BwB 05-98 Basel und der Ochse
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A PROPOS…<br />
Von <strong>Ochse</strong>ngalle <strong>und</strong> <strong>Ochse</strong>nblut<br />
Wenn man in einem Lexikon unter<br />
dem Stichwort «Ochs» nachschlägt,<br />
findet man erstaunlich viele Wörter,<br />
die in einem Zusammenhang mit dem<br />
<strong>Ochse</strong>n stehen. Vom Staatsmann Peter<br />
Ochs haben wir ja schon gelesen;<br />
wussten Sie aber, dass es auch einen<br />
Siegfried Ochs gab, <strong>der</strong> ein deutscher<br />
Komponist <strong>und</strong> <strong>der</strong> Grün<strong>der</strong> des Berliner<br />
Philharmonischen Orchesters<br />
war? O<strong>der</strong> Ulrich <strong>Ochse</strong>nbein, <strong>der</strong> ein<br />
äusserst bewegtes Leben führte? Er<br />
war einer <strong>der</strong> führenden schweizer Po -<br />
litiker bei <strong>der</strong> Neugründung <strong>der</strong> Eid -<br />
genossenschaft – allerdings später als<br />
Peter Ochs, nämlich erst 1848. Er war<br />
Rechtsanwalt <strong>und</strong> führte 1845 den<br />
Frei schärlerzug gegen das katholische<br />
Luzern. 1846 wurde er Präsident <strong>der</strong><br />
Berner Regierung <strong>und</strong> war 1848 bis<br />
1854 B<strong>und</strong>esrat. Merkwürdig ist, dass<br />
er anschliessend als General in die<br />
französische Fremdenlegion eintrat.<br />
Die <strong>Ochse</strong>ngalle als Fleckenmittel, die<br />
<strong>Ochse</strong>nschwanzsuppe <strong>und</strong> den <strong>Ochse</strong>nmaulsalat<br />
kennen Sie sicher. Haben<br />
Sie aber gewusst, dass mit <strong>Ochse</strong>nblut<br />
eigentlich nicht <strong>der</strong> Lebenssaft <strong>der</strong><br />
Rin<strong>der</strong> gemeint ist, son<strong>der</strong>n eine dunkelrote<br />
Koralle aus Japan?<br />
Das Wort <strong>Ochse</strong>nauge wird in mindestens<br />
acht verschiedenen Bedeutungen<br />
gebraucht. Zuerst gibt es den dunkelbraunen<br />
Tagschmetterling mit dem<br />
kleinen, schwarzumrandeten weissen<br />
Flecken auf dem Vor<strong>der</strong>flügel. Dann<br />
nennt man eine gelbblühende Staude,<br />
die oft in den Kalkalpen vorkommt,<br />
ebenfalls so. Ferner das im Französischen<br />
häufig vorkommende «Œil-de-<br />
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bœuf», ein ovales o<strong>der</strong> r<strong>und</strong>es Fenster<br />
in <strong>der</strong> Wand o<strong>der</strong> im Dach, das beson -<br />
<strong>der</strong>s im Barock oft eingesetzt wur de.<br />
Beim Essen kennt man die <strong>Ochse</strong>n-<br />
(o<strong>der</strong> Stieren-) Augen als Spiegeleier,<br />
o<strong>der</strong> als r<strong>und</strong>es Mürbteiggebäck mit<br />
Vanillecreme in <strong>der</strong> Mitte.<br />
Weniger angenehm ist das <strong>Ochse</strong>nauge,<br />
das sich beim Kind in Form eines<br />
riesigen Augapfels zeigt, <strong>der</strong> durch eine<br />
krankhafte Drucksteigerung im<br />
Auge entsteht. Auch in <strong>der</strong> Meteorologie<br />
fürchtet man das <strong>Ochse</strong>nauge.<br />
Man bezeichnet damit das Zentrum<br />
