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Das StadtSalzburgMagazin Ausgabe 2021_3

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oder Erwachsener aufkreuzt. Da liegen<br />

Welten dazwischen. Ich würde meinem<br />

Kind nie erlauben, bei einer Castingshow<br />

mitzumachen. Schon gar nicht in einem<br />

so jungen Alter, zwischen 12 und 14.<br />

Warum nicht?<br />

Weil man da in einer Phase ist, in der<br />

man erst einmal herausfinden muss,<br />

wer man ist und wer man sein will.<br />

Warum haben’s Dir die Eltern erlaubt?<br />

Weil meine Eltern mir alles erlaubt haben,<br />

was mit Musik zu tun hatte. Man<br />

muss dazu sagen, dass meine Mutter<br />

damals die Initiatorin war. Sie gibt es<br />

heute auch zu. Wir haben da lange gestritten.<br />

Ich war nicht so glücklich damit.<br />

Entwickelt man da so etwas wie einen<br />

Castingshow-Ehrgeiz, nach dem<br />

Motto: Jetzt bin ich im Viertelfinale<br />

ausgeschieden, nächstes Mal möchte<br />

ich weiterkommen?<br />

Überhaupt nicht. In der Universitäts-<br />

Bubble, in der ich mich die letzten<br />

Jahre befand, geht es um etwas völlig<br />

anderes. Da geht es um Virtuosität. Du<br />

kommst also aus einer Welt, in der es<br />

darum geht, möglichst viele Triolen in<br />

einen Chorus zu packen und möglichst<br />

viele Septen zu trällern, zu einer Castingshow,<br />

wo Sechzehnjährige teilnehmen,<br />

die zum ersten Mal in ihrem Leben<br />

auf einer Bühne stehen und nicht wissen,<br />

was ein C-Dur-Akkord ist.<br />

Kann das nicht auch angenehm entspannend<br />

sein, weil man den verkopft-universitären<br />

Betrieb einmal<br />

hinter sich lässt?<br />

Auf jeden Fall. Aber man will auch ernst<br />

genommen werden. Wenn man auf der<br />

universitären Ebene Musik macht und<br />

dann zu einer Castingshow geht, ist das<br />

ein Downgrade, wenn Du mich fragst.<br />

Du hast Musik aber auch schon als<br />

Knochenarbeit kennengelernt, nicht<br />

nur als Sängerin der First-Line-Band,<br />

wo es Tage gab, an denen ihr zu Mittag<br />

in Flachau und abends in Gastein<br />

aufgetreten seid, sondern auch auf<br />

unzähligen Hochzeiten, auf denen<br />

Du gesungen hast, oder?<br />

Ja. Dem ist nichts hinzuzufügen. Das<br />

hat Dienstleistungscharakter. Musikalisch<br />

geht es da im Prinzip um gar nichts.<br />

Da kannst du den Text verändern, in den<br />

Brautwalzer Gemeinheiten reinpacken,<br />

es würde niemandem auffallen, weil dir<br />

eh niemand hundertprozentig zuhört.<br />

Am Ende des Tages zählt, dass die Leute<br />

gern auf der Hochzeit waren und die<br />

Party geil fanden. Dafür muss man alles<br />

machen: »Von Zickezacke bis Hulapalu«.<br />

Schön es hinter sich gelassen zu haben?<br />

Tatsächlich spiele ich morgen auf einer<br />

Hochzeit.<br />

Warum?<br />

(lacht) Weil ich sie voriges Jahr schon<br />

zugesagt habe.<br />

Warum hast Du Dein eigens Label<br />

gegründet?<br />

Weil ich unabhängig sein möchte und<br />

meinen Kuchen nicht aufteilen will. Ich<br />

will das lieber alles selber machen.<br />

Was viel Arbeit bedeutet. Hast Du dafür<br />

überhaupt Zeit neben der Musik?<br />

Mehr oder weniger. Manche Sachen muss<br />

man halt machen, die Bürokratie, die dahinter<br />

steckt. Ich mache alles allein, aber<br />

ich habe einen guten Freund, mit dem ich<br />

produziere. Mit dem mache ich mir aus,<br />

wer wie viel bekommt. Ich melde es dann<br />

an, lade es hoch und vertreibe.<br />

