15.05.2023 Aufrufe

knwjournal: Die Frühlingsausgabe

In der neuen Ausgabe knw journal haben wir wieder neue Informationen rund um das Kindernetzwerk, von unseren Projekten, aus dem Bereich der Jungen Selbsthilfe und allgemein der Selbsthilfe zusammengetragen. Lesen Sie unser Interview "Väter in der Selbsthilfe" oder schauen Sie sich die neuen Buchtipps für unsere very special children an. Viel Vergnügen bei der Lektüre

In der neuen Ausgabe knw journal haben wir wieder neue Informationen rund um das Kindernetzwerk, von unseren Projekten, aus dem Bereich der Jungen Selbsthilfe und allgemein der Selbsthilfe zusammengetragen. Lesen Sie unser Interview "Väter in der Selbsthilfe" oder schauen Sie sich die neuen Buchtipps für unsere very special children an. Viel Vergnügen bei der Lektüre

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knw journal<br />

des Kindernetzwerk e.V.<br />

Dachverband der Selbsthilfe von Familien mit Kindern<br />

und jungen Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen<br />

und Behinderungen<br />

Ausgabe 01 2023


Unser knw-journal<br />

Liebe Leser:innen,<br />

Sie öffnen hiermit die vierte Ausgabe unseres digitalen Journals, danke für Ihr<br />

Interesse an unserem neuen knw journal – teilen Sie dieses auch bitte weiter<br />

innerhalb unter Ihren Mitgliedern und Freunden und senden Sie uns bitte auch<br />

weiter Ihre Themenvorschläge direkt an jackel@kindernetzwerk.de – lieben Dank!<br />

Übrigens auch Vorschläge, welche Themen wir als Kindernetzwerk (knw) gemeinsam<br />

mit Ihnen angehen sollten, egal ob politisch oder als Unterstützungsangebot<br />

für die Familien. <strong>Die</strong>se Anregungen sind unglaublich wertvoll für uns.<br />

Wir sind auf der Zielgeraden bei der Organisation unserer Jahrestagung mit anschließender<br />

Mitgliederversammlung in Berlin/Erkner vom 15. bis 17.09.2023.<br />

Hier finden Sie den aktuellen Planungsstand und können Sie sich anmelden.<br />

Wir freuen uns besonders, dass wir dank der Unterstützung des AOK-Bundesverbandes<br />

ein tolles Workshop-Programm, viele Resilienz stärkende Angebote<br />

(auch zum Weitervermitteln) und diesmal sogar Kinderbetreuung anbieten können.<br />

Mehr dazu weiter unten.<br />

Nun hoffen wir, dass Sie wieder eine Reihe von Artikeln finden,<br />

die Sie und Euch interessieren!<br />

Alles Liebe für Sie und Ihre Familien!<br />

Ihr knw journal-Redaktionsteam


Inhaltsverzeichnis<br />

3 Aus dem Kindernetzwerk<br />

30 Aus Politik & Gesellschaft<br />

48 Aus dem Gesundheitswesen<br />

50 Buchtipps<br />

56 Für unsere „very special children“<br />

61 Unsere Glosse „zu guter Letzt“<br />

62 Impressum


Aus dem Kindernetzwerk


4<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Wir feiern unser 30. Jubiläum<br />

vom 15.-17.09.2023<br />

Wir möchten 30 Jahre Kindernetzwerk e.V. mit<br />

Ihnen und Euch gebührend feiern. Seit nunmehr<br />

drei Jahrzehnten setzt sich das Kindernetzwerk als<br />

Dachverband der Selbsthilfe von Familien mit betroffenen<br />

Kindern oder jungen Erwachsenen für<br />

Ihre und Eure Belange ein.<br />

Liebe Mitglieder des Kindernetzwerk und liebe<br />

Interessierte, wir laden Sie deshalb ganz herzlich<br />

zu unserer Jubiläumstagung vom 15.-17.09.2023<br />

in Berlin/ Erkner ein! Wir bereiten für Sie ein interessantes,<br />

interaktives Angebot rund um das<br />

Thema Resilienzstärkung vor. Geplant sind ein wissenschaftliches<br />

Symposium und Workshops für die<br />

Teilnehmenden selbst sowie schöne Angebote für<br />

die begleitenden Kinder und Jugendlichen. Zwei<br />

Abende wollen wir im geselligen Austausch auf<br />

30 Jahre knw verbringen.<br />

Ab 14.30 Uhr:<br />

Begrüßungsprogramm im Bildungszentrum Erkner<br />

(Seestraße 39, 15537 Erkner), wo Sie auch übernachten<br />

können. Details entnehmen Sie bitte der<br />

Anmeldung auf unserer Internetseite.<br />

Ab 16 Uhr bis 18 Uhr:<br />

Angebote zur Selbstwahrnehmung, aktivierenden<br />

Entlastung - Erkennen von Belastungssituationen<br />

und Resilienzschwächen:<br />

→ Sketchnoting (Susann Schrödel)<br />

→ Impro Theater (Deniz Döhler)<br />

→ Positive Kommunikation (Klaus Vogelsänger)<br />

→ (parallel ist Kinderbetreuung möglich)<br />

19.30 bis 21.30 Uhr:<br />

Dinner und buntes Abendprogramm<br />

Wir freuen uns, wenn Sie an einzelnen Tagen –<br />

oder auch durchgehend – dabei sein können. Hier<br />

auf unserer Homepage finden Sie unser Programm<br />

und wir freuen uns auf Ihre Anmeldung – möglichst<br />

bald, die Zimmer sind begrenzt:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/aktiv/<br />

Termine/2022/30.-Jubilaeum:-Jahrestagung-Kin<br />

dernetzwerk-Save-the-date.php<br />

Folgender Ablauf ist geplant:<br />

Samstag,16.9.2023 im Bildungszentrum Erkner e.V.<br />

8.30 bis 10 Uhr:<br />

Angebote zur Selbstwahrnehmung, aktivierenden<br />

Entlastung:<br />

→ Lachyoga<br />

→ Gehmeditation<br />

→ QiGong<br />

→ (parallel ist Kinderbetreuung möglich)<br />

Freitag,15.9.2023<br />

10 bis 12 Uhr:<br />

Pressekonferenz mit Imbiss zur Verabschiedung<br />

des „Berliner Appell 2023“ im Tagungszentrum<br />

im Haus der Bundespressekonferenz, Schiffbauerdamm<br />

40 / Ecke Reinhardtstraße 55, 10117 Berlin<br />

(mit Ausklang).<br />

10 bis 15 Uhr:<br />

Jahrestagung / Symposium<br />

zum Thema Resilienz-Stärkung<br />

Impulsvortrag von Dr. Isabella Helmreich „Gemeinsam<br />

Krisen bewältigen - Resilienzstärkung im Familiensetting“.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

5<br />

Frau Dr. Helmreich ist wissenschaftliche Leiterin<br />

des Bereichs „Resilienz & Gesellschaft“ am Leibnitz-Institut<br />

für Resilienzforschung in Mainz und<br />

Psychologische Psychotherapeutin mit langjähriger<br />

klinischer Erfahrung.<br />

Sonntag, 17.9.2023<br />

8.30 bis 10 Uhr:<br />

Angebote zur Selbstwahrnehmung, aktivierenden<br />

Entlastung:<br />

In ihrem Vortrag wird es um folgende Inhalte gehen:<br />

Familien sind zunehmend gefordert, in kürzester<br />

Zeit mit vielfältigen und immer komplexeren<br />

Krisen umzugehen. Resilienz, also der Zustand der<br />

Aufrechterhaltung oder Rückgewinnung der psychischen<br />

Gesundheit während oder nach widrigen<br />

Lebensereignissen, kann dabei helfen, die psychische<br />

Gesundheit stabil zu erhalten. Im Vortrag<br />

werden verschiedene evidenzbasierte „Schutzfaktoren“<br />

und Trainingsmöglichkeiten zu ihrer Stärkung<br />

vorgestellt, um alltägliche Belastungen besser<br />

zu bewältigen und trotz dieser Belastungen gesund<br />

zu bleiben. <strong>Die</strong> allgemeinen Konzepte werden<br />

auf die besonderen Themenstellungen von Eltern<br />

(z. B. interfamiliäre Interaktion und Zusammenhalt,<br />

Balance der Bedürfnisse) übertragen. Zudem werden<br />

mögliche „Nebenwirkungen“ thematisiert.<br />

Weitere Vorträge: siehe hier<br />

16 bis 18 Uhr:<br />

Angebote zur Selbstwahrnehmung, aktivierenden<br />

Entlastung – Methoden zur Resilienzstärkung:<br />

→ Sketchnoting (Susann Schrödel)<br />

→ Impro Theater (Deniz Döhler)<br />

→ Positive Kommunikation (Klaus Vogelsänger)<br />

→ (parallel ist Kinderbetreuung möglich)<br />

19.30 bis 21.30 Uhr:<br />

Dinner und Festliches Abendprogramm anlässlich<br />

des Jubiläums<br />

→ Lachyoga<br />

→ Gehmeditation<br />

→ QiGong<br />

10 bis 12 Uhr:<br />

Mitgliederversammlung<br />

(parallel ist Kinderbetreuung möglich)<br />

Bitte merken Sie sich den Termin unserer Jubiläumstagung<br />

vor. Wir möchten diese besondere Veranstaltung<br />

gern mit Ihnen als Unterstützer:innen<br />

in unserem Netzwerk gemeinsam begehen. <strong>Die</strong><br />

Kosten für die Anreise und Übernachtung müssen<br />

selbst übernommen werden. Verpflegung und<br />

Getränke während der Veranstaltung und auf der<br />

Festveranstaltung am 15.09.2023 sind wie immer<br />

kostenlos. In den Pausen wird es ausreichend Zeit<br />

zum Austauschen und Resümieren geben – wir<br />

freuen uns jetzt schon auf die Gespräche mit Ihnen<br />

und Euch!<br />

Für Anfragen, Anregungen und frühe Anmeldungen<br />

senden Sie uns gern eine Mail an:<br />

info@kindernetzwerk.de<br />

Hier geht es zum Anmeldformular ...<br />

Hier geht es zum Aufklärungsblatt Allergien ...<br />

Herzliche Grüße und wir freuen uns auf ein<br />

Wiedersehen in Berlin!


6<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

knw Kompetenz-Peers<br />

und Transitions-Coaches schließen<br />

erfolgreich ihre Ausbildung ab<br />

Träume und Visionen sind der erste Schritt des neuen Denkens – der Startschuss,<br />

der Auslöser und der Beginn zu Veränderungen. (Horst Bulla)<br />

Susann Schrödel, stellv. knw-Vorsitzende<br />

Das Kindernetzwerk (knw) setzt sich seit vielen<br />

Jahren dafür ein, die bestmögliche Beratung von<br />

Eltern mit chronisch kranken und behinderten Kindern<br />

und Jugendlichen zu gewährleisten und sein<br />

Beratungsangebot und das seiner Mitgliedsorganisationen<br />

zu erweitern.<br />

Ein Baustein ist die Ausbildung von knw Kompetenz-Peer-Berater:innen.<br />

Bei der Ausbildung von<br />

knw Peer-Berater:innen ist unser Ziel die unmittelbare<br />

Unterstützung der Familien durch eine:n<br />

Ansprechpartner:in, die/der persönlich eine ähnliche<br />

Situation selbst durchlebt hat. <strong>Die</strong> Peer-Beratenden<br />

können auf ihre Erfahrungen und auf professionelle<br />

Elemente der Beratung zurückgreifen<br />

und damit anderen Familien helfen. Ratsuchende<br />

schöpfen aus diesen Mut machenden Erfahrungen<br />

Ansätze für ihre eigene Problemlösung.<br />

Ein weiterer Baustein ist die Ausbildung von knw<br />

Transitions-Coaches. <strong>Die</strong>se zielt auf die Veränderungsbegleitung<br />

von erkrankten/behinderten Jugendlichen/jungen<br />

Erwachsenen auf dem Weg in<br />

ein selbstbestimmtes Erwachsenwerden sowie von<br />

Eltern oder pflegenden Angehörigen, entsprechend<br />

den eigenen Möglichkeiten und Potentiale. Eltern<br />

soll dabei geholfen werden, ihre heranwachsenden<br />

Kinder beim Selbstständigwerden zu fördern.<br />

Erste Aktivitäten initiierte das knw mit der Erarbeitung<br />

des Curriculums für die knw Kompetenz-Peers<br />

2019. <strong>Die</strong> erste Ausbildungsreihe durchliefen von<br />

2019 – 2020 insgesamt sieben Peer-Berater:innen.<br />

Transitions-Coaches wurden erstmals 2018 ausge-<br />

bildet. Insgesamt führte das knw drei Basis-Ausbildungsgänge<br />

und einen Aufbaukurs durch.<br />

Im August 2022 konnte dank der GKV-Gemeinschaftsförderung<br />

eine zweite Ausbildungsreihe für<br />

knw Kompetenz-Peers und Transitions-Coaches<br />

gestartet werden. Erneut konnten wir die Veranstaltungsreihe<br />

mit sehr erfahrenen Patiententrainerinnen<br />

von KomPaS e.V. durchführen.<br />

<strong>Die</strong> Nachfrage nach dieser Ausbildung hat uns<br />

überwältigt und war deutlich größer, als wir zu<br />

hoffen gewagt haben. In kurzer Zeit waren die verfügbaren<br />

Plätze ausgebucht. Schauen wir auf die<br />

Ausbildungsinhalte und die hochkarätigen Trainer<br />

von KomPaS e.V., findet man ein vergleichbares<br />

Angebot im Bereich der Selbsthilfe selten.<br />

<strong>Die</strong> knw Kompetenz-Peers haben sich intensiv mit<br />

den Aufgaben und den Funktionen eines Peer-Beraters<br />

oder –Beraterin in Selbsthilfevereinigungen,<br />

mit guten Rahmenbedingungen einer Beratung<br />

ebenso wie mit den Grundlagen der Gesprächsführung<br />

und den psychologischen Aspekten der<br />

Krankheitsverarbeitung auseinandergesetzt. Neben<br />

der Theorievermittlung in Präsenz- und Onlineveranstaltungen<br />

sowie im Selbststudium nahm der<br />

Praxistransfer einen großen Raum ein. So haben<br />

die angehenden Peers eigenständige Beratungsgespräche<br />

geführt und diese intensiv reflektiert<br />

und supervidiert. <strong>Die</strong> beiden Trainerinnen Christine<br />

Lehmann und Kirsten Sautmann begleiteten die<br />

Auszubildenden individuell, hoch engagiert und mit<br />

interaktiven Lernformaten.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

7<br />

Wir gratulieren allen Teilnehmenden ganz herzlich zu ihrer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung<br />

zum Peer-Berater und zur Peer-Beraterin:<br />

• Caro Herz (CHARGE Syndrom e.V.,<br />

Elternkreis betroffener Kinder)<br />

• Marina Moiseeva (<strong>Die</strong> Sputniks e.V. München,<br />

Vereinigung russischsprachiger Familien mit<br />

Kindern mit Beeinträchtigungen in Deutschland)<br />

• Elena Grabskaya (<strong>Die</strong> Sputniks e.V. Dortmund,<br />

Vereinigung russischsprachiger Familien mit<br />

Kindern mit Beeinträchtigungen in Deutschland)<br />

• Simone Esser (Kleeblatt Trisomie 21)<br />

• Maria Grinberg (<strong>Die</strong> Sputniks e.V. Baden-<br />

Württemberg, Vereinigung russischsprachiger<br />

Familien mit Kindern mit Beeinträchtigungen<br />

in Deutschland)<br />

• Sandra Müller (Selbsthilfegruppe Ektodermale<br />

Dysplasie e.V.)<br />

• Andreas Müller (Selbsthilfegruppe Ektodermale<br />

Dysplasie e.V.)<br />

• Natalie Dengler (<strong>Die</strong> Sputniks e.V. Berlin,<br />

Vereinigung russischsprachiger Familien mit<br />

Kindern mit Beeinträchtigungen in Deutschland)<br />

• Irada Allahverdiyeva (<strong>Die</strong> Sputniks e.V. Baden-<br />

Baden, Vereinigung russischsprachiger Familien<br />

mit Kindern mit Beeinträchtigungen in<br />

Deutschland)<br />

• Sigrid Lange (Mein Herz lacht e.V.)<br />

• Mareen Bockstette (ZNM - Zusammen Stark! e.V.)<br />

• Eileen Trill<br />

• Eva Schwientek (Kleeblatt Trisomie 21)


8<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Mit Stolz konnte das knw wieder acht Transitions-<br />

Coaches ihr Zertifikat überreichen. Sie hatten sich<br />

intensiv mit der Aufgabe und Funktion eines Transitions-Coaches<br />

in Selbsthilfevereinigungen, ihrer<br />

Rolle als beratende Personen sowie den Zielen<br />

und Grenzen einer Beratung auseinandergesetzt.<br />

<strong>Die</strong> vermittelten Grundlagen der Gesprächsführung<br />

wurden direkt in Beratungssituationen geübt.<br />

Viel Wissenswertes haben die Teilnehmenden zu<br />

Unterstützungsangeboten für den Transitionsprozess<br />

sowie zu sozialrechtlichen Rahmenbedingungen<br />

und Hilfen erfahren. Besonders inspirierend waren<br />

der rege Erfahrungsaustausch zu bereits etablierten<br />

Transitionsangeboten in den jeweiligen Selbsthilfevereinigungen<br />

und die konkreten nächsten Projekte,<br />

die nach der Ausbildung gestartet werden.<br />

Wir gratulieren allen neuen Transitions-Coaches ganz herzlich:<br />

• Christine Reiter-Metzler (Rett Deutschland e. V.,<br />

Elternhilfe für Kinder mit Rett-Syndrom)<br />

• Claudia Junghans (CHARGE Syndrom e.V.,<br />

Elternkreis betroffener Kinder)<br />

• Anke Schwiete (Mein Herz lacht e.V. Community<br />

für Eltern beeinträchtigter Kinder)<br />

• Stephan Weber (Autismus Rhein Wupper e.V.)<br />

• Barbara Westbrink (Herzkranke Kinder e.V.)<br />

• Stefanie Dächsel (Förderverein Glukosetransporter<br />

GLUT1-Defekt e.V.)<br />

• Janette Schreiber (Fett-SOS e.V.)<br />

• Anna Jesse (Selbsthilfegruppe für Eltern von<br />

Kindern mit Asperger-Syndrom „Sonderbar-<br />

Wunderbar“)


Aus dem Kindernetzwerk<br />

9<br />

Vision zur Peerberatung der Zukunft<br />

<strong>Die</strong> letzte Seminarveranstaltung der knw Kompetenz-Peers<br />

und Transitions-Coaches fand im Februar<br />

2023 in Hannover statt. Schon beim Betreten des<br />

Seminarbereiches war die ungeheure Energie, der<br />

zugewandte Teamspirit und das mitreißende Engagement<br />

der Teilnehmenden spürbar. Sensationell<br />

und einzigartig war die intensive Beschäftigung der<br />

Kompetenz-Peers mit der Vision zur Peerberatung<br />

der Zukunft, die mit einem Lego Serious Play unter<br />

der Anleitung von Kristine Sautmann interaktiv erarbeitet<br />

wurde.<br />

In dieser Vision wird das Kindernetzwerk als Dachverband<br />

der Selbsthilfevereinigungen als aktiver<br />

Gestalter und Umsetzer der Peerberatung der Zukunft<br />

gesehen. <strong>Die</strong>sem hohen Anspruch möchten<br />

wir uns gern gemeinsam mit den Visionären stellen.<br />

Und so wollen wir starten:<br />

• Präsentation der knw Kompetenz-Peers auf der<br />

Homepage<br />

• Aufbau eines Alumni–Netzwerks inkl. Alumnitreffen:<br />

Für alle Absolventen der knw Ausbildungsreihen<br />

knw Kompetenz-Peers und Transitions-Coaches<br />

wird eine Vernetzungsmöglichkeit geschaffen.<br />

• Gestaltung der Peerberatung der Zukunft: Das<br />

Kindernetzwerk wird gemeinsam mit den sich dafür<br />

engagierenden Kompetenz-Peers die Vision weiterentwickeln<br />

und die konkreten nächsten Schritte angehen.<br />

Der Erfahrungsschatz sowie die Bedürfnisse<br />

der Selbsthilfevereinigungen sollen einfließen.<br />

In der Vision der Kompetenz-Peers ist die Peerberatung<br />

der Zukunft:<br />

• Regional präsent<br />

• Deutschlandweit vernetzt<br />

• Unter einem Dachverband angesiedelt<br />

Wer, wenn nicht wir?<br />

Wo, wenn nicht hier?<br />

Wann, wenn nicht jetzt?<br />

(Volksweisheit)<br />

Mehr Infos unter:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/lotse/auserfahrung-klug.php<br />

• Besetzt mit gut aus- und regelmäßig<br />

weitergebildeten Berater:innen<br />

• Definiert durch das Berufsbild<br />

Peer-Berater:innen<br />

• Dauerhaft finanzierte/s Ausbildung und<br />

Ausbildungsangebot


10<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Politische Forderungen der<br />

