiziert, um einen öffentlichen<br />

<strong>Druck</strong> auf die betroffenen Grundeigentümer<br />

zu erzeugen. Nicht selten<br />

führte dies schließlich doch noch<br />

zu einer gütlichen Einigung. Vermutlich<br />

wird auch dieser Umstand<br />

Landrat Dr. Steigerwald am Ende<br />

seiner Amtszeit zu seiner Aussage<br />

vor dem Kreistag bewogen haben,<br />

dass der Kreisstraßenausbau mehr<br />

als befriedigend voranschritt 16 .<br />

Eine der herausragenden Straßenbaumaßnahmen<br />

war der Ausbau<br />

der NES 3 zur Verbindungsspange<br />

zwischen Herschfeld und dem Anschluss<br />

an die ehemalige Bundesstraße<br />

B 19 in Bad Neustadt. Zu<br />

nennen sind auch der Ausbau der<br />

NES 10 von Bischofsheim zum<br />

Kloster Kreuzberg Mitte der 70er<br />

<strong>Jahre</strong> oder der Ausbau der NES<br />

18 bei Salz Ende der 90er <strong>Jahre</strong>, in<br />

dessen Zuge auch die Bahnbrücke<br />

erneuert wurde. Nicht unerwähnt<br />

16 Protokoll der Kreistagssitzung vom 02.07.2003,<br />

TOP 5 (S. 11)<br />

105


106<br />

bleiben kann natürlich der Neubau<br />

des Teilstücks der NES 20 von<br />

Herschfeld bis zum Anschluss an<br />

die B 279, die wiederum als Zubringer<br />

zur Bundesautobahn A 71 dient.<br />

Durch diese Baumaßnahme wurde<br />

der neu errichtete Campus des<br />

Rhön-Klinikums bedarfsgerecht<br />

an das überörtliche Straßennetz<br />

angebunden. Die Straßenbaumaßnahme<br />

diente aber auch dem Bad<br />

Neustädter Ortsteil Herschfeld, um<br />

diesen vom Durchgangsverkehr,<br />

insbesondere vom Anliegerverkehr<br />

zum Klinikum, zu entlasten. Anfang<br />

November 2015 wurde mit den<br />

Bauarbeiten begonnen, die offizielle<br />

Verkehrsfreigabe fand am 22. Mai<br />

2017 statt.<br />

Aktuell verfügt der Landkreis Rhön-<br />

Grabfeld über ein Kreisstraßennetz<br />

mit einer Gesamtlänge von 330,957<br />

km und 72 Brückenbauwerken. Das<br />

Kreisstraßennetz umfasst mit seinen<br />

Nebenanlagen eine Gesamtfläche<br />

von 357,40 ha 17 . Grunderwerb<br />

für den Naturschutz<br />

Die Bedeutung des Naturschutzes<br />

und vor allem des Artenschutzes<br />

als Teilbereich des naturschutzfachlichen<br />

Aufgabenspektrums hat<br />

sich in den vergangenen <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n<br />

immens gesteigert, was sich nicht<br />

nur im erhöhten Personalbestand<br />

der Unteren Naturschutzbehörde<br />

am Landratsamt zeigt. So wurde<br />

der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen<br />

als Staatsziel in die<br />

Bayerische Verfassung aufgenommen<br />

und dem Staat wie den Gemeinden<br />

und Körperschaften des<br />

öffentlichen Rechts diese Aufgabe<br />

zugewiesen 18 . Das Bayerische Naturschutzgesetz<br />

verpflichtet den<br />

Staat, die Gemeinden und die Landkreise,<br />

ihre Grundstücke im Sinn<br />

der Ziele und Grundsätze des Naturschutzes<br />

und der Landschaftspflege<br />

zu bewirtschaften 19 .<br />

Hinter diesen gesetzlichen Vorgaben<br />

steckte die Erkenntnis, dass<br />

die Naturschutzziele viel besser erreicht<br />

werden können, wenn für den<br />

Naturschutz besonders wertvolle<br />

Bereiche in öffentliches Eigentum<br />

überführt und anschließend unter<br />

17 Quelle: Landratsamt Rhön-Grabfeld, Tiefbauverwaltung<br />

18 Art. 141 Abs. 1 der Bayerischen Verfassung<br />

19 Art. 1 S. 2 Bayer. Naturschutzgesetz (BayNatSchG)


öffentlicher Kontrolle naturschonend<br />

bewirtschaftet werden.<br />

Aus dieser Kenntnis heraus wurde<br />

ab 1979 u. a. das Förderprogramm<br />

„Errichtung und Sicherung<br />

schutzwürdiger Teile von Natur und<br />

Landschaft mit gesamtstaatlich<br />

repräsentativer Bedeutung“ unter<br />

Federführung des Bundeslandwirtschaftsministeriums<br />

aufgelegt.<br />

Dieses Programm erlangte für den<br />

Landkreis Rhön-Grabfeld große Bedeutung,<br />

als das Naturschutzgebiet<br />

„Lange Rhön“ per Verordnung 20 im<br />

Jahr 1982 ausgewiesen wurde. Im<br />

Zuge der Erarbeitung und Umsetzung<br />

des Pflege- und Entwicklungsplanes<br />

für das Naturschutzgebiet<br />

wurde das Förderprojekt „Hohe<br />

Rhön“ mit den zuvor erwähnten<br />

Bundesmitteln entwickelt und umgesetzt.<br />

In der Maßnahmenbeschreibung<br />

des Bundeslandwirtschaftsministeriums<br />

ist aufgeführt:<br />

„Wegen ihrer landschaftlichen Einzigartigkeit<br />

und der Vielfalt ihrer<br />

Tier- und Pflanzenwelt ist ein großer<br />

Teil der Rhön als nationalparkwürdig<br />

anzusehen. Im Zuge der För-<br />

20 Bayer. Gesetz- und Verordnungsblatt (GVBl) 1982,<br />

S. 251<br />

derungsmaßnahmen sollen die aus<br />

vegetationskundlicher Sicht wertvollsten<br />

und gefährdetsten Gebiete<br />

angekauft und – wie bei allen anderen<br />

Projekten auch – unter Naturschutz<br />

gestellt werden. Außerdem<br />

sollen Waldbestände den Lebensraumansprüchen<br />

des Birkwildes<br />

entsprechend gestaltet werden.<br />

Ziel ist es ferner, den für die Rhön<br />

typischen „Offenlandcharakter“ zu<br />

erhalten.“ 21<br />

Durch das große Engagement der<br />

beteiligten Stellen und die Unterstützung<br />

durch die Landkreisführung<br />

bzw. die Kreisgremien konnte<br />

der Landkreis in den 80er <strong>Jahre</strong>n<br />

über 1.300 Flächen erwerben. In<br />

den 90er <strong>Jahre</strong>n kamen nochmals<br />

über 400 Grundstücke dazu. Neben<br />

dem Flächenankauf wurden auch<br />

sog. „biotoplenkende Maßnahmen“<br />

wie die Räumung illegaler Fichtenaufforstungen<br />

oder Entbuschungsmaßnahmen<br />

über das Bundesprogramm<br />

gefördert. Ende 2017 hatte<br />

der Landkreis Rhön-Grabfeld 1.668<br />

unbebaute Flurstücke mit einer Ge-<br />

21 Infobroschüre des Bundesministers f. Ernährung,<br />

Landwirtschaft und Forsten, Bonn, 01.01.1986,<br />

S. 20<br />

107


108<br />

Eröffnung der NES 20 im Jahr 2017; Quelle: LRA/ Detlef Manger<br />

samtfläche von 1.094 ha in seinem<br />

Eigentum. Der überwiegende Teil<br />

dieser Flächen liegt im Naturschutzgebiet<br />

„Lange Rhön“, vornehmlich<br />

in den Gemarkungen Oberelsbach<br />

und Weisbach 22 .<br />

Diese Vielzahl an Grundstücken<br />

kann der Landkreis natürlich nicht<br />

selbst bewirtschaften. Deshalb<br />

22 Quelle: Landratsamt Rhön-Grabfeld, Untere Naturschutzbehörde<br />

wurden die landwirtschaftlich nutzbaren<br />

Flächen an Landwirte mit der<br />

Maßgabe verpachtet, diese in das<br />

Bayerische Vertragsnaturschutzprogramm<br />

zu bringen. So kann die<br />

naturverträgliche Nutzung dieser<br />

Flächen sichergestellt werden. Dies<br />

hat zweifellos mit dazu beigetragen,<br />

dass der Landkreis Rhön-Grabfeld<br />

bayernweit führend ist, was den Bestand<br />

an Flächen im Vertragsnaturschutzprogramm<br />

angeht.


