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atw - International Journal for Nuclear Power | 03.2023

Ever since its first issue in 1956, the atw – International Journal for Nuclear Power has been a publisher of specialist articles, background reports, interviews and news about developments and trends from all important sectors of nuclear energy, nuclear technology and the energy industry. Internationally current and competent, the professional journal atw is a valuable source of information. www.nucmag.com

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nucmag.com<br />

2023<br />

3<br />

ISSN · 1431-5254 (Print) | eISSN · 2940-6668 (Online)<br />

32.50 €<br />

Ist das Standortauswahlverfahren<br />

gescheitert?<br />

Der Realitätsschock<br />

Das Kernkraftwerk Isar 2 – Letzter<br />

Vorhang für einen Weltmeister<br />

Seit 67 Jahren<br />

im Dienste der Kerntechnik<br />

Genese, Status quo und Zukunft<br />

der Zwischenlagerung bestrahlter<br />

Brennelemente und hochradioaktiver<br />

Abfälle in Deutschland


INFORUM SEMINARE<br />

FOKUS: Kompaktkurs Praktischer Rückbau<br />

Vom Aktivitätsaufbau zur Dekontamination<br />

Zusammenfassung: Der Kompaktkurs bietet die praxisnahe Vermittlung von Fachkenntnissen über den<br />

Aufbau und die Bildung von Aktivitätsträgern/Kontaminanten aus dem bisherigen Kraftwerks-Leistungsbetrieb<br />

sowie über die zu deren Dekontamination etablierten und auch neueren Verfahren. Der Referent<br />

ist Radiochemiker mit langjähriger Berufserfahrung in der Nuklearindustrie. Der Kurs schließt mit einer<br />

Erfolgskontrolle ab.<br />

Im Einzelnen: Beim Rückbau geht es um die Minimierung der radioaktiven Abfallmengen. Dazu müssen<br />

die Kontaminanten entfernt werden, damit aus Rückbaustoffen möglichst dekontaminierte Wertstoffe<br />

werden. Die zur Dekontamination etablierten Verfahren werden mit differenziertem Blick auf galvanischchemische<br />

Prozesserfahrungen diskutiert und auch neue Laseranwendungen damit verglichen. Darüber<br />

hinaus wird in diesem Seminar über die kausalen und zielorientiert vorgenommenen Maßnahmen während<br />

des letzten Leistungsbetrieb-Jahrzehnts vor der Endabschaltung referiert.<br />

Die erzielten Erfolge zur Verbesserung der Anlagenradiologie werden in einer Art roter Faden beschrieben<br />

und belegt. Dieser Pfad führt zum Verständnis der immer aktueller werdenden Heraus<strong>for</strong>derungen im<br />

Rückbau. Er zeigt auf kurze und zielführende Lösungswege.<br />

Der Kurs wird zur Erfolgskontrolle mit einer Multiple-Choice-Prüfung abgeschlossen, er ist wesentlich<br />

für den Rückbau und leistet einen wichtigen Beitrag zum nuklearen Kompetenzerhalt!<br />

Seminarinhalte:<br />

• Woher kommt die Radioaktivität, wie liegt sie vor?<br />

• Aufbau DWR, SWR<br />

• Kernreaktionen, Nuklid-Freisetzung (Neutronen-Aktivierung, Spaltprodukte, Kernbrennstoffe)<br />

• Was ist CRUD, Ag-110m, Alphas?<br />

• Mobilisierung der Aktivität<br />

• BE-Defekt: Erkennung, Ablauf, Kinetik Austrag, Kontamination der Anlage am Beispiel des SWR<br />

• Maßnahmen zur Verbesserung der Kontaminationssituation bei Leistungs-/Restbetrieb<br />

• Vorbereitungen zum Rückbau: Prinzip der Full-System-Decontamination (FSD)<br />

• Dekont im Rückbau: Vergleich unterschiedlicher Oberflächen-Dekontaminationsverfahren<br />

• Funktionsprinzip: Elektropolieren, Abrasion, Laser-Ablation<br />

• Entsorgung, Arbeitsschutz, Strahlenschutz, Wirtschaftlichkeit<br />

Buchen Sie jetzt!<br />

Gabriele Wolf-Ganser | Geschäftsbereich Seminare<br />

Tel.: +49 1578 3025156 | E-Mail: seminare@kernd.de<br />

INFORUM Verlags- und Verwaltungsgesellschaft mbH<br />

Berliner Straße 88A, 13467 Berlin<br />

Tel.: +49 30 319 88 2 99 | www.kernd.de/kernd/seminare<br />

Heraus<strong>for</strong>derung für Generationen:<br />

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effektives Rückbau-Management.<br />

Mit wirkungsvollen Methoden<br />

bauen Sie ihr Know-how auf und<br />

tragen zum Erfolg bei.<br />

Termin<br />

20. – 21. September 2023<br />

Ablauf<br />

Tag 1: 10:00 – 17:30 Uhr<br />

Tag 2: 08:30 – 14:30 Uhr<br />

Ort<br />

Berlin<br />

(Präsenzseminar)<br />

Teilnahmegebühr<br />

1.400,– € zzgl. 19 % USt.<br />

Im Preis inbegriffen sind:<br />

• Seminarunterlagen<br />

• Teilnahmebescheinigung<br />

• Pausenverpflegung<br />

inkl. Mittagessen<br />

Referent<br />

Dipl.-Ing. Frank Klein<br />

Freiberuflicher und EU-zertifizierter<br />

Sachverständiger für Chemie und Radiochemie<br />

in Nuklear-Technik, Offingen/Donau<br />

Änderungen und Irrtümer vorbehalten. Stand: Mai 2023


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

Symptom und Ausdruck eines Niedergangs<br />

3<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

Der endgültige Vollzug des Ausstiegs aus der Kernenergie<br />

in Deutschland bietet die Gelegenheit, dieses Geschehen<br />

als gesellschaftliches Phänomen zu rekapitulieren. Am<br />

Anfang des politischen Ausstiegs stand eine jahrzehntelange,<br />

radikale und hochaggressive Stimmungsmache<br />

gegen die Kernenergie und die die Kraftwerke betreibenden<br />

Unternehmen. Es wollten diejenigen recht bekommen,<br />

die am lautesten schrien und die Öffentlichkeit<br />

hat ihnen schließlich recht gegeben. Dies geschah<br />

wohl in der Annahme – Fakten spielten im deutschen<br />

Kernenergiediskurs schon seit Tschernobyl kaum mehr<br />

eine Rolle – dass wer so lange so laut schreie, wohl ein<br />

wichtiges Anliegen haben müsse und nicht einfach eine<br />

Psychose haben könne. Diese Vorstellung fand ihren Reflex<br />

noch mehr als 10 Jahre später in der Behauptung, es<br />

würde durch den zweiten Ausstieg ein gesellschaftlicher<br />

Konflikt befriedet. Befriedet dadurch wohlgemerkt, dass<br />

eine leise Minderheit untergepflügt wurde und der Wille<br />

einer lauten Minderheit, die eine stimmungsgetriebene<br />

temporäre Mehrheit hatte, durchgesetzt wurde. Das Ziel<br />

war beim zweiten Atomausstieg die Debatte zu beenden<br />

– egal wie – im Geist einer Zeit in der Kontroversen als<br />

Anomalie galten und Alternativlosigkeit als politisches<br />

Prinzip etabliert wurde.<br />

Die so um das Thema geschaffene und im politischen<br />

Raum immer wieder bekräftigte und festgezurrte Grabesruhe<br />

bewirkte tatsächlich ein Abflauen der Aggression,<br />

wenn auch nicht der Verlogenheit und haltlosen<br />

Propaganda. Die Ruhe fand aber ihr Ende, als sich die<br />

Zeiten änderten, sich die energiewirtschaftliche Grundlage<br />

des Atomausstiegs in Form kostengünstigen und<br />

quasi unbegrenzt verfügbaren russischen Erdgases in<br />

Missfallen auflöste und die Wirklichkeit in die Wahrnehmung<br />

von Energiethemen diesseits der teleologischen<br />

Gewissheit des Himmelsreiches der erneuerbaren Energien<br />

eindrang. Nun aber zeigte das Prinzip der Alternativlosigkeit<br />

seine Wirkmächtigkeit. Obgleich alle Evidenz<br />

und vielfältige Expertenstimmen für zumindest eine moderat<br />

längere Nutzung der vorhandenen Kernkraftwerke<br />

gesprochen haben, obwohl die Diskussion seit Ende Februar<br />

2022 nicht mehr abflaute und trotz eines wahrhaft<br />

erstaunlichen Sinneswandels der Bevölkerung wie er in<br />

Umfragen zum Ausdruck kam, wurde der Ausstieg mit<br />

einer kleinen Modifikation als politischem Trostpflaster<br />

durchgezogen. Unbeirrt von den unweigerlich durch die<br />

Abschaltung der Kernkraftwerke steigenden CO 2 -Emissionen,<br />

der preistreibenden Wirkung der Einschränkung<br />

des Stromangebots oder den <strong>for</strong>tbestehenden Fragezeichen<br />

hinsichtlich der mittelfristigen Versorgungssicherheit<br />

wurde von den Protagonisten des Atomausstiegs und<br />

ihren politischen Nachfolgern starrsinnig das Festhalten<br />

am einmal eingeschlagenen Weg kategorisch einge<strong>for</strong>dert.<br />

Erfindungsreichtum kein Akt höherer Vernunft, sondern<br />

eine Verweigerung menschlicher Entwicklung, ein Scheitern<br />

in und an der modernen Welt. Die Vollendung des<br />

Atomausstieges ist kurz gefasst ein ultimativer Triumph<br />

der Dummheit und des Unvermögens oder Unwillens<br />

sich mit komplexen Sachverhalten zu befassen und vernunftgesteuerte<br />

Abwägungsentscheidungen vor emotionale<br />

Kurzschlüsse zu setzen. Dass es am Ende nicht einmal<br />

die gerne als wankelmütig gescholtene öffentliche<br />

Meinung war, sondern das politische System, dass darin<br />

versagt hat, noch einmal zu einer zweckmäßigen und<br />

nutzenbringenden Politik zurückzufinden, verheißt für<br />

Deutschland nichts Gutes.<br />

Die einst imaginierte Vorbildwirkung der deutschen<br />

Ausstiegspolitik jedenfalls hat sich in den vergangenen<br />

14 Monaten endgültig verflüchtigt. Unter den oben geschilderten<br />

Umständen überrascht es nicht, dass niemand<br />

mehr diesem Weg der Selbstverzwergung und des<br />

Niedergangs folgen will, sondern mit einer Mischung<br />

aus Verwunderung und Entsetzen, manchmal sogar<br />

Verachtung auf den deutschen Weg blickt und sich abwendet.<br />

Die endgültige Delegitimierung der deutschen<br />

Kernenergiepolitik im Ausland hat aber auch ihr Gutes:<br />

Sie steht nun dem Wiedererstarken der Kerntechnik in<br />

vielen Nationen nicht mehr im Weg. Dies tat sie eine Zeitlang<br />

durchaus, denn auch andere Länder haben mit der<br />

Versuchung der Regression geliebäugelt. Nun aber ist fast<br />

überall klar, dass kein ernsthafter Akteur der deutschen<br />

Energie- und Wirtschaftspolitik folgen sollte und dies<br />

wird schon in umfangreiche Planungen zugunsten der<br />

Kernenergie umgesetzt. Was an der deutschen Energiewende<br />

als nützlich erachtet wurde – der Ausbau und ein<br />

größerer Beitrag erneuerbarer Energien zum Energiemix<br />

– wird übernommen, was sich als untauglich erwiesen hat<br />

wie der Atomausstieg wird auf die Seite geschoben. Für<br />

die Kerntechnikstandorte in Deutschland geht deshalb<br />

das Leben weiter und die Perspektiven sind sogar recht<br />

gut, denn die kerntechnische Branche hat den Abschied<br />

von Deutschland und die Orientierung auf die Welt schon<br />

hinter sich, anders als viele andere Wirtschaftszweige,<br />

die nun existenziell bedroht sind und absehbar deutlich<br />

schrumpfen werden oder dies bereits tun.<br />

Für die Befürworter der Kernenergie gilt es, weiter für<br />

diese Errungenschaft der Menschheit zu streiten, und die<br />

eigene Überzeugung und Leidenschaft möglichst gut an<br />

interessierte und begabte junge Menschen weiter zu geben,<br />

damit nicht in Vergessenheit gerät, was der menschliche<br />

Geist, was die Vernunft erreichen kann. Denn auch<br />

kommende Generationen sollen davon profitieren und<br />

nicht nur staunend vor der Tatkraft und den Fertigkeiten<br />

der Ahnen stehen müssen.<br />

EDITORIAL<br />

In gewissen Kreisen gilt der Verzicht auf die Nutzung der<br />

Kernenergie, der Verzicht auf die kontrollierte Kernspaltung<br />

als höchster Ausdruck menschlicher Selbstbescheidung<br />

und Vernunft. Tatsächlich aber ist dieser Rückzug,<br />

diese Regression, die Verneinung von Schaffenskraft und<br />

Nicolas Wendler<br />

– Chefredakteur –<br />

Editorial<br />

Seit 67 Jahren


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

Inhalt<br />

4<br />

CONTENTS<br />

Ausgabe 3<br />

2023<br />

Mai<br />

Editorial<br />

Symptom und Ausdruck eines Niedergangs . . . . . . . . . . . . . . . .3<br />

Nicolas Wendler<br />

Did you know? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5<br />

Kalender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6<br />

Feature | Decommissioning and Waste Management<br />

Ist das Standortauswahlverfahren gescheitert?<br />

Der Realitätsschock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7<br />

Bruno Thomauske<br />

Site Spotlight<br />

Das Kernkraftwerk Isar 2 –<br />

Letzter Vorhang für einen Weltmeister . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Genese, Status quo und Zukunft der Zwischenlagerung<br />

bestrahlter Brennelemente und hochradioaktiver Abfälle<br />

in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

Nicolas Wendler<br />

Spotlight on <strong>Nuclear</strong> Law<br />

50-jähriges Jubiläum der <strong>International</strong> <strong>Nuclear</strong> Law Association –<br />

Rückblick und Bericht über die 24. INLA-Tagung . . . . . . . . . . . . 38<br />

Ulrike Feldmann<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Radioactive Waste between long-term Interim Storage<br />

and Site Selection . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />

Marcos Buser, Walter Wildi<br />

At a Glance<br />

ANDRA – Einreichung des Genehmigungsantrags<br />

zur Errichtung des Projekts Cigéo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

A Practical Approach to Asphyxiation Assessments<br />

in the <strong>Nuclear</strong> Industry . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />

Howard Chapman, Stephen Lawton, Alison Graham<br />

KTG – Fachinfo. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70<br />

Vor 66 Jahren<br />

Steuerung von Kernreaktoren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74<br />

Cover:<br />

Zwischenlager Oskarshamn<br />

Copyright: SKB<br />

Fotograf: Curt-Robert Lindqvist<br />

Aus den Unternehmen<br />

• „Iqony“ bündelt künftig das Wachstumsgeschäft von STEAG<br />

• Interview mit „Iqony“ Managing Director Norbert Schröder. . . 78<br />

KTG Inside . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />

Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />

Inhalt


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

Did you know?<br />

Flächenbedarf der Stromerzeugung und deren weltweite Entwicklung bis 2050<br />

Die als scientific report auf Nature online im Dezember 2022<br />

publizierte Studie „Spatial energy density of large‐scale electricity<br />

generation from power sources worldwide” von Jonas<br />

Kristiansen Nøland et al. befasst sich mit dem Flächenbedarf<br />

von Stromerzeugungsarten im Bereich erneuerbare Energien<br />

sowie von Kernkraft und Stromerzeugung mit Erdgas.<br />

Die Studie verwendet als Metrik die jahresdurchschnittliche<br />

Stromerzeugung pro Quadratkilometer Flächenbedarf der<br />

unterschiedlichen Erzeugungstechnologien und beruht auf<br />

den Daten von 870 tatsächlichen Erzeugungsanlagen weltweit,<br />

darunter 159 Kernkraftwerke. Bei der Kernenergie wird dabei<br />

der Sicherheitsperimeter der Anlagen eingeschlossen sowie<br />

die Einrichtungen zur Brennstoff- und Abfallhandhabung, d. h.<br />

insbesondere Standortzwischenlager und Abfalllager. Bei der<br />

Wasserkraft wird die Reservoir- und Anlagenfläche berücksichtigt.<br />

Bei der Windkraft wird auf die Fläche des Windparks<br />

Bezug genommen. Bei Beschränkung auf die Windkraftanlagen<br />

selbst und die Zufahrtswege wäre der Platzbedarf ca. eine<br />

Zehnerpotenz niedriger. Da aber für die Standortauswahl und<br />

verschiedene Aspekte wie Lärmbelastung, Schattenwurf, Landschaftsverbrauch<br />

und Auswirkungen auf die Biodiversität die<br />

Windparkfläche maßgeblich ist, haben sich die Autoren trotz<br />

der Möglichkeit landwirtschaftlicher Nutzung zwischen den<br />

Anlagen innerhalb des Windparks für die Windparkfläche als<br />

Bezugsgröße entschieden.<br />

Auf Grundlage ihrer Berechnungen gehen die Autoren davon<br />

aus, dass aktuell weltweit rund 0,5 Prozent der Landfläche für<br />

die Stromerzeugung benötigt werden. Unter der Annahme,<br />

dass die Stromerzeugung bis 2050 um Faktor 2,6 von 26.800<br />

TWh in 2020 auf 71.000 TWh in 2050 wächst und ein deutlich<br />

höherer Anteil flächenintensiver erneuerbarer Energien dafür<br />

genutzt wird, gehen die Autoren davon aus, dass 2050 sechsmal<br />

soviel Fläche oder drei Prozent der weltweiten Landfläche<br />

120<br />

100<br />

80<br />

UNECE<br />

Noland et al.<br />

Flächenbedarf pro TWh durchschnittlicher<br />

jährlicher Stromerzeugung in Quadratkilometer<br />

für die Stromerzeugung benötigt werden. Dieser Flächenbedarf<br />

von rund 4,5 Millionen Quadratkilometern ist erheblich und<br />

entspricht der gesamten Fläche der EU oder dem dreifachen der<br />

Fläche aller Städte der Welt. Im Vergleich zwischen der Kernkraft<br />

und der Windkraft an Land und auf See ergibt sich ein 350-fach<br />

größerer Flächenbedarf für Windkraft an Land und ein 130-fach<br />

höherer Bedarf für Windkraft offshore. Großflächensolaranlagen<br />

benötigen rund 75-mal soviel Fläche wie Kernkraftwerke<br />

für dieselbe Menge erzeugten Stroms, mehr als dreimal soviel<br />

wie (Speicher-)Wasserkraftwerke. Dabei betrachtet die Studie<br />

globale Mittelwerte, was insbesondere bei Windkraft an Land<br />

und bei Großflächen-PV zu einer Unterschätzung des Flächenbedarfs<br />

gegenüber den Verhältnissen in Deutschland führt. Die<br />

Studie kalkuliert mit 34 Prozent Arbeitsausnutzung bei Windkraft<br />

an Land, 44,3 Prozent bei Windkraft auf See, 14,3 Prozent<br />

bei Fotovoltaik und 81 Prozent bei Kernenergie. Die deutschen<br />

Vergleichswerte liegen bei Windkraft an Land bei rund 20 Prozent,<br />

Windkraft offshore rund 39 Prozent, Fotovoltaik etwa 11<br />

Prozent und Kernenergie 90 Prozent. Der Flächenbedarf für<br />

Windkraft an Land beträgt dementsprechend im deutschen<br />

Durchschnitt das 660-fache des Flächenbedarfs der Kernkraft,<br />

bei der Großflächenfotovoltaik ist es der Faktor 110.<br />

In der untenstehenden Grafik ist die Darstellung aus Gründen<br />

der Anschaulichkeit gegenüber der Metrik der Studie invertiert.<br />

Es ist also der Flächenbedarf in Quadratkilometern für die jährliche<br />

Erzeugung einer Terawattstunde Strom aufgetragen und<br />

nicht die Stromerzeugung in TWh pro Quadratkilometer verbrauchter<br />

Fläche.<br />

Wie in der Studie sind als Vergleich die Daten der Lebenszyklusanalyse<br />

verschiedener Stromerzeugungsarten der United<br />

Nations Economic Commission <strong>for</strong> Europe (UNECE) aus dem<br />

Jahr 2022 dargestellt.<br />

100<br />

DID YOU EDITORIAL KNOW? 5<br />

60<br />

52,6<br />

40<br />

20<br />

0<br />

22,2<br />

23,3<br />

19,4<br />

14,1<br />

15,9<br />

11,5<br />

0,3 0,15 1<br />

3,38<br />

5,62<br />

0,3<br />

Kernenergie Erdgas Wasserkraft Solar CSP Solar PV Geothermie Wind offshore Wind an Land<br />

Quelle: Spatial energy<br />

density of large‐scale<br />

electricity generation from<br />

power sources worldwide,<br />

Jonas Kristiansen Nøland<br />

et al. scientific reports,<br />

www.nature.com/scientific<br />

reports<br />

Did you know?


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

Kalender<br />

CALENDAR 6<br />

2023<br />

04.05 – 05.05.2023<br />

SMR & Advanced Reactors 2023.<br />

Reuters Events, Atlanta, USA<br />

https://events.reutersevents.com/nuclear/smr-usa<br />

08.05 – 10.05.2023<br />

World Utilities Congress.<br />

dmg events, Abu Dhabi, UAE<br />

https://www.worldutilitiescongress.com/<br />

08.05 – 12.05.2023<br />

URAM-2023 – Intern. Symposium on Uranium<br />

Raw Material <strong>for</strong> the <strong>Nuclear</strong> Fuel Cycle.<br />

IAEA, Vienna, Austria<br />

https://www.iaea.org/events/uram-2023<br />

08.05. – 12.05.2023<br />

ENYGF 2023 – European <strong>Nuclear</strong> Young<br />

Generation Forum.<br />

ENS, Krakow, Poland. https://enygf.org/<br />

15.05. – 17.05.2023<br />

<strong>Nuclear</strong> Energy Assembly.<br />

NEI, Washington, DC, USA<br />

https://www.nei.org/conferences/nuclear-energyassembly<br />

15.05. – 19.05.2023<br />

<strong>International</strong> Conference on <strong>Nuclear</strong><br />

Decommissioning: Addressing the Past and<br />

Ensuring the Future.<br />

IAEA, Vienna, Austria<br />

https://www.iaea.org/events/decom2023<br />

06.06. – 07.06.2023<br />

Energy Exports Conference 2023.<br />

P&J Live, Aberdeen, Scottland<br />

https://www.the-eic.com/EEC2023<br />

11.06. – 14.06.2023<br />

2023 American <strong>Nuclear</strong> Society Annual Meeting.<br />

ANS, Indianapolis, IN, USA<br />

www.ans.org/meetings/am2023/<br />

11.06. – 15.06.2023<br />

PATRAM2022.<br />

World <strong>Nuclear</strong> Transport Institute (WNTI)<br />

and partners, Antibes, France. www.patram.org<br />

13.06. – 14.06.2023<br />

10. Symposium Stilllegung und Abbau<br />

kerntechnischer Anlagen.<br />

TÜV NORD, Laatzen, Germany<br />

https://www.tuev-nord.de/de/unternehmen/<br />

veranstaltung/details/bildung/symposium-stilllegung-und-abbau-kerntechnischer-anlagen/<br />

13.06. – 15.06.2023<br />

KERNTec 2023 – Scientific Days.<br />

KernD & KTG, Frankfurt am Main, Germany<br />

https://www.kerntechnik.com/kerntechnik/<br />

kerntec-2023/<br />

14.06.2023<br />

ANT 2023 – Advanced <strong>Nuclear</strong> Technologies.<br />

NIA, Altrincham, UK<br />

https://ant2023.co.uk/advanced-nuclear-technologies-event<br />

18.06. – 22.06.2023<br />

IGORR Conference – <strong>International</strong> Group on<br />

Research Reactors.<br />

IGORR/RRFM, The University of Maryland in College<br />

Park, MD, USA<br />

https://www.igorr.com/<br />

21.06. – 22.06.2023<br />

<strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> Plants Expo & Summit.<br />

NPPES, Istanbul, Turkey<br />

https://www.nuclearpowerplantsexpo.com<br />

27.06. – 29.06.2023<br />

NDE in <strong>Nuclear</strong> 2023.<br />

SNETP, Sheffield, UK<br />

https://snetp.eu/event/nde-in-nuclear-2023/<br />

15.07. – 20.07.2023<br />

13th <strong>Nuclear</strong> Plant Instrumentation, Control &<br />

Human-Machine Interface Technologies (NPIC&<br />

HMIT 2023)/18th <strong>International</strong> Probabilistic<br />

Safety Assessment and Analysis (PSA 2023).<br />

NPIC & HMIT 2023 and PSA 2023 Co-Located<br />

Meetings Knoxville, TN, USA<br />

https://www.ans.org/meetings/npic13psa2023/<br />

18.07. – 21.07.2023<br />

TopFuel2023.<br />

Chinese <strong>Nuclear</strong> Society, Xi‘an, China<br />

http://wrfpm2023.org.cn/<br />

20.08. – 25.08.2023<br />

NURETH-20 – 20th <strong>International</strong><br />

Topical Meeting on <strong>Nuclear</strong> Reactor<br />

Thermal Hydraulics.<br />

ANS, Washington DC, USA<br />

https://www.euronuclear.org/project/nureth-<br />

20-august-2023-washington-usa/<br />

30.08. – 01.09.2023<br />

KONTEC 2023.<br />

DKM Janet Scherping, Dresden, Germany<br />

www.kontec-symposium.com<br />

05.09. – 06.09.2023<br />

10. Symposium Lagerung und Transport<br />

radioaktiver Stoffe.<br />

TÜV NORD, Hannover, Germany<br />

https://www.tuev-nord.de/de/unternehmen/<br />

veranstaltung/details/bildung/symposium-lagerung-und-transport-radioaktiver-stoffe/<br />

10.09. – 15.09.2023<br />

MT-28 – <strong>International</strong> Conference on Magnet<br />

Technology.<br />

CEA/ITER, Aix-en-Provence, France<br />

https://mt28.aoscongres.com/home!en<br />

11.09. – 14.09.2023<br />

NENE 2023 – <strong>Nuclear</strong> Energy <strong>for</strong> New Europe.<br />

<strong>Nuclear</strong> Society of Slovenia, Portorož, Slovenia<br />

https://www.djs.si/nene2023<br />

20.09. – 22.09.2023<br />

NUTECH 2023.<br />

AGH University of Science and Technology,<br />

Krakow, Poland<br />

http://nutech-2023.agh.edu.pl/<br />

25.09. – 29.09.2023<br />

NPC 2023 – <strong>International</strong> Conference<br />

on <strong>Nuclear</strong> Plant Chemistry.<br />

SFEN, Antibes, France<br />

https://www.nuclearinst.com/events/sfen-npc-<br />

2023-international-conference-on-nuclear-plantchemistry/15571<br />

03.10. – 06.10.2023<br />

ICEM 2023 – <strong>International</strong> Conference<br />

on Environmental Remediation &<br />

Radioactive Waste Management.<br />

ASME, Stuttgart, Germany<br />

https://event.asme.org/ICEM<br />

16.10. – 21.10.2023<br />

FEC 2023 – 29th IAEA Fusion Energy<br />

Conference.<br />

IAEA, London, UK<br />

https://www.iaea.org/events/fec2023<br />

12.11. – 15.11.2023<br />

2023 ANS Winter Meeting and<br />

Technology Expo.<br />

ANS, Washington D.C., USA<br />

https://www.ans.org/meetings/wm2023/<br />

13.11. – 16.11.2022<br />

ICOND 2023.<br />

Aachen Institute <strong>for</strong> <strong>Nuclear</strong> Training,<br />

Aachen, Germany. www.icond.de<br />

27.11. – 01.12.2023<br />

<strong>International</strong> Conference on Research Reactors:<br />

Achievements, Experience and the Way to a<br />

Sustainable Future.<br />

IAEA, Dead Sea, Jordan<br />

https://www.iaea.org/events/conference-on-research-reactors-2023<br />

28.11. – 30.11.2023<br />

World <strong>Nuclear</strong> Exhibition.<br />

Paris Nord Villepinte - Hall 7, France<br />

www.world-nuclear-exhibition.com<br />

06.09. – 08.09.2023<br />

World <strong>Nuclear</strong> Symposium 2023.<br />

World <strong>Nuclear</strong> Association, London, UK<br />

https://www.wna-symposium.org<br />

07.02. – 09.02.2024<br />

World <strong>Nuclear</strong> Exhibition.<br />

Paris Nord Villepinte - Hall 7, France<br />

www.world-nuclear-exhibition.com<br />

This is not a full list and may be subject to change.<br />

Calendar


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

Ist das Standortauswahlverfahren<br />

gescheitert? Auswahl von Endlagerstandorten<br />

für hochradioaktive<br />

wärmeentwickelnde Abfälle<br />

Bruno Thomauske<br />

Der Realitätsschock: Ursachenanalyse, Schlussfolgerungen und Konsequenzen<br />

Die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle wird sehr viel länger dauern als bisher erwartet.<br />

Dies hat allenthalben zu schockartigen Reaktionen geführt. Was die Ursachen für diese dramatische<br />

zeitliche Verschiebung sind und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind, ist Gegenstand dieser Ausarbeitung.<br />

Einleitung und Zielstellung<br />

Gemäß StandAG 1<br />

soll in einem partizipativen,<br />

wissenschaftsbasierten, transparenten, selbsthinterfragenden<br />

und lernenden Verfahren für die<br />

im Inland verursachten hochradioaktiven Abfälle<br />

ein Standort mit der bestmöglichen Sicherheit<br />

für eine Anlage zur Endlagerung nach § 9a Absatz<br />

3 Satz 1 des Atomgesetzes in der Bundesrepublik<br />

Deutschland ermittelt werden. Der Standort mit der<br />

bestmöglichen Sicherheit ist derjenige, der im Zuge<br />

eines vergleichenden Verfahrens bestimmt wird und<br />

die bestmögliche Sicherheit für den dauerhaften<br />

Schutz von Mensch und Umwelt vor ionisierender<br />

Strahlung und sonstigen schädlichen Wirkungen<br />

dieser Abfälle für einen Zeitraum von einer Million<br />

Jahren gewährleistet. Dazu gehört auch die Vermeidung<br />

unzumutbarer Lasten und Verpflichtungen für<br />

zukünftige Generationen. Die Festlegung des Standortes<br />

wird für das Jahr 2031 angestrebt.<br />

Mit der Festlegung des Gesetzgebers, einen Endlagerstandort,<br />

der die bestmögliche Sicherheit für den<br />

dauerhaften Einschluss der Schadstoffe für 1 Million<br />

Jahre gewährleisten soll, in einem komparativen<br />

Verfahren zu ermitteln, besitzt die Bundesrepublik<br />

Deutschland ein Alleinstellungsmerkmal. Alle anderen<br />

Nationen, die sich auf den Weg begeben haben,<br />

ein Endlager einzurichten, beschränken sich auf<br />

einen geeigneten Standort und <strong>for</strong>mulieren nicht<br />

den Anspruch, auf ihrem Territorium einen Standort<br />

mit der bestmöglichen Sicherheit zu identifizieren.<br />

Dabei ist die Frage bislang nicht beantwortet, ob<br />

dieser Anspruch nicht auf eine unmögliche Leistung<br />

gerichtet ist bzw. ob ein solcher Anspruch überhaupt<br />

objektivierbar erfüllbar ist. Es ist auch nicht geklärt,<br />

anhand welcher Kriterien wirtsgesteinsübergreifend<br />

ein solcher Vergleich erfolgen kann, falls er<br />

überhaupt möglich ist.<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 7<br />

Das StandAG statuiert vier zentrale Ziele:<br />

1. Es soll ein Standort mit bestmöglicher Sicherheit<br />

für eine Anlage zur Endlagerung in der Bundesrepublik<br />

Deutschland ermittelt werden.<br />

2. Der Standort mit der bestmöglichen Sicherheit<br />

ist der Standort, der im Zuge eines vergleichenden<br />

Verfahrens bestimmt wird (komparatives<br />

Verfahren).<br />

3. Die Festlegung des Standortes wird für das Jahr<br />

2031 angestrebt.<br />

4. Vermeidung unzumutbarer Lasten und Verpflichtungen<br />

für zukünftige Generationen.<br />

Im Dezember 2022 hat die Bundesgesellschaft für<br />

Endlagerung (BGE) eine zeitliche Betrachtung des<br />

Standortauswahlverfahrens auf Grundlage einer<br />

Rahmenterminplanung 2<br />

bzw. einer Abschätzung<br />

vorgelegt. Darin kommt die BGE zu dem Ergebnis,<br />

dass das Standortauswahlverfahren nicht zu dem<br />

gesetzlich angestrebten Ziel 2031, sondern frühestens<br />

2068 abgeschlossen werden kann. Nicht<br />

berücksichtigt sind hierbei die Zeiträume für die<br />

gesetzlich vorgesehenen Beteiligungsverfahren,<br />

für die Überprüfungen durch das Bundesamt für<br />

die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE),<br />

die Prüfungen durch das Bundesministerium für<br />

1 Standortauswahlgesetz (StandAG), Standortauswahlgesetz vom 5. Mai 2017 (BGBl. I S. 1074), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 7. Dezember 2020 (BGBl. I<br />

S. 2760) geändert worden ist.<br />

2 Zeitliche Betrachtung des Standortauswahlverfahrens aus Sicht der BGE, Rahmenterminplanung für Schritt 2 der Phase I bis zum Vorschlag der der Standortregionen<br />

und zeitliche Abschätzung für Phase II und III, BGE, Stand 16.12.2022.<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Ist das Standortauswahlverfahren gescheitert? – Der Realitätsschock ı Bruno Thomauske


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 8<br />

Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz<br />

(BMUV), für die Erarbeitung und<br />

Einholung der Stellungnahmen seitens des Nationalen<br />

Begleitgremiums (NBG), die parlamentarischen<br />

Befassungen und die Gesetzgebungsverfahren<br />

sowie die gerichtlichen Überprüfungen.<br />

Eine von BGE angegebene zweite Variante kommt<br />

zu einem deutlich früheren Verfahrensabschluss im<br />

Jahr 2048. Bei dieser Variante, die für die Erkundung<br />

im Wesentlichen seismische Untersuchungen<br />

und (abgelenkte) Bohrungen vorsieht, hat die BGE<br />

nicht berücksichtigt, dass hierfür in anderen Ländern<br />

eine vorlaufende oder parallele Einrichtung<br />

eines Untertagelabors erfolgt, was den zeitlichen<br />

Vorteil dann kompensiert.<br />

Dies bedeutet, dass nunmehr von einer dramatischen<br />

zeitlichen Verschiebung auszugehen ist. Die<br />

Verfahrensdauer wird sich nicht um einige Jahre,<br />

sondern um mehrere Jahrzehnte und damit um ein<br />

Vielfaches verlängern. Der damit verbundene Realitätsschock<br />

ist allenthalben vernehmbar. Alle neben<br />

der BGE in dem Prozess Verantwortung tragenden<br />

Institutionen zeigen sich überrascht, gar schockiert<br />

oder an der Nase herumgeführt. 3 Gegenstand dieser<br />

Ausarbeitung ist eine Bewertung des vorgelegten<br />

Rahmenterminplans der BGE, eine Analyse, welche<br />

Gründe für die zeitliche Verschiebung ursächlich<br />

sind, welche weiteren Risiken im Verfahren mit Auswirkungen<br />

auf die Zeitplanung bestehen, ob diese<br />

zeitliche Verschiebung nicht erwartbar war und<br />

wenn ja, ob sie von BGE, NBG, BASE und BMUV<br />

nicht hätte früher thematisiert werden müssen. Zu<br />

hinterfragen ist auch, ob diese Institutionen nichts<br />

von der zeitlichen Verschiebung ahnten oder gar von<br />

dieser wussten.<br />

Auch muss die Frage nach einem Verlust der Glaubwürdigkeit<br />

der im Verfahren beteiligten Firmen/<br />

Institutionen sowie des Vertrauens in den Standortauswahlprozess<br />

gestellt werden. Am Ende ist<br />

die Frage aufzuwerfen, ob das Standortauswahlverfahren<br />

in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung<br />

durchführbar ist, welche Schlussfolgerung aus dem<br />

bisherigen Verfahren und welche Konsequenzen für<br />

den weiteren Prozess aus diesem nun vorliegenden<br />

Ergebnis zu ziehen sind.<br />

Hierzu bedarf es einer Analyse, welche Bedeutung<br />

der dramatischen zeitlichen Differenz zwischen<br />

der Sollvorschrift des StandAG und der erheblichen<br />

zeitlichen Verschiebung zukommt. Auch das Verhalten<br />

der verschiedenen Akteure im Vorfeld und nach<br />

der Veröffentlichung der zeitlichen Verschiebung<br />

bedarf einer genaueren Betrachtung, berührt dieses<br />

ja auch die Frage von deren Glaubwürdigkeit und<br />

damit des Vertrauens in den Gesamtprozess sowie in<br />

die das Verfahren tragenden Institutionen.<br />

Die Frage geht aber noch tiefer, da offen diskutiert<br />

werden muss, ob die Zielsetzung, mittels<br />

eines komparativen Ansatzes den Standort mit der<br />

bestmöglichen Sicherheit für eine Anlage zur Endlagerung<br />

nach § 9a Absatz 3 Satz 1 des Atomgesetzes in<br />

der Bundesrepublik Deutschland zu ermitteln, überhaupt<br />

erfüllbar ist oder ob sich die Bundesrepublik<br />

mit diesem Prozess überhoben hat.<br />

Das Standortauswahlverfahren –<br />

ein Blick in die Entwicklungsgeschichte<br />

Seit 1979 wurde der Salzstock Gorleben in Niedersachsen<br />

auf seine Eignung als Endlager für alle Arten<br />

radioaktiver Abfälle, insbesondere der wärmeentwickelnden<br />

hochradioaktiven Abfallstoffe, untersucht.<br />

Von der CDU-geführten Bundesregierung wurde die<br />

Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe<br />

(BGR) beauftragt, für den Fall einer Nichteignung<br />

des Salzstockes Gorleben Formationen im Nichtsalinar<br />

(1994), Salz (1995) und Ton (2007) zu<br />

untersuchen und zu bewerten.<br />

Die Erkundung des Salzstockes Gorleben wurde am<br />

01. Oktober 2000 in Folge einer Vereinbarung zwischen<br />

der Rot/Grünen-Bundesregierung und den<br />

Energieerzeugungsunternehmen für mindestens<br />

3 bis maximal 10 Jahre zur Klärung von sogenannten<br />

Zweifelsfragen unterbrochen (Gorleben<br />

Moratorium). Im Februar 1999 hat der damalige<br />

Umweltminister Trittin zur Entwicklung eines<br />

Verfahrens und von Kriterien zur Suche und Vorauswahl<br />

von Standorten zur sicheren Endlagerung<br />

den Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte<br />

(AkEnd) eingerichtet. Dieser Arbeitskreis hat<br />

seinen Abschlussbericht 4 im Dezember 2002 vorgelegt.<br />

Zielstellung des AkEnd war, kriteriengesteuert<br />

den unter Vorauswahlgesichtspunkten relativ besten<br />

Standort in Deutschland in einem vergleichenden<br />

Verfahren auszuwählen. Standorte mit ungenügender<br />

Datengrundlage sollten zurückgestellt werden.<br />

Es ist zu beachten, dass der unter Vorauswahlgesichtspunkten<br />

relativ beste Standort nicht der unter<br />

Eignungskriterien beste Standort sein muss. 5<br />

3 69. Sitzung des Nationalen Begleitgremiums vom 09.12.2022, Hotel Rossi, Berlin, Livestream auf dem YouTube-Kanal des NBG.<br />

4 Auswahlverfahren für Endlagerstandorte. Empfehlungen des AkEnd-Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte, Dezember 2002.<br />

5 B. Thomauske, Wege zur Endlagerung radioaktiver Abfälle in der Bundesrepublik Deutschland. Wird die Verantwortung auf zukünftige Generationen verschoben?<br />

<strong>atw</strong> 49. Jg. (2004) Heft 4 – April.<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Ist das Standortauswahlverfahren gescheitert? – Der Realitätsschock ı Bruno Thomauske


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

Der Ausstieg aus der Kernenergie in der Bundesrepublik<br />

Deutschland im Jahre 2011 hat aus Sicht<br />

der politischen Parteien SPD/CDU/CSU/FDP und<br />

BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN zu einer gewissen politischen<br />

Befriedung geführt. Daraus abgeleitet gab<br />

es Überlegungen, auch das Konfliktthema Endlagerung<br />

zu befrieden.<br />

Den Anstoß für einen Neubeginn der Suche für ein<br />

Endlager für hochradioaktive wärmeentwickelnde<br />

Abfälle gab im Jahr 2011 das Umweltministerium<br />

des Landes Baden-Württemberg. 6 Nach einem intensiven<br />

politischen Diskussionsprozess wurde das<br />

Zeitfenster politischer Übereinstimmung in dieser<br />

Frage genutzt und im Jahr 2013 die erste Version<br />

des Standortauswahlgesetzes 7<br />

verabschiedet.<br />

Gegenstand war die Identifizierung eines Endlagerstandorts,<br />

der die bestmögliche Sicherheit für den<br />

dauerhaften Einschluss der Schadstoffe für 1 Million<br />

Jahre gewährleistet, in einem komparativen Verfahren<br />

bis zum Jahr 2031. Dies stellte die zentrale<br />

An<strong>for</strong>derung des StandAG dar. Es beinhaltet darüber<br />

hinaus, dass vor das eigentliche Verfahren zur Durchführung<br />

der Standortauswahl eine Kommission<br />

eingesetzt werde mit der Aufgabe, das neue Gesetz<br />

zu evaluieren. Die Kommission hatte zur Aufgabe,<br />

einen Bericht zu erarbeiten, der auf sämtliche entscheidungserheblichen<br />

Fragestellungen eingeht, das<br />

Gesetz einer Prüfung unterzieht und Bundestag und<br />

Bundesrat entsprechende Handlungsempfehlungen<br />

unterbreitet. Der Abschlussbericht 8 der Kommission<br />

wurde nach einer zweijährigen Erarbeitungsphase im<br />

Juli 2016 vorgelegt und Bundestag/Bundesrat übergeben.<br />

Hinsichtlich des er<strong>for</strong>derlichen Zeitrahmens<br />

für den Standortauswahlprozess kam die Endlagerkommission<br />

zu dem Ergebnis, dass das Jahr 2031<br />

zwar nicht erreichbar sei, aber Anstrengungen unternommen<br />

werden sollten, ohne Beeinträchtigung<br />

der Sicherheit den Zeitrahmen zu begrenzen. Auf<br />

der Grundlage des Kommissionsberichts 7 erfolgte<br />

dann die Novellierung des Standortauswahlgesetzes<br />

im Mai 2017. 9 Daneben bedurfte es zudem eines<br />

Gesetzes zur Neuordnung der Organisationsstruktur<br />

im Bereich der Endlagerung 10 vom 26. Juli 2016. Die<br />

Gründung der relevanten Institutionen erfolgte im<br />

Juli 2016 (BGE) und November 2016 (NBG). Bereits<br />

im September 2014 war das BASE eingerichtet worden.<br />

Die BGE hat die Arbeiten zur Standortsuche am<br />

5. September 2017 aufgenommen.<br />

Wie in dem Zwischenbericht Teilgebiete vom 28.<br />

September 2020 der Bundesgesellschaft für Endlagerung<br />

mbH (BGE) ausgeführt, war der Salzstock<br />

Gorleben aus geologischen Gründen aus der weiteren<br />

Endlagersuche ausgeschieden. Er ist nach<br />

Anwendung der geowissenschaftlichen Abwägungskriterien<br />

gemäß § 24 StandAG kein Teilgebiet<br />

geworden. Am 17. September 2021 hat das Bundesumweltministerium<br />

(BMU) entschieden, die BGE<br />

mit der Stilllegung des Bergwerks zu beauftragen.<br />

Zeitbedarf für das<br />

Standortauswahlverfahren<br />

Gesetzlicher Rahmen und neue<br />

Entwicklungen<br />

Bereits im ersten Standortauswahlgesetz 2013 6<br />

wurde das Ziel <strong>for</strong>muliert, das Standortauswahlverfahren<br />

im Jahre 2031 abzuschließen. So heißt es dort<br />

in § 1 Abs. 5, das Standortauswahlverfahren soll bis<br />

zum Jahr 2031 abgeschlossen sein.<br />

Diese zeitliche Zielvorgabe war intensiver Diskussionspunkt<br />

in der Endlagerkommission. Zentral<br />

waren die Argumente, dass Akzeptanz und eine<br />

dafür er<strong>for</strong>derliche umfangreiche Beteiligung der<br />

Öffentlichkeit Voraussetzung für ein gelingendes<br />

Verfahren sind, die Ausgestaltung des Prozesses<br />

nicht zu Lasten der Endlagersicherheit gehen darf,<br />

aber andererseits eine möglichst geringe Zeitdauer<br />

für das Verfahren angestrebt werden sollte.<br />

Dabei gab es vertiefte Diskussionen darüber, ob die<br />

Zielstellung für einen Abschluss des Suchprozesses<br />

und die Ermittlung eines Endlagerstandortes bis<br />

2031 erreicht werden kann. Die Kommission hat sich<br />

auf die Formulierung geeinigt, dass der Zeitbedarf<br />

nachrangig zu den Zielen Sicherheit und Partizipation<br />

ist, in der Abwägung aber auch die Situation<br />

der Zwischenlager zu berücksichtigen sei. Andererseits<br />

wurde seitens der Kommission ausgeführt:<br />

„Die Erfahrungen mit Zeitdauern von Großprojekten<br />

… zeigen mehr als deutlich, dass ein solcher Zeitplan<br />

nach heutiger Einschätzung nicht funktionieren wird.<br />

… Allerdings führt ein deutlich größerer Zeitbedarf zu<br />

erheblichen Problemen. 8 “ (S. 246).<br />

Nach Vorlage des Abschlussberichts der Endlagerkommission<br />

wurde das StandAG novelliert. Die<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 9<br />