Jungen Selbsthilfe<br />

Der Arbeitskreis Junge Selbsthilfe konnte sein selbst<br />

verfasstes Forderungspapier zum Thema Inklusion in<br />

Schule, Ausbildung, Uni und auf dem Arbeitsmarkt.<br />

nun schon in zahlreichen Politikgesprächen vorstellen<br />

und bereits vielen Politiker:innen und Inklusionsbeauftragten<br />

zusenden.<br />

Was besser werden muss im Bereich Schule,<br />

Ausbildung und Studium<br />

Forderungen und Wünsche der Mitglieder der „Jungen Selbsthilfe“<br />

im Kindernetzwerk an die Politiker:innen<br />

Von Sarah Brandsmeier, Vertretung der<br />

Ehlers Danlos Initiative e.V.<br />

und Leonie Welsch, Jugendvertretung der<br />

Elterninitiative Apert Syndrom<br />

Wir im Kindernetzwerk zusammengeschlossenen<br />

Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben folgende<br />

Forderungen an die Politiker:innen entwickelt<br />

und bitten darum, dass diese umgesetzt werden.<br />

Denn im Alltag, in der Schule und beim Eintritt<br />

in den Arbeitsmarkt stellen sich viele Probleme,<br />

die junge Menschen mit unterschiedlichen chronischen<br />

Erkrankungen und Behinderungen leider alle<br />

sehr ähnlich erleben. Beispiele, wo wir im Alltag<br />

diskriminiert werden, finden sich unter folgendem<br />

Link: https://www.kindernetzwerk.de/downloads/<br />

Beispiele_Diskriminierung_behinderter_Menschen<br />

_im_Alltag.pdf?m=1668066878<br />

Laut Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention<br />

und Artikel 28 + 29 der UN-Kinderrechtskonvention<br />

haben Kinder bzw. Menschen mit Behinderung<br />

das Recht auf Bildung auf der Grundlage der Chancengleichheit.<br />

An vielen Grundschulen, weiterführenden<br />

Schulen, Berufsschulen, Universitäten sowie<br />

beim Eintritt ins Arbeitsleben ist dies jedoch nicht


Aus dem Kindernetzwerk<br />

11<br />

gegeben. Dort werden immer noch Menschen mit<br />

fachmedizinisch attestierten chronischen Erkrankungen<br />

bzw. Behinderung systematisch benachteiligt,<br />

anstatt inkludiert zu werden. Wir möchten<br />

dies mit Ihrer Unterstützung ändern. Dafür haben<br />

wir uns Gedanken gemacht und im folgenden Papier<br />

ein paar Forderungen zusammengestellt, welche<br />

bei Umsetzung die Möglichkeit besserer Chancengleichheit<br />

bringen sollen. Des Weiteren finden<br />

Sie auch einige Beispiele von Diskriminierung bzw.<br />

fehlgeschlagener Chancengleichheit sowie länderübergreifende<br />

Lösungsansätze für den Gesetzgeber.<br />

1. Allgemeine Forderungen zu den Bereichen<br />

Bildung und Ausbildung<br />

2. Was im schulischen Bereich besser werden muss<br />

→ Schulung von Lehrkräften an Regelschulen zur<br />

Inklusion. Lösungsansatz: Paragraph im Gesetz<br />

über die Ausbildung und Prüfung für Lehrämter und<br />

die Fort- und Weiterbildung von Lehrer:innen zum<br />

Thema Lehrinhalte (BbgLeBIG Länderübergreifend)<br />

→ Unterricht in Hybridveranstaltungen ermöglichen<br />

für Schüler:innen mit längeren Fehlzeiten aufgrund<br />

von Krankheit<br />

→ Teilnahme am Sportunterricht selbstbestimmter<br />

und flexibler gestalten (z. B. theoretische Aufarbeitung<br />

statt Teilnahme in Präsenz)<br />

Vorschlag zu Medizinischen Hilfsmitteln: Schüler-<br />

:innen, Auszubildende und Studierende mit fachmedizinisch<br />

attestierten stark beeinträchtigenden<br />

chronischen Erkrankungen bzw. Behinderungen ist<br />

es ausdrücklich gestattet, technische Gegenstände<br />

wie Laptop, Tablet oder Diktiergerät während<br />

des Unterrichts/der Seminare und bei Leistungsabfragen<br />

sowie Prüfungen zu nutzen. <strong>Die</strong> Hilfsmittel<br />

dafür müssen von der Schule (in Kooperation<br />

mit der Krankenkasse) unentgeltlich zur Verfügung<br />

gestellt werden.<br />

→ Vorschlag zur Barrierefreiheit an Schulen, Berufsschulen<br />

und Universitäten: Staatliche Grundschulen,<br />

weiterführende Schulen, Berufsschulen<br />

sowie staatlich anerkannte Ersatzschulen müssen<br />

sicherstellen, dass die genutzten Gebäude barrierefrei<br />

sind und gesonderte behindertengerechte<br />

Sanitärräume besitzen. Menschen mit fachmedizinisch<br />

attestierten stark beeinträchtigenden chronischen<br />

Erkrankungen bzw. Behinderung muss jederzeit<br />

der Zugang zu diesen Räumen möglich sein.<br />

(Ggf. Differenzierung Arbeit: öffentliche und privatwirtschaftliche<br />

Unternehmen?)<br />

→ Fehlzeiten vom Zeugnis für alle Schüler:innen<br />

entfernen und keine Kommentare auf Zeugnissen<br />

zu Erkrankungen<br />

→ Inklusionberatung an Schulämtern und Berufsschulen<br />

für Schüler:innen mit chronischen Erkrankungen<br />

bzw. Behinderungen, deren Eltern und<br />

Lehrer:innen<br />

Vorschlag zum Nachteilsausgleich an Schulen bzw.<br />

Berufsschulen: Schüler:innen mit fachmedizinisch<br />

attestierten stark beeinträchtigenden chronischen<br />

Erkrankungen bzw. Behinderung sind angemessene<br />

Erleichterungen zu gewähren, um Nachteile auszugleichen,<br />

die sich aus der Art und dem Umfang<br />

der jeweiligen Beeinträchtigung oder des sonderpädagogischen<br />

Förderbedarfs ergeben. Als solche<br />

Erleichterungen kommen insbesondere eine angemessene<br />

Verlängerung der Arbeitszeit, die Zulassung<br />

besonderer Hilfsmittel und auf Wunsch der<br />

Schüler:innen das Erbringen von Ersatzleistungen<br />

anstelle von Klausuren in Betracht. <strong>Die</strong> Entscheidung<br />

über die Notwendigkeit eines Nachteilsausgleichs<br />

trifft die Fachärztin bzw. der Facharzt.


12<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Vorschlag zum Thema Versetzung: <strong>Die</strong> Versetzung<br />

von Schüler:innen darf nicht abhängig von der Anzahl<br />

der Fehltage gemacht werden. Bei längerer<br />

Fehlzeit sollte der Leistungsstand überprüft werden.<br />

Vorschlag zum Thema Versetzung: <strong>Die</strong> Versetzung<br />

von Schüler:innen darf nicht abhängig von der Anzahl<br />

der Fehltage gemacht werden. Bei längerer<br />

Fehlzeit sollte der Leistungsstand überprüft werden.<br />

3. Was im Bereich Ausbildung und Studium besser<br />

werden muss<br />

→ Zugang zu Ausbildung und Studium erleichtern:<br />

Der Zugang zu schulischen und dualen Berufsausbildungsplätzen<br />

und zum NC-abhängigen Studium<br />

muss im Zulassungsverfahren für Menschen mit<br />

fachmedizinisch attestierten stark beeinträchtigenden<br />

langfristigen chronischen Erkrankungen<br />

und Behinderungen erleichtert werden mit einem<br />

speziellen Kontingent an Plätzen bei NC-Studiengängen<br />

nur für Menschen mit Behinderung.<br />

→ Vorschlag zur Einsetzung von Inklusionsbeauftragten:<br />

Jede Hochschule/Universität ist dazu verpflichtet,<br />

eine(n) Behindertenbeauftragte(n) bzw.<br />

Inklusionsberater:in als Ansprechpartner:in für chronisch<br />

kranke bzw. behinderte Studierende zu stellen.<br />

→ Vorschlag zum Thema Bafög und Stipendien:<br />

Stipendium in Höhe des vorliegenden Existenzminimums<br />

für Menschen mit fachmedizinisch attestierter<br />

stark beeinträchtigender chronischer Erkrankung<br />

bzw. Behinderung - Werkstudent:innenjob wird<br />

dabei nicht angerechnet - unabhängig von der<br />

Einkommenshöhe der Eltern<br />

→ Finanzierung des Lebensunterhalts bei schulischer<br />

Ausbildung bzw. Studium in Form von leichterem<br />

Zugang zu Bafög und gesonderte Stipendien<br />

für Menschen mit fachmedizinisch attestierten<br />

stark beeinträchtigenden chronischen Erkrankungen<br />

bzw. Behinderung<br />

→ vom Elterneinkommen unabhängiges Bafög ab<br />

Erstimmatrikulation bzw. bei schulischer Ausbildung<br />

ab Ausbildungsbeginn<br />

→ Bafög-Pauschale mit Möglichkeit zur Erhöhung<br />

aufgrund der durch Erkrankung verursachten<br />

Mehrkosten (Ergänzende Leistungen zum Lebensunterhalt),<br />

→ Verlängerung der Förderungshöchstdauer bei<br />

Verlängerung der Regelstudienzeit z.B. + 2 Semester<br />

beim Bachelor, +1 Semester beim Master<br />

4. Was besser werden muss auf dem Arbeitsmarkt:<br />

Idee zum Eingliederungszuschuss (EGZ) der<br />

Agentur für Arbeit<br />

Ziel sollte sein, die Zulassungsformalitäten zu verbessern<br />

sowie Fehleinschätzungen von Arbeitnehmer:innen<br />

mit fachmedizinisch attestierten stark<br />

beeinträchtigenden chronischen Erkrankungen bzw.<br />

Behinderungen zu verhindern.<br />

Gründe für Nicht-Inanspruchnahme sind oft:<br />

→ Möglichkeit der EGZ als Unterstützungsform<br />

für Arbeitgeber:innen ist noch immer zu wenigen<br />

Arbeitnehmer:innen, aber auch Arbeitgeber:innen<br />

bekannt.<br />

→ Fehleinschätzung von potentiellen Arbeitnehmer:innen<br />

aufgrund der kurzen Beurteilungszeit –<br />

während des Vorstellungsgespräches - seitens der<br />

Arbeitgeber:innen


Aus dem Kindernetzwerk<br />

13<br />

Daraus resultierendes Problem:<br />

→ Werden die Antragsformalitäten von Arbeitgeberseite<br />

nicht berücksichtigt und der EGZ infolgedessen<br />

gar nicht beantragt, kann dies zukünftig zu<br />

folgenschweren Auswirkungen insbesondere für<br />

Arbeitnehmer:innen in Form von Verlust des Arbeitsplatzes<br />

und im schlimmsten Fall Arbeitslosigkeit<br />

führen, wenn es ganz schlecht läuft, auch auf<br />

lange Zeit.<br />

Lösungsansätze:<br />

Einrichten einer Beobachtungszeit zur besseren<br />

Beurteilung seines/seiner neuen Arbeitnehmer:in<br />

durch die Möglichkeit einer Antragsstellung auch<br />

nach Vertragsabschluss. Eine Probezeit dauert<br />

i.d.R. 6 Monate, in der Unternehmen die Chance<br />

haben zu eruieren, inwiefern Arbeitnehmer:innen<br />

die Anforderungen zu 100% erfüllen und ob und inwiefern<br />

es noch „Förderungsbedarf“ gibt!<br />

5. Was besser werden muss auf dem Arbeitsmarkt:<br />

EGZ bei erneuter Einstellung im bekannten<br />

Unternehmen<br />

In der Zeit der Ausbildung kann sich der Gesundheitszustand<br />

des Auszubildenden durchaus auch<br />

verändern. In diesem Fall sollte mittels einer gängigen<br />

Einzelfallentscheidung auch bei bereits vorhandener<br />

Beschäftigung eine Antragsstellung für<br />

eine Beschäftigung nach Ausbildungsende möglich<br />

sein. Mit dem Abschluss der Berufsausbildung ergibt<br />

sich ein höheres Risiko für Arbeitnehmer:innen<br />

und Arbeitgeber:innen.<br />

Lösungsansätze:<br />

Reduzierung der 4Jahresfrist auf 2 Jahre für EGZ bei<br />

erneuter Einstellung im bekannten Unternehmen,<br />

wenn die Ausbildung bspw. bereits gefördert wurde<br />

und eine direkte Übernahme aus ökonomischen<br />

Gründen nicht möglich war.<br />

Aussetzung der 4Jahresfrist und Schaffung des<br />

EGZ-Angebotes, wenn Unternehmen bspw. eine(n)<br />

Auszubildende(n) mit fachmedizinisch attestierten<br />

stark beeinträchtigenden chronischen Erkrankungen<br />

bzw. Behinderung erneut einstellen möchten<br />

oder übernehmen wollen und sie für diese(n)<br />

Arbeitnehmer:in bei Erstanstellung (z.B. Ausbildung)<br />

noch gar keine Förderung erhalten haben.<br />

Begründung:<br />

Gerade bei Unternehmen, die einen Menschen mit<br />

all seinen Defiziten bereits kennen und sich trotzdem<br />

für eine Einstellung entscheiden, steht dieser<br />

Mensch mit seiner Arbeitsweise im Mittelpunkt.<br />

<strong>Die</strong>s ist mit einem Mehraufwand verbunden, welchen<br />

viele Unternehmen zwar tragen wollen, aber<br />

finanziell nicht können.<br />

Kontakt:<br />

jungeselbsthilfe@kindernetzwerk.de


14<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Unsere Junge Selbsthilfe trifft sich digital<br />

In der Regel am letzten <strong>Die</strong>nstag im Monat ab 19<br />

Uhr und digital treffen sich die Mitglieder unserer<br />

Jungen Selbsthilfe aus unseren Mitgliedsorganisationen.<br />

Organisiert werden diese Treffen von unserer Assistentin<br />

Lisa Warmo (Studierende der sozialen Arbeit)<br />

und unserem Vorstandsmitglied Volker Koch,<br />

der die Junge Selbsthilfe im Kindernetzwerk ins<br />

Leben gerufen hatte.<br />

Unsere Junge Selbsthilfe dient dabei als gemeinsame<br />

Plattform zum Vernetzen und Austauschen,<br />

bringt aber immer auch gemeinsame Forderungspapiere<br />

hervor, wo es Schnittmengen aller gibt.<br />

Hier mehr:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/aktiv/Junge<br />

Selbsthilfe/Junge-Selbsthilfe-im-knw.php


Aus dem Kindernetzwerk<br />

15<br />

Unsere Projekte<br />

Das Kindernetzwerk realisiert viele bewährte, aber auch neue Projekte,<br />

die wir mit Hilfe unserer Förderer verwirklichen konnten.<br />

Sie finden die aktuelle Übersicht wie gehabt auf unserer Homepage:<br />

http://kindernetzwerk.de/de/aktiv/News/Projekt_Uebersicht.php<br />

<strong>Die</strong> Kindernetzwerk-Vorsitzende<br />

Dr. Annette Mund stellt unser Projekt der<br />

Familiengesundheitspartner (FGP) vor<br />

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) legt<br />

innerhalb des vom Gesetzgeber bereits vorgegebenen<br />

Rahmens fest, welche Leistungen der medizinischen<br />

Versorgung von der gesetzlichen Krankenversicherung<br />

(GKV) im Einzelnen übernommen<br />

werden. So soll der G-BA auch Projekte fördern, die<br />

sich mit neuen Versorgungsformen oder der Versorgungsforschung<br />

im Allgemeinen beschäftigen.<br />

Zu diesem Zweck wurde der Innovationsfond beim<br />

G-BA eingerichtet. Übergeordnetes Ziel ist eine<br />

qualitative Weiterentwicklung der Versorgung in<br />

der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland.<br />

Jeder, der eine Idee hat, wie eine Verbesserung der<br />

medizinischen Versorgung geschehen könne, hat<br />

die Chance, sich um die Umsetzung seiner Idee zu<br />

bemühen. Der Innovationsfond schreibt dazu immer<br />

wieder Bewerbungen aus.<br />

knw wurde 2020 angefragt, sich an einem Projekt<br />

zu beteiligen, das durch den Innovationsfond<br />

finanziert werden sollte. <strong>Die</strong> grundlegende Idee kam<br />

von nestwärme e.V., einem Mitgliedsverband von<br />

knw. Nestwärme e.V. wurde 1999 von den beiden<br />

Frauen Petra Moske und Elisabeth Schuh gegründet.<br />

Sie „erkannten aus ihrer persönlichen Erfahrung<br />

in sozialen Einrichtungen heraus die Notlage<br />

und das emotionale Dilemma besonderer Familien.“<br />

Sie engagierten und engagieren sich für ein<br />

Netzwerk von Hilfemöglichkeiten für Familien, die<br />

mit einem beeinträchtigten Kind leben. Nach und<br />

nach entwickelten sie Ideen, wie den betroffenen<br />

Familien besser, effektiver und strukturierter als<br />

bislang geholfen werden kann. So kam ihnen auch<br />

die Idee, eine neue Form der Versorgung zu entwickeln<br />

- den Familiengesundheitspartner (FGP),<br />

eine besonders geschulte Person, die in die jeweiligen<br />

Familien gehen soll, um dort allen Familienmitgliedern<br />

Hilfe zu sein. nestwärme e.V. suchte starke<br />

Verbündete, um diese Idee Realität werden zu<br />

lassen; so fragte die Organisation auch knw wegen<br />

einer Beteiligung an diesem Projekt an. <strong>Die</strong> Leitung<br />

des Projekts sollte das aQua-Institut für angewandte<br />

Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen<br />

übernehmen. <strong>Die</strong>ses Institut verfügt


16<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

über ein kompetentes interdisziplinäres Team von<br />

mehr als 70 Mitarbeitenden mit langjährigen Erfahrungen<br />

im Bereich der Qualitätssicherung in der<br />

medizinischen und pflegerischen Versorgung. Weitere<br />

Partner:innen sollten das ism gGmbH Mainz<br />

sein, das Institut für Sozialpädagogische Forschung<br />

in Mainz, sowie das Universitäts-Klinikum Hamburg-Eppendorf<br />

(UKE). Auch das Deutsche Resilienz<br />

-Zentrum in Mainz (DRZ) wurde beteiligt.<br />

Gerne beteiligte knw sich unter diesen Bedingungen<br />

am Projekt. <strong>Die</strong> Idee war gut, die Wissenschaftlichkeit<br />

und Qualität des Projektes waren<br />

gesichert, das Engagement aller Beteiligten hoch.<br />

So wurde der Antrag für die Finanzierung über<br />

den Innovationsfond erarbeitet und die Daumen<br />

wurden gedrückt. Anfang 2021 kam der Zuschlag.<br />

Für den Zeitraum vom 01.04.2021 bis 30.09.2024<br />

wurde und wird das Projekt gefördert. Das Projekt<br />

wird in seinen Fortschritten vom Projektträger gut<br />

überwacht. Statusberichte müssen regelmäßig geschrieben<br />

und über erreichte Meilensteine im Projektverlauf<br />

muss Rechenschaft abgegeben werden.<br />

<strong>Die</strong> dem Projekt zugrunde liegende Idee war, dass<br />

das „Mobile Familie“ in allen Einzelteilen gesehen<br />

wird. Der oder die FGP ist im jeweiligen Umfeld der<br />

Familie gut vernetzt und soll dafür sorgen, dass weder<br />

eine Unter- noch eine Überversorgung vorliegt,<br />

dass kein Familienmitglied – egal ob Eltern oder<br />

Geschwister – „aus den Augen verloren wird“, weil<br />

zu schnell die Beeinträchtigung des einen Kindes im<br />

Vordergrund des täglichen Geschehens liegt. <strong>Die</strong><br />

Grundannahme aller Beteiligten war, dass ein FGP<br />

die Versorgung der betroffenen Familien deutlich<br />

verbessern wird.<br />

nestwärme e.V. wurde die Aufgabe zugewiesen,<br />

104 Familien zu finden, die bereit sind, einen FGP<br />

in ihre tägliche Hilfeplanung und -gestaltung aufzunehmen;<br />

knw wurde aufgefordert, die Kontrollgruppe<br />

von 104 Familien zu bilden, also Familien zu<br />

finden, die keinen FGP gestellt bekommen würden,<br />

dennoch bereit waren, über ihre Erfahrungen der<br />

„normalen“ Versorgung im Laufe von zwei Jahren<br />

viermal mittels einer Umfrage zu berichten. Beide<br />

Gruppen sind inzwischen aufgestellt.<br />

Ein Schritt zur Verstetigung der angestrebten Qualität<br />

des Projekts war die Etablierung eines fachlichen<br />

Beraterkreises; Ende Oktober wird dieser<br />

zum ersten Mal zusammen mit dem Projekt-Team<br />

tagen. <strong>Die</strong> nächsten Schritte werden Interviews mit<br />

den betroffenen Familien und denen der Kontrollgruppe<br />

sowie Schulung der zukünftigen FGP und<br />

deren wissenschaftliche Begleitung sein.<br />

Wir werden Sie darüber weiter auf dem Laufenden<br />

halten!<br />

Mehr hier:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/agenda/<br />

News/2021/0427-Foerderbekanntmachung-des-<br />

Innovationsausschusses-b.php<br />

Gefördert durch:<br />

Um dieses zu „beweisen“, musste eine Interventions-<br />

und eine Kontrollgruppe von Familien gebildet<br />

werden, die sich am Projekt beteiligen wollten.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

17<br />

Geflüchtete mit Behinderungen und Erkrankungen<br />

– unsere arabischsprachige Hilfsseite ist online<br />

Mit der Ankunft in Deutschland endet die Flucht<br />

vor der Gefahr und die Reise in ein neues Leben<br />

beginnt. Aus diesem Grund ist es normal, beim<br />

Start Schwierigkeiten und viele Fragen zu haben.<br />

Deshalb haben wir eine arabischsprachige Hilfsseite<br />

erstellt für Geflüchtete mit Behinderungen und<br />

chronischen Erkrankungen sowie Menschen, die<br />

Hilfe bei psychologischen Problemen und im Alltag<br />

benötigen. Bei der Recherche stellten wir fest: Der<br />

Bedarf ist groß, aber gebündelte Informationen zu<br />

speziell diesem Thema sind selten. Deswegen freuen<br />

wir uns sehr, die Hilfsseite in deutscher und arabischsprachiger<br />

Version anbieten zu können ...<br />

Gefördert durch:<br />

Unsere neue App für<br />

Seltene Erkrankungen unrare.me<br />

Wir sind sehr stolz auf die von uns entwickelte neuartige<br />

App unrare.me. <strong>Die</strong>se neue App versteht sich<br />

als ein digitaler datengeschützter Gesundheitscampus,<br />

der die unterschiedlichsten Player – z.B. Medizin,<br />

Pflege, Betroffene, Selbsthilfe – zusammenbringt.<br />

<strong>Die</strong> App wurde in einem Konsortium unter<br />

der Leitung von Kindernetzwerk e.V. entwickelt.<br />

Sie ist für Menschen mit chronischen und seltenen<br />

Erkrankungen eine echte Chance. Es dauert im<br />

Schnitt fünf Jahre, bis eine seltene Erkrankung diagnostiziert<br />

wird – zu lange für die Entwickler:innen<br />

von unrare.me. Deswegen werden über die App<br />

von der gleichen Krankheit Betroffene zusammengebracht,<br />

die sich nach dem Anlegen eines Profils<br />

über die App finden und austauschen können. Dabei<br />

kann man frei entscheiden, wieviel man von den<br />

Symptomen und von der Krankheit und allem, was<br />

in Bezug auf die Krankheit wichtig ist, veröffentlicht<br />

– man kann auch anonym bleiben. Auf Basis des<br />

Profils findet unrare.me andere User:innen mit<br />

ähnlichen Merkmalen und durch das eigene Feedback<br />

werden die Suchergebnisse immer weiter<br />

verbessert.<br />

Mehr Infos zur App unter www.unrare.me<br />

Gefördert durch:


18<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Muttersprachliche Selbsthilfegruppen:<br />

Übersicht spezifischer Selbsthilfeangebote<br />

für Migrant:innen<br />

Studien zeigen leider, dass die bestehenden Selbsthilfestrukturen<br />

Migrant:innen mit chronischen<br />

Erkrankungen und Behinderungen in Deutschland<br />

kaum erreichen. Sprachbarrieren und kulturspezifische<br />

Unterschiede in der Krankheitsverarbeitung<br />

und -bewältigung führen dazu, dass das vielfältige<br />

Angebot der Selbsthilfe kaum genutzt wird.<br />

Oft reicht es nicht, Informationsmaterialien wie<br />

Flyer und Broschüren in verschiedene Sprachen<br />

zu übersetzen, um Familien mit migrantischen<br />

Wurzeln für die Selbsthilfe zu begeistern. Deswegen<br />

hat das Kindernetzwerk eine Handreichung<br />

erstellt, die dafür verantwortliche Hintergründe<br />

zusammenfasst und Möglichkeiten aufzeigt, wie<br />

migrantische Familien stärker an der Selbsthilfe<br />

beteiligt werden können. Außerdem haben wir<br />

für die Hilfe vor Ort niedrigschwellige Erstberatungsangebote<br />

und Adressen zusammengetragen,<br />

die sich deutschlandweit bereits mit kultursensibler<br />

Selbsthilfe befassen. <strong>Die</strong>s ist ein erster<br />

Schritt und kann Teil einer Willkommenskultur sein.<br />

Weitere Informationen finden Sie auf unserer<br />

Internetseite:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/agenda/The<br />

menportal/2023/Uebersicht-migrantenspezifi<br />

scher-Selbsthilfeangebote-----.php<br />

Gefördert durch:<br />

Hilfsseite für die „Unsichtbaren:“:<br />

Das gesunde Geschwisterkind / Erwachsenenseite<br />

Erwachsene Geschwister eines chronisch kranken<br />

oder behinderten Kindes, Jugendlichen oder Erwachsenen<br />

sind in ihrem Leben durch ihr besonderes<br />

Familienleben geprägt: „Unsichtbarkeit” oder<br />

zu viel Verantwortung in der Kindheit sind nur zwei<br />

häufige Herausforderungen für sie. Im Erwachsenenalter<br />

kommen neue Aufgaben dazu, wenn<br />

etwa die bisher verantwortlichen Eltern selbst mit<br />

der Zeit weniger in der Lage sind, das erkrankte<br />

Geschwister zu betreuen. Häufig sind es dann die<br />

gesunden Geschwister, die Betreuungsangelegenheiten<br />

übernehmen. Trotz der sich daraus oftmals<br />

ergebenden großen Belastung werden erwachsene<br />

Geschwister chronisch kranker oder behinderter<br />

Menschen von Institutionen und deren Unterstützungsangeboten<br />

meist übersehen. Das knw hat<br />

deswegen eine Hilfsseite erstellt mit Angeboten<br />

zur Unterstützung, Vernetzung und Beratung für<br />

erwachsene Geschwister, sozialrechtlichen Informationen<br />

und weiterführender Fachliteratur.<br />

Mehr Informationen hier:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/aktiv/Junge<br />

Selbsthilfe/2023/Erwachsene-Geschwister.php<br />

Gefördert durch:


Aus dem Kindernetzwerk<br />

19<br />

Wissen weitertragen<br />

Aktive Väter in der Selbsthilfe<br />

Am 18. Mai ist Vatertag, ein Ehrentag, der auf die<br />

Leistungen der Väter hinweisen soll.<br />

Ein besonderer Vater ist Alexander Exner, der trotz<br />

großer Herausforderungen mitten im Leben steht:<br />

Er war lange im Vorstand des „Bundesverbandes<br />

Angeborene Gefäßfehlbildungen e.V.“ tätig, da seine<br />

Tochter mit einer arterio-venösen Gefäßfehlbildung,<br />

einer seltenen Erkrankung, geboren wurde.<br />

Davon gibt es leider mehr als 6.000 Varianten. Sie<br />

werden als selten bezeichnet, wenn nicht mehr als<br />

5 von 10.000 Menschen daran erkrankt sind. Durch<br />

Exners Erfahrungen und sein angereichertes Wissen<br />

hat er in dem Selbsthilfeverein bis heute vielen<br />

anderen betroffenen Eltern weiterhelfen können.<br />

Im Interview mit dem Kindernetzwerk verrät er,<br />

warum es wichtig ist, als Vater aktiv in der Selbsthilfe<br />

tätig zu sein.<br />

Herr Exner, was hat Sie dazu angespornt, sich<br />

aktiv in der Selbsthilfe zu engagieren?<br />

Da muss ich ein wenig ausholen: Meine Tochter<br />

wurde schon mit einer seltenen Erkrankung der<br />

Gefäße, der arterio-venösen Fehlbildung, geboren.<br />

<strong>Die</strong>se Erkrankung wurde erst nach der Geburt festgestellt.<br />

Der Arzt in der Uniklinik hatte sehr wenig<br />

Kenntnisse über diese Art der Gefäßfehlbildung und<br />

behandelte bisher nur zwei Patienten mit dieser Erkrankung.<br />

Am Anfang war die Familie und auch das<br />

familiäre Umfeld sehr resigniert, das Internet konnte<br />

zu der damaligen Zeit nur wenig Informationen<br />

aufzeigen.<br />

Ich hatte von einer unbeteiligten Person über das<br />

Kindernetzwerk gehört und mir von dort die Infomappe<br />

über die Erkrankung zusenden lassen.<br />

Nach einiger Zeit ergab sich endlich der Kontakt<br />

zu weiteren betroffenen Eltern und dadurch auch<br />

der Kontakt zur Selbsthilfegruppe (jetzt schon sehr<br />

lange Bundesverband). <strong>Die</strong>se Selbsthilfegruppe<br />

war damals noch sehr klein, aber schon sehr gut<br />

strukturiert und es waren etliche Erfahrungen von<br />

Ärzten über die Behandlung der Erkrankung bekannt.<br />

Aufgrund, dass dieser Verband nur aus 15<br />

Mitgliedern inkl. zwei Ärzten bestand, bedurfte es<br />

vieler weiteren aktiven Mitstreiter: innen. Somit<br />

entschloss ich, mich dieser Gruppe anzuschließen,<br />

um die Lebenssituation von Kindern mit angeborenen<br />

Gefäßfehlern zu verbessern und somit auch<br />

die Lebenssituation meiner Tochter. Durch meine<br />

Beharrlichkeit konnte ich auch meine Ehefrau davon<br />

überzeugen, für diese Art von Erkrankung und<br />

somit für unser Kind zu kämpfen. Da meine Frau<br />

hauptsächlich die Versorgung und Pflege meiner<br />

Tochter übernahm, entschied ich mich, aktiv in<br />

der Selbsthilfegruppe mitzuwirken, und dies war<br />

zugleich auch Ansporn für mich als Vater, mich für<br />

diese besonderen Kinder einzusetzen.


20<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

<strong>Die</strong> Selbsthilfen sind im Großteil von Müttern vertreten.<br />

Würden Sie den Vätern empfehlen, sich<br />

aktiv in der Selbsthilfe einzubringen? Wenn ja,<br />

warum?<br />

Ich würde den Vätern anraten, sich aktiv in eine<br />

Selbsthilfegruppe einzubringen. Vor allem in der<br />

Zeit, wo die Kinder noch sehr klein sind, wird die<br />

Versorgung mit hohem pflegerischem Aufwand<br />

größtenteils von den Müttern geleistet, wobei sich<br />

die Väter für die Struktur in der Behandlung wie<br />

Arzt- und Kliniksuche, Suche nach neuen Therapien<br />

u.v.m. einbringen müssen. Auch aus diesem Grund<br />

ist es von Nutzen, wenn ein betroffener Vater sich<br />

aktiv in die Selbsthilfe einbringt und vor allem seine<br />

Erfahrungen mit anderen teilen bzw. weitergeben<br />

kann. Sollte die chronische oder auch seltene Erkrankung<br />

erst im Kleinkindalter auftreten, können<br />

aktive Väter in der Selbsthilfegruppe zur Verbesserung<br />

der Lebenssituation ihrer Kinder und dem Alltag<br />

in der Familie vieles leisten.<br />

Nebenbei gewinnen aktive Väter in der Selbsthilfe<br />

eine sehr große Selbstbestätigung, zum Beispiel<br />

bei Rückmeldungen von weiteren betroffen Eltern,<br />

dass einem anderen betroffenen Kind geholfen<br />

werden konnte. Es suchen sogar Kliniken und<br />

Therapeuten die Hilfe von der jeweiligen Selbsthilfegruppe,<br />

was bestätigt, dass durch die Arbeit der<br />

Selbsthilfegruppen eine wertvolle Aufgabe für die<br />

betroffenen Menschen in der Gesellschaft geleistet<br />

wird. Das Miteinander der betroffenen Väter<br />

darf auch nicht zu kurz kommen, dies pflegen wir<br />

in jährlichen Treffen, wo sich die aktiven und auch<br />

nichtaktiven Väter untereinander austauschen.<br />

Sehr wichtig für die Eltern ist es, ausführliches<br />

Wissen über die Erkrankung ihres Kindes zu erlangen,<br />

um bei allen ärztlichen Entscheidungen mit<br />

dem behandelten Arzt auf Augenhöhe sprechen<br />

zu können. Gerade deswegen war es für mich sehr<br />

wichtig, diese Informationen über die Erkrankung<br />

meiner Tochter zu erwerben und dieses Wissen mit<br />

anderen Eltern in der Selbsthilfe zu teilen. Für mich<br />

als Vater ist es sehr bedeutsam, mich in diesem<br />

Netzwerk einzubringen, um maßgebend an der<br />

Entwicklung der Selbsthilfe beteiligt zu sein.<br />

Welche Schlüsselrolle hat ein Vater in der Selbsthilfe?<br />

<strong>Die</strong> Schlüsselrolle habe ich in den vorangegangenen<br />

Fragen zum Teil bereits beantwortet. Gerade<br />

bei Babys und Kleinkindern mit einer chronischen<br />

und seltenen Erkrankung brauchen diese Kinder<br />

einen enormen Pflegebedarf, wird weitgehendst<br />

von den Müttern geleistet. Somit kann der aktive<br />

Vater trotz seiner beruflichen Arbeit viel mehr in<br />

seiner Freizeit recherchieren in Punkto neue Ärzte,<br />

neue Kliniken, neue Behandlungsmethoden usw.,<br />

um die Lebenssituation des betroffenen Kindes zu<br />

verbessern. Wichtig ist dabei, dass man sich nicht<br />

übernimmt. Man muss die Aktivität in einer Selbsthilfegruppe<br />

sehen wie in einem anderen Verein<br />

auch wie zum Beispiel bei einem Sportverein. Jeder<br />

aktive Vater sollte nur so viel Zeit investieren, dass<br />

sich der zeitliche Aufwand noch gut dabei anfühlt.<br />

Wie wirkt sich die Beteiligung der Väter in der<br />

Selbsthilfe auf die Kinder aus? Können Sie dazu<br />

Erfahrungen aus der Sicht von Kindern nennen.<br />

<strong>Die</strong> betroffenen Kinder profitieren von der Beteiligung<br />

der Väter in den Selbsthilfegruppen, da die<br />

Väter durch Informationen und den Austausch eine<br />

Verbesserung der Lebenssituation für die Kinder<br />

erreichen. Väter. die die Selbsthilfegruppe als einen<br />

„Verein“ ansehen, nehmen sich auch die Zeit,<br />

um zum Beispiel zu anderen Kliniken zu verreisen<br />

und neue Ärzte aufzusuchen und gleich Betroffene<br />

zu finden, auch davon besteht ein Nutzen für die<br />

Kinder. An den sogenannten Patiententreffen, wo


Aus dem Kindernetzwerk<br />

21<br />

sich Väter aktiv mit verschiedenen Aktionen engagieren<br />

wie zum Beispiel gemeinsames Lagerfeuer,<br />

sportlichen Angeboten usw. haben die Kinder sehr<br />

viel Spaß und vergessen für einige Zeit Ihre Erkrankung,<br />

hierbei zu erwähnen: die Stärkung des emotionalen<br />

Kontaktes der Väter zu ihren betroffenen<br />

Kindern. Auch ein sehr wichtiger Aspekt, dass der<br />

Vater nicht nur als „Brotgeber“ in der Familie gilt,<br />

sondern durch sein Engagement sich mit der Erkrankung<br />

seines Kindes auseinandersetzt.<br />

Würden Sie es sinnvoll finden, dass die Politik<br />

die gesellschaftliche Aufklärung zum Thema „Väter<br />

für die Selbsthilfe” mehr voranbringt? Sollten<br />

mehr Möglichkeiten wie Freiräume im Beruf und<br />

Alltag geschaffen werden, um Väter aktiv zu unterstützen?<br />

Ja, das würde ich gut finden, da ich aus eigenen<br />

Erfahrungen von aktiven erfahrenen Vätern weiß,<br />

dass sie gerne mehr Zeit in die Recherchen für ihre<br />

betroffenen Kinder investieren würden. Ein Vorschlag<br />

wäre, den betroffenen Vätern von chronisch<br />

kranken Kindern mehr Selbsthilfe-Arbeitsurlaubstage<br />

zu gewähren. Natürlich nur, wenn ein Nachweis<br />

für den Arbeitgeber erbracht wurde, dass sich die<br />

Väter aktiv in der Selbsthilfe einbringen. Dazu ein<br />

Beispiel: Gerade bei Recherchen zu neuen Kliniken,<br />

neuen spezialisierten Ärzten und neuen Therapien<br />

ist es oft erforderlich, dass man auch zu bundesweiten<br />

Kongressen und ähnlichen Tagungen fahren<br />

muss. Dafür bedarf es immer einiger Tage Urlaub,<br />

die Teilnahme kann nicht in der Freizeit erfolgen.<br />

Auch wäre es durchaus denkbar, seitens der Politik<br />

ein bestimmtes Stundenkontingent für die betroffenen<br />

aktiven Väter zu gewährleisten, und somit<br />

diese auch angespornt werden, sich aktiv in der<br />

Selbsthilfe einzubringen. Natürlich bedarf es dazu<br />

konkreter Regelungen vom Gesetzgeber.<br />

Abschließend: Welche persönlichen Eindrücke aus<br />

Ihrer aktiven Zeit in der Selbsthilfe und welche<br />

Ratschläge möchten sie anderen Vätern mit auf<br />

den Weg geben?<br />

Hier einige persönlichen Eindrücke aus meiner aktiven<br />

Zeit und Ratschläge an andere Väter, die ich<br />

zum Teil schon in den oberen Fragen angesprochen<br />

habe:<br />

Es lohnt sich, als betroffener Vater in der Selbsthilfe<br />

zu arbeiten. Schon allein aus dem Grund, dass man<br />

so viel an Wissen sich zur Erkrankung des eigenen<br />

Kindes aneignet. Wie schon erwähnt, bedeutet<br />

dies eine Verbesserung für das Kind und das Finden<br />

von neuen Behandlungsmöglichkeiten. Man ist als<br />

Vater nicht allein in der Situation mit dem kranken<br />

Kind. Der Austausch, die Aufgaben und die Vernetzung<br />

sind durch eine aktive Mithilfe von Vätern für<br />

die Selbsthilfegruppensehr entlastend. Das eigene<br />

Selbstwertgefühl steigt, vor allem, wenn man Rückantworten<br />

bekommt und einem betroffenen Kind<br />

helfen konnte. Das betroffene Kind respektiert seinen<br />

Vater vielmehr, wenn die Last der Behinderung<br />

nicht nur auf die Mutter verteilt ist.<br />

Sehr oft reicht die Zeit nicht, wenn man allein für<br />

sein eigenes Kind recherchiert. Selbsthilfegruppe<br />

kann bedeuten: Gemeinsam sind wir stark.<br />

Ein weiterer Ratschlag von mir ist auch: Nur so viel<br />

Zeit in der Aktivität in der Selbsthilfegruppe zu verwenden,<br />

dass man sich dabei noch gut fühlt.<br />

Der für mich wichtigste Aspekt, um als Vater in der<br />

Selbsthilfegruppe aktiv mitzuwirken, ist: Der Vater<br />

hat einiges an mehr Zeit als die Mutter, um nach<br />

neuen Erkenntnissen über die Erkrankung zu recherchieren.<br />

Und: Man sollte die Selbsthilfegruppe<br />

als Verein sehen und nicht als Belastung. Aktiv in<br />

der Selbsthilfegruppe zu sein kann und muss auch<br />

mit Freizeitaktivitäten und Spaß verbunden sein.


22<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Sinnvoll sind dafür Patiententreffen oder Treffen<br />

von betroffenen Vätern untereinander, um sich<br />

austauschen und auch mal die Sorgen und Nöte der<br />

eigenen Familie zu besprechen.<br />

<strong>Die</strong>ses Interview führte knw-Mitarbeiterin Birgit<br />

Fuchs. Es entstand mit Förderung des GKV im Rahmen<br />

der Empowerment-Kampagne<br />

Seminare und Auszeiten<br />

Betroffene Kinder und Jugendliche mit seltenen,<br />

chronischen Erkrankungen und Behinderungen,<br />

ihre Angehörigen sowie Selbsthilfevereine benötigen<br />

im besonderen Maß speziell auf ihre Belange<br />

ausgerichteter Unterstützung - sozial, strukturell,<br />

rechtlich. Deswegen bietet die Akademie des Kindernetzwerks<br />

viele verschiedene krankheitsübergreifende<br />

Weiterbildungs- und Unterstützungsseminare<br />

an - immer mit dem Bezug der Selbsthilfe.<br />

Hier geht es zum Überblick unserer Akademie...<br />

Time-Out: Väter im Mittelpunkt im Mai 2023<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/aktiv/Termine/2023/Entlastungsangebot.php<br />

knw Transitionscoach<br />

Online- und Präsenzausbildung zum knw Transitions-Coach...<br />

Vereinsrecht Videoseminar<br />

Da Zeitmangel und Krankheit der Betroffenen eine<br />

Teilnahme an einem Präsenzseminar oft nicht zulassen,<br />

haben wir zum Thema „Vereinsrecht“ Videos<br />

erstellt. Thomas Franken vom Verein KiDS<br />

22q11 e.V. behandelt in acht kurzen Videos die<br />

Themen Gemeinnützigkeit, Verlust der Gemeinnützigkeit,<br />

Satzung, Haftungsfragen sowie Mitgliederversammlungen.<br />

<strong>Die</strong> Videos sind auf unserem<br />

youtube-Kanal abrufbar...<br />

knw Kompetenz-Peer<br />

Online- und Präsenzausbildung zum knw Kompetenz-Peer...<br />

Weitere Seminare auch aus unserem Netzwerk finden<br />

Sie in unseren Terminen...<br />

Spenden an das Kindernetzwerk?<br />

Wenn Sie unsere Arbeit für die Betroffenen unterstützen<br />

wollen, freuen wir uns sehr über Spenden,<br />

auf die wir dringend angewiesen sind.<br />

Vielleicht könnte eine Firma in Ihrem Umfeld für<br />

das Kindernetzwerk spenden oder Fördermitglied<br />

werden?


Aus dem Kindernetzwerk<br />

23<br />

Unsere Mitglieder im<br />

Kindernetzwerk<br />

Hier stellen wir wieder eine Mitgliedsorganisation aus unseren<br />

Reihen vor sowie im Anschluss unsere neuen Mitglieder.<br />

Der Dup15q e.V.<br />

Der Dup15q e.V. ist ein Selbsthilfeverein von Eltern<br />

für Eltern, deren Kinder von diesem seltenen Gendefekt<br />

betroffen sind. Er ist in Deutschland, in Österreich<br />

und in der Schweiz aktiv und zählt bereits<br />

71 Familien (73 Dup15q-Betroffene) und 60 Fördermitglieder.<br />

Allein in Deutschland wird die Zahl der<br />

Diagnosen mit Dup15q laut Marktstudien auf 800<br />

geschätzt, die Fälle müssten bei einer Inzidenz von<br />

1:15.000 jedoch um ein siebenfaches höher liegen.<br />

Ziel unserer Öffentlichkeitsarbeit ist es, die hohe<br />

Dunkelziffer - also alle betroffenen Familien - zu<br />

erreichen, indem das Dup15q-Syndrom bei überschneidender<br />

Symptomatik mit bedacht wird<br />

und Familien ermutigt werden, eine genetische<br />

Abklärung in Erwägung zu ziehen. Besonders bei<br />

der Diagnose frühkindlicher oder atypischer Autismus<br />

sowie diverser Entwicklungsverzögerungen<br />

führen Ärzt:innen nicht immer systematisch einen<br />

Gentest durch. Gezielte Informationen können den<br />

Alltag von betroffenen Familien jedoch erheblich<br />

vereinfachen. Dafür machen wir uns stark.<br />

Der Dup15q e.V. unterstützt Familien, die Diagnose<br />

„Kind mit Behinderung“ emotional anzunehmen,<br />

zu verstehen, und hilft mit seiner Aufklärung, betroffene<br />

Kinder bestmöglich in ihrer Entwicklung zu<br />

fördern.