Ausblick<br />

Die in diesem Beitrag beschriebene<br />

Zunahme an öffentlichen Aufgaben,<br />

die die Tätigkeit der Landkreisorgane<br />

in den letzten <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n<br />

maßgeblich mitgeprägt hat, wird<br />

vermutlich auch künftig weiter voranschreiten.<br />

Naturgemäß haben<br />

sich neue Schwerpunkte entwickelt.<br />

Die Herausforderungen, vor die uns<br />

der Klimawandel und der Verlust<br />

der Artenvielfalt stellen, werden<br />

neue Maßnahmen und Methoden<br />

erfordern, um bewältigt werden zu<br />

können. Nachdem die gesetzlichen<br />

Vorgaben geändert wurden, können<br />

auch die Landkreisgrundstücke verstärkt<br />

zur Erzeugung erneuerbarer<br />

Energien genutzt werden. Eine der<br />

zentralen Aufgaben des Landkreises<br />

wird somit sein, seine Liegenschaften<br />

so zu gestalten und zu<br />

bewirtschaften, dass das Ziel eines<br />

klimaneutralen Landkreises möglichst<br />

bald erreicht wird.<br />

um dem Artensterben entgegenzuwirken.<br />

Fraglich erscheint, ob der laufende<br />

Aufgabenzuwachs auch – wie in der<br />

Vergangenheit üblich – stets neue<br />

Erweiterungsmaßnahmen an Verwaltungs-<br />

oder anderen Gebäuden<br />

nach sich ziehen wird. Angesichts<br />

der Flexibilisierung in der Arbeitswelt<br />

und der damit verbundenen<br />

neuen Möglichkeiten, seine Arbeitsleistung<br />

zu erbringen und Verwaltungsleistungen<br />

anzubieten, gibt es<br />

alternative, ressourcenschonende<br />

Möglichkeiten, eine leistungsstarke<br />

Landkreisverwaltung vorzuhalten.<br />

109<br />

Ebenso müssen die Anstrengungen<br />

des Landkreises, die Lebensräume<br />

für bedrohte Tier- und Pflanzenarten<br />

weiter zu schützen und zu<br />

optimieren, noch verstärkt werden,


DER WANDEL IN DER STATIONÄREN<br />

GESUNDHEITSVERSORGUNG IM<br />

LANDKREIS RHÖN-GRABFELD<br />

STEFAN HELFRICH<br />

112<br />

„EIN GROSSES<br />

WERK IST<br />

GLÜCKLICH<br />

VOLLENDET.“<br />

Das Thema beschäftigte in der<br />

<strong>50</strong>-jährigen Geschichte des Landkreises<br />

Rhön-Grabfeld nicht nur<br />

die Menschen und die Medien,<br />

sondern auch die zuständigen Gremien<br />

und Gerichte zeitweise intensiv:<br />

Dieser Beitrag unternimmt den<br />

Versuch, die wesentlichen strukturellen<br />

Veränderungen in der stationären<br />

Gesundheitsversorgung des<br />

Landkreises streiflichtartig zu beleuchten.<br />

Die Ausgangslage und die <strong>Jahre</strong><br />

bis zur deutschen Wiedervereinigung<br />

Der bayerische Gesetzgeber hat den<br />

Landkreisen die Pflichtaufgabe auferlegt,<br />

unbeschadet bestehender<br />

Verbindlichkeiten Dritter – in den<br />

Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit –<br />

die erforderlichen Krankenhäuser zu


errichten und zu unterhalten 23 . Dieser<br />

Aufgabe hatten sich schon vor der<br />

Gebietsreform die heutigen Altlandkreise<br />

Bad Neustadt, Bad Königshofen<br />

und Mellrichstadt gestellt und<br />

entsprechende Krankenhausbauten<br />

errichtet. Anlässlich der Einweihung<br />

des Krankenhauses in Königshofen<br />

im Grabfeld erschien am 16. Dezember<br />

1966 sogar ein Sonderdruck des<br />

Boten vom Grabfeld mit der Überschrift:<br />

„Ein großes Werk ist glücklich<br />

vollendet“ 24 . Im gleichen Jahr begann<br />

man auch in Mellrichstadt mit dem<br />

Bau eines neuen Krankenhauses, das<br />

nach dreijähriger Bauzeit 1969 in Betrieb<br />

genommen werden konnte.<br />

Der hiesige Landkreis hat mit seiner<br />

Entstehung 1972 die Verantwortung<br />

für die drei bestehenden Kreiskrankenhäuser<br />

in Bad Neustadt,<br />

Königshofen und Mellrichstadt<br />

übernommen. Alle Häuser konnten<br />

seinerzeit als leistungsfähig bezeichnet<br />

werden. Es gab zu der Zeit<br />

in Bayern <strong>50</strong>9 Akutkrankenhäuser,<br />

23 vgl. Art. 51 Abs. 3 Nr. 1, 1. Halbsatz Landkreisordnung<br />

- <strong>LK</strong>rO<br />

24 Friedrich, Hanns, Altes Krankenhaus: Die Bagger<br />

greifen unaufhaltsam durch, in: Main-Post vom<br />

18.07.2020<br />

wozu auch die vorgenannten drei<br />

gehörten. Die durchschnittliche<br />

Verweildauer lag bei – für heutige<br />

Verhältnisse durchaus erstaunlichen<br />

– 17,7 Tagen 25 .<br />

Abgesehen von größeren Investitionen<br />

Mitte der 80er <strong>Jahre</strong> in das<br />

Kreiskrankenhaus Bad Neustadt,<br />

Standort Goethestraße, in Höhe von<br />

stolzen 91 Millionen D-Mark – mit<br />

Unterstützung durch Fördermittel<br />

des Freistaates Bayern 26 – verliefen<br />

die <strong>Jahre</strong> bis zur deutschen Wiedervereinigung<br />

1990 relativ unspektakulär.<br />

Im Ergebnis wurde zwar für<br />

die drei Kreiskrankenhäuser bis einschließlich<br />

1989 bezogen auf die<br />

Personal- sowie Sachkosten jährlich<br />

ein Defizit eingefahren, doch<br />

lag dieses bei einer Schwankungsbreite<br />

von 362.000 bis 1,178 Mio.<br />

DM 27 und bereitete den politisch<br />

Verantwortlichen kein größeres<br />

Kopfzerbrechen.<br />

25 Böhm, Thomas, Krankenhausplanung in Deutschland,<br />

2. <strong>Auflage</strong>, Berlin, 2022, Seite 57<br />

26 Protokoll zur Kreistagssitzung vom 30.06.2005,<br />

zu TOP 1<br />

27 Protokoll zur Kreistagssitzung vom 28.07.2004,<br />

Anlage zu TOP 1<br />

113


114<br />

Die Zeit der Herausforderungen<br />

Nach Öffnung der innerdeutschen<br />

Grenze war die Bevölkerung im<br />

Landkreis Rhön-Grabfeld von 78.756<br />

(Stand 30.09.1989) auf 86.269 Personen<br />

(Stand 31.12.1995) angewachsen<br />

28 . Im jährlichen Gesamtergebnis<br />

erzielte man mit den drei<br />

Kreiskrankenhäusern ab dem Jahr<br />

1993 bis 1999 Gewinne, wobei<br />

allerdings das Kreiskrankenhaus<br />

Mellrichstadt auch in dieser Zeit nie<br />

aus der Verlustzone herauskam 29 .<br />

Neben diesen grundsätzlich positiven<br />

Tendenzen gab es jedoch<br />

auch Anzeichen dafür, dass die<br />

Zeiten für kleinere Krankenhäuser<br />

schwieriger werden würden. So<br />

hatte seit der Gebietsreform die<br />

Zahl der Krankenhäuser in Bayern<br />

bis 1987 um 135 abgenommen,<br />

während die Zahl der Krankenhausbetten<br />

nahezu gleichblieb und die<br />

Anzahl der Patienten sogar um ca.<br />

28 Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung,<br />

Datenbank, Tabelle 1241 -012r:<br />

Bevölkerung: Kreise, Geschlecht, Nationalität,<br />

Quartale, Jahr sowie Tabelle 12411-005-r: Bevölkerung:<br />

Kreise, Geschlecht, Nationalität, Stichtag<br />

31.12.1995<br />

29 Protokoll zur Kreistagssitzung vom 28.07.2004,<br />

Anlage zu TOP 1<br />

ein Drittel stieg 30 . Eine grundlegende<br />

Modernisierung und Sanierung<br />

der in der Zwischenzeit in die <strong>Jahre</strong><br />

gekommenen Krankenhäuser in<br />

Mellrichstadt und Bad Königshofen<br />

war bisher nicht erfolgt. Neben den<br />

Fachkliniken des Rhön-Klinikums in<br />

Bad Neustadt kam im benachbarten<br />

Thüringen mit dem 1995 neu erbauten<br />

Klinikum Meiningen 31 , einem<br />

Krankenhaus mit überregionalem<br />

Versorgungsauftrag und über 400<br />

Planbetten, ein ernstzunehmender<br />

Wettbewerber hinzu.<br />

Auf Bundesebene reagierte der Gesetzgeber<br />

mit dem Fallpauschalengesetz<br />

vom 23. April 2002 auf die<br />

ständigen Kostensteigerungen in<br />

der stationären Gesundheitsversorgung,<br />

um die Krankenkassen<br />

zu entlasten. Die Einführung des<br />

Fallpauschalensystems löste einen<br />

tiefgreifenden Strukturwandel bei<br />

den Krankenhäusern aus und hatte<br />

gravierende Auswirkungen auf das<br />

Vergütungssystem 32 .<br />

30 Böhm (wie Anm. 3)<br />

31 Online unter https://de.wikipedia.org/wiki/meiningen<br />

(14.01.2023)<br />

32 Bayerischer Staatsanzeiger, Sonderdruck: 31. Fortschreibung<br />

des Krankenhausplanes des Freistaates<br />

Bayern, Stand: 01.01.2006, Bekanntmachung


Krankenhausträger waren nun stärker<br />

als bisher gehalten, auf eine<br />

angemessene Verweildauer der<br />

Patienten zu achten, weil ansonsten<br />

reduzierte Kostenerstattungen<br />

durch die Krankenkassen drohten.<br />

Vor diesem Hintergrund war eine<br />

deutliche wirtschaftliche Verschlechterung<br />

für die Kreiskrankenhäuser<br />

im Jahr 2002 eingetreten;<br />

das Jahr endete nicht nur mit einem<br />

Verlust von ca. 2,8 Millionen Euro,<br />

sondern auch mit der Schließung<br />

der chirurgischen Abteilung in Bad<br />

Königshofen 33 .<br />

Im darauffolgenden Jahr schied<br />

Landrat Dr. Steigerwald nach 27<br />

Dienstjahren als Landrat aus Altersgründen<br />

aus und Landrat Habermann<br />

übernahm im Juli 2003 die<br />

Amtsführung. In der ersten Kreisausschusssitzung<br />

nach seinem<br />

Amtsantritt wurde das beauftragte<br />

Organisationsgutachten für die<br />

Krankenhäuser des Landkreises<br />

vorgestellt, das in Bezug auf das<br />

des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit<br />

und Sozialordnung, Familie und Frauen vom<br />

02.02.2006 Nummer II 3/91231/1/06, Seite 2<br />

33 Protokoll zur Kreistagssitzung vom 17.10.2003,<br />

Anlage zu TOP 4<br />

Haus in Bad Königshofen die Schließung<br />

zum <strong>Jahre</strong>sende empfahl.<br />

Bezüglich der dort vorhandenen 90<br />

Betten wurde eine Auslastung von<br />

nur 47 Prozent festgestellt. Ferner<br />

hatten die Kostenträger bereits im<br />

April des <strong>Jahre</strong>s angekündigt, den<br />

Versorgungsvertrag für das Krankenhaus<br />

zu kündigen, so dass bei<br />

ungebremstem Verlauf der Dinge<br />

und ohne grundlegende strukturelle<br />

Veränderungen im Jahr 2004 ein<br />

Krankenhausdefizit zu Lasten des<br />

Kreishaushaltes in Höhe von 7,4<br />

Millionen Euro prognostiziert wurde.<br />

Die Gutachter machten deutlich,<br />

dass eine Fixkostendegression mit<br />

der Schließung von Kapazitäten<br />

einhergehen muss 34 .<br />

Der Kreistag beschloss daher am<br />

17. Oktober 2003 mit großer Mehrheit<br />

die Schließung des Kreiskrankenhauses<br />

in Bad Königshofen<br />

zum 31. Dezember 2003, auf der<br />

Grundlage eines Strukturgutachtens<br />

den Ausbau des Krankenhauses<br />

Bad Neustadt zur Schwerpunktklinik<br />

mit 230 Betten (bisher 196)<br />

34 Protokoll zur Kreisausschusssitzung vom<br />

23.07.2003, zu TOP 1<br />

115


116<br />

und des Krankenhauses Mellrichstadt<br />

zu einer Teleportalklinik mit<br />

70 Betten (bisher 105) 35 . Mit dieser<br />

Entscheidung sollte einerseits eine<br />

wirtschaftlich überlebensfähige<br />

Struktur geschaffen und andererseits<br />

eine angemessene Gesundheitsversorgung<br />

im Landkreis künftig<br />

sichergestellt werden.<br />

Im Dezember 2003 legte die Rhön-<br />

Klinikum AG dem Landkreis ein Angebot<br />

zum Erwerb der Krankenhäuser<br />

Bad Neustadt und Mellrichstadt<br />

vor, das die Inhalte des Kreistagsbeschlusses<br />

vom Oktober des gleichen<br />

<strong>Jahre</strong>s aufgriff 36 . Nach mehrmonatigen<br />

Verhandlungen konnte<br />

der Kreistag in seiner Sitzung vom<br />

28. Juli 2004 der Veräußerung der<br />

beiden Krankenhäuser im Grundsatz<br />

zustimmen 37 und mit Beschluss<br />

vom 04. Oktober 2004 den<br />

35 Protokoll zur Kreistagssitzung vom 17.10.2003, zu<br />

TOP 4. Ergänzender Hinweis: Ab 2005 betrieb ein<br />

niedergelassener Arzt mehrere <strong>Jahre</strong> eine Notfallambulanz<br />

in den Räumlichkeiten des ehemaligen<br />

Krankenhauses Bad Königshofen. Nach dem<br />

Erwerb des Krankenhausgrundstückes durch<br />

die Stadt Bad Königshofen wurden die dortigen<br />

Gebäude im Jahr 2020 abgebrochen.<br />

36 Protokoll zur Kreistagssitzung vom 05.12.2003,<br />

zu TOP 3<br />

37 Protokoll zur Kreistagssitzung vom 28.07.2004,<br />

zu TOP 1<br />

entsprechenden Unternehmenskaufvertrag<br />

genehmigen 38 .<br />

Wer jetzt glaubte, man sei endlich in<br />

ruhigeres Fahrwasser geraten, sah<br />

sich getäuscht. Die Rhön-Klinikum<br />

AG hatte folgerichtig 2004 das Vorhaben<br />

beim Bundeskartellamt angemeldet,<br />

durch ihre Tochtergesellschaft<br />

die Aktiva und Passiva sowie<br />

den Geschäftsbetrieb der beiden<br />

Kreiskrankenhäuser Bad Neustadt<br />

und Mellrichstadt zu erwerben.<br />

Doch mit Beschluss vom 10. März<br />

2005 untersagte das Bundeskartellamt<br />

erstmals eine Krankenhausfusion<br />

und schrieb damit ein Stück<br />

Rechtsgeschichte. Begründet wurde<br />

die Entscheidung damit, dass<br />

das Zusammenschlussvorhaben<br />

zur Verstärkung der bereits bestehenden<br />

marktbeherrschenden Stellung<br />

der Rhön-Klinikum AG auf den<br />

relevanten Märkten Bad Neustadt/<br />

Bad Kissingen und Meiningen geführt<br />

hätte. Im erstgenannten Bereich<br />

hätten sich die Marktanteile<br />

um ca. 25 Prozent auf 65 Prozent<br />

erhöht und in Meiningen auf ca.<br />

38 Protokoll zur Kreistagssitzung vom 04.10.2004,<br />

zu TOP 1


60 Prozent verfestigt. Die Voraussetzung<br />

für eine genehmigungsfähige<br />

Sanierungsfusion sah das<br />

Bundeskartellamt in diesem Fall<br />

als nicht gegeben an, weil der Landkreis<br />

die Unverkäuflichkeit nicht<br />

belegen konnte, zumal ein weiterer<br />

potenzieller Erwerber für die beiden<br />

Krankenhäuser vorhanden sei, bei<br />

dem es nicht zu Wettbewerbsbeeinträchtigung<br />

kommen würde 39 .<br />

Gegen die Entscheidung des Bundeskartellamtes<br />

legten sowohl die<br />

Rhön-Klinikum AG als auch der<br />

Landkreis Beschwerde am für Kartellangelegenheiten<br />

zuständigen<br />

Oberlandesgericht Düsseldorf ein.<br />

Insbesondere wurde im Rahmen<br />

der Begründung vorgetragen, dass<br />

die sachliche und räumliche Marktabgrenzung,<br />

die das Kartellamt vorgenommen<br />

habe, zu beanstanden<br />

sei, weil sie nicht nach fachspezifischen<br />

medizinischen Dienstleistungen<br />

differenzierte und die<br />

räumliche Abgrenzung zu eng vor-<br />

39 Bundeskartellamt, Pressemitteilung vom<br />

11.03.2005, Online: https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/2005/11_03_2005_Rhön-Klinikum.hmtl<br />

(18.01.2023)<br />

genommen wurde 40 . Der Landkreis<br />

befand sich nun in einer unbefriedigenden<br />

Situation. Am gewünschten<br />

Vollzug des Unternehmensverkaufs<br />

war man einstweilen gehindert. Die<br />

Entscheidung des Oberlandesgerichts<br />

würde auf sich warten lassen,<br />

aber in Bezug auf das Krankenhaus<br />

Mellrichstadt hatte sich inzwischen<br />

dringender Handlungsbedarf ergeben.<br />

Deshalb wurde in der Kreistagssitzung<br />

vom 09. Mai 2005 über das<br />

Für und Wider einer Fortführung des<br />

Krankenhauses in Mellrichstadt beraten,<br />

einem mittlerweile veralteten<br />

Haus mit einem für 70 Planbetten<br />

viel zu großen Baukörper, der eine<br />

Generalsanierung unwirtschaftlich<br />

machte. Die Rhön-Klinikum AG hätte<br />

laut Kaufvertrag bei einer Fallzahl<br />

von durchschnittlich 2<strong>50</strong> im<br />

Monat eine neue Teleportalklinik in<br />

Mellrichstadt gebaut. Die Fallzahl<br />

in Mellrichstadt lag zu diesem Zeitpunkt<br />

bei 175 monatlich mit abnehmender<br />

Tendenz. Die Organisation<br />

der Dienste in zwei Häusern war in<br />

40 Beck RS 2007, 8366, OLG Düsseldorf, Beschluss<br />

vom 11.04.2007 – Kart6/05<br />

117


118<br />

Folge des deutschlandweiten Mangels<br />

an qualifizierten Krankenhausärzten<br />

schwierig geworden und die<br />

Krankenhausdefizite gingen in immer<br />

größerer Höhe weiter 41 .<br />

In der darauffolgenden Kreistagssitzung<br />

wurde die Patientenwanderung<br />

im Landkreis vorgestellt.<br />

Die Zahlen für Mellrichstadt waren<br />

ernüchternd. Nur 40 Prozent der Patienten<br />

in Mellrichstadt gingen auch<br />

in das dortige Krankenhaus, aus<br />

dem Besengau waren es gar nur 30<br />

Prozent. Angesichts der Gesamtumstände<br />

sah sich der Kreistag in<br />

der Pflicht, mit einem Grundsatzbeschluss<br />

zu reagieren. Es wurde<br />

die Reduzierung der Planbettenzahl<br />

auf maximal 225 für den Landkreis<br />

Rhön-Grabfeld beschlossen, unter<br />

der Voraussetzung der fachlichen<br />

Genehmigung der notwendigen<br />

Baumaßnahmen am Standort Bad<br />

Neustadt und der Übertragung der<br />

Fördergelder, die für einen Ersatzneubau<br />

in Mellrichstadt vorgesehen<br />

waren, auf die baulichen Maßnahmen<br />

in Bad Neustadt. Das bedeute-<br />

41 Protokoll zur Kreistagssitzung vom 09.05.2005,<br />

zu TOP 1<br />

te, dass bei Eintritt der beiden Voraussetzungen<br />

das Krankenhaus in<br />

Mellrichstadt geschlossen würde 42 .<br />

Im Januar 2006 beantragte Landrat<br />

Habermann für den Landkreis<br />

Rhön-Grabfeld bei Bundeswirtschaftsminister<br />

Glos die Ministererlaubnis<br />

für die beabsichtigte<br />

Krankenhausübernahme durch die<br />

Rhön-Klinikum AG. Diese Erlaubnis<br />

hätte es ermöglicht, im Rahmen<br />

einer Ausnahme jenseits des rein<br />

wettbewerbsrechtlichen Entscheidungsprozesses<br />

des Bundeskartellamtes<br />

unter den Voraussetzungen<br />

von § 42 Abs. 1 GWB den Unternehmenszusammenschluss<br />

zu realisieren.<br />

Der damalige Bundeswirtschaftsminister<br />

Glos delegierte die<br />

beantragte Entscheidung an seinen<br />

Staatssekretär Pfaffenbach, weil er<br />

die Besorgnis der Befangenheit in<br />

Bezug auf Landrat Habermann, der<br />

ein Parteifreund aus der unterfränkischen<br />

CSU sei, nicht ausschließen<br />

konnte 43 .<br />

42 Protokoll zur Kreistagssitzung vom 30.06.2005,<br />

zu TOP 1<br />

43 Online: https://www.presseportal.de/<br />

pm/9377/812212 (11.01.2023)