Wenn heute jemand anrufen und dich<br />

fragte, ob Du beim Eurovisions-Songcontest<br />

für Österreich starten würdest.<br />

Würdest Du zusagen?<br />

Unter bestimmten Bedingungen vielleicht.<br />

Ich würde auf jeden Fall meinen<br />

Song selber schreiben wollen. Soweit<br />

ich weiß, darf man das aber nicht. Der<br />

Song wird in Österreich immer von jemandem<br />

anderen geschrieben. Ich will<br />

aber alles allein machen. Das ist vielleicht<br />

auch mein größtes Problem. Ich<br />

will keine Hilfe suchen, sondern probieren,<br />

wie weit ich allein komme. Deshalb<br />

ist mir auch so wichtig, dass jedes Wort,<br />

das ich singe, von mir ist.<br />

Du bist als Kind mit Schlagern von<br />

Conny Froboess aufgewachsen. Wer<br />

ist derzeit Deine größte musikalische<br />

Inspiration?<br />

Mich inspiriert schnell etwas. Das muss<br />

kein Superstar, sondern u.U. auch jemand<br />

aus meinem Umfeld sein, der<br />

etwas macht, was ich ästhetisch ansprechend<br />

finde. Aber kürzlich habe ich<br />

mir im Festspielhaus Igor Levit angehört.<br />

Das hat mich richtig mitgerissen.<br />

Im Pop bin ich manchmal überkritisch,<br />

weil mir so viele Dinge auffallen, die ich<br />

anders vielleicht schöner fände. In der<br />

Klassik kenne ich mich nicht so gut aus.<br />

Vielleicht konnte ich deshalb abschalten<br />

wie schon lange nicht mehr. Igor Levits<br />

Spiel hat mich voll abgeholt.<br />

Du hast auf Deinem Label zwei Singles<br />

releast, die Vorbote einer 3er-EP<br />

sind. Wird es denn auch ein volles<br />

Album von Anna Buchegger geben?<br />

Erst mal nicht. Ich habe völlig falsch<br />

angefangen, die künstlerische Karriere<br />

falsch aufgerollt. Jetzt bin ich durch das<br />

Singen von Coverversionen bekannt,<br />

habe Fans, die es toll finden, wenn ich<br />

Kiss von Prince singe. Aber eigentlich<br />

will ich die Leute durch meine eigene<br />

Musik begeistern, und genau das erarbeitet<br />

man sich mit seinen eigenen<br />

Songs. Dafür muss man erst mal seine<br />

Identität suchen, was nicht funktioniert,<br />

wenn einem immer noch dieser Starmania-Sticker<br />

draufklebt. Alles, was angefragt<br />

wird, hat damit zu tun. Ich muss<br />

immer erzählen, was vor fünf Monaten<br />

war. Ob ich Dritter geworden wäre oder<br />

das gewonnen habe, ist doch im Endeffekt<br />

völlig egal. Man gibt dem eine<br />

Wichtigkeit, die es gar nicht hat.<br />

Du versuchst also, weiter Deinen eigenen<br />

Weg zu gehen?<br />

»Versuchen« ist das falsche Wort. Für<br />

mich ist es hauptsächlich ein Herausfinden.<br />

Etwas machen, etwas kreieren. Das<br />

ist wie bei einem Baby: Das ist, wenn es<br />

nach der Geburt vor dir liegt, auch kein<br />

Versuch, sondern ein Geschöpf.<br />

Vielen Dank für das Gespräch.<br />

Anna Buchegger (* 1999) ist eine österreichische<br />

Jazz- und Popsängerin. Sie stammt aus Abtenau,<br />

wo ihre Eltern eine kleine Landwirtschaft mit Alpakas<br />

betreiben. Live ist sie in vielen Formationen<br />

und Konstellationen zu erleben. Zuletzt mit dem<br />

MMC – mobile music club (u.a. mit Chris Kronreif<br />

und Robert Kainar), vielleicht bald auch wieder mit<br />

dem Hackbrett, auf dem sie im Volksmusik-Duo<br />

mit ihrer älteren Schwester begann. Ihr schwebt ein<br />

Projekt vor, bei dem Volksmusik und Elektronik zu<br />

etwas Neuem, Spannenden verschmelzen.<br />

18 interview_anna_buchegger

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