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Das StadtSalzburgMagazin Ausgabe 2021_2
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Ausgabe 2021_2
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es scheint. Aber jede Rolle wirkt bei<br />
Ihnen sehr intensiv, im besten Sinne.<br />
Wie gelingt Ihnen das?<br />
Das ist ein total schönes Kompliment.<br />
Danke. Ich glaube, das sind mehrere<br />
Faktoren. Das Erste ist, dass ich immer<br />
nur Sachen zugesagt habe, mit denen<br />
ich mich auch beschäftige, die mich<br />
wirklich interessieren. Und wenn man<br />
etwas tut, das man liebt, dann fällt es<br />
ja auch viel leichter. Der Hauptgrund,<br />
warum ich diesen Beruf so sehr liebe<br />
ist, dass er mir die Möglichkeit gibt, so<br />
viel von der Welt kennenzulernen, und<br />
das meine ich nicht in Distanzen sondern<br />
eher in Höhen und Tiefen. Es geht<br />
mir nicht darum, durch die Welt zu jetten,<br />
sondern darum, dass ich so viele<br />
Lebensentwürfe kennenlernen kann,<br />
so viele Tiefen, die es überhaupt im<br />
Menschsein gibt. Mein Beruf gibt mir die<br />
Möglichkeit, genau das zu erforschen,<br />
und das tue ich eben so wahnsinnig<br />
gerne. Ich wäre auch blöd, wenn ich es<br />
nicht täte. Denn genau das ist es, was<br />
mich so anmacht an meinem Beruf.<br />
≈ Thema Buhlschaft. Es hat ja schon<br />
viele Modernisierungen gegeben<br />
beim Jedermann und bei der Figur<br />
der Buhlschaft. Ist diese Rolle trotzdem<br />
nicht immer noch eine Reduzierung<br />
auf das Klischee eines Frauenbilds,<br />
ist sie noch zeitgemäß? Gerade<br />
in Zeiten von #metoo?<br />
Es kommt immer auf die Interpretation<br />
der Inszenierung an. Wenn man jetzt nur<br />
nach dem Text geht, ist da nichts Diskriminierendes<br />
drin. Da sind Momente, und<br />
ich formuliere das jetzt sehr salopp, wo<br />
die Buhlschaft sagt: »Bis hier und nicht<br />
weiter.« Sie zieht Grenzen, und Grenzen<br />
zu ziehen ist ein ganz großes Thema<br />
in der #metoo-Debatte beispielsweise.<br />
Dann gibt es einen Moment, wo<br />
der Jedermann zu ihr sagt, auch wieder<br />
sehr salopp ausgedrückt: »Du bist doch<br />
käuflich. Mir kommt vor du bist käuflich«.<br />
Und sie steht auf und sagt: »Im<br />
Ernst jetzt? Willst du noch einmal darüber<br />
nachdenken, was du gerade gesagt<br />
hast?« Ich weiß nicht, wo da die Diskriminierung<br />
im Text stehen sollte. Man<br />
sollte das dann auch weniger einer speziellen<br />
Inszenierung vorwerfen, sondern<br />
eher der Gesellschaft. Gerade an hundert<br />
Jahren Jedermann kann man sehr<br />
schön den Wandel der Zeit, auch den<br />
Wandel der Frauen- und Männerwelt in<br />
unserer Gesellschaft ablesen. Falls es<br />
so rüberkommt, wie Sie sagen, glaube<br />
ich, dass das dann nicht ein Regie- oder<br />
Schauspielerversagen ist, sondern dass<br />
es sehr klar zeigt, dass wir vielleicht noch<br />
nicht da sind, wo wir sein sollten oder wo<br />
wir alle denken zu sein.<br />
≈ Jetzt hat die Buhlschaft ja nicht<br />
sehr viel Text. Warum, denken Sie,<br />
wurde das so geschrieben?<br />
Wenn ich es jetzt heutig beantworten<br />
müsste, und was anderes kann ich nicht<br />
tun: Männer schreiben sehr oft gut über<br />
Männer, und Frauen schreiben sehr oft<br />
sehr gut über Frauen. Also gut im Sinne<br />
von einfühlend, interessant, durchschauend,<br />
durchleuchtend. Ich möchte<br />
das auch nicht total pauschalisieren,<br />