Das Bundeswirtschaftsministerium<br />

versagte schließlich mit Schreiben<br />

vom 22. Mai 2006 die Ministererlaubnis<br />

44 . Es schloss sich der<br />

Meinung der Monopolkommission<br />

an, die als fünfköpfiger Expertenrat<br />

ein Sondergutachten in diesem Verfahren<br />

erstellte und sich gegen die<br />

Erteilung der Ministererlaubnis aussprach.<br />

Die Kommission vertrat die<br />

Auffassung, dass der beabsichtigte<br />

Zusammenschluss nicht erforderlich<br />

sei, um den Haushalt des Landkreises<br />

zu entlasten und die Krankenhauskosten<br />

zu senken. Durch<br />

den Verkauf an einen alternativen<br />

Bewerber könnten die vorgebrachten<br />

Gemeinwohlvorteile verwirklicht<br />

werden, ohne dass Wettbewerbsbeschränkungen<br />

zu befürchten seien 45 .<br />

Für das Kreiskrankenhaus in Mellrichstadt<br />

hatte diese Entscheidung<br />

aus dem Bundeswirtschaftsministerium<br />

keine Bedeutung, denn am<br />

26. September 2006 bestätigte<br />

der Kreistag seinen Grundsatzbe-<br />

44 Protokoll zur Kreistagssitzung vom 26.09.2006,<br />

zu TOP 5<br />

45 Sondergutachten der Monopolkommission gem.<br />

§ 42 Abs. 4 Satz 2 GWB, Zusammenschlussvorhaben<br />

der Rhön-Klinikum AG mit dem Landkreis<br />

Rhön-Grabfeld, April 2006, Seite 53<br />

schluss zur Schließung des Kreiskrankenhauses<br />

Mellrichstadt und<br />

legte dessen Ende auf den 31.<br />

Dezember 2006 fest 46 . Bis dahin<br />

wurden die Kreiskrankenhäuser im<br />

Regiebetrieb geführt. Ab 01. Januar<br />

2007 erfolgte der Betrieb des verbliebenen<br />

Kreiskrankenhauses Bad<br />

Neustadt in der Rechtsform einer<br />

Gesellschaft mit beschränkter Haftung<br />

unter der Bezeichnung „Rhön-<br />

Saale Klinik GmbH Bad Neustadt an<br />

der Saale“ 47 .<br />

Nach nur zehnmonatiger Bauzeit<br />

konnte im März 2007 an der Kreisklink<br />

in Bad Neustadt der Ergänzungsneubau<br />

der Öffentlichkeit<br />

vorgestellt werden, der notwendig<br />

geworden war, um die Klinik auf<br />

die vorgesehenen 225 Planbetten<br />

zu erweitern. Für die Baumaßnahme<br />

stellte der Freistaat Bayern eine<br />

Förderung in Höhe von ca. 2,8 Millionen<br />

Euro zur Verfügung 48 .<br />

46 Protokoll zur Kreistagssitzung vom 26.09.2006,<br />

zu TOP 6. Ergänzender Hinweis: Das ehemalige<br />

Kreiskrankenhaus am Hainberg ließ die<br />

Stadt Mellrichstadt 2009 abbrechen, damit die<br />

Lebenshilfe Rhön-Grabfeld auf dem Gelände eine<br />

Seniorenwohnstätte errichten konnte.<br />

47 Protokoll zur Kreistagssitzung vom 11.12.2006,<br />

zu TOP 1<br />

48 Protokoll zur Kreisausschusssitzung vom<br />

15.10.2007, zu TOP 10.3<br />

119


120<br />

Erst im April 2007 entschied der<br />

Kartellsenat des Oberlandesgerichtes<br />

Düsseldorf, dass die Beschwerden<br />

der Beteiligten – und<br />

damit auch die Beschwerde des<br />

Landkreises – gegen den ablehnenden<br />

Beschluss des Bundeskartellamtes<br />

zurückgewiesen werden.<br />

Das Gericht führte aus, dass auch<br />

Krankenhäuser trotz öffentlichrechtlicher<br />

Krankenhausplanung<br />

an einem Wettbewerb teilnehmen<br />

und die räumliche Marktabgrenzung,<br />

die das Bundeskartellamt im<br />

vorliegenden Fall vorgenommen<br />

hatte, zutreffend war. Ebenso hatte<br />

sich aufgrund der Nachermittlungen<br />

des Bundeskartellamtes während<br />

des gerichtlichen Verfahrens<br />

hinsichtlich der Marktabgrenzung<br />

nach medizinischen Fachbereichen<br />

ergeben, dass der beabsichtigte<br />

Zusammenschluss zu einer marktbeherrschenden<br />

Stellung der Rhön-<br />

Klinikum AG in der Region führen<br />

würde 49 . Die Rechtsbeschwerde<br />

gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes<br />

Düsseldorf wies der<br />

Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung<br />

vom 16. Januar 2008<br />

49 Beck RS 2007, 8366 (wie Anmerkung 18)<br />

relativ zeitnah zurück. Er führte aus,<br />

dass die Untersagungsverfügung<br />

des Bundeskartellamtes durch die<br />

Vorinstanz zutreffend bestätigt<br />

wurde <strong>50</strong> . Aufgrund dieser höchstrichterlichen<br />

Entscheidung hatte<br />

der Landkreis nun die Gewissheit,<br />

dass der Krankenhausverkauf an<br />

die Rhön-Klinikum AG gescheitert<br />

war.<br />

Gleichwohl hatte der Landkreis die<br />

Zeit bis dahin sinnvoll und effektiv<br />

genutzt. Die schwierige Aufgabe,<br />

die Krankenhauslandschaft im Bereich<br />

der medizinischen Grund- und<br />

Regelversorgung entsprechend<br />

den Anforderungen neu aufzustellen,<br />

wurde innerhalb weniger <strong>Jahre</strong><br />

erfolgreich gemeistert. Mit der Errichtung<br />

einer Palliativstation mit<br />

sechs Betten im Jahr 2010 wurde<br />

der Ausbau der Kreisklinik Bad Neustadt<br />

komplettiert. Das Haus wies<br />

nun neben der stationären Palliativ-<br />

Versorgung eine Abteilung Innere<br />

Medizin mit 85 Planbetten, eine chirurgische<br />

Abteilung mit 106 Planbetten,<br />

eine Station für Geburtshilfe<br />

<strong>50</strong> openJur 2011, 119245, BGH Beschluss vom<br />

16.01.2008 – KVR 26/07


und Gynäkologie mit 23 Planbetten<br />

und eine HNO-Station mit elf Planbetten<br />

sowie acht Plätze für Hämodialyse<br />

auf 51 .<br />

Die zweite Chance und der Umzug<br />

in den Rhön-Klinikum-Campus<br />

Mit dem Verkauf zahlreicher Krankenhäuser<br />

im Jahr 2014 traf die<br />

Rhön-Klinikum AG die strategische<br />

Entscheidung, sich auf wenige<br />

Standorte zu fokussieren. Die Absicht,<br />

am Standort Bad Neustadt<br />

einen neuen Klinikkomplex zu bauen,<br />

brachte den Anstoß zu der Überlegung,<br />

ob man bei einem Neubau<br />

Fachkliniken der Rhön-Klinikum AG<br />

und die Kreisklinik zusammenführen<br />

könnte. Die Rhön-Klinikum AG<br />

unterbreitete deshalb dem Landkreis<br />

ein indikatives Angebot zur<br />

Übernahme der noch verbliebenen<br />

Kreisklinik und deren Mitarbeiter.<br />

Landrat Habermann informierte hierüber<br />

den Kreistag in seiner Sitzung<br />

vom 14. Oktober 2014 und wurde<br />

ermächtigt, mit der Rhön-Klinikum<br />

51 Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und<br />

Gesundheit, Krankenhausplan des Freistaates<br />

Bayern, Stand: 01.01.2011, (36. Fortschreibung),<br />

Anhang 5. Betten/Plätze nach Fachrichtungen in<br />

Plankrankenhäusern<br />

AG ergebnisoffene Verhandlungen<br />

zu führen 52 . In der nächsten Kreistagssitzung<br />

am 10. Dezember 2014<br />

fasste man den einstimmigen Beschluss,<br />

einen Experten mit einem<br />

Gutachten zu beauftragen, das die<br />

Auswirkungen der Krankenhaussituation<br />

im Landkreis Rhön-Grabfeld<br />

durch den Neubau einer Klinik auf<br />

dem Gelände der Rhön-Klinikum<br />

AG im Zusammenhang mit dem geplanten<br />

Gesundheitscampus untersuchen<br />

sollte. Es sollte auch auf<br />

alternative Maßnahmen zur langfristigen<br />

Sicherung der Kreisklinik<br />

sowie auf perspektivische Auswirkungen<br />

einer Zusammenlegung der<br />

Kliniken mit der Kreisklinik eingehen<br />

53 . Das vorgenannte Gutachten<br />

wurde dem Kreistag in der Sitzung<br />

vom 18. Februar 2015 vorgestellt.<br />

Ebenso erfolgte eine Präsentation<br />

der Baupläne der Rhön-Klinikum<br />

AG, wobei der Vorstandsvorsitzende<br />

Dr. Dr. Siebert darauf hinwies,<br />

dass das Vorhaben mit oder ohne<br />

Kreisklinik realisiert werde, da die<br />

Investitionsentscheidung bereits<br />

52 Protokoll zur Kreistagssitzung vom 14.10.2014, zu<br />

TOP 3.1 und TOP 4<br />

53 Protokoll zur Kreistagssitzung vom 10.12.2014,<br />

zu TOP 5<br />

121


122<br />

Das Eingangsportal des Klinik-Campus der Rhön Klinikum AG<br />

Foto: ©Gerhard Fischer<br />

getroffen sei. Eine Änderung der<br />

Planung sei allenfalls bis 31. Dezember<br />

2015 möglich 54 .<br />

Nach ausgiebigen Diskussionen in<br />

den vorangegangenen Kreistagssitzungen<br />

konnte Landrat Habermann<br />

dem Kreistag am 27. Juli<br />

2015 das Vertragswerk über den<br />

54 Protokoll zur Kreistagssitzung vom 18.02.2015, zu<br />

TOP 3 und TOP 4<br />

Kauf und die Übernahme der Kreisklinik<br />

nebst Anlagen vorstellen. Die<br />

Kreistagsmehrheit sah letztlich<br />

die Integration der Kreisklinik in<br />

den Klinikum-Campus unter unternehmerischen<br />

und medizinischen<br />

Aspekten für sinnvoll und notwendig<br />

an. Der Landrat wurde deshalb<br />

ermächtigt, den Landkreis bei Abschluss<br />

des Vertrages bezüglich<br />

des Kaufs und der Übernahme


der Kreisklinik sowie weiterer Vereinbarungen,<br />

insbesondere eines<br />

Mietvertrages, uneingeschränkt zu<br />

vertreten 55 . Damit war der Verkauf<br />

der Kreisklinik Bad Neustadt eingeläutet<br />

und die entsprechenden<br />

Verträge zu deren Übernahme zum<br />

1. Januar 2016 wurden im Sommer<br />

2015 geschlossen. Die Mitarbeiter<br />

der Kreisklinik waren vertraglich vor<br />

betriebsbedingten Kündigungen<br />

bis 2018 geschützt und die Grundstücke<br />

der Kreisklinik verblieben im<br />

Eigentum des Landkreises bzw. der<br />

Kreisklinik gGmbH. Um die künftige<br />

Entwicklung der stationären Grundund<br />

Regelversorgung im Landkreis<br />

konstruktiv begleiten zu können,<br />

wurde ein Krankenhausbeirat vereinbart<br />

– ein Gremium bestehend<br />

aus Vertretern der Rhön-Klinikum<br />

AG und des Kreistages 56 . Das erneut<br />

mit der Angelegenheit befasste<br />

Bundeskartellamt gab diesmal<br />

für das Erwerbsvorhaben der Rhön-<br />

Klinikum AG grünes Licht und stellte<br />

fest, dass keine erhebliche Beeinträchtigung<br />

des Wettbewerbes<br />

55 Protokoll zur Kreistagssitzung vom 27.07.2015, zu<br />

TOP 1 und TOP 7<br />

56 Online: https://www.management-krankenhaus.<br />

de/news/rhoen-kliniken-und-kreisklinik-badneustdt-besiegeln-integration<br />

(21.01.2023)<br />

in Folge der Fusion vorläge. Im Jahr<br />

zuvor war nämlich eine gravierende<br />

Veränderung in der Wettbewerbssituation<br />

in der Region eingetreten,<br />

da die Rhön-Klinikum AG das St. Elisabeth-Krankenhaus<br />

in Bad Kissingen<br />

und das Klinikum Meiningen an<br />

die Helios-Kliniken verkauft hatte 57 .<br />

Ab dem Jahr 2016 hatte der Landkreis<br />

nun kein Krankenhaus mehr<br />

in eigener Trägerschaft. Die Rhön-<br />

Klinikum AG führte das Haus als<br />

Rhön-Kreisklinik in der Goethestraße<br />

bis zur Fertigstellung des neuen<br />

Rhön-Klinikum-Campus.<br />

Am 6. Dezember 2018 feierte die<br />

Rhön-Klinikum AG die Einweihung<br />

des Klinikum-Campus als Versorgungsmodell<br />

der Zukunft für den<br />

ländlichen Raum in Gegenwart des<br />

bayerischen Ministerpräsidenten<br />

Dr. Markus Söder. Für das Mammut-Projekt<br />

waren vom Spatenstich<br />

bis zur Einweihung gerade<br />

einmal drei <strong>Jahre</strong> vergangen und<br />

die Rhön-Klinikum AG investierte<br />

hierfür 2<strong>50</strong> Millionen Euro aus<br />

57 Bundeskartellamt, Pressemitteilung vom<br />

15.09.2015, Online: https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/2015/15_09_15_Kranken<br />

haus.html<br />

(18.01.2023)<br />

123


124<br />

Bad Königshofen<br />

Bad neustadt<br />

Eigenmitteln. Neben dem Zentrum<br />

für klinische Medizin (ZkM) mit 385<br />

Patientenzimmern auf 20 Stationen<br />

entstand auch ein neues Zentrum<br />

für ambulante Medizin (ZaM), das<br />

eine Vielzahl von Facharztpraxen<br />

sowie weitere Gesundheits- und<br />

Servicedienstleister beherbergt. Es<br />

entstand ferner ein neues Parkhaus<br />

mit über 800 Stellplätzen, das einen<br />

direkten Zugang über das umgebaute<br />

Atrium in die Klinikbereiche<br />

bietet 58 . Der Umzug der Rhön-Kreis-<br />

58 Online: https://www.campus-nes.de/fileadmin/<br />

FILES/RKA/Download/reden_und_praesentatio-<br />

klinik in das neue Zentrum für klinische<br />

Medizin fand im Dezember<br />

2018 statt. Das moderne Gebäude<br />

vereint die Herz- und Gefäßklinik, die<br />

Klinik für Handchirurgie, die neurologische<br />

Klinik und die Rhön-Kreisklinik<br />

unter einem Dach. Wesentliches<br />

Element des Campus-Konzeptes ist<br />

auch die neue, zentrale Notaufnahme,<br />

die die bestehenden Notfallambulanzen<br />

der Fachkliniken und der<br />

Rhön-Kreisklinik zentral zusammenfasst<br />

und damit für die Patientinnen<br />

nen/Campus_FactSheet.pdf (28.01.2023)


