MeinPferd_04_2019

Was wurde aus …
… dem genialen
Springpferd Lianos?
Der Holsteiner sorgte mit drei verschiedenen Reitern im
internationalen Springsport für Begeisterung. Den größten
Erfolg erzielte sein letzter Reiter Rodrigo Pessoa, der
auf ihm 1998 zum jüngsten Weltmeister aller Zeiten wurde.
Ab 2004 begann für Lianos eine lange Rentnerzeit, die ihm
ein stolzes Alter von 32 Jahren bescherte
Fotos: IMAGO/ Pressefoto Baumann (1)/ Camera 4 (1)
M
an weiß nicht genau, ob es
eine spontane, instinktive
oder wohlüberlegte Entscheidung
war. Richtig war sie auf
jeden Fall. Der brasilianische Springreiter
Rodrigo Pessoa war 1998 gerade 25 Jahre
alt. Für die Verhältnisse im Spitzenreitsport
ist das tatsächlich ungewöhnlich jung. Sein
Hauptpferd war Tomboy, dessen Fähigkeiten
jedoch als etwas speziell galten.
Kurz zuvor, Ende 1997, hatte er außerdem
den Holsteiner Lianos übernommen. Die
beiden hatten also bis dato kaum Zeit, sich
aneinander zu gewöhnen. Trotzdem beschloss
Pessoa, Lianos mit zu den Weltreiterspielen
in Rom zu nehmen – und wurde
belohnt: Lianos machte ihn zum jüngsten
Weltmeister aller Zeiten.
Der braune Wallach von Landlord hatte
zu diesem Zeitpunkt schon eine beachtliche
Karriere hinter sich. Sein erster Reiter
Jos Lansink, der für Lianos’ damaligen
Besitzer Hans Horn ritt, gewann mit ihm
einige Turniere, darunter die Großen Preise
von s’Hertogenbosch und Zürich. Dann
jedoch wechselte Jos Lansink das Gestüt,
und Hans Horn verkaufte Lianos an den
Italiener Vittorio Orlandi, der ihn bis zum
Schluss behielt. Sein Landsmann Gianni
Govoni wurde als Reiter eingesetzt, bis
1997 schließlich Pessoa übernahm. In den
folgenden Jahren trugen die beiden – neben
der Weltmeisterschaft 1998 – zahlreiche
Siege nach Hause: 2000 und 2001 gewannen
sie u. a. den höchstdotierten Großen
Preis der Welt, die Calgary Masters, und
den Preis von Europa in Aachen. Parallel
dazu baute Pessoa sein zweites Erfolgspferd
auf: Baloubet du Rouet. Auf ihm wurde er
2004 Olympiasieger im Einzel.
Im selben Jahr wurde Lianos aus dem
Sport verabschiedet. Pessoa betonte in
Interviews später immer wieder, wie sehr
ihm das Pferd am Herzen lag. „Lianos
war ein unglaubliches Pferd, mit einem
fantastischen Charakter und
einem großen Herzen. Er
gab immer sein Bestes. Zu
Hause war er manchmal ein
bisschen faul, aber im Parcours
war er immer voll da“,
schwärmte er. Er erklärte
außerdem, der Wallach habe
sich auf großen, offenen
Plätzen am wohlsten gefühlt
und trotzdem immer
wieder auch in sehr kleinen
Springparcours gewonnen.
Nachdem mit den Turnieren Schluss war,
kehrte das Pferd zu seinem Besitzer Orlandi
zurück. Pessoa erzählte, wie glücklich das
Pferd mit seinem ruhigen Rentnerleben
war – offenbar so glücklich, dass es noch
fast 15 Jahre auf dem Gestüt verbrachte.
Anfang des Jahres postete Pessoa auf seinem
Instagram-
Account, Lianos
habe sich
einfach hingelegt
und sei
eingeschlafen.
In Interviews
gestand er, er
sei zwar traurig,
dass Lianos
gegangen sei, er
freue sich aber
für ihn, dass er
in Italien so ein
wundervolles
Leben auf der
Weide mit
einem Pferdefreund
gehabt
habe. „Ich habe
viele wertvolle
Erinnerungen
an ihn!“
Text: Julia
Schay-Beneke
Nach dem Sport
lebte Lianos noch
15 Jahre als Rentner
Rodrigo Pessoa
wurde dank Lianos
zum jüngsten Weltmeister
aller Zeiten
04/2019 www.mein-pferd.de 11