6 Eckpunktepapier zur Endlagerung Wärme entwickelnder radioaktiver Abfälle in Deutschland, „Endlagerung streitfrei stellen“, Baden-Württemberg, Ministerium für<br />

Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, 01.11.2011.<br />

7 Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle und zur Änderung anderer Gesetze (Standortauswahlgesetz<br />

– StandAG), 23. Juli 2013.<br />

8 Verantwortung für die Zukunft; Ein faires und transparentes Verfahren für die Auswahl eines nationalen Endlagerstandortes; Abschlussbericht, Kommission Lagerung<br />

hoch radioaktiver Abfallstoffe, K-Drs. 268, Juli 2016.<br />

9 Standortauswahlgesetz vom 5. Mai 2017 (BGBl. I S. 1074), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 7. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2760) geändert worden ist.<br />

10 Gesetz zur Neuordnung der Organisationsstruktur im Bereich der Endlagerung vom 26. Juli 2016 (BGBl. I 2016 Nr. 37 S. 1843).<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Ist das Standortauswahlverfahren gescheitert? – Der Realitätsschock ı Bruno Thomauske


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 10<br />

| Nagra Bohrplatz Stadel 3.<br />

Foto: Nagra. Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, CH.<br />

zeitliche Zielvorgabe wurde leicht abgeändert. Nunmehr<br />

heißt es: Die Festlegung des Standortes wird<br />

für das Jahr 2031 angestrebt. Die neue Formulierung<br />

ist also etwas vorsichtiger gehalten und lässt mehr<br />

Raum für eine Nichterreichung dieses Ziels.<br />

Auch Prof. Dr. Klaus Töpfer, einer der zwei Vorsitzenden<br />

des Nationalen Begleitgremiums (NBG),<br />

äußerte sich am 5. September 2017 anlässlich der<br />

Auftaktveranstaltung zur Standortsuche in Anwesenheit<br />

der Bundesministerin Barbara Hendricks<br />

in Berlin vorsichtig zur Erreichbarkeit des Termins.<br />

Wenn es nicht 2031 werde, wäre er auch mit 2038<br />

zufrieden. 11<br />

Nunmehr stehen aber gänzlich andere Zeitdauern<br />

im Raum. Diese sind nicht überraschend und waren<br />

vorhersehbar, passten jedoch nicht in die Vermittelbarkeit<br />

des Prozesses. Der politische Umgang mit<br />

dem neuen Zeitrahmen hat eine lange Entwicklungsgeschichte,<br />

für die noch kein Abschluss in Sicht ist.<br />

Verhalten der Kommission zur gesetzlichen<br />

Zeitvorgabe<br />

Die Frage nach der Dauer des Standortauswahlprozesses<br />

war neben den Fragestellungen wie Kriterien<br />

und Beteiligungs<strong>for</strong>men ein wichtiges Thema in<br />

den Sitzungen der Kommission. Der Terminrahmen<br />

führte zu einer Reihe intensiver Diskussionen.<br />

Ausgelöst wurde die Kontroverse durch einen Vortrag<br />

des Autors dieses Artikels, der schon in der 7.<br />

Sitzung der Kommission den Zusammenhang Standortsuche<br />

und Zeitbedarf thematisierte. 12 Im Ergebnis<br />

wies die Ablaufbetrachtung selbst bei Zugrundelegung<br />

sehr optimistischer Annahmen (z. B. keine<br />

gerichtlichen Streitverfahren, keine Rücksprünge)<br />

eine deutlich größere Dauer des Suchprozesses aus<br />

und kam zu dem Ergebnis, dass ein Standort bei<br />

dem zugrunde gelegten Verfahren erst Jahrzehnte<br />

später gefunden werden kann und das im Gesetz angestrebte<br />

Ziel, einen Standort bis 2031 zu ermitteln,<br />

keinesfalls erreichbar sei.<br />

Diese Analyse wurde in verschiedenen Kommissionssitzungen<br />

diskutiert. Im weiteren Verlauf der<br />

Kommissionsarbeit hat der Autor dieses Artikels<br />

2016 eine Aktualisierung der Zeitplanung vorgenommen<br />

12 und neben einer optimistischen eine<br />

realistischere Variante sowie den aktuellen Stand<br />

der Vorgehensweise, der Bürgerbeteiligungen und<br />

des Rechtsschutzes berücksichtigt.<br />

Die vertiefte detaillierte Analyse kam zu dem<br />

Ergebnis (realistische Variante), dass eine Standortfestlegung<br />

nicht vor 2079 erreichbar sein wird. Die<br />

Ergebnisse der Analyse im Vergleich zu der Zielstellung<br />

des Gesetzgebers sowie der aktuellen Planung<br />

der BGE ist in Tabelle 1 dargestellt.<br />

11 Pressemitteilung der BGE vom 05.September 2017, Endlagersuche, Auftakt mit Bundesumweltministerin Hendricks in Berlin.<br />

12 AkEnd, Vorgaben Arbeitsweise Standortsuche und Zeitbedarf. Kommission Endlagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe, K-Drs. 70, B. Thomauske,<br />

7. Sitzung, 06.12.2014.<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Ist das Standortauswahlverfahren gescheitert? – Der Realitätsschock ı Bruno Thomauske


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

Standortauswahlgesetz<br />

Darüber hinaus ist ausgeführt, dass eine Festlegung<br />

des Endlagerstandorts 2031 ohne jeden Bezug zur<br />

Realität ist und einer Veränderung bedarf. Dieser<br />

Analyse folgte die Kommission nicht. Der Vorsitzende<br />

der Arbeitsgruppe 3 der Endlagerkommission,<br />

Prof. Grunwald, fasste das Ergebnis folgendermaßen<br />

zusammen (EK, 27. Sitzung, Grunwald, S. 58): „Das<br />

erste Szenario mit der Jahreszahl 2031 geht nicht,<br />

und das zweite Szenario wollen wir nicht.“ Diese Formulierung<br />

entsprach am Ende auch der Position der<br />

Kommission. Gleichwohl hat die Kommission darauf<br />

hingewiesen, dass „ein deutlich größerer Zeitbedarf<br />

zu erheblichen Problemen“ führt.<br />

Der Abschlussbericht der Kommission weist<br />

schließlich folgende Ergebnisse hinsichtlich des er<strong>for</strong>derlichen<br />

Zeitbedarfs aus:<br />

p „Die Festlegung eines Endlagerstandortes soll<br />

nach dem Standortauswahlgesetz bis 2031 erfolgt<br />

sein 7 .“ (S. 245)<br />

p „Angesichts von nach gegenwärtigen Erfahrungen<br />

plausiblen Zeitbedarfen für Genehmigungsverfahren,<br />

für Öffentlichkeitsbeteiligung,<br />

für Abstimmung- und Abwägungsprozesse, für<br />

Rechtsschutzverfahren, für Nacherhebung von<br />

Daten und die Erkundung von Gebieten kommt<br />

man explorativ zu deutlich anderen Zeiträumen.<br />

… Die Inbetriebnahme (Beginn der Einlagerung<br />

der Abfälle) könnte erst für das nächste<br />

Jahrhundert erwartet werden, ein Verschluss<br />

erst weit in das nächste Jahrhundert hinein 7 .“<br />

(S. 245)<br />

BGE<br />

Rahmenterminplanung<br />

Eigene Abschätzung<br />

(realistische Variante) **<br />

Beginn des Standortauswahlverfahrens 2016 2017 2016<br />

Phase I 2027 2027<br />

Phase II 2051 2040<br />

Phase III 2079 2073<br />

Rechtsstreitverfahren - - 2078<br />

Standortfestlegung 2031 2079 2079<br />

Genehmigung<br />

2099<br />

(2099)<br />

Errichtung 2114<br />

Inbetriebnahme 2050* (2099) 2114<br />

Tab. 1<br />

Analyse des Zeitbedarfs bis zur Inbetriebnahme des Endlagers basierend auf dem Standortauswahlgesetz sowie der Analyse des Autors dieses Artikels<br />

aus dem Jahr 2016. Mit dargestellt sind die Ergebnisse der Ablaufplanung der BGE aus dem Jahre 2022 einschließlich übertägiger und untertägiger Erkundung<br />

mit Ergänzungen des BASE.<br />

*) vom BMU genannter Termin (Nationaler Entsorgungsplan 2015)<br />

**) eigene Abschätzung basierend auf den von der Kommission vorgesehenen Abläufen (K-Drs. /AG3-119)<br />

(Abschätzung des Zeitbedarfs bis zur Inbetriebnahme des Endlagers, Kommission Endlagerung für hoch radioaktive Abfallstoffe,<br />

K-Drs./AG3-119, B. Thomauske, 03.04.2016)<br />

Und weiter heißt es:<br />

Die Gewährleistung der Sicherheit, die Sorgfalt<br />

der Abwägungen und eine umfangreiche<br />

Beteiligung benötigen Zeit und verlängern das<br />

Verfahren.<br />

Das Verfahren wird sich über einen langen<br />

Zeitraum erstrecken, der deutlich über das<br />

Jahr 2031/2050 hinausreicht. Beschleunigungsmöglichkeiten<br />

im Verfahren auf Kosten von<br />

Sicherheit oder auf Kosten von Beteiligung lehnt<br />

die Kommission ab. Der Aufbau von Vertrauen<br />

benötigt Zeit und steht in Konflikt mit Ansätzen<br />

zu einer Beschleunigung des Verfahrens.<br />

Umgekehrt kann eine Verlängerung des Verfahrens<br />

möglicherweise begrenzt werden, sobald<br />

gesellschaftliches Vertrauen in hohem Umfang<br />

aufgebaut worden ist 7 .“ (S. 246)<br />

Am Ende hat sich die Kommission für die Formulierung<br />

ausgesprochen, verfahrensverkürzende<br />

Maßnahmen nicht zu ergreifen, wenn sie zu Lasten<br />

der Sicherheit oder der Beteiligung gehen. Gleichwohl<br />

war auch klar, dass die drei Ziele bestmögliche<br />

Sicherheit, umfassende Partizipation und Termingerechtigkeit<br />

nicht gleichzeitig erfüllbar sind. An<br />

diesem Punkt endete aber der Denkprozess der Kommission.<br />

Sie entwickelte keinen Plan B für den Fall,<br />

dass das Verfahren deutlich mehr Zeit beanspruchen<br />

sollte.<br />

Dabei bestand die Befürchtung, ein allzu großer<br />

Zeitbedarf könnte den Prozess diskreditieren und<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 11<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Ist das Standortauswahlverfahren gescheitert? – Der Realitätsschock ı Bruno Thomauske


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 12<br />

| Bohrkernzwischenlager (Comet Photoshopping GmbH).<br />

Foto: Dieter Enz<br />

den parteienübergreifenden Konsens gefährden.<br />

Mittlerweile äußern ehemalige Kommissionsmitglieder,<br />

dass sie die im StandAG <strong>for</strong>mulierte zeitliche<br />

An<strong>for</strong>derung immer als unrealistisch angesehen<br />

haben. Dies wäre glaubwürdiger, wenn sie dies auch<br />

damals so geäußert hätten. Der damit einhergehende<br />

Vertrauensverlust beschädigt nachhaltig die von<br />

ihnen repräsentierten Institutionen und das Verfahren<br />

selbst.<br />

Rahmenterminplan der BGE<br />

BASE und der BGE voraus. Das BASE hatte zuletzt<br />

mit Schreiben vom 29. Oktober 2021 die BGE aufge<strong>for</strong>dert,<br />

die Vorlage des Rahmenterminplans<br />

für das Gesamtvorhaben und den Zeitplan für den<br />

zweiten Schritt der Phase I bis zum 26.11.2021 zu<br />

übermitteln. 13 Das BASE äußerte in dem Schreiben<br />

Zweifel an der Einhaltung der gesetzlichen Zielstellung,<br />

da bereits für die Vorlage des Zwischenberichts<br />

Teilgebiete drei Jahre benötigt wurden und für das<br />

umfangreiche weitere Programm nur noch zehn<br />

Jahre verblieben.<br />

Mit Stand 16.12.2022 liegt der Bericht Zeitliche Betrachtungen<br />

des Standortauswahlverfahrens aus<br />

Sicht der BGE; Rahmenterminplanung für Schritt<br />

2 der Phase I bis zum Vorschlag der Standortregionen<br />

und zeitliche Abschätzungen für die Phase II und<br />

III 2 vor. Ein solcher Rahmenterminplan wurde im<br />

Abschlussbericht der Kommission Lagerung hoch radioaktiver<br />

Stoffe vom Juli 2016 7 (S. 247) ge<strong>for</strong>dert.<br />

Dort heißt es: „der Vorhabensträger soll im Rahmen<br />

des Standortauswahlverfahrens frühzeitig einen Rahmenterminplan<br />

mit Eckterminen und Meilensteinen<br />

entwickeln“.<br />

Terminplanung<br />

Der Vorlage des o. g. Berichts zur Rahmenterminplanung<br />

ging ein Schriftwechsel zwischen dem<br />

Die BGE hat dieses Schreiben mit Datum vom 1. Dezember<br />

2021 beantwortet. 14<br />

Darin führt die BGE<br />

aus, dass die Erarbeitung einer Ablaufplanung mit<br />

dem Start des Schrittes 2 Phase I (nach Vorlage<br />

des Zwischenberichts Teilgebiete) begonnen hat.<br />

Weiterhin wird ausgeführt, dass eine belastbare<br />

Ablaufplanung erst mit der Vorlage der Methode<br />

zur Durchführung der repräsentativen vorläufigen<br />

Sicherheitsuntersuchungen (rvSU) abgeschlossen<br />

werden könne. Die öffentliche Vorstellung und<br />

Diskussion hierzu sei erst für Ende März 2022 vorgesehen.<br />

Danach erfolge die konkrete Termin- und<br />

Ablaufplanung. Die BGE kommt zu diesem Zeitpunkt<br />

zu der Bewertung, dass ihr keine belastbaren In<strong>for</strong>mationen<br />

vorliegen, die an einer Zielerfüllung<br />

bis zum Jahr 2031 zweifeln lassen.<br />

13 Schreiben an die Geschäftsführung der BGE zur Vorlage von Terminplänen im Standortauswahlverfahren, BASE, 29.10.2021.<br />

14 Antwortschreiben der der BGE an das BASE hinsichtlich Terminpläne, BGE, 01.12.2021.<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Ist das Standortauswahlverfahren gescheitert? – Der Realitätsschock ı Bruno Thomauske


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Nur ein Jahr danach hat die BGE mit Stand<br />

16.12.2022 für den Schritt 2 der Phase I einen Rahmenterminplan<br />

vorgelegt, für die nachfolgenden<br />

Verfahrensschritte lediglich zeitliche Abschätzungen.<br />

Die Planung der BGE sieht folgende Meilensteine<br />

vor:<br />

p Übermittlung des Standortregionenvorschlags<br />

an das BASE im 2. Halbjahr 2027,<br />

p für die übertägige Erkundung werden 7–11<br />

Jahre veranschlagt und<br />

p für die untertägige Erkundung – abhängig vom<br />

gewählten Erkundungskonzept – zwischen<br />

5 Jahren und 23 Jahren.<br />

Bereits vor Veröffentlichung der Zeitplanung für das<br />

Standortauswahlverfahren hat am 11. November<br />

2022 die SZ berichtet, dass das Endlager frühesten<br />

2046 kommt, ggf. aber auch erst 2068. 15 Diese Aussage<br />

bezog sich aber lediglich auf den Abschluss des<br />

Standortauswahlverfahrens, soweit es die Zeitplanung<br />

der BGE anbelangte.<br />

Für die untertägige Erkundung hat die BGE 2 Varianten<br />

betrachtet:<br />

Variante 1:<br />

5–6 Jahre untertägige Erkundung mittels<br />

Seismik und Bohrungen<br />

Die Einrichtung eines Untertagelabors wurde seitens<br />

BGE nicht betrachtet, ist aber für jedes zu untersuchende<br />

Wirtsgestein international Standard; der<br />

Zeitbedarf für die Einrichtung eines Untertagelabors<br />

und der Durchführung der Untersuchungen ist<br />

mit ca. 20 Jahre anzusetzen. Die Fragezeichen hinsichtlich<br />

dieser Variante hat die BGE in ihrem Bericht<br />

(S. 94) deutlich hervorgehoben.<br />

Aus Gründen der Unsicherheit hinsichtlich der<br />

Anwendbarkeit dieses Verfahrens und des Er<strong>for</strong>dernisses<br />

eines Untertagelabors wird diese Variante bei<br />

der zeitlichen Abschätzung nicht weiter betrachtet.<br />

Variante 2:<br />

23 Jahre für untertägige Erkundung mittels<br />

Bergwerk gemäß Angabe der BGE.<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 13<br />

| Arbeiten im Felslabor Mont Terri.<br />

Foto: Nagra<br />

15 Atom-Endlager kommt nicht vor 2046, Süddeutsche Zeitung (SZ), 11.11.2022.<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

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FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 14<br />

| Untertagelabor Andra, Schacht, Départements Marne/Haute Meuse.<br />

Foto: ANDRA (Agence nationale pour la gestion des déchets radioactifs)<br />

Für beide Varianten werden in der Phase III zusätzlich<br />

4 Jahre für die Tätigkeiten des BASE sowie<br />

1 Jahr für die des Gesetzgebers unterstellt. Zeiten für<br />

NBG oder Rücksprünge werden nicht berücksichtigt.<br />

Dies führt zu einem Zeitbedarf für die untertägige<br />

Erkundung von 28 Jahren.<br />

Dauer des Standortauswahlverfahrens<br />

bis zur Standortfestlegung<br />

Auf der Grundlage der Abschätzung der BGE, der<br />

unterstellten zusätzlichen Zeitbedarfe für das<br />

BASE und das Gesetzgebungsverfahren beträgt<br />

die Gesamtdauer des Standortauswahlverfahrens<br />

56 Jahre und führt zu einer Standortfestlegung im<br />

Jahre 2079.<br />

Das Ergebnis zeigt, dass die realistische Variante<br />

der Abschätzung des Zeitbedarfs des Verfahrens<br />

des Autors durch die Ablaufplanung der BGE implizit<br />

bestätigt wurde. Wunschvorstellungen, Verfahrensschritte<br />

ließen sich soweit beschleunigen, dass ein<br />

Verfahrensabschluss noch in den 2030-iger Jahren<br />

erreichbar würde, haben durch die Zeitbedarfsabschätzung<br />

des BGE keine Bestätigung gefunden.<br />

In Tabelle 2 sind die auf der Grundlage der BGE abgeleiteten<br />

Zeitbedarfe dargestellt und den Ergebnissen<br />

des Autors aus dem Jahre 2016 gegenübergestellt.<br />

Die Rahmenterminplanung der BGE unter Berücksichtigung<br />

der Kommentare des BASE zeigen eine<br />

dramatische Verschiebung des Zeitpunktes für<br />

eine Standortfestlegung. Unter Berücksichtigung<br />

der Prüfzeiten durch die Aufsichtsbehörde und die<br />

Zeiten für das Gesetzgebungsverfahren wird eine<br />

Standortfestlegung nicht wie vom Gesetzgeber angestrebt<br />

im Jahre 2031, sondern erst 2079 möglich<br />

sein.<br />

Für das dann noch durchzuführende Genehmigungsverfahren,<br />

basierend auf noch zu erbringenden<br />

standortspezifischen Nachweisen und der Anlagenplanung,<br />

sind weitere 20 Jahre zu veranschlagen.<br />

Die nachfolgende Errichtung des Endlagers dauert<br />

mindestens weitere 15 Jahre unter Berücksichtigung<br />

der dann noch abzuteufenden Endlagerschächte. In<br />

Summe werden also mindestens weitere 35 Jahre vergehen<br />

werden, bis das Endlager für hoch radioaktive<br />

Abfälle in Betrieb gehen kann. Ein betriebsbereites<br />

Endlager ist dann in diesem Jahrhundert nicht mehr<br />

erwartbar.<br />

Eine vollumfängliche rechtliche Prüfung gemäß<br />

§ 20 (3) StandAG1 findet erst nach Abschluss des<br />

Genehmigungsverfahrens für den im Auswahlverfahren<br />

festgelegten Standort statt. Nach<br />

Festlegung des Endlagerstandorts im Jahre 2079<br />

und 20 Jahren Genehmigungsverfahren würde<br />

die rechtliche Prüfung dann etwa im Jahre 2100<br />

erfolgen können. Dies kann nur als eine nicht<br />

hinnehmbare zeitliche Verschiebung für den er<strong>for</strong>derlichen<br />

Rechtsschutz angesehen werden.<br />

Gesamtdauer bis zur Einrichtung<br />

des Endlagers – der Kipppunkt<br />

Die BGE hat für das Genehmigungsverfahren und<br />

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Ist das Standortauswahlverfahren gescheitert? – Der Realitätsschock ı Bruno Thomauske


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Phasen<br />

I<br />

II<br />

III<br />

Zeitraum<br />

(ab 2023)<br />

2023–2027<br />

Tab. 2<br />

Gesamtdauer des Standortauswahlverfahrens gemäß Terminplanung der BGE und der Unterlage der Kommission aus dem Jahre 2016. 12<br />

*) Planung gemäß BGE 2 /BASE (Variante mit untertägiger Erkundung)<br />

**) Analyse gemäß Beitrag des Autors aus dem Jahre 2016 12<br />

(Statement des BASE zum Digitalen PFE-Workshop „Zeitbedarf und Zeitplanung der Standortsuche“ am 13.01.2023, BASE; GZ:B1-BASE-BASE31130/0002#0001)<br />

die Errichtungsphase keine Abschätzung des er<strong>for</strong>derlichen<br />

Zeitbedarfs vorgenommen. Insofern kann<br />

nur die Angabe des BMUV herangezogen werden.<br />

Ergebnis Dauer *<br />

BGE:<br />

Vorschlag Standorte nach übertägiger Erkundung<br />

(Jahre)<br />

2028–2033 BASE: Prüfung des Vorschlags 5<br />

2033–2034 Gesetzgebungsverfahren 1<br />

2034–2045<br />

BGE:<br />

Vorschlag Standorte nach untertägiger Erkundung<br />

2045–2050 BASE: Prüfung des Vorschlags 5<br />

2050–2051 Gesetzgebungsverfahren 1<br />

2051–2074 BGE: Vorschlag Standort 23<br />

2074–2078 BASE: Prüfung des Vorschlags 4<br />

2078–2079 Entscheidung Gesetzgeber 1<br />

5<br />

11<br />

Gesamtdauer<br />

*<br />

(Jahre)<br />

Abschätzung<br />

des Autors<br />

Dauer **<br />

(Jahre)<br />

11 4<br />

17 13<br />

28 33<br />

Rechtsschutz – – 5<br />

Dauer 56 56<br />

Standortfestlegung 2079 2079<br />

Dieser liegt aber keine Planung oder Abschätzung<br />

zugrunde und stellt somit lediglich eine Zielvorstellung<br />

dar. Die vom BMUV genannte Zielvorstellung<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 15<br />

| Eingang des Forschungs- und Entwicklungstunnels des Untertagelabors der Andra, Départements Marne/Haute Meuse.<br />

Foto: ANDRA<br />

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FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 16<br />

| ONKALO<br />

Demo Bohrloch<br />

für Lagerkanister.<br />

Foto: POSIVA<br />

beträgt ohne weitere Detaillierung 20 Jahre nach<br />

Festlegung des Endlagerstandorts bis zur Inbetriebnahme.<br />

Dies würde dann zu einer Aufnahme des<br />

Endlagerbetriebs frühestens im Jahre 2099 führen.<br />

etwa „optimistisch“ oder „ambitioniert“<br />

war, er hatte schlicht<br />

keine Realitätsgrundlage.<br />

Die Endlagerkommission hat in<br />

ihrem Abschlussbericht auf die<br />

sich daraus ergebenden Folgen<br />

hingewiesen: „Allerdings führt<br />

ein deutlich größerer Zeitbedarf<br />

zu erheblichen Problemen.<br />

Derart lange Zeiträume würden<br />

nachfolgende Generationen erheblich<br />

belasten, stünden in<br />

Gegensatz zu ethischen Forderungen,<br />

würden umfangreiche<br />

Zwischenlagerungen mit entsprechenden<br />

Sicherheitsan<strong>for</strong>derungen<br />

und Genehmigungsverfahren<br />

notwendig machen,<br />

würden die Gefahr des Erlahmens<br />

und Ermüdens mit sich<br />

bringen und das Risiko erhöhen,<br />

dass der ganze Prozess<br />

nicht zielführend abgeschlossen<br />

wird.“ 7 (S. 246).<br />

Genau dieser Fall ist nun eingetreten.<br />

Der Zeitbedarf hat<br />

sich dramatisch vergrößert<br />

und damit auch das Risiko des<br />

Scheiterns dieses Verfahrens<br />

aus den o. g. Gründen. Dabei<br />

hat die Endlagerkommission<br />

nicht einmal an eine derartig<br />

gravierende Verlängerung des<br />

er<strong>for</strong>derlichen Zeitrahmens gedacht.<br />

Dies bedeutet, dass das<br />

Verfahren an einem Kipppunkt<br />

angelangt ist. Die Entscheidung<br />

steht an, ob das Verfahren im<br />

Sinne eines weiter so (den unter<br />

Sicherheitsgesichtspunkten relativ besten Standort<br />

in der Bundesrepublik zu finden) <strong>for</strong>tgeführt oder ob<br />

es hin zu machbaren Zielen (geeignet anstelle von<br />

bestmöglich) <strong>for</strong>tentwickelt werden soll.<br />

Nach der Abschätzung des Autors dieses Artikels<br />

würde der Endlagerbetrieb demgegenüber frühestens<br />

2114 möglich sein. Damit ist als Ergebnis<br />

festzuhalten, dass ein Szenario 2031/2050 16 für die<br />

Standortfestlegung/Inbetriebnahme keine Grundlage<br />

mehr hat. Eine Verlängerung des Suchverfah -<br />

rens um 50 und bis zur Inbetriebnahme um mehr als<br />

60 Jahre zeigt, dass der bisherige Zeitrahmen nicht<br />

Die sicherheits- und akzeptanzmindernden<br />

Folgen des neuen Zeitrahmens<br />

Die Verlängerung des Zeitrahmens führt zu einer<br />

Reihe relevanter auch sicherheitsvermindernder und<br />

ökonomischer Konsequenzen:<br />

1. Die Akzeptanz droht auf dem langen Weg verloren<br />

zu gehen, was sich schon heute daran ablesen<br />

lässt, dass dieses Thema einen Nischenplatz in<br />

16 Programm für eine verantwortungsvolle und sichere Entsorgung bestrahlter Brennelemente und radioaktiver Abfälle (Nationales Entsorgungsprogramm), BMU, 2015.<br />

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Ist das Standortauswahlverfahren gescheitert? – Der Realitätsschock ı Bruno Thomauske


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der öffentlichen Wahrnehmung einnimmt. Es<br />

ist schon heute aus dem Blickfeld der Politik,<br />

der Medien und dem öffentlichen Interesse verschwunden.<br />

Es ist auch nachvollziehbar, dass ein Verfahren,<br />

dessen Dauer bis zur Nutzung des Vorhabens in<br />

der Größenordnung von 100 Jahren liegt, deren<br />

Realisierung jenseits der eigenen Lebenserwartung<br />

liegt, in deren Verlauf auch politische und<br />

territoriale Veränderung nicht außerhalb des<br />

denkbaren liegen und das so offenkundig jegliche<br />

Vorstellung von Generationengerechtigkeit<br />

verlässt, Akzeptanz einbüßt.<br />

Es muss ein Ausgleich geschaffen werden, der<br />

die Sicherheitsansprüche und den Zeitrahmen<br />

in einen machbaren Zielkorridor bringt, sodass<br />

die Last nicht in unzumutbarer Weise zukünftigen<br />

Generationen aufgebürdet wird.<br />

2. Bislang liegt der Fokus auf dem Standortauswahlverfahren.<br />

Zukünftig müssen aber auch die<br />

anderen Aspekte, die von der Verfahrensdauer<br />

berührt werden, gleichgewichtig in den Blick genommen<br />

werden. Ziel muss ein Optimum für den<br />

Ausgleich der verschiedenen Risikosphären sein:<br />

p Sicherheit der Endlagerung zum Schutz der<br />

Bevölkerung, der Umwelt und zukünftiger<br />

Generationen,<br />

p Sicherheit bei der Zwischenlagerung hochradioaktiver<br />

wärmeentwickelnder Abfallstoffe<br />

über die sehr viel längeren Zeiträume und ggf.<br />

unter Einschluss möglicher terroristischer Auseinandersetzungen<br />

in neuer Qualität,<br />

p Finanzierbarkeit des Vorhabens über deutlich<br />

längere Zeiträume als bei der Kostenermittlung<br />

im Rahmen des Kernenergieausstiegs zugrunde<br />

gelegt<br />

p Berücksichtigung von Machbarkeit, Akzeptanz<br />

sowie hinnehmbarem Zeitrahmen.<br />

3. Das StandAG priorisiert die bestmögliche Sicherheit<br />

bei größtmöglicher Partizipation der<br />

Bevölkerung. Der resultierende Zeitbedarf führt<br />

zu einer vollumfänglichen gerichtlichen Überprüfung<br />

erst in etwa 80 Jahren. Dies wird einem<br />

Rechtsschutzbedürfnis der Bevölkerung nicht gerecht.<br />

4. Beteiligungs<strong>for</strong>mate wie z. B. den Rat der Regionen<br />

für derart lange Zeiträume einzurichten und<br />

wirksam zu erhalten ist realistischerweise nicht<br />

vorstellbar. Ein solches Verfahren erinnert eher<br />

an ein „Warten auf Godot“.<br />

5. Auch das Gebot, konkurrierende Nutzung für<br />

derartig lange Zeiträume in den betroffenen Regionen<br />

zu untersagen, ist volkswirtschaftlich<br />

inakzeptabel.<br />

6. Es ist wenig realistisch, dass ein Verfahren über<br />

einen Zeitraum verfolgt wird, wie er sich aus der<br />

BGE-Planung ergibt. Soll der Prozess nicht scheitern,<br />

muss der Zeitrahmen drastisch verkürzt<br />

werden. Dies kann nicht ohne Abstriche bei den<br />

An<strong>for</strong>derungen an das Standortauswahlverfahren<br />

und bei der Partizipation erfolgen, was aber<br />

ohne Reduzierung der Endlagersicherheit möglich<br />

ist.<br />

p Es gibt keinen Nachweis, dass ein bestmögliches<br />

Endlager mit der größtmöglichen Sicherheit<br />

überhaupt einen Sicherheitsvorteil<br />

gegenüber einem geeigneten, die Sicherheitsan<strong>for</strong>derungen<br />

erfüllenden, Standort besitzt.<br />

Insofern kann ein für die Gesamtrepublik umfassender<br />

komparativer Prozess sämtlicher potentieller<br />

Standortregionen unter Einschluss<br />

derer, für die nicht einmal eine hinreichende<br />

Datenbasis gegeben ist, aufgegeben werden.<br />

Ein solcher wäre nur er<strong>for</strong>derlich, wenn sich<br />

keine geeigneten Standorte finden ließen.<br />

p Das Verfahren kann auf einen Zeitrahmen begrenzt<br />

werden, der Partizipation zulässt und<br />

nicht von Beginn an auf viele Generationen<br />

angelegt ist.<br />

Dies bedeutet, dass bei einer Verkürzung des Zeitrahmens<br />

nicht nur die bestmögliche Sicherheit – eine<br />

nur scheinbare höhere Sicherheit im Vergleich zu<br />

einem geeigneten Standort – und die größtmögliche<br />

Partizipation, sondern auch die sicherheitsverzehrenden<br />

und akzeptanzmindernden Prozesse<br />

beachtet werden.<br />

Die Standortsuche muss sämtliche Sicherheitsan<strong>for</strong>derungen<br />

in den Blick nehmen und zu einem<br />

übergreifenden Optimum führen. Für ein Endlager<br />

ist letztlich nicht der bestmögliche Standort<br />

entscheidend, sondern die Erfüllung der Eignungsan<strong>for</strong>derungen.<br />

Es bedarf eines geeigneten Endlagers,<br />

nicht aber eines – nicht identifizierbaren –<br />

bestmöglichen Endlagerstandortes. Zu untersuchen<br />

wird sein, ob die Forderung nach einem bestmöglichen<br />

Endlager nicht entstanden ist aus dem<br />

Wunsch nach einer Aufgabe des Standortes<br />

Gorleben bzw. aus der zeitlichen Öffnung der<br />

Lösung der Endlagerfrage als Argumentationsbaustein<br />

zum Ausstieg aus der Kernenergie.<br />

Die Kommunikation<br />

der Zeitverschiebung<br />

Warum war von keiner Seite von 2017 bis Ende 2022<br />

zu dieser großen zeitlichen Verschiebung etwas zu<br />

vernehmen? Diese Frage bedarf einer Beantwortung.<br />

Dahinter verbergen sich Themen, die die Glaubwürdigkeit<br />

der verantwortlichen Institutionen und das<br />

Vertrauen in einen noch zu entwickelnden Prozess<br />

tangieren:<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 17<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Ist das Standortauswahlverfahren gescheitert? – Der Realitätsschock ı Bruno Thomauske


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FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 18<br />

p Ist das Insichgeschäft zwischen BGE, BASE,<br />

BMUV, NBG nicht eine wesentliche Ursache für<br />

die feststellbare Intransparenz?<br />

p Im Forschungsbereich sind es gerade und praktisch<br />

ausschließlich staatliche und beim BMUV<br />

angebundene Institutionen, die Forschungsgelder<br />

an Universitäten, Forschungseinrichtungen<br />

oder Firmen vergeben. Für diese gibt es in<br />

Deutschland im Endlagerbereich praktisch keinen<br />

anderen Auftrag- bzw. Geldgeber mehr. Am Ende<br />

stellt sich also für jeden Forschenden die Frage,<br />

ob er sich erlauben kann, diese Institutionen zu<br />

kritisieren mit der Gefahr, bei Ausschreibungen/<br />

Auftragsvergaben künftig nicht mehr bedacht zu<br />

werden.<br />

Die Folge ist spürbar: Es gibt keine Kritik an Entscheidungen<br />

der o. g. Institutionen von Seiten der<br />

Wissenschaft. Kritik wird – wenn überhaupt – nur<br />

noch neutralisiert durch Stellungnahmen von Arbeitsgemeinschaften<br />

oder Bundesanstalten (z. B.<br />

Deutsche Arbeitsgemeinschaft Endlager<strong>for</strong>schung<br />

(DAEF), Bundesanstalt für Geowissenschaften<br />

und Rohstoffe (BGR)) geäußert, wie der Fall des<br />

Ausschlusses von Gorleben zeigt.<br />

p Erfüllt der Zwischenbericht die im StandAG <strong>for</strong>mulierten<br />

An<strong>for</strong>derungen und hätte er nicht zur<br />

vertieften Bearbeitung vom BASE an die BGE zurückverwiesen<br />

werden müssen? Schließlich erfolgte<br />

bei fehlender Datengrundlage die Bewertung<br />

Teilgebiete durch Referenzdatensätze, die<br />

aber gerade nicht auf standortbezogenen Daten<br />

basieren und was am Ende zu der übergroßen<br />

Zahl an Teilgebiete geführt hat, die als „geeignet“<br />

bezeichnet wurden. Tatsächlich wurden sie aber<br />

lediglich deshalb als geeignet eingestuft, weil<br />

positive Referenzdaten und keine standortbezogenen<br />

Daten zugrunde gelegt wurden.<br />

Diese Geeignetheit sagt also nichts über die Geeignetheit<br />

der Teilgebiete aus, sondern lediglich,<br />

dass, wenn man günstige Referenzdaten zugrunde<br />

legt, diese Teilgebiete dann als vorläufig<br />

geeignet einzustufen sind.<br />

Diese Vorgehensweise führte zu der inakzeptabel<br />

hohen Anzahl von „geeigneten“ Teilgebieten, was<br />

im Hinblick auf den Auswahlprozess zu keiner<br />

Einengung und auch zu keinem Erkenntnisgewinn<br />

führt.<br />

| Untergrundlabor Äspö, Schweden.<br />

Foto: SKB<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Ist das Standortauswahlverfahren gescheitert? – Der Realitätsschock ı Bruno Thomauske


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

p Die BGE führt in ihrem Zwischenbericht aus, die<br />

Referenzdaten sukzessive durch Standortdaten<br />

ersetzen zu können. Ein Ergebnis jedoch, das<br />

54 % der Fläche der Bundesrepublik für grundsätzlich<br />

geeignet erklärt, stellt keine für das weitere<br />

Verfahren nützliche In<strong>for</strong>mation dar. Das<br />

BASE ist mit der Annahme des Zwischenberichts<br />

Teilgebiete seiner Aufgabe nicht gerecht geworden.<br />

Sie hätte ihn an die BGE zurückverweisen<br />

und diese verpflichten müssen, eine Bewertung<br />

der Standortregionen unter Verwendung der vorhandenen<br />

oder zugänglichen geologischen Daten<br />

vorzunehmen. Falls sie sich dazu rechtlich nicht<br />

in der Lage sah, hätte sie dies über das BMUV adressieren<br />

können und auch müssen.<br />

p Auch das Verwerfen des Standortes Gorleben mit<br />

Datum vom 17.09.2021 bedarf einer kritischen<br />

Analyse. Die Kriterien hierzu wurden durch die<br />

BGE in unzulässiger Weise interpretiert, was fachlich<br />

durch verschiedene Fachgruppierungen kritisiert<br />

wurde. Eine Beteiligung der Fachöffentlichkeit<br />

hat es aber nicht gegeben. Dem Anspruch an<br />

Transparenz wurden BGE, BASE und BMUV somit<br />

nicht gerecht. Auch das NBG hat sich hierzu nicht<br />

verhalten und Glaubwürdigkeit eingebüßt. Dass<br />

die Entscheidung zum Gorleben-Ausschluss neun<br />

Tage vor der Bundestagswahl am 26.09.2021 gefällt<br />

wurde, hat einen besonderen Beigeschmack.<br />

p Der Kommissionsbericht enthält einen logischen<br />

Bruch. Nur im Fall des Kristallin darf, falls ein<br />

einschlusswirksamer Gebirgsbereich nicht ausgewiesen<br />

werden kann, der Behälter zusammen<br />

mit dem umgebenden Versatz den sicheren Einschluss<br />

gewährleisten. Dieser Ansatz wurde von<br />

Teilen der Kommissionsmitglieder nicht befürwortet.<br />

Es war aber Konsens, dass nicht die<br />

Kommission, sondern die BGE im Rahmen der<br />

Umsetzung des StandAG zu prüfen habe, ob dies<br />

ein akzeptables Konzept sein kann. Eine entsprechende<br />

Ausarbeitung seitens der BGE liegt hierzu<br />

bis heute nicht vor.<br />

Insofern ist festzustellen, dass der Bericht der Endlagerkommission<br />

nicht der letzte Evaluierungsschritt<br />

gewesen sein wird. Den nächsten Schritt aber nichtöffentlich<br />

zu bearbeiten wie von Mitgliedern des<br />

NBG auf ihrer 69. Sitzung 3 ge<strong>for</strong>dert und von der<br />

BGE und dem BASE begrüßt, kann nur das Misstrauen<br />

gegen diese Institutionen weiter erhöhen.<br />

Schließlich stellt sich die Frage, ob die er<strong>for</strong>derliche<br />

Zeitdauer nicht eine Qualität erreicht hat, die den<br />

unbestimmten Sicherheitsvorteil, der in einer Identifizierung<br />

eines bestmöglichen Standortes liegen<br />

könnte, überwiegt und der Zeitfrage eine gleichrangige<br />

Bedeutung zugemessen werden muss.<br />

Reduzierung des Zeitbedarfs für das<br />

Standortauswahlverfahren<br />

Ursachen für den hohen Zeitbedarf<br />

Vor einer Entscheidung, welche Änderungen am<br />

Standortauswahlgesetz vorzunehmen sind, um die<br />

Verfahrensdauer auf ein akzeptables Niveau zu begrenzen,<br />

bedarf es einer Analyse, was ursächlich für<br />

die lange Verfahrensdauer ist.<br />

A. Ursachenanalyse<br />

p Zu große Anzahl von Untersuchungs-/Teiluntersuchungsräume<br />

mit unterschiedlicher und<br />

limitierter Datengrundlage.<br />

p Berücksichtigung/Bewertung sämtlicher Teil gebie<br />

te einschließlich derer, für die die Datenlage<br />

nicht hinreichend ist.<br />

p Die Identifizierung eines unter Sicherheitsgesichtspunkten<br />

relativ besten Standorts setzt<br />

voraus, dass die Kenntnis über einen Standort<br />

in einem Tiefgang vorliegen muss, dass ein Vergleich<br />

möglich ist. Während es bei der Frage der<br />

Geeignetheit eines Standortes ohne Ranking<br />

ausreichend ist, konservativ die Parameter abzuschätzen,<br />

bedarf es bei einem Vergleich der<br />

genauen Bestimmung der Parameter, was zu<br />

einem vielfach höheren Aufwand führt.<br />

p Die Entscheidung über den relativ besten<br />

Standort ist rechtlich überprüfbar. Dies bedeutet,<br />

dass der Tiefgang der Begründung einer<br />

solchen rechtlichen Überprüfung standhalten<br />

muss. Diese An<strong>for</strong>derung ist aufwendig und<br />

somit zeitintensiv und zieht sich durch alle drei<br />

Phasen.<br />

p Notwendigkeit eines diskursiven (nicht objektivierbaren<br />

und damit angreifbaren) Verfahrens<br />

mit der Zielstellung eines Rankings für die Geeignetheit<br />

der Standorte ist mit hohem Begründungs-<br />

und damit Zeitaufwand verbunden.<br />

p Fehlende wirtsgesteinsübergreifende Vergleichskriterien<br />

und damit Berücksichtigungsnotwendigkeit<br />

sämtlicher Standortregionen in<br />

sämtlichen Wirtsgesteinen.<br />

p Hohe Anzahl von übertägig zu erkundenden<br />

Standorten und zum Teil aufgrund nicht hinreichender<br />

geowissenschaftlicher Daten.<br />

B. Können die verschiedenen Ziele, zu denen<br />

auch die Fragen der Zwischenlagerung, der<br />

Finanzierbarkeit oder der Generationengerechtigkeit<br />

gehören zu einem übergreifenden<br />

Optimum geführt werden?<br />

p Dies ist notwendig und möglich, setzt aber voraus,<br />

den Standort ohne Vorgabe der bestmöglichen<br />

Sicherheit im Zuge eines vergleichenden<br />

Verfahrens zu bestimmen.<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 19<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Ist das Standortauswahlverfahren gescheitert? – Der Realitätsschock ı Bruno Thomauske


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FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 20<br />

C. Warum sollte das Ziel, einen bestmöglichen<br />

Standort zu ermitteln, aufgegeben werden?<br />

p Ein relativ bester Standort ist aufgrund der unterschiedlichen<br />

Vor- und Nachteile bei den verschiedenen<br />

Wirtsgesteinen nicht objektivierbar zu ermitteln.<br />

Auch innerhalb eines Wirtsgesteins gibt<br />

es sehr viele Varietäten, die nicht dazu führen,<br />

dass ein Standort als zweifelsfrei „besser“ oder<br />

„schlechter“ bewertet werden kann. Aus diesem<br />

Grunde setzt die BGE auf ein diskursives Verfahren,<br />

das aber dazu führt, dass Bewertungen letztlich<br />

subjektiv erfolgen.<br />

p Hinzu kommt, dass die Datengrundlagen unterschiedlich<br />

vollständig sind, somit interpretiert<br />

und auf größere Gebiete übertragen werden<br />

müssen und so eine große Notwendigkeit für<br />

Interpretation entsteht.<br />

p Das Auswahlverfahren ist nicht nur unter dem<br />

Kriterium der bestmöglichen Sicherheit, sondern<br />

auch im Hinblick auf die weiteren Aspekte wie<br />

Sicherheitsverzehr durch langfristige Zwischenlagerung<br />

bzw. Kosten, Akzeptanz, Generationengerechtigkeit,<br />

Planungssicherheit zu bewerten.<br />

p Eine erste vollumfängliche gerichtliche Überprüfung<br />

ist erst am Ende des Genehmigungs-<br />

verfahrens, das sich an die Standortfestlegung<br />

anschließt, vorgesehen. Dies könnte in frühestens<br />

80 Jahren der Fall sein, was im Sinne einer<br />

derzeitigen Beteiligung der Bevölkerung absurd<br />

anmutet.<br />

D. Insichgeschäft und<br />

Organisationsfragen<br />

Eine maximale Intransparenz ist im Hinblick auf<br />

den bisherigen Verlauf des Standortauswahlverfahrens<br />

festzustellen. Das macht sich fest an dem<br />

Fehlen von vorlaufenden Hinweisen zu der Aufgabe<br />

von Gorleben, die zudem bis heute nicht einem<br />

öffentlichen Diskurs unterzogen wurde, der Ausweitung<br />

der „geeigneten“ Teilgebiete, die nicht<br />

auf standortbezogenen, sondern auf Referenzdaten<br />

beruht und einem erhöhten Zeitbedarf, der<br />

noch ein Jahr vor Veröffentlichung abgestritten<br />

wurde und der von keiner am Verfahren beteiligten<br />

Institution angemessen thematisiert wurde.<br />

Dies lässt sich wohl nur damit erklären, dass die<br />

Organisationen ausschließlich ein Insichgeschäft<br />

betrieben haben. Diese Erkenntnis muss bei der<br />

zukünftigen Organisation der Endlagerung Berücksichtigung<br />

finden.<br />

| Einlagerungsmodell Mont Teri (Comet Photoshopping GmbH).<br />

Foto: Dieter Enz<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Ist das Standortauswahlverfahren gescheitert? – Der Realitätsschock ı Bruno Thomauske