von Wirbelstürmen wie Tornados o<strong>der</strong><br />
Taifunen. Harmlos ist dagegen <strong>der</strong> düster-bläuliche<br />
Labradorstein, den man<br />
für Schmuck verwenden kann.<br />
Ein beliebter Darsteller in Horrorfilmen<br />
ist <strong>der</strong> <strong>Ochse</strong>nfrosch, <strong>der</strong> doch<br />
tatsächlich bis zu 20 cm lang werden<br />
soll <strong>und</strong> hauptsächlich im östlichen<br />
Nordamerika vorkommt. Er hat eine<br />
extrem laute Stimme <strong>und</strong> frisst nicht<br />
nur kleine Fische <strong>und</strong> Lurche, son<strong>der</strong>n<br />
auch junge Wasservögel. Im Volksm<strong>und</strong><br />
bezeichnen wir jemanden, <strong>der</strong><br />
sich gerne aufspielt <strong>und</strong> wichtig macht,<br />
ebenfalls als <strong>Ochse</strong>nfrosch.<br />
Nicht direkt mit dem <strong>Ochse</strong>n zu tun<br />
haben die Oechsle-Grade, mit welchen<br />
man den Zuckergehalt von Trauben<strong>und</strong><br />
an<strong>der</strong>en Obstsäften messen kann.<br />
Diese Masseinheit geht auf den Pforz -<br />
heimer Goldschmied Ferdinand Oechs -<br />
le zurück, welcher diese Mostwaage<br />
erfand.<br />
Nicht im Lexikon gef<strong>und</strong>en habe ich<br />
den Ochsner. Gut, heute im Zeichen<br />
von Bebbi-Sack <strong>und</strong> Vignette braucht<br />
man ihn vermutlich einfach nicht mehr.<br />
Ich kann mich jedoch noch sehr gut<br />
erinnern, wie wir früher den Ochsner<br />
zuerst mit Zeitungspapier auslegten,<br />
bevor wir den Abfall hineingaben (von<br />
Abfalltrennen sprach damals noch kein<br />
Mensch).<br />
Am Abfuhrtag standen bei den Mehrfamilienhäusern<br />
alle Ochsner fein<br />
säuberlich in Reih <strong>und</strong> Glied auf dem<br />
Trottoir. Ursprünglich waren sie auch<br />
nicht angeschrieben, weil je<strong>der</strong> seinen<br />
kannte; <strong>der</strong> eine hatte einen «Bugg»<br />
vorne, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e einen zerkratzten<br />
Deckel, beim dritten fehlte eine Niete<br />
– kurz, je<strong>der</strong> Ochsner hatte ein unverwechselbares<br />
Gesicht. Wir Kin<strong>der</strong><br />
waren angehalten, die schweren Kübel<br />
<strong>der</strong> älteren Damen hochzutragen<br />
<strong>und</strong> vor <strong>der</strong> Wohnungstüre abzustellen.<br />
Auch mein Vater schleppte oft mehrere<br />
Kübel die Treppen hoch.<br />
Später konnte man dann farbige Plastik-Reifen<br />
kaufen, die man ihm wie<br />
einen Schuh überzog, o<strong>der</strong> es gab sogar<br />
welche, die ihren Ochsner mit<br />
Farbe anschrieben, was aber von <strong>der</strong><br />
Umgebung nicht sehr goutiert wurde.<br />
Noch später – als man keine Asche<br />
mehr in den Abfall gab – kamen die<br />
Ochsner aus Kunststoff. Doch sie glichen<br />
den ursprünglichen nur in <strong>der</strong><br />
Farbe, sie waren nur eine schwache<br />
Kopie, denn die Lebensgeschichte, die<br />
ein metallener Ochsner ausstrahlte,<br />
konnten sie nie nachahmen.<br />
Jacqueline<br />
Bwie<strong>Basel</strong> 5/<strong>98</strong> 35