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BwB 05-98 Basel und der Ochse

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KUNSTGESCHICHTE<br />

Bildhauer Carl Burckhardt (1878–1923)<br />

verdanken die Basler diese prägnanten<br />

Werke voller Kraft <strong>und</strong> Eleganz.)<br />

Carl Burckhardt war <strong>der</strong> Sohn des Pfar -<br />

rers Abel Burckhardt-Hess, <strong>der</strong> schon<br />

42jährig verstarb. Sein um zwei Jahre<br />

jüngerer Bru<strong>der</strong> Paul (1880–1961) ist<br />

<strong>der</strong> nicht min<strong>der</strong> berühmte Kunstmaler.<br />

Seinem Fre<strong>und</strong> Heinrich Altherr (1878<br />

bis 1947), dem späteren Kunstmaler,<br />

verdankte wohl Carl Burckhardt, dass<br />

er gegen den Wi<strong>der</strong>stand seines strengen<br />

Vorm<strong>und</strong>s die Künstlerlaufbahn<br />

einschlagen konnte. Nach <strong>der</strong> Matur<br />

schrieb er sich in die Malklasse von<br />

Fritz Schi<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Allgemeinen Ge -<br />

werbeschule <strong>Basel</strong> ein. Im Herbst 1896<br />

zogen Burckhardt <strong>und</strong> Altherr nach<br />

München. Die Aufnahmeprüfung für<br />

die Akademie bestanden die beiden<br />

zwar nicht; sie wurden aber in die renommierte<br />

Zeichenschule von Heinrich<br />

Knirr aufgenommen. Burckhardt<br />

erhielt von seinem Lehrer ein hervorragendes<br />

Zeugnis. Im Oktober 1899<br />

reisten die zwei Fre<strong>und</strong>e nach Rom.<br />

Hier wurde Carl Burckhardt zum<br />

Bildhauer. Gr<strong>und</strong> für die Rückkehr<br />

nach <strong>Basel</strong> war die chronische Geldnot.<br />

Aber bereits 1901 reiste Burckhardt<br />

erneut in die Ewige Stadt, das<br />

Eidgenössische Kunststipendium in<br />

<strong>der</strong> Tasche. In Rom erreichte ihn <strong>der</strong><br />

Auftrag für ein Sandsteinrelief im Gie -<br />

belfeld über dem Hauptportal <strong>der</strong> von<br />

Karl Moser eben vollendeten Pauluskirche<br />

in <strong>Basel</strong>. 1904 heiratet Carl<br />

Burckhardt seine langjährige Fre<strong>und</strong>in<br />

<strong>und</strong> findet in Arlesheim Atelier<br />

<strong>und</strong> Wohnung in jenem verträumten<br />

Einfamilienhaus, in das später <strong>der</strong><br />

Basler Maler Max Löw einzog, von<br />

dem wir im April-Heft das Bild mit<br />

den blauen Finken vorgestellt haben.<br />

Nachdem er 1914 die fünf Reliefs mit<br />

Amazonenkämpfen <strong>und</strong> zwei Nischen -<br />

figuren für den von Professor Karl<br />

Moser konzipierten Kunsthaus-Bau in<br />

Zürich vollendet hatte – die Arbeit erstreckte<br />

sich über fünf Jahre – mach te<br />

sich Carl Burckhardt an einen Auftrag,<br />

<strong>der</strong> ihn sieben Jahre in Anspruch<br />

nehmen sollte, an den Rhein <strong>und</strong> Wie -<br />

se-Brunnen. Im November 1914 war<br />

<strong>der</strong> Auftrag erteilt worden. Im Mai<br />

1917 wurde die Ausführung des Unterbaus<br />

an die Hand genommen <strong>und</strong><br />

1918 konnte <strong>der</strong> Künstler mit dem<br />

Aushauen <strong>der</strong> Plastiken beginnen.<br />

Carl Burckhardt hat alle seine Arbeiten<br />

mit höchstem Einsatz seiner künstleri -<br />

schen <strong>und</strong> körperlichen Kräfte geschaf -<br />

fen. Er hat sich für eine neue Auffassung<br />

<strong>der</strong> Bildhauerei in <strong>Basel</strong> eingesetzt.<br />

An <strong>der</strong> Basler Allgemeinen Gewerbeschule<br />

hat sich auch <strong>der</strong> zweite Künst -<br />

ler ausbilden lassen, von dem hier eine<br />

Stier-Darstellung reproduziert wird:<br />

Walter Bodmer (1903–1973). Während<br />

<strong>der</strong> viereinhalb Jahre, von 1919– 1923,<br />

machte er bereits gewissenhafte Natur -<br />

studien. Zeichen- <strong>und</strong> Anatomie kurse<br />

erteilte damals Albrecht Mayer, dessen<br />

Nachfolger Bodmer 1939 wurde.<br />

Im Winter 1927/28 folgte er den bereits<br />

seit dem Herbst in Paris weilenden<br />

Fre<strong>und</strong>en Otto Abt <strong>und</strong> Walter Kurt<br />

Wiemken nach. Im darauffolgenden<br />