mellrichstadt<br />

und Patienten zur ersten Anlaufstelle<br />

wird 59 .<br />

Der Landkreis Rhön-Grabfeld hat<br />

seit 2016 die gesetzliche Pflichtaufgabe,<br />

Krankenhäuser zu errichten<br />

und zu unterhalten, delegiert 60 .<br />

Sichergestellt wird diese stationäre<br />

Grund- und Regelversorgung derzeit<br />

vom Rhön-Klinikum-Campus,<br />

der von den 7<strong>50</strong> Planbetten 190 für<br />

Chirurgie, 15 für Gynäkologie und<br />

Geburtshilfe, 10 für HNO und 195<br />

für innere Medizin vorhält. Daneben<br />

gibt es weitere Planbetten für Palliativmedizin,<br />

Herzchirurgie, Neurochirurgie<br />

und Neurologie. Berücksichtigt<br />

man noch die psychosomatische<br />

Klinik mit 200 Planbetten, so weist<br />

der Landkreis mit 9<strong>50</strong> Planbetten<br />

gemessen an seiner Einwohnerzahl<br />

eine weit überdurchschnittlich hohe<br />

Bettenkapazität auf, die mit der<br />

überregional anerkannten klinischen<br />

Spezialversorgung in unmittelbarem<br />

Zusammenhang steht 61 .<br />

Auch wenn der Landkreis Rhön-<br />

Grabfeld keine eigenen Krankenhäuser<br />

mehr betreibt, ist die medizinische<br />

Versorgung der Menschen<br />

im stationären Bereich durch den<br />

Rhön-Klinikum-Campus Bad Neustadt<br />

gewährleistet, der für moderne<br />

Spitzenmedizin steht und<br />

Maßstäbe für eine ausgezeichnete<br />

Gesundheitsversorgung setzt.<br />

125<br />

59 Online: https://www.rhoen-gesundheitsblog.de/<br />

campus-bad-neustadt-umzug/ (06.12.2022)<br />

60 vgl. Praxis der Kommunalverwaltung, Band B2,<br />

Kommentar zur Landkreisordnung, zu Art. 51,<br />

Ziffer 4.1.1, Stand: Mai 2021<br />

61 Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit<br />

und Pflege, Krankenhausplan des Freistaates<br />

Bayern, Stand: 01.01.2022, 47. Fortschreibung,<br />

Seiten 128-129, 259


DER LANDKREIS ALS REGION<br />

URSULA SCHNEIDER<br />

126<br />

REGIONALENTWICKLUNG<br />

MIT DEM REGIONAL­<br />

MANAGEMENT SEIT 2003<br />

Betrachtet man den Landkreis<br />

Rhön-Grabfeld als Region im Dreiländereck<br />

Bayern-Hessen-Thüringen,<br />

wird schnell klar, dass in der<br />

Entwicklung dieser Region zu einer<br />

krisenfesten und lebenswerten Heimat<br />

für Bevölkerung, Betriebe, Natur<br />

und Landschaft große Potenziale<br />

stecken – wenn man die vielfältigen<br />

Herausforderungen gemeinsam in<br />

Kooperationen und Netzwerken angeht.<br />

Dies erkannte der Landkreis<br />

mit seinen Kommunen gerade nach<br />

der Wiedervereinigung im Jahr<br />

1990 sehr frühzeitig. Bereits seit<br />

Jahrzehnten werden gemeinsam<br />

mit den regionalen und überregionalen<br />

Initiativen der Gesamtregion<br />

im Dreiländereck, unterstützt durch<br />

ein eigenes Regionalmanagement,<br />

die sogenannten endogenen Potentiale<br />

genutzt, um den Landkreis als


Region positiv weiterzuentwickeln.<br />

Einen großen Nutzen bringen dabei<br />

verschiedene Förderinstrumente,<br />

allen voran LEADER, Städtebauförderung<br />

und Dorferneuerung, die<br />

auf EU-, Bundes- und Landesebene<br />

zur Verfügung stehen. Da gerade<br />

LEADER zusammen mit dem Regionalmanagement<br />

eine typische<br />

Methode für eine erfolgreiche Regionalentwicklung<br />

ist, sei im Folgenden<br />

vor allem auf die Kombination<br />

dieser beiden Bausteine im Landkreis<br />

Rhön-Grabfeld eingegangen.<br />

Kleiner Exkurs zur Entwicklung der<br />

Europäischen Union und des europäischen<br />

LEADER-Ansatzes mit<br />

seiner Verknüpfung zur Regionalentwicklung<br />

in Rhön-Grabfeld<br />

Kleiner Exkurs zur Entwicklung<br />

der Europäischen Union und des<br />

europäischen LEADER-Ansatzes<br />

mit seiner Verknüpfung zur Regionalentwicklung<br />

in Rhön-Grabfeld<br />

Da Deutschland nach der Wiedervereinigung<br />

seitens der Europäischen<br />

Union (damals noch Europäische<br />

Gemeinschaft) als besonders mit<br />

Strukturproblemen belastet eingestuft<br />

worden war, wurden verschiedene<br />

„Strukturinterventionen der<br />

Gemeinschaft in den in Deutschland<br />

unter Ziel-2 fallenden Gebieten“<br />

(Gleiches wurde parallel für<br />

andere Mitgliedstaaten aufgestellt)<br />

entwickelt, die in Rhön-Grabfeld<br />

als sog. „Ziel-2-Gebiet“ und „5b-Gebiet“<br />

mit regionalen Akteuren für<br />

gezielte Maßnahmen und Projekte<br />

erfolgreich genutzt wurden. Unter<br />

das Ziel 5b der europäischen Strukturförderung<br />

fielen strukturschwache,<br />

ländliche Regionen, so auch in<br />

Deutschland. Sie erhielten für ihre<br />

Entwicklung und die Strukturanpassung<br />

bis 1999 europäische Strukturhilfen<br />

in Höhe von 1,229 Mrd.<br />

ECU (damalige europäische Währungseinheit).<br />

Die damalige Entscheidung<br />

der EU-Kommission zur<br />

Förderung der strukturschwachen<br />

Regionen gilt heute noch<br />

als ein be-<br />

127


128<br />

sonderer Akt europäischer Solidarität<br />

mit den benachteiligten Regionen.<br />

Hier wurden die Grundlagen<br />

für die europaweite Strukturentwicklungspolitik<br />

gelegt, die heute<br />

allen ländlichen Regionen zugutekommt<br />

und übrigens weit über landwirtschaftliche<br />

Belange hinausgeht<br />

– auch wenn LEADER heute<br />

noch immer im ELER (Europäischer<br />

Landwirtschaftsfonds zur Entwicklung<br />

des Ländlichen Raums) in der<br />

sog. 2. Säule angesiedelt ist.<br />

Die Entwicklung der Förderlandschaft<br />

in Rhön-Grabfeld und damit<br />

einhergehend die Möglichkeiten<br />

einer effizienten Regionalentwicklung<br />

sind also eng verknüpft mit<br />

der Entwicklung der EU und ihrer<br />

Finanzierungsbestimmungen. Parallel<br />

zur 5b-Förderung (1989-1993<br />

und 1994-1999) wurde zunächst<br />

in einer Erprobungsphase ab 1991<br />

LEADER I ins Leben gerufen, das<br />

nur wenigen benachteiligten Gebieten<br />

zugutekam. Rhön-Grabfeld<br />

war als 5b-Region von Anfang an<br />

bei den Strukturentwicklungsmaßnahmen<br />

dabei. Nach LEADER II<br />

(1994-1999) etablierte sich ab<br />

2000 mit LEADER+ der Förderansatz<br />

nach dem Bottom-up-Prinzip<br />

(von unten nach oben), nachdem<br />

Top-down-Programme (von oben<br />

nach unten) gescheitert waren.<br />

Seit dieser 3. Förderphase (LEA-<br />

DER+) steht das Programm allen<br />

ländlichen Regionen in der EU zur<br />

Verfügung. Aufgrund des erfolgreich<br />

verlaufenen Einsatzes als<br />

sogenannte Gemeinschaftsinitiative<br />

zwischen 1991 und 2005<br />

ist der LEADER-Ansatz seit 2006<br />

als eigenständiger Schwerpunkt<br />

in die Mainstream-Förderung<br />

aufgenommen worden. LEADER<br />

(englischsprachiges Akronym von<br />

französisch „Liaison entre actions<br />

de développement de l‘économie<br />

rurale“, deutsch „Verbindung zwischen<br />

Aktionen zur Entwicklung<br />

der ländlichen Wirtschaft“) versteht<br />

sich als ein Maßnahmenprogramm<br />

der Europäischen Union,<br />

mit dem seit 1991 modellhaft innovative<br />

Aktionen im ländlichen<br />

Raum gefördert werden. Es wird in<br />

Bayern mit derzeit <strong>50</strong> Prozent der<br />

zur Verfügung gestellten Mittel<br />

aus dem Landeshaushalt kofinanziert.<br />

Jeder europäische Euro wird


also mit einem bayerischen Euro<br />

verdoppelt. Lokale Aktionsgruppen<br />

(LAGen) erarbeiten vor Ort<br />

Entwicklungskonzepte, mit deren<br />

Umsetzung sie den LEADER-Ansatz<br />

nachhaltig, innovativ und in<br />

regionaler und überregionaler Zusammenarbeit<br />

mit Leben erfüllen<br />

und die eigene Region voranbringen.<br />

Ziel der EU ist es, die ländlichen<br />

Regionen Europas auf dem<br />

Weg zu einer eigenständigen Entwicklung<br />

zu unterstützen.<br />

Entwicklung von LEADER im<br />

Landkreis Rhön-Grabfeld<br />

Etwa ab dem Jahr 1999 begann seitens<br />

der Landkreisverantwortlichen<br />

eine verstärkte Fokussierung auf<br />

die Nutzung von Strukturentwicklungsprogrammen,<br />

v. a. aufgestellt<br />

von der Europäischen Union, der<br />

Bundesrepublik Deutschland, dem<br />

Freistaat Bayern – ausgereicht<br />

über die Regierung von Unterfranken<br />

bzw. über das Amt für Ländliche<br />

Entwicklung (ALE) und das<br />

Amt für Ernährung, Landwirtschaft<br />

und Forsten (AELF). Mit Hilfe der<br />

damit nutzbaren öffentlichen Fördermittel<br />

konnten über die letzten<br />

Jahrzehnte viele Entwicklungen<br />

angestoßen und nachhaltige Projekte<br />

umgesetzt werden. Dabei dienen<br />

die Programme des ALE und<br />

der Städtebauförderung vor allem<br />

direkt den Kommunen und ihren<br />

Bürgern. Für die Landkreisentwicklung<br />

kam LEADER, nutzbar heute<br />

über das AELF, dem Landkreis als<br />

Ganzes mit allen hier aktiven Initiativen,<br />

Personen, Unternehmen und<br />

sonstigen Gruppierungen zugute.<br />

Waren bei 5b und LEADER anfangs<br />

lose Zusammenschlüsse verschiedener<br />

Interessengruppen aktiv, so<br />

stellte sich mit zunehmend erfolgreichen<br />

Projekten heraus, dass sich<br />

auf Landkreisebene besser zusammenarbeiten<br />

lässt, wenn sich eine<br />

feste Arbeitsgemeinschaft gründet.<br />

Da gleichzeitig mit dem neuen Programm<br />

LEADER+ ab 2000 eine feste<br />

Struktur gefordert wurde, die die<br />

regionalen Akteure bündelt, wurde<br />

1999 die Lokale Aktionsgruppe<br />

(LAG) gegründet. Sie firmierte anfangs<br />

unter dem Titel „Aufwind<br />

Rhön-Saale“, später wurde daraus<br />

die LAG Rhön-Grabfeld als Arbeitsgemeinschaft<br />

nach KommZG, aus<br />

der heraus sich 2014 die LAG Rhön-<br />

129


Grabfeld e.V. als eingetragener Verein<br />

gründete.<br />

130<br />

Mit der Förderperiode 2000-2006<br />

vollzog sich ein größerer Wandel in<br />

der Strukturentwicklungspolitik. So<br />

verstand sich LEADER+ in diesem<br />

Zeitraum nicht nur als Fortsetzung<br />

der vorherigen Initiativen LEADER<br />

I und II, sondern zielte auf ambitionierte,<br />

gebietsspezifische Strategien<br />

für die Entwicklung des ländlichen<br />

Raums ab. Dabei kam der<br />

Kooperation und der Vernetzung<br />

der ländlichen Gebiete und dem gezielten<br />

Aufbau eines Regionalmanagements<br />

besondere Bedeutung<br />

zu. Erstmals konnten nun auch<br />

sämtliche ländliche Gebiete der EU<br />

im Rahmen von LEADER+ gefördert<br />

werden – ein großer Erfolg der Probephasen<br />

LEADER I und II. Seither<br />

hat sich LEADER in den weiteren,<br />

jeweils etwa siebenjährigen Förderperioden<br />

mit zum wichtigsten<br />

Förderprogramm des ländlichen<br />

Raums entwickelt. Aktuell befinden<br />

wir uns in der auslaufenden Förderperiode<br />

2014-2022/2025.<br />

Offizieller Förderhinweis in der aktuellen<br />

Förderperiode 2014-2022/2025<br />

LEADER mit der LAG Rhön-<br />

Grabfeld als Instrument für die<br />

Regionalentwicklung<br />

Für jede LEADER-Förderperiode<br />

müssen sich seit LEADER+ die Regionen<br />

mit Entwicklungskonzepten<br />

(REK; heute Lokale Entwicklungsstrategie<br />

LES) bewerben. Für die<br />

LAG Rhön-Grabfeld wie für alle<br />

Regionen bildeten und bilden diese<br />

Konzepte für jeweils fünf bis<br />

sieben <strong>Jahre</strong> Handlungsleitfäden,<br />

die gemeinsam von den regionalen<br />

Akteuren entwickelt und mit Projekten<br />

und Veranstaltungen umgesetzt<br />

werden. Grundsätzlich haben<br />

sich die Ziele für Rhön-Grabfeld<br />

über die gesamten Förderperioden<br />

kaum geändert, erhielten aber in<br />

der Bearbeitung unterschiedliche<br />

Schwerpunkte. Dabei spielten nicht<br />

nur die lokalen Fortschritte bei der


Zielerreichung, sondern auch die<br />

gesellschaftlichen Entwicklungen<br />

in internationalen bis kleinregionalen<br />

Zusammenhängen wesentliche<br />

Rollen.<br />

So kam es anfangs vor allem auf<br />

die Bildung von Netzwerken und<br />

Kooperationen an, um die identifizierten<br />

Herausforderungen gemeinschaftlich<br />

zu bewältigen.<br />

Später gewann zunehmend der<br />

demografische Wandel hin zu einer<br />

älterwerdenden und zahlenmäßig<br />

abnehmenden Bevölkerung an Bedeutung.<br />

Mit Fokussierung auf weiche<br />

Standortfaktoren und Maßnahmen<br />

zur gezielten Innenentwicklung<br />

der Ortschaften versuchte man,<br />

diesen Trends entgegenzuwirken –<br />

mit Erfolg, der heute u. a. an wieder<br />

steigenden Bevölkerungszahlen<br />

sowie einer quasi Vollbeschäftigung<br />

ablesbar ist. Seit den letzten<br />

beiden Förderperioden geraten zunehmend<br />

Klimaveränderungen und<br />

Verlust der Biodiversität in den Fokus,<br />

damit zusammenhängend die<br />

verstärkte Konkurrenz um Flächen.<br />

Um hier notwendige Balancen zu<br />

finden, wurden in den Lokalen Entwicklungsstrategien<br />

Schwerpunkte<br />

auf den Schutz natürlicher Ressourcen<br />

gelegt.<br />

Regionalmanagement des<br />

Landkreises ab 2003<br />

Mit der Entscheidung für die Teilnahme<br />

am neuen LEADER-Förderprogramm<br />

und damit für die Umsetzung<br />

des ersten Regionalen<br />

Entwicklungskonzepts (REK) ab<br />

2002 erwuchs die Notwendigkeit<br />

einer professionellen Begleitung<br />

der Regionalentwicklung und der<br />

LAG Rhön-Grabfeld. Damit wurde<br />

das Regionalmanagement ins Leben<br />

gerufen, das erste Vorläufer<br />

bereits in den zwei <strong>Jahre</strong>n vor der<br />

LEADER-Anerkennung hatte. Mit<br />

der Arbeitsgemeinschaft Bott-Kuhlmann-Schneider<br />

ab 2003, dann<br />

Kuhlmann-Schiller-Schneider, später<br />

Kuhlmann & Schneider, wurden<br />

die Regionalentwicklung und das<br />

LAG-Management von 2003 bis<br />

131


132<br />

2012 landkreisübergreifend für<br />

Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld<br />

betrieben. Gefördert wurde es zunächst<br />

über das bayerische Wirtschaftsministerium,<br />

in den <strong>Jahre</strong>n<br />

2007 bis 2008 über LEADER, danach<br />

wieder über das bayerische<br />

Wirtschaftsministerium. Seit 2013<br />

führen die beiden Landkreise Bad<br />

Kissingen und Rhön-Grabfeld ihr<br />

Regionalmanagement in getrennten,<br />

jeweils eigenen Strukturen. Das<br />

Regionalmanagement Rhön-Grabfeld<br />

wurde mit einer festen Stelle<br />

verstetigt und in der Stabsstelle<br />

Kreisentwicklung angesiedelt. Inzwischen<br />

entwickelte es sich weiter<br />

zum Sachgebiet Nachhaltige Regionalentwicklung,<br />

gegründet im April<br />

2021. Heute sind hier weitere Fachbereiche<br />

der Nachhaltigkeit, wie die<br />

staatlich anerkannte bayerische<br />

Öko-Modellregion, Gartenkultur und<br />

Landespflege sowie Arten- und Klimaschutz,<br />

integriert.<br />

Wichtige Partner im Regionalmanagement<br />

sind der Verein Naturpark<br />

& Biosphärenreservat Bayerische<br />

Rhön e.V. und die Rhön<br />

GmbH als landkreisübergreifende<br />

Projektträgerstrukturen sowie das<br />

UNESCO-Biosphärenreservat Rhön<br />

mit der Bayerischen Verwaltungsstelle<br />

und zahlreiche regionale und<br />

landkreisübergreifend wirkende Akteure<br />

und Initiativen auf kommunaler<br />

oder bürgerschaftlicher Ebene.<br />

Da sich inzwischen alle Kommunen<br />

des Landkreises in insgesamt vier<br />

kommunalen Allianzen zusammengefunden<br />

haben, findet ein kontinuierlicher<br />

Austausch auch über die<br />

Lenkungsgruppen der Allianzen mit<br />

dem Regionalmanagement statt.<br />

Damit geht die Regionalentwicklung<br />

im Landkreis stets in enger Abstimmung<br />

mit den kleinräumigeren<br />

Entwicklungen auf Allianz- oder einzelkommunaler<br />

Ebene einher.<br />

Aufgaben und Tätigkeiten des Regionalmanagements<br />

sind bis heute<br />

im Wesentlichen:<br />

• Beratung von Projektträgern<br />

bzw. Projektbetreuung von der<br />

ersten Idee über die Entwicklung<br />

einer passgenauen Umsetzungs-<br />

und ggf. Förderantragsreife<br />

bis zur nachhaltigen<br />

Umsetzung und Fortführung;


dies ggf. unter Einbeziehung<br />

von Fördermitteln (v. a. LEA-<br />

DER, aber auch weitere) mit<br />

förderkonformer Abwicklung<br />

sowie Beteiligung von Fachstellen<br />

• Netzwerkberatung zur Integration<br />

verschiedener Projekte in<br />

die Regionalentwicklung<br />

• Öffentlichkeitsarbeit und<br />

Bewusstseinsbildung für<br />

regionale Themen (Regionalkonferenzen,<br />

Workshops,<br />

Projektbereisungen, Projektausstellungen,<br />

Pressearbeit)<br />

• Netzwerkarbeit mit regionalen<br />

und überregionalen Initiativen<br />

(z. B. LAGen deutschland- und<br />

EU-weit, kommunale Allianzen,<br />

Öko-Modellregion, Rhön GmbH,<br />

UNESCO-Biosphärenreservat<br />

Rhön, Naturpark & Biosphärenreservat<br />

Bayer. Rhön, Fachbehörden,<br />

Universitäten u.v.m.)<br />

• Evaluierung und Erfolgskontrolle<br />

Die Erfolge und Ergebnisse der<br />

Regionalentwicklung über Regional-<br />

und LAG-Management lassen<br />

sich am besten an den vielfältigen<br />

Projekten ablesen, die während der<br />

bisher vier LEADER-Förderperioden<br />

von 2003 bis 2022 entstanden sind<br />

(Beispiele siehe unten). In Summe<br />

handelt es sich dabei für das Gebiet<br />

des Landkreises Rhön-Grabfeld um<br />

über 130 Einzel- und Kooperationsprojekte<br />

(überwiegend, aber nicht<br />

nur LEADER-Projekte) mit einem<br />

Gesamtprojektvolumen von über<br />

26 Mio. Euro bei einem Fördermitteleinsatz<br />

allein über LEADER von<br />

ca. 6,5 Mio. Euro. Oftmals konnten<br />

mehrere Förderprogramme in Kombination<br />

genutzt werden, so dass<br />

aus einer z. B. <strong>50</strong>-Prozent-Förderung<br />

der EU- eine bis zu 90-prozentige<br />

Förderung für den Projektträger<br />

erreicht werden konnte. Im Durchschnitt<br />

führte 1 „LEADER-Euro“ zu<br />

etwa 2 Euro aus weiteren Fördermitteln<br />

und insgesamt ca. 6 Euro<br />

Gesamtinvest pro Projekt.<br />

Ein überregionaler Erfolg war die<br />

Auszeichnung des gemeinsamen<br />

Regionalmanagements Bad Kissingen/Rhön-Grabfeld<br />

als „Bayerns<br />

Regionalmanagement des <strong>Jahre</strong>s<br />

2010“ durch das bayerische Wirtschaftsministerium.<br />

Das Wettbe-<br />

133


134<br />

werbsthema lautete „Innovation“.<br />

Gründe für die Auszeichnung waren<br />

unter anderem die Entwicklung<br />

neuer Bürgerbeteiligungsformate,<br />

wie Projektbereisung und Regionalkonferenzen,<br />

aber auch die erstmalige<br />

Entwicklung von Antragshilfen<br />

für LEADER-Antragsteller, die in<br />

der Folge seitens des zuständigen<br />

Landwirtschaftsministeriums übernommen<br />

wurden. Als Preis konnte<br />

nicht nur eine Urkunde in Empfang<br />

genommen werden: Im Jahr 2011<br />

konnte eine Regionalkonferenz unter<br />

Finanzierung des Wirtschaftsministeriums<br />

unter dem Titel<br />

„Standortfaktoren für erfolgreiche<br />

Regionen – Impulse für den ländlichen<br />

Raum“ durchgeführt werden.<br />

Schirmherr und Teilnehmer war<br />

Martin Zeil, damaliger Staatsminister<br />

für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr<br />

und Technologie.<br />

LEADER+ (Förderperiode<br />

2002-<br />

2006/2008)<br />

Die Region Rhön-<br />

Grabfeld befasste sich zunächst<br />

vor allem mit der Verbesserung<br />

der Lebensqualität und der Steigerung<br />

der Bekanntheit von Rhön und<br />

Grabfeld auch im überregionalen<br />

Kontext. Hierzu wurde vor allem die<br />

länderübergreifende Zusammenarbeit<br />

mit den Rhöner Landkreisen<br />

in Bayern, Hessen und Thüringen intensiviert.<br />

Es entstanden die Regionale<br />

Arbeitsgemeinschaft (ARGE)<br />

Rhön und in der Folge die länderübergreifende<br />

Dachmarke Rhön.<br />

Wegweisende LEADER-Projekte<br />

aus dieser Zeit:<br />

Etablierung eines länderübergreifenden<br />

Dachmarken-Qualitätssystems<br />

für die Gastronomie (sichtbar<br />

hier an den max. 3 erreichbaren Silberdisteln<br />

für Regionalität).


Entwicklung des Premiumwanderwegs<br />

DER HOCHRHÖNER® mit<br />

seinen ersten Extratouren.<br />

135<br />

Auf Landkreisebene entstanden die<br />

Kulturagentur Rhön-Grabfeld sowie<br />

das Kreiskulturzentrum Kunst<br />

und Kultur – Kloster Wechterswinkel.<br />

Die Kulturagentur managt seit<br />

2008 den Betrieb des Kreiskulturzentrums<br />

sowie der Kreisgalerie<br />

in Mellrichstadt. Sie ist ein weithin<br />

einmaliges Beispiel für eine derartige<br />

Einrichtung eines Landkreises in<br />

Deutschland.<br />

Am Schullandheim und Jugendhaus<br />

Thüringer Hütte errichtete das<br />

Bischöfliche Ordinariat Würzburg<br />

mit seiner Außenstelle Diözesanbüro<br />

Bad Neustadt den Franziskusweg.<br />

Gestaltet wurde er von<br />

Schülern der Holzbildhauerschule<br />

Bischofsheim und engagierten regionalen<br />

Akteuren über das Diözesanbüro<br />

Bad Neustadt. Der Weg<br />

wurde zum einen als spirituelle Ergänzung<br />

zum Angebot des Schullandheims<br />

entwickelt, zum anderen<br />

als Lebens- und Besinnungsweg für<br />

Einheimische und Gäste der Rhön.<br />

(Foto: Hanns Friedrich)


