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MeinPferd_04_2019

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Beispiel indem er junge Pferde mit erfahrenen,<br />

ruhi gen Artgenossen trainiert. Doch<br />

nicht nur optische Reize spielen bei der Stimmungsübertragung<br />

eine Rolle. Pferde sind<br />

auch in der Lage, biochemische Veränderungen,<br />

wie sie unter anderem bei Angst, Stress<br />

oder Unsi cherheit vorkommen, über den<br />

Geruchssinn wahrzunehmen.<br />

Schmerzen können Angst auslösen<br />

Pferde verfügen über ein komplexes Meldesystem,<br />

dass sich über den gesamten Körper,<br />

einschließlich vieler Organe und der<br />

Muskulatur, erstreckt. Schmerzreize werden<br />

über viele kleine Rezeptoren, sogenannte<br />

Nozizeptoren, direkt an das Gehirn<br />

weitergeleitet. Dieses verfügt selbst nicht<br />

über Nozi zeptoren. Ähnlich wie Angst haben<br />

auch Schmerzen eine Warnfunktion.<br />

Der Körper erhält die Rückmeldung, dass<br />

etwas nicht stimmt. So führen Verletzungen<br />

beispiels weise zu Schonhaltungen, gleichzeitig<br />

schützen Schmerzen das Pferd aber auch<br />

vor schädlichen Außenreizen. Dabei lösen<br />

Schmerzreize von außen fast automatisch<br />

Angst aus, vor allem wenn das Pferd diese als<br />

unvorhersehbar oder unkontrollierbar erlebt.<br />

Eine erhöhte Pulsfrequenz, Schwitzen und<br />

fehlendes Ohrenspiel treten sowohl bei Angst<br />

als auch bei Schmerz auf.<br />

Sehr starke Angst kann das Schmerzempfinden<br />

kurzfristig unterdrücken, wenn<br />

eine Bedrohung eine Fluchtreaktion auslöst.<br />

ANGST ERKENNEN<br />

Körperhaltung und Gefühle sind<br />

miteinander verbunden. Das sind die<br />

Kenn zeichen von Angst bei Pferden:<br />

• Augen: Sie sind weit geöffnet und<br />

möglicherweise starr auf den Auslöser<br />

gerichtet. Bei größerer Angst wird das<br />

Weiß in den Augen sichtbar. Falten über<br />

den Augen sind ein wichtiges Anzeichen,<br />

sowohl bei Angst als auch bei Unwohlsein,<br />

Stress oder Schmerzen.<br />

• Körpersprache: Deutlich erhöhter<br />

Muskeltonus, wobei die Anspannung der<br />

Muskulatur vom Grad der empfundenen<br />

Doch Angst, Sorge oder Verletzungen können<br />

es andererseits auch verstärken. Krankheiten<br />

und Schmerzen bedeuten eine nicht zu<br />

unter schätzende Stressbelastung und können<br />

dadurch Angst auslösen. Zu den körperlichen<br />

Beschwerden zählen zum Beispiel Borreliose,<br />

Hufrehe, Magen-Darm-Störungen wie<br />

Koli ken, Durchfall und Magengeschwüre<br />

oder Schmerzen der Muskulatur sowie des<br />

Skelettsystems.<br />

Gespenster auf vier Pfoten<br />

Zurück zu unserem schreckhaften Wallach<br />

und seiner Reiterin. Beide stehen noch<br />

immer in der Mitte und haben sich sichtlich<br />

beruhigt. Sie lässt die Zügel etwas länger,<br />

und ihr Pferd senkt den Kopf. Auf einmal<br />

rennt ein anderes Pferd in Höhe der Tribüne<br />

los und flüchtet in Richtung Hallentür.<br />

Schlagartig sind auch die anderen Vierbeiner<br />

in Alarmbereitschaft. Jetzt wird es dem<br />

Trainer zu bunt. Er geht zur langen Seite und<br />

schaut über die Bande. Der Übeltäter ist gefunden:<br />