Sommer reisen die Drei ein erstes Mal<br />

ins westfranzösische, nahe <strong>der</strong> spanischen<br />

Grenze gelegene Fischerdorf<br />

Collioure, das in den kommenden Jah -<br />

ren ein wichtiger Treffpunkt für die<br />

Basler mit an<strong>der</strong>en Künstlern wurde.<br />

Die häufigen Besuche von Stierkämp -<br />

fen in <strong>der</strong> lokalen Arena vermochten<br />

Walter Bodmer offensichtlich zu beeindrucken,<br />

denn er widmete <strong>der</strong> Corrida<br />

<strong>und</strong> den Toreros mehrere Arbeiten.<br />

Im 33er-Buch, das die Galerie<br />

‹zem Specht› 1<strong>98</strong>3 herausgab, sind<br />

zwei Gemälde abgebildet, die dies be -<br />

legen, ‹Stierkampf in Collioure›, 1928,<br />

<strong>und</strong> ‹Stierkämpfer›, 1932.<br />

Nach <strong>der</strong> malerischen Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit dem Impressionismus in<br />

den späten 20er Jahren <strong>und</strong> mit dem<br />

Expressionismus in <strong>der</strong> Zeit zwischen<br />

1930 bis 1933 hatte Bodmer 1932 in<br />

Collioure erste abstrakte Experimente<br />

gewagt. Im gleichen Jahr brachte dort<br />

<strong>der</strong> deutsche Maler <strong>und</strong> Bühnenbildner<br />

Hein Heckenroth den Schweizern<br />

Abt, Bodmer, Brignoni <strong>und</strong> Wiemken<br />

die Technik <strong>der</strong> Monotypie bei: Eine<br />

Druckplatte wird mit Druckfarbe o<strong>der</strong><br />

Druckerschwärze direkt bezeichnet.<br />

Der Abdruck ist nicht wie<strong>der</strong>holbar<br />

<strong>und</strong> stellt ein Unikat dar wie eine<br />

Zeichnung. In dieser Technik hat Bod -<br />

mer den Schritt in die abstrakte Darstellung<br />

vollzogen.<br />

1939 wird Bodmer Nachfolger seines<br />

Lehrers Albrecht Mayer. Alex Maier,<br />

<strong>der</strong> im spanischen Ronda vom Stierkampf<br />

sich begeistern liess <strong>und</strong> Bil<strong>der</strong><br />

zum Thema schuf, wird Bodmers Nach -<br />

folger werden <strong>und</strong> Lenz Klotz Bodmers<br />

‹Meisterschüler›.<br />

(In den Kriegsjahren widmete sich Bod -<br />

mer intensiv <strong>der</strong> Paläontologie. In einer<br />

kleinen Mergelgrube bei Brislach BL<br />

fand er das Skelett einer Seekuh in den<br />

Meeresablagerungen des Oligozäns,<br />

das heisst aus <strong>der</strong> Zeit vor etwa 30 Mil -<br />

lionen Jahren. In jahrelanger Arbeit<br />

hat er zusammen mit seiner Frau die<br />

unzähligen Bruchstücke von Wirbeln,<br />

Rippen <strong>und</strong> Gliedmassen zusammengefügt.<br />

Seit 1944 befindet sich das<br />

versteinerte Skelett im Besitz des Naturhistorischen<br />

Museums <strong>Basel</strong>.)<br />

Die Schüler bew<strong>und</strong>erten Bodmer u.a.<br />

wegen seiner Zeichnungen im Fach<br />

plastische Anatomie. In <strong>der</strong> schweizerischen<br />

<strong>und</strong> internationalen Kunst<br />

machte er sich einen Namen mit seinen<br />

fragilen, ungegenständlichen Drahtplastiken<br />

in geometrischen <strong>und</strong> freien<br />

Formen.<br />

Walter Bodmers Credo gilt auch für<br />

die abgebildete Monotypie mit <strong>der</strong><br />

kraftvoll-dynamischen Stier-Darstellung:<br />

«Dieses [das Kernproblem <strong>der</strong><br />

Malerei] sehe ich darin, dass jedes<br />

Bild wirklich eine Neuschöpfung, eine<br />

Urschöpfung sein soll <strong>und</strong> nicht nur<br />

eine Nachschöpfung. [...] Ich suche nur<br />

das formal <strong>und</strong> optisch Eigenständige,<br />

was bisher vielleicht am reinsten in<br />

meinen Drahtplastiken zum Ausdruck<br />

gekommen ist.» Wirkt unser Blatt nicht<br />

wie die Vorstufe zu einem Drahtbild?<br />

Beat Trachsler<br />

Rechts: Carl Burckhardt<br />

(Lindau ZH 1878–1923 Arlesheim BL)<br />

Rhein <strong>und</strong> Wiese (linke Gruppe:<br />

Wiese; Stier mit Frauenakt)<br />

Brunnenanlage vor dem Badischen<br />

Bahnhof, 1914–1921<br />

Würenloser Muschelkalk, Unterbau<br />

<strong>und</strong> Becken aus Verzascagranit<br />

Länge <strong>der</strong> Gruppe 365 cm<br />

38 Bwie<strong>Basel</strong> 5/<strong>98</strong>

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