Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
TITELTHEMA<br />
Fotos: Daniel Elke (1), slawik.com (7), IMAGO/ Frank Sorge (4), Privat (3)<br />
FEST IM RÜCKEN?<br />
Was es mit diesem Ausdruck auf sich<br />
hat, erklärt unsere Expertin:<br />
„Wenn das Pferd im Rücken fest ist,<br />
heißt das, dass es sich verspannt. Pferde,<br />
die im Rücken fest sind, haben häufig<br />
ein langsames Hinterbein, sind triebig,<br />
steif, es gibt Anlehnungsprobleme. Viele<br />
galoppieren nicht an, bocken oder sind<br />
Manche Pferden versuchen,<br />
sich durch Bocksprünge<br />
gegen den schmerzenden<br />
Rücken zu wehren<br />
WAS KORREKTES TRAINING<br />
BEWIRKEN KANN<br />
Die Fotos stammen aus dem Archiv von<br />
Anne Schmatelka. Sie zeigen die Entwicklung<br />
der Muskulatur von Bamboo<br />
im Abstand von 12 Monaten.<br />
Um die fehlerhafte Muskulatur zu korrigieren<br />
und das Pferd aufzubauen, wurde<br />
ein Jahr lang nur an den Grundlagen<br />
gearbeitet: Zügel aus der Hand kauen<br />
lassen, korrekte Übergänge, große gebogene<br />
Linien, häufige Handwechsel und<br />
Tempounterschiede. Alles, was die junge<br />
Remonte in den ersten Jahren der Ausbildung<br />
eigentlich lernen sollte. „Leider<br />
Bamboo vor dem Aufbautraining mit<br />
festem Rücken und wenig Muskulatur<br />
18 www.mein-pferd.de <strong>04</strong>/<strong>2019</strong><br />
widersetzlich. Übergänge erfolgen stockend,<br />
die Pferde kommen auf die Vorhand<br />
oder drücken auf das Gebiss. Das<br />
sind alles Hinweise auf Schmerzen, und<br />
meist ist die Diagnose Kissing Spines<br />
dann nicht mehr weit. Für mich sind das<br />
immer Alarmsignale. Wenn man diesen<br />
Punkt erreicht hat, sollte man den Ausbildungsweg<br />
überdenken.“<br />
beherrschte Bamboo alle diese Grundlagen<br />
nicht“, erinnert sich Anne Schmatelka.<br />
„Er war im Rücken fest wie ein Brett,<br />
war triebig, hatte ein langsames Hinterbein,<br />
massive Anlehnungsprobleme und<br />
war sehr gestresst.“ Durch die Grundlagenarbeit<br />
bekam er neues Vertrauen.<br />
Bamboo lernte, dass ihm nichts passiert,<br />
dass Bewegung Spaß macht und dass<br />
der Reiter nur das fordert, was sein<br />
Pferd auch mental leisten kann. Dadurch<br />
konnte Bamboo auch innerlich immer<br />
mehr entspannen und äußerlich – sprich<br />
körperlich – loslassen.<br />
Bamboo ein Jahr später nach<br />
konsequenter Grundlagenarbeit<br />
mit deutlich veränderter Oberlinie<br />
nehmen, sich nicht korrekt versammeln lassen<br />
und keine Galoppwechsel springen, haben oft<br />
nichts anderes als Rückenschmerzen“, erzählt<br />
unsere Expertin.<br />
Weitere Alarmsignale erkennen<br />
Kann das Pferd trotz kontinuierlichen Trainings<br />
in der Anlehnung nicht konstant sein,<br />
dann weist auch das auf Probleme mit der<br />
Wirbelsäule beziehungsweise der Rückenmuskulatur<br />
hin. Beobachten Sie Ihr Pferd an<br />
der Longe und unter dem Sattel: Bewegt es<br />
sich anfangs hölzern und fußt es im Schritt<br />
wie im Trab mit den Hinterhufen nicht einmal<br />
in die Spur des Vorderhufs? Wird das<br />
Gangbild nach einer Aufwärmphase zwar<br />
besser, doch haben Sie weiterhin das Gefühl,<br />
dass irgendetwas nicht rundläuft? Neigt Ihr<br />
Pferd in Trabverstärkungen dazu, nur eiliger<br />
zu werden und Taktfehler zu zeigen? Oder<br />
fällt es auf die Vorhand und lässt sich nicht<br />
wieder aufnehmen? Auch dann sollten Sie die<br />
Anzeichen ernst nehmen. Ein weiterer Hinweis<br />
auf Rückenprobleme: Sie können nicht<br />
entspannt und bequem aussitzen. „Wieder<br />
andere stellen das Kauen komplett ein, lassen<br />
sich nicht stellen oder biegen“, betont Anne<br />
Schmatelka und fügt hinzu: „Das Pferd verspannt<br />
und verkrampft sich, was mit der Zeit<br />
zu Kompensationsverhalten, zu einer Schonhaltung<br />
führt. Gangmuster und Muskulatur<br />
verändern sich.“ Zudem litten viele Pferde<br />
mit Rückenproblemen unter deutlichem Gewichtsverlust.<br />
Sie wirkten eckig und kantig<br />
trotz guten Futters. „Wenn Reiter oder Trainer<br />
hier nicht die Bremse ziehen, werden aus<br />
diesen Rückenproblemen sehr schnell Kissing<br />
Spines“, gibt unsere Expertin zu bedenken.<br />
„Man weiß, dass es je nach Intensität der<br />
fehlerhaften Arbeit schon innerhalb von 14<br />
Tagen zu periostalen Reaktionen, also Knochenhautreizungen,<br />
kommen kann.“<br />
Eine Frage der Muskulatur<br />
Werfen wir einen Blick auf die Anatomie und<br />
die Biomechanik des Pferdes. Eine wichtige<br />
Rolle in Bezug auf einen gesunden Bewegungsapparat<br />
spielt der lange Rückenmuskel.<br />
Pferde sind nicht dazu gemacht, Lasten<br />
zu tragen. Stellen Sie sich vor, Sie gingen auf<br />
allen Vieren und müssten auf einmal eine<br />
Stunde lang einen schweren Rucksack auf<br />
dem Rücken tragen. Wohlgemerkt bewegt<br />
sich dieser im Gegensatz zu einem Reiter<br />
nicht einmal. Ohne die entsprechende Muskulatur<br />
und Kraft würden Sie wahrscheinlich<br />
bald über Schmerzen klagen. Doch ein kurzer<br />
Gang ins Fitnessstudio würde nicht ausreichen,<br />
um den Belastungen standzuhalten.<br />
Ebenso braucht es Zeit, um den langen Rückenmuskel<br />
des Pferdes so aufzubauen, dass<br />
er weitestgehend stabil ist und seine Funktion<br />
beim Reiten übernehmen kann. Laut<br />
Anne Schmatelka sind drei Jahre korrekten<br />
Trainings nötig. Sie kritisiert: „Wenn man das