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

E. Unterscheidbarkeit von Standortregionen<br />

unter Sicherheitsaspekten:<br />

Unterhalb einer Dosisleistungsschwelle sind<br />

Standorte als ununterscheidbar zu klassifizieren,<br />

da die Differenzierung der Freisetzung von Radionukliden<br />

unterhalb der Dosisleistungsschwelle<br />

völlig ohne Belang ist und somit die Geeignetheit<br />

der Standorte dann als gleich zu bewerten<br />

ist. Sicherheitsanalysen sind hier die geeignete<br />

quantitative Bewertungsgrundlage anstelle qualitativer<br />

subjektiver Bewertungen auf Basis eines<br />

diskursiven Verfahrens.<br />

Ergebnis:<br />

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich mit dem<br />

Verfahren in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung<br />

überhoben. Es bedarf also im Sinne eines lernenden<br />

Verfahrens einer neuen Ausgestaltung des Vorgehens.<br />

In seiner jetzigen Form ist das Verfahren als<br />

gescheitert zu betrachten. Insofern drängt sich auf,<br />

die Suche nach einem bestmöglichen Standort aufzugeben<br />

und stattdessen einen geeigneten Standort<br />

zu ermitteln.<br />

Notwendige Konsequenzen aus dem<br />

Scheitern des Standortauswahlverfahrens<br />

Es bedarf tiefgreifender Korrekturen, wenn das<br />

Standortauswahlverfahren durchführbar gemacht<br />

werden soll. Die größte Verfahrenssicherheit wird erreicht,<br />

wenn das StandAG eine Novellierung erfährt,<br />

wohl wissend, dass dies eine politische Heraus<strong>for</strong>derung<br />

darstellt. Dafür sollen Eckpunkte benannt<br />

werden, die bei unveränderter An<strong>for</strong>derung an die<br />

Sicherheit des Endlagers für eine Beschleunigung<br />

des Verfahrens essentiell sind:<br />

1. Sicherheit und Generationengerechtigkeit sind<br />

gleichrangige Ziele. Die Generationengerechtigkeit<br />

ist eng verknüpft mit der Frage des zulässigen<br />

Zeitbedarfs. Die An<strong>for</strong>derung, dass der gewählte<br />

Standort geeignet sein muss, ist fundamental.<br />

2. Aufgabe des Ziels, einen sogenannten „bestmöglichen“<br />

Standort zu identifizieren. Dies<br />

bedeutet, Fokussierung auf die Identifizierung<br />

eines geeigneten Standorts anstelle eines<br />

bestmöglichen Standortes. Da unterhalb einer<br />

Dosisleistungsschwelle alle Standortregionen<br />

unter Sicherheitsaspekten als gleich zu bewerten<br />

sind, bietet ein bestmöglicher Standort auch keine<br />

sicherheitstechnischen Vorteile.<br />

3. Die Vorauswahl eignungshöffiger Standortregionen<br />

wird beschränkt auf Regionen, für die eine<br />

hinreichende Datengrundlage gegeben ist. Sämtliche<br />

Gebiete, für die keine hinreichenden Daten<br />

verfügbar sind, werden zurückgestellt; sie werden<br />

nur berücksichtigt, falls sich keine Mindestanzahl<br />

geeigneter Standortregionen findet.<br />

4. Ein wirtsgesteinsübergreifender Vergleich sollte<br />

vor der Bewertung von Teilgebieten erfolgen.<br />

Die Anzahl der Wirtsgesteine ist frühestmöglich<br />

einzugrenzen. Nur so ist eine nennenswerte<br />

Verfahrensbeschleunigung möglich, die ohne Einengung<br />

der Standortregionen nicht erfolgen kann.<br />

Ein Endlager, basierend allein auf der Behältersicherheit,<br />

ist auszuschließen, da dies a priori nicht<br />

für einen eignungshöffigen, sondern einen die An<strong>for</strong>derungen<br />

nicht erfüllenden Standort erfolgt.<br />

5. Die Anzahl der übertägig/untertägig zu erkundenden<br />

Standorte sollte gesetzlich begrenzt<br />

werden. Die Bearbeitungsdauer für Vorhabensträger,<br />

Genehmigungsbehörde und für das<br />

Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren sollte befristet<br />

werden.<br />

6. Das Verfahren muss transparent und die beteiligten<br />

Institutionen unabhängiger voneinander<br />

werden. Eine notwendige Voraussetzung ist, dass<br />

Vorhabensträger, Genehmigung/Aufsicht und<br />

Forschung in unterschiedlichen Ministerien angesiedelt<br />

werden.<br />

7. Die wissenschaftliche Begleitung sollte verwaltungstechnisch<br />

außerhalb Vorhabensträger und<br />

Genehmigungs-/Aufsichtsbehörde angesiedelt<br />

werden. Dagegen abzugrenzen sind notwendige<br />

projektspezifische Forschungs- und Entwicklungsarbeiten,<br />

die zweckmäßigerweise bei BGE und<br />

BASE angesiedelt bleiben sollten.<br />

8. Die Einbindung von weiterer Fachkompetenz<br />

beim NBG ist notwendig, damit das NBG zukünftig<br />

die ihr zugewiesene Rolle auch wahrnehmen<br />

kann.<br />

Stellungnahme des BMUV zum Zeitplan<br />

Das BMUV hat mit Stand 22.<strong>03.2023</strong> 17 eine Stellungnahme<br />

zu Fragen des Planungsteams Forum<br />

Endlagersuche veröffentlicht. In dem Schreiben teilt<br />

das BMUV mit, dass<br />

p es trotz des langen Zeithorizonts wichtig ist, realistische<br />

Zeitplanungen für einzelne Projektphasen<br />

benennen zu können,<br />

p die bestmögliche Sicherheit wichtiger ist als eine<br />

Zeitvorgabe,<br />

p auf der Grundlage des Gesetzes das Vorgehen im<br />

Hinblick auf Beschleunigungspotentiale zu bewerten<br />

sei,<br />

p eine substanzielle Einschränkung der Beteiligungsmöglichkeiten<br />

kommt für das BMUV nicht<br />

in Frage,<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 21<br />

17 BASE-Stellungnahme zum Zeitplan des Standortauswahlverfahrens, Schreiben an das Planungsteam Forum Endlagersuche, BMUV, Bonn, 22.<strong>03.2023</strong><br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Ist das Standortauswahlverfahren gescheitert? – Der Realitätsschock ı Bruno Thomauske


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 22<br />

p für eine Anpassung der Auswahlkriterien sieht<br />

das BMUV keinen Anlass,<br />

p ob Anpassungen für die weiteren Phasen sinnvoll<br />

sind, könnte am Ende der ersten Phase entschieden<br />

werden.<br />

Das BMUV plant zur Evaluation des Standortauswahlverfahrens<br />

sowie zum Zeitplan die Einrichtung<br />

eines Arbeitskreises.<br />

Das BMUV verfolgt eine „weiter-so“ Strategie. Weder<br />

Abstriche an der An<strong>for</strong>derung, einen bestmöglichen<br />

Standort zu ermitteln, noch Einschränkungen bei<br />

den Beteiligungsmöglichkeiten werden zugelassen.<br />

Ansätze, wie eine relevante Zeitverkürzung daraus<br />

resultieren soll, werden nicht benannt. Insofern<br />

bleibt der Zeithorizont für die Lösung der Endlagerfrage<br />

das nächste Jahrhundert und damit die<br />

Übertragung der Lasten auf zukünftige Generationen.<br />

Im Unterschied zu anderen Ländern, denen ein<br />

verantwortungsvoller Umgang mit den radioaktiven<br />

Abfällen nicht abgesprochen wird und auch nicht abgesprochen<br />

werden kann, bleibt die Bundesrepublik<br />

Deutschland bei ihrem eingeschlagenen Sonderweg.<br />

Die Einschätzung drängt sich auf, dass die Lebensdauer<br />

dieses eingeschlagenen Weges um ein<br />

Vielfaches kürzer sein wird als der ins Auge gefasste<br />

Zeitrahmen für die Einrichtung eines Endlagers<br />

für hochradioaktive Abfälle.<br />

Fazit<br />

Die Verfasser des StandAG und die Endlager-Kommission<br />

haben ein Ideal postuliert. Das Verfahren<br />

sollte zu einem Standort mit bestmöglicher Sicherheit<br />

in ganz Deutschland führen, bezahlbar bleiben,<br />

Akzeptanz durch weitestgehende Partizipation gewährleisten,<br />

in einem überschaubaren Zeitrahmen<br />

realisierbar sein und dabei allein vom Staat bzw.<br />

staatlichen Institutionen durchgeführt werden.<br />

Ein Neustart ist er<strong>for</strong>derlich, wenn die Lösung der<br />

Endlagerfrage nicht in unzulässiger Weise auf zukünftige<br />

Generationen und in eine ferne Zukunft<br />

verschoben werden soll. Wenn dies in dieser Regierungskonstellation<br />

nicht möglich sein sollte, bleibt<br />

nur abzuwarten, bis die offen zu Tage liegenden Erkenntnisse<br />

auch politisch Berücksichtigung finden.<br />

Die Fiktion von einem verfügbaren Endlager im<br />

Jahre 2050 wurde sehr schnell von der Realität eingeholt.<br />

Dass die Konsequenz jetzt in der Akzeptanz<br />

sehr viel längerer Zeitdauern liegt, zeigt die aktuelle<br />

politische Handlungsunfähigkeit.<br />

Autor<br />

Prof. em. Dr. Bruno Thomauske<br />

Geschäftsführer nuclear safety engineering GmbH &<br />

Gesellschafter sowie Geschäftsführer AiNT GmbH<br />

b.thomauske@t-online.de<br />

Herr Thomauske hat von 1970 bis 1978 an der Universität Freiburg Physik studiert<br />

und wurde dort im Bereich Hochenergiephysik im Jahr 1983 promoviert. Im<br />

Rahmen seiner Doktorarbeit war er von 1978 bis 1980 am CERN beschäftigt.<br />

Von 1983 bis 2003 hat Herr Thomauske für das Bundesamt für Strahlenschutz<br />

(BfS) gearbeitet. In dieser Zeit war er Leiter des Fachbereichs „Nukleare Entsorgung<br />

und Transport" und verantwortlich für die Endlagerprojekte „Gorleben“,<br />

„Konrad“ und „Morsleben“ sowie für den Betrieb des Endlagers Morsleben.<br />

Von 2003 bis 2007 war Herr Thomauske Geschäftsführer der Vattenfall Europe<br />

<strong>Nuclear</strong> Energy GmbH sowie der Kernkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel<br />

danach von 2008 bis Februar 2015 ordentlicher Professor an der RWTH Aachen<br />

und Leiter des Instituts für Nukleare Entsorgung und Techniktransfer (NET).<br />

Herr Thomauske war von 1999 bis 2002 Mitglied des Arbeitskreises Auswahlverfahren<br />

Endlagerstandorte (AkEnd) und von 2014 bis 2016 Mitglied der Kommission<br />

Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe Endlagerkommission).<br />

Seit 2015 ist Herr Thomauske als Berater in den Bereichen Rückbau, Endlagerung<br />

und Energiewirtschaft national und international tätig. Zudem ist er Geschäftsführer<br />

der nuclear safety engineering GmbH sowie Gesellschafter und seit 2023<br />

Geschäftsführer der AiNT GmbH.<br />

.<br />

Im Ergebnis lässt sich bereits nach 5 Jahren Standortsuche<br />

feststellen, dass sämtliche dieser Ziele<br />

verfehlt werden. Das Verfahren muss in dieser Form<br />

als gescheitert bewertet werden.<br />

Das Verfahren ist somit an einem Kipppunkt<br />

angelangt, zu dem tiefgreifende Änderungen vorzunehmen<br />

sind, um die Endlagerfrage überhaupt<br />

einer Lösung zuführen zu können. Die Endlagerkommission<br />

hat diese Gefahr zwar nicht vollständig<br />

ausgeblendet, sie hat aber hierfür keinen Lösungsansatz<br />

vorgedacht. Dieses Versäumnis der Kommission<br />

muss jetzt in Form eines öffentlichen Diskurses nachgeholt<br />

werden.<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Ist das Standortauswahlverfahren gescheitert? – Der Realitätsschock ı Bruno Thomauske


LEITUNG RÜCKBAUPROJEKTE (M/W/D)<br />

INGENIEUR/MASTER | TECHNISCHER STUDIENGANG<br />

WER WIR SIND?<br />

Wir, die JEN Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen mbH, stellen uns jeden Tag der spannenden Heraus<strong>for</strong>derung, die<br />

gesellschaftliche Aufgabe des kerntechnischen Rückbaus und die zuverlässige Entsorgung radioaktiver Abfälle und Reststoffe<br />

zu sichern.<br />

Sie sind auf der Suche nach einer spannenden und abwechslungsreichen Aufgabe in einem interessanten Arbeitsumfeld?<br />

Dann verstärken Sie unsere kompetenten Teams bei der Erfüllung dieser verantwortungsvollen Aufgabe.<br />

DER RÜCKBAU KERNTECHNISCHER EINRICHTUNGEN IST EINE ZUKUNFTSAUFGABE<br />

FÜR GENERATIONEN. HELFEN SIE DABEI MIT UND WERDEN TEIL UNSERES TEAMS!<br />

Die JEN gehört zur EWN-Gruppe und wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie durch das Ministerium<br />

für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen finanziert.<br />

Die Hauptabteilung Rückbauprojekte ist eine von fünf Hauptabteilungen der JEN und verantwortlich für den Rückbau aller kerntechnischen<br />

Anlagen am Standort Jülich, die im Rahmen der Bedarfsanpassung nicht mehr benötigt werden. Dazu gehören die<br />

großen Nuklearanlagen wie die Forschungsreaktoren, AVR und FRJ-2, und die Heißen Zellen, GHZ und Chemiezellen, aber auch<br />

diverse Kontrollbereiche, die nach Atomgesetz und Strahlenschutzverordnung genehmigt sind.<br />

Die Hauptabteilung Rückbau umfasst aktuell sechs Abteilungsleitungs- und zwölf Gruppenleitungsfunktionen sowie rund 130<br />

Mitarbeitende mit überwiegend technischen und naturwissenschaftlichen Qualifikationen.<br />

Bei allen Projekten ist die Hauptabteilung verantwortlich für den genehmigungskon<strong>for</strong>men Restbetrieb der Anlagen einerseits<br />

und für die Planung und Durchführung des Rückbaus andererseits. Grundsätzlich wird beim Rückbau das Ziel verfolgt, die<br />

betroffenen Anlagen aus dem Anwendungsbereich des atomrechtlichen Regelwerks zu entlassen und – sofern keine Folgenutzung<br />

des Gebäudes angestrebt wird – die so genannte „Grüne Wiese“ herzustellen.<br />

WAS BIETEN WIR?<br />

Sicherer Arbeitsplatz mit<br />

Zukunft, wir sind Zuwendungsempfänger<br />

der öffentlichen<br />

Hand<br />

Möglichkeit zur Telearbeit<br />

und zum Mobilen Arbeiten<br />

Betriebliche Altersvorsorge<br />

bezuschusst vom Arbeitgeber<br />

(VBL)<br />

Unterstützung von Fortund<br />

Weiterbildungsmaßnahmen<br />

Naturnahes<br />

Arbeitsumfeld<br />

Jährlich bis zu 32 Tage<br />

Erholungsurlaub plus<br />

Brückentagsregelung<br />

WAS IST ZU TUN?<br />

• Leitung der Hauptabteilung in fachlicher, personeller und<br />

organisatorischer Hinsicht<br />

• Budgetverantwortung in derzeitiger Höhe von rund 31 Mio. Euro jährlich<br />

• Leitung, Koordination und Überwachung der organisatorischen,<br />

verwaltungstechnischen und betriebswirtschaftlichen Aufgaben in der<br />

Hauptabteilung<br />

• Veranlassung und Sicherstellung aller Maßnahmen, die zur Gewährleistung<br />

eines genehmigungskon<strong>for</strong>men Restbetriebs und Rückbaus der kerntechnischen<br />

Anlagen unter Einhaltung der gesetzlichen und atombehördlichen<br />

Bestimmungen er<strong>for</strong>derlich sind<br />

• Durchführung von Marketing- und Akquise-Maßnahmen in Hinblick auf die<br />

externe Vermarktung von Rückbauleistungen<br />

WAS BRINGEN SIE MIT?<br />

• Erfolgreich abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium im Bereich<br />

Maschinenbau, Verfahrenstechnik, technische Physik oder einer vergleichbaren<br />

Fachrichtung oder alternativ ein erfolgreich abgeschlossenes Fachhochschulstudium<br />

in den o.g. Fachrichtungen mit entsprechend langjähriger einschlägiger<br />

Berufserfahrung<br />

• Langjährige einschlägige Berufserfahrung im kerntechnischen Rückbau<br />

• Nachweisliche Erfahrungen in der Verhandlung und im Umgang mit Behörden<br />

und Gutachtern<br />

• Langjährige Führungserfahrung und -verantwortung<br />

• Durchsetzungsvermögen bei gleichzeitiger sozialer Kompetenz und Teamfähigkeit<br />

• Kenntnisse der einschlägigen Regelwerke wünschenswert<br />

• Atemschutztauglichkeit nach G26.2, körperliche Belastbarkeit und Arbeitsmedizinische<br />

Untersuchung nach G25, für Arbeiten im Kontrollbereich<br />

• Gute englische Sprachkenntnisse in Wort und Schrift<br />

INTERESSE GEWECKT?<br />

Unterschiede bereichern uns. Wir fördern Chancengerechtigkeit.<br />

Wir begrüßen die Bewerbungen schwerbehinderter Menschen.<br />

Bitte bewerben Sie sich mit Ihren vollständigen und aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen, unbedingt mit Angabe Ihrer Gehaltsvorstellungen<br />

und dem frühestmöglichen Eintritt, per E-Mail an personal@jen-juelich.de bis zum 01.06.2023 mit der Kennziffer 1-060.<br />

JEN | Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen mbH<br />

Personalwesen<br />

www.jen-juelich.de


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

24<br />

SITE SPOTLIGHT<br />

Es dampft nicht mehr:<br />

Das Kernkraftwerk Isar 2<br />

ist abgeschaltet.<br />

Das Kernkraftwerk Isar 2 –<br />

Letzter Vorhang<br />

für einen Weltmeister<br />

Mit der Abschaltung der Kernkraftwerke Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2 am<br />

15. April 2023 endet in Deutschland die Ära der Stromerzeugung durch Kernkraft –<br />

und damit die jahrzehntelange zuverlässige Stromversorgung von Millionen von Haushalten<br />

bei Wind und Wetter, bei Tag und bei Nacht.<br />

Welche Lücke das Abschalten der Kernkraftwerke reißt, dessen ist man sich insbesondere am<br />

Industriestandort Bayern schmerzlich bewusst: Denn mit Isar 2 verschwindet nicht nur ein zuverlässiger<br />

Stromversorger, sondern zukünftig auch ein für die Region bedeutender Steuerzahler. Bleiben<br />

wird, auch während des Rückbaus, ein Arbeitgeber und Geschäftspartner zahlreicher kleiner<br />

und mittelständischer Unternehmen – und die Erinnerung an einen mehrfachen Weltmeister der<br />

Stromerzeugung, der nach 35 Jahren sicheren Leistungsbetriebs (unfreiwillig) die Bühne verlässt.<br />

Isar 1 setzt von Anfang an Maßstäbe<br />

Rückblick auf das Jahr 1971: Im November erhält die<br />

Kraftwerk Union AG als Generalunternehmer offiziell<br />

den Auftrag zum Bau eines Kernkraftwerks in der Gemarkung<br />

Ohu am Ufer der Isar. Schon im Dezember<br />

rücken die Bagger an, auch wenn die atomrechtliche<br />

Errichtungsgenehmigung erst im April 1972 folgt.<br />

Aufgrund des gleichnamigen Flusses setzt sich der<br />

Name Kernkraftwerk Isar (KKI) statt Kernkraftwerk<br />

Ohu durch. Knapp zwei Jahre später, am 15. Oktober<br />

1973, wird das offizielle Richtfest gefeiert. Die erste<br />

Druckprobe für den Reaktordruckbehälter erfolgt im<br />

Mai 1975, und am 3. Dezember 1977 speist das Kraftwerk<br />

seine erste Kilowattstunde Strom ins Netz. Auf<br />

Volllast fährt Isar 1 erstmals im Mai 1978. Am 21. März<br />

1979 erfolgt die offizielle Übergabe an die Eigentümer<br />

Bayernwerk AG und Isar-Amperwerke AG. Der<br />

kommer zielle Leistungsbetrieb des Kraftwerks beginnt.<br />

Der Siedewasserreaktor, Baulinie 69, erbringt<br />

eine Nennleistung von 912 Megawatt brutto.<br />

Die junge Kraftwerksanlage setzt von Anfang an Maßstäbe<br />

und erhält 1979 als weltweit erstes Kernkraftwerk<br />

ein Fernüberwachungssystem. 1983 wird Isar 1<br />

zum ersten Mal Weltmeister in der Arbeitsausnutzung.<br />

In den Jahren 2000 und 2001 läuft der Reaktor insgesamt<br />

520 Tage lang im ununterbrochenen Dauerbetrieb.<br />

Während seiner knapp 32-jähringen Leistungsbetriebsphase<br />

erreicht das KKI 1 eine Verfügbarkeit<br />

von durchschnittlich 83 Prozent und erzeugt rund 207<br />

Milliarden Kilowattstunden Strom. Diese Strommenge<br />

würde ausreichen, um die Stadt München 29 Jahre<br />

lang mit Strom zu versorgen.<br />

Nach dem Reaktorunfall in Fukushima Daiichi<br />

kommt das plötzliche Aus: Als eines von sieben<br />

Site Spotlight<br />

Kernkraftwerk Isar: Letzter Vorhang für einen Weltmeister


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

Montage des<br />

Sicherheitsbehälters<br />

des KKI 1.<br />

Kernkraftwerken in Deutschland wird Isar 1 auf staatliche<br />

Anweisung am 17. März 2011 abgeschaltet. Die<br />

Berechtigung zum Leistungsbetrieb gemäß Atomgesetz<br />

erlischt am 6. August 2011. Das für die Atomaufsicht<br />

zuständige Bayerische Staatsministerium für Umwelt<br />

und Verbraucherschutz erteilt im Januar 2017 die<br />

erste Stilllegungs- und Abbaugenehmigung. Seitdem<br />

befindet sich das KKI 1 im Rückbau.<br />

Isar 2 bricht alle Rekorde<br />

Am 20. Juli 1988 nutzt der damalige Ministerpräsident<br />

Bayerns Franz Josef Strauß den feierlichen<br />

Eröffnungsakt des KKI 2 für ein engagiertes Plädoyer:<br />

Neben der energiewirtschaftlichen Rolle stehe „mehr<br />

denn je die umweltpolitische Bedeutung der Kernenergie<br />

im Vordergrund“. Insbesondere gelte es,<br />

einen Beitrag zur Reduzierung des Treibhauseffekts<br />

zu leisten. Die 1.500 Ehrengäste hören<br />

Bemerkenswertes: Mit Gesamtkosten in Höhe<br />

von 4,75 Milliarden DM ist das neue Kernkraftwerk<br />

um etwa 550 Millionen günstiger<br />

geworden als geplant. Und trotz dreimonatiger<br />

Bauunterbrechung im Jahr 1984 aufgrund<br />

eines Urteils des Verwaltungsgerichts<br />

Regensburg wird Isar 2 in der Rekordzeit von<br />

nur gut fünfeinhalb Jahren fertiggestellt.<br />

Rund sechs Monate vor Strauß’ Rede – am 22.<br />

Januar 1988 um 15:55 Uhr – speist das KKI 2 erstmals<br />

Strom ins öffentliche Netz ein. Im April wird das Kraftwerk<br />

den Betreibern übergeben. Das sind damals die<br />

Bayernwerk AG mit einem Anteil von 40 Prozent, die<br />

Stadtwerke München GmbH und die Isar-Amperwerke<br />

AG zu je 25 Prozent sowie die Energieversorgung Ostbayern<br />

mit zehn Prozent.<br />

Bis zum Ende des Leistungsbetriebs sind die Stadtwerke<br />

München immer noch mit 25 Prozent beteiligt, die<br />

übrigen 75 Prozent liegen in der Hand der Preussen-<br />

Elektra GmbH.<br />

Der Druckwasserreaktor macht das KKI 2 zu einem<br />

wahren Kraftpaket: Isar 2 hat eine elektrische Leistung<br />

von 1.485 Megawatt brutto. Mit einer jährlichen<br />

Stromproduktion von etwa zwölf Milliarden Kilowattstunden<br />

liefert es allein rund zwölf Prozent des in<br />

Bayern verbrauchten Stroms. 3,5 Millionen Haushalte<br />

werden zuverlässig und rund um die Uhr mit CO 2 -armem<br />

Strom versorgt. Die gute Regelfähigkeit des KKI 2<br />

trägt dazu bei, die schwankende Einspeisung regenerativer<br />

Energien zu kompensieren und so das Netz zu<br />

stabilisieren. Während ihrer Betriebszeit erreicht die<br />

Anlage zehnmal den Titel „Jahresweltmeister in der<br />

Brutto-Stromproduktion“.<br />

Seit seiner Inbetriebnahme bis zum November 2022<br />

produziert das KKI 2 insgesamt 400 Milliarden Kilowattstunden<br />

Strom. Rechnerisch<br />

könnte man mit dieser Strommenge<br />

die Stadt München für etwa<br />

Großbaustelle des KKI 2:<br />

vorne das Maschinenhaus,<br />

dahinter das Reaktorgebäude.<br />

57 Jahre versorgen. Damit ist das<br />

KKI 2 weltweit erst der zweite<br />

Kernkraftwerksblock, der diesen Rekord erreicht. Vor<br />

dem KKI 2 gelingt dies im Frühjahr 2021 nur der ebenfalls<br />

von PreussenElektra betriebenen Anlage Grohnde<br />

in Niedersachsen.<br />

In den rund 35 Jahren seines Betriebs erspart das KKI 2<br />

der Umwelt 400 Millionen Tonnen CO 2 , die bei einer<br />

Verstromung durch Kohle- und Gaskraftwerke stattdessen<br />

entstanden wären.<br />

Aufgrund der sich Anfang 2022 abzeichnenden<br />

Energiekrise, unter anderem ausgelöst durch den<br />

25<br />

SITE SPOTLIGHT<br />

Site Spotlight<br />

Kernkraftwerk Isar: Letzter Vorhang für einen Weltmeister


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

26<br />

SITE SPOTLIGHT<br />

Die Mannschaft macht den<br />

Erfolg: Die Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter des KKI<br />

verabschieden sich.<br />

kriegerischen Überfall Russlands auf die Ukraine, beschließt<br />

die Bundesregierung die Änderung des Atomgesetzes.<br />

Statt wie ursprünglich vorgesehen zum 31.<br />

Dezember 2022, beendet das Kernkraftwerk Isar 2 zusammen<br />

mit den Anlagen Neckarwestheim 2 und Emsland<br />

seinen Leistungsbetrieb erst am 15. April 2023.<br />

Isar 1 und Isar 2 wachsen zusammen<br />

Bis in die 1990er Jahre sind Isar 1 und Isar 2 zwei komplett<br />

verschiedene Kraftwerke, ersteres betrieben<br />

durch die Isar-Amperwerke AG, letzteres durch die<br />

Bayernwerk AG. Im Zuge von Privatisierung und Unternehmenskonzentration<br />

gelangen KKI 1 und KKI 2 im<br />

Jahr 1994 zunächst unter das gemeinsame Dach der<br />

VIAG. Dabei wird schnell klar: Zahlreiche Strukturen<br />

und Einrichtungen existieren doppelt – etwa Labore<br />

für Chemie, Wasser oder Strahlenschutz. Auch Wachzentrale,<br />

Feuerwehrhaus, Sanitätsstation und Kantine<br />

sind zweifach vorhanden. Im Februar 1998 beginnt<br />

das Projekt, beide Teile in ein Ganzes zu überführen.<br />

Am 30. Oktober 1999 wird die „Vereinigung“ der beiden<br />

Kraftwerksblöcke im Rahmen einer kleinen Feier<br />

offiziell vollzogen. Vollendet ist sie damit jedoch noch<br />

nicht: Insgesamt dauert es gut vier Jahre, bis Organisation<br />

und Einrichtungen vollständig verschmolzen sind.<br />

Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von KKI 1<br />

und KKI 2 müssen sich erst an die neue Struktur gewöhnen.<br />

Trotz anfänglicher Widerstände finden die KKI-ler<br />

aber schnell zusammen und sind – bis zum heutigen<br />

Tag – eine Kraftwerksfamilie.<br />

Das KKI als Spielball der Politik<br />

Für seine enorme Leistungsfähigkeit, seine hohen Sicherheitsstandards<br />

sowie für die außergewöhnlich<br />

gute Konstruktion und Auslegung der Anlage genießt<br />

das KKI seit jeher weltweit größte Anerkennung. Dabei<br />

wird manchmal übersehen, wessen Verdienst dieser Erfolg<br />

eigentlich ist: Es sind die Menschen, die im und für<br />

das Kernkraftwerk Isar gearbeitet haben und bis heute<br />

arbeiten. Der Erfolg des Kraftwerks ist ihre Lebensleistung.<br />

Wir sollten auch in Zukunft nicht versäumen, diejenigen<br />

zu würdigen, die unser Land über Jahrzehnte<br />

sicher und zuverlässig mit Strom versorgt haben.<br />

Dass das Ende des Leistungsbetriebs und der Beginn<br />

des Rückbaus für die nunmehr noch rund 460 Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter im KKI eine enorme Veränderung<br />

und auch eine berufliche Zäsur darstellt, wurde<br />

insbesondere während der unsäglichen Laufzeitdebatte<br />

des vergangenen Jahres geflissentlich unter den<br />

Teppich gekehrt. Stattdessen bemühten Medien und<br />

Politik die immer gleichen Scheinargumente („Tschernobyl<br />

und Fukushima haben gezeigt, …!“), um das Narrativ<br />

der „Hochrisikotechnologie“ weiter am Leben zu<br />

erhalten. Oder sie <strong>for</strong>derten leichthin das Verfügbarhalten<br />

der verbliebenen Kernkraftwerke als „Reserve“<br />

– als handele es sich bei kerntechnischen Anlagen um<br />

simple Geräte mit An-/Aus-Schalter.<br />

Bewusst ausgeblendet haben Medien und Atomkraft-<br />

Kritiker auch – und das bereits seit Jahrzehnten – dass<br />

es eine Entscheidung der Politik und nicht der Betreiber<br />

war, Kernkraftwerke in Deutschland zu bauen und zu<br />

betreiben. Für die Menschen, die in der Kernenergiebranche<br />

tätig waren und sind, hat diese Geschichtsvergessenheit<br />

bis zum heutigen Tag zur Folge, dass sie sich<br />

– selbst im privaten Umfeld – nicht selten für ihre Berufswahl<br />

oder ihren Arbeitgeber rechtfertigen müssen.<br />

Würdigung ihrer beruflichen Verdienste? Fehlanzeige.<br />

Dass die Politik sich angesichts einer – nicht nur, aber<br />

auch – hausgemachten Energiekrise ausgerechnet der<br />

Leistungsfähigkeit ihrer Kernkraftwerke erinnert und<br />

damit, wenngleich unfreiwillig, auch die Leistung der<br />

Kraftwerksmannschaften anerkennt, ist eine bittere<br />

Erkenntnis. Die Zukunft wird zeigen, ob eine Industrienation<br />

wie Deutschland es sich dauerhaft leisten kann,<br />

auf grundlastfähige Energieerzeugung zu verzichten.<br />

Site Spotlight<br />

Kernkraftwerk Isar: Letzter Vorhang für einen Weltmeister


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

Genese, Status quo und Zukunft<br />

der Zwischenlagerung bestrahlter<br />

Brennelemente und hochradioaktiver<br />

Abfälle in Deutschland<br />

Nicolas Wendler<br />

Der gegenwärtige Zustand der Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente und hochradioaktiver Abfälle<br />

(HAW) aus der Nutzung der Kerntechnik und insbesondere weit überwiegend der Stromerzeugung mit<br />

Kernkraft seit 1961 ist heterogen, unsystematisch und zersplittert.<br />

Es gibt drei unterschiedlich genutzte zentrale Zwischenlager, 12 dezentrale Zwischenlager an einem Teil<br />

der (ehemaligen) Standorte von denen eines bestrahlte Brennelemente eines anderen Standorts beherbergt,<br />

in einem auch verfestigte hochradioaktive Spaltproduktlösung aus der Wiederaufarbeitung im Ausland<br />

eingelagert ist, zwei weitere solche Abfälle ebenfalls aufnehmen sollen und ein drittes nach einem<br />

Tauschgeschäft mit Frankreich auch hochradioaktive statt wie zwischenzeitlich geplant mittelaktive Spaltproduktlösung<br />

aufnehmen soll.<br />

Darüber hinaus gibt es noch das AVR-Behälterlager in Jülich für die verbrauchten Kugelbrennelemente dieses<br />

Prototypen. Zwei von diesen 16 Einrichtungen haben keine gültigen Genehmigungen mehr, sondern nur<br />

noch behördliche Duldungen. Damit steht die Zwischenlagerung zwar in guter deutscher Tradition, erinnert<br />

sie doch in ihrer Struktur an die Beschreibung der Verfassung des Heiligen Römischen Reiches durch<br />

Samuel Pufendorf als „irregulare aliquod corpus et monstro simile“, also als irregulären und einem Monstrum<br />

ähnlichen Körper. Wie die Reichsverfassung ist die Zwischenlagerung eben nicht Ergebnis einer planerischen<br />

Konzeption, sondern vielmehr der historischen Entwicklung, man könnte auch sagen der Irrungen<br />

und Wirrungen der deutschen Kernenergie- und Entsorgungspolitik. Neben der tatsächlichen Änderung<br />

von Rahmenbedingungen im Lauf der Jahrzehnte ist diese Politikentwicklung auch maßgeblich von der<br />

Konfrontation mit fundamentalistischer Kernenergiegegnerschaft und den politischen (Ausweich-)Reaktionen<br />

darauf geprägt.<br />

DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 27<br />

Historisch-politische Genese des deutschen<br />

HAW-Zwischenlagersystems<br />

Am Beginn der umfangreichen kommerziellen<br />

Nutzung der Kernkraft in der ersten Hälfte der<br />

siebziger Jahre verfolgte Deutschland ein Entsorgungskonzept<br />

wie es in Frankreich noch heute<br />

verfolgt wird. Das bedeutet verpflichtende Wiederaufarbeitung<br />

von bestrahltem Kernbrennstoff,<br />

Wiederverwendung der nutzbaren Komponenten<br />

des Kernbrennstoffs, Plutonium und Uran, sowie<br />

Entsorgung der in einer Glasmatrix verfestigten<br />

Spaltproduktlösung und der Brennelement-Strukturteile<br />

als hoch- bzw. mittelradioaktive Abfälle in<br />

einem geologischen Tiefenlager, das als langfristig<br />

wartungsfreies Endlager konzipiert wird. Diesem<br />

Konzept entsprechend wurde auch eine Wiederaufarbeitungsanlage<br />

für Deutschland geplant und<br />

die dafür er<strong>for</strong>derliche Technologie eigenständig<br />

am damaligen Kern<strong>for</strong>schungsinstitut Karlsruhe<br />

entwickelt und am Prototyp der Wiederaufarbeitungsanlage<br />

Karlsruhe erprobt.<br />

Entsorgungsnachweis und Nationales<br />

Entsorgungszentrum<br />

Der im Jahr 1976 in das Atomgesetz aufgenommene<br />

Entsorgungsnachweis als Voraussetzung<br />

für den Betrieb von Kernkraftwerken bezog sich<br />

ebenfalls auf dieses Entsorgungskonzept und verpflichtete<br />

die Betreiber zur Wiederaufarbeitung der<br />

bestrahlten Brennelemente. Abweichend von Frankreich<br />

plante man in Deutschland einen integrierten<br />

Standort für Wiederaufarbeitung, Konditionierung,<br />

zentrale Zwischenlagerung und Endlagerung der<br />

hochradioaktiven Abfälle. Dieses Konzept eines<br />

Nationalen Entsorgungszentrums (NEZ) prägte<br />

auch das damalige Standortauswahlverfahren der<br />

Kernbrennstoff-Wiederaufarbeitungs-Gesellschaft<br />

mbH (KEWA) ab 1974 und des Interministeriellen<br />

Arbeitskreises (IMAK) der niedersächsischen Landesregierung,<br />

die mit den Standortvorschlägen der<br />

KEWA nicht einverstanden war. Bei beiden Standortauswahlverfahren<br />

wurden entsprechend nicht<br />

nur Kriterien hinsichtlich der Endlagerung,<br />

sondern auch solche hinsichtlich der Wieder auf -<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Genese, Status quo und Zukunft der Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente und hochradioaktiver Abfälle in Deutschland ı Nicolas Wendler


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 28<br />

| Brennelement-Lagerbecken der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague.<br />

Foto: Orano<br />

arbeitungsanlage berücksichtigt. Die niedersächsische<br />

Landesregierung schlug schließlich auf dieser<br />

Grundlage 1977 den Standort Gorleben vor, der von<br />

der Bundesregierung trotz Bedenken wegen der Nähe<br />

zur damaligen innerdeutschen Grenze akzeptiert<br />

wurde. Obgleich der Landkreis Lüchow-Dannenberg<br />

den Vorschlag begrüßte und die „Gorleben-Kommission“<br />

ein als Forum für die am Vorhaben beteiligten<br />

Institutionen, Lokalpolitiker und die Öffentlichkeit<br />

einrichtete zeigte sich sehr bald insbesondere gegen<br />

die Wiederaufarbeitungsanlage, die eine sehr große<br />

und im Kontext einer nicht-industriellen, ländlichen<br />

Region überwältigende Industrieanlage darstellt, erheblicher<br />

Wiederstand.<br />

Trennung der Wiederaufarbeitung<br />

von zentraler Zwischenlagerung und<br />

Endlagerung<br />

Wegen dieses Widerstands organisierte die<br />

niedersächsische Landesregierung 1979 ein internationales<br />

Gorleben Hearing. Obgleich beim<br />

Hearing das Konzept eines integrierten Entsorgungszentrums<br />

zunächst positiv bewertet wurde,<br />

schlug die niedersächsische Landesregierung der<br />

Bundesregierung vor, den Standort Gorleben nur<br />

als Erkundungsstandort für ein HAW-Endlager<br />

sowie für ein zentrales Zwischenlager zu nutzen,<br />

da die Wiederaufarbeitungsanlage am Standort<br />

als politisch nicht durchsetzbar bewertet wurde.<br />

Damit war nicht nur der jahrzehntelang als symbolpolitische<br />

Ikone und als Werkzeug einer gegen die<br />

Kernkraftnutzung gerichteten versuchten Verstopfungsstrategie<br />

der Anti-AKW-Bewegung genutzte<br />

Erkundungsstandort Gorleben geboren, sondern<br />

auch das erste zentrale Zwischenlager für hochradioaktive<br />

Abfälle in Deutschland vorbereitet.<br />

Die deutsche Wiederaufarbeitungsanlage sollte unterdessen<br />

in Bayern errichtet werden, nachdem sich<br />

die bayerische Staatsregierung dazu bereit erklärt<br />

hatte. Allerdings war eine Wiederaufarbeitungsanlage<br />

für die Anti-Atombewegung ein Protestziel<br />

höchster Intensität aus vorgeblichen Gründen einer<br />

Proliferationsgefahr, wegen der tatsächlich im<br />

Vergleich zu Kernkraftwerken höheren Abgaben<br />

radioaktiver Stoffe und vor allem weil jeder weitere<br />

Ausbau der „Atomwirtschaft“ und „Plutoniumwirtschaft“<br />

grundsätzlich und unabhängig von allen<br />

technischen, wissenschaftlichen oder politischen<br />

Entwicklungen grundsätzlich abgelehnt wurde.<br />

Aus diesen Gründen und aufgrund einer sehr ungeschickten<br />

kommunikativen Handhabung durch die<br />

bayerische Staatsregierung wurde der ausgewählte<br />

Standort Wackersdorf in der Oberpfalz schnell zu<br />

einem mit Gorleben und dem Kernkraftwerksstandort<br />

Brokdorf vergleichbarem Kristallisationspunkt<br />

der Anti-Atom-Bewegung und generell der damals<br />

sehr aktiven und teils gewaltbereiten Protestszene,<br />

die sich auch gegen den Ausbau des Frankfurter<br />

Flughafens in ähnlicher Weise manifestiert hat.<br />

Wiederaufarbeitung in Frankreich und<br />

Großbritannien statt im Inland<br />

Im Fall der deutschen Wiederaufarbeitungsanlage<br />

haben sich allerdings zeitlich parallel auch<br />

die tatsächlichen Rahmenbedingungen verändert.<br />

So waren das ursprüngliche Nationale<br />

Entsorgungszentrum, das Endlager und die Wiederaufarbeitungsanlage<br />

für ein Kernenergieprogramm<br />

der Größenordnung von rund 50 Gigawatt installierter<br />

Leistung vorgesehen. Tatsächlich wurde aber<br />

im Maximum nur rund die Hälfte dieser Kapazität<br />

realisiert. Zugleich bestanden Ende der achtziger<br />

Jahre in den existierenden Wiederaufarbeitungsanlagen<br />

in Frankreich (La Hague) und Großbritannien<br />

(Sellafield) Überkapazitäten, da weniger Staaten<br />

als ursprünglich angenommen den Weg der Wiederaufarbeitung<br />

von bestrahltem Kernbrennstoff<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Genese, Status quo und Zukunft der Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente und hochradioaktiver Abfälle in Deutschland ı Nicolas Wendler


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

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beschritten haben – dieser Weg verursacht trotz<br />

der Wiederverwertungsmöglichkeit höhere Kosten<br />

– und in einigen Staaten ähnlich wie in Deutschland<br />

weniger Kernkraftkapazität als ursprünglich geplant<br />

errichtet wurde. Für die französische Anlage<br />

bedeutete insbesondere der Abbruch des im Aufbau<br />

begriffenen italienischen Kernenergieprogramms<br />

nach dem Referendum 1987 unter dem Eindruck des<br />

Unfalls von Tschernobyl 1986 einen herben Verlust<br />

an langfristigen Aufträgen. In dieser Gemengelage<br />

wurde 1989 entschieden, das Projekt einer deutschen<br />

Wiederaufarbeitungsanlage nicht weiter zu<br />

verfolgen. Die Verpflichtung der Betreiber zur Wiederaufarbeitung<br />

der bestrahlten Brennelemente<br />

sollte <strong>for</strong>tan durch Verträge mit den Wiederaufarbeitungsanlagen<br />

in Frankreich und Großbritannien<br />

erfüllt werden. Diese wurden durch völkerrechtliche<br />

Verträge ergänzt, die die Rücknahme der den deutschen<br />

Brennelementen zuzuordnenden Abfälle aus<br />

der Wiederaufarbeitung sicherstellen sollten. Schon<br />

zuvor sind abgebrannte Brennelemente zur Wiederaufarbeitung<br />

nach Frankreich und in geringer<br />

Menge nach Großbritannien transportiert worden,<br />

so dass dies bereits ein etablierter Entsorgungsweg<br />

war, der 1989 auch als Erfüllung des Entsorgungsnachweises<br />

anerkannt wurde.<br />

Als Standort für die Aufnahme der zurückzuführenden<br />

Abfälle aus der Wiederaufarbeitung sollte<br />

das 1983 fertig gestellte Transportbehälterlager<br />

(TBL) Gorleben mit 420 Stellplätzen für Transportund<br />

Lagerbehälter für abgebrannte Brennelemente<br />

dienen. Dieses Zwischenlager sollte ursprünglich<br />

als Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente<br />

vor deren Transport zu einer Wiederaufarbeitungsanlage<br />

in Deutschland dienen. Die Genehmigung<br />

für die Einlagerung von hochradioaktiven Abfällen<br />

aus der Wiederaufarbeitung wurde 1995 erteilt, der<br />

erste Transport von abgebrannten Brennelementen<br />

erreichte das TBL im Jahr 1995. 1990 wurde<br />

das Transportbehälterlager Ahaus in Nordrhein-<br />

Westfalen als zweites zentrales Zwischenlager für<br />

bestrahlte Brennelemente und für sonstige radioaktive<br />

Stoffe, insbesondere für die mittelaktiven<br />

Strukturteile der wiederaufgearbeiteten Brennelemente<br />

in Betrieb genommen. Wie im Fall des TBL<br />

Gorleben und der geplanten WAA in Bayern hatte<br />

sich auch hier das Land zur Aufnahme des Zwischenlagers<br />

bereit erklärt. Abgesehen von der endgültigen<br />

Verlagerung der Wiederaufarbeitung ins Ausland<br />

blieb das integrierte Entsorgungskonzept aber zunächst<br />

weiter bestehen.<br />

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DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 29<br />

Eröffnung der direkten Endlagerung<br />

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Dies änderte sich im Jahr 1994 als mit einer<br />

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Decommissioning and Waste Management<br />

Genese, Status quo und Zukunft der Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente und hochradioaktiver Abfälle in Deutschland ı Nicolas Wendler