Auf der untersten Stufe außer Sichtweite<br />

liegt eine alte Abschwitzdecke, die<br />

wohl über die Bande gerutscht sein muss.<br />

In ihr haben sich zwei Katzen verkrochen,<br />

die nichts Besseres zu tun haben, als miteinander<br />

zu spielen. Während die Reiter das<br />

Rascheln wegen der Lautstärke in der Halle<br />

nicht bemerkt haben, konnten die Pferde<br />

das Geräusch nicht einordnen. Manchmal<br />

sind Gespenster eben doch nur Katzen.<br />

Angst abhängt. Leicht eingezogener<br />

Schweif, bei Erregung auch höher getragen.<br />

Das Pferd wirkt häufig, als würde<br />

die Hinterhand wegtauchen. Die Sprunggelenke<br />

können einknicken. Die Ausdrucksformen<br />

variieren je nachdem, aus<br />

welcher Richtung der Angst auslösende<br />

Reiz kommt.<br />

• Mimik: Leicht verlängerte Oberlippe in<br />

Verbindung mit zusammengebissenem<br />

Kiefer sowie weit geöffneten Augen<br />

und Nüstern. Die Wangenmuskulatur ist<br />

meist deutlich erkennbar und tritt hervor.<br />

Schrecktraining<br />

am<br />

Boden stärkt<br />

das Vertrauen<br />

zwischen<br />

Mensch und<br />

Pferd<br />

Gähnen gehört zu den Beschwichtigungssignalen,<br />

die Pferde auch gegenüber<br />

dem Sozialpartner<br />

Mensch einsetzen<br />

CALMING SIGNALS<br />

Im sozialen Miteinander, und zwar<br />

auch mit dem Menschen, nutzen Pferde<br />

Beschwichtigungssignale, um einen<br />

aufkommenden Konflikt zu entschärfen.<br />

Mit bestimmten Gesten, den sogenannten<br />

„Calming Signals“, versuchen Pferde, ihr<br />

Gegenüber zu beschwichtigen, und drücken<br />

gleichzeitig ihre Unsicherheit oder Irritation<br />

aus. Diese Beschwichtigungssignale<br />

wenden Pferde auch in der Kommunikation<br />

mit dem Sozialpartner Mensch an. Dazu<br />

gehören unter anderem Gähnen, Lecken,<br />

Leerkauen oder das Abwenden des Blickes<br />

beziehungsweise des ganzen Körpers. Die<br />

Übergänge zu anderen Verhaltensweisen<br />

oder Übersprungshandlungen sind dabei<br />

fließend und müssen immer im Kontext der<br />

Situation betrachtet werden.<br />

BUCHTIPPS<br />

In dem Buch „Angst, Stress<br />

und Unsicherheit beim<br />

Pferd“ erfahren Sie, wie Angstempfinden<br />

und körperliche<br />

Reaktionen zusammenhängen<br />

und wie Sie diese einschätzen<br />

können. Die Autorinnen zeigen<br />

ein faires Trainingskonzept, das dabei hilft,<br />

Ängste ab- und Vertrauen aufzubauen.<br />

Müller Rüschlikon, 176 Seiten,<br />

24,90 Euro, ISBN: 978-3-275-02097-3<br />

Wie verhalte ich mich, wenn mein<br />

Pferd scheut? Wie kann ich ihm<br />

in Ausnahmesituationen Sicherheit<br />

vermitteln? Karin Tillisch<br />

beschreibt in ihrem Buch<br />

„Wenn Pferde Angst haben“,<br />

wie durch Vertrauensarbeit und<br />

Anti-Schreck-Training die Ängste<br />

des Pferdes, die es z. B. vor Berührungen,<br />

vor Gegenständen oder beim Reiten und im<br />

Gelände hat, bewältigt werden können.<br />

Cadmos, 96 Seiten, 14,95 Euro,<br />

ISBN: 978-3-84<strong>04</strong>-1514-2<br />

<strong>04</strong>/<strong>2019</strong> www.mein-pferd.de<br />

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