24<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Neben einem umfangreichen Willkommensbuch<br />

über das Syndrom werden vierteljährliche Newsletter,<br />

die jährlich erscheinende Mitgliederzeitschrift<br />

„quietschbunt“, Familientreffen, Fachvorträge sowie<br />

digitale Gesprächskreise und Seminare angeboten.<br />

In Kooperation mit dem Universitätsklinikum<br />

Heidelberg ist im Oktober 2022 die erste Dup15q-<br />

Spezialsprechstunde in Deutschland für betroffene<br />

Familien angelaufen. Ein europäisches Patientenregister<br />

ist für das Frühjahr 2023 vorgesehen.<br />

Weitere Informationen über das<br />

Dup15q-Syndrom und den Dup15q e.V.:<br />

Homepage: www.dup15q.de<br />

Instagram: dup15q_ev<br />

Facebook: @dup15qeV<br />

YouTube: @dup15qe.v.67<br />

Linkedin: dup15q e.v.<br />

Ansprechpartner für Fachleute:<br />

Verena Romero, 1. Vorsitzende<br />

Mobil: +49 179 4354411<br />

E-Mail: v.romero@dup15q.de<br />

Ansprechpartner für Familien:<br />

Mareike Dahmann, 2. Vorsitzende<br />

Mobil: +49 179 9211442<br />

E-Mail: m.dahmann@dup15q.de<br />

Mehr zur Erkrankung:<br />

DAS DUP15Q-SYNDROM UND DER DUP15Q E.V.<br />

Das Dup15q-Syndrom ist eine seltene genetisch<br />

bedingte neurologische Erkrankung, die schätzungsweise<br />

bei einem von 15.000 Neugeborenen<br />

auftritt. Zu den Symptomen zählen unterschiedlich<br />

ausgeprägte globale Entwicklungsverzögerungen,<br />

Muskelhypotonie sowie sensorische Verarbeitungs-<br />

und Autismus-Spektrum-Störungen. Ca. 60%<br />

der Personen mit Dup15q entwickeln im Laufe ihres<br />

Lebens eine Epilepsie, die sich teils schon sehr<br />

früh durch BNS-(artige)-Anfälle äußert, jedoch alle


Aus dem Kindernetzwerk<br />

25<br />

Anfallsformen umfassen kann. Das Dup15q-Syndrom<br />

ist eine der häufigsten genetischen Ursachen<br />

für eine Autismus-Spektrum-Störung und trägt<br />

ein sehr hohes Risiko, eine solche zu verursachen.<br />

Weitere Begleiterkrankungen sind gastrointestinale<br />

Probleme, Wachstums- und Verhaltensproblematiken<br />

(u.a. Hyperaktivität, Angststörungen, Psychose).<br />

Studien weisen auf einen charakteristischen<br />

EEG-Biomarker in Form von spontanen Beta-Frequenzschwingungen<br />

(12–30 Hz) mit hoher Amplitude<br />

hin. <strong>Die</strong> EEG-Signatur scheint fast identisch<br />

mit Beta-Oszillationen zu sein, die durch Benzodiazepine<br />

induziert werden, die GABAA-Rezeptoren<br />

modulieren.<br />

Ursächlich für das Dup15q-Syndrom ist ein instabiler<br />

Bereich des q-Arms von Chromosom 15, die<br />

„Prader-Willi-/Angelman-Syndrom-kritische Region“,<br />

die mindestens einmal zusätzlich kopiert wurde.<br />

Auch wenn eine Vererbung möglich ist, führt überwiegend<br />

eine spontane Neuanordnung der Erbinformation<br />

in der mütterlichen Eizelle zur Entstehung.<br />

Leider wird bisher bei Diagnosestellung eine<br />

Vielzahl an Namen verwendet, die eine schnelle Zuordnung<br />

erschwert und Familien äußerst verwirrt.<br />

Folgende Namen werden alle mittlerweile unter<br />

das Dup15q-Syndrom zusammengefasst:<br />

• Duplikation 15q11.2-q13.1<br />

• Mikroduplikationssyndrom 15q11q13<br />

• (partielle) Tetrasomie 15q / Chromosom 15<br />

partielle Tetrasomie des langen Arms<br />

• (partielle) Trisomie 15q / Chromosom 15<br />

partielle Trisomie des langen Arms<br />

• isodizentrisches Chromosom 15 / idic(15)<br />

• interstitielle Duplikation 15q (intdup15)<br />

• interstitielle Triplikation 15q<br />

• Mosaik 15q<br />

• überzähliges Markerchromosom 15 (SMC15)<br />

• invertierte Duplikation 15 (InvDup15) /<br />

Inversion Duplikation Chromosom 15<br />

Das zusätzliche Erbgut muss die Region 15q11.2-<br />

q13.1 enthalten, um als Dup15q-Syndrom identifiziert<br />

zu werden, kann aber auch über diese Banden<br />

hinausgehen.<br />

Das seltene Vorkommen, die unspezifischen Symptome,<br />

die Vielzahl an Namen und die nicht routinemäßige<br />

genetische Analyse erschweren den Weg<br />

zu einer Diagnose. Doch nur diese hilft bei einem<br />

maßgeschneiderten und vorausschauenden Umgang<br />

mit der Erkrankung. <strong>Die</strong> Behebung der genetischen<br />

Ursache durch eine Gentherapie wird auf<br />

absehbare Zeit nicht möglich sein. Jedoch können<br />

durch verschiedene Therapien die Symptome behandelt<br />

und die Teilhabefähigkeit am Leben erheblich<br />

gesteigert werden.


26<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Neue Mitgliedsorganisation<br />

im knw:<br />

einePause e.V.<br />

Auszeiten für Eltern und ihre pflegebedürftigen Kinder<br />

Pflegende Eltern sind oft pausenlos im Einsatz. Sie<br />

überwinden täglich zahllose Hürden. Sie kämpfen<br />

um Bildung, Förderung und Teilhabe für ihre chronisch<br />

kranken, beeinträchtigten Kinder. Sie kümmern<br />

sich um Therapien, Medikamentengabe,<br />

Arzttermine, Krankenhausaufenthalte und führen<br />

Auseinandersetzungen mit den Kostenträgern.<br />

Raum und Zeit zum Durchatmen und Kraftschöpfen<br />

finden sie nur selten.<br />

aufzubauen. Denn Eltern können sich nur erholen,<br />

wenn sie ihre Kinder wirklich gut versorgt wissen.<br />

Unsere Mission: Selbstbestimmung und Teilhabe<br />

Im einePause-Haus wollen wir pflegebedürftigen<br />

jungen Menschen ein Zuhause auf kurze Zeit bieten.<br />

Wie ihre Altersgenossen sollen auch sie Möglichkeiten<br />

bekommen, außerhalb der Familie neue<br />

Erfahrungen zu machen, sich weiterzuentwickeln.<br />

Ein multidisziplinäres Team (bestehend aus pädagogischem<br />

und pflegerischem Personal) wird ihnen<br />

Rund-um-die-Uhr zur Seite stehen und individuelle<br />

Unterstützung leisten. Wahlweise können Eltern<br />

und Geschwister zeitgleich eine Gästewohnung im<br />

einePause-Haus beziehen. Unser Ziel ist, dass alle<br />

Familienmitglieder ihre (Aus-)Zeit selbstbestimmt<br />

gestalten können. Daneben wollen wir Raum für<br />

Austausch mit anderen Familien, viele kreative<br />

Angebote und Vernetzung bieten.<br />

Was, wenn die Kraft nicht mehr reicht?<br />

Wir wollen Familien mit chronisch kranken und<br />

pflegebedürftigen Kindern stärken. Als Betroffene<br />

haben wir 2019 zusammen mit Unterstützer:innen<br />

den Verein einePause e.V. gegründet. Unser großes<br />

Ziel ist es, ein Kurzzeitwohnhaus für junge<br />

Menschen mit Behinderung (d.h. Kinder, Jugendliche<br />

und junge Erwachsene bis 27 Jahren) in Berlin<br />

Mehr Sichtbarkeit für pflegende Familien<br />

<strong>Die</strong> Umsetzung unseres innovativen Konzeptes<br />

erfordert Umdenken. Zur Finanzierung müssen<br />

mehrere Senatsverwaltungen, Bezirksämter und<br />

dazu noch die Pflege- und Krankenkassen an einem<br />

Strang ziehen. Im Moment fehlen noch geeignete<br />

Rahmenbedingungen. Das wollen wir ändern.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

27<br />

• vernetzen wir uns bundesweit mit pflegenden<br />

Eltern und pflegenden Angehörigen,<br />

• entwickeln wir Konzepte in Kooperation mit anderen<br />

Trägern weiter und suchen intensiv nach passenden<br />

Grundstücken oder Immobilien.<br />

• Wir laden herzlich ein, mitzumachen und unsere<br />

Arbeit zu unterstützen!<br />

Auf dem Weg dahin<br />

• sorgen wir für Sichtbarkeit, damit pflegende<br />

Familien und ihr Entlastungsbedarf auf dem<br />

Radar der Politik bleiben,<br />

Mehr Informationen unter:<br />

einePause e.V.<br />

kontakt@einepause.de<br />

030-40058712 (bitte Nachricht hinterlassen)<br />

www.einePause.de<br />

• bieten wir monatlich eine Selbsthilfegruppe zum<br />

Austausch und zur gegenseitigen Unterstützung im<br />

Alltag an,<br />

Kurzvorstellung des Vereins<br />

ZNM – Zusammen Stark! e.V.<br />

Verein für Menschen mit zentronukleären Myopathien (ZNM)<br />

- Wir sind #ZusammenStark!<br />

Wer sind wir?<br />

Wir freuen uns, als neues Mitglied des Kindernetzwerkes<br />

über unseren Verein berichten zu dürfen.<br />

Wir sind der 2015 gegründete Selbsthilfe-Verein für<br />

Betroffene zentronukleärer Myopathien (ZNM) in<br />

Deutschland, den Niederlanden, Österreich, Belgien<br />

und der Schweiz. ZNM sind sehr seltene Muskelerkrankungen,<br />

die durch Mutation eines der Gene<br />

MTM1, DNM2, RYR1, TTN, SEPN1 oder BIN verursacht<br />

werden. <strong>Die</strong> Symptome sind meist schwerwiegend<br />

und die Prognosen schlecht. Auch sind die<br />

ZNM so selten, dass die Forschung an ihnen keine<br />

staatliche Förderung genießt und nur durch Familienorganisationen<br />

wie uns ermöglicht wird.<br />

ZNM sind sehr schwere genetisch bedingte Muskelerkrankungen.<br />

<strong>Die</strong> Betroffenen können sich nur<br />

sehr wenig bewegen und benötigen einen Rollstuhl.<br />

Viele werden über Magensonden künstlich<br />

ernährt und mit Hilfe von Maschinen beim Atmen<br />

unterstützt. Leider gibt es noch keine Heilung für<br />

diese Muskelerkrankung. Wegen der Schwere der<br />

Erkrankung ist die Lebenserwartung leider gering,<br />

so dass viele Betroffene Kinder sind.


28<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Was machen wir?<br />

Wir arbeiten zusammen daran, Betroffene und Angehörige<br />

zu vernetzen und ihnen die vielen Möglichkeiten<br />

zu zeigen, die ein Leben mit ZNM bietet.<br />

Dafür nutzen wir unser internes Forum auf Facebook,<br />

Webinare, Videokonferenzen und persönliche<br />

Treffen, insbesondere unsere jährlich stattfindenden<br />

Familienkonferenzen<br />

Auch setzen wir uns dafür ein, dass Betroffene<br />

die bestmögliche Behandlung erhalten, indem wir<br />

Mediziner:innen und Therapeut:innen umfassend<br />

informieren und unterstützen.<br />

Trust und der RYR1 Foundation (USA) 55.000 € für<br />

die Forschung bereitgestellt haben, ist es uns im<br />

Jahr 2020 gelungen, eigenständig zwei Forschungsprojekte<br />

mit einem Gesamtwert von 150.000 € zu<br />

fördern. Im Jahr 2022 konnten wir ein weiteres<br />

Forschungsstipendium in Höhe von 150.000 € ausschreiben.<br />

Unsere Forschungsprojekte<br />

Von beiden Forschergruppen haben wir 2021 vielversprechende<br />

Zwischenberichte erhalten: Beim<br />

Forschungsprojekt “REDyT” unter Leitung von Isabel<br />

Punzon (Nationale Tierärztliche Hochschule<br />

von Alfort) wurde erstmals die sogenannte „Genschere“<br />

in Muskelzellen von Hunden angewendet.<br />

Beim Forschungsprojekt “Therapy development for<br />

DNM2 – CNM” unter Leitung von Jim Dowling vom<br />

SickKids Hospital in Toronto wurden 30 potenzielle<br />

Medikamente identifiziert, die die Muskelleistung<br />

von Menschen mit einer DNM2-bedingten ZNM<br />

verbessern könnten.<br />

Auf internationaler Ebene fördern wir den Wissensaustausch<br />

und investieren in die Forschung,<br />

um neue Heilmittel und Therapiemöglichkeiten zu<br />

finden: Seit unserer Gründung haben wir bereits<br />

sechs Familienkonferenzen organisiert. <strong>Die</strong>se Treffen<br />

bieten nicht nur Möglichkeiten zum familiären<br />

Austausch, sondern auch wissenschaftliche Vorträge<br />

zur aktuellen Forschung, Workshops und vieles<br />

mehr.<br />

Unsere Investitionen in die Forschung belaufen sich<br />

auf mittlerweile über 350.000 €: Nachdem wir zunächst<br />

über Kooperationen mit dem Myotubular<br />

Klinische Studien<br />

Im Bereich der ZNM finden derzeit drei Klinische<br />

Studien statt: Sehr vielversprechend ist die Studie<br />

zur Gentherapie für die schwerste ZNM, die myotubuläre<br />

Myopathie (MTM), gestartet. <strong>Die</strong> behandelten<br />

Jungen im Alter von 0 bis 6 Jahren zeigten<br />

extrem gute Fortschritte hinsichtlich Atmung und<br />

Motorik. Leider sind die letzten vier Patienten an<br />

durch die Gentherapie verursachten Leberproblemen<br />

verstorben, darunter auch ein Junge aus unserem<br />

Verein. <strong>Die</strong> Studie ist seitdem angehalten, wie<br />

es weiter geht, noch ungewiss. In der zweiten klinischen<br />

Studie wird ein Medikament getestet, das<br />

die Bildung des Enzyms DNM2 reduziert und so die<br />

Muskelkraft von Menschen mit verschiedenen ZNM<br />

erhöhen könnte. Eingeschlossen sind Menschen ab<br />

16 Jahren. Bislang sind dazu noch keine Ergebnisse<br />

veröffentlicht worden. Wir hoffen, dass das Medikament<br />

bald zur Zulassung kommt. In einer dritten


Aus dem Kindernetzwerk<br />

29<br />

Studie wird getestet, ob ein Brustkrebs-Medikament<br />

bei Jungen mit MTM zu einer Verbesserung<br />

der Muskelkraft führt. Tests mit Tiermodellen legen<br />

dies nahe.<br />

Alle diese Studien gehen auf geförderte Projekte<br />

unserer Partner-Familien-Organisationen in Großbritannien<br />

und den USA zurück. <strong>Die</strong>s zeigt, wie<br />

wichtig es ist, dass wir selbst in die Forschung investieren.<br />

Jahresrückblick 2022<br />

2022 konnten wir zum ersten Mal seit 2019 unsere<br />

Familienkonferenz feiern. Was war das für ein tolles<br />

Erlebnis! Zusammen zu sein, sich auszutauschen,<br />

sich endlich umarmen zu können, unsere Erfolge<br />

zu feiern, unsere Ängste zu teilen, gemeinsam zu<br />

lachen und zu weinen und sich über die neuesten<br />

Forschungsprojekte zu informieren, um eine Behandlung<br />

für ZNM zu finden. Solche Familienereignisse<br />

hinterlassen einen Fußabdruck in unserem<br />

Leben. Plötzlich merken wir, dass wir nicht mehr<br />

allein sind. Wir sind ZUSAMMEN STARK!<br />

Unsere nächsten Ziele für 2023<br />

Für dieses Jahr haben wir uns vor allem zwei Dinge<br />

vorgenommen: Bis April 2023 läuft die Ausschreibungsphase<br />

für das nächste Forschungsstipendium.<br />

Wir hoffen, dass sich daraus erfolgversprechende<br />

Forschungsprojekte entwickeln. In der 2.<br />

Jahreshälfte haben wir uns vorgenommen, einen<br />

professionellen Relaunch der Vereinswebseite umzusetzen.<br />

Zugehörige Projektmittel haben wir bereits<br />

bewilligt bekommen. <strong>Die</strong> Webseite ist unser<br />

Aushängeschild für einen professionellen Auftritt<br />

den Mediziner:innen, Geldgeber:innen und Betroffenen<br />

gegenüber. Daher lohnt sich die Umgestaltung,<br />

um den modernen Anforderungen auf verschiedensten<br />

Ebenen gerecht zu werden.<br />

Weitere Informationen und unsere Kontaktoptionen<br />

finden Sie auf unserer Homepage (www.znmzusammenstark.org).<br />

Auch auf Facebook, Twitter<br />

und Instagram sind wir vertreten. Erklärfilme und<br />

Mitschnitte unserer Konferenzen gibt es auf unserem<br />

Youtube-Kanal.<br />

Wir freuen uns auf die weitere Kooperation mit<br />

dem Kindernetzwerk e.V.!<br />

Im Namen aller Mitglieder<br />

<strong>Die</strong> Vorstände Mareen Bockstette, Frank Schulte,<br />

Dr. Holger Fischer


Aus dem Kindernetzwerk<br />

Aus Politik & Gesellschaft


Aus Politik & Gesellschaft<br />

31<br />

Unser politischer Einsatz für<br />

unsere Mitglieder<br />

Austausch zur Inklusiven Lösung<br />

im Kindernetzwerk ThinkTank<br />

- Nicht ohne uns!<br />

Von Benita Eisenhardt<br />

Derzeit bereitet das Bundesfamilienministerium<br />

einen Reformprozess für ein inklusives Kinder- und<br />

Jugendhilfegesetz vor. <strong>Die</strong>ses Gesetz betrifft alle<br />

Kinder!<br />

Insbesondere für Kinder mit Behinderungen und<br />

ihre Familien wird sich dadurch Vieles ändern,<br />

denn dann geht die Zuständigkeit für alle Leistungen,<br />

die die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen<br />

mit Behinderungen und ihre Familien betreffen und<br />

bislang in die Zuständigkeit der Eingliederungshilfe<br />

fallen, in die Verantwortung der Kinder- und<br />

Jugendhilfe über (sog. „inklusive Lösung“). Bisher<br />

sind diese im Gesetz zur Teilhabe von Menschen<br />

mit Behinderungen verortet.<br />

Der knw ThinkTank: Inklusives Kinder- und Jugendhilfegesetz<br />

aus Perspektive der Selbsthilfe<br />

diskutieren<br />

Um das wertvolle Wissen der Familien chronisch<br />

kranker und behinderter Kinder und Jugendlicher<br />

in den Gesetzesreform-Prozess einzubringen, setzt<br />

das Kindernetzwerk als Selbsthilfe-Dachverband<br />

das Projekt „knw ThinkTank: Inklusives Kinder- und<br />

Jugendhilfegesetz aus Perspektive der Selbsthilfe“<br />

um. Hier kann ein regelmäßiger digitaler Austausch<br />

bezogen auf die aktuellen Entwicklungen<br />

und Diskussionen aus der Perspektive der Selbsthilfe<br />

stattfinden. So können die Selbsthilfestrukturen<br />

alle wesentlichen Informationen zum Thema erhalten<br />

und eine Haltung dazu finden, was die vorgeschlagenen<br />

Änderungen an den gesetzlichen Regelungen<br />

ganz konkret für die Kinder, Jugendlichen<br />

und ihre Familien bedeuten.<br />

Unter anderem wollen wir folgende Themen<br />

lebensnah und an den Bedarfslagen der Familien<br />

orientiert diskutieren:<br />

• Wie wirken sich gesetzliche Änderungen auf die<br />

Teilhabe in Kita und Schule und auf andere Bereiche<br />

aus?<br />

Beispiele: (Früh-)Förderung, Teilhabe an Bildung,<br />

Assistenz, Partizipation, Kostenheranziehung, Vereinbarkeit<br />

von Pflege und Berufstätigkeit<br />

• Welche Angebote braucht es in einer inklusiven<br />

Kinder- Jugendhilfe und wie kann deren Ausgestaltung<br />

rechtlich unterstützt werden?<br />

Beispiele: Entlastungs- und Unterstützungsangebote,<br />

inklusive Freizeitangebote der Kinder- und<br />

Jugendhilfe, außerfamiliäres Wohnen<br />

Wir freuen uns über eine breite Beteiligung aus<br />

der Selbsthilfe!