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 30<br />

| Zwischenlagerstandort Gorleben.<br />

Foto: Adobe<br />

Änderung des Atomgesetzes auch die direkte Endlagerung<br />

bestrahlter Brennelemente als Option<br />

zugelassen wurde, um den Betreibern der Kernkraftwerke<br />

die Wahl zwischen zwei gleichrangigen<br />

Entsorgungsoptionen für bestrahlte Brennelemente<br />

(schadlose Verwertung und geordnete Beseitigung)<br />

zu eröffnen. Hintergrund dürfte auch die Verhandlungsposition<br />

der deutschen Betreiber gegenüber<br />

den Anbietern der Wiederaufarbeitung im Ausland<br />

gewesen sein. Damit konnte der Entsorgungsnachweis<br />

auch mit Verweis auf eine Zwischenlagerung<br />

bestrahlter Brennelemente in Deutschland und<br />

ohne eine vertragliche Bindung hinsichtlich der<br />

Wiederaufarbeitung erfüllt werden. Für die Gleichberechtigung<br />

der direkten Endlagerung und der<br />

Wiederaufarbeitung haben sich sowohl die Betreiber<br />

der Kernkraftwerke als auch die seinerzeit<br />

SPD-geführten Landesregierungen stark gemacht.<br />

Die erstmals im Fall Ahaus genutzte Möglichkeit der<br />

Errichtung weiterer (zentraler) Zwischenlager zunächst<br />

für den Transport zur Wiederaufarbeitung<br />

und ab 1994 auch zur längeren Zwischenlagerung<br />

vor der direkten Endlagerung war bereits im Beschluss<br />

der Regierungschefs von Bund und Länder<br />

zur Entsorgung der Kernkraftwerke von 1979 als<br />

Bestandteil der Entsorgungsvorsorge für Kernkraftwerke<br />

vorgesehen worden.<br />

Obgleich die direkte Endlagerung für die Betreiber<br />

wirtschaftlich Vorteile geboten hat, bestanden<br />

eine Reihe von Unsicherheiten, da es für die direkte<br />

Endlagerung noch kein anerkanntes Konzept in<br />

Deutschland gab und Forschungsvorhaben in diesem<br />

Bereich anhängig waren. Auch war klar, dass<br />

erhebliche weitere Zwischenlagerkapazität für die<br />

im Vergleich zu HAW volumenintensivere Lagerung<br />

| CASTOR®-Behälter im Zwischenlager Gorleben.<br />

Foto: GNS Gesellschaft für Nuklear-Service mbH<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Genese, Status quo und Zukunft der Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente und hochradioaktiver Abfälle in Deutschland ı Nicolas Wendler


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

bestrahlter Brennelemente er<strong>for</strong>derlich werden<br />

würde, da eine Abklingzeit von rund dreißig Jahren<br />

vor der Endlagerung zu beachten ist. Damit verbunden<br />

war auch die Annahme, dass eine endgültige<br />

Entscheidung für einen der beiden Entsorgungswege<br />

für damals frischen Kernbrennstoff erst ab<br />

2030 er<strong>for</strong>derlich würde. Schließlich war auch<br />

nicht sicher, ob im Zeitalter des so genannten ausstiegsorientierten<br />

und faktisch missbräuchlichen<br />

Gesetzesvollzugs bei Anwendung des Atomrechts<br />

alle Landesaufsichtsbehörden eine solche<br />

Zwischenlagerung als ausreichenden Entsorgungsvorsorgenachweis<br />

anerkennen würden. Der Bund<br />

jedenfalls hatte seinerseits keine untergesetzlichen<br />

Klarstellungen zur Absicherung eines solchen Entsorgungsweges<br />

unternommen. Im Ergebnis wurde<br />

von der Möglichkeit der direkten Endlagerung kaum<br />

Gebrauch gemacht und die bis 2005 abgeschlossenen<br />

Verträge mit den Wiederaufarbeitungsanlagen<br />

in Frankreich und Großbritannien wurden weiter<br />

genutzt.<br />

Transporte als taktischer Hebel<br />

Die Anti-Atombewegung hatte im Zusammenhang<br />

mit dem Widerstand gegen das<br />

Endlagerprojekt Gorleben rasch erkannt, dass<br />

der Entsorgungsvorsorgenachweis eine Achillesferse<br />

der Kernenergienutzung in Deutschland<br />

darstellen kann und hat daraus die Verstopfungsstrategie<br />

entwickelt, also das Bestreben durch<br />

Vereitelung der Entsorgungsmöglichkeit den Betrieb<br />

von Kernkraftwerken unmöglich zu machen.<br />

In der Praxis bestanden aber zum einen noch für<br />

längere Zeit freie Kapazitäten in den Abklingbecken<br />

der Kernkraftwerke und vor allem war mit der<br />

Entsorgungsvorsorge durch Wiederaufarbeitungsverträge<br />

mit Verlängerungsoptionen bis 2015 auch<br />

langfristig die Entsorgung im Sinne des Nachweises<br />

gesichert.<br />

Da diese „große“ Verstopfungsstrategie absehbar<br />

nicht funktionieren würde, hat sich die Anti-Atombewegung<br />

dann auf die sachgrundlose Skandalisierung<br />

von Transporten abgebrannter Brennelemente und<br />

insbesondere von Transporten zur Rückführung<br />

von Abfällen aus der Wiederaufarbeitung im Ausland<br />

verlegt. Entsprechend wurde dann der erste<br />

Rückführungstransport nach Gorleben zu einem<br />

Fanal des teils auch gewalttätigen Protestes gegen<br />

die Kernenergie, der deshalb von der Präsenz von<br />

19.000 Polizisten begleitet werden musste. Die Vorgehensweise<br />

der Proteste im Sinn einer maximalen<br />

Eskalation entwickelte sich in den Folgejahren zu<br />

einem Ritual.<br />

Gestoppt wurden allerdings zunächst weder die<br />

Transporte zur Wiederaufarbeitung noch die<br />

Rücktransporte. Ein temporärer Transportstopp<br />

ergab sich vielmehr infolge des so genannten Castor-Skandals<br />

vom April 1998 bei dem es um die<br />

Offenlegung grenzwertüberschreitender Oberflächenkontamination<br />

von Transportbehältern in den<br />

vergangenen Jahren ging. Tatsächlich waren aber<br />

die Transport- und Lagerbehälter vom Typ CASTOR®<br />

mit Ausnahme eines Einzelfalls minimal erhöhter<br />

Kontamination an einem einzelnen Messpunkt an<br />

einem von hunderten Behältern – elf davon aus der<br />

Nasshantierung stammend – gar nicht betroffen,<br />

da diese für die trocken beladenen Rücktransporte<br />

der HAW-Behälter oder mit einem anderen Behältertyp<br />

für AVR- und THTR-Brennelementkugeln<br />

verwendet wurden. Maßgeblich betroffen waren<br />

französische Behältertypen für den Transport<br />

abgebrannter Brennelemente zur Wiederaufarbeitungsanlage<br />

in La Hague, bei denen es immer<br />

wieder vorkam, dass nach der Nassbeladung anhaftende<br />

Kontamination in Ritzen und Vertiefungen<br />

die zulässigen Grenzwerte überschritt. Obwohl die<br />

Grenzwertüberschreitung nach Aussagen der französischen<br />

Behörden und nach Analyse durch die<br />

Strahlenschutzkommission gering war und keine<br />

Gesundheits- oder Umweltgefährdung darstellte,<br />

zog der „Skandal“ weite Kreise und führte zu großer<br />

öffentlicher Erregung und Empörung, da das<br />

Problem, dessen Ursache nicht ganz klar war, schon<br />

länger bekannt war, aber gegenüber dem BMU und<br />

der Öffentlichkeit nicht offengelegt wurde, wobei<br />

allerdings auch keine Meldepflicht bestand. Vielmehr<br />

waren es In<strong>for</strong>mationen der französischen<br />

Aufsichtsbehörde, durch die der Sachverhalt bekannt<br />

wurde.<br />

Während der in Frankreich aufgrund der bekannt<br />

gewordenen Befunde verhängte Transportstopp<br />

vom 6. Mai 1998 am 3. Juni wieder aufgehoben<br />

wurde, wurde der Transportstopp in Deutschland ab<br />

dem 20. Mai 1998 unbefristet verhängt. Im Umfeld<br />

der bevorstehenden Bundestagswahl im September<br />

1998 und der intensiven Instrumentalisierung des<br />

Themas durch die atomkritischen Parteien hat Umweltministerin<br />

Merkel den Transportstopp weder<br />

| HAW-Rücktransport.<br />

Foto: GNS<br />

DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 31<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Genese, Status quo und Zukunft der Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente und hochradioaktiver Abfälle in Deutschland ı Nicolas Wendler


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 32<br />

vor der Bundestagswahl noch als amtierende Umweltministerin<br />

aufgehoben.<br />

Status quo der Zwischenlagerung:<br />

Altlast der (Anti-)Kernenergiepolitik?<br />

Die Bundestagswahl 1998 wurde dann von der damaligen<br />

atomkritischen Opposition gewonnen und<br />

die grüne Partei konnte ihr Kernanliegen des Atomausstiegs<br />

im Koalitionsvertrag der ersten rot-grünen<br />

Bundesregierung festlegen. Somit war eine für die<br />

Betreiber der Kernkraftwerke sehr missliche Situation<br />

entstanden: da zwischenzeitlich die allermeisten<br />

Abklingbecken in den Kernkraftwerken nahe ihrer<br />

Kapazitätsgrenze befüllt waren – dies war den politischen<br />

Akteuren durch parlamentarische Anfragen<br />

bekannt – bestand die akute Befürchtung, dass mit<br />

der neuen atomkritischen Bundesregierung die kleine<br />

Verstopfungsstrategie durch Transportblockade<br />

bei der Entsorgung Realität werden könnte.<br />

Paradigmenwechsel zum Atomausstieg<br />

Die Zeit bis zur Verabschiedung der Atomgesetzänderung,<br />

die den Ausstieg aus der Stromerzeugung<br />

mit Kernenergie festschrieb, war von den Auseinandersetzungen<br />

um diesen Ausstiegsbeschluss und<br />

seine Bedingungen unter den Damoklesschwertern<br />

einerseits einer Produktionsblockade durch einen<br />

<strong>for</strong>tgesetzten Transportstopp, andererseits der<br />

verfassungsrechtlich gut begründbaren Möglichkeit<br />

sehr hoher Entschädigungszahlungen für die<br />

Inhaber der unbefristeten atomrechtlichen Betriebsgenehmigungen<br />

und für die Betreiber der<br />

Wiederaufarbeitungsanlagen im Ausland geprägt.<br />

Die Situation des Transportstopps, die Klagen der<br />

Energieversorgungsunternehmen dagegen, die<br />

| Umladung von CASTOR®-Behältern des Typs HAW 20-28.<br />

Foto: GNS<br />

uneingestandene Rolle als Faustpfand in den so<br />

genannten Konsensverhandlungen und die schon<br />

zuvor bestehende taktisch begründete Fixierung auf<br />

Transporte seitens der Anti-Atombewegung, die<br />

auch mit der guten Mobilisierbarkeit gegen dieses<br />

gut sichtbare und erreichbare Symbol der „Atomwirtschaft“<br />

zusammenhing, führte zu einer Fetischisierung<br />

des Transports von bestrahlten Brennelementen<br />

und Rückführungsabfällen aus der Wiederaufarbeitung<br />

in der deutschen Diskussion. Die Transporte<br />

wurden jenseits aller Verhältnismäßigkeit zum<br />

Dreh- und Angelpunkt der Auseinandersetzung,<br />

zum Symbol von Gefahr und Atomrisiko obwohl sich<br />

bis zum heutigen Tag bei keinem einzigen solchen<br />

Transport weltweit kein einziger schwerer oder<br />

überhaupt nur signifikanter Unfall ereignet hat. Die<br />

Transportdiskussion entwickelte auch eine Eigendynamik<br />

jenseits ihrer taktischen Verwertung, die<br />

nach dem Atomausstiegsbeschluss auch von der<br />

dafür verantwortlichen Regierung nur schwer zu<br />

kontrollieren war. So konnte es geschehen, dass das<br />

sachlich weitgehend sinnbefreite Argument einer<br />

Vermeidung von „Atomtransporten“ ein großes<br />

Gewicht für die gesamte Kernenergiepolitik bekam<br />

und Veränderungen am Entsorgungskonzept <strong>for</strong>tan<br />

und bis heute ganz wesentlich unter dem Aspekt der<br />

Transportvermeidung bewertet wurden.<br />

Bei der konkreten Umsetzung des Ausstiegs aus<br />

der Kernenergienutzung hat aber die Drohung mit<br />

einer Verstopfung der Kernenergiestromerzeugung<br />

für die Regierungsparteien schnell an Charme<br />

verloren. Während eine Opposition mit solchen<br />

Drohkulissen ungeniert flirten kann, ist es für die<br />

Regierung in politischer Verantwortung nicht möglich,<br />

ein wichtiges Politikziel mit und durch Chaos<br />

zu erreichen. Um diese gegenläufigen Bestrebungen<br />

miteinander zu vereinbaren und<br />

einerseits einen „unumkehrbaren“<br />

Atomausstieg in die Wege<br />

zu leiten sowie andererseits<br />

den Betrieb der Kernkraftwerke<br />

(wieder) sicher zu stellen, indem<br />

insbesondere der Transportstopp<br />

aufgehoben wird, legte man in<br />

der „Konsensvereinbarung“ von<br />

Betreibern und Regierung vom<br />

14. Juni 2000 sowie in deren gesetzlicher<br />

Umsetzung als Lösung<br />

die Errichtung von dezentralen<br />

Zwischenlagern an den Standorten<br />

der Kernkraftwerke zur<br />

Aufnahme der in der Restlaufzeit<br />

der Anlagen entfallenden<br />

bestrahlten Brennelemente fest.<br />

Diese Möglichkeit war bereits<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Genese, Status quo und Zukunft der Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente und hochradioaktiver Abfälle in Deutschland ı Nicolas Wendler


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

| Standortzwischenlager Isar.<br />

Foto: BGZ<br />

in der Koalitionsvereinbarung von SPD und Bündnis90/Die<br />

Grünen vorgesehen, wenn auch dort noch<br />

eher als Drohung, denn als Lösung <strong>for</strong>muliert. Zugleich<br />

wurde nicht etwa die Wiederaufarbeitung<br />

selbst, sondern der Abgabe, also der Transport von<br />

bestrahlten Brennelementen aus Leistungsreaktoren<br />

an Anlagen zur Wiederaufarbeitung verboten.<br />

Dieses Verbot galt ab dem 1. Juli 2005, so dass nach<br />

Ende des Transportstopps und Wiederaufnahme der<br />

Transporte im April 2001 – offenbar waren diese<br />

dann doch keine so todbringende Gefahr für die<br />

Allgemeinheit – noch bestrahlte Brennelemente aus<br />

den Abklingbecken zu den Wiederaufarbeitungsanlagen<br />

transportiert werden konnten. Dies hing<br />

zum einen mit den bestehenden Verträgen der Betreiber<br />

mit denen der Wiederaufarbeitungsanlagen<br />

zusammen, die zu milliardenschweren Regress<strong>for</strong>derungen<br />

an den Bund hätten führen können. Zum<br />

anderen hatte es mit der Zeit für Genehmigung und<br />

Errichtung der dezentralen Zwischenlager zu tun,<br />

da die „Ausstiegsregierung“ ja nun zugesagt hatte,<br />

dass der Restbetrieb der Anlagen störungsfrei gewährleistet<br />

sein soll, was die Funktionsfähigkeit des<br />

neuen Entsorgungskonzepts mit dezentraler Zwischenlagerung<br />

zur Voraussetzung hatte.<br />

Umsetzung der dezentralen<br />

Zwischenlagerung<br />

Die neue gesetzliche Verpflichtung der Betreiber<br />

der Kernkraftwerke wurde konsequent umgesetzt,<br />

auch wenn die Errichtung von Zwischenlagern für<br />

bestrahlte Brennelemente bei einem gleichzeitigen<br />

10-jährigen Moratorium für die Erkundung des Endlagerstandortes<br />

Gorleben in den Standortgemeinden<br />

Befremden und Ablehnung hervorgerufen hat, da<br />

bereits zu Beginn die Befürchtung im Raum stand,<br />

nun ein faktisches Endlager von zweifelhafter bzw.<br />

nicht gegebener Langzeitsicherheit übergestülpt<br />

zu bekommen. Die Beantragung der Standortzwischenlager<br />

erfolgte bereits 1998 bis 2000, die<br />

Genehmigungen wurden von 2000 bis 2003 erteilt,<br />

die Inbetriebnahmen erfolgten 2006/2007 bzw.<br />

2002 im Fall des Kernkraftwerks Emsland.<br />

Wie in den Fällen der zentralen Zwischenlager in<br />

Gorleben und Ahaus sowie beim Zwischenlager<br />

Nord, in dem abgebrannte Brennelemente aus den<br />

Reaktoren sowjetischer Bauart in Rheinsberg und<br />

Greifswald, bestrahlte und unbestrahlte Brennstäbe<br />

aus der Kompakten Natriumgekühlten Kernreaktoranlage<br />

Karlsruhe (KNK II) und dem Nuklearschiff<br />

Otto Hahn sowie hochradioaktive Glaskokillen aus<br />

der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK)<br />

aufbewahrt werden, sind die Genehmigungen<br />

der Standortzwischenlager auf 40 Jahre befristet,<br />

ebenso wie die Genehmigungen der Behälter für<br />

Brennelemente oder HAW-Abfälle.<br />

Die dezentralen Zwischenlager wurden in zwei<br />

Standardbauweisen, dem STEAG-Typ an den nördlichen<br />

und dem WTI-Typ an den südlichen Standorten<br />

errichtet, sofern nicht spezifische Standortgegebenheiten<br />

eine andere Umsetzung er<strong>for</strong>derten wie<br />

im Fall des Standortes Neckarwestheim. Die Einlagerungskapazität<br />

wurde – gemessen an den im<br />

Atomgesetz 2002 festgesetzten Reststrommengen<br />

und daraus ableitbaren Restlaufzeiten – eher großzügig<br />

bemessen, so dass im Zusammenhang mit der<br />

Laufzeitverlängerung gemäß AtG-Novelle von 2010<br />

keine Erweiterung der Kapazität der Standortzwischenlager<br />

als er<strong>for</strong>derlich angesehen wurde. Das<br />

hätte auch für den Fall eines substantiellen Weiterbetriebs<br />

der Kernkraftwerke im Zusammenhang mit<br />

der gegenwärtigen geopolitischen und Energiekrise<br />

gegolten. Mittlerweile wurden im Bereich der Sicherung<br />

verschiedene Nachrüstungen zum Schutz vor<br />

DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 33<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Genese, Status quo und Zukunft der Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente und hochradioaktiver Abfälle in Deutschland ı Nicolas Wendler


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 34<br />

| Kontrolle der Dosisleistung, Verglasungsatelier, Wiederaufarbeitungsanlage Orano, Standort La Hague, Beaumont Hague, Frankreich.<br />

Foto: Orano<br />

Einwirkungen Dritter vorgenommen, da auch für die<br />

Zwischenlager Schadenvorsorge nach dem Stand<br />

von Wissenschaft und Technik zu leisten ist.<br />

Reorganisation und Verantwortungsübergang<br />

für die dezentralen Zwischenlager<br />

Nachdem mit dem Standortauswahlgesetz<br />

(StandAG) in erster Fassung, der Arbeit der Endlagerkommission<br />

und deren Umsetzung in eine<br />

StandAG-Novelle sowie einer Reorganisation des gesamten<br />

Bereichs der Entsorgung die Erkundung des<br />

Endlagerstandortes Gorleben aufgegeben, eine neue<br />

Suche für einen Endlagerstandort begonnen und die<br />

Notwendigkeit erkannt wurde, unter der Bedingung<br />

des Atomausstiegs die operativen und finanziellen<br />

Verantwortlichkeiten bei der nuklearen Entsorgung<br />

zusammen zu führen, wurde auch die Zwischenlagerung<br />

der bestrahlten Brennelemente und der<br />

radioaktiven Abfälle – auch der schwach- und mittelaktiven<br />

– neu organisiert und finanziert. Sowohl die<br />

Standortzwischenlager als auch die Abfalllager an<br />

den Standorten wurden an die BGZ Gesellschaft für<br />

Zwischenlagerung übertragen, die diese Anlagen<br />

nun mit Kooperationsverträgen mit den Betreibern<br />

der Kernkraftwerke auf deren Standorten betreibt.<br />

Die Finanzierung der Zwischenlagerung erfolgt<br />

aus dem Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen<br />

Entsorgung (Kenfo), der von den Betreibern<br />

der Kernkraftwerke mit den entsprechenden dafür<br />

vorgesehenen Mitteln zuzüglich eines Risikoaufschlages<br />

ausgestattet wurde. Die BGZ befindet sich<br />

zu 100 Prozent in Bundeseigentum und ist dem Geschäftsbereich<br />

des Bundesministerium für Umwelt,<br />

Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz<br />

zugeordnet.<br />

Heraus<strong>for</strong>derungen für die Zukunft<br />

der Zwischenlagerung<br />

So ereignisarm, unspektakulär und sicher der<br />

Betrieb der Zwischenlager für bestrahlte Brennelemente<br />

und HAW aus der Wiederaufarbeitung dank<br />

des hohen Sicherheitsniveaus und der Verlässlichkeit<br />

der Behälter auch sein mag, ergeben sich für die<br />

Zukunft insbesondere auf längere Sicht eine Reihe<br />

von Heraus<strong>for</strong>derungen und Fragen, denen man sich<br />

in den kommenden Jahren ruhig und nüchtern aber<br />

gleichwohl offen und konsequent widmen sollte. Im<br />

Folgenden seien einige solche Aspekte benannt.<br />

Sicherung der Anlagen und Zeitenwende<br />

Wie bereits erwähnt, wurden die Zwischenlager<br />

mit Blick auf neuen Bedrohungsszenarien bzgl.<br />

der möglichen Einwirkungen Dritter nachgerüstet.<br />

Dies passierte zum ersten Mal im Nachgang zu den<br />

Anschlägen vom 11. September 2001 in den Vereinigten<br />

Staaten – also praktisch schon zu Beginn<br />

des Zeitalters der dezentralen bzw. gemischten deutschen<br />

Zwischenlagerung – und hat sich seither im<br />

Zuge von aktualisierten Bedrohungseinschätzungen<br />

wiederholt. Dass die Bedrohungseinschätzung durch<br />

die Sicherheitsbehörden, die im Detail Verschlusssache<br />

ist, tendenziell steigt, zeigt sich auch an der<br />

immer weiter ausgedehnten Geheimhaltung zu den<br />

technischen Parametern der Zwischenlager, die früher<br />

recht umfangreich frei verfügbar waren.<br />

In unserer Zeit einer grundsätzlich veränderten<br />

geopolitischen Situation, die auch dem Aspekt hybrider<br />

Kriegsführung gegen die NATO und auch<br />

Deutschland eine größere Aktualität und Wahrscheinlichkeit<br />

verleiht, wäre an dieser Stelle auch<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Genese, Status quo und Zukunft der Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente und hochradioaktiver Abfälle in Deutschland ı Nicolas Wendler


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

wieder an staatliche Sabotageakteure zu denken<br />

und nicht nur an terroristische Akteure, wie man sie<br />

in den vergangenen zwei Jahrzehnten vornehmlich<br />

im Blick hatte. Hier wäre auch zu beachten, dass ein<br />

Zwischenlager ein tendenziell einfacheres Ziel ist<br />

als ein in Betrieb befindliches Kernkraftwerk und<br />

dass die Handlungsschwelle dort wegen des vergleichsweise<br />

deutlich geringeren, aber gleichwohl<br />

signifikanten Schadenspotentials niedriger liegen<br />

könnte. In jedem Fall wird das Thema Sicherung<br />

auch auf längere Sicht aktuell bleiben und im Laufe<br />

der Jahrzehnte noch eine Reihe von Nachrüstungen<br />

und Konzeptänderungen er<strong>for</strong>derlich machen, die<br />

jeweils an die standortspezifischen Gegebenheiten<br />

anzupassen sind.<br />

Hier darf man auch daran erinnern, dass am Zwischenlager<br />

Nord eine ganz neue Halle für die<br />

bestrahlten Brennelemente errichtet werden muss,<br />

da eine Nachrüstung auf den inzwischen ge<strong>for</strong>derten<br />

Stand dort nicht möglich ist.<br />

Behälterinventar und Endlagerung<br />

Über das Langzeitverhalten des Inventars bestrahlter<br />

Brennelemente gibt es nur begrenzte Erkenntnisse.<br />

Während allgemein davon auszugehen ist, dass<br />

die Integrität und Dichtigkeit der Behälter auch über<br />

einen deutlich längeren Zeitraum als den der Genehmigung<br />

von 40 Jahren gewährleistet ist, ist dies bei<br />

den Brennelementen weniger sicher. Dazu laufen<br />

aktuell verschiedene Forschungsprojekte auch in<br />

Deutschland. Zwischenergebnisse deuten aber darauf<br />

hin, dass die Integrität des Inventars bei deutlich<br />

längerer Trockenlagerung in Frage steht. Angesichts<br />

der vor einigen Monaten präsentierten Einschätzungen<br />

zum Zeitbedarf des Standortauswahlverfahrens<br />

(hierzu in dieser Ausgabe der Artikel „Ist das Standortauswahlverfahren<br />

gescheitert?“) ist von einer<br />

deutlich längeren Zwischenlagerung auszugehen, so<br />

dass mögliche Degradationsprozesse sogar für diejenigen<br />

Brennelemente relevant werden, die sich<br />

zum Zeitpunkt der Abfassung des Textes noch in den<br />

letzten drei betriebenen Reaktoren befinden.<br />

Damit verbunden stellt sich zum einen die Frage der<br />

möglichen Prüfung des und Umgangs mit einem<br />

möglicherweise degradierten Behälterinventar.<br />

Es ist schwer vorstellbar, an 16 Standorten entsprechende<br />

Einrichtungen zu schaffen, Know-how<br />

aufzubauen und zu erhalten und ebenso schwer vorstellbar<br />

solche Behälter zwanglos durch das Land<br />

oder – bei einem denkbaren weitgehenden Verlust<br />

der kerntechnischen Kompetenz in Deutschland<br />

– in ein anderes Land zu transportieren. Zum anderen<br />

aber ist fraglich, ob ein solcher Behälter<br />

– sofern die bergmännische Technologie oder ein<br />

entsprechendes Endlagerkonzept (Rampe) dies behälterseitig<br />

erlauben – bzw. ein solches Inventar<br />

endlagerfähig ist, insbesondere hinsichtlich der<br />

Gewährleistung von Kritikalitätssicherheit, also<br />

dem letztlich einzigen Sachverhalt, der bei einem<br />

Endlager wirklich „schief gehen“ könnte. Neben der<br />

Zukunft der Zwischenlagerung wäre also sinnvollerweise<br />

auch die Zukunft des Behälterinventars im<br />

Fall der Brennelementbehälter zu diskutieren.<br />

Standortauswahlverfahren, Genehmigungen<br />

und Standortperspektiven<br />

Der oben im Zusammenhang mit der möglichen<br />

Degradation des Behälterinventars genannte Zeitbedarf<br />

des Standortauswahlverfahrens ist natürlich<br />

auch an sich ein neuer Problembereich für die Zwischenlagerung<br />

und verschärft den Aspekt der<br />

sicherungsbegründeten Nachrüstungen deutlich.<br />

Die Perspektive der Bereitstellung eines Endlagers<br />

im Jahr 2114 und damit verbunden der Nutzung der<br />

bestehenden Organisation und Strukturen der Zwischenlagerung<br />

bis ungefähr 2150 – also rund 110<br />

Jahre nach dem geplanten Abriss der letzten Gebäudestrukturen<br />

von Kernkraftwerken – ist kaum<br />

vorstellbar und den (ehemaligen) Standortgemeinden<br />

auch definitiv nicht zumutbar. Hier verblasst<br />

auch das gegenwärtig bisweilen ehrfurchtsvoll<br />

diskutierte Thema möglicher und bevorstehender<br />

Verlängerungen von Behälter-, Einlagerungs- und<br />

Lagergenehmigungen, denn diese müssten dreimal,<br />

in Einzelfällen viermal um 40 Jahre verlängert werden,<br />

bis die Zwischenlager endgültig geleert wären.<br />

Auch wenn man unterstellt, dass am künftigen Endlagerstandort<br />

rund 10 Jahre nach dessen Auswahl<br />

im Jahr 2079 trotz eines dann laufenden Genehmigungsverfahrens<br />

für das Endlager und einer<br />

ausstehenden rechtlichen Überprüfung ein großes<br />

zentrales Zwischenlager errichtet würde, dauerte<br />

die Leerung der heutigen Zwischenlager wohl bis<br />

2100 und die Frage des Inventars bliebe ohnehin<br />

unberührt.<br />

Solche Perspektiven sind letztlich für den Betreiber<br />

der Zwischenlager, die zuständigen Behörden, die<br />

Hersteller der Behälter, für die Prü<strong>for</strong>ganisationen<br />

und vor allem für die Bürger der heutigen Zwischenlagerstandortgemeinden<br />

unzumutbar. Durch den<br />

Zeitbedarf des Standortauswahlverfahrens werden<br />

selbst grundsätzliche Fragen relevant wie etwa die<br />

nach der tatsächlichen Notwendigkeit einer Endlagerung<br />

im heute vorgestellten und anvisierten Sinn<br />

angesichts durchaus plausibler kerntechnischer Entwicklungssprünge<br />

in einem so langen Zeitraum, wie<br />

man ihn sonst eher aus Science Fiction Filmen kennt.<br />

Eine andere grundsätzliche Frage ist die der sozioökonomischen<br />

Verfasstheit und der politischen und<br />

DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 35<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Genese, Status quo und Zukunft der Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente und hochradioaktiver Abfälle in Deutschland ı Nicolas Wendler


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 36<br />

territorialen Organisation des Gebietes, das heute<br />

als Bundesrepublik Deutschland bekannt ist. Der<br />

aktuelle Krieg in der Ukraine und viele weitere<br />

weltpolitische Entwicklungen lehren uns gerade,<br />

dass die Geschichte nicht zum Stillstand gekommen<br />

ist, wie man Anfang der neunziger Jahre nach<br />

dem Kalten Krieg verbreitet glaubte. Dazu darf man<br />

feststellen, dass 2150 von heute so weit entfernt ist<br />

wie 1896 in die andere zeitliche Richtung, das Jahr<br />

in dem Wilhelm Röntgen die<br />

Entdeckung der X-Strahlen<br />

bekannt gegeben hat, Henri<br />

Becquerel die Radioaktivität<br />

entdeckte und die englische<br />

Königin noch Victoria hieß.<br />

Fazit<br />

Abschließend kann man<br />

festhalten, dass das System<br />

und die Organisation der<br />

Zwischenlagerung von bestrahlten<br />

Brennelementen<br />

und hoch radioaktiven Abfällen<br />

in Deutschland nicht<br />

das Ergebnis rationaler Planung<br />

und eines konsistenten<br />

Entsorgungskonzepts ist,<br />

sondern teils erratischen<br />

Änderungen am Entsorgungskonzept<br />

insbesondere<br />

ab 1998 entspringt und vom<br />

unberechenbaren Lauf tagespolitischer<br />

Er<strong>for</strong>dernisse und<br />

teils von Zufällen geprägt ist.<br />

| Queen Victoria.<br />

Foto: Adobe<br />

Es wurde dabei zwar immer die Sicherheit als wesentliche<br />

Priorität im Blick behalten und unabhängig<br />

von der jeweiligen operativen Verantwortung auch<br />

erfolgreich umgesetzt, so dass diese ohne Frage aktuell<br />

gewährleistet ist. Mit Blick auf die Zukunft ist<br />

es aber sehr zweifelhaft, dass die bloße Fortführung<br />

der historisch gewachsenen Struktur und das stetige<br />

Nachziehen von ggf. steigenden An<strong>for</strong>derungen<br />

tatsächlich eine sinnvolle Vorgehensweise ist. Zwar<br />

handelt es sich um ein angesichts von mehr als 60<br />

Jahren Kernenergiestrompoduktion vergleichsweise<br />

kleines Materialvolumen, andererseits aber auch<br />

um den Teil der radioaktiven Reststoffe, von dem theoretisch<br />

eine relevante Gefährdung ausgehen kann.<br />

Besonders mit Blick auf die sehr langen Zeiträume<br />

in denen die Zwischenlagerung noch er<strong>for</strong>derlich<br />

sein wird, wäre es wohl sinnvoller sich Gedanken<br />

über ein neues Konzept zu machen und für einen<br />

Jahrzehnte währenden Zeitraum eine rationalere<br />

und zweckmäßigere Struktur der Zwischenlagerung<br />

zu schaffen, mit der den oben beschriebenen<br />

Heraus<strong>for</strong>derungen besser, robuster und zugleich<br />

kostengünstiger begegnet werden kann.<br />

Selbst falls in Anbetracht der jüngsten Entwicklung<br />

im Standortauswahlverfahren ein heute noch<br />

undenkbar erscheinender, gleichwohl er<strong>for</strong>derlicher<br />

modifizierter und bereinigter Neustart dieses<br />

Verfahrens mit einer deutlich verkürzten Dauer<br />

unternommen würde, wäre eine grundsätzlich verbesserte<br />

Zwischenlagerung<br />

sinnvoll. Auch die erfolgreicheren<br />

Verfahren zur<br />

Endlagerung in anderen<br />

Ländern haben einen insgesamt<br />

erheblichen Zeitbedarf<br />

und ein neu gestartetes,<br />

optimiertes Verfahren in<br />

Deutschland würde ab Neustart<br />

wohl rund 50 bis 60<br />

Jahre benötigen und daher<br />

erst frühestens um 2080<br />

herum zu einem betriebsbereiten<br />

HAW-Endlager führen.<br />

Ein damit synchronisiertes<br />

zentrales Zwischenlager am<br />

künftigen Endlagerstandort<br />

wäre dann ab ca. 2060 betriebsbereit,<br />

die Einlagerung<br />

aber wohl erst Ende der siebziger<br />

Jahre abgeschlossen, so<br />

dass auch in einem solchen<br />

hypothetischen Beschleunigungsszenario<br />

die heutigen<br />

Zwischenlager noch sehr<br />

lange genutzt werden müssten<br />

und eine zwischenzeitliche Neuorganisation<br />

auch unter diesen Bedingungen zu rechtfertigen<br />

wäre. Nimmt man das gegenteilige Szenario an,<br />

also das Festhalten am aktuellen Standortauswahlverfahren<br />

und dessen Scheitern erst in Jahrzehnten,<br />

dann wird erst recht deutlich, dass eine rationale<br />

und systematische Befassung und Umsetzung eines<br />

optimierten Zwischenlagersystems eine sinnvolle<br />

Vorgehensweise ist. Im Lauf des Jahres soll deshalb<br />

an dieser Stelle, in der <strong>atw</strong> – <strong>International</strong> <strong>Journal</strong><br />

<strong>for</strong> <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong>, ein konkreter Vorschlag für eine<br />

optimierte HAW-Zwischenlagerung für Deutschland<br />

gemacht werden. Man darf darauf gespannt<br />

sein.<br />

Quellenverzeichnis<br />

• Bericht der Bundesregierung für die siebte Überprüfungskonferenz im Mai 2021 zur Erfüllung<br />

des Gemeinsamen Übereinkommens über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter<br />

Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle<br />

• Bekanntmachung der Grundsätze zur Entsorgungsvorsorge für Kernkraftwerke vom 19. März<br />

1980, (Banz 1980, Nr. 58)<br />

• Bundestags-Drucksache 11/6893 vom 09.04.1990, Antwort der Bundesregierung auf die<br />

Große Anfrage der der Fraktion der SPD, Wiederaufarbeitung — direkte Endlagerung von<br />

Atommüll<br />

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ANZEIGE<br />

• Bundestags-Drucksache 12/6908 vom 25.02.1994, Gesetzentwurf der Bundesregierung<br />

Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung des Einsatzes von Steinkohle in der Verstromung und<br />

zur Änderung des Atomgesetzes<br />

• Bundestags-Drucksache 14/6890 vom 11.09.2001, Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und<br />

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Entwurf eines Gesetzes zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung<br />

zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität<br />

• Strahlenschutz und Strahlenbelastung im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen anläßlich von<br />

CASTOR-Transporten, Stellungnahmen und Empfehlungen der Strahlenschutzkommission<br />

sowie Erläuterungen zum Strahlenrisiko, In<strong>for</strong>mationen der Strahlenschutzkommission (SSK)<br />

des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Nummer 5 (1998)<br />

• Langzeitverhalten zwischengelagerter Brennelemente bei deutlich längerer Zwischenlagerung,<br />

GRS-554, Juni 2020<br />

• Aufbruch und Erneuerung – Deutschlands Weg ins 21. Jahrhundert, Koalitionsvereinbarung<br />

zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und Bündnis 90/Die GRÜNEN, Bonn,<br />

20. Oktober 1998<br />

• Endlagerung hochradioaktiver Abfälle, Deutsches Atom<strong>for</strong>um e. V., April 2018<br />

• Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle in Deutschland, Deutsches Atom<strong>for</strong>um, Januar 2019<br />

• BE-Transporte: Vorschläge der GRS, <strong>atw</strong> 43. Jg. (1998), Heft 10 – Oktober<br />

• Mit Vollgas in die Sackgasse, Claus Berke; <strong>atw</strong> 44. Jg. (1999), Heft 1 – Januar<br />

• DAtF-Mitteilungen, <strong>atw</strong> 46. Jg. (2001) Heft 4 – April<br />

• Nachrichten Brennstoffkreislauf, <strong>atw</strong> 46. Jg. (2001) Heft 5 – Mai<br />

• SYNOPSE: „Gorleben als Entsorgungs- und Endlagerstandort – Der niedersächsische<br />

Auswahl- und Entscheidungsprozess“, Expertise 1976/77 von Dr. Anselm Tiggemann,<br />

Pressemitteilung des Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz,<br />

28.05.2010<br />

• Zeitbombe Zwischenlager? – Atommüll in der Warteschleife, Deutschlandfunk vom<br />

27.09.2020; https://www.deutschlandfunk.de/zeitbombe-zwischenlager-atommuell-in-derwarteschleife-100.html<br />

• Der Tag, als der Atommüll nach Gorleben kam, NDR-online vom 08.01.2019; https://<br />

www.ndr.de/geschichte/chronologie/8-Oktober-1984-Erster-Atommuelltransport-ins-<br />

Wendland,gorleben1702.html<br />

• In Gorleben eskalieren Castor-Demonstrationen – Statements von Angela Merkel und<br />

Jürgen Trittin, SWR-online vom 08.05.1996; https://www.swr.de/swr2/wissen/archivradio/<br />

in-gorleben-eskalieren-castor-demonstrationen-statement-von-umweltministerin-angelamerkel-100.html<br />

• Der verpatzte Ausstieg, Der SPIEGEL 04/1999 vom 24.01.1999; https://www.spiegel.de/<br />

politik/der-verpatzte-ausstieg-a-bf5f7fd8-0002-0001-0000-000008541420<br />

• Zwischenlagerung / Transport, Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung;<br />

https://www.base.bund.de/DE/themen/ne/zwischenlager/laufzeiten-zwl/laufzeitenzwl_node.html<br />

• Zu Unrecht beschuldigt – Der Atom-Manager Wolfgang Hawickhorst über deutsche Castor-<br />

Behälter und die verfälschte Berichterstattung, Focus Nr. 27/1998; https://www.focus.de/<br />

politik/deutschland/zu-unrecht-beschuldigt-deutschland_id_1909202.html<br />

• Verstopfungsstrategie. Interview mit Gesine Fischer und Wiebke Herding von „Xtausend mal<br />

quer“, ak – analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 428 / 08.07.1999<br />

• Interview Deutschlandfunk mit Reinhard Loske vom 13.08.1999<br />

10. Symposium<br />

Lagerung und<br />

Transport<br />

radioaktiver Stoffe<br />

05. - 06. September 2023<br />

DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 37<br />

Autor<br />

Nicolas Wendler<br />

Chefredakteur <strong>atw</strong> –<br />

<strong>International</strong> <strong>Journal</strong> <strong>for</strong> <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />

Zwischenlagerung –<br />

Stand und Perspektiven<br />

nicolas.wendler@nucmag.com<br />

Nicolas Wendler ist seit August 2013 Leiter Presse und Politik von Kerntechnik<br />

Deutschland e. V./Deutsches Atom<strong>for</strong>um e. V. und war davor seit März 2010 als<br />

Referent Politik dort beschäftigt. Er war zuvor als <strong>International</strong>er Referent für die<br />

internationalen Beziehungen der Jungen Union Deutschlands zuständig und hat<br />

unter anderem Themen der Energie-, Klima- und Wirtschaftspolitik für die Organisation<br />

bearbeitet. Seit Januar 2022 ist er außerdem Chefredakteur der <strong>atw</strong> –<br />

<strong>International</strong> <strong>Journal</strong> <strong>for</strong> <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong>. Wendler hat in München und Bordeaux<br />

Politische Wissenschaft sowie Volkswirtschaftslehre und (Nord-) Amerikanische<br />

Kulturgeschichte studiert.<br />

Freuen Sie sich auf einen fachlichen Austausch<br />

über bisherige Erfahrungen, aktuelle<br />

Entwicklungen und zukünftige Strategien<br />

im Bereich Lagerung und Transport<br />

radioaktiver Stoffe (LAW, MAW, HAW).<br />

• Auswirkungen der Standortsuche auf<br />

die Zwischenlagerung<br />

• Dezentrale / zentrale längerfristige<br />

Zwischenlagerung<br />

• Aktueller Stand der Autarkie von<br />

Standort-Zwischenlagern<br />

• Nationales Entsorgungsprogramm<br />

• Transport radioaktiver Stoffe<br />

In<strong>for</strong>mationen und Anmeldung:<br />

www.tuev-nord.de/tk-lt<br />

TÜV ®<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Genese, Status quo und Zukunft der Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente und hochradioaktiver Abfälle in Deutschland ı Nicolas Wendler


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

SPOTLIGHT ON NUCLEAR LAW 38<br />

50-jähriges Jubiläum<br />

der <strong>International</strong> <strong>Nuclear</strong> Law Association –<br />

Rückblick und Bericht über die 24. INLA-Tagung<br />

Ulrike Feldmann<br />

Nachdem die ursprünglich für 2020 in Washington DC geplante Tagung der Association <strong>International</strong>e<br />

Du Droit Nucléaire <strong>International</strong> <strong>Nuclear</strong> Law Association (nachfolgend als INLA abgekürzt) aufgrund der<br />

Corona-Pandemie zweimal verschoben werden musste, konnte die Tagung mit ca. 150 Teilnehmern im vergangenen<br />

Jahr (23.–27. Oktober 2022) schließlich stattfinden. Es war die 24. INLA-Tagung, die sowohl dem<br />

50-jährigen Bestehen der INLA gewidmet war als auch einen Blick auf die aktuellen und zukünftig relevanten<br />

rechtlichen Themenfelder warf.<br />

Pelzer), Finnland, Frankreich, Großbritannien, Indien,<br />

Kanada, Spanien, Türkei und USA, wobei die<br />

deutsche Landesgruppe der INLA die einzige Landegruppe<br />

sein dürfte, die auf 15 Regional-Tagungen<br />

mit internationaler Beteiligung zurückblicken kann.<br />

I. Die Entwicklung der INLA<br />

Der nachfolgende Rückblick erhebt keinen Anspruch<br />

auf Vollständigkeit und könnte diesen Anspruch<br />

aufgrund seiner Kürze auch gar nicht erfüllen.<br />

Er soll jedoch einen Eindruck verschaffen, wer<br />

bzw. was die INLA ist, welche Fachthemen die Welt<br />

der Nuklearjuristen bewegt und soll zugleich Anregung<br />

zur tieferen Lektüre geben. Die Vorträge der<br />

Tagung finden sich als <strong>Power</strong> Point Präsentationen<br />

auf der Homepage der INLA: https://aidn-inla.be/<br />

proceedings/.<br />

INLA ist ein nach belgischem Recht gegründeter<br />

gemeinnütziger Zusammenschluss internationaler<br />

Nuklearjuristen mit Sitz in Brüssel. Die Gründungsversammlung<br />

der INLA fand am 8. Juli 1972 statt.<br />

Laut ihrer Statuten ist Zweck der Vereinigung zum<br />

einen die Förderung und Verfolgung von Studien<br />

und Kenntnissen über Rechtsfragen im Zusammenhang<br />

mit der friedlichen Nutzung der Kernenergie<br />

auf internationaler Ebene, wobei der Schutz von Personen,<br />

Eigentum und der Umwelt im Vordergrund<br />

steht. Ferner soll die INLA dem In<strong>for</strong>mationsaustausch<br />

zwischen den Mitgliedern der Vereinigung<br />

und der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit anderen<br />

Organisationen, die ähnliche Ziele verfolgen,<br />

dienen. Insbesondere pflegt INLA den In<strong>for</strong>mationsaustausch<br />

mit der EU und der NEA (OECD) sowie mit<br />

der IAEO. INLA hat heute ca. 600 Mitglieder aus rund<br />

60 Ländern. In einigen Ländern wurden Landesgruppen<br />

der INLA gegründet, und zwar in Argentinien,<br />

Belgien, Deutschland (im Anschluss an die INLA-Tagung<br />

in Konstanz 1985 auf Initiative von Dr. Norbert<br />

Die erste internationale INLA-Tagung wurde<br />

vom 11.–14. September 1973 im Forschungszentrum<br />

Karlsruhe durchgeführt. Dokumente zur Gründung<br />

der INLA sowie über die ersten INLA-Kongresse finden<br />

sich auf der INLA-Homepage:<br />

https://aidn-inla.be/about-inla/history-mission/.<br />

Von deutscher Seite waren an den Gründungsvorbereitungen<br />

sehr intensiv Prof. Dr. Hans Fischerhof<br />

und Dr. Norbert Pelzer (beide später zum Gründungsvorstand<br />

der AIDN/INLA gehörend) beteiligt,<br />

wie man aus dem Schriftwechsel der beiden Herren<br />

entnehmen kann, der in der Broschüre „Une histoire<br />

de 25 ans – A 25 years story“ abgedruckt ist, die zum<br />

25-jährigen INLA-Jubiläum von der französischen<br />

Sektion der AIDN/INLA unter der Ägide von Jean-<br />

Léo David und Charles Brunego verdienstvollerweise<br />

erstellt wurde. Diese Broschüre enthält auch eine<br />

von Emile Herman Hubert in Französisch und Englisch<br />

erstellte Zusammenfassung der Vorträge bzw.<br />

der Themen, die auf den INLA-Kongressen zwischen<br />

1973 und 1987 vorgestellt wurden (S. 244–271).<br />

Neben Französisch und Englisch waren über viele<br />

Jahre auch Deutsch und Spanisch als Tagungssprachen<br />

selbstverständlich, sie mussten aber vor ca. 20<br />

Jahren wegen der doch beträchtlichen Kosten für die<br />

Simultanübersetzung aufgegeben werden.<br />

Die Zahl und die Bezeichnungen der Arbeitsgruppen,<br />

die sich zwischen den alle zwei Jahre<br />

stattfindenden Kongressen treffen und durch Vorträge<br />

über die von ihnen behandelten Themen die<br />

Kongresse gestalten, schwankten über die Jahre – abhängig<br />

nicht zuletzt von aktuellen Ereignissen und<br />

Spotlight on <strong>Nuclear</strong> Law<br />

50-jähriges Jubiläum der <strong>International</strong> <strong>Nuclear</strong> Law Association ı Ulrike Feldmann