136<br />

Die genannten Beispiele stehen für<br />

zahlreiche weitere kulturelle und<br />

touristische Projekte aus dieser<br />

Zeit, die heute noch Bestand haben.<br />

Erwähnt seien hier außerdem z. B.<br />

verschiedene Themenmuseen (u. a.<br />

Neuausrichtung Orgelbaumuseum<br />

und neues Kirchenburgmuseum<br />

Ostheim, Museum für Grenzgänger<br />

Bad Königshofen), das Marketingkonzept<br />

Bäderland Bayerische<br />

Rhön und das Radwanderwegekonzept<br />

Rhön-Grabfeld.<br />

Sämtliche Einzel- und Kooperationsprojekte<br />

aus dieser Förderperiode<br />

sind in einer gemeinsamen Broschüre<br />

mit dem Regionalmanagement<br />

des Landkreises Bad Kissingen erläutert,<br />

downloadbar auf der Homepage<br />

der LAG Rhön-Grabfeld unter<br />

www.lag-rhoen-grabfeld.de.<br />

Ein gelungenes<br />

Netzwerkprojekt<br />

ist der Zusammenschluss<br />

der<br />

meisten regionalen Brauereien<br />

zur Initiative „Wir sind Rhöner Bier“<br />

– inzwischen bereits länderübergreifend<br />

ein Qualitäts- und Herkunftsversprechen<br />

der Region.<br />

LEADER in ELER<br />

(2007-2013/2015)<br />

In dieser Förderperiode<br />

entwickelten sich<br />

die Schwerpunkte<br />

weiter. So wurden die regionalen<br />

Produkte und Angebote weiter verfeinert<br />

und besser vermarktet, also<br />

touristisch in Wert gesetzt.<br />

Die Geschichte der Landnutzung<br />

im Neustädter Becken wurde über<br />

Ausgrabungen der Universität Jena<br />

untersucht, aus der das anschauliche<br />

Bildungs- und Tourismusprojekt<br />

„Pfalzgebiet Salz und Veitsberg“<br />

entstand. Es ist ein Beispiel<br />

eines sich stetig weiterentwickelnden<br />

Projektes, das nun schon über<br />

mehrere Förderperioden läuft und<br />

zu neuen Projekten, wie dem „Lebendigen<br />

Geschichtsmodell Pfalz“


(Förderperiode 2014-2023), und<br />

möglicherweise zu einer musealen<br />

Ausstellung in der neuen Förderperiode<br />

2023-2027 führt. (Foto: Michael<br />

Weiß)<br />

men in Bayern ist der Verein Naturpark<br />

& Biosphärenreservat Bayer.<br />

Rhön e.V. Ein Highlight war die Errichtung<br />

eines Schaustollens am<br />

Bauersberg (finanziert mit anderen<br />

Mitteln), an den sich ein Naturlehrpfad<br />

mit Hilfe von LEADER in ELER<br />

angliedert. Das Foto zeigt den Eingang<br />

zum Schaustollen mit einer<br />

Infotafel des Lehrpfads.<br />

137<br />

Im länder- bzw. landkreisübergreifenden<br />

Kooperationsprojekt<br />

„Rhöner Geologie erleben“ mit<br />

Hessen und dem Landkreis Bad<br />

Kissingen wurden die Besonderheiten<br />

der Rhöner Geologie mit Basalt,<br />

Muschelkalk, Buntsandstein etc.<br />

mit Hilfe von Lehrpfaden, Internetinformationen,<br />

Ausstellungen und<br />

Broschüren den Gästen der Rhön<br />

nahegebracht. Das länderübergreifende<br />

Konzept wurde federführend<br />

über den hessischen Verein Natur-<br />

und Lebensraum Rhön e.V. entwickelt.<br />

Träger und noch heutiger<br />

Betreiber der Umsetzungsmaßnah-<br />

Die Holzschnitzkunst wird landkreisübergreifend<br />

mit Bad Kissingen in<br />

mehreren Projekten unter dem Titel<br />

SCHNITZ|STAND|ORT|Rhön gewürdigt,<br />

visualisiert z. B. im neu angelegten<br />

Kunstanger in Langenleiten.<br />

Träger sind jeweils die Kommunen,


138<br />

hier also die Gemeinde Sandberg.<br />

Wichtige Partner sind v. a. die regionalen<br />

Bildhauer und Holzschnitzer.<br />

Neben der Entwicklung der Region<br />

zur touristischen und kulturellen<br />

Qualitätsregion gelangten aber in<br />

den Ortskernen die zunehmenden<br />

Leerstände von Gebäuden ins Bewusstsein<br />

von Kommunen und<br />

Bevölkerung. Auch der Landkreis<br />

nahm sich des Themas als Herausforderung<br />

an und wurde zur Unterstützung<br />

der Kommunen ebenfalls<br />

tätig, indem er ein Innenentwicklungsmanagement<br />

zu deren Beratung<br />

einführte. Mit der zunehmenden<br />

Erstarkung der kommunalen<br />

Allianzen wurde dieses Thema nach<br />

Anfangserfolgen zurückverlagert in<br />

die kommunale Hauptzuständigkeit.<br />

In Erinnerung ist bis heute die<br />

erfolgreiche Baumesse „So wird saniert!“<br />

in Rödles, bei der Sanierungsberatung<br />

und eine Leistungsschau<br />

regionaler Betriebe im Sanierungsbereich<br />

im Vordergrund standen.<br />

Ein weiterer Ansatz, um die Lebensqualität<br />

der Region zu steigern<br />

und für Ansiedlung bzw. Dableiben<br />

von Menschen weitere Anreize zu<br />

schaffen, sind besondere Angebote<br />

im Bildungsbereich. Nachdem<br />

das „Rhöniversum“ als Dreiklang<br />

der Bildungsträger Schullandheim<br />

und Jugendhaus Thüringer Hütte,<br />

Umweltbildungsstätte Oberelsbach<br />

und Schullandheim Bauersberg gegründet<br />

war, investierte die Diözese<br />

in ihr Schullandheim an der Thüringer<br />

Hütte mit Hilfe von LEADER<br />

und baute ein Energiehaus und ein<br />

Erdhaus auf dem dortigen Gelände.<br />

Damit wurde die Einrichtung ihrer


Vorreiterrolle in der technischen<br />

Umweltbildung gerecht und konnte<br />

in vielen Modulen das Ausprobieren<br />

nachhaltiger Energienutzungsformen<br />

sowie eine „erdverbundene“<br />

neue Übernachtungsmöglichkeit<br />

anbieten. Leider ist heute die Zukunft<br />

dieser Einrichtung ungewiss,<br />

da sich der damalige Träger (Diözese<br />

Würzburg) jüngst aus dem Weiterbetrieb<br />

zurückzog. Das Bild zeigt<br />

das Erdhaus kurz vor der Fertigstellung<br />

2012.<br />

Auch die Projekte dieser Förderperiode<br />

sind in einer gemeinsamen<br />

Broschüre mit dem Regionalmanagement<br />

des Landkreises Bad<br />

Kissingen erläutert. Wie die erste<br />

Broschüre ist auch sie downloadbar<br />

über die Homepage der LAG<br />

Rhön-Grabfeld unter www.lag-rhoen-grabfeld.de.<br />

LEADER<br />

2014-2022/25<br />

Aktuell befinden wir<br />

uns in der auslaufenden<br />

Förderperiode<br />

2014 bis 2022. War sie ursprünglich<br />

wie üblich auf sieben <strong>Jahre</strong>, also<br />

bis 2020, ausgerichtet, so wurde<br />

sie aufgrund der Corona-Pandemie<br />

und der daraus folgenden Umsetzungsschwierigkeiten<br />

zweimal um<br />

ein Jahr, also letztlich bis 2022, verlängert.<br />

Die folgende Förderperiode<br />

ab 2023 wird entsprechend verkürzt,<br />

um wieder in den Sieben-<strong>Jahre</strong>s-Rhythmus<br />

zu kommen. Sie wird<br />

daher nur bis 2027 reichen. Die Förderung<br />

2022 in der alten Förderperiode<br />

geschieht bereits im Vorgriff<br />

auf die Mittel der neuen Förderperiode.<br />

Blickt man auf die bisher angelaufenen<br />

und abgeschlossenen<br />

Projekte der aktuell<br />

139


140 noch laufenden Förderperiode<br />

zurück, so lassen sich neben den<br />

klassischen Themen wie Tourismus<br />

und Kultur neue Schwerpunkte<br />

erkennen. So wurde verstärkt auf<br />

die Teilhabe aller Menschen geachtet<br />

– mehrere inklusive Projekte<br />

sowie Jugendprojekte wurden umgesetzt.<br />

Auffällig war außerdem die<br />

hohe Beteiligung von Vereinen, also<br />

Menschen im Ehrenamt, unter den<br />

Projektträgern. Damit wird deutlich,<br />

dass sich die Menschen in Zeiten<br />

von Nöten wieder mehr auf das lokale<br />

Miteinander besinnen und sich<br />

aufeinander verlassen. Das stimmt<br />

optimistisch für die Zukunft.<br />

Herauszuheben ist z. B. das Kooperationsprojekt<br />

„Inklusion durch<br />

Sport in Strahlungen“ zwischen<br />

dem Fußballverein FC Strahlungen<br />

und den Einrichtungen der Lebenshilfe<br />

Rhön-Grabfeld und des<br />

Dominikus-Ringeisen-Werkes<br />

in Maria<br />

Bildhausen. Das Eröffnungsspiel<br />

auf<br />

dem neuen Kunstrasen<br />

bestritten<br />

„Prominente“ gemeinsam mit Menschen<br />

mit Handicap.<br />

Ein weiteres Projekt widmet sich<br />

der Teilhabe beeinträchtigter Menschen,<br />

nämlich der neue „Inklusive<br />

Pavillon der Bienenkunde“ des<br />

Imkervereins Bad Königshofen und<br />

Umgebung. Dieser Verein hatte<br />

schon zu Beginn dieser Förderperiode<br />

ein hochinnovatives Projekt<br />

umgesetzt, das „Apiair-Therapiezentrum<br />

Rhön-Grabfeld“ mit der gesundheitsfördernden<br />

Nutzung der<br />

Bienenstockluft. Der TSV Großbardorf<br />

spricht gezielt den jugendlichen<br />

Nachwuchs mit seinem<br />

Projekt „Fußball-Förderzentrum<br />

Rhön-Grabfeld“ an.<br />

Aufwertung der Infrastruktur und<br />

nachhaltige Entwicklung des Umfelds<br />

am Badesee Irmelshausen:<br />

Unter anderem wurde der Kiosk<br />

umgebaut und saniert und das Um-


feld am See mit Wasserspielplatz<br />

und einem neuen Badesteg ausgestattet<br />

(Bild). Projektträger ist die<br />

Gemeinde Höchheim.<br />

Auffällig ist in dieser Förderperiode,<br />

dass die Menschen Treffpunkte<br />

zum Zusammenkommen suchen.<br />

So entstand in Langenleiten, in einem<br />

Gemeinschaftsprojekt der lokalen<br />

Bevölkerung, das „Dorfhaus<br />

Langenleiten – Ein Haus für Alle“<br />

und in Strahlungen wurde aus der<br />

ehemaligen Mehrzweckhalle ein<br />

neues „Seniorengerechtes Bürgerzentrum“.<br />

In Rappershausen<br />

wird zudem das ehemalige Pfarrhaus<br />

umgenutzt zu einem neuen<br />

Übernachtungshaus des Schullandheims,<br />

das auch den örtlichen<br />

Vereinen zur Verfügung steht. In<br />

beiden letztgenannten Projekten<br />

wird zudem das Thema Innenentwicklung<br />

durch die Nachnutzung<br />

bestehender Gebäude vorbildlich<br />

bespielt.<br />

Alle Projekte der aktuellen Förderperiode<br />

sind auf der Homepage<br />

der LAG Rhön-Grabfeld unter www.<br />

lag-rhoen-grabfeld.de mit Projektsteckbriefen<br />

hinterlegt.<br />

Fazit<br />

Mit den aktuellen globalen und lokalen<br />

Herausforderungen unserer<br />

Zeit sind innovative Strategien und<br />

Maßnahmen gefordert, die zu ihrer<br />

Umsetzung neben engagierten Akteuren<br />

nach wie vor ausreichend<br />

(öffentliche) Finanzmittel benötigen.<br />

Zunehmend finden sich auch<br />

außerhalb von LEADER Finanzierungsinstrumente,<br />

die hier effizient<br />

angewendet werden können. Die<br />

Stabsstelle Kreisentwicklung mit u.<br />

a. Regionalmanagement und LAG-<br />

Management hilft Antragstellern<br />

durch den immer dichter werdenden<br />

Förderdschungel. Mit den neuen<br />

globalen Themen verflechten sich<br />

seit einigen <strong>Jahre</strong>n dabei LAG- und<br />

141


142<br />

Regionalmanagement-Tätigkeiten<br />

auch im Energie-, Klima- und Naturschutzbereich<br />

zunehmend mit weitergehenden<br />

Aktivitäten regionaler<br />

Akteure. Die Fachmanagements<br />

des Landkreises werden somit immer<br />

mehr zum Netzwerkpartner<br />

auf verschiedenen regionalen und<br />

überregionalen Ebenen. Bereits für<br />

die nahe Zukunft wird es spannend<br />

sein, in der Arbeit mit neuen Akteuren,<br />

wie den Energieagenturen und<br />

-beratern, dem Biodiversitätszentrum<br />

des Landesamts für Umwelt<br />

oder der sich gerade neu profilierenden<br />

Bayerischen Verwaltungsstelle<br />

des UNESCO-Biosphärenreservats<br />

Rhön, zukunftsweisende<br />

Strategien und Maßnahmen zu finden,<br />

um den Landkreis und die Region<br />

Rhön-Grabfeld als lebens- und<br />

liebenswerte Heimat für Mensch<br />

und Natur zu erhalten und nachhaltig<br />

weiterzuentwickeln.<br />

Verwendete Quellen<br />

Fotos, soweit nicht anders angegeben: ©Ursula<br />

Schneider<br />

Copyright der Logos und Grafiken bei den jeweiligen<br />

Trägern.<br />

Regionales Entwicklungskonzept LEADER+ Lokale<br />

Aktionsgruppe Rhön-Grabfeld (2002-2006)<br />

Regionales Entwicklungskonzept LEADER+ Lokale<br />

Aktionsgruppe Rhön-Grabfeld (2007-2013)<br />

Lokale Entwicklungsstrategie (LES) mit Integrierten<br />

räumlichen Entwicklungsmaßnahmen (IRE) Lokale<br />

Aktionsgruppe Rhön-Grabfeld e.V. (2014-2020)<br />

Lokale Entwicklungsstrategie (LES) LAG Rhön-Grabfeld<br />

e.V. (2023-2027)<br />

https://enrd.ec.europa.eu/leader-clld/leader-resources/leader-historical-resources_de<br />

European<br />

Network for Rural Development (ENRD) Historische<br />

Quellen von LEADER<br />

https://de.wikipedia.org/wiki/LEADER Geschichte von<br />

LEADER 1991-2027<br />

https://dserver.bundestag.de/brd/1997/D143+97.<br />

pdf Entschließung über die Entwicklungsprobleme<br />

und Strukturinterventionen in Deutschland 1994-1999<br />

(Unterrichtung der Europäischen Union, <strong>Druck</strong>sache<br />

143/94 des Deutschen Bunderats am 03.03.1997)<br />

https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/<br />

de/IP_93_1228 Ziel 5b im Zeitraum 1994-1999 –<br />

Grundsatzentscheidung der Kommission zur Liste der<br />

Förderfähigen Gebiete (IP/93/1228)


