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Taxi Times München - 2. Quartal 2023

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MINDESTPREIS<br />

KAMPF DER GUTACHTEN<br />

Genehmigungsbehörden wollen nur dann einen Mindesttarif für<br />

Mietwagen festsetzen, wenn dieser auch rechtssicher ist. Helfen sollen<br />

dabei Expertengutachten – doch die widersprechen sich teils erheblich.<br />

Neue Gesetze sind in ihrer Auslegung<br />

immer schwierig – erst<br />

recht, wenn sie wie der § 51a des<br />

Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) nur<br />

sehr knapp formuliert sind. Darüber, wie<br />

dieser eine Satz nun auszulegen ist, gibt<br />

es – je nach Interessenlage – unterschiedliche<br />

Meinungen. Vor allen Dingen Plattformanbieter<br />

wie Uber und Bolt versuchen,<br />

Mindestpreise zu verhindern, denn eine<br />

Marktverdrängung des <strong>Taxi</strong>s durch Dumpingpreise<br />

wäre dann nicht länger möglich.<br />

Uber & Co. müssten in einem solchen Fall<br />

ihr Geschäftsmodell überdenken.<br />

KLAGEN SIND ANGEKÜNDIGT<br />

Entsprechend deutlich sind die Drohgebärden<br />

der Plattformvermittler gegenüber den<br />

Behörden. Noch bevor diese überhaupt über<br />

Mindesttarife für Mietwagen nachdenken<br />

können, kündigen Uber und andere schon<br />

an, dagegen zu klagen. Untermauert wird<br />

diese Drohung durch ein Rechtsgutachten,<br />

das man 2022 bei der Kanzlei Freshfields<br />

Bruckhaus Deringer in Auftrag gegeben<br />

hat. An den Ausführungen wird deutlich,<br />

dass sich hier eine renommierte Anwaltskanzlei<br />

vor den Karren von Uber hat spannen<br />

lassen. Das merkt man beispielsweise<br />

an der Interpretation von Freshfields, dass<br />

die Festlegung eines Mindesttarifs für Mietwagen<br />

als Eingriff in das Grundrecht der<br />

Berufsfreiheit interpretiert wird.<br />

Gegen diese und zahlreiche weitere im<br />

Gutachten sehr mietwagenfreundlich formulierten<br />

Auslegungen wehrt sich nun die<br />

<strong>Taxi</strong>branche. Die Düsseldorfer Zentrale<br />

Rhein-<strong>Taxi</strong> hat bei ihrer Kanzlei ein Gegengutachten<br />

beauftragt, an deren Kosten sich<br />

auch andere Verbände und Zentralen beteiligen,<br />

unter anderem die <strong>Taxi</strong> <strong>München</strong> eG.<br />

Zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe lag<br />

es allerdings noch nicht vor.<br />

Ein weiteres Rechtsgutachten hat der<br />

Bundesverband <strong>Taxi</strong> und Mietwagen<br />

(BVTM) erstellen lassen und Anfang April<br />

intern an die eigenen Mitglieder übersandt,<br />

zu denen auch IsarFunk und der <strong>Taxi</strong>verband<br />

<strong>München</strong>/Bayern gehören. „Es soll<br />

Ihre Arbeit vor Ort mit der Genehmigungsbehörde<br />

unterstützen“, schreibt BVTM-<br />

Geschäftsführer Michael Oppermann.<br />

Das Gutachten wurde von der Anwaltskanzlei<br />

Zuck mit Sitz in Stuttgart erstellt.<br />

Autor ist der Rechtsanwalt Prof. Dr. Holger<br />

Zuck, ein Spezialist und Kommentator des<br />

PBefG. Zuck bestätigt die Einschätzung<br />

vieler Juristen sowohl aus der Personenbeförderungsbranche<br />

als auch in den<br />

Rechtsabteilungen diverser Genehmigungsbehörden<br />

in zwei elementaren Punkten:<br />

1. Als öffentliche Verkehrsinteressen<br />

sind der Schutz des ÖPNV und die<br />

Funktionsfähigkeit des örtlichen<br />

<strong>Taxi</strong>gewerbes definiert.<br />

<strong>2.</strong> Das Festlegen von Beförderungsentgelten<br />

setzt belastbare Zahlen voraus<br />

bzgl. Fahrgastverlagerung, Funktionsfähigkeit<br />

des <strong>Taxi</strong>gewerbes und<br />

Entwicklung der Konzessionszahlen.<br />

Interessant an diesem Gutachten ist darüber<br />

hinaus der Ansatz, zwischen den Mietwagenbetreibern<br />

zu unterscheiden. Da gibt<br />

es zum einen jene Betriebe, die – vornehmlich<br />

im städtischen Bereich – taxiähnlichen<br />

Verkehr durchführen und ihre Fahrten von<br />

Plattformvermittlern wie Uber, Bolt oder<br />

Free Now erhalten.<br />

Es sind aber auch Mietwagen unterwegs,<br />

die sich auf Liegend-Krankenfahrten<br />

spezialisiert haben oder hochpreisige<br />

Beförderungen in Luxuslimousinen anbieten.<br />

Da solche Mietwagenverkehre nicht in<br />

unmittelbarer Konkurrenz zum ÖPNV oder<br />

<strong>Taxi</strong> stehen, dürfen für sie auch keine Mindesttarife<br />

gelten.<br />

TAXITARIF NUR EIN RICHTWERT<br />

Bei der Höhe der Mindestentgelte kann der<br />

örtliche <strong>Taxi</strong>tarif als Richtwert herangezogen<br />

werden. Je nach Ergebnis einer notwendigen<br />

Marktforschungsanalyse kann ein<br />

Mindestbeförderungsentgelt im Ergebnis<br />

auch ein höheres Niveau aufweisen als der<br />

örtliche <strong>Taxi</strong>tarif. Damit widerspricht Prof.<br />

Zuck dem Freshfields-Gutachten.<br />

Dort war davon die Rede, dass der<br />

Mindesttarif deutlich unter dem <strong>Taxi</strong>tarif<br />

angesetzt sein müsse. „Das lässt sich aus<br />

dem Gesetz nicht herleiten“, stellt Oppermann<br />

klar, „ebenso wenig wie die Interpretation,<br />

wonach erst eine Flexibilisierung<br />

des <strong>Taxi</strong>tarifs erfolgen müsse, bevor<br />

Mindestentgelte für Mietwagen erlassen<br />

werden.“ <br />

jh<br />

ILLUSTRATION: Freepik<br />

8 <strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2023</strong> TAXI

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