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

beruflicher Expertise der Arbeitsgruppenmitglieder.<br />

Grosso modo lässt sich aber wohl sagen, dass die folgenden<br />

fünf ursprünglichen Arbeitsgruppen bisher<br />

eine recht beständige Existenz führten:<br />

WG 1 „Genehmigung und Stilllegung“,<br />

WG 2 „Nuklearhaftung“,<br />

WG 3 „<strong>International</strong>er Nuklearhandel“,<br />

WG 4 „Strahlenschutz“ und<br />

WG 5 „Nuklearer Abfall“.<br />

Aktuell gibt es acht Arbeitsgruppen, wobei drei<br />

der o. g. Arbeitsgruppen ihren Titel an die von ihnen<br />

behandelten Themenfelder angepasst haben:<br />

WG 1 „Sicherheit und Regulierung“,<br />

WG 2 „Nuklearhaftung und Versicherung“,<br />

WG 3 „<strong>International</strong>er Nuklearhandel und Neubau“,<br />

WG 4 „Strahlenschutz“,<br />

WG 5 „Nukleare Abfallbehandlung“,<br />

WG 6 „Nukleare Sicherung und Nichtverbreitung“,<br />

WG 7 „Nukleartransport“ und<br />

WG 8 „Nuklearfusion“.<br />

Schon vom ersten Kongress an wurden den Tagungsteilnehmern<br />

Anlagenbesichtigungen ermöglicht,<br />

um rechtliche Expertise durch praktische<br />

Anschauung zu untermauern. In den Anfangsjahren<br />

gab es auch noch höchst stilvolle Bälle, die das<br />

Zusammenwachsen der Mitglieder und damit mittelbar<br />

die Rechtsvergleichung förderte und die im<br />

Übrigen nichts Ungewöhnliches waren, sondern<br />

vor 50 Jahren zu einem – zumal länderübergreifenden<br />

– Kongress dazu gehörten, weshalb natürlich<br />

auch Damenbegleitung eingeladen wurde. In einem<br />

Schreiben von Prof. Fischerhof an Jean Hébert/<br />

Frankreich und Ferdinando Carbone/Italien zur Vorbereitung<br />

der ersten Generalversammlung und des<br />

ersten Kongresses heißt es unter Punkt 11: “As <strong>for</strong> all<br />

international congresses, the wives should be invited.<br />

An interesting programme can be prepared <strong>for</strong><br />

the ladies ...“ Inzwischen nehmen nicht nur „ladies“<br />

sondern auch „gentlemen“ am „Damenprogramm“<br />

teil. Auch sind die „ladies“ zahlreich und sehr aktiv<br />

unter den Tagungsteilnehmern, in den Arbeitsgruppen<br />

sowie im INLA-Vorstand zu finden und dies ganz<br />

ohne Quotenregelung.<br />

II. Die 24. INLA Tagung<br />

Nach einem Begrüßungsempfang am Vorabend<br />

der Tagung mit dem Generaldirektor der NEA William<br />

D. Magwood, IV als Gastredner begann am 23. Oktober<br />

2022 die Tagung mit Begrüßungsadressen des<br />

INLA-Präsidenten William A. Horin/USA und seiner<br />

Vorstandskollegen von der amerikanischen INLA-<br />

Landesgruppe William E. Fork, Daniel F. Stenger und<br />

Mark Herlach, gefolgt von der Eröffnungsrede von<br />

Dr. Kathryn Huff/US Department of Energy (DOE)<br />

als begeisterte und begeisternde Gastrednerin. Huff<br />

unterstrich die Unterstützung des DOE für die Nutzung<br />

der Kernenergie, wies aber auch deutlich auf die<br />

vielen Heraus<strong>for</strong>derungen hin, denen sich die Politik<br />

und die Industrie gegenüber sehe (Klimawandel, Sicherheit<br />

der Energieversorgung, Ukrainekrise sowie<br />

Notwendigkeit für viele KKW in den USA, bis 2015<br />

Genehmigungen für Laufzeitverlängerungen zu beantragen).<br />

Huff wies auf die Auffassung der IEA hin,<br />

zur Sicherung der Energieversorgung einerseits und<br />

des Klimaschutzes andererseits müsse die derzeit vorhandene<br />

Kapazität der vorhandenen rund 400 KKW<br />

weltweit verdoppelt werden. DOE setze seine Hoffnung<br />

auf die nächste Generation von KKW in Form<br />

von SMR und Mikro-Reaktoren. In den USA hätten<br />

sich ca. 100 Standorte für diese Reaktoren als potentiell<br />

geeignet herausgestellt. Über lange Zeit hätte<br />

das Thema SMR und Mikro-Reaktoren im Status von<br />

Forschung und Entwicklung verharrt. Nun sei es Zeit,<br />

in die Demonstrationsphase einzutreten. Dazu müssten<br />

sowohl die finanziellen Mittel bereit gestellt als<br />

auch die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen<br />

werden. Ein kritischer Punkt sei die Entsorgung<br />

von nuklearen Abfällen. Sie müsse rechtlich geregelt<br />

sein, und es müsse ein Standort für die Endlagerung<br />

gefunden werden. In der Diskussion wurden seitens<br />

eines Teilnehmers als die wichtigsten Hürden beim<br />

Ausbau der Kernenergie in den USA genannt: Bereitstellung<br />

des er<strong>for</strong>derlichen Kapitals; Gewinnung der<br />

personellen Kapazitäten, um das Projektmanagement<br />

zu verdoppeln; „Weglaufen“ von Zeit und Kosten;<br />

Wartezeit von 10 Jahren, bis das eingesetzte Kapital<br />

sich amortisiert hat).<br />

Vor Eintritt in die Beiträge der INLA-Arbeitsgruppe<br />

1 „Sicherheit und Regulierung“ erläuterte die Direktorin<br />

der IAEO-Rechtsabteilung, Peri Lynn Johnson,<br />

in ihrem umfassenden Vortrag die Rolle und die<br />

Arbeit der IAEO, insbesondere die Aufgabe der IAEO,<br />

ihre Mitgliedstaaten, die zusammen mehr als 400<br />

KKW betreiben, bei der atom- und strahlenschutzrechtlichen<br />

Gesetzgebung zu unterstützen. Tschernobyl<br />

und Fukushima seien Ereignisse gewesen, die<br />

dazu geführt hätten, die IAEO-Empfehlungen sowohl<br />

zu ergänzen als auch nachzuschärfen. In Bezug auf<br />

moderne Reaktortypen müssten die IAEO-Empfehlungen<br />

ggf. angepasst werden. Auf die Frage aus<br />

dem Auditorium, wie sich das Nuklearrecht, das für<br />

Friedenszeiten geschaffen worden sei, vor dem Hintergrund<br />

des Ukraine-Krieges ändern werde, antwortete<br />

Johnson, dass in Fachkreisen aktuell diskutiert<br />

werde, wie sich Lösungen für Situationen/Angriffe<br />

auf KKW wie in der Ukraine finden lassen, dass aber<br />

bereits nach geltendem Recht sowohl kriegerische<br />

Angriffe auf Nuklearanlagen als auch militärische<br />

Aktionen auf dem Gelände eines KKW verboten seien.<br />

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SPOTLIGHT ON NUCLEAR LAW 40<br />

Arbeitsgruppe 1<br />

„Sicherheit und Regulierung“<br />

Hieran anschließend stellten die Mitglieder und<br />

Gäste der Arbeitsgruppe 1 in drei Podiumsdiskussionen<br />

ihre Beiträge vor.<br />

In der 1. Podiumsdiskussion, geleitet von dem<br />

Arbeitsgruppenvorsitzenden Ian Salter, stellte zunächst<br />

Judith Silye die Convention on <strong>Nuclear</strong> Safety<br />

(CNS) sowie die Joint Convention on the Safety<br />

of Spent Fuel Management and on the Safety of<br />

Radioactive Waste Management (JC) wie auch die<br />

sie tragenden Prinzipien vor. Gemeinsame Prinzipien<br />

beider Konventionen sind die Unabhängigkeit<br />

der Regulierungsbehörde, angemessene personelle<br />

und finanzielle Ressourcen, Qualitätsmanagement,<br />

Transparenz/Einbeziehung der Öffentlichkeit und<br />

internationale Kooperation.<br />

Tokiashiro Takao schilderte den Stand der Diskussion<br />

in Japan über die Rechtsnatur von „local<br />

consent“ (eine offenbar eher politisch motivierte<br />

Zustimmung der Kommunalbehörde) und „prior approval“<br />

zur Laufzeitverlängerung für KKW. „Prior<br />

approval“-Klauseln sind üblicherweise in Vereinbarungen<br />

zwischen den KKW-Betreibern und den<br />

lokalen Behörden über die nukleare Sicherheit der<br />

Anlage enthalten. Im Ergebnis scheinen „local consent“<br />

und „prior approval“ nicht rechtsverbindlich zu<br />

sein, werden in der Praxis aber oft als rechtsverbindlich<br />

behandelt.<br />

Houcem Eddine Ezzouch gab einen Überblick<br />

über Regelungen zu Notfallschutz und -maßnahmen<br />

in den IAEO-Empfehlungen und wies auf das Problem<br />

von überschneidenden Kompetenzen hin, wie es<br />

sie z. B. in seinem Heimatland Tunesien gebe.<br />

Shreyas Jayasimba berichtete über die Schwierigkeiten<br />

der Finanzierung von KKW in Indien, die<br />

nicht zuletzt daher rührten, dass eine direkte finanzielle<br />

ausländische Beteiligung an Nuklearaktivitäten<br />

in Indien gesetzlich verboten sei.<br />

Die 2. Podiumsdiskussion zum Thema „Establishing<br />

New <strong>Nuclear</strong> Regulatory Programs“ mit<br />

Lukasz Mlynarkiewicz, Nader Mamish und William<br />

Fork als Teilnehmer und unter Vorsitz von Ian Salter<br />

fokussierte sich auf Grundsätze zum Umgang mit<br />

radioaktiven Stoffen in Nuklearanlagen betreffend<br />

Sicherheit und Sicherung, Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde<br />

(keine international einheitliche<br />

Auffassung), ausreichende personelle und finanzielle<br />

Ressourcen (Was ist finanziell ausreichend? Für<br />

welchen Mindestzeitraum sollten die finanziellen<br />

Ressourcen ausreichen?), Verpflichtung des Betreibers<br />

zur Transparenz (offene Kommunikationskanäle<br />

für alle „stakeholder“). Die Teilnehmer wiesen auf<br />

die einschlägigen IAEO-Empfehlungen hin, die vor<br />

allem von Staaten, die erst in die Nutzung der Kernenergie<br />

eintreten wollen, bei der Erfüllung dieser<br />

Grundsätze als Leitplanken heranzogen werden<br />

sollten.<br />

Die 3. Podiumsdiskussion unter dem Vorsitz von<br />

Wolfram Tonhauser/IAEO war dem Thema „Global<br />

Evolution of <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> Legal Framework<br />

Demanded to Address Growing Focus on Climate<br />

Change“ gewidmet. Vor dem Hintergrund weltweit<br />

stagnierender KKW-Kapazitäten und alternden<br />

KKW einerseits und dem globalen Bestreben nach<br />

CO 2 -freier Energieerzeugung andererseits und der<br />

daraus resultierenden Notwendigkeit, neue KKW-<br />

Kapazitäten mit modernen KKW-Anlagentypen (insbesondere<br />

SMRs) zu schaffen, beleuchtete Kimberly<br />

Sexton Nick aus Sicht der OECD/NEA die Zukunft<br />

der Kernenergie und die Rolle des Nuklearrechts.<br />

Da SMRs – ca. 70 Konzepte seien derzeit in der Entwicklung<br />

– sehr verschieden von den bisher üblichen<br />

großen KKW-Anlagetypen seien, u. a. schneller zu<br />

bauen, inhärent sicher und einfacher in der Handhabung<br />

seien, müsse das rechtliche Rahmenwerk<br />

entsprechend angepasst werden. Es sei aber wohl<br />

illusorisch, eine Einigung auf einen SMR-Typ und<br />

darüber hinaus eine internationale Harmonisierung<br />

des Genehmigungsverfahrens für diesen SMR-Typ<br />

zu erzielen. Selbst wenn es aber eine solche Einigung<br />

gäbe, müssten gleichwohl die tatsächlichen und zusätzlich<br />

rechtlichen Spezifika des jeweiligen Landes<br />

und des Standortes beachtet werden. Der Idealvorstellung<br />

der Nuklearindustrie, ein international zertifiziertes<br />

SMR-Design „von der Stange“ zu erhalten,<br />

erteilte Sexton Nick damit eine Absage. Es dürfte<br />

vermutlich schwierig genug werden, die jeweiligen<br />

nationalen Genehmigungsverfahren für SMRs<br />

zu „modernisieren“. Kooperationsvereinbarungen<br />

zwischen zwei oder mehr Staaten in Bezug z. B. auf<br />

einen SMR-Testreaktor seien jedoch denkbar und<br />

würden auch bereits praktiziert. Für den Harmonisierungsprozess<br />

und während des gesamten Genehmigungsverfahrens<br />

sei eine enge Zusammenarbeit<br />

zwischen technisch-wissenschaftlichen Fachleuten<br />

und Juristen er<strong>for</strong>derlich, um Verfahrensfehler zu<br />

vermeiden. Die Öffentlichkeit müsse frühzeitig über<br />

die Vorteile eines SMR gegenüber den traditionellen<br />

KKW-Typen aufgeklärt werden, um das Vertrauen<br />

der Öffentlichkeit in diese neue Technologie zu gewinnen.<br />

Einen weiteren Schwerpunkt ihrer Rede<br />

legte Sexton Nick auf die Laufzeitverlängerung, die<br />

neben der Entwicklung der SMRs weiterhin eine große<br />

Rolle spiele. Sowohl bei der Erstellung eines neuen<br />

bzw. angepassten Regelwerks für SMRs sowie bei<br />

den einzelnen Genehmigungsverfahren sei es wichtig,<br />

juristischen Rat von Anfang an einzuholen, um<br />

regulatorisch bereits Laufzeitverlängerungen und<br />

Abfallmanagement frühzeitig „mitzudenken“.<br />

Salter wies darauf hin, dass auf internationaler<br />

Ebene die Rechtsentwicklung nur sehr langsam<br />

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voranschreite. Daher sei es zielführender, wenn zwei<br />

oder drei Staaten mit einer Kooperation starteten,<br />

um mit einer erfolgreichen Kooperation hoffentlich<br />

weitere Staaten zu einer Beteiligung zu animieren.<br />

Aus kanadischer Sicht unterstrich Lisa Thiele die<br />

Notwendigkeit der internationalen Harmonisierung<br />

von Rechtsvorschriften, auch wenn dies ein langjähriger<br />

Prozess sei. Außerdem bedürfe es für Neubauten<br />

und neuer Reaktortypen der politischen (inklusive<br />

der finanziellen) Unterstützung.<br />

Arbeitsgruppe 2<br />

„Nuklearhaftung und Versicherung“<br />

Die Arbeitsgruppe 2, moderiert von Fiona Geoffroy<br />

und Ximena Vásquez-Maignan, stellte ihre Arbeit<br />

ebenfalls in drei Podiumsdiskussionen vor.<br />

Diskussionsthemen der 1. Podiumsdiskussion betrafen<br />

insbesondere die Haftungskanalisierung auf<br />

den Betreiber und die unterschiedlichen Rückgriffsregelungen<br />

auf den Zulieferer (erläutert an den Beispielen<br />

von Frankreich, Korea und Indien), die unterschiedlichen<br />

Entschädigungsregelungen (sowohl in<br />

Bezug auf die Regelungen in den drei internationalen<br />

Haftungsübereinkommen als auch national) sowie<br />

angesichts eines fehlenden einheitlichen weltweiten<br />

Nuklearhaftungsregimes die Gefahr des „<strong>for</strong>um<br />

shoping“. Im Fokus der Diskussion stand dabei das<br />

im Hinblick auf die Haftungskanalisierung widersprüchliche<br />

indische Nuklearhaftungsrecht (s. Section<br />

17 (b) und Section 46 des indischen Atomhaftungsgesetzes<br />

von 2010), zu dem Riju Raj S. Jamwal<br />

Erläuterungen gab.<br />

Geoffroy wies auf die ausführliche Besprechung<br />

von Norbert Pelzer in <strong>atw</strong> 2011, Heft 1, S. 8 ff hin.<br />

James McRae/US DOE berichtete über Erfahrungen<br />

mit Streitverfahren vor US-Gerichten betreffend<br />

die atomrechtliche Haftung wegen des Unfalls in Fukushima<br />

und konstatierte in Bezug auf das indische<br />

Atomhaftungsgesetz, dass die indische Atomgesetzgebung<br />

sich nicht ändern werde, dass die indische<br />

Verfassung „case law“ sei, dass man bei Unklarheiten<br />

keine Entscheidung eines indischen Gerichts erhalten<br />

werde und dass Betreiber und Zulieferer vertraglich<br />

andere Regelungen vereinbaren könnten als im<br />

Gesetz vorgesehen, so dass es darauf ankomme,<br />

„whether you can get a contract you can live with“.<br />

Beherzigenswert für Zulieferer dürfte außerdem<br />

der ergänzende Hinweis von Geoffrey sein, dass Zulieferer<br />

neben einem auskömmlichen Vertrag eine<br />

gute Versicherung benötigten.<br />

In der 2. Podiumsdiskussion erläuterte Toyohiro<br />

Nomura die spezielle Entschädigungsregelung<br />

im japanischen Haftungsrecht (Japan trat erst nach<br />

dem Reaktorunfall in Fukushima der Convention on<br />

Supplementary Compensation/CSC bei), die nach<br />

der Havarie des KKW Fukushima in 2011 geschaffen<br />

worden sei, sowie die praktische Heraus<strong>for</strong>derung,<br />

eine riesige Zahl von Entschädigungs<strong>for</strong>derungen<br />

(2.314.000 private u. 462.000 geschäftliche Forderungen)<br />

zu regulieren. Mehr als 10.000 zusätzliche<br />

Mitarbeiter seien von Tepco engagiert worden, um<br />

die Forderungen zu bearbeiten. 28.158 Entschädigungsansprüche<br />

seien von der Behörde anerkannt<br />

und davon 21.687 Verfahren bis Juni 2022 abgeschlossen<br />

worden.<br />

Die 3. Podiumsdiskussion befasste sich mit Fragen<br />

zur Nuklearversicherung, insbesondere zur Schadensabwicklung.<br />

Dan C. De Merchant schilderte den<br />

Aufbau und den Ablauf eines Notfall-Programms im<br />

amerikanischen Nuklearversicherungspool ANI und<br />

wies darauf hin, dass der Price-Anderson Act 2025<br />

ausläuft.<br />

Caj Weckström stellte die Vorgehensweise der<br />

Nordic <strong>Nuclear</strong> Insurers (NNI) bei Entschädigungs<strong>for</strong>derungen<br />

sowie die Erfahrungen von NNI mit derartigen<br />

Forderungen dar.<br />

Gilles Trembley in<strong>for</strong>mierte darüber, dass Assuratome<br />

und ELINI die Errichtung eines European<br />

Economic Interest Grouping Handling System (EEIG<br />

CHS) beschlossen haben, um den Mitgliedern dieser<br />

Gruppe ein IT-Werkzeug mit einem unabhängigen,<br />

unwiderlegbaren und unbegrenzten Zugang zur Verfügung<br />

zu stellen. Die Bearbeitung von Entschädigungs<strong>for</strong>derungen<br />

bleibt dabei gänzlich in der Zuständigkeit<br />

des Versicherungsunternehmens.<br />

Arbeitsgruppe 3<br />

„Neubau“<br />

In der 1. Podiumsdiskussion berichteten Ray Kuyler,<br />

Gary Becker zusammen mit Robert Temple sowie<br />

Marc Fialkoff über regulatorische Erfahrungen beim<br />

US-amerikanischen Genehmigungsverfahren für<br />

den AP1000, insbesondere den Heraus<strong>for</strong>derungen<br />

bei behördlich ge<strong>for</strong>derten Design-Änderungen im<br />

Genehmigungsverfahren für eine „first-of-its-kind“-<br />

Anlage; über Erfahrungen mit dem US Konstruktions-Zertifizierungsverfahren<br />

für den NuScale SMR;<br />

über Einsatzmöglichkeiten von schwimmenden Nuklearreaktoren<br />

sowie über rechtliche Fragestellungen,<br />

z. B. Definition eines schwimmenden KKW (Schiff,<br />

Fracht, Platt<strong>for</strong>m oder mobiles ablandiges Bohrgerät?)<br />

, Schnittstelle von Nuklear- und Seerecht, nukleare<br />

Sicherheit/Sicherung vs. Sicherheit/Sicherung<br />

nach Seerecht, Beachtung der verschiedenen Zonen<br />

auf See (Hoheitsgewässer, ausschließliche Wirtschaftszone,<br />

Hohe See), Risiken von schwimmenden<br />

Nuklearreaktoren (z. B. Versenkung aufgrund<br />

terroristischer Angriffe, Entführung) und die Frage<br />

nach der Notwendigkeit, ein neues internationales<br />

Regulierungsinstrument zu schaffen.<br />

In der 2. Podiumsdiskussion beschäftigten sich<br />

Stanley Berger, Denise Cheong zusammen mit<br />

SPOTLIGHT ON NUCLEAR LAW 41<br />

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SPOTLIGHT ON NUCLEAR LAW 42<br />

Nivedita S, Cyril Pinel zusammen mit Hugo Lopez<br />

und Claire Gooding mit Auswirkungen und Fragen<br />

des internationalen Nuklearhandels.<br />

Berger stellte die kanadische Haftungsgesetzgebung<br />

vor, zeigte ihre Lücken auf, riet Zulieferern und<br />

deren Subunternehmen, mit den Anlagenbetreibern<br />

als Empfängern nicht nur einen Ausschluss der Nuklearhaftung<br />

für Schäden an der Anlage sondern vorsichtshalber<br />

auch einen Haftungsausschluss für Schäden<br />

zu vereinbaren, die nicht nuklearspezifisch sind,<br />

und gab Beispiele für derartige Ausschlussklauseln.<br />

Denise Cheong stellte den Stand der mobilen<br />

KKW mit Fokus auf die schwimmenden KKW (z. B.<br />

das Schiff „Akademik Lomonosov“) dar. Klimawandel<br />

und Sorgen um die Energieversorgungssicherheit<br />

hätten das Interesse an SMRs und schwimmenden<br />

KKW wachsen lassen. Cheong bestätigte den Befund<br />

aus der vorangegangenen Podiumsdiskussion,<br />

dass bis dato Unklarheit über die anzuwendenden<br />

Rechtsvorschriften herrsche. Diskussionen über die<br />

anzuwendenden existenten oder noch zu schaffenden<br />

Rechtsvorschriften seien erst in den Anfängen:<br />

Auf IAEO-Ebene würde die Thematik inzwischen in<br />

verschiedenen Gremien teils unter Beteiligung der<br />

internationalen Seerechtsorganisation IMO behandelt,<br />

allerdings wohl mehr technisch als rechtlich.<br />

Auch WNTI und die OSPAR-Kommission beispielsweise<br />

diskutierten Fragen zu den schwimmenden<br />

KKW. Dagegen gebe es auf IMO-Ebene kein eigenes<br />

Gremium, das sich mit Fragen zu den mobilen SMRs<br />

(inkl. schwimmenden SMRs) befasse.<br />

Cyril Pinel berichtete über die Erfahrungen mit<br />

dem EPR, der die alten französischen und deutschen<br />

KKW-Linien habe ersetzen sollen und ein Versuch<br />

der Harmonisierung gewesen sei, der aus den bekannten<br />

Gründen jedoch gescheitert sei. Die Lehre<br />

aus dieser Erfahrung sei, dass die Bedürfnisse der<br />

Industrie in Einklang mit den An<strong>for</strong>derungen der<br />

Behörden und den Bedürfnissen der Öffentlichkeit<br />

gebracht werden müssten. Dazu brauche es Regelungen<br />

(internationale oder besser nationale, rechtsverbindliche<br />

oder nicht bindende Regelungen?).<br />

Claire Gooding referierte über den Bau<strong>for</strong>tschritt<br />

beim britischen KKW Hinkley Point C, das wenige<br />

Wochen vor der INLA-Tagung die größte Reaktorkuppel<br />

der Welt erhalten habe. Ferner erläuterte<br />

Gooding die unterschiedliche Finanzierung bei Hinkley<br />

Point C und dem noch in der Entwicklung befindliche<br />

KKW Sizewell C.<br />

Arbeitsgruppe 4<br />

„Strahlenschutz“<br />

Zunächst unterrichtete die Verfasserin das Auditorium<br />

über das Vorhaben der internationalen<br />

Strahlenschutzkommission (ICRP), ihre „Allgemeinen<br />

Empfehlungen“ zum Strahlenschutz (ICRP<br />

Publication 103 von 2007) einer Revision zu unterziehen<br />

(s. hierzu <strong>atw</strong> Heft 5, Vol. 67, S. 36 „Strahlenschutz:<br />

Quo vadis?“).<br />

Mark Sanders ging der Frage nach, ob das LNT-<br />

Modell, an dem die ICRP offenbar festhalten wolle,<br />

jedenfalls für den niedrigen Dosisbereich heute<br />

noch wissenschaftlich haltbar sei. Der „Commentary<br />

No. 27 – Implications of Recent Epidemiologic<br />

Studies <strong>for</strong> the Linear-Non-threshold Model and<br />

Radiation Protection", den der amerikanische Rat<br />

für Strahlenschutz und Strahlenmessung zu der in<br />

seinem Auftrag erstellten „Million Worker Study“<br />

veröffentlichte, gibt nach Ansicht Sanders keine<br />

klare Antwort, da das Studienergebnis nicht eindeutig<br />

sei. Die NRC habe 2021, wie Sanders ergänzend<br />

ausführte, drei Petitionen zurückgewiesen, die<br />

u. a. zum Ziel hatten, das LNT-Modell nicht weiter<br />

als wissenschaftliche Basis für den Strahlenschutz<br />

zu nehmen und außerdem das ALARA-Prinzip aus<br />

den Strahlenschutzregelungen zu streichen. Die NRC<br />

habe zwar anerkannt, dass es schwierig sei, durch<br />

niedrige Strahlendosen hervorgerufene Schäden<br />

bei Menschen zu messen, aber die LNT-Hypothese<br />

diene als Basis für ein Regelwerk, das den adäquaten<br />

Strahlenschutzstandard des amerikanischen<br />

Atomgesetzes von 1954 in seiner heutigen Fassung<br />

erfülle. Die NRC berufe sich für die weitere Anwendung<br />

der LNT-Hypothese auf die Erkenntnisse und<br />

Empfehlungen nationaler und internationaler wissenschaftlicher<br />

Gremien wie der ICRP, habe aber das<br />

Energieministerium beauftragt, ein Forschungsprogramm<br />

zur Wirkung niedriger Strahlendosen aufzulegen,<br />

um bessere Erkenntnisse über die Wirkung zu<br />

gewinnen. Seitens der „National Academies“ in den<br />

USA sei auf Anfrage des Kongresses ein mit Fachleuten<br />

besetztes Komitee gegründet worden, dass den<br />

Stand der nationalen und weltweiten Forschung zur<br />

Wirkung kleiner Strahlendosen ermitteln solle. Bis<br />

zum Vorliegen besserer belastbarer Ergebnisse werde<br />

die Nuklearindustrie mit der Unsicherheit leben<br />

müssen, für Gesundheitsschäden, die mit niedrigen<br />

Strahlendosen in Verbindung gebracht würden, haftbar<br />

gemacht zu werden.<br />

Arbeitsgruppe 5<br />

„Nukleare Abfallbehandlung“<br />

Unter Leitung von Alexandra Van Kalleveen, der<br />

Co-Vorsitzende dieser Arbeitsgruppe, stellten Rob<br />

Matsick (in Vertretung für Daniel F. Stenger), Nuria<br />

Prieto Serrano sowie Helen Peters und Anna Haraldsson<br />

ihre Beiträge vor.<br />

Matsick berichtete über neue Vorgehensweisen<br />

bei der Entsorgung (u. a. Einführung eines License<br />

Stewardship Modells), die zu einer beachtlichen –<br />

auch kostenmäßigen – Effizienzsteigerung geführt<br />

hätten. Das neue „Stewardship-Modell“, das eine<br />

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Art Mittlerrolle des „Stewards“, d. h. des Käufers<br />

der Anlage und der NRC vorsehe, oder das Asset Sale<br />

Modell, bei dem der Käufer vom Betreiber auch das<br />

Kapital inklusive der finanziellen Rücklagen für den<br />

nuklearen Entsorgungsfonds übernehme, könne beispielhaft<br />

auch für andere Staaten sein.<br />

Prieto Serrano erläuterte die Zusammensetzung<br />

und den Zweck von ENSREG, der European <strong>Nuclear</strong><br />

Safety Regulators Group, die für eine kontinuierliche<br />

Verbesserung der nuklearen Sicherheit und der Behandlung<br />

radioaktiver Abfälle in der EU sorgen solle,<br />

und gab einen Überblick über den Stand der teilweise<br />

sehr unterschiedlichen Stilllegungs- und Entsorgungsstrategien<br />

in der EU. Anlässlich der 5. ENSREG<br />

Konferenz im Juni 2019 habe sich ENSREG für eine<br />

Standardisierung bei der Stilllegung und Entsorgung<br />

sowie für eine detaillierte Festlegung, was der<br />

Endpunkt der Stilllegung sein solle (z. B. die „grüne<br />

Wiese“), ausgesprochen.<br />

Helen Peters beschäftigte sich in ihrem Beitrag<br />

mit den rechtlichen Heraus<strong>for</strong>derungen in Großbritannien,<br />

stillgelegte Nuklearanlagen aus dem<br />

Nuklearhaftungsregime des PÜ zu entlassen. Eine<br />

wesentliche Schwierigkeit liege in der Tatsache,<br />

dass das geltende britische Recht, das aus der Zeit<br />

von 1959–1965 stamme, nicht die Anwendung der<br />

Ausnahmeentscheidung des Direktionsausschusses<br />

der OECD/NEA von 2014 betreffend Nuklearanlagen<br />

in Stilllegung erlaube, da es ausnahmslos strengere<br />

Voraussetzungen vorsehe als die Direktionsentscheidung.<br />

Nach dieser Entscheidung können unter dort<br />

festgelegten Voraussetzungen Nuklearanlagen früher<br />

aus dem Geltungsbereich des PÜ entlassen werden.<br />

Peters plädierte deshalb für eine Änderung des<br />

einschlägigen britischen Rechts.<br />

Anna Haraldsson schilderte den Stand und die<br />

Erfahrungen in Bezug auf die Stilllegungsverfahren<br />

und die Entlassung aus dem Nuklearregime in<br />

Schweden anhand der Beispiele der KKW Agesta und<br />

Barsebäck sowie der Nuklearanlage Ranstad, die der<br />

Extraktion von Uran aus Alaun Schiefer und aus radioaktivem<br />

Abfall diente. Haraldsson erläuterte, in<br />

wieweit die späteren Nutzungsmöglichkeiten des Geländes<br />

auch den verbleibenden Grad an Radioaktivität<br />

des Standorts beeinflussen könnten.<br />

Arbeitsgruppe 6<br />

„Nukleare Sicherung und Nichtverbreitung“<br />

Die Arbeitsgruppe 6, die sich viele Jahre auf die<br />

nukleare Sicherung fokussiert hatte und seit kurzer<br />

Zeit das Thema „Nichtverbreitung“ mit in ihr Aufgabenspektrum<br />

aufgenommen hat, widmete sich unter<br />

dem Vorsitz von Meaghan Jennison und Mark Herlach<br />

den neueren Entwicklungen auf diesen beiden<br />

Themenfeldern.<br />

Sonja Drobysz stellte den noch recht jungen<br />

UN-Vertrag über das Verbot von Nuklearwaffen vor:<br />

Er ist seit dem 22.01.2021 in Kraft und wurde bisher<br />

von 68 Staaten ratifiziert, die im Wesentlichen aus<br />

Afrika, Lateinamerika und Asien kommen. Von den<br />

EU-Staaten haben nur Irland, Österreich, Malta und<br />

Liechtenstein ratifiziert, s. www.un.org/disarmament/wmd/nuclear/tpnw/.<br />

Das erste Vertragsstaatentreffen<br />

fand im Juni 2022 statt. Der Vertrag beinhaltet<br />

ein umfassendes Verbot der Beteiligung an<br />

Aktivitäten im Zusammenhang mit Nuklearwaffen.<br />

Dazu gehört auch das Besitzen und Lagern solcher<br />

Waffen. Ferner berichtete Drobysz über die 10. Überprüfungskonferenz<br />

zum Nichtverbreitungsvertrag<br />

im August 2022, die ohne eine Einigung über eine<br />

Lösung zur Verringerung des Risikos eines Nuklearwaffeneinsatzes<br />

und eines weiteren nuklearen Wettrüstens<br />

endete, da Russland als einziger Mitgliedstaat<br />

die Verabschiedung des Abschlussdokuments<br />

blockierte.<br />

Jonathan Herbach gab einen Überblick über die<br />

Überprüfungskonferenz zum Übereinkommen über<br />

den physischen Schutz von Kernmaterial/CPPNM<br />

(28.03.–1.04.2022): Inkrafttreten des Übereinkommens<br />

1987, zuletzt geändert 2016 (Erweiterung des<br />

Anwendungsbereichs der Konvention u. a. auch auf<br />

Transporte und Lagerung und kerntechnische Anlagen),<br />

129 Vertragsstaaten (des geänderten Abkommens).<br />

In dem einvernehmlich verabschiedeten<br />

Abschlussdokument wird festgestellt, dass das Übereinkommen<br />

in seiner Fassung von 2016 derzeit keiner<br />

Änderung bedarf. Der Generaldirektor der IAEO<br />

wird jedoch gebeten, gemäß Art. 16 Abs. 2 des Übereinkommens<br />

eine Konferenz einzuberufen.<br />

Ausgehend von dem Grundsatz, dass der Staat für<br />

die nukleare Sicherheit verantwortlich ist, und vor<br />

dem Hintergrund neuer Reaktortypen wie den SMRs<br />

(bis zu 300 MWe), den Micro-Reaktoren (= SMRs bis<br />

10 MWe) und den mobilen KKW (TNPP) diskutierten<br />

Madalina Man, Mark Fiakoff und Jason Karczj über<br />

die Frage, welcher Staat für die nukleare Sicherheit<br />

in Bezug auf diese Reaktoren verantwortlich ist. Ist<br />

es der Staat, auf dessen Territorium das KKW betrieben<br />

wird, ist es der Staat, in dem das KKW geplant<br />

und gefertigt wurde oder ist es der Staat, in dem der<br />

Eigentümer, der gleichzeitig auch der Betreiber ist,<br />

seinen Geschäftssitz hat? Wieweit, so wurde weiter<br />

gefragt, spiele z. B. eine Rolle, dass das Recht des<br />

Staates, in dem das KKW gelegen ist, zu beachten<br />

ist? Wieweit spiele ferner eine Rolle, dass der Staat,<br />

in dem das KKW betrieben wird, das Recht hat oder<br />

sogar die Verantwortung trägt, Inspektionen vorzunehmen?<br />

In Anbetracht dieser unklaren rechtlichen<br />

Situation plädierten die Diskussionsteilnehmer u. a.<br />

dafür, im Rahmen der nächsten Überprüfungskonferenzen<br />

zum CPPNM zusätzliche Empfehlungen<br />

für die Anwendung des CPPNM (in der Fassung von<br />

SPOTLIGHT ON NUCLEAR LAW 43<br />

Spotlight on <strong>Nuclear</strong> Law<br />

50-jähriges Jubiläum der <strong>International</strong> <strong>Nuclear</strong> Law Association ı Ulrike Feldmann


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

SPOTLIGHT ON NUCLEAR LAW 44<br />

2016) auf neue Reaktortypen zu entwickeln. Diese<br />

Empfehlungen sollten außerdem auch die Aufnahme<br />

des „Security by Design“-Prinzips in nationales Recht<br />

beinhalten. Anhand einer beeindruckenden Sammlung<br />

von – mit zumeist für Radioaktivität und Kernenergienutzung<br />

werbenden – Postkarten und Plakaten<br />

aus aller Welt skizzierte Stephen Burns/ Vorsitzender<br />

der US <strong>Nuclear</strong> Regulatory Commission i. R.<br />

in seiner humorvollen Gastrede die Geschichte der<br />

Nutzung radioaktiver Strahlung und den Wandel des<br />

Nuklearrechts und der öffentlichen Meinung.<br />

Arbeitsgruppe 7<br />

„Nukleartransport“<br />

Die Vortragsreihe der Arbeitsgruppe 7 unter<br />

Vorsitz von Khalil Bukhari eröffnete Jack Edlow als<br />

im Nukleartransportgeschäft bewährter „Fahrensmann“.<br />

Edlow schilderte anhand von Beispielen aus<br />

seiner Transportpraxis die vielfältigen Heraus<strong>for</strong>derungen,<br />

die Nukleartransporte mit sich bringen<br />

können. Er wies nachdrücklich auf den Mangel an<br />

Schifffahrtsunternehmen hin, die bereit sind, spaltbares<br />

Material mitzunehmen. Es gebe inzwischen<br />

noch genau vier Unternehmen, wovon eines ein<br />

russisches Unternehmen sei. Edlow riet daher eindringlich,<br />

Pläne für den er<strong>for</strong>derlichen Transport<br />

von abgebrannten Brennelementen rechtzeitig zu<br />

machen. Die Sorge der Schifffahrtsunternehmen vor<br />

einer Havarie eines Schiffes mit spaltbaren Stoffen<br />

an Bord und den damit möglichweise entstehenden<br />

Kosten (z. B. für die Evakuierung des Hafens) wies<br />

Edlow als unbegründet zurück. Bei Klasse 7-Gütern<br />

käme eine Havarie höchst selten vor, während jährlich<br />

einige Schiffe, die Klasse 1 Güter transportierten,<br />

sinken würden. Ein weltweit geltendes Nuklearhaftungsrecht<br />

würde Edlow als große Erleichterung<br />

für die Durchführung von internationalen Nukleartransporten<br />

begrüßen.<br />

Martin Porter bestätigte für WNTI, dass Nukleartransporte<br />

einen „beneidenswerten“ Rekord an<br />

jahrzehntelangen sicheren Lieferungen aufweisen.<br />

Mehr als 20 Mio. Nukleartransporte würden derzeit<br />

jährlich durchgeführt, Tendenz steigend (durch<br />

vermehrte Stilllegung von alten KKW einerseits und<br />

Neubau und Transport neuer Brennelemente andererseits).<br />

Dabei sei jedoch zu beachten, dass das<br />

Bedrohungspotential für Transporte durch Piraterie<br />

und Terrorismus, aber z. B. auch durch neue Methoden<br />

wie Cyberangriffe, bessere Vorhersehbarkeit von<br />

Transporten bei schlechteren Ausweichmöglichkeiten<br />

und gleichzeitig besseren Ortungssystemen zugenommen<br />

habe. Daher seien stärkere Sicherungsmaßnahmen<br />

wie z. B. durch Drohnen, Blockchain-<br />

Technik und durch Versicherungsregelungen für<br />

die Transporte wichtig, sie seien allerdings auch ein<br />

hoher Kostenfaktor. Zu den Heraus<strong>for</strong>derungen für<br />

Transporte gehörten nicht zuletzt auch der Kernenergie<br />

ablehnend eingestellte Behörden und eine<br />

ablehnend eingestellte Öffentlichkeit, was zu Verzögerungen<br />

oder sogar Verhinderungen von Transporten<br />

führen könne. Ähnlich wie Edlow im Hinblick auf<br />

neue Reaktortypen sprach sich Porter dafür aus, Sicherungs-<br />

und Sicherheitsan<strong>for</strong>derungen an Transporte<br />

bereits beim Design des Transportmediums zu<br />

berücksichtigen.<br />

Der letzte Vortrag aus der Arbeitsgruppe 7 war<br />

speziell den rechtlichen Fragen rund um die schwimmenden<br />

KKW (Flowing <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> Plant/FNPP)<br />

gewidmet. Für die Beantwortung der bereits in anderen<br />

Vorträgen angesprochenen Frage der Definition<br />

wie auch für die anzuwendenden Sicherungs- und Sicherheitsmaßnahmen<br />

könne, so Marc Fialkoff, eine<br />

Rolle spielen, ob das FNPP freistehend oder vertäut<br />

sei. Ein Seetransport berühre außerdem Transitfragen<br />

in Bezug auf die jeweilige maritime Zone (Territorialgewässer,<br />

Ausschließliche Wirtschaftszone, Hohe<br />

See). Abhängig vom Ort, an dem sich das FNPP befinde,<br />

könnten sich die Sicherheits- und Sicherungsan<strong>for</strong>derungen,<br />

wie z. B. die Notfallvorsorge ändern. Zu<br />

prüfen seien Transport- inklusive Transitregelungen<br />

in den verschiedenen internationalen Bestimmungen,<br />

wie z. B. CPPNM, Übereinkommen über die Sicherheit<br />

der Behandlung abgebrannter Brennelemente und<br />

radioaktiver Abfälle, <strong>International</strong>er Maritime Dangerous<br />

Goods Code (IMDG-Code), <strong>International</strong> Ship<br />

and Port Facility Security Code, IAEO-Empfehlungen<br />

zum sicheren Transport von radioaktivem Material<br />

und UN-Seerechtsübereinkommen (UNCLOS), letzteres<br />

regelt u. a. das Recht auf friedliche Durchfahrt<br />

in Küstengebieten (Art. 19) und die Freiheit der Schifffahrt<br />

(Art 87 Abs. 1a). Zusammenfassend stellte Fialkoff<br />

fest, dass das geltende See- und Nuklearrecht für<br />

FNPPs nur bedingt anwendbar sei, etliche Fragen offen<br />

ließe und an Lösungen gearbeitet werden müsse,<br />

die sicherstellen, dass der Umgang mit FNPPs unter<br />

angemessenen Sicherungs- und Sicherheitskriterien<br />

erfolgt.<br />

Arbeitsgruppe 8<br />

„Nuklearfusion“<br />

Den Reigen der Arbeitsgruppen beschloss die<br />

Arbeitsgruppe 8 mit Vorträgen von Karoly Tamas<br />

Olajos/Co-Arbeitsgruppenvorsitzender, Ian Salter,<br />

Philippe Sauter, Graham Alty sowie Ashley Meredith<br />

und William Fork zum Stand der Fusions<strong>for</strong>schung.<br />

Olajos hob die Vorteile der Fusionstechnologie<br />

als einen zukünftigen wertvollen Beitrag im Kampf<br />

gegen den Klimawandel hervor, weshalb es diese<br />

Technologie verdiene, verstärkt in den Fokus gerückt<br />

und finanziell gefördert zu werden.<br />

Salter erläuterte die Vorteile der Fusionstechnologie<br />

(risikoarm für die Umgebung und die<br />

Spotlight on <strong>Nuclear</strong> Law<br />

50-jähriges Jubiläum der <strong>International</strong> <strong>Nuclear</strong> Law Association ı Ulrike Feldmann