32<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Aktuelle Infos finden Sie immer auf unserer Homepage<br />

unter<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/agenda/Po<br />

litikportal/2023/Kinder--und-Jugendhilfegesetz-<br />

KJSG.php<br />

Insbesondere ist auch die Beteiligung von jungen<br />

Menschen mit eigenen Erfahrungen z.B. mit eigener<br />

Behinderung oder chronischer Erkrankung<br />

oder als Geschwister willkommen!<br />

<strong>Die</strong> digitale Auftaktveranstaltung des knw Think-<br />

Tank findet am 16. Mai 2023 von 10 bis 14 Uhr statt.<br />

Da die Teilnehmer:innenzahl begrenzt ist, bitten<br />

wir um zeitnahe Anmeldung: Hier finden Sie das<br />

Anmeldeformular.<br />

Hintergrundinformationen:<br />

Das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) hat 2022<br />

den Beteiligungsprozess „Gemeinsam zum Ziel:<br />

Wir gestalten die Inklusive Kinder- und Jugendhilfe!“<br />

begonnen. Der Bundesbeteiligungsprozess des<br />

BMFSFJ gliedert sich in drei Bereiche:<br />

• In der Bundesarbeitsgruppe „Inklusives SGB VIII“<br />

wird mit der Fachöffentlichkeit diskutiert, wie die<br />

inklusive Lösung ausgestaltet werden kann.<br />

• Ein Selbstvertretungsrat soll sicherstellen, dass<br />

junge Menschen und ihre Familien an dem Entwicklungsprozess<br />

beteiligt werden.<br />

• Ein wissenschaftliches Kuratorium stellt sicher,<br />

dass alle wesentlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse<br />

einbezogen werden können.<br />

<strong>Die</strong> Ergebnisse dieses Beteiligungsprozesses sollen<br />

dann Grundlage für das geplante Bundesgesetz zur<br />

Umsetzung der inklusiven Lösung bilden. <strong>Die</strong>ses soll<br />

laut Koalitionsvertrag bereits 2025 in Kraft treten.<br />

Es bleibt also nur wenig Zeit, um die heterogenen<br />

Bedarfslagen von Kindern mit Behinderungen und<br />

ihren Familien in den Gesetzgebungsprozess einzubringen.<br />

Link zum Bundesbeteiligungsprozess:<br />

https://gemeinsam-zum-ziel.org/<br />

Wir wollen, dass schon im Gesetzesentwurf berücksichtigt<br />

wird, wie der Alltag von Familien mit einem<br />

chronisch kranken und behinderten Kind aussieht<br />

und welche Unterstützung diese sich wünschen.<br />

Daher ist das Kindernetzwerk als Dachverband der<br />

Selbsthilfe für Familien mit chronisch kranken und<br />

behinderten Kindern zum einen im Selbstvertretungsrat<br />

des Ministeriums engagiert.<br />

Zum anderen wollen wir die Bedürfnisse und Wünsche,<br />

die Familien mit einem chronisch kranken<br />

oder behinderten Kind an ein inklusives Kinderund<br />

Jugendhilfegesetz richten, begleitend in der<br />

Selbsthilfe diskutieren. Wir stellen daher mit unserem<br />

ThinkTank einen Denkraum für den Austausch<br />

der Selbsthilfe untereinander zur Verfügung. Damit<br />

wollen wir sicherstellen, dass die Bedürfnisse unseres<br />

heterogenen Personenkreises ausreichend<br />

in den kommenden politischen Entscheidungen<br />

berücksichtigt werden. Wir wollen die Bedarfslagen<br />

und alltagsweltlichen Erfahrungen der Familien<br />

bündeln und in den Gesetzesprozess einfließen<br />

lassen. Geschlossen sind wir stark und machen uns<br />

bemerkbar!<br />

Kontakt:<br />

Benita Eisenhardt, Referentin Projekte und<br />

Entwicklung im Kindernetzwerk e.V.<br />

eisenhardt@kindernetzwerk.de


Aus Politik & Gesellschaft<br />

33<br />

Unser Einsatz gegen die Auswirkungen des<br />

Intensivpflege und Rehabilitationsstärkungsgesetz<br />

(GKV-IPReG)<br />

Einen Schwerpunkt unserer politischen Arbeit stellt der Einsatz des knw gegen die negativen<br />

Auswirkungen des GKV-IPReG dar, den wir an Seiten unserer Mitglieder führen.<br />

Unsere zahlreichen Aktionen können Sie im Detail<br />

hier nachlesen:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/agenda/Poli<br />

tikportal/2022/Unser-Einsatz-im-Think-Tank.php<br />

Im Juli 2020 wurde das GKV-IPReG verabschiedet<br />

und im März 2022 trat die zugehörige Richtlinie für<br />

außerklinische Intensivpflege (AKI-RL) in Kraft. In<br />

der Folge müssen nun alle Verordnungen zur außerklinischen<br />

Intensivpflege zum 01. Januar 2023<br />

nach der neuen Richtlinie ausgestellt werden. <strong>Die</strong>s<br />

gilt auch für beatmete und tracheotomierte Kinder<br />

und Jugendliche, für die der Gesetzesbeschluss<br />

eigentlich eine eigene Richtlinie vorgesehen hatte,<br />

die jedoch vom Gemeinsamen Bundesausschuss<br />

(G-BA) nicht umgesetzt wurde. Zahlreiche knw<br />

Mitgliedsorganisationen zeigten sich sehr besorgt<br />

in Hinblick auf die Verordnungs- und Versorgungssicherheit<br />

für Kinder und Jugendliche, die auf<br />

außerklinische Intensivpflege angewiesen sind.<br />

Das Kindernetzwerk hat daher sowohl den Gesetzgebungsprozess<br />

als auch die Entwicklungen<br />

rund um die AKI-Richtlinie und deren Umsetzung<br />

im Blick behalten und sich für die Interessen der<br />

Familien mit intensivpflegebedürftigen Kindern,<br />

Jugendlichen und jungen Erwachsenen eingesetzt.<br />

Außerdem engagiert sich das knw im GKV-IPReG<br />

ThinkTank.


34<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Unser Einsatz im GKV-IPReG ThinkTank:<br />

Berechtigte Wünsche, angemessene Vorkehrungen<br />

und ernüchternde Erkenntnisse – Neuerungen<br />

in der ambulanten Kinderintensivpflege<br />

(Berlin) Aktuelle Fachdiskurse rund um die Zukunft der außerklinischen Intensivpflege,<br />

über Probleme, Lösungsansätze und deren Bedeutung für Familien mit schwer erkrankten<br />

und behinderten Kindern.<br />

Ein Artikel von Benita Eisenhardt, Kindernetzwerk e.V.<br />

<strong>Die</strong> Eltern von schwer erkrankten und behinderten<br />

Kindern sind zutiefst besorgt über die Neuregelungen<br />

in der außerklinischen Intensivpflege.<br />

Hintergrund ist die am 1. Januar 2023 neu eingeführte<br />

Richtlinie zur außerklinischen Intensivpflege,<br />

die die Vorgaben zur Umsetzung des bereits<br />

im Sommer 2020 beschlossenen Intensivpflegeund<br />

Rehabilitationsstärkungsgesetzes (GKV-IPReG)<br />

konkretisiert. Außerklinische Intensivpflege benötigen<br />

Menschen, die aufgrund einer künstlichen<br />

Beatmung oder wegen teils seltener frühkindlicher<br />

Erkrankungen auf die intensivpflegerische Versorgung<br />

auch in der eigenen Häuslichkeit angewiesen<br />

sind. Für betroffene Kinder und junge Menschen<br />

bedeutet die allzeit begleitende Anwesenheit einer<br />

Pflegekraft auch ein Stück Freiheit und die Möglichkeit,<br />

trotz der Schwere der Erkrankung an einem<br />

kindgerechten Alltag zum Beispiel in Kita und<br />

Schule teilzuhaben.<br />

<strong>Die</strong> Neuregelungen haben eine Verbesserung der<br />

ambulanten Versorgung zum Ziel und geben umfassende<br />

Qualifikationsanforderungen für Fachkräfte<br />

aus Medizin, Pflege und Therapie vor. Zudem<br />

sollen neue medizinische Behandlungsstrukturen<br />

implementiert werden. Was sich zunächst nach einer<br />

positiven Entwicklung anhört, entpuppt sich als<br />

Versorgungshindernis, das auch gut eingespielte<br />

Strukturen im familiären Umfeld von Kindern und<br />

jungen Menschen nachhaltig bedroht und damit<br />

Familien mit schwer erkrankten Kindern vor unlösbare<br />

Herausforderungen stellt. Denn für die außerklinische<br />

Intensivpflege sollen fortan nur noch besonders<br />

qualifizierte Fachkräfte eingesetzt werden.<br />

Da diese sowohl in der Medizin als auch in der Pflege<br />

aktuell nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung<br />

stehen, fürchten Eltern, dass die mit der gesetzlichen<br />

Neuordnung verbundenen zusätzlichen<br />

Hürden die an der Versorgung beteiligten Akteure<br />

überlasten und damit im schlimmsten Fall die Heimunterbringung<br />

ihrer Kinder begründen werden.<br />

Schon jetzt führen <strong>Die</strong>nstausfälle und unbesetzte<br />

Stellen in den Pflegeteams dazu, dass Eltern teils<br />

tagelang im Alleingang die Personalausfälle kompensieren,<br />

Nachschichten zur Überprüfung der<br />

Vitalparameter am Bett ihrer Kinder übernehmen<br />

oder ihre Kinder in die Schule begleiten müssen.<br />

Auch für den Aufbau der neuen medizinischen<br />

Behandlungsstrukturen wurden die bereits jetzt<br />

schon prekären Engpässe in der Pädiatrie nicht bedacht.<br />

Wie sollen die gleichen Ärztinnen und Ärzte<br />

mit Expertise für Langzeitbeatmung und Kanülenmanagement<br />

bei Kindern, die in der Regel auf


Aus Politik & Gesellschaft<br />

35<br />

Intensivstationen in Kinderkliniken tätig sind und<br />

die seit Monaten auf fehlende Ressourcen hinweisen,<br />

zusätzliche Versorgungsstrukturen aufbauen?<br />

Bereits jetzt ist überall in der Tagespresse zu lesen,<br />

dass Kinderintensivstationen bundesweit aufgrund<br />

fehlenden Personals Betten sperren und teils sogar<br />

ganze Stationen schließen. Auch wenn ambulante<br />

Spezialsprechstunden oder Institutsambulanzen<br />

mit Möglichkeit zu Schluckdiagnostik, Schlaflabor,<br />

Endoskopie und ärztlichen Konsilen mit anderen<br />

pädiatrischen Fachrichtungen für die Familien ein<br />

Segen wären, würden die gleichen Ärztinnen und<br />

Ärzte dann wiederum ein personelles Loch in den<br />

Kinderkliniken reißen. Und dort sind die betroffenen<br />

Kinder bei gesundheitlichen Krisen ebenfalls<br />

auf deren medizinische Expertise angewiesen, da<br />

sich häufig Phasen relativer Gesundheit mit akut<br />

lebensbedrohlichen Phasen abwechseln.<br />

Dass die Sorgen der Eltern nicht von der Hand zu<br />

weisen sind, zeigte sich auch am 28. Februar bei<br />

einer Veranstaltung im Hotel Adlon in Berlin. Der<br />

GKV-IPReG ThinkTank, ein Zusammenschluss aus<br />

Menschen mit Intensivpflegebedarf, Angehörigen,<br />

Selbsthilfe, Medizin, Wissenschaft, Medizintechnik,<br />

Pflege und Therapie, lud unter dem Motto „Quo<br />

vadis außerklinische Intensivversorgung? – Wie<br />

kann eine bedarfsgerechte Versorgung gewährleistet<br />

werden?“ zu einer politischen Diskussionsrunde<br />

ins Hotel Adlon in Berlin ein. Etwa 120 Menschen<br />

waren vor Ort und fast ebenso viele schalteten sich<br />

über eine Live-Übertragung der Diskussion zu, darunter<br />

Selbst- und Interessenvertretungen, Pflegedienstleister,<br />

Ärzt:innen, Mitarbeiter:innen von<br />

Krankenkassen und medizinischem <strong>Die</strong>nst. Auf<br />

dem Podium diskutierten die Bundestagsabgeordnete<br />

Corinna Rüffer (Bündnis 90 / <strong>Die</strong> Grünen), Kay<br />

Wilke-Schulz (Vorstandsmitglied der Deutschen


36<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

interdisziplinären Gesellschaft für außerklinische<br />

Beatmung DIGAB e.V.), Hans-Joachim Fritzen<br />

(stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK<br />

Nordost), Laura Mench (Aktivistin und Beraterin<br />

bei aktiv und selbstbestimmt e.V.), Professor Dr.<br />

Michael Isfort (Deutsches Institut für angewandte<br />

Pflegeforschung), Dr. Kerstin Haid (leitende Ärztin<br />

medizinischer <strong>Die</strong>nst Bund) sowie Julius Lehmann<br />

(Kassenärztliche Bundesvereinigung). Im Anschluss<br />

an die Podiumsdiskussion fand im Rahmen eines<br />

World-Cafés ein umfassender Austausch aller<br />

Anwesenden statt.<br />

Im Ergebnis breitete sich unter den Teilnehmenden<br />

Ratlosigkeit aus. Während die Kassenärztliche Bundesvereinigung<br />

beschwichtigte und darauf hinwies,<br />

dass man alles tue, um bis zum Stichtag am 30.<br />

Oktober dieses Jahres alle notwendigen Strukturen<br />

aufzubauen, zeigte der Realitätsabgleich, dass<br />

bisher noch keine Ärztin und kein Arzt auf dem<br />

Bundesgesundheitsportal für diese spezielle medizinische<br />

Versorgung eingetragen ist. Gleichzeitig<br />

berichten Familien, dass die routinemäßigen stationären<br />

Kurzaufenthalte zur Beatmungskontrolle<br />

in den letzten Jahren immer häufiger, auch mehrfach<br />

hintereinander, wegen Fachkräftemangels<br />

und Bettensperrungen abgesagt werden mussten.<br />

<strong>Die</strong> außerklinische Intensivpflege stellt nun sehr<br />

weitreichende Qualifikationsanforderungen an die<br />

zukünftig behandelnde Ärzteschaft, was den Personenkreis<br />

der verordnenden und behandelnden<br />

Ärztinnen und Ärzte zusätzlich einschränkt.<br />

Bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgabe wurde<br />

zudem geregelt, dass es weder zu einer Ausweitung<br />

noch zu einer Einschränkung des bisher anspruchsberechtigten<br />

Personenkreises kommen soll. Dennoch<br />

fokussieren die neuen Regelungen maßgeblich<br />

die Gruppe der beatmeten Patientinnen und<br />

Patienten. Bei der Selbsthilfe melden sich nun vermehrt<br />

Familien, bei denen die bisherige Begleitung<br />

durch eine Pflegefachkraft für die nicht beatmeten<br />

und nicht trachealkanülierten Kinder nicht mehr<br />

bewilligt wurde, weil die besondere Qualifikation<br />

der Pflegefachkräfte für außerklinische Intensivpflege<br />

in diesen Fällen nicht erforderlich sei.<br />

<strong>Die</strong> Familien wissen also nicht, wo sie die für ihre<br />

Kinder überlebenswichtige medizinische Versorgung<br />

ab November erhalten können und wie die erhöhten<br />

pflegerischen Qualifikationsanforderungen<br />

künftig sichergestellt werden sollen. Selbst wenn<br />

die Krankenkassen wegen erkennbarer struktureller<br />

Defizite ab Oktober in Einzelfallenscheidungen<br />

auch unvollständige AKI-Verordnungen genehmigen,<br />

würden fehlende Nachweise für die Sicherstellung<br />

der medizinischen und pflegerischen Versorgung<br />

im Rahmen der Begutachtung durch den<br />

medizinischen <strong>Die</strong>nst festgestellt und nachgefordert.<br />

Wenn dann die Nachweise auch im Rahmen<br />

der Zielvereinbarung nicht erbracht werden können,<br />

droht den Kindern und jungen Menschen die<br />

Überführung in eine Pflegeeinrichtung. Möglichkeiten<br />

der Beratung oder Unterstützung stehen den<br />

Familien wegen der ungeklärten Versorgungsstrukturen<br />

nicht zur Verfügung und selbst die behandelnden<br />

Ärzt:innen sind angesichts der ungewissen<br />

Versorgungspfade bisher meist ratlos.<br />

Selbsthilfe und Interessenvertretungen schauen<br />

daher pessimistisch in die Zukunft. Sie fordern die<br />

Politik auf die Übergangregelungen für betroffene<br />

Kinder und junge Menschen über den 30. Oktober<br />

hinaus zu verlängern, bis die geplanten Strukturen<br />

flächendeckend zur Verfügung stehen. Erst wenn<br />

angemessene Vorkehrungen für Behandlungssicherheit<br />

getroffen wurden, können für diesen sehr<br />

vulnerablen Personenkreis die Versorgungspfade


Aus Politik & Gesellschaft<br />

37<br />

geändert werden. Weiterhin fordern sie zunächst<br />

eine wissenschaftliche Erhebung zum Personenkreis,<br />

da geeignete Strukturen nur dann sinnvoll implementiert<br />

werden können, wenn die Anzahl der<br />

von diesem Gesetz betroffenen Kinder und jungen<br />

Menschen bekannt ist und auch das Wissen darüber,<br />

was sie für Versorgungsstrukturen benötigen.<br />

Und was wäre, wenn angemessene Vorkehrungen<br />

getroffen würden?<br />

Dann gäbe es…<br />

→ …ambulante pädiatrische Spezialsprechstunden<br />

mit der Möglichkeit zu Schluckdiagnostik,<br />

Schlaflabor, Endoskopie durch Ärzt:innen mit Expertise<br />

für Langzeitbeatmung und Kanülen- und<br />

Verordnungsmanagement bzw. nichtinvasiver Beatmung<br />

→ …spezialisierte Beratungsstellen unter Einbezug<br />

von Peer-Counceling (Betroffene beraten<br />

Betroffene)<br />

→ …weiterhin die spezielle Krankenbeobachtung<br />

in der HKP-Richtlinie zur Sicherung der Versorgung<br />

von Kindern, bei denen prospektiv betrachtet mit<br />

hoher Wahrscheinlichkeit lebensbedrohliche Situationen<br />

auftreten können, die aber von einer<br />

einfach qualifizierten Pflegefachkraft und einem<br />

angeleiteten Team aus Assistenzkräften gehändelt<br />

werden können<br />

Weiterführende Links:<br />

→ Zusammenfassung der Diskussionsveranstaltung<br />

des GKV-IPReG ThinkTanks kann auf der Webseite<br />

von Cody.Care abgerufen werden:<br />

https://www.cody.care/gkv-ipreg-thinktank/<br />

→ …Kooperationen auf kurzem Weg mit<br />

direkten Ansprechpartner:innen: Kinder- und<br />

Jugendärzt:innen, potenzialerhebende Ärzt:innen<br />

und Einbezug anderer pädiatrischer Fachrichtungen<br />

je nach ursächlichem Krankheitsbild sowie<br />

verbindliche Fallkonferenzen unter Beteiligung des<br />

Versorgungsnetzes und der Patient:innen und ihrer<br />

Familien<br />

→ Pressemeldung von Elternselbsthilfevereinen<br />

und bvkm: https://www.intensivleben-kassel.de<br />

/news/pm-vereine-der-elternselbsthilfe-schlagenalarm<br />

→ Richtlinie über die Verordnung von außerklinischer<br />

Intensivpflege – AKI-RL auf der Webseite des<br />

G-BA: https://www.g-ba.de/richtlinien/123/<br />

→ …ein persönliches Case Management zur Koordination<br />

des individuellen Versorgungsnetzwerks<br />

eines Kindes<br />

→ …Pflegeteams die sich je nach individuellem<br />

Bedarf aus besonders qualifizierten Pflegefachkräften<br />

zusammensetzen oder durch Teams aus Pflegefachkräften<br />

und individuell angeleiteten Assistenzkräften<br />

(Skill-Grade-Mix)<br />

→ Online-Artikel des knw zu unserem Einsatz im<br />

GKV-IPReG ThinkTank: https://www.kindernetz<br />

werk.de/de/agenda/Politikportal/2022/Unser-Ein<br />

satz-im-Think-Tank.php<br />

→ Kurzfassung des Berichts des Deutschen Instituts<br />

für Menschenrechte an den Deutschen Bundestag<br />

von Dezember 2022: https://www.institutfuer-menschenrechte.de/fileadmin/Redaktion/<br />