143


144<br />

STARKE KULTUR. NEUE WEGE DER<br />

KULTURARBEIT IM LÄNDLICH<br />

GEPRÄGTEN RAUM AM BEISPIEL<br />

DER KULTURAGENTUR DES LAND-<br />

KREISES RHÖN-GRABFELD<br />

DR. ASTRID HEDRICH-SCHERPF &<br />

SOPHIA MOHR<br />

„KULTURELLE VIELFALT<br />

UND DIE KÜNSTE IN ALLEN<br />

IHREN AUSDRUCKSFOR­<br />

MEN SIND UNVERZICHT­<br />

BAR FÜR EINE LEBENDIGE<br />

DEMOKRATIE“, 1<br />

1 Christoph Thoma, Julia Bitsche: „Kulturverwaltung<br />

im Wandel“, in: Handbuch Kulturmanagement,<br />

Ausgabe 80 | 2022, S. 27<br />

für unser Zusammenleben und unser<br />

Wohlbefinden. Kultur als Wert<br />

zu formulieren, diesen gemeinsam<br />

zu bewahren und zu vermitteln sowie<br />

jedermann zugänglich zu machen,<br />

ist dem Landkreis Rhön-Grabfeld<br />

ein wichtiges Anliegen.<br />

Daher geht man seit vielen <strong>Jahre</strong>n<br />

in Sachen Kulturarbeit und Kulturförderung<br />

eigene, neue Wege. Was als<br />

Pilotprojekt für eine ländlich strukturierte<br />

Region im Jahr 2006 mit<br />

Hilfe von LEADER gestartet wurde,<br />

ist heute, nach 17 <strong>Jahre</strong>n, ein fester<br />

Bestandteil der Kulturarbeit im Landkreis:<br />

die Kulturagentur. Darunter ist<br />

ein umfassendes wie flächende-


ckendes Kulturmanagement zu verstehen,<br />

das nicht nur für ein Projekt,<br />

für eine Kultureinrichtung oder für<br />

eine Kultursparte zuständig ist, sondern<br />

die Rahmenbedingungen für<br />

kulturelle Aktivitäten auf breiter Basis<br />

im gesamten Landkreis geschaffen<br />

hat, schafft und ausbaut.<br />

Seit einigen <strong>Jahre</strong>n steht die „Kultur<br />

in ländlichen Regionen“ auch<br />

bundesweit im Fokus. Die Kulturstiftung<br />

des Bundes hat 2015 mit<br />

dem Förderprogramm „TRAFO –<br />

Modelle für Kultur im Wandel“ ein<br />

Strukturprogramm gestartet, bei<br />

dem in Modellregionen u. a. die<br />

gesellschaftliche Wirkung von projektunabhängiger<br />

Kulturförderung<br />

erforscht wird. 2 Der Deutsche Kulturrat<br />

veröffentlichte 2022 das Dossier<br />

„Land-Art(?) – Kultur in ländlichen<br />

Räumen“ 3 und betont u. a. die<br />

Bedeutung von Vernetzung und Mitgestaltung<br />

in der Kulturarbeit. Die<br />

kulturpolitische Gesellschaft griff<br />

die Förderung der Kultur in länd-<br />

lichen Räumen 2022 als Schwerpunkt<br />

in ihren kulturpolitischen Mitteilungen<br />

4 auf.<br />

„Der ländliche Raum“ wird in den<br />

Veröffentlichungen als Oberbegriff<br />

für sehr unterschiedliche Regionen<br />

genutzt, die aber meist eines vereint:<br />

eine ausbaufähige kulturelle<br />

Infrastruktur und eine oftmals von<br />

Ehrenamtlichen getragene Kulturarbeit.<br />

Klar scheint für alle zu sein,<br />

dass eine breit gefächerte Kulturlandschaft<br />

das Potenzial hat, die<br />

Lebensqualität und die Attraktivität<br />

einer Region zu steigern 5 .<br />

Dass die Diskussion über und die<br />

Ideenentwicklung für die Kulturarbeit<br />

außerhalb der großen Städte<br />

zunimmt, bestätigt die Gründungsidee<br />

der Kulturagentur Rhön-Grabfeld.<br />

Sie ist in diesem Zusammenhang<br />

nicht nur ein weiteres, sondern<br />

aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung<br />

ein außerordentliches Beispiel<br />

für die Kulturförderung in ländlich<br />

strukturierten Räumen.<br />

145<br />

2 https://www.trafo-programm.de/2415_programm/2558_ber-trafo<br />

3 Olaf Zimmermann und Theo Geisler (Hrsg.): Politik<br />

& Kultur Dossier – „Land-Art(?) – Kultur in ländlichen<br />

Räumen“<br />

4 Kulturpolitische Gesellschaft e.V. (Hrsg.): Kulturpolitische<br />

Mitteilungen, Nr. 179, IV/2022<br />

5 Georg Lunemann: „Lebensqualität und Attraktivität“,<br />

in: Dossier „Land-Art(?) – Kultur in ländlichen<br />

Räumen“, S. 9


146<br />

Gleichzeitig kann sich die Kulturagentur<br />

an den aktuellen Erkenntnissen<br />

aus den Bundesprogrammen<br />

und der begleitenden<br />

Forschung orientieren und sich<br />

weiterentwickeln. Gemeinsam mit<br />

den Kulturakteuren im Landkreis<br />

Rhön-Grabfeld können immer wieder<br />

neue Wege geebnet werden, um<br />

den immer wieder neuen Herausforderungen<br />

mit kreativen Ideen begegnen<br />

zu können.<br />

Die Aufgaben der Kulturagentur<br />

Der Landkreis Rhön-Grabfeld stellt<br />

flächenmäßig einen relativ großen<br />

Landkreis dar, mit zahlreichen kulturell<br />

aktiven Kommunen. Dazu<br />

verfügt der Landkreis über ein vielfältiges<br />

und facettenreiches Kulturangebot.<br />

In allen 37 Gemeinden<br />

ist eine rege Vereinstätigkeit (Musik-<br />

und Gesangsvereine, Chöre,<br />

Tanz- und Theatergruppen, Mundart<br />

u.a.) und damit eine aktive, bürgerorientierte<br />

Kulturarbeit gegeben.<br />

Es gibt eine Berufsfachschule für<br />

Musik, eine Kreismusikschule, eine<br />

Kreisgemäldegalerie und 25 museale<br />

Einrichtungen, zwei tatkräftige<br />

Volkshochschulen, einen ehrenamtlichen<br />

Kulturreferenten, eine engagierte<br />

und geschäftige Kreisheimatpflege,<br />

sowie einen Kunstverein.<br />

Dazu kommen die älteste Holzbildhauerschule<br />

in Deutschland sowie<br />

zahlreiche namhafte Bildhauerinnen<br />

und Bildhauer, Künstlerinnen<br />

und Künstler sowie viele engagierte<br />

Kulturschaffende. Es waren und<br />

sind vielfältige kulturelle Aktivitäten<br />

in der Region vorhanden, aber erst<br />

mit der Einrichtung der Kulturagentur,<br />

die im Landratsamt angesiedelt<br />

ist, steht eine übergeordnete Koordinierungsstelle<br />

und ein kompetenter<br />

Ansprechpartner zur Verfügung.<br />

Die Kulturagentur ist der Stabsstelle<br />

Kreisentwicklung zugeordnet<br />

und gehört damit zu dem Bereich<br />

Wirtschaft, Verkehr, Tourismus und<br />

Kultur. Schon die Ressortzuordnung<br />

zeigt ihren Stellenwert, denn<br />

die Kultur ist nicht, wie in vielen<br />

Landkreisen üblich, dem Ressort<br />

Schulen und Sport eingegliedert.<br />

Durch die Zugehörigkeit zur Stabsstelle<br />

Kreisentwicklung haben sich


für die Bedeutung der Kulturagentur<br />

in ihrer Entwicklung immer deutliche<br />

Vorteile ergeben. Mit konstruktiver<br />

Teamarbeit, schlanker Verwaltung,<br />

kurzen Dienstwegen und<br />

großer Handlungsfreiheit setzt sie<br />

die Grundlagen eines erfolgreichen<br />

Kulturmanagements um.<br />

Die Kulturagentur hat vielfältige<br />

Tätigkeitsfelder und Projekte, die<br />

sie bearbeitet, initiiert, organisiert,<br />

betreut, berät, plant und durchführt.<br />

Sie sieht ihre Aufgaben in den<br />

Bereichen Beratung, Vernetzung,<br />

Vermittlung und Kontaktpflege zu<br />

Kultureinrichtungen und Künstlern.<br />

Kernaufgabe der Kulturagentur ist<br />

es, regionale Strukturen zukunftsfähig<br />

zu gestalten, indem die kulturelle<br />

Infrastruktur verbessert,<br />

Kulturschaffende unterstützt, die<br />

sparten- und ortsübergreifenden<br />

Kooperationen verstärkt, junge<br />

Menschen zu kulturellem Engagement<br />

ermutigt und kulturelle Werte<br />

vermittelt werden. Zur Stärkung und<br />

Entwicklung der Region im kulturellen<br />

und kulturtouristischen Sektor<br />

tragen u. a. der Kulturkalender für<br />

die Region Rhön-Grabfeld, die Projektbeteiligungen<br />

an Kooperationen<br />

mit anderen kulturellen Einrichtungen,<br />

die eigenen Reihen „Kulturzeit<br />

Rhön-Grabfeld“ (ehemals Fränkische<br />

Woche) und „Rhöner Krippenweg“<br />

sowie die Bespielung des<br />

Kreiskulturzentrums Kloster Wechterswinkel<br />

wesentlich bei. Durch<br />

richtungsweisende Impulse und die<br />

Schaffung dauerhafter Strukturen<br />

werden weiche Standortfaktoren<br />

etabliert.<br />

Als eine „Institution, die jemanden,<br />

etwas vertritt, jemanden, etwas vermittelt“<br />

6 vertritt die Kulturagentur<br />

alle Kulturschaffenden im Landkreis.<br />

So ist die Beratung und Betreuung<br />

von Künstlerinnen und<br />

Künstlern, Kulturschaffenden, kulturellen<br />

Einrichtungen, Vereinen,<br />

Schulen und Museen und deren<br />

Projekten eine zentrale Aufgabe.<br />

Dazu gehören z.B. das Bruder Franz<br />

Haus am Kreuzberg und das Rhönmuseum<br />

in Fladungen, denen die<br />

Kulturagentur bei Ausstellungen<br />

und Konzeption sowie Förderung<br />

beratend zur Seite steht.<br />

6 www.duden.de/Agentur<br />

147


148<br />

KulturKalender<br />

KULTURAGENTUR<br />

Rhön-Grabfeld<br />

Rhön-Grabfeld<br />

Frühling 2023 März | April | Mai<br />

Unterstützung<br />

bietet die Kulturagentur unter anderem<br />

im Bereich Kommunikation.<br />

Der Kulturkalender ist der kulturelle<br />

Veranstaltungskalender der Region<br />

Rhön-Grabfeld. Die Printversion<br />

erscheint vierteljährlich in einer<br />

<strong>Auflage</strong> von 10.000 Stück. Die Veranstaltungsmeldungen<br />

liegen inzwischen<br />

bei rund <strong>50</strong>0 Datensätzen<br />

(Online-Anmeldung) und können<br />

von Städten und Gemeinden, kulturellen<br />

Einrichtungen, Vereinen und<br />

Privatpersonen aus dem Landkreis<br />

kostenfrei eingestellt werden. Bei<br />

der Verteilung des Kulturkalenders<br />

wird gezielt an Städte, Gemeinden,<br />

Banken, Tourismus-Informationen<br />

und Gastgeber der Region sowie<br />

auch an kulturelle Einrichtungen,<br />

Kulturschaffende und Kulturinteressierte<br />

regional und überregional<br />

herangetreten. Die Kulturagentur<br />

konzentriert sich dabei auf einen<br />

Aktionsradius bis zu 1<strong>50</strong> km. Mit<br />

dem Kulturkalender bietet die Kulturagentur<br />

eine bewährte und beliebte<br />

Publikation und unterstützt<br />

die Öffentlichkeitsarbeit der Kulturschaffenden<br />

und Kulturveranstalter<br />

in der Region. Hinzu kommen die digitalen<br />

Kommunikationskanäle der<br />

Kulturagentur, wie der Online-Kulturkalender,<br />

die Social-Media-Kanäle<br />

und ein Newsletter, die das Kulturangebot<br />

im gesamten Landkreis<br />

vorstellen. So werden Ressourcen<br />

gebündelt und der Landkreis tritt als<br />

gemeinsame Kulturregion auf. Alle<br />

einzelnen Beteiligten profitieren dabei<br />

von einer durch den Zusammenschluss<br />

potenzierten Sichtbarkeit<br />

und Aufmerksamkeit.<br />

Die Kulturagentur tritt zudem als<br />

Vermittler, Moderator und Koordinator<br />

auf und setzt sich für eine<br />

landkreisweite und -übergreifende<br />

Vernetzung ein. Ein langfristiges<br />

Ziel ist es, eine anpassungsfähige<br />

regionale Plattform zu institutionalisieren,<br />

„die im Dialog mit den kulturellen<br />

Akteur*innen […] Zielperspektiven<br />

entwickelt und kulturelle<br />

Entwicklung gestaltet“ 7 .<br />

7 Friederike Ankele, Dr. Johannes Crückeberg, Dr. Elke<br />

Flake, Georg Halupczok, Dr. Gabriele Heinen-


Ein erster Schritt war die Einrichtung<br />

des „Kulturstammtisches“. Mit<br />

der Pandemie 2020 stellten sich<br />

neue Herausforderungen für die<br />

Kulturagentur. Um in der Krisenzeit<br />

im regen Austausch mit den Kulturschaffenden<br />

stehen zu können, initiierte<br />

die Kulturagentur regelmäßige<br />

virtuelle Treffen, die „Kulturstammtische“.<br />

Damit wurde ein Raum geschaffen,<br />

in dem sich die Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer über die<br />

aktuellen Probleme und Herausforderungen<br />

für den Kulturbereich<br />

austauschen können. Gleichzeitig<br />

werden auch neue Ideen und Formate<br />

vorgestellt und gemeinsame<br />

landkreisweite Lösungen ange-<br />

Kljajić, Olaf Martin, Dr. Henning Mohr, Sina-Mareike<br />

Schulte: „Plädoyer für eine transformative<br />

Kulturpolitik“, in: Kulturpolitische Mitteilungen,<br />

II/2022, Nr. 177, S. 63<br />

strebt. Eingeladen sind alle Kulturschaffenden<br />

aus dem Landkreis,<br />

Museen, Konzertveranstalter sowie<br />

kulturtouristische Anbieter, die Berufsfachschule<br />

für Musik und die<br />

Kreismusikschule.<br />

Eine zusätzliche Aufgabenstellung<br />

während der LEADER-Förderphase<br />

der Kulturagentur (2006 bis 2008)<br />

war die modellhafte Entwicklung<br />

von Kulturevents. Daraus haben<br />

sich zwei bedeutende Veranstaltungsreihen<br />

entwickelt. Sie sind<br />

inzwischen zu festen, wiederkehrenden<br />

Kulturereignissen geworden.<br />

Die „Kulturzeit Rhön-Grabfeld“<br />

(ehemals „Fränkische Woche“) findet<br />

alle zwei <strong>Jahre</strong> landkreisweit<br />

statt und dient dazu, das kulturelle<br />

Selbstverständnis, die lebendigen<br />

Traditionen und Eigenheiten der<br />

Region herauszustellen und zu stärken.<br />

Zu den bisher stattgefundenen<br />

Themenwochen gehören unter anderem<br />

Volksmusik, mundartliches<br />

Theater, Sagen und Mythen, Burgen<br />

und Schlösser, Trachten in Rhön-<br />

Grabfeld und das Projekt „Wir sind<br />

Rhöner Bier“.<br />

149


1<strong>50</strong><br />

Die zweite Veranstaltungsreihe ist<br />

der „Rhöner Krippenweg“. Auch er<br />

findet alle zwei <strong>Jahre</strong> statt und erstreckt<br />

sich vom ersten Adventswochenende<br />

bis zu Dreikönig. Im<br />

Mittelpunkt stehen hier besonders<br />

die Holzbilderhauerinnen und Holzbildhauer<br />

sowie Schnitzerinnen und<br />

Schnitzer der Region mit ihren regionalen<br />

Produkten, vor allem der<br />

Rhöner Krippe. Umrahmt wird der<br />

Rhöner Krippenweg durch ein mehrwöchiges<br />

Veranstaltungsprogramm<br />

mit Konzerten, Wanderungen, Vorträgen,<br />

Offenem Singen sowie adventlichem<br />

Basteln und Backen verteilt<br />

auf die jeweils teilnehmenden<br />

Orte im gesamten Landkreis.<br />

Um für beide Veranstaltungsreihen<br />

die Programme zu generieren, ruft<br />

die Kulturagentur zur Teilnahme<br />

auf und sammelt über den Kulturkalender<br />

alle infrage kommenden<br />

Veranstaltungsmeldungen der Kulturschaffenden<br />

und der Kommunen<br />

im Landkreis. Daraus entwickelt<br />

die Kulturagentur dann mit den Akteuren<br />

vor Ort die Programme für<br />

die Reihen „Rhöner Krippenweg“<br />

und „Kulturzeit Rhön-Grabfeld“. Im<br />

Rahmen der Veranstaltungsreihen<br />

treten die unterschiedlichen Kulturakteure<br />

gemeinsam auf, werden<br />

vernetzt und die Kulturlandschaft<br />

der Region wird als Einheit begreifbar.<br />

Für die Bürgerinnen und Bürger<br />

wird die Region kulturell wahrnehmbar<br />

und den Kulturschaffenden wird<br />

ein Orientierungspunkt angeboten. 8<br />

Ein weiteres langfristiges Ziel ist<br />

es, dieses in den Veranstaltungsreihen<br />

definierte regionale Kulturprofil<br />

zeitraumunabhängig zu positionieren<br />

und bei Bürgern, Besuchern und<br />

Kulturschaffenden gleichermaßen<br />

zu verankern.<br />

Im Laufe ihrer Tätigkeit wurde die<br />

Kulturagentur immer häufiger als<br />

Partner für Kooperationsprojekte<br />

herangezogen, vor allem bei großen<br />

Projekten mit überregionaler Bedeutung.<br />

Kooperationsprojekte waren<br />

in der ursprünglichen Konzeptionierung<br />

von 2006 nicht vorgesehen.<br />

Sie haben sich erst im Verlauf ergeben<br />

und als Glücksfall für alle<br />

Beteiligten erwiesen. Denn durch<br />

die Nutzung von Synergien anderer<br />

Kulturpartner konnten Events<br />

8 Christoph Thoma, Julia Bitsche: „Kulturverwaltung<br />

im Wandel“, in: Handbuch Kulturmanagement,<br />

Ausgabe 80 | 2022, S. 25


151<br />

realisiert werden, die alleine nicht<br />

hätten verwirklicht werden können.<br />

Nur durch Partner wurde eine Realisierung<br />

möglich. Zu den Kooperationsprojekten<br />

gehören u.a. zwei<br />

große Open-Air-Veranstaltungen,<br />

der „Salzburg Klassiker“ und die<br />

„Mellrichstädter Musiknacht“, sowie<br />

kulturelle Bildungsprojekte wie<br />

„Kultur macht stark“-Angebote oder<br />

die „SchulTheaterTage“.<br />

Schon bei den Kooperationsprojekten<br />

wird deutlich, dass die Kulturagentur<br />

nicht nur beratend und<br />

vermittelnd, sondern auch aktiv<br />

unterstützend tätig ist. Die Kulturagentur<br />

agiert als eigene Kultureinrichtung<br />

im regionalen Gefüge.<br />

Sie betreut die landkreiseigenen<br />

Kultureinrichtungen und stellt so<br />

Fix- und Knotenpunkte der kulturellen<br />

Infrastruktur der Region zur<br />

Verfügung. Mit dieser Doppelrolle,<br />

als Vermittler einerseits und Vertreter<br />

der eigenen Kultureinrichtungen<br />

andererseits, geht durchaus ein<br />

Konfliktpotenzial einher. Gleichzeitig<br />

wird die enge Vernetzung und<br />

eine Begegnung auf Augenhöhe<br />

erleichtert. Die Kulturagentur kann<br />

das Denken und Handeln „weg von<br />

den Belangen einzelner Kulturinstitutionen,<br />

hin zu den Belangen der<br />

Region“ 9 vorleben.<br />

9 Samo Darian und Julia Diringer: „Regionale Kulturarbeit<br />

als kooperativer und kokreativer Prozess“,<br />

https://www.trafo-programm.de/1988_themen/3537_regionale-kulturarbeit/3538_regionale-kulturarbeit-als-kooperativer-und-kokreativerprozess


152<br />

Kultur- und Begegnungsorte:<br />

Kreiskulturzentrum und Kreisgalerie<br />

Das Kloster Wechterswinkel ist<br />

eines der ältesten Frauenklöster<br />

im deutschsprachigen Raum und<br />

wurde um 1140 gegründet. Es war<br />

das drittreichste Kloster im Bistum<br />

Würzburg. Zudem ist es das älteste<br />

Gebäude im Landkreis Rhön-Grabfeld.<br />

Nach seiner Blütezeit diente<br />

das Kloster ab dem 17. Jahrhundert<br />

als Getreidespeicher. Heute<br />

wird das ehemalige Kloster auf drei<br />

Ebenen mit Kunst und Kultur bespielt.<br />

In der Galerie wird zeitgenössische<br />

Kunst ausgestellt. Einen<br />

Schwerpunkt bildet die Bildhauerei.<br />

Denn der Landkreis ist nicht nur<br />

zuständig für die älteste Holzbildhauerschule<br />

in Deutschland 10 , es leben<br />

auch zahlreiche Bildhauer und<br />

Schnitzer in der Region.<br />

Es finden Konzerte, Vorträge, literarische<br />

Abende und Theater<br />

statt. Das historische Ensemble<br />

mit Innenhof ist darüber hinaus<br />

Kulisse für kunsthandwerkliche<br />

Märkte, kulinarische Events und<br />

Open-Air-Veranstaltungen. Die Kulturagentur<br />

ist verantwortlich für<br />

das <strong>Jahre</strong>sprogramm des Klosters<br />

Wechterswinkel. Sie gestaltet über<br />

die verschiedenen Sparten hinweg<br />

ein hochwertiges Programm:<br />

Künstler aus der Region werden<br />

vorgestellt; Aufstrebenden jungen<br />

Künstlern, die aus Rhön-Grabfeld<br />

stammen, wird in ihrer Heimat eine<br />

Bühne geboten; Dem Publikum wird<br />

10 Heute: Staatliche Berufsfachschule für Holzbildhauer<br />

in Bischofsheim in der Rhön. Die<br />

Bayerischen Holzschnitzschulen wurden im April<br />

2022 in die Liste des immateriellen Kulturerbes<br />

aufgenommen.


153<br />

ein Programm zugänglich gemacht,<br />

das es andernorts im Landkreis<br />

nicht gibt, sodass auch für den<br />

„Kulturkonsum“ Nischen geschlossen<br />

werden. Vermittlungsangebote<br />

wie Workshops, Führungen oder<br />

Mitmachkonzerte für Jung und<br />

Alt machen das Kloster nicht nur<br />

zu einem Kultur-, sondern auch zu<br />

einem Begegnungsort. Hierzu trägt<br />

ebenso das Klostercafé bei, das<br />

als Treffpunkt und Ausgangspunkt<br />

für gemeinschaftliche Aktivitäten<br />

genutzt wird. Auch die Leitung der<br />

Kreisgalerie obliegt der Kulturagentur.<br />

Die Kreisgalerie im Alten Spital<br />

in Mellrichstadt beherbergt die<br />

kreiseigene Gemälde- und Skulpturensammlung<br />

vom Barock bis heute<br />

mit regionalem Bezug zur Rhön<br />

und Grabfeld. Eine landkreiseigene<br />

Sammlung ist im Vergleich mit<br />

anderen Landkreisen Bayerns eine<br />

Ausnahme. Vier Wechselausstellungen<br />

mit aktueller zeitgenössischer<br />

Kunst aus der Region werden<br />

jährlich im Museumscafé und in<br />

den daran anschließenden Räumen<br />

der Kreisgalerie gezeigt.


154<br />

Das Tätigkeitsfeld „Bewahren“<br />

stellt eigentlich kein ursprüngliches<br />

Aufgabengebiet eines Kulturmanagements<br />

bzw. einer Kulturagentur<br />

dar. Dies gehört primär zu den<br />

Aufgaben von musealen Einrichtungen.<br />

Da aber die Kulturagentur auch<br />

die landkreiseigenen Sammlungen<br />

betreut, ist sie mit der Inventarisierung<br />

und Archivierung betraut. Dies<br />

erfolgt mit dem Ziel, die Bestände<br />

zu bewahren. Zurzeit koordiniert die<br />

Kulturagentur die Einrichtung eines<br />

Zentraldepots für den Landkreis auf<br />

dem Gelände der ehemaligen Hainberg-Kaserne<br />

in Mellrichstadt.<br />

Seit 2008 ist die Kulturagentur<br />

auch Herausgeberin von verschiedenen<br />

Publikationen. Am Beginn<br />

der ersten eigenen Publikationen<br />

stehen die Ausstellungskataloge<br />

des Klosters Wechterswinkel. Bis<br />

heute erscheinen ein bis drei Kataloge<br />

pro Jahr, begleitend zu ausgewählten<br />

Kunstausstellungen.<br />

2010 erschien der erste Band des<br />

Kunst- und Kulturführers des Landkreises<br />

Rhön-Grabfeld. In dieser<br />

Reihe sind bis heute veröffentlicht:<br />

„Kirchen im Landkreis Rhön-Grabfeld“<br />

11 , „Schlösser und Burgen“ 12<br />

und „Bräuche in alter und neuer<br />

Zeit in Rhön und Grabfeld“ 13 . Seit<br />

2015 gibt die Kulturagentur auch<br />

eine eigene Schriftenreihe heraus.<br />

Hier sind folgende Themen bisher<br />

publiziert: „Jüdische Friedhöfe im<br />

Landkreis Rhön-Grabfeld“ 14 , „Aufstieg<br />

und Niedergang des Tuchmachergewerbes<br />

in Bischofsheim<br />

und Umgebung“ 15 , „Zur Geschichte<br />

Wechterswinkels“ 16 und zuletzt erschienen<br />

„Der Weinbau in der Rhön<br />

und im Grabfeld“ 17 .<br />

11 Altrichter, Roswitha, Faber, Annette, Albert, Reinhold,<br />

Friedrich, Hanns, Kritzer, Stefan, Kulturagentur<br />

(Hrsg.), Kirchen im Landkreis Rhön-Grabfeld,<br />

2010<br />

12 Albert, Reinhold, Kulturagentur (Hrsg.), Schlösser<br />

und Burgen im Landkreis Rhön-Grabfeld, 2014<br />

13 Albert, Reinhold, Kulturagentur (Hrsg.), Silberstrauß<br />

und Ringelein, silbern ist das Mägdelein!<br />

Bräuche in alter und neuer Zeit in Rhön und<br />

Grabfeld, 2018<br />

14 Albert, Reinhold, Kulturagentur (Hrsg.), Jüdische<br />

Friedhöfe im Landkreis Rhön-Grabfeld, Schriftenreihe<br />

des Landkreises Rhön-Grabfeld, Ausgabe<br />

01, 2015<br />

15 Albert, Reinhold, Kulturagentur (Hrsg.), Aufstieg<br />

und Niedergang des Tuchmachergewerbes in<br />

Bischofsheim und Umgebung, Schriftenreihe des<br />

Landkreises Rhön-Grabfeld, Ausgabe 02, 2016<br />

16 Odenwald, Herbert, Kulturagentur (Hrsg.), Zur<br />

Geschichte Wechterswinkels, Schriftenreihe des<br />

Landkreises Rhön-Grabfeld, Ausgabe 03, 2018<br />

17 Albert, Reinhold, Kulturagentur (Hrsg.), Der Weinbau<br />

in der Rhön und im Grabfeld, Schriftenreihe<br />

des Landkreises Rhön-Grabfeld, Ausgabe 04,<br />

2020


Zur Entwicklung der Kulturagentur<br />

Als die Kulturagentur 2006 als LEA-<br />

DER Projekt startete, waren zwei<br />

Fachkräfte (halbtags) vorgesehen.<br />

Kersten Keller-Pallor übernahm<br />

als Kulturmanagerin den Fachbereich<br />

„Musik-Konzerte-Darstellende<br />

Kunst“. Den Fachbereich „Kunst-<br />

Museen-Ausstellungen“ erhielt<br />

Dr. Astrid Hedrich-Scherpf. Beide<br />

stammten aus der Region und verfügten<br />

über ein außerordentliches<br />

Netzwerk, das sie in die Einrichtung<br />

einbrachten und das beim Aufbau<br />

der Kulturagentur von großem Nutzen<br />

war. Nach Ablauf der LEADER-<br />

Förderphase im Dezember 2008<br />

wurden die Kulturagentur 2009 eine<br />

feste Einrichtung des Landkreises<br />

Rhön-Grabfeld. Sie war in dieser<br />

kurzen Zeit bereits ein unverzichtbarer<br />

Teil der Kulturarbeit im Landkreis<br />

geworden. Im Dezember 2008<br />

wurde zudem das Kreiskulturzentrum<br />

Kloster Wechterswinkel und<br />

das Bruder Franz Haus eröffnet.<br />

Der kontinuierliche Wachstumsprozess<br />

der Kulturagentur hält bis heute<br />

an. Kompetenzen, Zuständigkeiten,<br />

Projekte und Aufgaben haben<br />

sich fortlaufend erweitert. Heute<br />

besteht das Team der Kulturagentur<br />

aus drei Kulturmanagerinnen,<br />

davon zwei in Teilzeit, einem Sachbearbeiter<br />

und zwei wissenschaftlichen<br />

Volontärinnen. Weiter gehören<br />

zur Kulturagentur die sieben<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