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

Bevölkerung in der Handhabung als auch bei schädlichen<br />

Einwirkungen Dritter, gut abschätzbare Mengen<br />

an schwach- und mittelaktivem Abfall, kein<br />

hochradioaktiver Abfall) und die darauf gegründete<br />

Absicht der britischen Regierung, eine Prototyp-Fusionsanlage<br />

zu bauen, um anschließend eine weltweitführende<br />

Fusionsindustrie aufzubauen und die<br />

Stimmführung bei der Entwicklung internationaler<br />

Standards zur Regelung der Fusionstechnologie zu<br />

übernehmen. Erste Überlegungen der Britischen Regierung<br />

für eine Rahmengesetzgebung zur Nuklearfusion<br />

lägen bereits vor. Unter anderem solle die britische<br />

Gesetzgebung dahingehend ergänzt werden,<br />

dass auch die Fusion zu den gerechtfertigten Tätigkeiten<br />

zählt. Ferner solle gesetzlich geregelt werden,<br />

dass eine Fusionsanlage keine Nuklearanlage i.S.d.<br />

britischen <strong>Nuclear</strong> Installations Act von 1965 sowie<br />

der britischen <strong>Nuclear</strong> Installations Regulations von<br />

1971 ist. (Eine Fusionsanlage ist zwar keine Anlage<br />

zur Spaltung von Kernbrennstoffen, ihre hohe<br />

Strahlung im Betrieb ist jedoch nicht vernachlässigbar,<br />

Anm. der Verfasserin). Die Britische Regierung<br />

wolle prüfen, ob und wie ein Haftungsregime für den<br />

Betrieb von Fusionsanlagen eingeführt werden sollte.<br />

Auf jeden Fall solle die Haftung angemessen zum<br />

Risiko der Fusionsanlage gedeckelt sein. Da es bisher<br />

keine Versicherung für Fusionsanlagen gebe, halte<br />

die Regierung die Betreiber einer Fusionsanlage ggf.<br />

schadlos. Ferner solle ein britisches Haftungsregime<br />

für Fusionsanlagen geeignet sein, international harmonisiert<br />

zu werden. Cyber-Sicherheit, Öffentlichkeitsbeteiligung<br />

und ein transparentes Genehmigungsverfahren<br />

sollen ebenfalls geregelt werden.<br />

Prüfen will die britische Regierung Regelungen zu<br />

Safeguards (bisher erfassen die Safeguardsbestimmungen<br />

nicht die Fusion).<br />

In seinem sich anschließenden Vortrag bestätigte<br />

Philippe Sauter den Befund, dass die bisherigen<br />

Safeguardsbestimmungen nicht die Fusion erfassen.<br />

Graham Alty legte dar, dass Allianzen bei Vertragsverhandlungen<br />

in Bezug auf Fusionsprojekte<br />

nützlich sein können.<br />

Ashley Meredith ging zusammen mit William Fork<br />

der schon von Salter angeschnittenen Frage nach, ob<br />

es Potential für die Harmonisierung eines Regelwerks<br />

für den globalen Einsatz der Fusionstechnologie gebe.<br />

Immerhin gebe es weltweit mehr als 35 privat<br />

finanzierte Fusionsgesellschaften, von denen 2/3<br />

ihren Sitz in den USA hätten, sowie vier Regierungsprogramme<br />

zur Entwicklung einer Fusionsanlage:<br />

NIF (National Ignition Facility)/USA, ITER (<strong>International</strong><br />

Thermonuclear Experimental Reactor)/F, JET<br />

(Joint EuropeanTorus)/GB und EAST (Experimental<br />

Advanced Superconducting Tokamak)/China. Großbritannien<br />

und USA seien auf dem Weg, ein Regelungskonzept<br />

zu erstellen. Meredith und Fork regten<br />

an, aus den Erfahrungen mit der Entwicklung von Regelungen<br />

für die SMRs Erkenntnisse für Regelungen<br />

in Bezug auf die Fusion zu gewinnen.<br />

Alain Quere wies darauf hin, dass bisher streitig<br />

diskutiert werde, ob die Fusionstechnologie von den<br />

vorhandenen internationalen Haftungsübereinkommen<br />

erfasst werde oder nicht. Aus Versicherungssicht<br />

sei vor allem wichtig, dass man sich, bevor man<br />

eine Anlage versichere, zunächst über das Risiko, das<br />

die Fusionsanlage darstelle, im Klaren sein müsse.<br />

Fork erläuterte, dass die Fusionsanlagen schon<br />

aufgrund ihres Designs eine geringeres Risiko als eine<br />

Nuklearanlagen hätten. Salter merkte ergänzend<br />

an, dass in GB die Fusion zwar als ein bedeutendes,<br />

aber nicht als ein Risiko mit katastrophalen Folgen<br />

bewertet werde. Daher sei eine nukleare Anlagengenehmigung<br />

nicht er<strong>for</strong>derlich. Die An<strong>for</strong>derungen<br />

an eine Fusionsanlage müssten an ihr geringeres Risiko<br />

angepasst werden.<br />

III. Fazit und Ausblick<br />

Nach der durch die Pandemie erzwungenen vierjährigen<br />

Konferenzpause war die Erleichterung der<br />

Teilnehmer, sich wieder in Präsenz treffen zu könnenen,<br />

deutlich zu spüren. Das Engagement bei den<br />

Vorträgen war besonders hoch, und es war erfreulich<br />

festzustellen, dass die INLA zwar älter geworden,<br />

das Durchschnittsalter der Tagungsteilnehmer aber<br />

gesunken ist. Ein gutes Zeichen für die Zukunftsfähigkeit<br />

der INLA. Fachlich bot die Tagung eine<br />

breite Themenpalette. Insbesondere wirft der zu erwartende<br />

Einsatz neuer Reaktor-Typen zahlreiche<br />

neue rechtliche Fragen auf, die sicherlich noch Stoff<br />

für zukünftige Tagungen geben werden. Die Diskussion<br />

dieser Fragen ließ ein Bedürfnis nach Ausweitung<br />

der internationalen Rechtsharmonisierung<br />

erkennen. Mit ihrem großen internationalen und<br />

motivierten „Pool“ an Fachleuten ist die INLA eine<br />

bestens geeignete Platt<strong>for</strong>m, zur Rechtsvergleichung<br />

und Rechts<strong>for</strong>tbildung im Interesse einer Rechtsharmonisierung<br />

beizutragen.<br />

Autorin<br />

Ulrike Feldmann<br />

vormals Justitiarin, Kerntechnik Deutschland e. V.,<br />

Berlin<br />

ulrike.feldmann@kernd.de<br />

Ulrike Feldmann studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Münster<br />

und Lausanne/Schweiz. Von 1980 bis 2022 war sie als Rechtsberaterin für den<br />

WKK e. V., den Deutschen Verband der Kernbrennstoffkreislaufwirtschaft und<br />

Kerntechnik, tätig, der 2019 zum Verein für Kerntechnik (KernD e. V.) wurde,<br />

einem Zusammenschluss des Deutschen Atom<strong>for</strong>ums (DAtF) und WKK.<br />

SPOTLIGHT ON NUCLEAR LAW 45<br />

Spotlight on <strong>Nuclear</strong> Law<br />

50-jähriges Jubiläum der <strong>International</strong> <strong>Nuclear</strong> Law Association ı Ulrike Feldmann


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ISSN 1431-5254 (Print) · eISSN 2940-6668 (Online)


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

Radioactive Waste between long-term<br />

Interim Storage and Site Selection<br />

Marcos Buser, Walter Wildi<br />

For about five decades, solutions <strong>for</strong> the disposal of radioactive waste in the geological subsurface<br />

have been sought in a wide variety of countries around the world. Contrary to initial expectations,<br />

the implementation programs initiated from the 1970s onward have turned out to be<br />

much more complex than originally expected. As a result, several of these processes had to be<br />

stopped or restarted, and the realization of the repository programs was delayed, in some cases<br />

massively. This article tries to find out where the stumbling blocks lay in the execution of previously<br />

defined disposal programs and what consequences this has <strong>for</strong> the longer-term interim<br />

storage of radioactive waste, especially high-level waste.<br />

On the role of interim storage facilities in<br />

the site selection process<br />

Interim nuclear storage facilities serve different<br />

purposes. The main purpose originally mentioned<br />

by the operators was the cooling of the burnt fuel<br />

in the sense of «temporary storage» of spent fuel<br />

and/or radioactive waste until it is transferred to<br />

a repository. 1 In the past, the necessary time span<br />

<strong>for</strong> interim storage was at most a few decades. However,<br />

taking into account the increasing delays<br />

in the implementation of the various national programs<br />

<strong>for</strong> the deep disposal of radioactive waste,<br />

interim storage facilities are now increasingly assuming<br />

the function of a buffer to be operated until<br />

the emplacement of the waste in a deep geological<br />

repository can be implemented safely. The partly<br />

massive extension of the interim storage periods<br />

naturally raises new questions, especially concerning<br />

the socio-political acceptance of this strategy,<br />

the protection of such facilities against external<br />

threats over longer storage periods, but also increased<br />

requirements regarding the technical design of<br />

buildings, storage concepts and safety equipment. 2<br />

Flexible buffer storage<br />

The function of the interim storage facility as a<br />

temporally flexible buffer storage facility became<br />

apparent already decades ago. The abandonment<br />

of reprocessing of spent fuel in many countries 3 and<br />

the extension of reactor operation times also led to<br />

an extension of interim storage periods. However,<br />

the difficulties that arose in the implementation of<br />

the final storage programs were even more significant.<br />

In all national disposal programs, there were<br />

delays of decades in the implementation of the planned<br />

repositories. After the failure of the repository<br />

project at the Carey Salt Mine, Lyons, Kansas, in<br />

the early 1970s, 4 concepts and strategies of «monitored<br />

retrievable surface storage» was pursued<br />

in the U.S. starting in 1972, 5 and were legalized in<br />

the <strong>Nuclear</strong> Waste Policy Act of 1982. 6 The function<br />

of longer-lasting buffer storage, until a definitive<br />

solution <strong>for</strong> waste disposal was available, was<br />

now systematically considered 7 and subsequently<br />

played a special role in all nuclear energy operating<br />

countries. However, the originally estimated<br />

periods of 10 to 50 years <strong>for</strong> the required interim<br />

storage have long since elapsed, 8 as the example of<br />

the Swiss waste management program shows (Figure<br />

1). 9 The time schedules of the new repository<br />

plans in Germany are also delayed by decades, as<br />

has been recognized since the fall of 2022. 10 With<br />

few exceptions, these timetables, which are continuously<br />

postponed into the future, are valid today<br />

<strong>for</strong> most of the nuclear energy operating countries.<br />

Thus, various recommendations of expert<br />

committees and experts from the past become relevant<br />

again, which recommend the establishment<br />

DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 47<br />

1 Definition in Wikipedia, Eintrag zu «Zwischenlager».<br />

2 Buser, M., 2014. «Hüten» versus «Endlagern»: eine Standortbestimmung 2014. Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI, August 2014..<br />

3 The World <strong>Nuclear</strong> Waste Report 2019, Focus Europe, Heinrich Böll Stiftung<br />

4 Walker, Samuel J., 2009. The Road to Yucca Mountain, University of Cali<strong>for</strong>nia Press, p. 51.ff.<br />

5 Walker, Samuel J., 2009. p. 79.ff.<br />

6 DOE, 2004. <strong>Nuclear</strong> Waste Policy Act, Department of Energy, March 2004.<br />

7 Zen, E-An, 1980. Dedicated-site, interim storage of high-level nuclear waste as part of the management system, Proc. Natl. Acad. Sci. USA, Vol 77, nr. 11, p. 6269-<br />

6271.<br />

8 IAEA, 1998. Interim Storage of Radioactive Waste Packages, Technical Report Series No. 390. <strong>International</strong> Atomic Energy Agency, Vienna.<br />

9 INA, 2011. Erfahrungswerte bei der Planung und Umsetzung des Sachplans und des Realisierungsplans geologische Tiefenlager und Planungsgrundlagen für das<br />

weitere Vorgehen, Version 3, zuhanden Eidgenössische Kommission für die nukleare Sicherheit (KNS), September 2011<br />

10 Bundesamt für Sicherheit der nuklearen Entsorgung, 2022. Zum Zeitplan der Endlagersuche, 14.11.2022.<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Radioactive Waste between long-term Interim Storage and Site Selection ı Marcos Buser, Walter Wildi


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 48<br />

/ Shutdown <strong>for</strong>ecast<br />

Swiss Confederation<br />

/ Shutdown <strong>for</strong>ecast<br />

Operators<br />

/ Binding switch-off<br />

date of NPP<br />

Begin of operation<br />

of the repository<br />

with year of <strong>for</strong>ecast<br />

| Fig. 1<br />

Forecasts of the realization of the Swiss HLW and LILW repositories in the last decades.<br />

of well-secured central interim storage facilities 11<br />

in order to be able to react sufficiently flexibly and<br />

with sufficient technical alternative strategies and<br />

options in the face of these uncertainties in the final<br />

repository planning of the future. 12<br />

The crux of modern waste management<br />

programs<br />

The difficulties or failures in the current implementation<br />

of the waste management programs that<br />

have been initiated in the various countries using<br />

nuclear energy over time, are largely responsible<br />

<strong>for</strong> these delays. Certainly, problematic disposal<br />

practices of the past and failed or damaged projects<br />

such as the Asse test repository or the Morsleben repository<br />

in the Federal Republic of Germany played<br />

a role in the delays of the originally envisaged implementation<br />

schedules. 13 However, other factors<br />

are of more fundamental importance: scientifically<br />

based site selection programs with clearly defined<br />

processes, as they were originally envisaged in the<br />

1970s, 14 have so far only been implemented <strong>for</strong><br />

three projects: the WIPP project, 15 the Swiss sectoral<br />

plan procedure 16 and the German site search<br />

procedure. 17<br />

All other national programs determined their repository<br />

sites based on other criteria, such as the<br />

locations of production facilities (Finland, Sweden,<br />

Belgium), or implemented abbreviated site selection<br />

programs or those based on other criteria<br />

(France, Canada). Canada's process, <strong>for</strong> example,<br />

was based on a consent-based site selection process<br />

in which communities interested in a repository<br />

could volunteer. 18<br />

Other national programs are<br />

slow to move <strong>for</strong>ward. Still others, such as those<br />

in the U.S., the U.K. and Spain, have been put on<br />

hold <strong>for</strong> the time being.<br />

In addition, there is the growing social and political<br />

influence on the selection of sites and the high demands<br />

on the scientificity of the procedures and the<br />

quality of the solutions developed, especially over<br />

the targeted safety and isolation periods of up to<br />

1 million years. The rapid development of science<br />

and technology not only opens up great opportunities<br />

in the implementation of the programs, but also<br />

represents significant risk factors <strong>for</strong> the concepts of<br />

deep geological disposal at depths of up to 1,000 m.<br />

Thus, underground use at the depth designated <strong>for</strong><br />

final disposal suddenly becomes interesting <strong>for</strong><br />

other objectives and applications that increasingly<br />

compete with nuclear disposal. A classic example<br />

is the geothermal use of the subsurface <strong>for</strong> heat generation,<br />

which is de facto applicable everywhere<br />

and could be a potential killer criterion <strong>for</strong> the concept<br />

of deep geological disposal pursued today due<br />

to rapidly decreasing costs and the great technical<br />

11 Shrader-Frechette K. (1993): Burying Uncertainty, Risk and the Case Against Geological Disposal of <strong>Nuclear</strong> Waste, University of Cali<strong>for</strong>nia Press;<br />

Blue Ribbon Commission on America’s <strong>Nuclear</strong> Future, 2012. Transportation and Storage Subcommittee, Report to the Full Commission, Updated Report,<br />

January 2012; Buser, M. 2017. Von der «Geologischen Tiefenlagerung» zur «Dualen Strategie», in drei Teilen, www.nuclearwaste.info.<br />

12 IAEA, 2019. Management of Spent Fuel from <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> Reactors, Learning from the Past, Enabling the Future, p. 258.<br />

13 See history of country-specific disposal programs, e.g. USA (Walter, S. J., 2009. The Road to Yucca Mountain, University of Cali<strong>for</strong>nia Press; Alley, W., Alley, R., 2013.<br />

Too Hot to Touch, Cambridge University Press), Germany (z.B. Möller, Detlev, 2007. Endlagerung radioaktiver Abfälle in der Bundesrepublik, Studien zur Technik-,<br />

Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Vol. 15, Peter Lang, <strong>International</strong>er Verlag der Wissenschaften; Tiggemann, Anselm, 2004. Die „Achillesferse“ der Kernenergie in<br />

der Bundesrepublik Deutschland, Europa<strong>for</strong>um-Verlag), Switzerland (z.B. Flüeler, Th. 2002: Radioaktive Abfälle in der Schweiz, Muster der Entscheidungsfindung in<br />

komplexen soziotechnischen Systemen. Dissertation 14645, ETH Zürich; Hadermann, J., Issler, H., Zurkinden, A., 2014. Die nukleare Entsorgung in der Schweiz 1945 –<br />

2006. Verlag Neue Zürcher Zeitung; Buser, Marcos, 2019. Wohin mit dem Atommüll? Rotpunkt-Verlag Zürich) and others.<br />

14 DOE, 1979. Management of commercially generated radioactive waste, Vol. 1&2, Department of Energy, DOE/EIS-0046-D.<br />

15 Mora, Carl J., 1999. Sandia and the Waste Isolation Pilot Plant 1974 – 1999, Sandia National Laboratories Albuquerque SAND99-1482.<br />

16 ENSI, Sectoral Plan <strong>for</strong> Deep Geological Repositories (SGT), Eidg. Nuklearsicherheitsinspektorat.<br />

17 BGE, Site Selection Procedure, Bundesgesellschaft für Endlagerung.<br />

18 Braden, Z., Macfarlane, A., 2023. Final countdown to site selection <strong>for</strong> Canada's nuclear waste geologic repository, Bulletin of the Atomic Scientists, January 16, 2023.<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Radioactive Waste between long-term Interim Storage and Site Selection ı Marcos Buser, Walter Wildi


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

development potential of drilling technology. 19<br />

How ever, the notion of ensuring subsurface protection<br />

concepts through spatial planning prohibitions<br />

are obsolete <strong>for</strong> projects with long storage periods. 20<br />

Such developments lead to the fact that processes<br />

can be re-evaluated over time due to new findings<br />

or the adaptation of concepts and criteria. Due to<br />

such context shifts, the consistency of the achieved<br />

results or of a site selection is questionable, as we<br />

can see in the example of the currently ongoing site<br />

selection process in Switzerland.<br />

The Swiss site-selection program<br />

A good example of this development is provided<br />

by the Swiss site-selection program, the so-called<br />

Deep Geological Repository sectoral plan, which<br />

reached a provisional conclusion with Nagra's site<br />

proposal <strong>for</strong> the «Nördlich Lägern» area on September<br />

12, 2022. Due to requirements imposed<br />

by the Swiss safety authorities, the responsible<br />

National Co-operative <strong>for</strong> the Disposal of Radioactive<br />

Waste (Nagra) expanded its search program<br />

in the late 1980s to include the sedimentary rocks<br />

of northeastern Switzerland. 21 By 1988, the three<br />

most promising areas in the «Opalinus Clay» host<br />

rock at depths of 500 to 1000 m had been identified<br />

and remained the focus of interest until very<br />

recently: the «Bözberg», «Nördlich Lägern» and<br />

«Zürcher Weinland» areas. Fundamentally, Nagra's<br />

program focused on the easternmost of these<br />

areas, the «Weinland», <strong>for</strong> over two decades. Exploration<br />

of the subsurface began in the mid-1990s<br />

and was completed with the «Benken» borehole. 22<br />

In 2002, Nagra applied to the Federal Council <strong>for</strong><br />

approval of the «Zürcher Weinland» as a repository<br />

site. In view of the failure of the second simultaneous<br />

repository program <strong>for</strong> low and intermediate<br />

level waste in Wellenberg, Nidwalden, the Federal<br />

Council decided to take over the political leadership<br />

of the site selection program. By spring 2008, the<br />

site selection concept was finally in place, which<br />

was designed to enable the selection of repository<br />

sites <strong>for</strong> high-level and low- and intermediate-level<br />

waste in three stages.<br />

The site search program <strong>for</strong> high-level waste led relatively<br />

quickly to a narrowing down to the known<br />

three siting regions in the Opalinus Clay, a sediment<br />

<strong>for</strong>mation of Middle Jurassic age. Following the<br />

execution of the requested seismic studies as well as<br />

further field investigations, Nagra narrowed down<br />

the sites at the end of 2015 and, as expected, proposed<br />

the privileged «Zürcher Weinland» and the<br />

«Bözberg» site. 23 However, investigations by the safety<br />

authorities and the two siting cantons of Zurich<br />

and Aargau, as well as strong political pressures<br />

and resistance, ultimately led to the «Nördlich Lägern»<br />

site, which had already been ruled out be<strong>for</strong>e,<br />

being reintroduced into the selection process and<br />

investigated further.<br />

In the third stage of the sectoral plan procedure,<br />

a number of boreholes were drilled in each siting<br />

area in order to gain a better understanding of the<br />

structure of the subsurface. As a result of these developments,<br />

the «Weinland» and «Bözberg» siting<br />

areas, which had previously been given priority,<br />

were eliminated.<br />

Process-related uncertainties<br />

and problems<br />

The selection of the «Nördlich Lägern» area was a<br />

big surprise to many observers, given its elimination<br />

in the previous second search stage. However,<br />

this showed clearly, that the new weighting of a<br />

single criterion - namely the construction technology<br />

and especially the effects on the intermediate<br />

seals at depths of more than 700 m 24 – had a decisive<br />

impact on the selection of the site. In contrast,<br />

the «Weinland» had to give up its pole position as a<br />

repository site, which had previously been believed<br />

to be safe, due to new findings on deepening caused<br />

by glacial erosion scenarios. 25<br />

The process of re-considering of the siting area<br />

«Nördlich Lägern» in the search procedure still<br />

owes an answer on the part of the institutions and<br />

authorities involved. The decision-making process<br />

that led to the abandonment or resumption of the<br />

«Nördlich Lägern» site has not been documented<br />

to date. However, it is evident that the scientific<br />

proof of the site's suitability is on shaky ground. The<br />

100 m thick Opalinus Clay «cassette» in the subsoil,<br />

in which the repository is to be built, is bounded on<br />

all sides by problems and uncertainties (Figure 2).<br />

DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 49<br />

19 Wildi, W., 2015. Geothermie 1: eine unbeschränkte erneuerbare Energie, https://www.nuclearwaste.info/geothermie-1/.<br />

20 classic examples such as the stone of Chagnon, Aquéduc du Gier; Grinsell, Leslie V., 1975: Barrow, Pyramid and Tomb. Ancient customs in Egypt, the Mediterranean<br />

and the Britisch Isles, Thames & Hudson 1975.<br />

21 Nagra, 1988. Sedimentstudie, Zwischenbericht, Nagra Technischer Bericht NTB 88-25.<br />

22 Nagra, 2000. Sondierbohrung Benken, Nagra Technischer Bericht NTB 00-01.<br />

23 Nagra, 2015. Standortgebiete für geologische Tiefenlager. Sicherheitstechnischer Vergleich: Vorschläge für Etappe 3.<br />

24 ENSI, 2017. Nach<strong>for</strong>derung des ENSI zum Indikator Tiefenlage im Hinblick auf die bautechnische Machbarkeit, Eidg. Nuklearsicherheitsinspektorat, 18. April 2017;<br />

Kovári, Kalman, 2016. Die bautechnische Machbarkeit der Lagerstollen. Einfluss der Tiefenlage auf die Langzeitsicherheit. beurteilung der Untersuchungen der Nagra,<br />

S. 21-22, in AG SiKa / KES, 2016. Sachplan geologische Tiefenlager (SGT), Etappe 2. Fachbericht vom 11. Januar 2016 zum 2x2 Vorschlag der Nagra.<br />

25 https://www.nuclearwaste.info/jo-nl-zno-ansatz-zu-einem-standortvergleich-2-gletschererosion/.<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Radioactive Waste between long-term Interim Storage and Site Selection ı Marcos Buser, Walter Wildi


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 50<br />

| Fig. 2<br />

3D seismic image of the «Nördlich Lägern» site area of NAGRA <strong>for</strong> the establishment of a radioactive waste disposal site <strong>for</strong> all radioactive waste categories in<br />

north-eastern Switzerland (Nagra, NAB 18-35, figure 6-13). Tentative interpretation of a top Opalinus Clay volumetric dip horizon slice. The image shows a<br />

attribute horizon slice with tectonical faults interpreted on the basis of seismic amplitudes (red lines) and additional lineaments tentatively interpreted on the<br />

basis of the attribute slice (blue lines with D1 to D3 discussed in the text). BIH: Baden – Irchel – Herdern Lineament; Eg: Eglisau Fault; Sb: Strassberg Fault; SIA:<br />

Siglistorf Anticline; WGE: Weiach – Glattfelden – Eglisau Lineament.<br />

Completed by the authors: Location of Haberstal surface facilities, approximative position of NAGRA deep geological disposal area and potential tectonically<br />

undisturbed an diposal by areas.<br />

Below the planned repository is the thick and so far<br />

mostly unexplored Permo-Carboniferous trough<br />

with its coal beds and other suspected and possibly<br />

future exploitable resources (gas, deep water,<br />

etc.). 26 To the north and south, the siting area is<br />

limited by two large tectonic fault zones (marginal<br />

trough faults of the Permo-Carboniferous trough).<br />

In the center of the area, another fault zone follows,<br />

which divides the siting area into two approximately<br />

equally large, but angled areas of about 7 km 2<br />

each (Figure 2). 27 The complex geometry of these<br />

subareas is poorly usable <strong>for</strong> a deep repository and<br />

further limits the available space underground. In<br />

addition, there are uncertainties regarding the density<br />

of minor tectonic faults in the selected subareas.<br />

Finally, the repository «cassette» is threatened from<br />

the surface by an increasingly dense gaggle of geothermal<br />

probes up to 400 m deep. 28 All in all: not<br />

good conditions <strong>for</strong> a successful conclusion of the<br />

Swiss siting procedure.<br />

26 https://www.nuclearwaste.info/zum-vorschlag-haberstal-stadel-zh-als-standort-fuer-das-tiefenlager-die-nagra-unterschaetzt-die-tektonische-beanspruchung/.<br />

27 https://www.nuclearwaste.info/geologisches-tiefenlager-noerdlich-laegern-die-platzfrage/.<br />

28 https://www.nuclearwaste.info/geothermie-und-erdwaermesonden-noerdlich-laegern/.<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Radioactive Waste between long-term Interim Storage and Site Selection ı Marcos Buser, Walter Wildi


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

Conclusion<br />

This brings us back to the beginning of our observations:<br />

open planning processes and the large<br />

uncertainties regarding the effective success of site<br />

selection programs have a direct impact on interim<br />

waste storage programs, especially spent fuel.<br />

«Past planning and infrastructure <strong>for</strong> management<br />

of spent fuel was based largely on a presumed future<br />

that has not occurred – at least not within the timeframes<br />

expected», as mentioned by a recent IAEA<br />

study. 29<br />

Thus, the study recommends «to maintain<br />

enough flexibility to accommodate the range<br />

of potential future options <strong>for</strong> the management of<br />

spent fuel given the current uncertainties regarding<br />

storage duration, future technologies, and future<br />

financial, regulatory, and political conditions». The<br />

recent developments in the Swiss and German site<br />

selection procedures confirm this development and<br />

confirm exactly the conclusions drawn in this analysis.<br />

29 Carlsen, B.W., p. 258., Hartman, W.L., Jarrell, J.J., 2019. Facing the Reality on Indefinite Storage: What Does It Mean?, In IAEA, 2019. Management of Spent Fuel from<br />

<strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> Reactors, Learning from the Past, Enabling the Future, p. 258.<br />

Authors<br />

Marcos Buser<br />

Senior Consultant,<br />

Zurich, Switzerland<br />

marcos.buser@bluewin.ch<br />

Marcos Buser, geologist and social scientist, has been working in the field of<br />

nuclear energy and chemo-toxic hazardous waste management <strong>for</strong> more than<br />

40 years. He oversees major waste projects in Switzerland as well as in neighboring<br />

countries and works closely with universities, research institutes, international<br />

institutions, government agencies and private engineering firms.<br />

Marcos Buser was chairman/member of expert commissions, such as the EKRA<br />

expert commission <strong>for</strong> the Swiss repository concept (1999-2002), the Swiss<br />

Federal Commission <strong>for</strong> <strong>Nuclear</strong> Safety (2008 – 2012) or several expert commissions<br />

in the field of industrial landfill remediation.<br />

Dr. Sc. nat. Walter Wildi<br />

Honorary Prof.,<br />

University of Geneva, Switzerland<br />

wildigeo@gmail.com<br />

Walter Wildi studied geology at the ETH in Zurich. He earned his spurs in applied<br />

geology already during his studies, when in 1970-1971 he carried out geological<br />

mapping and gallery surveys on behalf of the geological consulting firm Dr. H.<br />

Jäckli (Höngg) as part of the initial investigations <strong>for</strong> the search of a site <strong>for</strong> the<br />

storage of low-level radioactive waste in the Tafeljura region of Aargau. After<br />

completing his dissertation, working and study visits in Morocco, at the Université<br />

de Paris Jussieu and research positions at the ETH Zurich and the University of<br />

Fribourg, he was elected Professor in Geology at the University of Geneva. Walter<br />

Wildi held this position from 1986 until his retirement in 2013, teaching since<br />

1995 topics in environmental geology geomorphology, glacial geology, waste<br />

disposal, contaminated sites, limnogeology, interdisciplinary environmental<br />

microbiology (geological aspects). During this time he also held numerous public<br />

functions, namely in the service of the Swiss government, and presided namely<br />

over the Swiss Geological Commission, the Federal Geological Expert Commission,<br />

the Expert Group "Disposal Concepts <strong>for</strong> Radioactive Waste", the Cantonal<br />

Expert Group Wellenberg and the Federal Commission <strong>for</strong> the Safety of <strong>Nuclear</strong><br />

Installations (KSA).<br />

DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 51<br />

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Decommissioning and Waste Management<br />

Radioactive Waste between long-term Interim Storage and Site Selection ı Marcos Buser, Walter Wildi


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

52<br />

AT A GLANCE<br />

Einführung<br />

Einreichung des<br />

Genehmigungsantrags zur<br />

Errichtung des Projekts Cigéo<br />

Anfang 2023 reichte die Andra (Agence nationale pour la gestion des déchets radioactifs; Nationale<br />

Agentur für die Entsorgung radioaktiver Abfälle) den Antrag auf Errichtungsgenehmigung (frz. DAC) für<br />

das Projekt Cigéo zur geologischen Lagerung der am stärksten radioaktiven Abfälle (hochradioaktive<br />

Abfälle aus der Wiederaufarbeitung und mittelradioaktive Abfälle mit langer Lebensdauer) ein. Dieser<br />

Meilenstein markiert sowohl einen Abschluss als auch einen Neuanfang für das Projekt. Zunächst ist es<br />

das Ergebnis von 30 Jahren schrittweiser Entwicklung, die regelmäßig evaluiert wird. Das Projekt wurde<br />

im Laufe der Zeit in wissenschaftlicher und technischer Hinsicht verfeinert. Der Genehmigungsantrag<br />

für Cigéo ruht auf der Grundlage klar definierter Konstruktionsprinzipien und eines robusten Sicherheitsnachweises.<br />

Aber dieser Antrag und seine Prüfung durch die Behörde für nukleare Sicherheit (ASN) bedeuten<br />

auch den Beginn einer neuen Phase: Cigéo wird auf seine Realisierung vorbereitet und Andra wird der<br />

Betreiber des Lagers. Zwar befindet sich Cigéo noch im Planungsstadium, aber die Agentur ist bereits<br />

gegenüber der ASN verantwortlich. Auch hier geht es darum, bei der Projektprüfung schrittweise voranzukommen,<br />

indem zunächst bestimmte Elemente präzisiert werden, um den Bau und dann den Betrieb<br />

der Anlage vorzubereiten.<br />

Bei Cigéo treffen auch ein nationales Projekt, das vom Staat getragen wird, und ein Aufnahmegebiet<br />

aufeinander. Die Departements Meuse und Haute-Marne übernehmen ihren Anteil an dieser Aufgabe<br />

von allgemeinem Interesse, die die langfristige Entsorgung radioaktiver Abfälle im Dienste der Nation<br />

darstellt. Wir schulden ihnen Anerkennung und die Zusicherung, dass wir sie weiterhin begleiten und<br />

die lokalen Akteure in die künftigen Entscheidungen und Beschlüsse einbeziehen werden. Das ist der<br />

Garant für dauerhaftes Vertrauen.<br />

Lassen Sie uns das Projekt in die richtige Perspektive rücken: Die nächsten Jahre sind letztlich wenig<br />

im Vergleich zu den Jahrzehnten der Arbeit, die diesen vorausgehen, aber auch im Vergleich zur jahrhundertelangen<br />

Dauer der Umsetzung des Projekts und schließlich im Hinblick auf die Heraus<strong>for</strong>derung der<br />

geologischen Lagerung, die darauf abzielt, eine sichere Entsorgungslösung für die nächsten Hunderttausende<br />

von Jahren zu bieten. Wir zeigen heute unsere Verantwortung gegenüber den Generationen<br />

von morgen: Wir dürfen ihnen nicht die Last der radioaktiven Abfälle, die wir produziert haben, hinterlassen,<br />

umso mehr angesichts der Ungewissheit, in der sich die Gesellschaft befindet.<br />

Das Cigéo-Projekt<br />

Cigéo ist das französische Projekt für ein Tiefenlager<br />

für die am stärksten radioaktiven Abfälle. Ziel des Projekts<br />

ist es, Mensch und Umwelt langfristig vor den<br />

Gefahren dieser Abfälle zu schützen. 2006 entschied<br />

sich Frankreich für die geologische Tiefenlagerung,<br />

um hochaktive (HA) und mittelaktive langlebige<br />

(MA-VL) radioaktive Abfälle langfristig zu entsorgen.<br />

Diese Entscheidung ist das Ergebnis von 15 Jahren<br />

Forschung, die durch ein Gesetz im Jahr 1991 1 eingeleitet<br />

wurde und drei verschiedene Schwerpunkte<br />

hatte: Langzeitlagerung, Trennung/Transmutation<br />

und Tiefenlagerung sowie deren Bewertung durch<br />

die Behörde für nukleare Sicherheit (ASN) und die<br />

nationale Bewertungskommission, eine öffentliche<br />

Debatte und eine Parlamentsdebatte, die zur Verabschiedung<br />

des Gesetzes vom 28. Juni 2006 führte.<br />

1 Gesetz Nr. 91-1381 vom 30. Dezember 1991: www.legifrance.gouv.fr/loda/id/JORFTEXT000000356548/#:~:text=Le%20stockage%20en%20 France%20de,techniques%20impos%C3%A9s%20par%20le%20retraitement<br />

At a Glance<br />

ANDRA – Cigéo


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

Darüber hinaus besteht ein internationaler wissenschaftlicher<br />

Konsens 2<br />

über die Wahl der Tiefenlagerung,<br />

wobei viele Länder an ähnlichen Projekten<br />

beteiligt sind. 3<br />

Warum eine Lagerung in<br />

geologischen Tiefen?<br />

HA- und MA-VL-Abfälle werden zum Teil mehrere<br />

hunderttausend Jahre lang und darüber hinaus radioaktiv<br />

bleiben. Dies macht es er<strong>for</strong>derlich, den Schutz<br />

von Mensch und Umwelt dauerhaft und passiv zu gewährleisten,<br />

d. h. ohne dass die Gesellschaft handeln<br />

und kontrollieren muss, was über solche Zeiträume<br />

nicht gewährleistet werden kann. Die geologische<br />

Tiefenlagerung ermöglicht aufgrund ihrer Tiefe, ihrer<br />

Konzeption und ihrer Lage in einem undurchlässigen<br />

Tongestein und in einer stabilen geologischen Umgebung<br />

die Isolierung der HA- und MA-VL-Abfälle,<br />

den Einschluss und die Begrenzung der Migration<br />

der Radioaktivität an die Oberfläche über sehr lange<br />

Zeiträume.<br />

Welche Abfälle werden in Cigéo<br />

gelagert werden?<br />

In Cigéo sollen alle hochaktiven (HA) und langlebigen<br />

mittelaktiven (MA-VL) Abfälle gelagert werden, die<br />

bei der Kern<strong>for</strong>schung, dem Betrieb von Kernkraftwerken<br />

und der Wiederaufarbeitung abgebrannter<br />

Kernbrennstoffe anfallen. Dies berücksichtigt den gesamten<br />

Abfall, der bereits produziert wurde und bis<br />

zum Ende des Betriebs der französischen kerntechnischen<br />

Anlagen, die ihre Genehmigung zur Errichtung<br />

vor 2016 erhalten haben, produziert werden soll.<br />

Das für Cigéo vorgesehene Inventar beläuft sich<br />

auf 83.000 m 3 radioaktive Abfälle (73.000 m 3 MA-<br />

VL-Abfälle und 10.000 m 3 HA-Abfälle). Dies wird<br />

als Referenzinventar bezeichnet. Heute sind bereits<br />

60 % der MA-VL-Abfälle und 40 % der HA-Abfälle angefallen<br />

und werden bis zur Umsetzung von Cigéo an<br />

den Standorten der Abfallverursacher 4 gelagert. Die<br />

Abfallmengen, die von sechs neuen EPR2-Reaktoren<br />

produziert werden könnten, die derzeit Gegenstand<br />

einer öffentlichen Debatte sind, sind nicht im Referenzinventar<br />

von Cigéo enthalten. Um die öffentliche<br />

Entscheidung zu unterstützen, hat Andra jedoch auf<br />

Ersuchen der Regierung eine vorläufige Bewertung<br />

der Auswirkungen dieser sechs Reaktoren auf die<br />

langfristigen Lösungen für die Entsorgung radioaktiver<br />

Abfälle durchgeführt. Diese Elemente sind in<br />

dem Bericht „Travaux relatifs au nouveau nucléaire“<br />

(Arbeiten mit Bezug auf neue Kernkraft) enthalten 5 .<br />

Wo wird Cigéo angesiedelt?<br />

Wenn Cigéo genehmigt wird, soll es im Osten Frankreichs<br />

an der Grenze der Departements Meuse und<br />

Haute-Marne errichtet werden. Die Geologie des<br />

Standorts wurde seit über 25 Jahren eingehend<br />

untersucht, insbesondere seit 2000 mithilfe des<br />

Untertagelabors von Andra. Die als Lagerstätte ausgewählte<br />

geologische Schicht, das sogenannte „Callovo-Ox<strong>for</strong>dien“<br />

(deutsche Entsprechung: Callovium<br />

und Ox<strong>for</strong>dium an der Grenze zwischen den erdgeschichtlichen<br />

Perioden Mittel- und Oberjura), ist eine<br />

tonhaltige Schicht im Pariser Becken, einer geologischen<br />

Zone mit hoher Stabilität. Diese Schicht, die<br />

sich vor 160 Millionen Jahren gebildet hat, befindet<br />

sich im Lagerungsgebiet in einer Tiefe von etwa 500<br />

Metern und hat eine Dicke von etwa 150 Metern.<br />

Den Generationen Wahlmöglichkeiten<br />

bieten<br />

Cigéo soll den nächsten Generationen eine dauerhafte<br />

Lösung für die langfristige Entsorgung der<br />

radioaktivsten Abfälle bieten und ihnen gleichzeitig<br />

Optionen offen halten. Cigéo ist so konzipiert, dass es<br />

während seiner gesamten Betriebszeit, mindestens<br />

100 Jahre lang, reversibel ist. Dies beruht auf einem<br />

industriellen Konzept, das gewährleistet, dass das<br />

Endlager flexibel und anpassungsfähig ist und dass<br />

bei seiner Entwicklung die Ergebnisse des wissenschaftlichen<br />

und technologischen Fortschritts sowie<br />

die im Laufe des Betriebs des Lagers gewonnenen<br />

Erfahrungswerte einfließen können. Schließlich soll<br />

die Reversibilität sicherstellen, dass die radioaktiven<br />

Abfallpakete zurückgeholt werden können, falls dies<br />

beschlossen wird.<br />

Finanzierung und Kosten von Cigéo<br />

Die Finanzierung der Lagerung radioaktiver Abfälle<br />

wird von den Abfallverursachern sichergestellt: für<br />

Cigéo über zweckgebundene Fonds, die regelmäßig<br />

aktualisiert und jedes Jahr von den Verwaltungsbehörden<br />

kontrolliert werden. So sind die Abfallverursacher<br />

verpflichtet, Rückstellungen zu bilden, die es<br />

ermöglichen, die Finanzierung des Projekts bereits<br />

heute zu sichern, um die Last nicht künftigen Generationen<br />

zu hinterlassen.<br />

Um die Höhe dieser Rückstellungen festzulegen,<br />

legt das Umweltministerium objektive Kosten fest,<br />

die alle mit dem Projekt verbundenen Kosten während<br />

seiner gesamten Lebensdauer berücksichtigen:<br />

die Finanzierung der Studien, den Bau, den Betrieb,<br />

die Wartung und die Schließung des Endlagers. Im<br />

53<br />

AT A GLANCE<br />

2 EU-Richtlinie 2011/70/EURATOM vom 19. Juli 2011: „Es ist allgemein anerkannt, dass aus technischer Sicht die Lagerung in tiefen geologischen Schichten derzeit die<br />

sicherste und nachhaltigste Lösung als Endstufe der Entsorgung hochaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente, die als Abfall betrachtet werden, darstellt“:<br />

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/FR/TXT/PDF/?uri=CE-LEX:32011L0070&from=EN<br />

3 <strong>International</strong>er Überblick über die Entsorgung radioaktiver Abfälle: www.andra.fr/stockage-des-dechets-radioactifs-la-situation-linternational<br />

4 Orano-Standort in La Hague, CEA-Standorte in Cadarache, Marcoule und Valduc, EDF-Standort in Bugey<br />

5 www.ecologie.gouv.fr/sites/default/files/2022.02.18_Rapport_nucleaire.pdf<br />

At a Glance<br />

ANDRA – Cigéo


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

54<br />

AT A GLANCE<br />

Jahr 2016 wurden die objektiven Kosten von Cigéo<br />

auf der Grundlage einer Bezifferung durch Andra und<br />

der Stellungnahmen der ASN und der Abfallerzeuger<br />

auf 25 Milliarden Euro festgelegt. 6<br />

Gemäß dem Nationalen Plan für die Entsorgung<br />

radioaktiver Stoffe und Abfälle 2022–2026 wird die<br />

nächste Neubewertung der Kosten von Cigéo während<br />

des Verfahrens zur Prüfung des Antrags auf Errichtungsgenehmigung<br />

und spätestens bis zur damit<br />

verbundenen öffentlichen Anhörung erfolgen.<br />

Der Antrag auf Genehmigung<br />

zur Errichtung von Cigéo<br />

und seine Prüfung<br />

Mit dem Antrag auf Errichtungsgenehmigung und<br />

der Einreichung der Unterlagen für die Prüfung des<br />

Antrags hat die Andra einen wichtigen Schritt für das<br />

Projekt Cigéo getan. Nach der Gemeinnützigkeitserklärung,<br />

mit der festgestellt werden sollte, dass Cigéo<br />

ein Projekt von allgemeinem Interesse ist, zielt diese<br />

neue Etappe darauf ab, die Genehmigung zur Einleitung<br />

der Realisierung von Cigéo und seiner industriellen<br />

Pilotphase zu erhalten. Zur Unterstützung des<br />

Antrags auf Errichtungsgenehmigung hat Andra ein<br />

Dossier eingereicht, das die detaillierten technischen<br />

Die Anpassungsfähigkeit<br />

des Endlagers<br />

Der Antrag auf Errichtungsgenehmigung bezieht<br />

sich auf das Referenzinventar. Um sicherzustellen,<br />

dass sich das Lager an verschiedene Szenarien der<br />

Entwicklung der Energiepolitik anpassen kann,<br />

legt die Andra auch Studien zur Anpassungsfähigkeit<br />

von Cigéo für die Aufnahme von Abfällen<br />

vor, die in einem sogenannten "Reserveinventar"<br />

enthalten sind.<br />

Dieses Reserveinventar berücksichtigt Szenarien<br />

wie die Einstellung der Wiederaufarbeitung abgebrannter<br />

Brennstoffe, die Verlängerung der Laufzeit<br />

der derzeitigen Reaktoren oder im Gegenteil<br />

die Einstellung der Kernenergie nach 50 Betriebsjahren<br />

für die Installationen. Dies führt insbesondere<br />

zu unterschiedlichen Abfallinventaren für<br />

HA- und MA-VL-Abfälle oder zur Berücksichtigung<br />

von abgebrannten Brennstoffen.<br />

Sollte die Entscheidung getroffen werden, diese<br />

Szenarien umzusetzen, würde dies einen speziellen<br />

Genehmigungsantrag sowie einen Dialogprozess<br />

insbesondere mit dem Standortgebiet von<br />

Cigéo und die Durchführung von Regelungsverfahren<br />

er<strong>for</strong>dern.<br />

CIGEO DISPOSAL FACILITY<br />

CIGÉO DISPOSAL FACILITY<br />

Major stages of Project<br />

1991<br />

Act passed defining three areas of research <strong>for</strong><br />

management of the most highly radioactive waste.<br />

Number of acts passed (1991,<br />

2006 and 2016) and number<br />

of public debates organised<br />

(2005, 2013 and 2019),<br />

about or linked with Cigeo<br />

Number of years of<br />

research <strong>for</strong> Cigeo,<br />

evaluated at<br />

regular intervals 30<br />

3<br />

RAMP ZONE<br />

Zone <strong>for</strong> receipt, inspection and<br />

preparation of waste packages<br />

CONNECTION BETWEEN<br />

UNDERGROUND<br />

SEPARATE SURFACE FACILITIES<br />

RESEARCH<br />

LABORATORY<br />

RAIL-CONNECTED TERMINAL<br />

Rail infrastructure<br />

Saudron<br />

Bure<br />

Mandres-en-Barrois<br />

SHAFT ZONE<br />

Underground work<br />

support zone<br />

Ribeaucourt<br />

A public interest project<br />

An assurance <strong>for</strong> future<br />

generations in a world of<br />

uncertain developments<br />

Reversible disposal <strong>for</strong><br />

at least 100 years<br />

2000<br />

Start of construction of Andra’s Underground<br />

Research Laboratory.<br />

2005<br />

Andra concluded that deep geological<br />

disposal in Meuse/Haute‐Marne is<br />

feasible and safe. Validation by ASN<br />

and other experts and assessors.<br />

2006<br />

Act passed adopting reversible deep<br />

geological disposal <strong>for</strong> the most<br />

highly radioactive waste.<br />

2016<br />

Safety options file delivered to ASN<br />

and act passed concerning terms of<br />

creation of Cigeo and its reversibility.<br />

2022<br />

Decree declaring public utility of<br />

Cigeo project.<br />

SHAFTS<br />

Support <strong>for</strong> local<br />

development<br />

From 2023<br />

Review of the Construction Licence<br />

Application File <strong>for</strong> Cigeo by ASN<br />

Volume of high-level<br />

(HLW) and long-lived<br />

intermediate-level 83,000<br />

radioactive waste (ILW-LL)<br />

to be stored in Cigeo m 3<br />

DOUBLE RAMP<br />

– 500 m<br />

Central level of<br />

the Callovo‐Ox<strong>for</strong>dian<br />

argillaceous <strong>for</strong>mation<br />

ILW-LL DISPOSAL SECTION<br />

HLW DISPOSAL SECTION<br />

Continuing dialogue and<br />

consultation with society<br />

Around 2027<br />

Start of construction of Cigeo, if project<br />

is authorised.<br />

Start of industrial pilot phase.<br />

2035–2040<br />

Authorisation of commissioning by ASN <strong>for</strong><br />

continuation of the industrial pilot phase with<br />

handling of radioactive waste packages.<br />

2150s<br />

2040–2050<br />

Act to specify conditions <strong>for</strong> continuation of disposal<br />

after the industrial pilot phase and authorisation of full<br />

commissioning by ASN.<br />

Act to authorise permanent closure of the disposal facility.<br />

6 Erlass vom 15. Januar 2016 über die objektiven Kosten, die mit der Umsetzung der Lösungen für die langfristige Entsorgung hochaktiver und mittelaktiver langlebiger<br />

radioaktiver Abfälle verbunden sind: www.legifrance.gouv.fr/jorf/id/JORFTEXT000031845115<br />