aber rein meine Erfahrungswerte zeigen<br />
mir schon, dass Frauen durchaus auch<br />
interessantere Drehbücher für Frauen<br />
schreiben und das generell immer noch<br />
viel zu wenig. Und warum hat er das so<br />
geschrieben? Weil er ein Mann war?<br />
≈ Ist die Buhlschaft so etwas wie<br />
eine Antithese zum Altern und Sterben?<br />
Jedermann nähert sich ja immer<br />
mehr dem Tod an, die Buhlschaft<br />
geht aber vom Jedermann eher weg<br />
und will leben.<br />
Das ist eine interessante These. Ich<br />
habe aber nicht das Gefühl, wie ich den<br />
Jedermann bisher gelesen habe, dass<br />
der Jedermann gerne alt wird und stirbt.<br />
Weder Buhlschaft noch Jedermann altern<br />
und sterben gerne. Der eine muss<br />
es nur früher tun als die andere.<br />
≈ Es ist ja eine spannende Kombination<br />
mit Ihnen und Lars Eidinger.<br />
Worauf dürfen wir uns denn beim<br />
diesjährigen Jedermann freuen?<br />
Viel kann ich Ihnen noch nicht sagen,<br />
aber sowohl Lars als auch ich sind Allin-SchauspielerInnen,<br />
und sind sehr offen<br />
für alles, was da kommen wird. Wir<br />
sind aber beide auch überzeugt genug<br />
vom Stück. Wir beide denken, das Stück<br />
ist gut und interessant, und trotzdem<br />
sind wir offen dafür, was wir dann damit<br />
machen können.<br />
≈ Wieviel können Sie generell in Ihre<br />
Rollen einbringen?<br />
Ich bin eine Schauspielerin, die gerne<br />
mitredet und mitgestaltet, auch über<br />
meine Kernarbeit hinaus. Und das darf<br />
ich mittlerweile auch sehr viel, es ist mir<br />
wichtig und ich genieße das. Wobei ich<br />
denke, dass die Kernarbeit der Schauspielerin<br />
generell neu definiert werden<br />
könnte, weil man wird nun einmal durch<br />
die Beschäftigung mit einer Rolle zur<br />
Expertin einer Rolle. Und ich finde Experten<br />
sollten gehört werden. Bei den<br />
Festspielen stelle ich mich auf einen<br />
eher klassischeren Weg ein, weil wir<br />
auch nicht die Zeit haben, dass wir jetzt<br />
basisdemokratisch das Stück noch einmal<br />
auseinanderpflücken. Es ist ja auch<br />
noch ein bisschen ein Hybrid aus einer<br />
Neuinszenierung und einer Wiederaufnahme.<br />
Ich werde natürlich alles mitbringen,<br />
was ich bin und was ich habe.<br />
Es hat die Besetzung an sich ja auch<br />
eine Aussagekraft. Und es ist für mich<br />
eine große Ehre, nicht nur die Rolle spielen<br />
zu dürfen, sondern auch mit dieser<br />
Rolle zur Aussagekraft beizutragen.<br />
≈ Haben Sie schon Reaktionen aus der<br />
Salzburger Bevölkerung als zukünftige<br />
»neue Buhlschaft« bekommen?<br />
Ich habe ganz ehrlich das Gefühl, dass<br />
ich sehr herzlich aufgenommen werde.<br />
Ich war ja noch gar nicht oft vor Ort und<br />
es ist noch Pandemie, also ist es ja nicht<br />
so, dass man im Wirtshaus sitzt und<br />
mitkriegt, was geredet wird. Aber in den<br />
sozialen Medien oder generell in den<br />
Medien habe ich das Gefühl, dass sich<br />
ganz offen für mich und mit mir gefreut<br />
wird. Ich finde das total schön.<br />
≈ Wenn ich Ihnen eine Traumrolle anbieten<br />
könnte, welche wäre das?<br />
Vor einem halben Jahr hätte ich gesagt:<br />
Die Buhlschaft. Und das geht jetzt in<br />
Erfüllung. Das heißt, jetzt lebe ich erst<br />
einmal ganz intensiv die Erfüllung des<br />
Traums und dann denke ich über die<br />
neuen Träume nach.<br />
Vielen Dank für das Gespräch.<br />
interview_verena_altenberger<br />
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