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MeinPferd_04_2019

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HALTUNG & GESUNDHEIT<br />

Anfang des Jahres hatte Paul<br />

Schockemöhle die Nase voll.<br />

Nachdem monatelang Horrormeldungen<br />

zur Erkrankung<br />

„Warmblood Fragile<br />

Foal Syndrome“ (WFFS)<br />

durch die Medien geisterten, verkündete<br />

er, künftig jedem Züchter, „der ein in einer<br />

Tierärztlichen Hochschule wissenschaftlich<br />

nachweisbar an WFFS gestorbenes<br />

Fohlen zu beklagen hat“, die stattliche<br />

Summe von 10.000 Euro als „Ausgleichszahlung“<br />

auszuhändigen. Er wolle damit<br />

zeigen, wie verschwindend gering die<br />

Wahrscheinlichkeit sei, dass ein Fohlen<br />

von dem Gendefekt betroffen sei. Bei ihm<br />

seien schon über 10.000 Fohlen geboren<br />

worden – „und keines dieser Fohlen hatte<br />

WFFS“. Vorausgegangen war die Frist,<br />

nach der Zuchtverbände ab dem 1. Januar<br />

<strong>2019</strong> veröffentlichen sollten, welche ihrer<br />

Deckhengste Träger des berüchtigten<br />

Gendefekts sind, der wiederum die tödliche<br />

Erkrankung auslösen soll. Schockemöhle<br />

will<br />

nun Züchter<br />

ermutigen,<br />

auch mit<br />

jenen<br />

Hengsten<br />

weiter<br />

zu züchten,<br />

deren<br />

Test positiv<br />

a u s g e f a l l e n<br />

ist. Auch andere<br />

Experten, darunter<br />

die amerikanische Forscherin<br />

Nena Wienand, die<br />

die Genmutation 2012 mit ihrer Arbeitsgruppe<br />

an der Cornell University<br />

entdeckte, raten davon ab, Trägertiere aus<br />

der Zucht zu nehmen. So würden im Gegenzug<br />

auch viele sehr gute Eigenschaften<br />

verloren gehen. Wienand wies in einem<br />

Interview letztes Jahr darauf hin, dass<br />

dies „das Leistungsniveau verändern“<br />

Der Saugreflex<br />

ist trotz<br />

Erkrankung<br />

vorhanden<br />

und „die<br />

besten Springund<br />

Dressurpferde treffen“ würde. Was<br />

nun? Die Verunsicherung ist groß. Deswegen<br />

haben wir Zuchtexperten vom<br />

Westfälischen Pferdestammbuch und<br />

dem Oldenburger Pferdezuchtverband<br />

nach ihrer Einschätzung befragt und die<br />

wichtigsten Fakten zusammengetragen.<br />

INFO<br />

Erbkrankheiten sind<br />

auf ein erkranktes<br />

Gen zurückzuführen<br />

Autosomal-rezessive Vererbung<br />

Nicht-Träger zu Nicht-Träger<br />

Träger zu Träger<br />

N N N N<br />

N FFS N FFS<br />

25% Nicht-<br />

25%<br />

Träger<br />

tödlich<br />

Nicht-Träger zu Träger<br />

N N N FFS N N<br />

N FFS N FFS FFS FFS<br />

50% Nicht-<br />

Träger<br />

50%<br />

Träger<br />

50%<br />

Träger<br />

N N N FFS<br />

Foto: slawik-com (4), Getty Images (1), IMAGO/ Frank Sorge (1), Privat (1), LABOKLIN (3)<br />

Erbkrankheiten bei Pferden<br />

Es gibt nicht nur WFFS, sondern auch andere<br />

genetisch bedingte Erkrankungen, die Pferde und<br />

Ponys treffen können und in Zuchtbuchordnungen<br />

aufgeführt werden:<br />

CA: Cerebelläre Abiotrophie kommt v.a.<br />

bei arabischen Rassen vor und muss<br />

im Zuchtbuch vermerkt werden. Seit<br />

<strong>2019</strong> muss CA ebenfalls bei Deutschen<br />

Reit ponys im Zuchtbuch per Gentest<br />

eingetragen werden. Dabei sterben<br />

Nervenzellen im Kleinhirn ab.<br />

EDM: Equine Degenerative Myeloencephalopathie<br />

kommt bei allen Rassen<br />

vor. Die neurologische Erkrankung wird<br />

durch Vitamin-E-Mangel ausgelöst.<br />

44 www.mein-pferd.de <strong>04</strong>/<strong>2019</strong><br />

OLWS: Overo Lethal White Syndrom kann<br />

bereits seit 1998 per Gentest identifiziert<br />

werden und betrifft Paint Horses und<br />

Overoschecken. Kann bereits für den<br />

Embryo tödlich sein.<br />

PSSM: Polysaccharid-Speicher-Myopathie<br />

Typ 1 kommt bei allen Rassen vor und<br />

muss im Zuchtbuch mit Gentest-Hinweis<br />

vermerkt werden. Es handelt sich um eine<br />

Muskelerkrankung mit einer Störung des<br />

Kohlehydratstoffwechsels.<br />

Die Krankheit WFFS<br />

Beim Warmblood Fragile Foal Syndrome<br />

gibt bereits der Name Auskunft über die<br />

schwere Symptomatik. Es handelt sich<br />

dabei um eine erbliche unheilbare Bindegewebsstörung,<br />

die ausschließlich die<br />

Warmblutpopulation trifft. Sie wird unmittelbar<br />

nach der Geburt sichtbar: Das<br />

Fohlen zeigt zwar meist einen Saugreflex,<br />

ist aber auffallend schwach und kann in<br />

der Regel gar nicht erst aufstehen. Die<br />

verantwortliche Genmutation im LH1-<br />

Gen führt zu einer dünnen und brüchigen<br />

Oberhaut, die nicht mit dem Unterhautgewebe<br />

verbunden ist. In der Folge<br />

reißt die Haut bereits bei minimalen Berührungen<br />

und Belastungen ein – auch<br />

bei Aufstehversuchen. Es entstehen binnen<br />

kürzester Zeit zahlreiche irreparable<br />

Verletzungen am ganzen Körper sowie an<br />

den Schleimhäuten; zudem sind die Gelenke<br />

in den Beinen instabil, häufig geschwollen<br />

und leicht überdehnbar. Es gibt<br />

keinerlei Chance auf Heilung und das<br />

Fohlen überlebt in der Regel nicht mehr<br />

als die ersten Stunden nach der Geburt.<br />

In den meisten Fällen wird es der Tierarzt<br />

zügig einschläfern.

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