At a Glance<br />

ANDRA – Cigéo


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

Elemente der Konzeption von Cigéo sowie den Sicherheitsnachweis<br />

enthält, um die Prüfung des Antrags<br />

zu ermöglichen.<br />

Für die Erstellung dieses umfangreichen Dossiers,<br />

das etwa 10.000 Seiten umfasst, wurden zahlreiche<br />

Kompetenzen in erster Linie im Bereich der nuklearen<br />

Sicherheit, aber auch in den Bereichen Geologie,<br />

Untertagebau, Bauingenieurwesen, Werkstoffe, numerische<br />

Simulationen, Umwelt usw. mobilisiert, mit<br />

der Unterstützung renommierter akademischer Partner<br />

(Forschungseinrichtungen und Universitäten), Ingenieurteams<br />

sowie nationaler und internationaler<br />

Experten, insbesondere durch interne und externe<br />

Ausschüsse und Prüfungen.<br />

Der Antrag auf Errichtungsgenehmigung wurde<br />

von Andra am Montag, den 16. Januar 2023, bei der<br />

für die nukleare Sicherheit zuständigen Ministerin<br />

für den Energiewandel eingereicht. Die Mission für<br />

nukleare Sicherheit und Strahlenschutz, die in der Generaldirektion<br />

für Risikoprävention angesiedelt ist, ist<br />

dafür zuständig, die Behörde für nukleare Sicherheit<br />

(ASN) zu beauftragen, den von Andra eingereichten<br />

Antrag mit technischer Unterstützung des IRSN und<br />

der ständigen Expertengruppe zu prüfen. Es folgen<br />

eine Phase der Konsultationen mit verschiedenen Akteuren<br />

(CNE (Nationale Evaluierungskommission für<br />

nukleare Entsorgungs<strong>for</strong>schung), Umweltbehörde,<br />

Gebietskörperschaften, OPECST (Parlamentarisches<br />

Büro für wissenschaftliche und technische Bewertung)...)<br />

und eine öffentliche Anhörung.<br />

Erklärung der Gemeinnützigkeit<br />

und eines Vorhabens<br />

von nationalem Interesse<br />

Am 8. Juli 2022 wurde das Projekt Cigéo per Dekret<br />

der Premierministerin als gemeinnützig anerkannt.<br />

Mit der Gemeinnützigkeitserklärung von<br />

Cigéo wird das allgemeine Interesse an dem Projekt<br />

anerkannt, da es darum geht, den Menschen<br />

und die Umwelt langfristig vor den Risiken zu<br />

schützen, die von hochaktiven und mittelaktiven<br />

langlebigen Abfällen ausgehen könnten.<br />

Der im August 2020 von Andra eingereichte Antrag<br />

auf Gemeinnützigkeitserklärung wurde von<br />

den staatlichen Stellen geprüft, die Stellungnahmen<br />

der Umweltbehörde und von 24 vom Projekt<br />

betroffenen Gebietskörperschaften wurden eingeholt<br />

und im Herbst 2021 wurde eine öffentliche<br />

Anhörung durchgeführt. Im Rahmen dieser<br />

öffentlichen Anhörung gingen 4.150 Beiträge ein,<br />

die im Dezember 2021 zu einer uneingeschränkt<br />

positiven Stellungnahme der Untersuchungskommission<br />

mit fünf Empfehlungen führten. Das Cigéo-Projekt<br />

wurde von der Regierung auch in die<br />

Liste der Vorhaben von nationalem Interesse (OIN)<br />

aufgenommen und gehört damit zu den rund 30<br />

OIN, die es im europäischen Territorium Frankreichs<br />

gibt.<br />

55<br />

AT A GLANCE<br />

Die Prüfung des Antrags<br />

auf Erteilung einer<br />

Errichtungsgenehmigung<br />

Die Prüfung des Antrags auf Erteilung der Genehmigung<br />

zur Einrichtung könnte drei bis fünf Jahre dauern.<br />

Nach Abschluss der technischen Prüfung und<br />

der öffentlichen Anhörung, nach Stellungnahme<br />

des Staatsrats, könnte das Genehmigungsdekret für<br />

die Errichtung von Cigéo bis 2027 vorliegen. Es wird<br />

dieses Genehmigungsdekret für die Errichtung sein,<br />

das es der Andra ermöglicht, mit der Errichtung des<br />

unterirdischen Lagers Cigéo zu beginnen. Das Dekret<br />

wird insbesondere die technische Lösung festlegen,<br />

wodurch die Vertragsphase für die Bauarbeiten (Erstellung<br />

von Lastenheften, Ausschreibungen usw.)<br />

und der Beginn der regulatorischen Schritte eingeleitet<br />

werden können, die den Bau der oberirdischen<br />

Anlagen und der ersten unterirdischen Bauwerke<br />

ermöglichen. Es wird keine Lagerung von radioaktiven<br />

Abfallpaketen erlauben: Nur eine von der ASN<br />

erteilte Betriebsgenehmigung wird dies ermöglichen.<br />

Review of Construction Licence Application: how does this take place?<br />

Submission<br />

• Referral to<br />

French <strong>Nuclear</strong><br />

Safety Authority<br />

(ASN) by<br />

the Ministry<br />

of Ecological<br />

Transition<br />

Technical<br />

Review<br />

• Technical<br />

exchanges with<br />

French Institute<br />

<strong>for</strong> Radiological<br />

Protection and<br />

<strong>Nuclear</strong> Safety<br />

(IRSN)<br />

• Permanent<br />

groups of experts<br />

ASN Opinion<br />

Regulatory<br />

Consultations<br />

• Opinions from various<br />

bodies (local authorities,<br />

Environmental Authority,<br />

National Assessament<br />

Commission, French<br />

Parliamentary Office<br />

<strong>for</strong> the Evaluation of<br />

Scientific and Technological<br />

Choices, Local In<strong>for</strong>mation<br />

Commission, etc.)<br />

Public<br />

Inquiry<br />

Draft<br />

Decree<br />

ASN Opinion<br />

PUBLICATION<br />

OF DECREE<br />

The review of the construction licence<br />

application could take three to five years.<br />

At a Glance<br />

ANDRA – Cigéo


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

56<br />

AT A GLANCE<br />

1<br />

6<br />

10<br />

13<br />

Documents referred to by Article R. 593-16 of the<br />

Environmental Code concerning the DAC file <strong>for</strong> the BNI<br />

Operator<br />

Identification<br />

Impact Study<br />

Financial<br />

Capacities of<br />

the Operator<br />

Decommissioning<br />

closure and<br />

monitoring plan<br />

2<br />

8<br />

Type of<br />

Installation<br />

Risk<br />

Management<br />

Study<br />

3-5<br />

Map and<br />

Drawings<br />

Technical<br />

Capacities of<br />

the Operator<br />

11 12 Administrative<br />

Justification of<br />

limitations and<br />

control of land<br />

scope of protection<br />

and exclusive rights<br />

14<br />

Assessment of<br />

public debate<br />

and consultation<br />

16<br />

Operation<br />

master plan<br />

9<br />

15<br />

Greenhouse<br />

gas emissions<br />

Documents referred to by Article<br />

L. 123-6 and R. 123-8 of the Environmental<br />

Code concerning the public inquiry<br />

0<br />

Presentation<br />

of non-technical<br />

aspects<br />

17<br />

Legal and<br />

administrative<br />

in<strong>for</strong>mation<br />

18<br />

Opinion issued<br />

on the project and<br />

Andra responses<br />

Documents referred to by other texts<br />

or requests from the authorities<br />

19<br />

Preliminary version<br />

of specifications<br />

<strong>for</strong> acceptance of<br />

the packages<br />

(Art. D. 542-88 of the<br />

Environmental Code)<br />

20<br />

Development plan<br />

<strong>for</strong> the Disposal<br />

Facility BNI<br />

(ASN letter CODEP-<br />

DRC- 2018-001635)<br />

Non-regulatory documents<br />

added to improve file<br />

readability<br />

21<br />

Guide to reading the<br />

construction licence<br />

application file<br />

22<br />

Glossary and<br />

acronyms<br />

Document referred to by Article R. 593-16 of the Environmental Code concerning the DAC<br />

file <strong>for</strong> the BNI, not subject to public inquiry in accordance with Articles<br />

L. 593-9 and R. 593-22 of the Environmental Code<br />

7<br />

Preliminary<br />

version of the safety<br />

analysis report<br />

Zusammenstellung des Dossiers<br />

Die DAC-Akte von Cigéo besteht aus 23 Dokumenten<br />

(Grafik oben), von denen drei spezifisch für Cigéo<br />

sind und zwei Dokumente von Andra hinzugefügt<br />

wurden, um die Akte lesbarer zu machen und ihr Verständnis<br />

für die Öffentlichkeit zu erleichtern.<br />

Details zu einigen Unterlagen<br />

Der Betriebsleitplan (PDE) liefert eine Momentaufnahme<br />

des Projekts, seiner Governance und seiner<br />

Einsatzperspektiven. Dieses Dokument beschreibt<br />

bestimmte Hauptmerkmale von Cigéo (Abfallinventar,<br />

industrielle Pilotphase, Reversibilität, Kosten,<br />

Dokumentation usw.). Es wird alle fünf Jahre gemäß<br />

den Vorgaben des Umweltgesetzbuches aktualisiert,<br />

gemäß dem „Betriebsleitplan, der ein konkretes<br />

In<strong>for</strong>mations- und Überwachungsinstrument für die<br />

Bürger ist“. Da er alle wichtigen Themen umfasst, insbesondere<br />

im Zusammenhang mit der Governance<br />

und der industriellen Pilotphase, ist der PDE die wichtigste<br />

Grundlage für die Einbeziehung der Öffentlichkeit<br />

und der Stakeholder von Andra.<br />

Zwei Unterlagen, die dem<br />

Sicherheitsnachweis gewidmet sind<br />

p Die vorläufige Fassung des Sicherheitsberichts:<br />

In diesem Dokument wird der „Nachweis der nuklearen<br />

Sicherheit“, d. h. der Nachweis, dass die<br />

Anlagen von Cigéo so ausgelegt sind, dass sie die<br />

Risiken beherrschen oder die Folgen auf den Menschen<br />

und die Umwelt begrenzen zu können. Wie<br />

bei jeder kerntechnischen Einrichtung werden in<br />

der vorläufigen Version des Sicherheitsberichts<br />

die Sicherheitsbestimmungen für den Betrieb der<br />

Anlage dargelegt. Sie weist außerdem zwei Besonderheiten<br />

auf:<br />

P Eine erste Besonderheit, die allen Lagern für radioaktive<br />

Abfälle gemein ist, ist die Gewährleistung<br />

der Sicherheit in der langfristigen Phase<br />

nach der Schließung, zusätzlich zur Betriebsphase;<br />

P eine zweite Besonderheit, die Cigéo eigen ist,<br />

die Beschreibung und Rechtfertigung der vorhergesehenen<br />

Vorkehrungen zur Gewährleistung<br />

der Reversibilität der Lagerung, d. h. die<br />

schrittweise Errichtung, die Flexibilität des Betriebs,<br />

die Anpassungsfähigkeit der kerntechnischen<br />

Anlage und die Wiederverwertbarkeit<br />

der Versandstücke.<br />

Er liefert die Rechtfertigung dafür, dass das Cigéo-Projekt<br />

unter Berücksichtigung des Stands<br />

der Technik, der Praktiken und der Umgebung der<br />

Anlage ein Risikoniveau erreicht, das so niedrig<br />

ist, wie es vernünftigerweise unter wirtschaftlich<br />

annehmbaren Bedingungen möglich ist. Diese<br />

At a Glance<br />

ANDRA – Cigéo


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

Rechtfertigung wird gemeinhin als „Nachweis der<br />

nuklearen Sicherheit“ bezeichnet.<br />

p Die Studie zur Risikokontrolle und ihre nichttechnische<br />

Zusammenfassung,<br />

die auf der Grundlage der in der vorläufigen Fassung<br />

des Sicherheitsberichts entwickelten Elemente<br />

die für Cigéo identifizierten Risiken darlegt. Sie<br />

stellt ihre Analyse und die zur Vorbeugung und<br />

Beherrschung dieser Risiken getroffenen Vorkehrungen<br />

vor. Sie beschreibt auch die Vorkehrungen,<br />

die getroffen wurden, um auf mögliche Unfallsituationen<br />

zu reagieren, mit dem Ziel, das Personal,<br />

die Öffentlichkeit und die Umwelt zu schützen.<br />

Die Cigéo-Impaktstudie, die den aktuellen Zustand<br />

der Umwelt und die erwarteten Auswirkungen<br />

des Projekts auf die Umwelt darstellt (Atmosphäre,<br />

Boden, Untergrund, Wasser, natürliche Umwelt,...).<br />

Die Umweltverträglichkeitsprüfung identifiziert und<br />

bewertet die Umweltauswirkungen von Cigéo und<br />

der Gesamtheit der von Andra und anderen Projektträgern<br />

durchgeführten Maßnahmen (Aktivitäten,<br />

Anlagen, Bauwerke, Arbeiten und Erschließungen).<br />

Sie stellt diese Auswirkungen über die gesamte Lebensdauer<br />

des Gesamtprojekts Cigéo dar, vom Bau<br />

über den Betrieb bis hin zum Verschluß. Sie beruht<br />

auf dem Prinzip „Vermeiden – Verringern – Kompensieren“,<br />

d. h. auf der Umsetzung von Maßnahmen,<br />

die gemäß dem Umweltgesetzbuch darauf abzielen,<br />

„erhebliche negative Auswirkungen auf die Umwelt<br />

oder die menschliche Gesundheit zu vermeiden und<br />

Auswirkungen, die nicht vermieden werden konnten,<br />

zu verringern“ sowie Auswirkungen, die „weder vermieden<br />

noch ausreichend verringert“ werden konnten,<br />

auszugleichen.<br />

Die ursprüngliche Umweltverträglichkeitsstudie<br />

für das Cigéo-Projekt wurde im Rahmen des Antrags<br />

auf Gemeinnützigkeitserklärung im Jahr 2020<br />

erstellt. Die in den DAC-Akten vorliegende Version<br />

der Umweltverträglichkeitsstudie ist die erste Aktualisierung<br />

der Umweltverträglichkeitsstudie für Cigéo.<br />

Diese Version wurde erweitert, insbesondere um Elemente<br />

der Sicherheitsstudien, und soll regelmäßig<br />

aktualisiert werden.<br />

Die Sicherheit von Cigéo nachweisen:<br />

das Herzstück des Antrags<br />

auf Errichtungsgenehmigung<br />

HA- und MA-VL-Abfälle sind die gefährlichsten aller<br />

radioaktiven Abfälle und haben eine lange Lebensdauer.<br />

HA- und MA-VL-Abfälle enthalten mehr als<br />

99 % der gesamten Radioaktivität aller radioaktiven<br />

Abfälle in Frankreich. Sie konzentrieren diese Radioaktivität<br />

in einem Volumen, das nur etwas mehr als<br />

3 % des Gesamtvolumens aller radioaktiven Abfälle<br />

ausmacht.<br />

Aufgrund der hohen Radioaktivität sind sie radiologisch<br />

sehr gefährlich. Eine Person, die sich ungeschützt<br />

in die unmittelbare Nähe von HA-Abfällen<br />

begibt, hat aufgrund der Intensität ihrer Strahlung<br />

nur eine Lebenserwartung von wenigen Minuten.<br />

MA-VL-Abfälle sind aufgrund ihrer Beschaffenheit<br />

und ihrer geringeren Radionuklidkonzentrationen im<br />

Allgemeinen weniger strahlend, aber immer noch gefährlich.<br />

Bei einer Person, die sich in der Nähe von Kokillen<br />

mit verglastem MA-VL-Abfall befindet, würde<br />

die Strahlung innerhalb weniger Minuten zu Schädigungen<br />

führen. Diese Schädigungen könnten bei<br />

längerer Bestrahlung tödlich sein.<br />

HA- und MA-VL-Abfälle sind auch dann gefährlich,<br />

wenn Menschen Staub einatmen, der in der<br />

Nähe der Kokillen freigesetzt würde, falls diese ihre<br />

Einschlussfähigkeit verloren hätten. Ein Verschlucken<br />

oder Einatmen von HA- und MA-VL-Abfallpartikeln<br />

könnte zu einer inneren Bestrahlung des Körpers und<br />

zu ernsthaften Folgen führen.<br />

Das einzige Ziel von Cigéo ist es, den Menschen<br />

und die Umwelt vor der Gefahr zu schützen, die von<br />

diesen am stärksten radioaktiven Abfällen ausgeht.<br />

Angesichts ihrer hohen Gefährlichkeit und der sehr<br />

langen Dauer, während der diese <strong>for</strong>tbesteht, können<br />

diese Abfälle nicht dauerhaft und passiv an der<br />

Oberfläche oder in Oberflächennähe aufbewahrt<br />

werden. Wie jede industrielle und insbesondere nukleare<br />

Anlage birgt auch die Errichtung von Cigéo Risiken,<br />

die während des Baus, des Betriebs und nach<br />

der Schließung auftreten können.<br />

In der Betriebsphase sind die Risiken mit der Handhabung<br />

und der Einlagerung der Abfälle verbunden,<br />

wobei die Besonderheiten einer unterirdischen Anlage<br />

berücksichtigt werden müssen. Nach der Schließung<br />

muss die Beherrschung der Risiken von Cigéo<br />

passiv und über einen sehr langen Zeitraum gewährleistet<br />

werden. Das Ziel des Sicherheitsnachweises,<br />

der in den Unterlagen zum Antrag auf Errichtungsgenehmigung<br />

enthalten ist, besteht darin, die Fähigkeit<br />

des Lagers nachzuweisen, diese Risiken dank der<br />

von Andra getroffenen Vorkehrungen für Auslegung,<br />

Betrieb und Verschluss zu beherrschen.<br />

Die Risikoanalysen während des Betriebs von<br />

Cigéo und nach seiner Schließung ermöglichen es,<br />

seine Auswirkungen im Normalbetrieb, aber auch<br />

bei potenzieller Dysfunktionalität von Ausrüstungen<br />

oder auch der geologischen Schicht zu bewerten.<br />

Der Sicherheitsnachweis ist das Ergebnis von mehr<br />

als 30 Jahren Studien und Forschungen, die seit 2005<br />

regelmäßig von der Behörde für nukleare Sicherheit,<br />

ihrer technischen Unterstützung, dem Institut für<br />

57<br />

AT A GLANCE<br />

At a Glance<br />

ANDRA – Cigéo


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

58<br />

AT A GLANCE<br />

Strahlenschutz und nukleare Sicherheit (IRSN), und<br />

von internationalen Experten bewertet werden. In<br />

Unfallsituationen, einschließlich der schwersten,<br />

zeigt die Analyse der Szenarien, dass die Auswirkungen<br />

von Cigéo sehr begrenzt bleiben würden und<br />

keine Maßnahmen zum Schutz der Öffentlichkeit er<strong>for</strong>derlich<br />

wären.<br />

Demonstration der Sicherheit während<br />

des Betriebs von Cigéo: Schutz von Personal<br />

und Anwohnern<br />

In Cigéo sollen bereits konditionierte Pakete mit radioaktiven<br />

Abfällen eingelagert werden, die zum Teil<br />

mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte in Zwischenlagern<br />

verbracht haben. Der Sicherheitsnachweis<br />

für den Betrieb, der in der DAC-Akte dargelegt ist,<br />

basiert auf einer detaillierten Analyse der verschiedenen<br />

Risiken, die insbesondere bei der Annahme<br />

und Einlagerung der Kokillen auftreten können. Als<br />

Beispiele können genannt werden: das Brandrisiko,<br />

das Risiko herabfallender Kokillen, aber auch natürliche<br />

Risiken oder Risiken außerhalb von Cigéo wie<br />

das Überschwemmungsrisiko, das Risiko eines Flugzeugabsturzes.<br />

Auf der Grundlage dieser Risikoanalyse besteht<br />

der Sicherheitsansatz darin, bereits bei der Planung<br />

Schutzvorkehrungen in der Anlage und der Betriebsorganisation<br />

des Lagers vorzusehen. Ziel ist es, für<br />

jedes identifizierte Risiko eine Antwort zu finden,<br />

um es zu vermeiden und seine Auswirkungen zu begrenzen.<br />

Das Sicherheitskonzept von Cigéo basiert<br />

auf dem Prinzip der Tiefenverteidigung, das darin<br />

besteht, mehrere Verteidigungslinien gegen ein und<br />

dasselbe Risiko einzurichten, d. h. mehrere, voneinander<br />

unabhängige Schutzvorkehrungen zu treffen.<br />

Konkret handelt es sich um:<br />

p Erstens, das Auftreten eines Zwischenfalls oder<br />

Unfalls (herabfallende Abfallkokillen, Feuer, Überschwemmung,<br />

etc.) durch die Konzeption und die<br />

Betriebsweise von Cigéo zu verhindern;<br />

p Zweitens die Mittel zur Erkennung von Fehlfunktionen<br />

und die Interventionsmittel einzusetzen,<br />

um die Anlage in einem sicheren Zustand zu erhalten.<br />

Trotz all dieser Vorkehrungen, die das Auftreten<br />

einer Fehlfunktion sehr unwahrscheinlich machen,<br />

geht Andra davon aus, dass es zu Zwischenfällen oder<br />

Unfällen kommen kann. Sie trifft Vorkehrungen, um<br />

die Folgen so gering wie möglich zu halten, und bewertet<br />

ihre Auswirkungen, um sicherzustellen, dass<br />

sie akzeptabel bleiben.<br />

Im Normalbetrieb ist die Bewertung der radiologischen<br />

Auswirkungen von Cigéo während des<br />

Betriebs auf die Bevölkerung in der Umgebung sehr<br />

gering. Sie liegt in der Größenordnung eines Mikrosievert<br />

(0,001 mSv/Jahr) und damit 1.000 Mal unter<br />

dem für alle nuklearen Aktivitäten gesetzlich festgelegten<br />

Grenzwert (1 mSv/Jahr). Auch im Vergleich<br />

zur jährlichen Exposition der französischen Bevölkerung<br />

durch natürliche Radioaktivität (durchschnittlich<br />

2,9 mSv/Jahr – Quelle IRSN) ist diese Auswirkung<br />

sehr gering. In Unfallsituationen, einschließlich der<br />

schwersten, zeigt die Analyse der Szenarien, dass die<br />

Auswirkungen von Cigéo sehr begrenzt bleiben würden<br />

und keine Maßnahmen zum Schutz der Öffentlichkeit<br />

er<strong>for</strong>derlich wären.<br />

Beispiel für das Risiko, das mit dem<br />

Transport von Versandstücken in der<br />

unterirdischen Anlage verbunden ist<br />

Das Prinzip der Verteidigung in der Tiefe sieht verschiedene<br />

Vorkehrungen vor, um die Risiken bei der<br />

Abwärtsbewegung der Versandstücke in die unterirdische<br />

Anlage zu begrenzen, von der Konzeption<br />

der Abfallgebinde selbst bis hin zur Redundanz der<br />

Bremssysteme der Standseilbahn.<br />

Konkret: Um die sichere Abfahrt der Kokillen von<br />

den oberirdischen Anlagen in die unterirdischen Anlagen<br />

zu gewährleisten:<br />

1. Die meisten Abfallkokillen sind in robusten, nachweislich<br />

absturzsicheren Lagerbehältern verpackt<br />

(bei Gebinden, die ohne Lagerbehälter gelagert<br />

werden, sind die Gebinde selbst absturzsicher ausgelegt);<br />

2. Sie werden dann in eine Stahlhaube gestellt, die<br />

den Strahlenschutz während des Transports von<br />

der Oberfläche zu den Lagerzellen gewährleistet;<br />

3. Die Haube wird auf einer Standseilbahn platziert,<br />

die mit Unterstützung eines der weltweit führenden<br />

Spezialisten speziell für Cigéo entworfen<br />

wurde und insbesondere über zahlreiche Sicherheitsvorrichtungen<br />

verfügt.<br />

Tatsächlich wurde dieses Transfermittel so konzipiert,<br />

dass es so sicher wie möglich ist: Die Motoren<br />

sind an die Oberfläche verlagert, der Wagen<br />

bleibt bei einem Stromausfall an Ort und Stelle, die<br />

Fahrgeschwindigkeit ist reduziert. Außerdem sind<br />

Entgleisungsschutzsysteme und vier redundante<br />

Bremssysteme vorgesehen, die bei Ausfall des vorherigen<br />

Systems nacheinander aktiviert werden.<br />

Umgang mit bituminösen Versandstücken<br />

Versandstücke mit radioaktiven Abfällen mit bituminöser<br />

Matrix sind alte Abfälle, die zwischen den<br />

60er und 90er Jahren produziert wurden. Diese radioaktiven<br />

MA-VL-Abfälle machen weniger als 20 %<br />

der Abfallgebinde aus, die im Referenzinventar von<br />

Cigéo vorgesehen sind. Wenn diese Abfälle erhitzt<br />

werden, können sie chemisch reaktiv sein und Wärme<br />

At a Glance<br />

ANDRA – Cigéo


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

erzeugen, was besondere Vorsichtsmaßnahmen er<strong>for</strong>dert,<br />

um das Risiko eines Thermal Runaway, d. h.<br />

einer Erhitzung und möglicherweise eines Brandes<br />

bei der Lagerung, zu vermeiden.<br />

Daher wird diesen Abfällen besondere Aufmerksamkeit<br />

gewidmet und ihre Behandlung in Cigéo ist<br />

einer der Punkte, die insbesondere bei der Prüfung<br />

des Dossiers der Sicherheitsoptionen durch die ASN<br />

im Jahr 2016 identifiziert wurden. Diese Abfälle werden<br />

während der industriellen Pilotphase nicht eingelagert.<br />

Dennoch legt die Andra im DAC-Dossier den<br />

Sicherheitsnachweis für ihre unveränderte Lagerung<br />

in Cigéo vor, insbesondere durch ein Konzept für verstärkte<br />

Lagerzellen, mit dem die Ausbreitung eines<br />

Brandes in der Zelle ausgeschlossen werden kann<br />

(verstärkte Lagerschicht mit hoher Hitzebeständigkeit,<br />

Vorrichtungen zur Erkennung von Temperaturerhöhungen,<br />

robotergesteuerte Löschsysteme usw.).<br />

Auch die Lagerung von Abfallpaketen aus der Vorbehandlung<br />

wird untersucht.<br />

Darüber hinaus wurden seit dem Dossier der<br />

Sicherheitsoptionen die Kenntnisse über die bituminösen<br />

Versandstücke vertieft, um ihr genaues thermisches<br />

Verhalten zu kennen und die Beherrschung<br />

des thermischen Runaways in der verstärkten Zelle zu<br />

rechtfertigen. Siehe die Stellungnahme der Behörde<br />

für nukleare Sicherheit zur Entsorgung von bituminösen<br />

Versandstücken mit radioaktiven Abfällen: www.<br />

asn.fr/l-asn-in<strong>for</strong>me/actualites/avis-sur-la-gestiondes-colis-de-dechets-nucleaires-bitumes.<br />

Nachweis der Sicherheit nach der<br />

Schließung des Endlagers:<br />

die zentrale Rolle der Geologie<br />

Die langfristige passive Sicherheit von Cigéo beruht<br />

auf dem Verschluss der unterirdischen Anlage<br />

und der Fähigkeit des geologischen Wirtsgesteins,<br />

die Migration von Radioaktivität an die Oberfläche<br />

zu beschränken und zu begrenzen. Die Sicherheitsbewertung<br />

nach diesem Verschluss zielt insbesondere<br />

darauf ab nachzuweisen, dass die geologische<br />

Schicht diese Schutzfunktion im Laufe der Zeit tatsächlich<br />

erfüllt.<br />

Der Ansatz für die Sicherheit nach der Schließung<br />

beruht auf einer Risikoanalyse, aber auch auf einem<br />

vorsichtigen Ansatz, der sich insbesondere auf konservative<br />

Entscheidungen stützt, um die Robustheit<br />

des Nachweises aufgrund des sehr langen Zeitraums,<br />

auf den man sich einstellen muss, zu gewährleisten.<br />

Die Risiken nach der Schließung, die langfristig berücksichtigt<br />

werden, betreffen mögliche Störungen<br />

der geologischen Schicht im Zusammenhang mit dem<br />

Vorhandensein des Endlagers (z. B. Beschädigung des<br />

Gesteins in der Nähe des Endlagers beim Ausheben<br />

der unterirdischen Bauwerke), Naturereignisse (z. B.<br />

Erdbeben), Versagen der Kokillen, der Lagerbehälter<br />

oder der Verschlussvorrichtungen des Endlagers (ein<br />

Versagen der gesamten Abdichtung der unterirdischen<br />

Anlagen, insbesondere der Schächte und Abstiegsanlagen,<br />

z. B.), ein Versagen des Wirtsgesteins<br />

(ein nicht erkannter Bruch, z. B.) oder unbeabsichtigte<br />

menschliche Aktivitäten, wenn das Endlager in Vergessenheit<br />

gerät (Bohrungen).<br />

Ausgehend von der Risikoanalyse und auf der<br />

Grundlage der in diesem Stadium der Studien gewonnenen<br />

wissenschaftlichen und technologischen<br />

Erkenntnisse hat Andra bewertet, wie die in den Abfällen<br />

enthaltene Radioaktivität wahrscheinlich an<br />

die Oberfläche und de facto zum Menschen gelangen<br />

kann. Es geht darum, die Fähigkeit des Endlagersystems<br />

und des geologischen Milieus zu überprüfen,<br />

den Schutz von Mensch und Umwelt langfristig, im<br />

Normalbetrieb und bei Fehlfunktionen zu gewährleisten.<br />

Dies geschieht einerseits durch die Entwicklung<br />

eines Szenarios der normalen Entwicklung, das die erwartete<br />

Entwicklung des Endlagers in Zeit und Raum<br />

darstellt; und andererseits durch Szenarien, die es ermöglichen,<br />

die Folgen potenzieller Funktionsstörungen<br />

oder unbeabsichtigter menschlicher Eingriffe<br />

durch Bohrungen zu untersuchen, die somit von der<br />

erwarteten Entwicklung des Lagers abweichen.<br />

Die Bewertung der Sicherheit aller untersuchten<br />

Szenarien nach Verschluss bestätigt die Robustheit<br />

der Sicherheit und unterstreicht:<br />

p die zentrale Rolle der geologischen Schicht, insbesondere<br />

dank ihrer zahlreichen günstigen<br />

Merkmale und Eigenschaften: Tiefe, Dicke, geringe<br />

Permeabilität, hohe Rückhaltekapazität für<br />

Radionuklide, geringe Radionuklidmigration usw.<br />

Bei allen Szenarien verbleibt die überwiegende<br />

Mehrheit der Radioaktivität im Endlager oder in<br />

der Nähe innerhalb der geologischen Schicht;<br />

p die Komplementarität des Endlagers und seiner<br />

Auslegung, insbesondere durch die Vorkehrungen<br />

zum Schutz der geologischen Schicht vor den<br />

Auswirkungen des Endlagers (z. B. durch Begrenzung<br />

des Temperaturanstiegs auf unter 100 °C)<br />

oder durch die Vorkehrungen zum Verschluss der<br />

unterirdischen Anlagen (Versiegelungen).<br />

Diese Bewertung zeigt, dass gemäß dem erwarteten<br />

Verhalten des Endlagers die maximale radiologische<br />

Auswirkung von Cigéo nach seiner Schließung<br />

erst nach mehreren hunderttausend Jahren eintreten<br />

würde und in der Größenordnung von 0,0015 mSv/<br />

Jahr liegen würde. Diese Auswirkung liegt weit unter<br />

dem Referenzwert von 0,25 mSv/Jahr, der von der<br />

ASN in ihrem 2008 veröffentlichten Sicherheitsleitfaden<br />

für die Endlagerung radioaktiver Abfälle in tiefen<br />

geologischen Formationen geschätzt wurde.<br />

59<br />

AT A GLANCE<br />

At a Glance<br />

ANDRA – Cigéo


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

60<br />

AT A GLANCE<br />

Im Hinblick auf die Robustheit werden „Einhüllende“<br />

(angehobene Schätzung der individuellen<br />

Exposition) und Szenarien, die Fehlfunktionen postulieren,<br />

untersucht. Die Ergebnisse der Bewertungen<br />

dieser Szenarien liegen größtenteils und selbst im<br />

strengsten Fall in der gleichen Größenordnung wie<br />

der Referenzwert von 0,25 mSv/Jahr.<br />

Frühere Iterationen zum<br />

Sicherheitsnachweis<br />

Der Antrag auf Errichtungsgenehmigung ist zwar ein<br />

wichtiger Schritt für Cigéo, aber es ist nicht die erste<br />

Sicherheitsbewertung des Projekts.<br />

2005 – Bericht über die Machbarkeit einer<br />

Lagerung in tiefen geologischen Schichten<br />

Im Rahmen der ihr durch das Gesetz vom 30. Dezember<br />

1991 übertragenen Aufgabe legt die Andra<br />

einen Bericht über die Machbarkeit einer Endlagerung<br />

von hochaktiven und langlebigen radioaktiven<br />

Abfällen in tiefen geologischen Formationen vor.<br />

Auf der Grundlage dieser wissenschaftlichen Ergebnisse,<br />

ihrer Prüfung durch die Behörde für nukleare<br />

Sicherheit und einer öffentlichen Debatte im Jahr<br />

2005 bestätigte das Parlament 2006 die Wahl der<br />

geologischen Tiefenlagerung für hochaktive und<br />

mittelaktive langlebige radioaktive Abfälle und legte<br />

die Forderung nach einer Reversibilität der Lagerung<br />

über mindestens 100 Jahre fest.<br />

2009 – Fortschrittsbericht zu den<br />

Gestaltungsoptionen<br />

In diesem Dossier werden die Auslegungs-, Sicherheits-<br />

und Reversibilitätsoptionen, ein Inventarmodell<br />

für die Dimensionierung des Endlagers und<br />

Optionen für die Zwischenlagerung in Ergänzung zur<br />

Endlagerung vorgestellt. Die Andra schlägt außerdem<br />

ein 30 km 2 großes Gebiet mit der Bezeichnung<br />

ZIRA (Zone d'intérêt pour une reconnaissance approfondie)<br />

für die Untersuchung des Standorts der<br />

unterirdischen Anlagen und Standortszenarien für<br />

die oberirdischen Anlagen vor. Diese Vorschläge beruhen<br />

auf wissenschaftlichen und technischen Kriterien,<br />

aber auch auf Kriterien der Raumplanung und<br />

der lokalen Integration im Rahmen eines Dialogs mit<br />

den lokalen Akteuren.<br />

2016 – Dossier zu Sicherheitsoptionen (DOS)<br />

Diese freiwillige Maßnahme, die auf die öffentliche<br />

Debatte über Cigéo im Jahr 2013 folgte, ist eine Vorbedingung<br />

für den Antrag auf Errichtungsgenehmigung<br />

und ermöglicht es Andra, die wichtigsten<br />

Grundsätze, Methoden und Konstruktionsentscheidungen<br />

zu konsolidieren, die für die Führung des Sicherheitsnachweises<br />

unerlässlich sind, die im Antrag<br />

auf Errichtungsgenehmigung geprüft wird.<br />

Die günstigen Eigenschaften<br />

der Schicht des Callovo-<br />

Ox<strong>for</strong>dium für eine tiefe<br />

geologische Lagerung<br />

Diese Schicht befindet sich im Pariser Becken in<br />

einer geologischen Zone, die seit etwa 160 Millionen<br />

Jahren als stabil und beinahe frei von Seismizität<br />

bekannt ist. Sie befindet sich in einer Tiefe von<br />

etwa 500 Metern, die weit unterhalb der möglichen<br />

Erosionstiefe von mehreren hunderttausend<br />

Jahren liegt. Dadurch schützt sie das Endlager vor<br />

geodynamischen Evolutionsphänomenen an der<br />

Oberfläche (klimatisch oder durch Erosion) in den<br />

nächsten Millionen Jahren und begrenzt deren<br />

potenzielle Auswirkungen auf das Endlager und<br />

das Wirtsgestein. In ihrer Gesamtheit sind die<br />

Eigenschaften der Callovo-Ox<strong>for</strong>dium-Schicht sehr<br />

günstig für die Endlagerung:<br />

• Ihre hydraulischen Eigenschaften, insbesondere<br />

die sehr geringe Durchlässigkeit, begrenzen<br />

die Wasserzirkulation;<br />

• Ihre physikalisch-chemischen Eigenschaften<br />

begünstigen die Rückhaltung und die geringe<br />

Löslichkeit der meisten Radionuklide und<br />

chemischen Giftstoffe sowie generell eine<br />

sehr geringe Migration im Laufe der Zeit, die<br />

hauptsächlich durch Diffusion erfolgt;<br />

• Ihre schwach geneigte Geometrie, die große<br />

Dicke und die Homogenität der Eigenschaften,<br />

insbesondere der Rückhaltung, des Wasserflusses<br />

und der Diffusion, über mindestens<br />

mehrere Dutzend Quadratkilometer ermöglichen<br />

die Unterbringung von Einrichtungen des<br />

Endlagers und der Erhaltung großer Mächtigkeiten<br />

(von mindestens 50 Metern) über und<br />

unter diesen;<br />

• Diese großen Mächtigkeiten tragen dazu bei,<br />

die Menge an Radionukliden und chemischen<br />

Giftstoffen, die langfristig aus den Abfallgebinden<br />

freigesetzt werden und die potenziell<br />

aus der Lagerung in die Callovo-Ox<strong>for</strong>dium-<br />

Schicht und dann aus dieser Schicht heraus<br />

an die Oberfläche wandern könnten, zu verzögern,<br />

zu begrenzen und abzuschwächen.<br />

Nach Abschluss der Prüfung des Dossiers Sicherheitsoptionen<br />

von 2016 kam die Autorité de sûreté<br />

nucléaire zu dem Schluss, dass „Andra eine<br />

detaillierte Kenntnis des Standorts Meuse/Haute-<br />

Marne erworben hat, die es ihr ermöglicht, die<br />

Zweckmäßigkeit des für die Errichtung der Lagerstätte<br />

gewählten Gebiets zu bestätigen“.<br />

At a Glance<br />

ANDRA – Cigéo


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

AT A GLANCE<br />

61<br />

| Untertagelabor Andra Meuse Haute-Marne Schacht. Foto: ANDRA<br />

Nach Abschluss der Prüfung dieses Dossiers stellt<br />

die Behörde für nukleare Sicherheit in ihrer Stellungnahme<br />

fest, dass „das Projekt Cigéo insgesamt eine<br />

zufriedenstellende technische Reife im Stadium des<br />

Dossiers der Sicherheitsoptionen erreicht hat“, und<br />

nennt der Andra die Themen, die eine besondere<br />

Aufmerksamkeit er<strong>for</strong>dern und die im Hinblick auf<br />

den Antrag auf Errichtungsgenehmigung noch vertieft<br />

oder ergänzt werden müssen.<br />

Alle diese Dossiers sind auf der Website von Andra<br />

verfügbar:<br />

www.andra.fr/cigeo/les-documents-de-reference<br />

Fortsetzung des Dialogs und der<br />

Konzertierung<br />

Das Cigéo-Projekt ist seit vielen Jahren Gegenstand<br />

von Konsultationen sowohl auf lokaler als auch auf<br />

nationaler Ebene. Diese Konsultationen haben der<br />

Entwicklung des Projekts regelmäßig neue Impulse<br />

gegeben.<br />

p 2005 wurde nach 15 Jahren Forschung, die von<br />

Andra und CEA gemäß dem Gesetz von 1991<br />

durchgeführt wurde, eine erste öffentliche Debatte<br />

über die Entsorgung radioaktiver Abfälle<br />

von der nationalen Kommission für öffentliche<br />

Debatten (CNDP) organisiert;<br />

p 2013 wurde von der CNDP eine zweite öffentliche<br />

Debatte über das Projekt Cigéo organisiert.<br />

Im Anschluss an diese Debatte wurden wichtige<br />

Entwicklungen am Projekt vorgenommen, wie die<br />

Durchführung einer industriellen Pilotphase oder<br />

die Einführung des Masterplans für den Betrieb;<br />

p Ende 2017 schlug Andra im Rahmen einer Konzertierungs-Roadmap<br />

vor, seinen Ansatz der<br />

Öffnung gegenüber der Gesellschaft dauerhaft<br />

zu konkretisieren und die Berücksichtigung der<br />

neuen Bestimmungen des Umweltgesetzbuchs<br />

zum Umweltdialog umzusetzen. So wurden zwischen<br />

2018 und 2022 mehrere Konzertierungsrunden<br />

zu den lokalen Heraus<strong>for</strong>derungen des<br />

Projekts (territoriale und ökologische Integration)<br />

und den nationalen Heraus<strong>for</strong>derungen (industrielle<br />

Pilotphase und Governance) organisiert.<br />

In diesem Rahmen:<br />

p Ende 2017 beantragte Andra beim CNDP die Ernennung<br />

von Garanten für die langfristige Begleitung<br />

der Konzertierung des Projekts. Diese<br />

veröffentlichen regelmäßig Berichte 7 ;<br />

p der Fahrplan wird in Meuse/Haute-Marne regelmäßig<br />

mit den lokalen Stakeholdern geteilt, insbesondere<br />

durch „rendez-vous de partage“, bei<br />

denen einmal jährlich die lokalen Stakeholder zusammenkommen<br />

8 .<br />

p Seit 2020 hat der Hohe Ausschuss für Transparenz<br />

und In<strong>for</strong>mation über die nukleare Sicherheit<br />

(HCTISN), nachdem Andra darum gebeten hatte,<br />

den Ansatz zur Einbeziehung der Interessengruppen<br />

und der Öffentlichkeit während der Prüfung<br />

des Antrags auf Errichtungsgenehmigung beizubehalten,<br />

eine Begleitgruppe „Konzertierung<br />

Cigéo“ eingerichtet 9 .<br />

7 https://concertation.andra.fr/blog/concertation-cigeo-publication-du-second-rapport-intermediaire-des-garants<br />

8 Besuchen Sie die Andra Concertation Area auf https://concertation.andra.fr/pages/la-feuille-de-route-de-la-concertation<br />