Publikationen/Menschenrechtsbericht/Menschen<br />

rechtsbericht_2022_Kurzfassung.pdf


38<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Unabhängige Patientenberatung Deutschland<br />

wird umstrukturiert<br />

Mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/<strong>Die</strong> Grünen<br />

und FDP haben die Abgeordneten des Deutschen<br />

Bundestages am Donnerstag, 16. März 2023, den<br />

Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neustrukturierung<br />

der Unabhängigen Patientenberatung<br />

Deutschland (UPD, 20/5334) in einer vom Gesundheitsausschuss<br />

geänderten Fassung (20/6014) gebilligt.<br />

CDU/CSU und AfD votierten gegen die Initiative,<br />

<strong>Die</strong> Linke enthielt sich.<br />

<strong>Die</strong> UPD soll künftig in einer Stiftung bürgerlichen<br />

Rechts verstetigt werden. Das Ziel sei, die UPD in<br />

eine dauerhafte, staatsferne und unabhängige<br />

Struktur unter Beteiligung der maßgeblichen Patientenorganisationen<br />

zu überführen, heißt es in<br />

dem Gesetzentwurf der Bundesregierung. Der Spitzenverband<br />

der Gesetzlichen Krankenversicherung<br />

(GKV) und die privaten Krankenversicherungsunternehmen<br />

(PKV) sollen der Stiftung mit Jahresbeginn<br />

2024 einen Gesamtbetrag von jährlich 15 Millionen<br />

Euro zuweisen. Der Anteil der PKV soll bei sieben<br />

Prozent liegen.<br />

Der Gesundheitsausschuss beschloss in seiner<br />

Sitzung am Mittwoch, 15. März 2023, einige Änderungen<br />

an der Struktur der Stiftung. So soll der<br />

Stiftungsrat statt 13 nun 15 Personen umfassen,<br />

darunter sieben Vertreter von Patientenorganisationen.<br />

<strong>Die</strong> GKV soll zwei Vertreter stellen. Der Beauftragte<br />

der Bundesregierung für die Belange der<br />

Patienten soll dem Stiftungsrat vorstehen. <strong>Die</strong> UPD<br />

berät Bürger in rechtlichen, medizinischen und psychosozialen<br />

Gesundheitsfragen.<br />

Fachfremde Regelungen<br />

So wird die Versorgung in der Kinder- und Jugendmedizin<br />

sowie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />

künftig aus dem Ärztebudget herausgenommen.<br />

<strong>Die</strong> Leistungen dieser Arztgruppe werden nicht<br />

mehr durch ein Budget gedeckelt. Um Arzneimittel-<br />

Lieferengpässen vorzubeugen, wird außerdem die<br />

erweiterte Austauschmöglichkeit für Apotheken<br />

nach der Sars-Cov-2-Arzneimittelversorgungsverordnung<br />

bis Ende Juli 2023 verlängert.<br />

Präzisierung seitens des Bundesrates<br />

Der Bundesrat hatte einige Präzisierungen am<br />

Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umstrukturierung<br />

der Unabhängigen Patientenberatung<br />

Deutschland gefordert. Das geht aus einer Unterrichtung<br />

(20/5662) der Bundesregierung hervor.<br />

Der Bundesrat legt unter anderem Wert darauf,<br />

dass die regionalen „physischen“ Informationsund<br />

Beratungsangebote in jedem Land vorgehalten<br />

werden. <strong>Die</strong>se Angebote könnten von Betroffenen<br />

in Anspruch genommen werden, die keine Möglichkeiten<br />

hätten, digitale und telefonische Informations-<br />

und Beratungsangebote zu nutzen. <strong>Die</strong><br />

Bundesregierung stimmte diesem Ergänzungsvorschlag<br />

im Gesetzentwurf zu.<br />

Quelle: (pk/eis/irs/16.03.2023)<br />

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv<br />

/2023/kw04-de-stiftung-patientenberatung-930068


Aus Politik & Gesellschaft<br />

39<br />

Abschlussbericht der Interministeriellen<br />

Arbeitsgruppe „Gesundheitliche Auswirkungen<br />

auf Kinder und Jugendliche durch Corona“<br />

Das Kindernetzwerk war Teil der Interministeriellen<br />

Arbeitsgruppe zum Thema „Gesundheitliche Auswirkungen<br />

auf Kinder und Jugendliche durch Corona“.<br />

Hier hatte das knw über unsere Online-Umfrage<br />

zu Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf<br />

Kinder und Jugendliche mit und ohne chronische<br />

Krankheiten und Behinderungen referiert. Außerdem<br />

berichtete Geschäftsführerin Kathrin Jackel-<br />

Neusser über die (dankenswerterweise von der<br />

Kroschke-Stiftung geförderten) Corona-Workshops<br />

und -Sprechstunden.<br />

Kinder und Jugendliche sollten nach Ansicht von<br />

Gesundheitsexpert:innen in ihrer Entwicklung<br />

nachhaltig gestärkt werden. <strong>Die</strong> Corona-Pandemie<br />

habe nicht nur die Lebenssituation, das Wohlergehen<br />

und das Wohlbefinden vieler Kinder und<br />

Jugendlicher beeinträchtigt, sie habe auch aufgezeigt,<br />

dass viele Kinder und Jugendliche schon vor<br />

der Pandemie bessere Unterstützungsangebote<br />

benötigt hätten, heißt es im Abschlussbericht der<br />

Interministeriellen Arbeitsgruppe.<br />

<strong>Die</strong> sozialen Systeme seien teilweise schon vor Ausbruch<br />

der Pandemie kaum in der Lage gewesen,<br />

auf psychosoziale Beeinträchtigungen junger Menschen<br />

zeitnah zu reagieren. Ein nachhaltiger Effekt<br />

der Pandemieerfahrungen sei daher, sowohl neue<br />

als auch bestehende Maßnahmen zur Verbesserung<br />

der körperlichen und psychischen Gesundheit<br />

und das Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen<br />

mit einem kontinuierlichen Monitoring<br />

zu begleiten. <strong>Die</strong> gesundheitliche Entwicklung der<br />

jungen Leute könne so besser antizipiert und die<br />

junge Generation und deren Unterstützungssysteme<br />

krisenfester gemacht werden. Das Monitoring<br />

könne dem Bericht zufolge durch ein Gremium aus<br />

Expert:innen begleitet werden, das wissenschaftlich<br />

arbeitet und Empfehlungen abgibt.<br />

Nun ist der offizielle Abschlussbericht der Interministeriellen<br />

Arbeitsgruppe veröffentlicht worden.


40<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Deutscher Pflegerat fordert eigenen Bildungsgipfel<br />

für die Pflege- und Gesundheitsfachberufe<br />

Zum Bildungsgipfel 2023 der Bundesregierung<br />

wies Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen<br />

Pflegerats e.V. (DPR), hin:<br />

„Bildung ist eines der zentralen Elemente einer<br />

guten medizinischen, therapeutischen und pflegerischen<br />

Versorgung und deren Sicherung. Der Deutsche<br />

Pflegerat fordert daher für die Pflege- und Gesundheitsfachberufe<br />

die Einberufung eines eigenen<br />

Bildungsgipfels. <strong>Die</strong> Bildungsherausforderungen in<br />

der Pflege und in der Gesundheitsversorgung sind<br />

enorm. In der Langzeitpflege hat Deutschland den<br />

niedrigsten Bildungsstandard der Pflegenden in<br />

Europa. <strong>Die</strong> Bildungsstruktur in der Pflege ist trotz<br />

eines bundeseinheitlichen Pflegeberufegesetzes<br />

für Pflegefachpersonen stark zersplittert. <strong>Die</strong>s gilt<br />

vor allem für die Pflegeassistenzausbildung. Jedes<br />

Bundesland hat hier seine eigenen Regelungen.<br />

Und dies, obwohl der Anteil an Pflegeassistenten in<br />

der stationären Langzeitpflege rund 50 Prozent des<br />

Pflegepersonals beträgt.<br />

Der Koalitionsvertrag sieht eine Harmonisierung<br />

durch ein bundeseinheitliches Berufsgesetz für<br />

Pflegeassistenz vor. <strong>Die</strong>s wird jetzt aber im Referentenentwurf<br />

zum Pflegeunterstützungs- und<br />

-entlastungsgesetz unterlaufen. <strong>Die</strong> Sicherstellung<br />

der Pflege ist damit gefährdet. Benötigt werden<br />

darüber hinaus verbindliche, bedarfsgerechte<br />

Akademisierungsquoten und eine Etablierung von<br />

Arbeitsfelddefinitionen und Einsatzgebieten hochschulisch<br />

ausgebildeter Pflegefachpersonen. Eingebunden<br />

sein muss dies in ein gestuftes und durchlässiges<br />

einheitliches Bildungssystem der gesamten<br />

Pflege- und Gesundheitsfachberufe in Deutschland.<br />

Bildung kann nur gemeinsam gelingen. Daher<br />

benötigen die Pflege- und Gesundheitsfachberufe<br />

einen eigenen Bildungsgipfel.“<br />

Quelle: https://deutscher-pflegerat.de/2023/03/<br />

15/deutscher-pflegerat-fordert-eigenen-bildungs<br />

gipfel-fuer-die-pflege-und-gesundheitsfachberufe/<br />

Zur Diskussion<br />

rund um die Stärkung<br />

der Pflege<br />

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)<br />

hat angekündigt, die Pflege durch Angehörige und<br />

durch ambulante <strong>Die</strong>nste besserstellen zu wollen.<br />

Allerdings sagte er, dass man dann auch die Beitragssätze<br />

anheben müsse. Auch die die SPD-Gesundheitspolitikerin<br />

Heike Baehrens forderte mehr<br />

Pflegegeld und höhere Sachleistungen.<br />

<strong>Die</strong> FDP aber wendet sich strikt gegen Forderungen<br />

des Koalitionspartners SPD und der Krankenkassen<br />

nach mehr Steuergeld für die Pflegeversicherung<br />

und fordert dagegen Maßnahmen zum Bürokratieabbau.


Aus Politik & Gesellschaft<br />

41<br />

<strong>Die</strong> Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen hatte<br />

in ihrem Koalitionsvertrag allerdings versprochen,<br />

dass sie die Eigenanteile in der stationären Pflege<br />

begrenzen und planbar machen will. Außerdem<br />

war der Plan, versicherungsfremde Leistungen wie<br />

die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige und<br />

die pandemiebedingten Zusatzkosten aus Steuermitteln<br />

zu finanzieren. Daran erinnerte nun auch<br />

wieder SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt, die<br />

betonte, dass es die Aufgabe des Finanzministers<br />

sei, die notwendigen Mittel jetzt zur Verfügung zu<br />

stellen und die Leistungen an die Bedürfnisse der<br />

Betroffenen anzupassen.<br />

<strong>Die</strong> Haltung des Kindernetzwerk dazu:<br />

Es muss sich viel ändern in der Pflege. Was genau,<br />

das hatten wir hier zusammengefasst, viele von<br />

Euch haben uns dabei unterstützt – danke schön!<br />

Und hier die Antwort der Pflegebevollmächtigten<br />

Claudia Moll (MdB) ...<br />

Nun unsere Frage: Was haben wir in dem Forderungspapier<br />

vergessen? Habt Ihr weitere Botschaften,<br />

was bezüglich der Pflege Eurer Kinder,<br />

was bei Euch als Jugendliche besser werden muss,<br />

die Ihr uns mitgeben wollt?<br />

Viele Rückmeldungen haben wir bereits erhalten,<br />

die in unserem neuen Berliner Appell aufgenommen<br />

werden, wir sammeln weiter!<br />

Übrigens freuen wir uns auch alle weiteren grundsätzlichen<br />

Forderungen, die dann in unserem neuen<br />

„Berliner Appell“ einfließen werden.<br />

Gerne an unsere Geschäftsführerin für Politik,<br />

Kathrin Jackel-Neusser: jackel@kindernetzwerk.de<br />

Gesetzentwurf zur Förderung eines<br />

inklusiven Arbeitsmarktes<br />

Nachdem zu diesem Gesetzentwurf bereits die<br />

1. Lesung und eine Anhörung stattgefunden haben,<br />

fand nun inzwischen die 2./3. Lesung im Bundestag<br />

statt.<br />

Bundestag debattiert Förderung eines inklusiven<br />

Arbeitsmarkts<br />

Der Bundestag hatte am Donnerstag, 2. März 2023,<br />

erstmals über den Gesetzentwurf der Bundesregierung<br />

zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts<br />

(20/5664) beraten. <strong>Die</strong> Vorlage wurde nach<br />

rund 45-minütiger Aussprache zusammen mit einem<br />

Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Ausgleichsabgabe<br />

neu – Endlich mehr Menschen mit<br />

Behinderung in Arbeit bringen“ sowie mit einem<br />

Antrag der Fraktion <strong>Die</strong> Linke mit dem Titel „Mehr<br />

Schritte hin zu einem inklusiven Arbeitsmarkt“<br />

(20/5820) zur weiteren Beratung an den federführenden<br />

Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen.<br />

Über den Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/5664)<br />

stimmte der Bundestag am Freitag, 21. April 2023,<br />

im Anschluss an eine 40-minütige Debatte ab.<br />

Dazu wird der Ausschuss für Arbeit und Soziales<br />

eine Beschlussempfehlung abgeben. (Anmerkung:<br />

<strong>Die</strong> Ergebnisse lagen zum Zeitpunkt der Erstellung<br />

des Artikels am 15.04.2023 leider noch nicht vor)


42<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Inhalt des Gesetzentwurfes<br />

<strong>Die</strong> Bundesregierung möchte den inklusiven<br />

Arbeitsmarkt stärker fördern. Für eine inklusive<br />

Gesellschaft sei es entscheidend, dass Menschen<br />

mit Behinderungen gleichberechtigt und selbstbestimmt<br />

am Arbeitsleben teilhaben können, begründet<br />

die Regierung ihren Entwurf und verweist zugleich<br />

auf den hohen Fachkräftebedarf.<br />

Der Gesetzentwurf zielt darauf ab, mehr Menschen<br />

mit Behinderungen in reguläre Arbeit zu bringen,<br />

mehr Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen<br />

in Arbeit zu halten und Menschen mit<br />

Schwerbehinderung zielgenauer zu unterstützen.<br />

Für beschäftigungspflichtige Arbeitgeber:innen,<br />

die keinen einzigen schwerbehinderten Menschen<br />

beschäftigen, soll bei der Ausgleichsabgabe eine<br />

„vierte Staffel“ eingeführt werden, um die Antriebsfunktion<br />

der Ausgleichsabgabe zu verstärken.<br />

Für die betreffenden Arbeitgeber:innen soll die<br />

Ausgleichsabgabe erhöht werden.<br />

<strong>Die</strong> vierte Staffel soll zum 1. Januar 2024 eingeführt<br />

werden und wäre dann erstmals zum 31. März<br />

2025 zu zahlen, wenn die Ausgleichsabgabe für<br />

2024 fällig wird.<br />

Wie es im Gesetzentwurf heißt, kann ein Verstoß<br />

gegen die Beschäftigungspflicht derzeit zusätzlich<br />

zur Ausgleichsabgabe mit einem Bußgeld<br />

bis zu 10 000 Euro geahndet werden. Wenn die<br />

Arbeitgeber:innen, die keinen einzigen schwerbehinderten<br />

Menschen beschäftigen, künftig eine erhöhte<br />

Ausgleichsabgabe zahlen müssen, hält es die<br />

Regierung für nicht mehr angemessen, die Nichtbeschäftigung<br />

zusätzlich mit einem Bußgeld zu sanktionieren.<br />

<strong>Die</strong> Vorschrift soll deshalb aufgehoben<br />

werden.<br />

Genehmigungsfiktion im Bewilligungsverfahren<br />

<strong>Die</strong> in der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung<br />

vorgesehene Möglichkeit, Mittel der<br />

Ausgleichsabgabe nachrangig auch für Einrichtungen<br />

zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am<br />

Arbeitsleben – vor allem für Werkstätten für behinderte<br />

Menschen - zu verwenden, will die Regierung<br />

streichen. Vorhaben zur Förderung der Ausbildung<br />

von Jugendlichen und jungen Erwachsenen sollen<br />

künftig auch dann aus dem Ausgleichsfonds gefördert<br />

werden können, wenn die Zielgruppe über keine<br />

anerkannte Schwerbehinderung verfügt, jedoch<br />

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhält.<br />

Um einen baldigen Abschluss des Bewilligungsverfahrens<br />

durch Integrationsämter sicherzustellen,<br />

soll für Leistungen, auf die ein Anspruch besteht<br />

(Arbeitsassistenz und Berufsbegleitung im Rahmen<br />

der Unterstützten Beschäftigung), eine Genehmigungsfiktion<br />

nach Ablauf von sechs Wochen eingeführt<br />

werden.<br />

Lohnkostenzuschuss nicht mehr gedeckelt<br />

Laut Regierung ist nach aktueller Rechtslage beim<br />

Budget für Arbeit der vom Leistungsträger zu erstattende<br />

Lohnkostenzuschuss auf 40 Prozent der<br />

Bezugsgröße begrenzt. Durch die Abschaffung dieser<br />

Deckelung soll sichergestellt werden, dass auch<br />

nach Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro<br />

bundesweit der maximale Lohnkostenzuschuss gezahlt<br />

werden kann.<br />

Inklusionsbetriebe sind nach Darstellung der Regierung<br />

Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarkts,<br />

die wirtschaftlich agieren und sich wie andere<br />

Unternehmen am Markt behaupten müssen.<br />

Sie könnten deshalb nicht länger dazu verpflichtet<br />

werden, ihre eigenen Beschäftigten an andere Unternehmen<br />

des allgemeinen Arbeitsmarkts zu vermitteln.<br />

<strong>Die</strong> aus der Zeit temporär angelegter Integrationsprojekte<br />

stammende Formulierung will die<br />

Regierung daher streichen.<br />

„Versorgungsmedizinische Begutachtung“<br />

Um Betroffene als Experten in eigener Sache besser


Aus Politik & Gesellschaft<br />

43<br />

bei der Arbeit des „Ärztlichen Sachverständigenbeirates<br />

Versorgungsmedizin“ zu berücksichtigen,<br />

ist vorgesehen, diesen zu einem „Sachverständigenbeirat<br />

Versorgungsmedizinische Begutachtung“<br />

weiterzuentwickeln und im Neunten Buch Sozialgesetzbuch<br />

(SGB IX) zu regeln. Künftig sollen die Verbände<br />

für Menschen mit Behinderungen, die Länder<br />

sowie das Bundesministerium für Arbeit und<br />

Soziales je sieben Mitglieder benennen, darunter<br />

jeweils mindestens vier Ärztinnen oder Ärzte, die<br />

versorgungsmedizinisch oder wissenschaftlich besonders<br />

qualifiziert sind.<br />

Daneben können und sollen laut Entwurf aber auch<br />

Sachverständige mit einer anderen Kompetenz<br />

(etwa aus der Sozial- oder Arbeitswissenschaft, der<br />

Teilhabeforschung oder der Disability Studies) benannt<br />

werden. <strong>Die</strong> Zusammensetzung des Beirates<br />

folge damit nicht mehr einem rein medizinisch orientierten<br />

Verständnis von Behinderung, sondern<br />

einem „teilhabeorientierten und ganzheitlichen<br />

Ansatz“.<br />

Zuschüsse zu Beiträgen an Solidargemeinschaften<br />

Wie es im Entwurf weiter heißt, bieten die teilweise<br />

seit Langem bestehenden Solidargemeinschaften<br />

ein alternatives Konzept der gemeinschaftlichen<br />

Absicherung in Krankheitsfällen an. Bislang sei eine<br />

Übernahme der Beiträge zur Solidargemeinschaft<br />

oder ein Zuschuss zu diesen Beiträgen im Fall der<br />

Hilfebedürftigkeit sowie bei Arbeitslosigkeit rechtlich<br />

nicht möglich gewesen.<br />

Künftig sollen entsprechende Zuschusszahlungen<br />

sowie die Anerkennung als Bedarfe im Falle der Hilfebedürftigkeit<br />

oder die Übernahme der Beiträge<br />

beim Bezug von Arbeitslosengeld möglich sein, so<br />

die Regierung.<br />

stellen, sollen die in Solidargemeinschaften wie<br />

auch die privat krankenversicherten Bezieher von<br />

Grundsicherung einen Beitragszuschuss nach dem<br />

Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhalten.<br />

Alternativ sollen ihre Aufwendungen für die Mitgliedschaft<br />

in einer Solidargemeinschaft als Bedarf<br />

nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII)<br />

berücksichtigt werden können.<br />

Durch Regelungen im Fünften Buch Sozialgesetzbuch<br />

(SGB V) will die Regierung im Wesentlichen<br />

die Begrenzung der Beitragshöhe für die private<br />

Krankenversicherung im Falle von Hilfebedürftigkeit<br />

nach dem SGB II oder SGB XII auf Solidargemeinschaften<br />

übertragen.<br />

Erhöhung der Ausgleichsabgabe für Arbeitgeber<br />

Erreicht werden sollen diese Ziele unter anderem<br />

durch die Erhöhung der Ausgleichsabgabe für<br />

Arbeitgeber:innen, die trotz Beschäftigungspflicht<br />

keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigen<br />

(„vierte Staffel“). Für kleinere Unternehmen<br />

sollen wie bisher Sonderregelungen gelten.<br />

<strong>Die</strong> Mittel aus der Ausgleichsabgabe sollen sich<br />

künftig auf die Förderung der Beschäftigung von<br />

schwerbehinderten Menschen auf dem allgemeinen<br />

Arbeitsmarkt konzentrieren.<br />

Für Anspruchsleistungen des Integrationsamtes<br />

werde eine Genehmigungsfiktion eingeführt, heißt<br />

es. <strong>Die</strong> Deckelung für den Lohnkostenzuschuss<br />

beim Budget für Arbeit soll aufgehoben werden.<br />

Der Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizinische<br />

Begutachtung soll neu ausgerichtet werden.<br />

Quelle: scr/vom/02.03.2023,<br />

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv<br />

/2023/kw09-de-inklusiver-arbeitsmarkt-933854<br />

Absicherung im Krankheitsfall<br />

Um die Absicherung im Krankheitsfall sicherzu-<br />

Hier erhalten Sie dann aktuelle Informationen zum<br />

Gesetz.


Aus Politik & Gesellschaft<br />

45<br />

Lebenslage –<br />

Ausdruck oder Bedingung<br />

des Lebens?<br />

Eine Reflexion von Dr. Annette Mund, Vorsitzende des knw<br />

„Was kann jemand, der im Wohlstande lebt, von unserem Elend urtheilen? Er kann unmöglich<br />

einen wahren Begriff davon haben. Stellt mir, wenn ich euch die Bilder des Elends male,<br />

gute Speisen und Weine auf den Tisch, gebt mir überhaupt viel Geld und eine liebenswürdige<br />

Frau, ob ich da wohl im Stande wäre, die Bilder des Elends und der Bedrückung der Wahrheit<br />

getreu aufzufassen; ich glaube es nicht! denn die Gegenstände, die uns umgeben,<br />

die Lebenslage, in der wir uns befinden, üben einen bedeutenden Einfluß auf uns aus, …“<br />

(Alfred Schütz, Österreichischer Soziologe und Philosoph; 1899 – 1959)<br />

Viel wird über Lebenslagen gesprochen, wenig aber<br />

konkret bedacht, wenn es um die Beurteilung einer<br />

einzelnen Situation eines Menschen, einer Familie<br />

geht. Krankenkassen entscheiden über an sie<br />

gerichtete Anträge auf Grund der Aktenlage und<br />

der Gesetzgebung, nicht aufgrund der jeweiligen<br />

Lebenslage der antragstellenden Person/Familie.<br />

Institutionen tun es ihnen gleich, Krankenhäuser<br />

entscheiden mittlerweile ebenso, aus Not an Personal,<br />

aus Not an Ressourcen.<br />

Dabei geht es doch eigentlich immer nur um den<br />

Menschen, um den Patienten, um den von Krankheit,<br />

Unfall, Beeinträchtigung und Behinderung betroffenen<br />

Einzelnen. Das Individuum ist Dreh- und<br />

Angelpunkt des, seines, Lebens und doch wird er<br />

in wichtigen Situationen nicht als solches betrachtet,<br />

sondern als „man“ gesehen und bewertet. Als<br />

Antrags- und Bittsteller, als Fall, als Nummer. Und<br />

doch lebt jede und jeder dieser Fälle, dieser Nummern,<br />

dieser namenlosen Antragssteller in ihrer/<br />

seiner eigenen Welt, in ihrer/seiner Lebenslage, die<br />

ihr/sein Denken und Handeln bestimmt und sie/ihn<br />

genau „so“ sein lässt, da sie/er nicht anders kann.<br />

Was bedeutet das konkret?<br />

Nehmen wir zwei Familien, wobei Familie als ein<br />

Konstrukt bestimmt wird, in dem sich mindestens<br />

eine erwachsene Person um mindestens eine nicht<br />

erwachsene Person kümmert und diese behütet<br />

und umsorgt oder gerade umgekehrt – siehe Kinder<br />

psychisch kranker Eltern.<br />

Familie A besteht aus zwei zusammenlebenden<br />

Erwachsenen, die sich um zwei Kinder kümmern,<br />

von denen eines behindert ist. <strong>Die</strong> Familie lebt im<br />

Umfeld einer großen Stadt; beide Erwachsene arbeiten.<br />

Sie verdienen gemeinsam genug, um sich<br />

Hilfen im Haushalt und für das behinderte Kind einkaufen<br />

zu können.<br />

Familie B besteht aus einer alleinstehenden Person,<br />

die sich ebenfalls um zwei Kinder kümmert,<br />

von denen eines behindert ist. <strong>Die</strong>se Familie lebt im<br />

Süden des Landes, in einem ländlichen Gebiet; die<br />

Erwachsene arbeitet in Teilzeit. Sie verdient gerade<br />

genug, um nicht auf staatliche Hilfen angewiesen<br />

zu sein.