des Klosters Wechterswinkel und<br />

eine Mitarbeiterin der Kreisgalerie.<br />

Von ehemals zwei Kulturmanagerinnen<br />

2006 ist die Einrichtung auf<br />

14 Mitarbeitende angewachsen.<br />

Dazu kommen noch neun ehrenamtlich<br />

Tätige im Museumsdienst<br />

des Klosters Wechterswinkel.<br />

Die Entwicklungsgeschichte der<br />

Kulturagentur stellt sich heute als<br />

eine „Erfolgsstory“ für den Landkreis<br />

Rhön-Grabfeld dar. Aus der<br />

anfänglichen Skepsis dieser Einrichtung<br />

gegenüber ist schnell<br />

eine große Akzeptanz erwachsen.<br />

Die Kulturagentur ist inzwischen<br />

eine feste Größe im kulturellen<br />

Leben des Landkreises und Unterfrankens.<br />

Gerade die Bereiche<br />

Vernetzung, Beratung und Betreuung,<br />

Koordination und Servicestelle<br />

zeichnen die Kulturagentur als<br />

155


156<br />

kompetenten Ansprechpartner aus.<br />

Vom Pilotprojekt hat sie sich zum<br />

Vorzeigemodell mit Vorbildfunktion<br />

entwickelt. Denn mit der Schaffung<br />

der Kulturagentur in ihrer bestehenden<br />

Konzeption ist eine Struktur<br />

entwickelt worden, die sich gerade<br />

in ländlich geprägten Räumen<br />

mit relativer Flächenausdehnung<br />

und zahlreichen kulturell aktiven<br />

Zentren als erfolgreiches Modell<br />

erwiesen hat. Die Arbeit der Kulturagentur<br />

bestätigt, dass „die Provinz<br />

lebt“ 18 und Kultur überall erfolgreich<br />

stattfinden kann – gerade in ländlich<br />

strukturierten Räumen 19 .<br />

18 Zimmermann, Olaf, Geißler, Theo (Hrsg.), Kulturlandschaft<br />

Deutschland, Die Provinz lebt, Schriften<br />

des Deutschen Kulturrates, 2010.<br />

19 Bätzing, Werner, das Landleben. Geschichte und<br />

Zukunft einer gefährdeten Lebensform, München<br />

2020.


Foto: Rudolf Weinert<br />

157


AUSNAHMEZUSTAND<br />

IN RHÖN-GRABFELD<br />

HANNS FRIEDRICH<br />

158<br />

„DAS TRITT NACH<br />

MEINER KENNTNIS…<br />

IST DAS SOFORT,<br />

UNVERZÜGLICH.“<br />

Ein mehr als drei Meter hoher Metallgitterzaun hinderte die Menschen, wie hier bei<br />

Melpers nahe Fladungen, daran in den Westen zu flüchten oder Kontakt mit Bürgern<br />

in der Bundesrepublik aufzunehmen. Foto: ©Wolfgang Schramm


Als am 10. November 1989 gegen 4<br />

Uhr morgens die ersten DDR-Bürger<br />

problemlos den Grenzübergang Eußenhausen-Henneberg<br />

passierten,<br />

konnte man es noch nicht so richtig<br />

glauben. Bereits am Abend zuvor<br />

war dies in Berlin geschehen. Auslöser<br />

war eine Aussage von Günther<br />

Schabowski. Auf die Frage eines<br />

Journalisten bei einer Pressekonferenz,<br />

ab wann die gerade angekündigten<br />

neuen Reiseregelungen für<br />

DDR-Bürger in Kraft treten, sagte er:<br />

„Das tritt nach meiner Kenntnis… ist<br />

das sofort, unverzüglich.“ Zu diesem<br />

Zeitpunkt konnte man noch nicht ahnen,<br />

was nun folgen sollte. An eine<br />

Wiedervereinigung Deutschlands<br />

dachte damals noch niemand. Man<br />

verfolgte staunend den wachsenden<br />

Aufstand der Menschen in der<br />

damaligen DDR und konnte es nicht<br />

fassen, als sich die Grenzübergänge<br />

tatsächlich öffneten.<br />

Der Landkreis Rhön-Grabfeld hatte<br />

mit Thüringen eine gemeinsame<br />

Grenze von rund 110 Kilometern<br />

und den 1973 eingerichteten<br />

Grenzübergang Eußenhausen-Henneberg.<br />

Von dort strömten am 10.<br />

November Fahrzeugschlangen in<br />

den Landkreis, der regelrecht überrannt<br />

wurde. Deshalb war eine zentrale<br />

Aufgabe, die Menschenmassen<br />

aus dem Osten zu versorgen. Damit<br />

rollte in Rhön-Grabfeld eine spontane<br />

und außergewöhnliche Hilfswelle<br />

an. Neben den Essensstationen<br />

von BRK, Maltesern und Kommunen<br />

waren vor allem die Banken und örtlichen<br />

Verwaltungen Anlaufpunkte.<br />

Hier wurde das „Begrüßungsgeld“<br />

von 100 D-Mark ausgezahlt. Der Ansturm<br />

war entsprechend groß, ebenso<br />

wie in den Geschäften. Nichts<br />

ging mehr seinen normalen Gang.<br />

Das unterfränkische Grenzland war<br />

für Tage im Ausnahmezustand.<br />

159


160<br />

Der einstige Grenzübergang Eußenhausen-Henneberg wurde im Jahr 1973 eröffnet<br />

und gehörte zu den wenigen offiziellen Grenzübergängen zwischen der DDR und der<br />

Bundesrepublik Deutschland. Foto: Archiv- Hanns Friedrich<br />

In den folgenden Wochen liefen bereits<br />

erste Gespräche über die neue<br />

Grenzsituation an. Der damalige<br />

unterfränkische Regierungspräsident<br />

Dr. Franz Vogt und der Vorsitzende<br />

der Arbeitsgemeinschaft<br />

unterfränkisches Grenzland, MdB<br />

Eduard Lintner aus Münnerstadt,<br />

dachten über eine schnelle Öffnung<br />

des Übergangs Eußenhausen-Meiningen<br />

auch für den gewerblichen<br />

Regionalverkehr nach. Die Zeitungen<br />

berichteten von einer Begehung<br />

des Grenzübergangs Anfang<br />

Februar 1990, zu dem Finanzstaatssekretär<br />

Albert Meyer eingeladen<br />

hatte. Danach war der Schlagbaum<br />

auch für den Lastverkehr offen,<br />

allerdings war dieser wegen des<br />

Straßenzustands auf DDR-Seite


auf 15 Tonnen beschränkt. Bereits<br />

zu diesem Zeitpunkt brachte Dr.<br />

Horst Weigelt, Präsident der Bundesbahndirektion<br />

Nürnberg, einen<br />

schnellstmöglichen Lückenschluss<br />

im Schienenverkehr zur Wiederinbetriebnahme<br />

der Bahnlinie Würzburg-Erfurt<br />

ins Gespräch. Selbst die<br />

Kosten hatte man schon mit rund<br />

zwölf Millionen D-Mark auf bundesrepublikanischer<br />

Seite und der<br />

gleichen Summe in „Ost-Mark“ auf<br />

DDR-Seite geschätzt. Die Schiene<br />

sei mit Blick auf den zunehmenden<br />

Verkehr auf der B 19 dringend<br />

notwendig, hieß es. Nach einem regionalen<br />

Lückenschluss wollte man<br />

überlegen, die alte Magistrale Stuttgart-Berlin<br />

wieder zu beleben. Regierungspräsident<br />

Dr. Vogt nannte<br />

als weiteren wichtigen Punkt einen<br />

autobahnähnlichen Ausbau von der<br />

A 70 bei Schweinfurt bis zur Grenze.<br />

Ein zentrales Anliegen waren für<br />

161<br />

Lange umstritten war der Bau einer Autobahn zwischen Schweinfurt und der Grenze<br />

zu Thüringen. Während auf Thüringer Seite bereits begonnen wurde, fanden im<br />

Landkreis Rhön-Grabfeld noch Demonstrationen statt. Foto: Hanns Friedrich


162<br />

ihn dabei Ortsumgehungen. Doch<br />

bis dahin sollten noch 15 <strong>Jahre</strong> ins<br />

Land gehen.<br />

In den Wochen und Monaten nach<br />

dem 9. November 1989 wurden<br />

Stück für Stück die Grenzübergänge<br />

geöffnet, der Weg in die Freiheit wurde<br />

geebnet. Unter anderem am Beispiel<br />

Frankenheim zeigt sich, dass<br />

dies nicht immer so einfach war. Unterschriften<br />

für eine Grenzöffnung<br />

wurden in den Betrieben gesammelt<br />

und der Bürgermeisterin vorgelegt:<br />

„Wir bitten dich um eine Intervention<br />

bei der Grenzkompanie Frankenheim,<br />

damit uns auch hier oben die<br />

Möglichkeit zu einem zumindest<br />

befristeten Besuch in Leubach gegeben<br />

wird.“ Genehmigt wurde ein<br />

geöffnetes Grenztor zwischen 7.00<br />

und 24.00 Uhr. Auf westlicher Seite<br />

war der damalige Bürgermeister<br />

Raimund Goldbach (Fladungen) von<br />

Noch im November und Dezember 1989 öffneten sich Grenztore, wie hier zwischen<br />

Mendhausen und Irmelshausen. Sie waren meist nur zwischen 7 Uhr und 20 Uhr<br />

geöffnet. Foto: Hanns Friedrich


dieser Situation völlig überrascht<br />

und richtete spontan einen Pendelverkehr<br />

ein, der die Frankenheimer<br />

zu mitternächtlicher Stunde zum<br />

Grenzübergang brachte.<br />

Von der Rhön ins Grabfeld: Hier<br />

hatten Arbeiter der DDR bereits den<br />

Wald bei Trappstadt in Richtung<br />

Eicha gerodet, so dass die frühere<br />

Verbindungsstraße wieder frei wurde.<br />

Für den Vorsitzenden des Kreisrates<br />

Hildburghausen, Hans Müller,<br />

der mit einem Mitarbeiter und Major<br />

Leopold von den DDR-Grenztruppen<br />

auf östlicher Seite an einer<br />

Besprechung mit Rhön-Grabfelds<br />

Landrat Dr. Fritz Steigerwald teilnahm,<br />

war klar, dass, sollte es einen<br />

Übergang geben, dieser keinesfalls<br />

für den Schwerlastverkehr geöffnet<br />

sein wird. Der Übergang Eußenhausen-Meiningen<br />

sei in dieser Region<br />

dafür ausreichend. Die DDR-Behör-<br />

163<br />

Der Abbau des Grenzzaunes, wie hier zwischen Eicha und Milz in Thüringen.<br />

Foto: Hanns Friedrich


164<br />

den sprachen damals von Grenzübergangsstellen<br />

in Maroldsweisach-Hellingen,<br />

Trappstadt-Eicha,<br />

Eußenhausen-Meiningen und Fladungen-Melpers.<br />

Hinzu könnten<br />

Grenzöffnungen ausschließlich für<br />

Fußgänger möglich sein, so wie<br />

bei Breitensee, Hendungen oder<br />

Irmelshausen. Bei den notwendigen<br />

Ausbauarbeiten hoffe man<br />

auf finanzielle Unterstützung der<br />

Bundesrepublik Deutschland, hieß<br />

es damals. Kurz vor Weihnachten<br />

1989 war der Grenzübergang<br />

Trappstadt-Eicha fertiggestellt und<br />

wurde in einem großen Festakt offiziell<br />

eröffnet. Dass die DDR nicht<br />

einmal ein Jahr später der Vergangenheit<br />

angehören sollte, daran<br />

dachte damals noch kaum jemand.<br />

Die Grenze öffnete sich zwischen<br />

Herbstadt und Hindfeld im Grabfeld<br />

und auch zwischen Mendhausen<br />

und Irmelshausen. Hier kündigte<br />

ein Hornsignal auf östlicher<br />

Seite kurz vor 8 Uhr morgens die<br />

Grenzöffnung an. Der damalige<br />

Höchheimer Bürgermeister Werner<br />

Steinschauer sprach von einer historischen<br />

Stunde und Landtagsabgeordneter<br />

Johann Böhm betonte,<br />

dass heute das „Eis einer sehr kalten<br />

Nachbarschaft“ breche. Bürgermeisterin<br />

Gisela Klebenow aus<br />

Mendhausen meinte, dass es sich<br />

auf oberster Ebene entscheide, ob<br />

der provisorische Grenzübergang<br />

durchgehend geöffnet sein werde.<br />

An einem Dankgottesdienst nahmen<br />

unzählige Menschen teil. Nach<br />

und nach wurden in der folgenden<br />

Zeit die Grenzanlagen abgebaut<br />

und der Ausbau der Verbindungsstraßen<br />

ging voran. Immer wieder<br />

war der Landkreis Rhön-Grabfeld<br />

dabei Vorreiter.<br />

Vorangetrieben wurde auch der Ausbau<br />

der Schienenverbindung, so dass<br />

am 28. September 1991 der erste<br />

Zug auf der grundlegend instandgesetzten<br />

Strecke von Schweinfurt<br />

über Bad Neustadt nach Meiningen<br />

fahren konnte. Hier fand am Bahnhof<br />

die große Feierstunde statt, u. a.<br />

mit Rhön-Grabfeld-Landrat Dr. Fritz<br />

Steigerwald, dem Leiter der Bayerischen<br />

Staatskanzlei Johann Böhm,<br />

dem Parlamentarischen Staatssekretär<br />

Eduard Lintner und weiteren<br />

hochrangigen Vertretern aus Ost


165<br />

Dezember 1990: Der Grenzübergang Trappstadt-Eicha wurde offiziell mit einem<br />

großen Fest eröffnet. Bereits ein Jahr später war die Wiedervereinigung vollzogen.<br />

Foto: Hanns Friedrich<br />

und West. Ein Tag der Freude war<br />

bereits ein Jahr zuvor die Wiedervereinigung<br />

Deutschlands, die auch<br />

auf der „Schanz“ (Grenzübergang Eußenhausen-Henneberg)<br />

mit mehr als<br />

20.000 Besuchern aus Ost und West<br />

gefeiert wurde. Nach und nach wurden<br />

die Grenzanlagen auf beiden Seiten<br />

zurückgebaut, so dass nur noch<br />

Überreste wie ein Grenzturm und ein<br />

Wärterhäuschen als „Mahnmale“ übrig<br />

blieben. Im Jahr 1996 ist hier als<br />

Kunstobjekt die „Goldene Brücke der<br />

Einheit“ entstanden. Heute erinnern<br />

ein Skulpturenpark, unter anderem<br />

mit Werken des aus Niederlauer<br />

stammenden Aktionskünstlers Herbert<br />

Fell, ein kleines Grenzmuseum<br />

mit originalen Bestandteilen der hiesigen<br />

Grenzanlage sowie die bereits<br />

erwähnten Gebäude-Überreste an die<br />

einstige Teilung Deutschlands.


166<br />

Fast 15 <strong>Jahre</strong> nach der Öffnung der Innerdeutschen Grenze fuhr der erste Zug zwischen<br />

Schweinfurt-Bad Neustadt nach Meiningen. Foto: Hanns Friedrich<br />

Es sollten noch einmal fast zehn<br />

<strong>Jahre</strong> ins Land gehen, bis ein weiteres<br />

symbolträchtiges Großprojekt<br />

fertiggestellt war: die länderübergreifende<br />

Autobahn A 71, die am<br />

18. Dezember 2005 eröffnet wurde.<br />

Rund 1,6 Milliarden Euro investierte<br />

der Bund in die neue Strecke. Gemeinsam<br />

mit den damaligen Ministerpräsidenten<br />

Bayerns und Thüringens,<br />

Edmund Stoiber und Dieter<br />

Althaus, durchschnitt Bundesverkehrsminister<br />

Wolfgang Tiefensee<br />

an der thüringisch-fränkischen Landesgrenze<br />

in Sichtweite eines ehemaligen<br />

DDR-Grenzturms das Band.<br />

Die Autobahn A 71 gilt bis heute<br />

als wichtige Spange zwischen den<br />

West-Ost-Trassen A 70 (Schweinfurt-Bayreuth)<br />

und A 4 (Bad Hersfeld-Dresden).<br />

Grenzöffnung und<br />

Wiedervereinigung spiegeln sich<br />

aber auch in vielen anderen Bereichen<br />

des Landkreises Rhön-Grabfeld<br />

wider. Profitiert hat vor allem<br />

die Kreisstadt Bad Neustadt, aber


167<br />

Der Skulpturenpark Deutsche Einheit erinnert heute am einstigen Grenzübergang<br />

Eußenhausen-Henneberg an die 40-Jährige Teilung Deutschlands.<br />

Foto: Hanns Friedrich<br />

auch Mellrichstadt mit den hier ansässigen<br />

Firmen. Die Erwartungen<br />

von Bad Königshofen dagegen erfüllten<br />

sich leider nicht. Im Gegenteil:<br />

Hier kam es zur Abwanderung<br />

eines großen Unternehmens nach<br />

Thüringen. Allerdings ist Bad Königshofen<br />

nach wie vor als Kur- und<br />

Schulstadt auch im Thüringer Land<br />

gefragt. Als ein besonderes christliches<br />

Zeichen der Wiedervereinigung<br />

kann ganz sicher die „Kirche<br />

der Einheit – Herbst ‘89“ bezeichnet<br />

werden. Sie steht an der Autobahn<br />

A 71 und wurde ohne Zuschüsse,<br />

rein aus Spendengeldern, finanziert.<br />

Auch hier war es der damalige<br />

Rhön-Grabfelder Landrat Dr.<br />

Fritz Steigerwald, der gemeinsam<br />

mit dem Landrat des Landkreises<br />

Schmalkalden-Meinigen, Ralf Luther,<br />

die Idee zusammen mit Künstlern<br />

und Geistlichen umsetzte. Man<br />

wollte ein Zeichen für die friedliche


168<br />

Die „Kirche der Einheit – Herbst ´89“ ist ein besonders aussagekräftiges Symbol der<br />

Wiedervereinigung Deutschlands. Es ist an der A 71 die einzige Autobahnkirche.<br />