46<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Zwei Familien, zwei Geschichten, zwei Lebenslagen.<br />

Schauen wir beide genauer an:<br />

Familie A besteht aus zwei zusammenlebenden<br />

Erwachsenen. Sind es Mann und Frau, also ein verheiratetes<br />

Paar, ist die Sache einfach, denn Ehen<br />

zwischen Mann und Frau erregen kein Aufsehen.<br />

Sind es zwei Menschen, die nicht verheiratet sind,<br />

aber zusammen leben, gilt dieses Konstrukt in weiten<br />

Teilen des Landes weitgehend als „normal“,<br />

kann aber in gewissen Kreisen dennoch „sauer“<br />

aufstoßen. Sind die beiden Erwachsenen aber ein<br />

lesbisches oder homosexuelles Paar, ist die Akzeptanz<br />

der Umgebung nicht immer sicher. Ebenso ist<br />

es, wenn das Paar, wie auch immer gestaltet, nicht<br />

deutscher Herkunft ist, farbig, Sinti oder Roma,<br />

oder deutlich muslemisch geprägt.<br />

Ganz besonders aber wird es, wenn, wie im Fall der<br />

Familie B, eine alleinerziehende Person das Leben<br />

mit einem behinderten Kind zu stemmen versucht.<br />

Eine alleinerziehende Mutter ist mittlerweile Normalität,<br />

ein alleinerziehender Vater nicht. „Für die<br />

Mehrheit der alleinerziehenden Väter stellen gerade<br />

ihr gesellschaftlicher »Exotenstatus« und die<br />

fehlende politische Sensibilität für ihre Lebenssituation<br />

ein Problem dar.“ (siehe hier) Ist die alleinstehende<br />

Person dann noch lesbisch oder schwul,<br />

ist sie sehr religiös oder nicht deutscher Herkunft,<br />

kann es zu einer schwer zu ertragenden Lebenslage<br />

kommen.<br />

Familie A und auch Familie B hat zwei Kinder, von<br />

denen eines behindert ist. Ist die Behinderung körperlicher,<br />

psychischer oder geistiger Art? Handelt es<br />

sich um ein „originelles“ Kind, mit herausforderndem<br />

Verhalten? Handelt es sich, wenn körperlich<br />

behindert, um eine „saubere“ Form der Behinderung,<br />

also ein Kind im Rollstuhl, ein Kind mit Down-<br />

Syndrom, ein „nettes“ behindertes Kind, oder sabbelt<br />

es, spuckt oder ist sonstwie unansehnlich? Ist<br />

es aggressiv, schreit, schlägt um sich, gefährdet andere?<br />

Oder handelt es sich gar um ein sterbendes<br />

Kind?<br />

Jede Behinderung formt die Interaktion zwischen<br />

dem betroffenen Kind und der Umwelt. „Nette“ behinderte<br />

Kinder lassen Menschen freundlich auf sie<br />

reagieren, geistig behinderte Kinder lassen Menschen<br />

häufig betreten und ratlos zurück, psychisch<br />

beeinträchtigte Kinder lösen oft ein unsicheres Gefühl<br />

bei den Menschen aus, ist doch unklar, wozu<br />

diese Kinder fähig sind; sterbende Kinder lösen einen<br />

Fluchtreflex und Meidungsverhalten aus, denn<br />

die Menschen wissen oft nicht, wie sie sich in einer<br />

solchen Situation verhalten sollen.<br />

Ein behindertes Kind ist nicht wie ein anderes behindertes<br />

Kind. Auch wenn die gleichen Diagnosen<br />

vorliegen, können die Fälle sehr unterschiedlich<br />

sein. Denn sowohl die Verortung im Spektrum der<br />

Behinderung/Krankheit als auch die eigene Konstitution,<br />

die individuelle Leidensempfindung, die<br />

Schmerzverarbeitung, der eigene Charakter – all<br />

das und mehr, formen die Behinderung. Dazu<br />

kommt dann, um im Beispiel zu bleiben, die Konstellation<br />

der sorgenden erwachsenen Personen<br />

und ihre Passung in die Umwelt. Akzeptanz oder<br />

Anfeindungen zeitigen Gefühle, die sich auch auf<br />

das behinderte Kind auswirken.<br />

<strong>Die</strong> Familie A lebt im Umfeld einer großen Stadt.<br />

In Städten ballen sich Menschen; Berufstätige jeglicher<br />

Couleur finden sich vor Ort. Konkurrenz ist<br />

häufig, Wege sind kurz, Mobilität ist gegeben. Behinderte<br />

Menschen brauchen Hilfen jeder Art und<br />

die Stadt bietet diese. Auch in Zeiten des Mangels,<br />

in dem von staatlicher Seite her gesetzgeberisch alles<br />

getan wird, um Hilfsstrukturen aufzubauen und<br />

zu sichern, der Mangel an personellen Ressourcen<br />

aber Vieles zunichtemacht. Das alte Wort „Stadtluft<br />

macht frei“ gilt auch hier.


Aus Politik & Gesellschaft<br />

47<br />

Familie B lebt in ländlicher Umgebung. Weite<br />

Wege, Wichtigkeit eines eigenen Autos, wenig Ärzte,<br />

Therapeuten, Pflegedienste im Umkreis, Spezialisten<br />

eher selten, ein Krankenhaus liegt nicht unbedingt<br />

in der näheren Umgebung.<br />

<strong>Die</strong> beiden Erwachsenen der Familie A verdienen<br />

beide und damit genug, um Hilfen für das behinderte<br />

Kind einkaufen zu können. Wahrscheinlich<br />

haben sie (mindestens) ein Auto, können Babysitter<br />

und Nachhilfe bezahlen, können sich Auszeiten<br />

gönnen, denn diese kosten „nur“, sind aber verfügbar.<br />

<strong>Die</strong>/der Erwachsene der Familie B arbeitet in Teilzeit.<br />

Das so verdiente Geld reicht gerade, um keine<br />

staatlichen Mittel annehmen zu müssen, „große<br />

Sprünge“ aber sind nicht drin. Fraglich ist schon, ob<br />

ein Auto unterhalten werden kann. Nachhilfe, schickere<br />

Hilfsmittel als die kassengeförderten, bessere<br />

Windeln als die von der Kasse zugestandenen, können<br />

eher selten gekauft werden. Auszeiten für die/<br />

den Hauptsorgende(n), gar Babysitter, sind nicht zu<br />

finanzieren.<br />

All diese Bezeichnungen – Paar oder alleinerziehend,<br />

lesbisch, homosexuell, deutscher oder fremder<br />

Herkunft, Religiosität, Behinderung, Vollzeit<br />

oder Teilzeit arbeitend, fette oder magere Verdienste<br />

– sind Lebenslagen prägend, wirken auf die<br />

einzelnen Familienmitglieder und nach außen.<br />

Um die Familien, wie auch immer sie gartet sein<br />

mögen, existiert eine Welt, in die die Menschen hineinleben<br />

und die auf die Menschen zurückwirkt.<br />

Behinderung geht in Deutschland mit einer ständigen<br />

Interaktion mit den helfenden und stützenden<br />

Institutionen des Gesundheitssystems und der<br />

Gesundheitswirtschaft einher. <strong>Die</strong>se wirken auf die<br />

Betroffenen ein, setzen Normen und pochen auf<br />

die Befolgung ihrer Regeln. Wer sein Kind nicht in<br />

regelmäßigen Abständen begutachten lässt, kann<br />

mit Kürzung oder gar Streichung der (finanziellen)<br />

Unterstützung rechnen. Wer sich nicht dem Rat der<br />

behandelnden Ärzte beugen will, kann – gegebenenfalls<br />

– mit der Härte des Gesetzes bedroht werden.<br />

„<strong>Die</strong> Imperative der verselbständigten Subsysteme<br />

dringen […] von außen in die Lebenswelt<br />

– wie Kolonialherren in eine Stammesgesellschaft<br />

ein und erzwingen die Assimilation“(Habermas<br />

1981b; S. 522).<br />

<strong>Die</strong> gesundheitssystemische Umwelt sieht oft<br />

nicht, wie die Lebenslage der betroffenen Familie<br />

aussieht. <strong>Die</strong> Umwelt hat ihre eigenen Regeln und<br />

Gesetze; sie muss abwägen, entscheiden und ablehnen<br />

oder zusagen. Und dennoch besteht dieses<br />

System auch wieder aus Menschen, die in ihren Lebenslagen<br />

gefangen sind. Und hier ergibt sich die<br />

Chance auf ein gerechteres System, als es heute besteht.<br />

Besännen sich die Menschen auf ihr Menschsein<br />

und nicht zuerst und alleinig auf ihre Funktion<br />

als Gutachter, Sachbearbeiter, Regelbefolger und<br />

glasklarer, gesetzeskonformer Entscheider, würden<br />

sie verstehen, dass die Lebenslage nicht übersehen<br />

werden darf, sondern die Basis aller Entscheidungen<br />

sein muss.<br />

Sind Lebenslagen nun also Ausdruck oder Bedingung<br />

des Lebens? Es wird klar, dass sie beides sind,<br />

denn „Ich erfahre einen anderen Menschen unmittelbar<br />

nur dann, wenn er mit mir einen gemeinsamen<br />

Sektor des lebensweltlichen Raums und der<br />

Weltzeit teilt. ebd S. 101 = Ausdruck! Es gilt aber<br />

auch: „Gesellschaften strukturieren die Lebenschancen<br />

ihrer Bevölkerung in vielfältiger und unterschiedlicher<br />

Weise“ (ebd. S. 30) = Bedingung!<br />

Möge diese Verflechtung allen Entscheidern stets<br />

vor Augen stehen.


Aus dem Gesundheitswesen


Aus dem Gesundheitswesen<br />

49<br />

Wichtig für unsere Mitglieder:<br />

Entlastungsbetrag endlich<br />

nutzbar machen<br />

Der Entlastungsbetrag von 125 Euro pro Monat<br />

kann für Angebote genutzt werden, die im Alltag<br />

für Entlastung sorgen: Neben Hilfen im und um den<br />

Haushalt sind vor allem Betreuungsleistungen, also<br />

z. B. das Spazierengehen, Vorlesen oder andere<br />

Unternehmungen mit Menschen mit Pflegebedarf<br />

vom Leistungsumfang umfasst.<br />

Immer wieder schildern Menschen mit Pflegebedarf<br />

jedoch, dass der Entlastungsbetrag von<br />

125 Euro pro Monat verfällt, weil es zu wenig<br />

Anbieter:innen gibt. <strong>Die</strong>se wiederum sagen, die<br />

Hürden für die Anerkennung seien viel zu hoch.<br />

Dabei kann gerade eine Vielfalt von alltagsentlastenden<br />

Angeboten ein wichtiger Baustein sein, damit<br />

Menschen mit Pflegebedarf möglichst lange in<br />

ihren eigenen vier Wänden bleiben und ihren Alltag<br />

möglichst selbstständig organisieren können.<br />

Und es gibt es auch positive Beispiele: Mehrere<br />

Bundesländer haben eine anerkennungsfähige<br />

Nachbarschaftshilfe ermöglicht. Damit sinken die<br />

Schwellen für die Anerkennung und die Zahl der<br />

verfügbaren Angebote steigt. Das ist gut für die<br />

Menschen mit Pflegebedarf, aber auch für alle anderen<br />

Einwohnerinnen und Einwohner einer Kommune.<br />

<strong>Die</strong> Pflegebevollmächtigte Claudia Moll hat deshalb<br />

die Bundesländer aufgefordert: „Gehen Sie hierzu<br />

untereinander in einen konstruktiven Austausch<br />

und profitieren Sie von den Erfahrungen und Erkenntnissen,<br />

die bereits gesammelt wurden. <strong>Die</strong><br />

Zahl der Pflegebedürftigen wird steigen und somit<br />

auch der Bedarf an solchen Angeboten. Es braucht<br />

daher praktikable und rasch verfügbare Angebote –<br />

und weniger zertifizierte, überqualifizierte Gebäudereiniger.“<br />

Quelle: https://www.pflegebevollmaechtigte.de/<br />

moderne-versorgungsstrukturen-details/Entlastun<br />

gsbetrag-Pflege.html<br />

Neuer bvkm-Ratgeber hilft Eltern behinderter<br />

Kinder: Steuererklärung leicht gemacht!<br />

Der Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte<br />

Menschen e.V. hat sein jährlich neu<br />

erscheinendes Steuermerkblatt für Familien mit<br />

behinderten Kindern aktualisiert. Das Merkblatt<br />

folgt Punkt für Punkt dem Aufbau der Formulare für<br />

die Steuererklärung 2022. Es bietet daher schnelle<br />

und praxisnahe Hilfe beim Ausfüllen dieser Vordrucke.<br />

<strong>Die</strong> Neuauflage berücksichtigt steuerrechtliche<br />

Änderungen, ... weiter lesen


50<br />

Buchtipps<br />

Buchtipps<br />

<strong>Die</strong> Doktorfantin - Herzenssache<br />

Herzensangelegenheit – Wertschätzung und Integration von herzkranken Kindern<br />

Eine Buchbesprechung von Susann Schrödel, Stellv. Vorsitzende Kindernetzwerk e.V.<br />

<strong>Die</strong> Doktorfantin Fanta und ihre beste Freundin,<br />

die kleine Maus Luise, haben einen wichtigen Auftrag:<br />

Sie wollen Kindern die Angst vor dem Besuch<br />

bei Arzt oder Ärztin und vor „eklig schmeckender<br />

Medizin“ nehmen. Sie wollen aufklären und Verständnis<br />

für Kinder schaffen, die sich sehr um Ihre<br />

Gesundheit kümmern müssen.<br />

Im zweiten Band geht es um eine Herzenssache.<br />

<strong>Die</strong> Doktorfantin Fanta und die kleine Maus Luise<br />

hatten einen langen und anstrengenden Tag in der<br />

Krankenstation. Es ist Winter und schon dunkel<br />

draußen, nur noch wenige Lichter erleuchten den<br />

Abend und in der Krankenstation ist es ganz still.<br />

Beim Abschließen der Station träumen Fanta und<br />

Luise schon von einem heißen Kakao und Entspannung<br />

auf der Couch. Da poltert es draußen und<br />

Luise erschreckt sich fürchterlich. Fanta, von Natur<br />

aus stark, versucht Luise zu beruhigen und eine<br />

vernünftige Erklärung für den Lärm zu finden. Sie<br />

öffnen die Tür ganz vorsichtig nur einen Spalt breit.<br />

Im diffusen Licht steht da ein großer schwankender<br />

Tiger. Sein Fell ist nass und verstrubbelt. Auf seiner<br />

Brust trägt eine große und sehr auffallende Narbe.<br />

Als der Tiger dann auch noch seine Pranke hebt,<br />

packt die Furcht selbst die abgeklärte Fanta. Voller<br />

Panik, zitternd und mit düsteren Gedanken rennen<br />

beide so schnell es geht nach Hause.<br />

Daheim angekommen spielen die Beiden in Gedanken<br />

alle möglichen Horrorszenarien über die<br />

Gefährlichkeit des Tigers durch. Sie sind fest überzeugt,<br />

alle Leute in Wuselheim so schnell es geht<br />

vor der Gefahr warnen zu müssen. So gehen sie am<br />

nächsten Tag in die Nachrichtenzentrale von Wuselheim.<br />

Dort berichten Sie in allen Einzelheiten<br />

von ihrer Begegnung mit dem Tiger und schildern<br />

ihren Eindruck, wie sehr man sich vor diesem in<br />

Acht nehmen muss. Das veranlasst die Nachrichtenzentrale,<br />

sofort einen Fernsehbeitrag mit der<br />

eindringlichen Warnung vor dem schrecklichen<br />

Tiger zu senden. Fanta und Luise sind überzeugt,<br />

das Richtige getan zu haben.<br />

An nächsten Morgen sind die Doktorfantin und<br />

Luise wieder auf dem Weg in die Krankenstation.<br />

Sie bemerken, dass die Straßen gespenstisch leer<br />

sind und sie keinem Einwohner von Wuselheim<br />

begegnen. Beide haben ein sehr mulmiges Gefühl.<br />

<strong>Die</strong>ses Gefühl wird jedem Schritt bedrohlicher, mit<br />

dem sie der Krankenstation näherkommen. Beide<br />

packt das pure Entsetzen, als sie den Tiger in der<br />

Krankenstation auf der Liege liegen sehen und er<br />

erneut die Pranke nach ihnen austreckt.<br />

Was beide nicht wissen: Der Tiger ist ganz verzweifelt,<br />

weil Fanta und Luise schon wieder panisch davonlaufen<br />

wollen. Er nimmt all seinen Mut zusammen<br />

und bittet selbstsicher und mit fester Stimme<br />

um Hilfe. Jetzt endlich kommen die Doktorfantin<br />

und Luise zu Besinnung und schauen genauer hin.<br />

Sie hören genau zu, als der Tiger seine Geschichte


Buchtipps<br />

51<br />

erzählt. Er kommt aus einem anderen, weit entfernten<br />

Dorf, in dem es keine Krankenstation mehr gibt.<br />

Er hat ein krankes Herz, das nicht so stark ist, wie<br />

das der anderen Tiger. Als er noch ein kleines Tigerbaby<br />

war, wurde das Herz repariert. Daher kommt<br />

auch die Narbe auf seiner Brust. Jetzt ist er gewachsen.<br />

Oft fühlt sich sehr erschöpft und schafft viele<br />

Dinge nicht mehr. „Ich brauche eure Hilfe“, sagt der<br />

Tiger und nennt seinen Namen: Tarek.<br />

Fanta und Luise sind bei der Erzählung von Tarek<br />

ganz still geworden. Sie schauen sich an und sagen:<br />

„Wir haben ganz großen Mist gemacht, Tarek, wir<br />

werden dir natürlich helfen.“<br />

Das tun sie dann auch. Sie untersuchen Tarek und<br />

erklären ihm alles, was sie machen, ganz genau.<br />

Er bekommt die richtige Medizin und ganz viel liebevolle<br />

Pflege. Dennoch ist Tarek sehr traurig und<br />

weint oft, weil alle vor ihm Angst haben und mit<br />

niemand ihm befreundet sein möchte.<br />

Laura Möller ist Autorin der Buchreihe „<strong>Die</strong> Doktorfantin“.<br />

Sie studiert Medizin und möchte später<br />

Kinder- und Jugendärztin werden. Mit ihren<br />

Büchern möchte sie Kindern die Welt der Medizin<br />

näherbringen und ihnen den Umgang mit Krankheiten<br />

erleichtern. Werte wie Zusammenarbeit, Hilfsbereitschaft<br />

und Freundschaft liegen ihr dabei besonders<br />

am Herzen. Alexandra Franke hat das Buch<br />

liebevoll und kindgerecht mit sehr warmen Farben<br />

illustriert. Das Buchprojekt ist in Zusammenarbeit<br />

mit Herzkranke Kinder e.V. Münster entstanden.<br />

Das Buch thematisiert die Schwierigkeiten von<br />

herzkranken Kindern und ihren Familien. Es ist der<br />

Appell, dass herzkranke Kinder in ihrer Lebenswelt<br />

mehr Wertschätzung und Integration erfahren<br />

müssen.<br />

Und es ist auch eine Ermahnung an uns alle, genau<br />

hinzuschauen und nicht direkt zu verurteilen oder<br />

zu beurteilen.<br />

Na, was glaubt ihr? Fanta und Luise überlegen und<br />

gehen schließlich erneut zum Nachrichtensender.<br />

Dort gestehen sie ein, dass sie voreilig Panik verbreitet<br />

und die Not von Tarek nicht erkannt haben.<br />

Sie schildern seine Erkrankung und, dass Tarek ein<br />

liebvoller und aufgeweckter Tiger ist. Was für eine<br />

riesige Erleichterung, dass der Nachrichtensender<br />

nun objektiv und wertschätzend über die Situation<br />

von Tarek, dem starken Tiger mit einem ganz besonderen<br />

Herzen, aufklärt. <strong>Die</strong> Wuselheimer erkennen,<br />

wie sehr sie Tarek Unrecht getan haben. Mit<br />

liebevollen Gesten und kleinen Geschenken wünschen<br />

sie Tarek von Herzen Gesundheit. Als er dann<br />

ganz selbstverständlich mit allen anderen Kindern<br />

auf dem zugefrorenen See mit seinem Rollstuhl<br />

mittoben kann, ist Tarek glücklich. „Endlich bin ich<br />

angekommen, endlich bin ich mittendrin und genau<br />

wie jeder andere einfach mit dabei.“<br />

Fazit: Sehr beachtenswertes Buchprojekt von zwei<br />

vielversprechenden jungen Frauen mit einem großen<br />

gemeinnützigen Engagement und einem Herz<br />

für erkrankte Kinder.