Gebaut wurde sie vorwiegend aus Spendengeldern. Foto: Hanns Friedrich<br />

Wiedervereinigung setzen. Die Autobahnkirche<br />

wird als „Tankstelle<br />

für die Seele“ bezeichnet. Viermal<br />

im Jahr finden hier ökumenische<br />

Gottesdienste statt.<br />

Die Wiedervereinigung Deutschlands<br />

ist ein historisch einmaliges<br />

Ereignis, das – ganz ohne Blutvergießen<br />

– den Freiheitswunsch der<br />

Menschen in der DDR nach vier<br />

Jahrzehnten in Erfüllung gehen<br />

ließ. Sowohl der Landkreis Rhön-<br />

Grabfeld mit Landrat Thomas Habermann<br />

als auch die Nachbarlandkreise<br />

Schmalkalden-Meiningen mit


Landrätin Peggy Greiser und Hildburghausen<br />

mit Landrat Thomas<br />

Müller sind die besten Beispiele für<br />

ein gelungenes Zusammenwachsen<br />

des einst geteilten Deutschlands.<br />

Es bleibt aber ebenso eine<br />

wichtige Aufgabe, die Zeit des kalten<br />

Krieges und der deutschen Teilung<br />

mit Sperranlagen, Minen und<br />

Stacheldraht nicht in Vergessenheit<br />

geraten zu lassen. Dazu dienen teils<br />

noch vorhandene Relikte am einstigen<br />

„Todesstreifen“ ebenso wie das<br />

Grenzmuseum Bad Königshofen<br />

mit dem Außenmuseum Eußenhausen<br />

und dem „Skulpturenpark Deutsche<br />

und Europäische Einheit“ am<br />

ehemaligen Grenzübergang Eußenhausen-Henneberg.<br />

169<br />

Die „Goldene Brücke“ steht genau auf der Grenze zwischen Thüringen und Bayern<br />

und soll das Symbol des Zusammenwachsens symbolisieren. Foto: Hanns Friedrich


170


171


MENSCH, NATUR, EINKLANG:<br />

DAS UNESCO-BIOSPHÄRENRESERVAT<br />

RHÖN<br />

JULIA RÖSCH & DR. DORIS POKORNY<br />

172<br />

DIE RHÖN MACHT’S<br />

VOR – GEMEINSAM<br />

GEHT’S BESSER!<br />

Sie ist schon etwas ganz Besonderes,<br />

die Landschaft der Rhön:<br />

das Schwarze Moor im Nebel, die<br />

mächtigen Hutebuchen an der<br />

Weisbacher Jungviehweide, die<br />

„gestreifte“ Flur zwischen Bischofsheim<br />

und Weisbach, der Weitblick<br />

von der Thüringer Hütte, das Basaltblockmeer<br />

am Stengerts, der<br />

Wildbach Brend, die Salzwiesen im<br />

Saaletal, die Tiefgründigkeit des<br />

Frickenhäuser Sees und so vieles<br />

mehr. Kein Wunder, dass all diese<br />

einzigartigen Lebensräume unter<br />

besonderem Schutz stehen.<br />

Im Grenzgebiet zwischen Hessen,<br />

Bayern und Thüringen, bis 1989 geprägt<br />

durch die innerdeutsche Grenze,<br />

ergab sich am 12. September<br />

1990 eine historische Chance: In<br />

der letzten Sitzung des DDR-Minis-


terrats vor dessen Auflösung, sozusagen<br />

in den letzten Minuten der<br />

DDR vor dem Beitritt zur Bundesrepublik,<br />

wurde ein großes Schutzgebietsprogramm<br />

(genannt „Nationalparkprogramm“)<br />

verabschiedet,<br />

das Geschichte machte: Nationalparke<br />

und Naturparke wurden ausgewiesen<br />

– und neben weiteren<br />

Gebieten wurde auch der Thüringer<br />

Teil der Rhön zum Biosphärenreservat.<br />

Naturschützer in Hessen, Bayern<br />

und Thüringen waren da schon<br />

längst miteinander in Kontakt. Unmittelbar<br />

nach der Grenzöffnung<br />

hatten sie sich besucht. Mit der<br />

Wiedervereinigung ging es dann<br />

schnell. Im November 1990 ging<br />

ein gemeinsamer Antrag der drei<br />

Länder an die UNESCO in Paris. Im<br />

März 1991 wurde die Rhön offiziell<br />

als länderübergreifendes UNESCO-<br />

Biosphärenreservat anerkannt –<br />

auf bayerischer Seite mit Anteilen<br />

im Landkreis Rhön-Grabfeld und im<br />

Landkreis Bad Kissingen, auf hessischer<br />

Seite im Landkreis Fulda und<br />

in Thüringen im heutigen Wartburgkreis<br />

und dem Landkreis Schmalkalden-Meiningen.<br />

Die Rhön macht’s vor – gemeinsam<br />

geht’s besser!<br />

Mit dem Schutz der Kulturlandschaft<br />

und der Vielfalt des Lebens<br />

hier ist ein wichtiger Auftrag in der<br />

Biosphäre Rhön verbunden: Die<br />

Rhöner sollen Ideen für ein gutes<br />

gemeinsames Leben von Mensch<br />

und Natur entwickeln und in Modellprojekten<br />

umsetzen. Menschen<br />

sollen zeigen, dass und wie man<br />

auf eine Art und Weise leben und<br />

wirtschaften kann, die auch den<br />

nachfolgenden Generationen eine<br />

intakte Umwelt, Biodiversität und<br />

ausreichend Ressourcen und Gestaltungsmöglichkeiten<br />

lässt. Und<br />

das in allen Bereichen menschlichen<br />

Schaffens: in Land- und Forstwirtschaft,<br />

Tourismus, Handwerk,<br />

Gewerbe und Industrie, im Energiesektor,<br />

in der kommunalen Entwicklung<br />

u.v.m. Die Rhön ist dafür<br />

eine Modellregion im Netzwerk der<br />

UNESCO-Biosphärenreservate, von<br />

denen es weltweit 738 Gebiete in<br />

134 Staaten gibt. Mit den Partner-<br />

Biosphärenreservaten „Kruger to<br />

Canyons“ in Südafrika und „Oxapampa-Ashanika-Yanesha“<br />

(BIOAY)<br />

in Peru gibt es einen lebendigen<br />

173


174<br />

Austausch, zum Beispiel über einen<br />

Freiwilligendienst oder den Partnerkaffee<br />

„Biosphäre²“, der in Peru<br />

angebaut und in der Rhön geröstet<br />

und verkauft wird.<br />

Vieles wird seit über 30 <strong>Jahre</strong>n gemeinsam<br />

angepackt: Bereits 1995<br />

gründeten Menschen mit Weitblick<br />

die Rhöner Apfelinitiative, ein<br />

Verein zur Förderung und Weiterentwicklung<br />

der Rhöner Streuobstbestände.<br />

Obstwiesen werden von<br />

den rund 2.000 Mitgliedern gepflegt,<br />

die Sortenvielfalt bleibt erhalten.<br />

Und das in Bioqualität: Die<br />

Apfelinitiative ist Deutschlands<br />

größte Bio-Streuobstinitiative und<br />

organisiert Obst-Sammelstellen<br />

und die Vermarktung der leckeren<br />

Apfelprodukte. Lebensmittel aus<br />

der Rhön sind sehr gefragt. Leicht<br />

zu erkennen ist die „Qualität des<br />

Biosphärenreservats“ am Qualitätssiegel,<br />

das seit 2005 Produkte<br />

der Dachmarke Rhön auszeichnet<br />

und von der Rhön GmbH vermarktet<br />

wird. Eine Rhöner Adresse reicht<br />

dabei übrigens nicht: Für neun Lebensmittelbranchen<br />

sind Qualitätskriterien<br />

definiert, die regelmäßig<br />

überprüft werden.<br />

Es geht um‘s Ganze: Nachhaltigkeit<br />

lernen und erleben<br />

Seit 2001 hat das UNESCO-Biosphärenreservat<br />

Rhön im Landkreis<br />

Rhön-Grabfeld eine feste Adresse<br />

für Besucherinnen und Besucher:<br />

Das „Haus der Langen Rhön“ in<br />

Oberelsbach ist als Biosphärenzentrum<br />

für Entdecker und Entdeckerinnen<br />

geöffnet. Die interaktive<br />

Ausstellung zeigt, wie die Rhön entstanden<br />

ist und wie Mensch und<br />

Natur im Einklang leben können.<br />

Gleich nebenan arbeiten die Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter der<br />

Bayerischen Biosphärenreservatsverwaltung<br />

und des Naturparks<br />

Bayerische Rhön im 1999 fertiggestellten<br />

Bürogebäude mit den<br />

leuchtend blauen Fenstern. Seit<br />

2012 können Schulklassen und<br />

Besuchergruppen in der Umweltbildungsstätte<br />

Oberelsbach übernachten<br />

und dort Spannendes über<br />

das Leben im UNESCO-Biosphärenreservat<br />

lernen und neue Impulse<br />

für ein nachhaltiges Leben mitnehmen.<br />

Aktiv sein gegen den Klimawandel<br />

und Einsatz für das, was<br />

kreucht und fleucht – der Erhalt der<br />

Biodiversität vor der Haustür und<br />

global –, sind dabei die großen Her-


ausforderungen der Zeit für Alt und<br />

Jung. Innovative Ideen für einen<br />

bewussteren Lifestyle sind gefragt.<br />

Das bringt Generationen miteinander<br />

ins Gespräch.<br />

Der Landkreis Rhön-Grabfeld ist<br />

dabei enger Partner in der Bildungsarbeit<br />

für nachhaltige Entwicklung.<br />

Zusammen mit dem Nachbarlandkreis<br />

Bad Kissingen sowie 40 Städten<br />

und Gemeinden und vier Naturschutzverbänden<br />

wurde 1997 aus<br />

dem ehemaligen Zweckverband<br />

der gemeinsame Verein „Naturpark<br />

und Biosphärenreservat Bayerische<br />

Rhön e.V.“ (NBR). Zum Aufbau und<br />

zur Pflege von Wanderwegen und<br />

Loipen sowie Infotafeln und der<br />

touristischen Infrastruktur kam<br />

der Auftrag zur Umweltbildung/Bildung<br />

für Nachhaltigkeit dazu. Mit<br />

dem Umweltbildungsteam gehen<br />

die Schulen und Kitas im Landkreis<br />

gerne „ab durch die Hecke“ oder auf<br />

Spurensuche nach Tieren im Winter.<br />

Seit 2019 gibt es das beständig<br />

wachsende länderübergreifende<br />

Netzwerk der Biosphären-Kitas und<br />

-Schulen, die sich in besonderem<br />

Maße dafür einsetzen, Kindern und<br />

Jugendlichen auf vielfältige Weise<br />

den Nachhaltigkeitsgedanken<br />

zu vermitteln und ihn aktiv umzusetzen.<br />

Eine naturnahe Gestaltung<br />

des Außengeländes, gemeinsames<br />

Kochen und Essen von regionalen<br />

Lebensmitteln oder regelmäßige<br />

Aktionen wie Tauschbörsen sind<br />

Beispiele dafür.<br />

Premium-Wandern und<br />

Sterne-Niveau<br />

Die Natur kennt keine Grenzen.<br />

Auch den Menschen gelingen viele<br />

Dinge am besten gemeinsam. Im<br />

Jahr 2000 wurde von den sechs<br />

Rhön-Landkreisen dazu die regionale<br />

Arbeitsgemeinschaft ARGE Rhön<br />

gegründet. Ziel war es, gemeinsam<br />

mit den Biosphärenreservatsverwaltungen<br />

die länderübergreifende<br />

Zusammenarbeit zur nachhaltigen<br />

Entwicklung und Gestaltung der<br />

Rhön als Wirtschafts-, Kultur- und<br />

Lebensraum intensiver zu vernetzen.<br />

2017 wurde – ebenfalls von<br />

den Rhöner Landkreisen – dann ein<br />

gemeinsames touristisches Unternehmen<br />

gegründet: die Rhön GmbH<br />

– Gesellschaft für Tourismus und<br />

Markenmanagement, zu der auch<br />

die Dachmarke Rhön gehört.<br />

Bekanntestes Gemeinschaftspro-<br />

175


176<br />

jekt der Rhön GmbH ist wohl der<br />

Premiumwanderweg „Der Hochrhöner“.<br />

Auf zwei Routenvarianten<br />

durch die Kuppenrhön (136 km<br />

lang) oder über die Lange Rhön<br />

(122 km) können Wanderer seit<br />

2006 einmal von Norden nach Süden<br />

wandern. Dazu kommen noch<br />

mehr als 30 zertifizierte Tagesetappen,<br />

die als „Extratouren“ markiert<br />

sind. Nachhaltig Kraft schöpfen<br />

bei einem nachhaltigen Natur- und<br />

Landschaftserlebnis!<br />

Ein weiteres Gemeinschaftsprojekt<br />

der Landkreise und der Verwaltungsstellen<br />

des Biosphärenreservats ist<br />

der Sternenpark Rhön. Seit 2014 ist<br />

die Rhön offiziell von der International<br />

Dark Sky Association (IDA) als<br />

Sternenpark anerkannt. Hier kann<br />

man einen besonders sternenreichen<br />

Himmel erleben. Damit das so<br />

bleibt, haben sich bereits <strong>50</strong> Städte<br />

und Gemeinden in der Rhön und im<br />

Umfeld dazu verpflichtet, auf den<br />

Schutz der Nacht – etwa durch sparsame,<br />

zielgerichtete Beleuchtung<br />

– zu achten und so Lichtverschmutzung<br />

zu vermeiden. Der Griff nach<br />

den Sternen als Gewinn für Mensch<br />

und (Nacht-)Natur!<br />

Gemeinsam gehen den Rhönerinnen<br />

und Rhönern die Ideen nicht<br />

aus. 2014 schlossen sich auf eigenen<br />

Wunsch 22 weitere Gemeinden<br />

aus den Landkreisen Rhön-Grabfeld<br />

und Bad Kissingen dem UNESCO-<br />

Biosphärenreservat an. Für einen<br />

länderübergreifenden Plan, wie die<br />

Rhön sich enkeltauglich weiterentwickeln<br />

soll, wurde drei <strong>Jahre</strong><br />

lang in vielen Workshops ein Rahmenkonzept<br />

erarbeitet. Schritt für<br />

Schritt wird es von zahlreichen<br />

Akteuren in Landkreis, Kommunen,<br />

Fachverwaltungen, Betrieben,<br />

Vereinen und Verbänden in die Tat<br />

umgesetzt. Für eine gemeinsame,<br />

lebenswerte Zukunft in unserer Biosphäre<br />

Rhön und ganz gemäß dem<br />

gemeinsamen Motto: „Mensch.<br />

Natur.Einklang.“<br />

Kontakt:<br />

brrhoen@reg-ufr.bayern.de<br />

www.brrhoen.de


177


BLICK IN DIE ZUKUNFT –<br />

EINE FRAGE AN CHATGPT!<br />

DR. JÖRG GEIER<br />

178<br />

„DIE ZUKUNFT KANN MAN<br />

AM BESTEN VORAUS­<br />

SAGEN, WENN MAN SIE<br />

SELBST GESTALTET.“ 1<br />

In den letzten <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n hat sich<br />

Rhön-Grabfeld stetig und dynamisch<br />

weiterentwickeln können.<br />

Trotz vermeintlich peripherer Lage<br />

und unter der Last des demografischen<br />

Wandels blickt man auf fünf<br />

positiv dynamische Dekaden zurück,<br />

die den Landkreis zu einer Zukunftsregion<br />

gemacht haben. Das<br />

positive Credo „Zukunft“ ist daher<br />

auch Inhalt des Landkreislogos.<br />

Ein konkretes Bild dieser Zukunft<br />

existiert noch nicht. Wir wissen<br />

nicht, wie Rhön-Grabfeld im Jahr<br />

2073 aussehen wird. Dank der modernen<br />

Technik existiert im übertragenen<br />

Sinne jedoch die Möglichkeit,<br />

die Zukunft selbst zu fragen,<br />

was die Zukunft bringt.<br />

1 Alan Kay


Seit dem 30. November 2022 ist mit<br />

ChatGPT eine Software im Internet<br />

frei verfügbar, die in der Lage ist,<br />

konkrete Fragen automatisiert, also<br />

auf Basis einer künstlichen Intelligenz,<br />

zu beantworten. Sie formuliert<br />

Texte oder, wenn man möchte,<br />

sogar ganze Aufsätze. 2<br />

In einer Art Selbstversuch präsentierte<br />

ChatGPT folgende Antwort<br />

auf die kurze Frage „Wie sieht Rhön-<br />

Grabfeld künftig aus?“:<br />

„Als künstliche Intelligenz kann ich<br />

keine Vorhersagen treffen, aber es<br />

ist möglich, dass die Region Rhön-<br />

Grabfeld in der Zukunft durch einige<br />

Veränderungen gekennzeichnet<br />

sein wird:<br />

Technologischer Fortschritt: Mit<br />

dem Fortschritt der Technologie<br />

kann es sein, dass die Landwirtschaft<br />

und die Wirtschaft insgesamt<br />

effizienter und nachhaltiger<br />

werden.<br />

2 Jahn, Thomas (2023): So funktioniert der Chatbot<br />

von OpenAI. Artikel im Handelsblatt vom 02.<br />

Februar 2023. URL: https://www.handelsblatt.<br />

com/technik/it-internet/chatgpt-so-funktioniertder-chatbot-von-openai-/28941524.html<br />

Bevölkerungsentwicklung: Die Bevölkerungsentwicklung<br />

kann auch<br />

eine Rolle spielen. Es ist möglich,<br />

dass es in der Region einen Zuwachs<br />

an Einwohnern gibt, was die<br />

Nachfrage nach Wohnraum und anderen<br />

Ressourcen erhöhen kann.<br />

Klimaveränderung: Die Klimaveränderung<br />

ist ein weiterer Faktor, der<br />

die Region beeinflussen kann. Es<br />

kann zu häufigeren Naturkatastrophen<br />

und Veränderungen im Klima<br />

kommen, was Auswirkungen auf<br />

Landwirtschaft, Natur und Wirtschaft<br />

haben kann.<br />

Nachhaltige Entwicklung: Es ist<br />

möglich, dass die Region sich auf<br />

eine nachhaltige Entwicklung ausrichtet,<br />

bei der sowohl die Umwelt<br />

als auch die Wirtschaft geschützt<br />

und gestärkt werden.<br />

Letztendlich hängt die Zukunft von<br />

vielen Faktoren ab und es ist unmöglich,<br />

genau vorherzusagen, wie<br />

Rhön-Grabfeld in der Zukunft aussehen<br />

wird. 3 “<br />

3 ChatbotGPT, Aufruf am 06. Februar 2023. URL:<br />

https://chat.openai.com/chat<br />

179


180<br />

Letztlich wissen auch weder das<br />

Internet noch darauf aufbauende<br />

Metasuchmaschinen eine konkrete<br />

Antwort auf die Frage, wie das<br />

zukünftige Bild des Landkreises<br />

Rhön-Grabfeld aussehen mag. Aber<br />

schon jetzt zeigt sich, dass sich die<br />

viergeteilte Antwort von ChatGPT<br />

an unseren eigenen Überlegungen<br />

orientiert. In der Region befasst<br />

man sich bereits intensiv mit den<br />

angesprochenen Aspekten und bemüht<br />

sich, für die 100-Jahr-Feier im<br />

Jahr 2073 gewappnet zu sein.


181


182<br />

LANDKREIS RHÖN-GRABFELD<br />

Spörleinstraße 11<br />

97616 Bad Neustadt<br />

www.rhoen-grabfeld.de

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