52<br />

Buchtipps<br />

Mut und Wut.<br />

Wenn Kinder lebensbedrohlich erkranken.<br />

Ein Buch von Otfried Gericke und Erika Söder<br />

Otfried Gericke ist betroffener Vater eines mit 14<br />

Jahren an einem Hirntumor verstorbenen Sohnes,<br />

Mitbegründer des Göttinger Elternhauses und Elternhausbeauftragter<br />

des Vereins »Elternhilfe für<br />

das krebskranke Kind Göttingen e.V.«.<br />

Erika Söder ist Diplom-Pädagogin und systemische<br />

Familien- und Paartherapeutin und war Mitarbeiterin<br />

des psychosozialen Teams des Göttinger Elternhauses.<br />

Wenn das Leben eines Kindes durch Krebs oder<br />

eine andere Krankheit massiv bedroht ist, wird die<br />

ganze Familie in eine andere, unsichere Welt katapultiert.<br />

Weitgehend ohne Vorkenntnisse muss sie<br />

ihren Weg gehen. <strong>Die</strong>ses Buch versammelt sehr<br />

berührende und eindrückliche Berichte betroffener<br />

Jugendlicher, Eltern und Geschwister. Sie zeugen<br />

von großer Stärke und machen Mut und Hoffnung.<br />

<strong>Die</strong> sehr persönlichen Geschichten handeln von<br />

lebensbedrohlichen Krisen, von Durchhalten und<br />

Entschlossenheit und von Hoffnung, am Ende das<br />

Leben zurückzugewinnen. Aber nicht immer siegt<br />

das Leben, sondern Familien müssen um ihr totes<br />

Kind trauern. In den Schilderungen wird deutlich,<br />

dass die Erfahrungen mit dem Erleben der Krankheit<br />

sehr vielschichtig sind, sie manchmal sogar als<br />

bereichernd erlebt werden oder die bisherige Lebensgestaltung<br />

deutlich verändern. <strong>Die</strong> Werte können<br />

sich wandeln und den Familienalltag in anderer<br />

Weise prägen. So überwiegt bei allem Leid, das die<br />

Kinder und ihre Familien durchmachen müssen, die<br />

Erfahrung, dass es auch danach ein lebenswertes<br />

Leben geben kann.<br />

In diesem Prozess finden viele Familien in sog.<br />

Elternhäusern wertvolle Unterstützung - Einrichtungen,<br />

in denen die Eltern während des stationären<br />

Aufenthaltes ihres Kindes wohnen können.<br />

Am Beispiel des Elternhauses in Göttingen wird<br />

das Konzept der psychosozialen Begleitung vorgestellt.<br />

<strong>Die</strong> Begleitung geht auch nach dem Ende der<br />

akuten Behandlung in der Klinik weiter. Eltern berichten<br />

über die Schwierigkeiten und gelungenen<br />

Projekte der Nachsorge.<br />

BALANCE buch + medien verlag, Köln 2023<br />

1. Auflage 2023<br />

ISBN: 978-3-86739-273-0<br />

ISBN E-Book (PDF): 978-3-86739-274-7


Buchtipps<br />

53<br />

Wenn das Leben intensiv beginnt<br />

Ein praxisnahes Elternbegleitbuch für die Zeit in der Kinderklinik.<br />

Autorin: Susanne Bürger<br />

Wenn ein Baby nach der Geburt oder in den ersten<br />

Lebensmonaten intensivmedizinisch betreut<br />

werden muss, bedeutet das Angst und Sorge statt<br />

entspannten Babymoons.<br />

Susanne Bürger kennt die Gefühle der Eltern in<br />

einer solchen Situation aus eigener Erfahrung. Sie<br />

hat nun das Buch geschrieben, das es damals für sie<br />

nicht gab, das sie aber dringend gebraucht hätte.<br />

Mit wertvollen Informationen, Erfahrungen von<br />

Betroffenen und Fachleuten sowie hilfreichen Tipps<br />

ermöglicht sie Eltern einen Weg, der nicht von Hilflosigkeit<br />

und Angst geprägt ist, sondern vom Vertrauen<br />

in die eigene Kraft und Handlungsfähigkeit.<br />

Verlag: TAO, ISBN: 978-3-96240-217-4


54<br />

Buchtipps<br />

Mit Ana ist alles anders<br />

Ein Buch von Stefica Budimir-Bekan und Sigrid Rose<br />

Ana kommt mit einem seltenen Gendefekt auf die<br />

Welt. Ihre Entwicklungsverzögerung und Muskelhypotonie<br />

stellen ihre Familie vor die größten Herausforderungen:<br />

Informationen zu Therapien sind<br />

rar, die Hilflosigkeit überwältigend. Und dennoch:<br />

Stefica Budimir-Bekan hat nicht aufgegeben, Informationen<br />

zusammengetragen und mithilfe der<br />

Physiotherapeutin Sigrid Rose eine Therapie für<br />

ihre Tochter entwickelt. <strong>Die</strong>ses Wissen und ihre<br />

Erfahrungen möchte die Autorin nun weitergeben<br />

und so auch anderen Betroffenen helfen. In ihrem<br />

Buch “Mit Ana ist alles anders” verschafft Stefica<br />

Budimir-Bekan Eltern den Überblick, der ihr selbst<br />

sehr geholfen hätte - von Anlaufstellen und (Reha-)<br />

Kliniken bis zur Erklärung der Fachbegriffe. Gemeinsam<br />

mit der Physiotherapeutin Sigrid Rose stellt sie<br />

Übungen vor, die sowohl die motorischen als auch<br />

die kognitiven Fähigkeiten von Ana fördern und mit<br />

den einfachsten Mitteln durchführbar sind. In den<br />

dazugehörigen krankengymnastischen Behandlungsfotos<br />

und 15 Übungsvideos (Dauer jeweils<br />

2 bis 20 Min.), die via QR-CODE direkt aufgerufen<br />

werden können, gibt Sigrid Rose einen vollumfänglichen<br />

Einblick in Anas Therapiemöglichkeiten auf<br />

neurophysiologischer Basis nach Bobath und Vojta.<br />

Sie teilt somit ihre langjährige physiotherapeutische<br />

Erfahrung direkt anhand von Anas krankengymnastischen<br />

Behandlungssequenzen und unterstützt<br />

die Eltern dabei, ihr Kind selbstständig und<br />

aktiv zu fördern.<br />

Yahoo, Condé Nast, Burda & Axel Springer) alles<br />

um, was man in Worte fassen kann. 2021 gründete<br />

sie das Handmade-Label Rinana Lali, das nachhaltige<br />

Accessoires für Babys und Kinder produziert.<br />

Sigrid Rose ist selbstständige Physiotherapeutin<br />

und arbeitet auf neurophysiologischer Basis nach<br />

Bobath und Vojta insbesondere mit Säuglingen<br />

und Kindern. Dabei liegt ihr Fokus auf dem fördernden,<br />

unterstützenden und motivierenden Umgang<br />

in den Aktivitäten des täglichen Lebens durch die<br />

Eltern zu Hause.<br />

Verlag: Komplett Media, ISBN-10: 3831206104<br />

Stefica Budimir-Bekan setzt als CEO ihrer Content-<br />

Agentur Machtsinn Medien für ihre Kunden (u.a.


56<br />

Unsere Kinderseiten<br />

Für unsere „very special<br />

children“: Unsere Kinderseiten<br />

Eine Geschichte nur für Euch<br />

Geschichte und Bilder von der Kindernetzwerk-Vorsitzenden Dr. Annette Mund<br />

DIE KLEINEN WESEN<br />

Eines Tages, als Monika mal wieder die Blumen in<br />

ihrem Zimmer gießen wollte, machte sie eine ungeheuerliche<br />

Entdeckung. Sie schob gerade die<br />

Blätter der Pflanze beiseite, um das Wasser ungestört<br />

fließen lassen zu können, als sie ein Männlein<br />

entdeckte, ein Wesen einer ganz anderen Art.<br />

Es sah aus, wie ein kleiner dicker Mann, trug eine<br />

Art Schürze mit einer großen gestreiften Tasche<br />

vornedrauf und stand einfach freundlich lächelnd<br />

da. Das Männlein hatte gar keine Haare, nur einen<br />

glatten runden Kopf und sehr große, sehr schöne<br />

Augen. Monika war verblüfft, entdeckte aber auf<br />

der anderen Seite der Pflanze noch so ein Wesen,<br />

anscheinend eine kleine Frau. Auch sie hatte große<br />

freundliche Augen und anscheinend keine Haare,<br />

aber sie trug ein langes Kopftuch. Gekleidet war sie<br />

mit einer Art Mantel mit großen Knöpfen. Monika<br />

war starr vor Schreck; was sollte sie jetzt machen?


Unsere Kinderseiten<br />

57<br />

Beinahe hätte sie ja das Wasser über den kleinen<br />

Mann gegossen; wie gut, dass sie ihn rechtzeitig<br />

entdeckt hatte. Vielleicht würden die beiden ja verschwinden,<br />

wenn sie die Blätter der Pflanze losließ?<br />

Sie nahm ihre Hand weg und schob die Blätter dann<br />

wieder zur Seite. Aber nein, die beiden waren immer<br />

noch da und schauten sie freundlich an. Ob sie<br />

mit ihnen sprechen könnte?<br />

Vorsichtig sagte sie „Hallo!“, aber nichts geschah.<br />

<strong>Die</strong> Beiden schienen keine Angst vor ihr zu haben,<br />

schauten weiter nur freundlich und schienen zu<br />

warten, was Monika als Nächstes tun würde. Vorsichtig<br />

schob sie ihre beiden flachen Hände näher<br />

an die Pflanze und hielt die Blätter mit dem Daumen<br />

der jeweiligen Hand zurück. Ob die Beiden<br />

wohl auf ihre Hände klettern würden? Und tatsächlich,<br />

ganz einfach, so, als wäre nichts Ungewöhnliches<br />

dabei, kletterten die beiden in ihre Handflächen<br />

und schauten sie erwartungsfroh an.<br />

Wieder sagte Monika „Hallo“, leise und zart, da sie<br />

die beiden nicht erschrecken wollte. „Hallo“, antwortete<br />

das Männlein und auch die kleine Frau<br />

sagte etwas, das Monika aber nicht verstand.<br />

„Wer seid Ihr? Wie heißt Ihr? Wo kommt Ihr her?“<br />

Monika schossen die Fragen so schnell aus dem<br />

Mund, dass sie fast vergaß, leise zu sprechen.<br />

„Oh“, antwortete der kleine Mann und lächelte<br />

bescheiden, „wir sind Smollies. Das ist Sala“ er wies<br />

dabei auf die kleine Frau, die freundlich ihren Kopf<br />

ein wenig neigte, „und ich bin Mohl. Wir kommen<br />

von weit her, immer auf der Suche nach einem<br />

kleinen Stückchen Natur, auf dem wir ungestört<br />

leben können. Dann haben wir Deine wunderschöne<br />

Pflanze gefunden; sie ist wie geschaffen für uns.<br />

Wir hoffen, Du hast nichts dagegen und lässt uns<br />

diese Pflanze. Wir versprechen, dass wir nichts zerstören<br />

werden, und wir können versichern, dass es<br />

Deiner Pflanze durch unser Wohnen besser als zuvor<br />

gehen wird.“ Er schaute sie ängstlich bittend an.<br />

„Natürlich könnt Ihr dort wohnen“ flüsterte Monika<br />

ganz begeistert. „Ich habe überhaupt nichts dagegen,<br />

im Gegenteil, ich finde die Idee sogar ganz<br />

großartig. Dann bin ich nicht so allein im Zimmer,<br />

habe Gesellschaft von Sala und Mohl, lebe mit zwei<br />

Smollies zusammen und niemand weiß sonst davon!<br />

Obwohl ich es gerne Mama erzählen würde<br />

und auch Eva. <strong>Die</strong> beiden würden Augen machen!“<br />

„Bitte, tu das nicht“ sagte Sala flehentlich „erzähle<br />

niemandem von uns, sonst müssen wir wieder<br />

fortgehen. Siehst Du, weil wir entdeckt wurden und<br />

ein großer Rummel um uns gemacht wurde, mussten<br />

wir auch unseren letzten Wohnort verlassen.<br />

Und dabei war es ein so schöner Platz. Wir lebten<br />

in einer riesigen Palme, die in einem großen Haus<br />

stand, in dem es tausend verschiedener Dinge gab.<br />

Jeden Tag kamen viele, viele Menschen, nahmen<br />

sich, was sie wollten, und ließen dafür kleine runde<br />

Metallstückchen und Papierscheine zurück.“<br />

„Ja, und was geschah dann?“ Monika verstand<br />

nicht, warum die beiden kleinen Wesen dieses<br />

Kaufhaus, denn das war es ja wohl gewesen, in dem<br />

Leute gegen Geld Dinge gekauft hatten, verlassen<br />

mussten?<br />

„Dann“ fuhr Mohl fort, „kam eines Tages eine große<br />

Frau aus Amerika in dieses Haus. Wir hörten,<br />

wie die Leute sich unterhielten und von der Frau<br />

erzählten, dass sie in Amerika eine bekannte Filmschauspielerin<br />

sei. <strong>Die</strong>se Frau wollte nun unbedingt<br />

unsere Palme kaufen, die Palme, in der wir wohnten.<br />

Eigentlich war unsere Pflanze nicht zu verkaufen,<br />

da sie zur Innenausstattung gehörte, aber die<br />

Frau wollte sie unbedingt haben. Und, da sie so<br />

eine große Filmschauspielerin war – was immer das<br />

auch sein mag –, durfte sie die Palme letztendlich<br />

kaufen. Glücklich, wie sie dann war, stürzte sie auf<br />

die Pflanze zu und wir konnten uns nicht so schnell<br />

verstecken. Sie entdeckte uns und schrie sofort<br />

„Nein, wie niedlich; kommt, schaut alle her, was ich<br />

gefunden habe!“


58<br />

Unsere Kinderseiten<br />

„Da mussten wir natürlich machen, dass wir wegkamen.<br />

Hals über Kopf sind wir geflohen und nun<br />

sind wir hier. Wir können keinen Rummel ertragen,<br />

brauchen Ruhe und Zurückgezogenheit, sonst werden<br />

wir krank! Bitte, liebes Mädchen, lass uns hier<br />

in Ruhe und Frieden leben. Wir werden Dich nicht<br />

stören und, solange wir hier sind, wird es Dir immer<br />

gut gehen.“ Sala und Mohl ließen erschöpft die<br />

kleinen Köpfe sinken. Normalerweise redeten sie<br />

nicht so viel und es war doch eine recht lange Rede<br />

gewesen.<br />

Monika schaute sie mit großen Augen an. „Seid Ihr<br />

Zauberwesen?“<br />

„Wir kommen aus einer anderen Welt und suchen<br />

nur Ruhe und Frieden; alles, was wir brauchen,<br />

haben wir in dieser Pflanze hier. Also, wir bitten<br />

Dich noch einmal, verrat uns nicht und lass uns<br />

hier leben!“<br />

Monika versprach es; sie ließ die Beiden wieder<br />

zurück in die Pflanze klettern und beobachtete sie<br />

dann noch eine Zeitlang. Dann aber musste sie gehen<br />

und ihre Hausaufgaben machen. Obwohl ihre<br />

Mutter sie dabei mehr als einmal fragte, warum<br />

sie so aufgeregt sei und so glänzende Augen habe,<br />

verriet Monika ihr Geheimnis mit keinem Sterbenswörtchen.<br />

Sie lächelte nur geheimnisvoll vor sich<br />

hin und sagte, dass alles gut sei.<br />

In den nächsten Tagen lebten die drei friedlich zusammen.<br />

<strong>Die</strong> Smollies liefen fleißig auf der Erde im<br />

Blumentopf hin und her und bald bekam die Pflanze<br />

wunderschöne weiße Blüten. Monika freute sich<br />

sehr darüber, denn bisher hatte die Pflanze noch<br />

nicht geblüht. Auch ihr selbst ging es prächtig. In<br />

der Schule bekam sie nur gute Noten und mit ihren<br />

Eltern hatte sie auch keinen Ärger. Alles war prima!<br />

Monika war den Smollies sehr dankbar und freute<br />

sich, dass sie ihr Versprechen, alles zum Guten zu


Unsere Kinderseiten<br />

59<br />

wenden, solange sie da seien, getreulich einhielten.<br />

Sie wollte sich revanchieren, ihnen auch etwas<br />

Gutes tun. Sie überlegte hin und her, wie sie ihnen<br />

auch eine Freude machen könne, und auf einmal<br />

hatte sie eine supergute Idee: Sie hatte doch noch<br />

ihr Puppenhaus; das war doch wie geschaffen für<br />

die beiden kleinen Leute. Da gab es verschiedene<br />

Räume, Betten, Tische und Stühle und alles in der<br />

richtigen Größe. So hätten die Smollies ihr eigenes<br />

kleinen Haus, ein richtiges Zuhause. Dann würden<br />

sie bestimmt nicht mehr weggehen, denn Monika<br />

hatte die heimliche Angst, dass sie eines morgens<br />

aufwachen würde, und Mohl und Sala wären weg.<br />

Ganz begeistert von ihrer Idee lief sie zu den Smollies<br />

und erzählte ihnen, was sie sich ausgedacht<br />

hatte. Irgendwie schienen sie aber gar nicht begeistert<br />

zu sein, ja Sala hatte sogar ganz große, weit aufgerissene<br />

und irgendwie ängstliche Augen. Aber, so<br />

dachte Monika, das ist nur, weil sie sich nicht vorstellen<br />

können, in einem eigenen Haus zu wohnen.<br />

Sie wissen ja gar nicht, wie schön es werden würde.<br />

Wenn sie erst einmal in ihrem eigenen Haus wären,<br />

wollten sie bestimmt gar nicht mehr woanders hin.<br />

Und erst recht nicht mehr in so eine Pflanze.<br />

Vorsichtig nahm sie die beiden in ihre Hände und<br />

verfrachtete sie in ihr Puppenhaus. Sie hatte vorher<br />

alles noch einmal sauber gemacht und ließ sich<br />

nicht von den Protestrufen und dem Gezappel der<br />

beiden kleinen Wesen stören. „Seid doch ruhig“<br />

schimpfte sie sogar mit ihnen, „ich tue Euch etwas<br />

Gutes, glaubt mir. Es wird Euch gefallen, bestimmt!<br />

Ihr müsst Euch nur erst daran gewöhnen, dann<br />

werdet Ihr sehen, wie wunderschön es ist!“<br />

Monika öffnete die Tür zu einem Puppenzimmer,<br />

schubste die beiden vorsichtig hinein und schloss<br />

die Tür schnell wieder hinter ihnen.<br />

Den ganzen Tag beobachtete sie das Haus und,<br />

wenn wie durch Zauberei die beiden kleinen Wesen<br />

wieder vor dem Haus standen und sie mit großen<br />

vorwurfsvollen Augen anblickten, setzte sie sie<br />

wieder ins Haus zurück. Sie müssen sich eben erst<br />

an ihr neues Zuhause gewöhnen, dachte Monika,<br />

als sie abends im Bett lag und Mohl und Sala beobachtete.<br />

Irgendwie wollten sie sich nicht in die<br />

Betten legen, sie hatten sich nicht einmal auf einen<br />

Stuhl oder einen Sessel gesetzt und dabei waren<br />

die doch ganz in ihrer Größe. Den ganzen Tag<br />

hatten sie nur hinter den Fenstern gestanden und<br />

irgendwie traurig auf die Blume geschaut.<br />

Kurz bevor Monika einschlief, dachte sie, dass es<br />

den Smollies morgen bestimmt schon besser in ihrem<br />

neuen Zuhause gefallen würde. Das machte sie<br />

hoffnungsvoll und lächelnd schlief sie ein.<br />

Am nächsten Morgen aber waren Mohl und Sala<br />

weg. Monika suchte überall nach ihnen; im Puppenhaus,<br />

in der Pflanze, sogar unter dem Teppich,<br />

aber die kleinen Wesen blieben verschollen.<br />

Monika war sehr traurig, vor allem auch, weil sie<br />

sich gar nicht erklären konnte, was sie falsch gemacht<br />

hatte. Könnt Ihr es Euch erklären?


60<br />

Unsere Kinderseiten<br />

Ein Spiel für Euch<br />

von unserer stellvertretenden Kindernetzwerk-Vorsitzenden Susann Schrödel<br />

zum Ausprobieren – viel Spaß!


Unsere Glosse „zu guter Letzt“<br />

61<br />

Streckenweise<br />

Dr. med. Richard Haaser<br />

„Ich hab´ noch einen Koffer in Berlin...“<br />

Ich nicht. Doch fahr´ ich gerne wieder hin:<br />

Kindernetzwerk 30 Jahre<br />

ist der Grund, warum ich fahre.<br />

<strong>Die</strong>ses Mal packt mich der Wahn:<br />

ICH FAHRE MIT DER BUNDESBAHN!<br />

Nicht freiwillig, das muss ich sagen –<br />

doch wenn mich meine Enkel fragen,<br />

ob ich mich nicht vom <strong>Die</strong>sel trenne,<br />

wo ich doch die Probleme kenne -<br />

Kein Problem: Mit solchen Reisen<br />

kann ich ihnen dann beweisen,<br />

dass ich die Umwelt nicht verschmutze,<br />

weil ich auch mal die Bahn benutze.<br />

Während ich so durch Deutschland eile,<br />

ergreift mich bald die Langeweile,<br />

zwischen Bahnhof, Stellwerk, Tunneln, Schranken<br />

schleicht sie sich in die Gedanken,<br />

lässt diese Zeilen in mir reifen<br />

und mich zu meinem Laptop greifen:<br />

“Start´ ich meine Reise,<br />

wieder nur leere Gleise -<br />

kein Zug zu sehen!<br />

Ich kann nicht verstehen,<br />

wen Bahnfahren reizt:<br />

Im Sommer beheizt,<br />

im Winter eiskalt.<br />

Beim nächsten Halt<br />

schon wieder Gedränge<br />

und überfüllte Gänge.<br />

Durch die zweite Klasse<br />

schiebt sich die Masse<br />

ihren Platz zu suchen,<br />

statt vorher zu buchen<br />

als registrierte Kunden.<br />

Wenn ich nach Stunden<br />

endlich am Bahnsteig<br />

aus dieser Bahn steig´,<br />

war mir alles zu viel –<br />

doch ich bin am Ziel!”<br />

Was die Erkenntnis uns beschert,<br />

warum mancher lieber Auto fährt.<br />

PS: Ich diesmal nicht.<br />

(Weil ich die Anfahrt nicht bereue<br />

und mich auf die Tagung freue.)


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