9 www.hctisn.fr/groupe-de-suivi-concertation-projet-cigeo-r67.html<br />

At a Glance<br />

ANDRA – Cigéo


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

AT A GLANCE<br />

62<br />

| Illustratives Luftbild der Abstiegszone von Cigéo. Foto: ANDRA<br />

Während der Prüfung des Antrags auf Einrichtungsgenehmigung<br />

wird Andra weiterhin die Öffentlichkeit<br />

und die Interessengruppen zu den folgenden<br />

Themen einbeziehen:<br />

p Die industrielle Pilotphase und die Governance<br />

des Endlagerzentrums Cigéo. Die Konzertierungen<br />

werden die Überlegungen von Andra unterstützen,<br />

die darauf abzielen, die ersten Vorschläge<br />

zu den Zielen und Erfolgskriterien der industriellen<br />

Pilotphase zu präzisieren, die im Anschluss an<br />

die ersten Konzertierungsrunden zu diesen beiden<br />

Themen festgelegt wurden.<br />

p Die 5. Ausgabe des Nationalen Plans 10 für die Entsorgung<br />

radioaktiver Stoffe und Abfälle, der am<br />

9. Dezember 2022 veröffentlicht wurde, sieht vor,<br />

dass Andra bis zum 31. Dezember 2024 die Ziele<br />

und Erfolgskriterien für die industrielle Pilotphase<br />

vorschlägt und insbesondere die Art der Abfälle,<br />

die während dieser Phase gelagert werden sollen,<br />

und die geplanten Tests definiert.<br />

p Die Organisationsmodalitäten der Reversibilitätsüberprüfungen,<br />

die im Rahmen der industriellen<br />

Pilotphase vorgesehen sind und auf Initiative von<br />

Andra organisiert werden (Horizont 2025): Diese<br />

Konzertierung wird darauf abzielen, die Rolle und<br />

das Ergebnis der Reversibilitätsüberprüfungen<br />

sowie deren Verknüpfung mit den Entscheidungen<br />

im Bereich der Abfallentsorgung besser zu<br />

definieren.<br />

p Die zweite Ausgabe des Betriebsleitplans (PDE),<br />

der mindestens alle fünf Jahre aktualisiert werden<br />

muss, wird die Erkenntnisse aus diesen verschiedenen<br />

Abstimmungsrunden wiedergeben,<br />

um die Vorschläge von Andra bezüglich der Governance<br />

und der Entwicklungsperspektiven von<br />

Cigéo zu unterstützen. Sie wird Gegenstand einer<br />

Konsultation vor der Aktualisierung der DAC-Akte<br />

im Hinblick auf die öffentliche Anhörung zur Genehmigung<br />

der Errichtung von Cigéo sein.<br />

Diese Konsultationen werden in Abstimmung mit<br />

den Konsultationen der Akteure durchgeführt, die an<br />

der Prüfung des Antrags auf Errichtungsgenehmigung<br />

beteiligt sind (DGEC, ASN).<br />

Andra wird auch die Abstimmung mit den lokalen<br />

Akteuren und Anwohnern des Projekts über die ökologische<br />

und territoriale Eingliederung des Zentrums<br />

<strong>for</strong>tsetzen. Insbesondere die Ende 2019 begonnene<br />

Konzertierung zur Raumplanung und zum Lebensumfeld<br />

wird langfristig <strong>for</strong>tgesetzt und wird sich insbesondere<br />

mit der künftigen Baustelle befassen.<br />

KONTAK T<br />

Andra | AGENCE NATIONALE POUR LA<br />

GESTION DES DÉCHETS RADIOACTIFS<br />

1/7, rue Jean-Monnet<br />

Parc de la Croix-Blanche<br />

92298 Châtenay-Malabry Cedex<br />

E-Mail: dialogue@andra.fr | www.andra.fr<br />

10 www.ecologie.gouv.fr/sites/default/files/PNGMDR_2022.pdf<br />

At a Glance<br />

ANDRA – Cigéo


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

A Practical Approach to Asphyxiation<br />

Assessments in the <strong>Nuclear</strong> Industry<br />

Howard Chapman, Stephen Lawton, Alison Graham<br />

Asphyxiation occurs when the body becomes deficient in oxygen. Oxygen deficiency can progress rapidly<br />

from mental and physical impairment to unconsciousness and ultimately death. The use, or generation of<br />

gases that can displace oxygen from air can result in a potential asphyxiation hazard. Gases are extensively<br />

used in the nuclear industry <strong>for</strong> example to provide inert atmospheres, which manage the generation of<br />

flammable atmospheres in process vessels, pipework and other civil engineered storage structures and also<br />

<strong>for</strong> product and experimental quality purposes.<br />

Regulations exist in the United Kingdom (UK) to ensure a robust Hazard Management Strategy (HMS) is in<br />

place when working with asphyxiant gases in a ‘confined space’ setting. Confined space risk assessments are<br />

well understood and widely practiced throughout industry, including at nuclear installations.<br />

However, not all potential gas release scenarios occur into a confined space setting. In these circumstances,<br />

detailed asphyxiation hazard assessments are required <strong>for</strong> nuclear installations.<br />

Balancing the competing need <strong>for</strong> containment of nuclear material with minimal air movement against the<br />

requirement <strong>for</strong> dispersion and dilution of gases to maintain a safe breathable atmosphere can cause complexity<br />

in the HMS <strong>for</strong> nuclear asphyxiation assessments.<br />

This paper presents a practical approach to the assessment of asphyxiation hazards in the nuclear industry<br />

to provide robust HMSs based on two decades of Learning From Experience (LFE), and Relevant Good Practice<br />

(RGP) from National <strong>Nuclear</strong> Laboratory (NNL) studies.<br />

Introduction<br />

The fundamental requirement in asphyxiation assessments<br />

is to demonstrate that the exposure of<br />

operators at a nuclear facility to this hazard can be<br />

safely managed and the risks are reduced to As Low<br />

As Reasonably Practicable (ALARP). This is achieved<br />

by ensuring all potential hazards are identified and<br />

assessed, applying a robust HMS approach to ensure<br />

all necessary safety measures are recognised, implemented<br />

and maintained in an appropriate manner.<br />

NNL experience has shown difficulties can be encountered<br />

when attempting to substantiate claims<br />

made upon building extract systems which have<br />

been designed <strong>for</strong> radiological containment purposes<br />

and when placing reliance on oxygen depletion<br />

monitoring.<br />

The aim of this paper is to provide a practical<br />

approach in establishing effective HMSs <strong>for</strong> asphyxiation<br />

hazards to overcome these difficulties<br />

and meet regulatory requirements.<br />

Regulation and Legal Requirements<br />

The civil nuclear industry worldwide is regulated<br />

to ensure that activities related to nuclear energy<br />

and ionising radiation are conducted in a manner<br />

which adequately protects people, property and the<br />

environment.<br />

In the UK, the Office <strong>for</strong> <strong>Nuclear</strong> Regulation (ONR) is<br />

the agency responsible <strong>for</strong> the licensing and regulation<br />

of nuclear installations and the legal framework<br />

<strong>for</strong> the nuclear industry is based around the Health<br />

and Safety at Work Act (HSWA) [1] , the Energy Act<br />

[2]<br />

and the <strong>Nuclear</strong> Installations Act (NIA) [3] .<br />

The HSWA underpins all industries within the UK.<br />

The HSWA starts from the position that every hazard<br />

requires a suitable and sufficient risk assessment<br />

to be undertaken to determine the consequences of<br />

hazardous events and the measures needed to ensure<br />

that risks from the hazard are adequately controlled.<br />

A fundamental requirement cited in UK legislation is<br />

that risks be reduced to ALARP. This principle provides<br />

a requirement to implement proportionate<br />

measures to reduce risk where doing so is reasonable.<br />

The ALARP principle is applied by adhering to<br />

established good practice, or in cases where this is<br />

unavailable, it is applied to demonstrate that measures<br />

have been implemented up to the point where<br />

the cost of additional risk reduction is disproportionate<br />

to the benefit gained. This concept, which<br />

determines the ‘tolerability of risk’ is underpinned<br />

in Health & Safety Executive’s (HSE) publication<br />

Reducing Risks, Protecting People (R2P2) [4] and<br />

subsequently the ONR’s risk in<strong>for</strong>med regulatory<br />

decision making framework [5] .<br />

DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 63<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

A Practical Approach to Asphyxiation Assessments in the <strong>Nuclear</strong> Industry ı Howard Chapman, Stephen Lawton, Alison Graham


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 64<br />

The Confined Space Regulations [6] apply to the<br />

hazards in ‘Confined Spaces’ which are defined by<br />

the HSE as ‘a place, which is substantially enclosed<br />

(though not always entirely), and where serious<br />

injury can occur, from hazardous substances or<br />

conditions within the space or nearby (e.g. lack of<br />

oxygen)’. Sources of asphyxiant gases can be identified<br />

by the Control of Substances Hazardous to<br />

Health (COSHH) [7] and Dangerous Substances and<br />

Explosive Atmospheres Regulations (DSEAR) [8] .<br />

The Classification and Labelling (CLP) Regulations<br />

[9]<br />

is used as a set of criteria and rules to determine<br />

if a substance or mixture can cause Health Hazards<br />

or Physical Hazards from their chemical, physical,<br />

or biological properties. Gases are also identified as<br />

an asphyxiation Hazard in their Safety Data Sheets<br />

(SDS) required by the REACH (Registration, Evaluation,<br />

Authorisation and restriction of Chemicals)<br />

Regulation [10] .<br />

The Regulations highlighted above are supported<br />

by various industry standards and Codes of Practice<br />

(CoP) such as those provided by the British Compressed<br />

Gas Association (BCGA) and the European<br />

Industrial Gases Association (EIGA).<br />

Physiological Effects<br />

Asphyxiating gases cannot always be detected by<br />

human beings directly, they are often colourless<br />

and odourless. The medical effects of low oxygen<br />

concentrations are well documented and typical figures<br />

from Hunter’s Diseases of Occupations [11] are<br />

listed below.<br />

Oxygen<br />

Concentration<br />

in Air (V/V)<br />

Health Effects in Humans<br />

16 – 21% No notable effects<br />


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

effectively. This approach defines the safety argument,<br />

and establishes the underpinning evidence<br />

required to support any claims which are made.<br />

From a CAE perspective, there is top level claim<br />

requirement to ensure all asphyxiation hazards can<br />

be safely managed and the risks are ALARP. This<br />

is supported by a series of sub-claims listed below:<br />

p all asphyxiation hazards can be identified, with<br />

process, operations and material properties<br />

understood;<br />

p all asphyxiation hazards can be adequately<br />

prevented or managed by a HMS which prevents<br />

or reduces hazards as appropriate and residual<br />

risks can be mitigated adequately;<br />

p all key procedural and engineered measures can<br />

be identified, implemented and maintained.<br />

The claim that all asphyxiation hazards will be identified,<br />

is usually evidenced by recognised techniques<br />

such as Hazard and OPerability (HAZOP) studies<br />

which identify asphyxiation hazards in a structured<br />

and systematic manner, supported by LFE and RGP<br />

from the operation of nuclear facilities.<br />

Compliance with the Confined Space Regulations [6]<br />

is required <strong>for</strong> all gas releases into a confined space<br />

setting. For all other gas release scenarios, the claim<br />

that all asphyxiation hazards will be adequately<br />

prevented or managed is achieved by following a<br />

hierarchical HMS approach to eliminate, or minimise<br />

operator exposure to asphyxiant gases using<br />

the strategies below:<br />

p Eliminate the use of inert gases – wherever<br />

possible as the first step to remove the<br />

asphyxiation hazard and if this is not possible<br />

consider the other strategies listed in sequential<br />

order below;<br />

p Containment of inert gas – to prevent the<br />

release;<br />

p Natural air change rates – to maintain a safe<br />

breathable atmosphere above 19 % v/v oxygen<br />

via passive means;<br />

p Limit the flow or total available inventory of<br />

asphyxiant gas - to maintain a safe breathable<br />

atmosphere at the natural air change rate;<br />

p Forced air change provided by extract systems –<br />

based on maximum achievable flow, or<br />

total available inventory to maintain a safe<br />

breathable atmosphere;<br />

p Engineered safety systems <strong>for</strong> individual faults<br />

– to either trip to isolate/maintain containment,<br />

or to relieve to a safe location;<br />

p Oxygen depletion monitoring (fixed or<br />

portable).<br />

The use of this hierarchical approach will provide<br />

appropriate HMSs to manage the asphyxiation risk.<br />

Provision of a strategy towards the top of the list<br />

does not prevent further consideration of additional<br />

strategies lower down the hierarchy to support the<br />

overall defence in depth demonstration.<br />

Hazard Management Strategies<br />

Application of the overall hierarchical HMS approach<br />

to potential typical gas release scenarios<br />

encountered in the nuclear industry is discussed<br />

below and summarised in Figure 1. The approach<br />

includes compliance with Confined Space Regulations<br />

[6] and various other HMSs where elimination<br />

of the use of asphyxiant gas is not possible.<br />

Confined Space<br />

If a release of gas occurs into a confined space,<br />

the HMS will follow appropriate regulatory requirements,<br />

including compliance with access<br />

arrangements [Figure 1, HMS 1].<br />

External Releases<br />

Major failure of high integrity cryogenic storage vessels,<br />

or road tanker delivery vehicles is considered<br />

very unlikely. For these systems, the HMS normally<br />

places reliance upon adherence to relevant CoPs<br />

<strong>for</strong> the supply and maintenance of high integrity<br />

containment systems, [Figure 1, HMS 2]. This includes<br />

operations undertaken by Suitably Qualified<br />

and Experience Personnel (SQEP) and minimum<br />

separation distances derived from wider industry<br />

operating experience.<br />

A similar approach is also adopted <strong>for</strong> gas cylinders<br />

which are normally located external to facilities provided<br />

either as single units or in packs containing<br />

several bottles manifolded together.<br />

Random catastrophic failure of pipework external to<br />

facilities with welded joints resulting in a release of<br />

asphyxiant gas is a highly unlikely event. The HMS<br />

places reliance on the containment design specification<br />

to ensure a pressure rating exceeding any<br />

upstream relief device setting, supported by routine<br />

inspection and maintenance, [Figure 1, HMS 2].<br />

Consideration should be given to the vulnerability of<br />

all pipework, and this may identify the requirement<br />

<strong>for</strong> impact protection to sections of pipework at risk<br />

from impact damage.<br />

The HMS <strong>for</strong> releases from pressure relief valves<br />

places reliance on the engineered route which<br />

should be vented to safe location external to facilities<br />

where discharge of inert gas cannot present an<br />

asphyxiation risk to personnel, [Figure 1, HMS 3].<br />

DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 65<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

A Practical Approach to Asphyxiation Assessments in the <strong>Nuclear</strong> Industry ı Howard Chapman, Stephen Lawton, Alison Graham


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 66<br />

A more likely scenario is the potential <strong>for</strong> smaller<br />

leaks to occur from pipework and joints external to<br />

facilities. There are a number of methods of joining<br />

inert gas pipework including the use of flanges with<br />

gaskets; use of compression (olive) fittings; use of<br />

“O” rings and screw fittings. The release rate of pressurised<br />

inert gases from even a small pinhole can be<br />

considerable and can result in an asphyxiation hazard<br />

which in the case of external locations is limited<br />

to the vicinity of the release. The HMS in this case is<br />

reliant upon a safe separation distance, and or the<br />

use of exclusion barrier arrangements, [Figure 1,<br />

HMS 4].<br />

Internal Releases<br />

Where natural ventilation is sufficient to maintain a<br />

safe breathable atmosphere <strong>for</strong> releases inside a facility,<br />

the HMS is a claim upon dilution with natural<br />

ventilation, [Figure 1, HMS 5]. This is preferential<br />

to <strong>for</strong>ced ventilation since it does not rely upon<br />

control systems, active safety systems, or human intervention<br />

to prevent asphyxiation.<br />

Similar to external releases, random failure of fully<br />

welded pipework within the building is considered to<br />

be a highly unlikely event. The HMS places reliance<br />

on the containment design specification to ensure a<br />

pressure rating exceeding any upstream relief device<br />

setting and also supported by routine inspection and<br />

maintenance. Protection <strong>for</strong> sections of pipework at<br />

risk from impact should also be considered. [Figure<br />

1, HMS 6]. In the event that natural ventilation<br />

is insufficient to adequately dilute a release of inert<br />

gas at the supply pressure, consideration should be<br />

given to the installation of flow restriction, usually<br />

in the <strong>for</strong>m of an orifice plate, or narrow bore pipe.<br />

The HMS in this case is based on flow restriction and<br />

natural ventilation [Figure 1, HMS 7] to ensure sufficient<br />

dilution to maintain safe breathable oxygen<br />

levels above 19 % v/v. The control of a total fixed<br />

inventory of gas available <strong>for</strong> release inside a facility<br />

can also be used to achieve the same safe outcome.<br />

In some circumstances it is also necessary to consider<br />

the benefits of <strong>for</strong>ced ventilation, including the provision<br />

of a specific local extract ventilation system,<br />

to achieve a safe breathable atmosphere [Figure 1,<br />

HMS 8]. This can be combined with flow restriction,<br />

or a reduction in total fixed inventory to reduce the<br />

demand capacity on the <strong>for</strong>ced ventilation system,<br />

if these reductions are compatible with the process<br />

parameters.<br />

If ventilation is insufficient to prevent the <strong>for</strong>mation<br />

of a depleted oxygen atmosphere, alternative engineered<br />

systems should be considered, if these do not<br />

introduce additional hazards [Figure 1, HMS 8].<br />

Since these engineered systems may protect against<br />

only specific fault scenarios, each potential initiator<br />

<strong>for</strong> a release of inert gas should be identified and adequate<br />

protection provided. This approach can add to<br />

the complexity of the assessment and the installation<br />

of further engineered systems can lead to additional<br />

costs and risk during installation and routine maintenance<br />

and inspection.<br />

Asphyxiant gases cannot easily be detected as they<br />

are often inert and do not react readily with other<br />

| Fig. 1<br />

Asphyxiation Hazard Management Strategy Summary Diagram<br />

Page 1 of 1<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

A Practical Approach to Asphyxiation Assessments in the <strong>Nuclear</strong> Industry ı Howard Chapman, Stephen Lawton, Alison Graham


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

materials. Oxygen and its concentration in air is easily<br />

detected and several systems are available on the<br />

market to detect and alarm on low oxygen concentrations.<br />

However, historic difficulties have been encountered<br />

when attempting to substantiate oxygen depletion<br />

monitors <strong>for</strong> use within certain nuclear facilities<br />

and they require frequent testing and maintenance,<br />

which can present additional dose uptake considerations<br />

<strong>for</strong> maintenance personnel. Hence, based on<br />

previous NNL experience oxygen depletion monitors<br />

tend to be the least favourable HMS option [Figure<br />

1, HMS 8]. If fixed, oxygen depletion monitors<br />

are required they should be located following advice<br />

obtained from suppliers about the most suitable location<br />

<strong>for</strong> their installation. The use of personal oxygen<br />

depletion monitors can also be considered to support<br />

controlled access arrangements, however, this is reliant<br />

upon operator action in wearing and responding<br />

to an alarm and as such are at the lower end of the<br />

HMS hierarchy of safety measures.<br />

Gas Release Calculations<br />

Asphyxiation assessments usually need to calculate<br />

the release rates <strong>for</strong> each gas type, based upon the<br />

pressure and size of leak path. The appropriate size<br />

of leak path is based on latest advice from British<br />

Standards. The release rate is then determined using<br />

widely available equations such as those presented<br />

within British Standard BS EN 60079-10-1-2021 [13] ,<br />

or Lees Loss Prevention in the Process Industries [14] .<br />

Previous experience of comparative work undertaken<br />

by NNL has shown good alignment between the<br />

use of these simple algorithms to calculate release<br />

rates etc and more detailed Computational Fluid Dynamics<br />

(CFD) modelling studies. Having assessed<br />

the mass and volumetric flow rates <strong>for</strong> each release<br />

point it is necessary to evaluate the magnitude of<br />

potential consequences in affected plant areas. This<br />

needs to include all areas which have pipework containing<br />

the gases going through them, even if they<br />

are infrequently visited, such as mezzanine areas<br />

etc. For asphyxiation assessments a number of alternative<br />

approaches are available depending on the<br />

circumstances of each release and whether near or<br />

far field effects dominate.<br />

Near Field Effects<br />

Near field effects are associated with the localised<br />

plumes or jet streams of asphyxiant gas from a release<br />

point and are generally only of concern when<br />

the potential release point is close to the operators’<br />

working area. For near field effects the distance of<br />

importance is the asphyxiant plume length (i.e. the<br />

distance the release will travel be<strong>for</strong>e the mixing<br />

with air causes the oxygen concentration to rise<br />

above 19 % v/v) as this has the potential to result in<br />

an oxygen depleted atmosphere. When calculating<br />

gas release rates from an orifice, the release rate is<br />

dependent upon the relative internal and external<br />

pressure. When the internal pressure is high in relation<br />

to the external pressure, super-critical or sonic<br />

flow occurs and dispersion will mainly result from<br />

the energy of the release itself. For these releases,<br />

the plume distances are relatively short and as such<br />

the requirements of the asphyxiation far field effects<br />

will normally dominate the assessment.<br />

In the case of leaks from lower pressure systems,<br />

sub-critical or sub-sonic, low velocity releases occur.<br />

Mixing will be caused by the local air movement conditions<br />

alone and, counterintuitively, this can result<br />

in greater plume lengths than from higher pressure<br />

systems.<br />

Far Field Effects<br />

The far field effects are associated with a build-up<br />

of an asphyxiating atmosphere within the area. The<br />

Volumetric Flow Rate needs to be converted into an<br />

Oxygen Concentration in order to assess the level<br />

of hazard present. Assuming ideal mixing, if air is<br />

replaced by an asphyxiant gas so that the oxygen<br />

concentration drops, the associated concentration<br />

in percentage volume can be calculated using the<br />

following equation:<br />

CC = 100 ∗ 0.21 (1 −<br />

where:<br />

QQ<br />

eeeeeeeeeeeeee 1<br />

C = oxygen concentration % v/v<br />

Q = volumetric flow rate m 3 /h<br />

extract = ventilation extract rate m 3 /h<br />

Indoor releases require consideration of the free<br />

volume of the enclosed area. The free volume is commonly<br />

assigned as 0.9 times the total room volume to<br />

account <strong>for</strong> fixtures, fittings and equipment, unless<br />

evidence and calculations have been made to assign<br />

an exact free volume.<br />

The ventilation extract rate can be provided by natural<br />

ventilation, and/or <strong>for</strong>ced ventilation systems.<br />

Following the HMS hierarchical approach described<br />

earlier, it is normal practice to establish if natural<br />

ventilation is sufficient to prevent the <strong>for</strong>mation of<br />

an oxygen depleted atmosphere be<strong>for</strong>e considering<br />

the benefits of <strong>for</strong>ced ventilation.<br />

Due to the radiological nature of the facilities many<br />

indoor locations are designed to have limited natural<br />

ventilation to prevent the spread of contamination,<br />

but a degree of natural air change can ordinarily be<br />

DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 67<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

A Practical Approach to Asphyxiation Assessments in the <strong>Nuclear</strong> Industry ı Howard Chapman, Stephen Lawton, Alison Graham


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 68<br />

assumed. This can be determined by reference to<br />

the Chartered Institution of Building Services Engineers<br />

(CIBSE) guidance [15] , or established through<br />

measurement within the location. When considering<br />

artificial ventilation an efficiency factor is also required<br />

to be applied to account <strong>for</strong> imperfect mixing<br />

of gases [16] . Typically this varies from 1 <strong>for</strong> perfect<br />

mixing to 5 <strong>for</strong> impeded flows. (e.g. as in BS EN<br />

60079-10-1-2021 [13] ). The NNL default is to assume<br />

a reduction of 4 based on interpretation of Reference<br />

[16], which equates to an efficiency factor of 0.25.<br />

Far Field Effects <strong>for</strong> Limited Inventory<br />

Releases<br />

In some cases, the quantity of inert gas available<br />

<strong>for</strong> release will be significantly limited, such as the<br />

presence of individual gas cylinders/cryogenic liquid<br />

dewars within a room, or feeding via pipework from<br />

an external gas cylinder. In these cases the worst case<br />

consequences can be assessed based upon an instantaneous<br />

release of the entire inventory into the free<br />

room volume.<br />

When assessing cryogenic liquids the following<br />

liquid to gas expansion factors are specified <strong>for</strong> commonly<br />

stored cryogenics [17] :<br />

p Nitrogen 683:1<br />

p Argon 824:1<br />

p Helium 739:1<br />

Heavier than Air Gases<br />

When considering releases of heavier than air gases,<br />

detailed CFD modelling undertaken by NNL has confirmed<br />

they mix with the air within a room, rather<br />

than <strong>for</strong>ming separate layers. However, it is noted<br />

that low lying areas within a room such as sumps etc<br />

may require confined space designation.<br />

Careful consideration should also be taken <strong>for</strong> liquid<br />

releases from cryogenic storage/delivery installations<br />

external to the building. In these cases the HMS<br />

should refer to the minimum separation distances to<br />

low lying areas detailed in the relevant CoP.<br />

Ventilation<br />

When the room volume and air change rate are<br />

known the maximum permissible asphyxiant gas<br />

flows to prevent the <strong>for</strong>mation of an oxygen depleted<br />

atmosphere can be calculated using the following<br />

equation:<br />

where:<br />

v * C<br />

Q =<br />

t *100<br />

t = time between air changes h<br />

v = volume of room m 3<br />

Q = volumetric flow rate of asphyxiant m 3 /h<br />

C = percentage gas in gas-air mixture %<br />

The approach can be used <strong>for</strong> both natural and <strong>for</strong>ced<br />

ventilation, noting that as discussed earlier <strong>for</strong> <strong>for</strong>ced<br />

ventilation, a factor is required to be applied to account<br />

<strong>for</strong> inefficiencies associated with ventilation<br />

systems designed <strong>for</strong> radiological containment, rather<br />

than <strong>for</strong> the removal of asphyxiant gases.<br />

Figure 2 below shows the maximum allowable gas<br />

flows which would prevent <strong>for</strong>mation of an oxygen<br />

Gas Flows to 19 % Oxygen at Various Ventilation Flows<br />

Gas Flow m 3 /h<br />

| Fig. 2<br />

Gas Flow to 19 % v/v Oxygen with Natural Air Change Rate.<br />

Room Volume m 3<br />

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depleted atmosphere <strong>for</strong> rooms up to 1000 m 3 free<br />

volume. The example illustrates a well-sealed room<br />

scenario with natural ventilation at 0.05 air changes<br />

per hour, and artificial ventilation between 1 and 5<br />

air changes per hour.<br />

The lines indicate the maximum permissible flow<br />

of gas into the room, there<strong>for</strong>e, gas flows below the<br />

line would ensure a safe breathable atmosphere was<br />

maintained within the area at all times. Flow rates<br />

above the line would require identification of greater<br />

ventilation, or alternative safety measures.<br />

When specifying the detail of any flow restrictor<br />

within safety assessments, the maximum flow<br />

should be set at the maximum conceivable pressure,<br />

which is taken as the set point of the upstream pressure<br />

relief valve.<br />

Summary<br />

Asphyxiation occurs when the body becomes deficient<br />

in oxygen. Gases are extensively used in the<br />

nuclear industry and can result in a potential asphyxiation<br />

hazard to operators working at nuclear<br />

facilities.<br />

This paper recognizes previous historic difficulties<br />

that have been encountered when attempting to substantiate<br />

claims made upon building extract systems<br />

which have been designed <strong>for</strong> radiological containment<br />

purposes and when placing sole reliance on<br />

oxygen depletion monitoring.<br />

A high level overview of the practical assessment of<br />

asphyxiation hazards in the nuclear industry is presented<br />

in this paper along with robust HMSs based<br />

on two decades of LFE, and RGP from NNL studies.<br />

The overall risk frequency of asphyxiation is a function<br />

of the Initiating Event Frequency (IEF) of gas<br />

releases combined with the number and reliability<br />

of independent safety measures required to achieve<br />

the R2P2 broadly acceptable risk target.<br />

The hierarchical HMS approach presented in this<br />

paper can be used to establish suitable and proportionate<br />

safety measures <strong>for</strong> which claims can be made<br />

in asphyxiation assessments in the nuclear industry.<br />

Following the approach presented will allow the risk<br />

target to be met, ensuring the risk can be reduced to<br />

As Low As Reasonably Practicable (ALARP).<br />

[7] Statutory Instruments, “The Control of Substances Hazardous to Health, 2002, No.2677,” 2002.<br />

[8] Statutory Instruments, “The Dangerous Substances and Explosive Atmospheres Regulations<br />

2002, No. 2776,” 2002.<br />

[9] Statutory Instruments, “The Classification, Labelling and Packaging of Chemicals Regulations<br />

2015,” 2015.<br />

[10] European Council, “Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals<br />

(REACH), Regulation No. 1907/2006,” 2006.<br />

[11] P. Baxter, Hunter's Diseases of Occupations 10th Edition, 2010.<br />

[12] Health and Safety Executive, “EH40/2005 Workplace Exposure Limits, Fourth Edition,” 2020.<br />

[13] BSI, “BS EN IEC 60079-10-1:2021 Explosive atmospheres Part 10-1: Classification of areas -<br />

Explosive gas atmospheres,” 2021.<br />

[14] F. Lees, “Lees' Loss Prevention in the Process Industries, Fourth Edition,” 2012.<br />

[15] Chartered Institution of Building Services Engineers (CIBSE), “ Environmental Design Guide A,<br />

Eight Edition,” 2018.<br />

[16] G. Kinsley, “Properly Purge and Inert Storage Vessels,” American Institute of Chemical Engineers<br />

(AIChE) CEP Magazine.<br />

[17] British Compressed Gases Association, “Code of Practice 27: Transportable vacuum insulated<br />

containers of not more than 1000 litres volume. Revision 1,” 2004.<br />

Authors<br />

Howard Chapman<br />

Principal Safety Consultant,<br />

National <strong>Nuclear</strong> Laboratory.<br />

howard.chapman@uknnl.com<br />

Howard Chapman is a Principal Safety Consultant at NNL with over thirty five<br />

years of safety case experience in the nuclear industry at a number of sites<br />

throughout the UK and on international projects. His work has covered all aspects<br />

of the nuclear project lifecycle from design to construction and commissioning<br />

phases, operations and decommissioning. Howard lead the safety case <strong>for</strong> the<br />

LaserSnake project which built a semi-autonomous robot controlled laser cutting<br />

capability in a cave environment within an active facility. Howard has also<br />

recently worked on a robotic safety project to meet the challenge <strong>for</strong> the adoption<br />

of a higher degree of Human Robot Collaboration at Sellafield site. This work has<br />

helped to develop a better understanding of generic robotic safety case considerations<br />

and the reliability of SMART protective measures available from current<br />

and emergent technologies across all key industrial sectors.<br />

Stephen Lawton<br />

Radiological and Chemotoxic Safety Consultant,<br />

National <strong>Nuclear</strong> Laboratory.<br />

stephen.lawton@uknnl.com<br />

Stephen Lawton is a Radiological and Chemotoxic Safety Consultant primarily<br />

covering the civil nuclear fuel cycle as well as <strong>for</strong> research and development<br />

projects and new reactor designs. He developed the safety assessments <strong>for</strong> NNL’s<br />

laser cutting facilities <strong>for</strong> both active and non-active use making use of the trial<br />

data to demonstrate the risk was safely managed.<br />

Alison Graham<br />

Senior Safety Consultant,<br />

National <strong>Nuclear</strong> Laboratory.<br />

alison.graham@uknnl.com<br />

DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 69<br />

References<br />

[1] United Kingdom Government, “Health and Safety at Work Act,” 1974.<br />

[2] United Kingdom Government, “Energy Act,” 2013.<br />

[3] United Kingdom Government, “<strong>Nuclear</strong> Installations Act,” 1965.<br />

[4] Health & Safety Executive, “Reducing Risks, Protecting People,” 2001.<br />

[5] ONR, “Risk in<strong>for</strong>med regulatory decision making,” 2017.<br />

[6] Statutory Instruments, “Confined Space Regulations 1997, No 1713,” 1997.<br />

Alison Graham is a Senior Radiological and Chemotoxic Safety Consultant with<br />

over 15 years’ experience in the nuclear industry. She has produced safety<br />

assessments including of asphyxiation hazards <strong>for</strong> NNL internal research and<br />

development projects as well as <strong>for</strong> customers in the wider civil nuclear fuel cycle.<br />

In addition, Alison has experience in producing Hazardous Area Classification<br />

assessments and also in producing Control of Major Accident Hazards (COMAH)<br />

Reports.<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

A Practical Approach to Asphyxiation Assessments in the <strong>Nuclear</strong> Industry ı Howard Chapman, Stephen Lawton, Alison Graham


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70<br />

KTG-FACHINFO<br />

KTG-Fachinfo 09/2023 vom 17.04.2023:<br />

Medienrückblick aufs Betriebsende deutscher<br />

KKW am 15.4.23 – einem traurigen Tag für alle<br />

Freunde der Kernenergie!<br />

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder der KTG,<br />

nach Beendigung des Leistungsbetriebs der letzten drei deutschen<br />

Kernkraftwerke Emsland (KKE), Neckarwestheim 2 (GKN 2) und Isar 2<br />

(KKI 2) finden Sie unten eine Übersicht zur Berichterstattung einiger<br />

Print(Online)-Medien dazu:<br />

Frankfurter Allgemeine Zeitung:<br />

Der Atomkraft gehört die Zukunft, Kommentar von Morten Freidel,<br />

15.04.2023<br />

https://www.faz.net/suche/der-atomkraft-gehoert-diezukunft-18821307.html<br />

(Abonnenten)<br />

Atomkraft danke, Lukas Fuhr, 15.04.2023<br />

https://www.faz.net/suche/atomenergie-die-letzten-drei-kraftwerke-gehen-vom-netz-18821696.html<br />

(Abonnenten)<br />

Wohin mit den strahlenden Relikten?, Interview mit Walter Tromm,<br />

15.04.2023<br />

https://www.faz.net/suche/abschaltung-der-akws-wohin-nun-mitdem-atommuell-18820471.html<br />

(Abonnenten)<br />

Der Atomstreit versperrt den Blick auf die Zukunft. Kommentar von<br />

Marcus Theurer, 15.04.2023<br />

https://www.faz.net/suche/atomausstieg-ein-plan-fuer-die-energie-der-zukunft-18821185.html<br />

(Abonnenten)<br />

Gut möglich, dass Deutschland wieder einsteigt, Philip Plickert, London,<br />

15.04.2023<br />

https://www.faz.net/suche/atomausstieg-abschaltung-von-akwslaut-ox<strong>for</strong>d-oekonom-ein-fehler-18823275.html<br />

(Abonnenten)<br />

Söder will in Bayern an Atomkraft festhalten, dpa, 16.04.2023<br />

https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/atomausstieg-soederwill-akw-in-bayern-weiter-laufen-lassen-18823935.html<br />

Rhein: Werden Atomausstieg noch bitter bereuen, Gespräch mit<br />

Boris Rhein, 16.04.2023<br />

https://www.faz.net/aktuell/politik/boris-rhein-zu-klimapolitikden-atomausstieg-werden-wir-noch-bitter-bereuen-18825538.html<br />

(Abonnenten)<br />

Söder wirft sich mit großer Geste hinter abgefahrenen Zug, dpa,<br />

17.04.2023<br />

https://www.faz.net/aktuell/politik/heftige-kritik-fuer-idee-vonmarkus-soeder-nach-aus-der-atomkraft-18826161.html<br />

Die Welt:<br />

Menschen demonstrieren für und gegen Abschaltung der AKWs in<br />

mehreren deutschen Städten, 15.04.2023<br />

https://www.welt.de/wirtschaft/article244828680/Atomausstieg-Menschen-demonstrieren-fuer-und-gegen-Abschaltung-der-AKWs-in-mehreren-deutschen-Staedten.html?icid=search.product.onsitesearch<br />

FDP regt Energiegewinnung durch Kernfusion an – SPD ist dagegen,<br />

15.04.2023<br />

https://www.welt.de/politik/deutschland/article244832340/Nach-<br />

Atomausstieg-FDP-regt-Energiegewinnung-durch-Kernfusion-an-<br />

SPD-ist-dagegen.html?icid=search.product.onsitesearch<br />

Emotionaler Atomausstieg für Gegner und AKW-Mitarbeiter, dpa,<br />

16.04.2023<br />

https://www.welt.de/regionales/bayern/article244822242/<br />

Emotionaler-Atomausstieg-fuer-Gegner-und-AKW-Mitarbeiter.<br />

html?icid=search.product.onsitesearch<br />

Typisches Söder-Getöse – Spott für Bayerns Wunsch nach Atom-Sonderweg,<br />

Kristian Frigelj, 16.04.2023<br />

https://www.welt.de/politik/deutschland/article244842538/<br />

Kernkraft-Spott-ueber-Soeders-Atom-Sonderweg.html?icid=search.<br />

product.onsitesearch<br />

Söder erklärt, wie er ein AKW in Bayern weiterlaufen lassen will,<br />

Video, 17.04.2023<br />

https://www.welt.de/politik/deutschland/video244850180/Atomausstieg-Soeder-erklaert-wie-er-ein-AKW-in-Bayern-weiterlaufen-lassen-will.html?icid=search.product.onsitesearch<br />

Lemke erteilt Söder zu Länderregie für Kernkraft Absage, dpa,<br />

17.04.2023<br />

https://www.welt.de/regionales/bayern/article244844910/Lemkeerteilt-Soeder-zu-Laenderregie-fuer-Kernkraft-Absage.html?icid=search.product.onsitesearchl<br />

BASE kritisiert Bayerns Forderung nach AKW-Hoheit für Länder, dpa,<br />

17.04.2023<br />

https://www.welt.de/regionales/bayern/article244840932/BASEkritisiert-Bayerns-Forderung-nach-AKW-Hoheit-fuer-Laender.<br />

html?icid=search.product.onsitesearch<br />

BILD:<br />

Jetzt fahren wir runter – Das AKWar's! – Zum Abschied von der<br />

Steinkohle kam der Bundespräsident. Am letzten Tag der Kernkraft<br />

versteckt sich die Politik, Angelika Hellemann und Felix Rupprecht,<br />

15.04.2023<br />

https://www.bild.de/politik/inland/politik/jetzt-fahren-wir-runterdas-akwars-83568206.bild.html<br />

Das denkt Deutschland über das AKW-Aus – Opfergabe an alte grüne<br />

Männer, Philip Fabian, 15.04.2023<br />

https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/atom-ausstieg-so-reagiert-deutschland-opfergabe-an-alte-gruene-maenner-83565218.bild.html<br />

Respektloser Abschied, Kommentar von Thomas Block, 15.04.20233<br />

https://www.bild.de/politik/kolumnen/kolumne/kommentar-respektloser-abschied-83568022.bild.html<br />

AKW-Plan für Bayern – Scharfer Gegenwind für Söders Atom-Alleingang,<br />

dpa, 16.04.2023<br />

https://www.bild.de/politik/2023/politik/akw-plan-fuer-bayern-scharfer-gegenwind-fuer-soeders-atom-alleingang-83575982.bild.html<br />

Frust wegen AKW-Abschaltung – Hotel-Chef erteilt Grünen Hausverbot,<br />

Michael Engelberg und Christoph Witte, 16.04.2023<br />

https://www.bild.de/regional/ruhrgebiet/ruhrgebiet-regional-politik-und-wirtschaft/wegen-akw-abschaltung-hotel-chef-erteilt-bundes-gruenen-hausverbot-83574896.bild.html<br />

Tag 1 nach dem Ausstieg – Atomkraftwerke AUS, Atom-Import AN!<br />

Deutschlands Strom-Problem schon jetzt sichtbar, Ismael Hormess<br />

und Philip Fabian, 17.04.2023<br />

https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/atom-aus-tag-einsdeutschland-importiert-mehr-atom-und-kohlestrom-83574900.bild.<br />

html<br />

Verdrehte Fakten wie bei Trump, Kommentar von Marion Horn,<br />

17.04.2023<br />

https://www.bild.de/politik/kolumnen/kolumne/kommentar-zumatom-aus-verdrehte-fakten-wie-bei-trump-83580192.bild.html<br />

Spiegel:<br />

Zum Ende der Kernenergie aus Deutschland: Als Atomkraft noch<br />

cool war, Christoph Gunkel, 15.04.2023<br />

https://www.spiegel.de/geschichte/ende-der-kernenergie-als-<br />

deutschland-noch-die-atomkraft-anhimmelte-a-698286b7-adec-<br />

460c-aae5-491b8feeb1a0<br />

Letzte Meiler gehen vom Netz – Grüne und SPD feiern Atomausstieg<br />

– FDP hadert mit AKW-Aus, dpa, 15.04.2023<br />

https://www.spiegel.de/politik/atom-aus-gruene-und-spd-feiern-<br />

atomausstieg-fdp-hadert-mit-akw-aus-a-ae0c96fb-5871-4fdd-9d7f-<br />

9bb5b368fa6c<br />

Atomausstieg in Deutschland: Gespalten bis zum Schluss, Philipp<br />

Kollenbroich, 15.04.2023<br />

https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/atomausstieg-gespalten-bis-zum-schluss-a-72d1dddc-8ae3-45a4-86ddba317b11a2b5<br />

(Abonnenten)<br />

KTG-Fachinfo


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

Die Lage am Morgen: Deutschland strahlt nicht mehr, Mathieu von<br />

Rohr, 15.04.2023<br />

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/news-ato-<br />

mausstieg-annalena-baerbock-emmanuel-macron-a-<br />

3df0a978-4824-4142-85dd-8886e3c5b212<br />

Der inzwischen kontrovers diskutierte Vorschlag des bayerischen<br />

Ministerpräsidenten Söder, das Kernkraftwerk Isar 2 in Regie des<br />

Landes weiter zu betreiben, bzw. die Zuständigkeit für die Kernenergie<br />

und letztlich für den Energiemix auf die Bundesländer zu<br />

übertragen, ist an sich ein nützlicher Vorschlag. Neben anderem<br />

krankt die deutsche Energiepolitik mit ihrer so genannten Energiewende<br />

daran, dass ein Rezept für alle vorgeschrieben werden soll,<br />

egal wie die jeweiligen regionalen Umstände hinsichtlich der Energieversorgung<br />

beschaffen sind. So ist der Ausstieg aus der Kernenergie<br />

für die windschwachen, küstenfernen, süddeutschen Binnenländer<br />

ohne eigene Kohle- und Gasreserven ein ungleich härterer Schlag als<br />

für die norddeutschen Küstenländer, die nicht nur über mehr Wind<br />

verfügen, sondern auch direkten Zugang zur offshore-Windenergie<br />

haben, problemlos aus den Kohleregionen heraus mit Strom versorgt<br />

werden können, sich in der Nähe zur niederländischen und norwegischen<br />

Gasförderung befinden, unmittelbar mit LNG versorgt werden<br />

können und über erhebliche, wenn auch aktuell nicht genutzte<br />

heimische Vorkommen an nicht-konventionellem Erdgas verfügen.<br />

Eine regionale Differenzierung der Energiepolitik unter Einschluss<br />

der Kernenergie dort, wo zusätzlich auch spezifische regionale<br />

Aspekte für sie sprechen, wäre eine wesentliche Verbesserung. Selbst<br />

die reflexhaft gegen den Vorschlag ins Feld geführte Entsorgungsfrage<br />

ließe sich vielleicht leichter lösen, wenn man die Endlagerung<br />

für künftige Abfälle regionalisierte. Leider ist aber nicht nur anzunehmen,<br />

dass dieser Vorschlag keinerlei Chance auf Realisierung hat,<br />

sondern es ist auch zu vermuten, dass er bereits unter dieser Prämisse<br />

gemacht wurde und nicht konzeptionell hinterlegt ist. Würde man<br />

ernsthaft eine Regionalisierung der Energiepolitik und des Energiemix<br />

anstreben, hätte schon vor Jahren in diese Richtung gearbeitet<br />

werden müssen, nicht zuletzt unter Nutzung einer damals unionsgeführten<br />

Bundesregierung und bei Betrieb noch mehrerer weiterer<br />

Kernkraftwerke im Süden Deutschlands.<br />

Zum Schluss noch eine kurze Nachricht aus Finnland: rund zwei Stunden<br />

nachdem in Deutschland die letzten Kernkraftwerke abgeschaltet<br />

wurden, hat in Olkiluoto der Block drei, der erste europäische EPR,<br />

den kommerziellen Betrieb aufgenommen, was diesen zum leistungsstärksten<br />

Kernkraftwerk Europas macht. Die Anlage des Betreibers<br />

TVO wurde nach deutsch-französischer Konzeption mit maßgeblicher<br />

deutscher Beteiligung errichtet.<br />

Ihre KTG-Geschäftsstelle<br />

Nicolas Wendler<br />

KTG-Fachinfo 08/2023 vom 28.<strong>03.2023</strong>:<br />

Kernenergie und Umweltschutz:<br />

Nuklearia e. V. vs. Umweltbundesamt<br />

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder der KTG,<br />

zwischen dem Umweltbundesamt und dem kernenergiefreundlichen<br />

Verein Nuklearia e.V. gibt es derzeit eine Auseinandersetzung um den<br />

Status des Vereins in der sich die Frage zum grundsätzlichen Umgang<br />

mit der Kernenergie als Umweltschutztechnologie widerspiegelt.<br />

Nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) können Umweltund<br />

Naturschutzvereinigungen die Anerkennung als solche beim<br />

Umweltbundesamt (UBA) beantragen. Solche anerkannten Vereinigungen<br />

können das Verbandsklagerecht beanspruchen und somit bestimmte<br />

Verwaltungsentscheidungen gerichtlich überprüfen lassen.<br />

Wie Nuklearia berichtet, hatte der Verein eine solche Anerkennung<br />

im Oktober 2021 beim UBA beantragt, das diese mit Bescheid vom<br />

Dezember 2022 ablehnte. Nuklearia legte umgehend Widerspruch<br />

ein und reichte in der vergangenen Woche eine ausführliche Widerspruchsbegründung<br />

nach. Der Verfahrensvertreter von Nuklearia<br />

bemängelt, dass das UBA die Tätigkeit des Vereins nicht umfassend<br />

geprüft und die Satzung des Vereins in einer Weise ausgelegt habe,<br />

die den Verein benachteiligt. Der Ablehnungsbescheid der Behörde<br />

beziehe sich politisch darauf, warum die Kernenergie abzulehnen sei.<br />

Dadurch entstehe der Eindruck, dass die angeführten Ablehnungsgründe<br />

nur vorgeschoben seien und die Ablehnung in Wahrheit<br />

politische Gründe habe. Der Ablehnungsbescheid sei entsprechend<br />

ungerechtfertigt, die Begründung fehlerhaft. Der Nuklearia-Vorsitzende<br />

Rainer Klute erklärte, dass sich das UBA der Bewertung der<br />

Kernenergie durch die Bundesregierung beuge und damit das Sachlichkeitsgebot<br />

verletze.<br />

Der Verfahrensvertreter machte zudem darauf aufmerksam, dass die<br />

Vereinstätigkeit hochaktuell sei, da die Kernenergie unter anderem<br />

einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele leisten<br />

könne. Dies sei auch von der EU anerkannt worden, die die Kernenergie<br />

jüngst als „grüne“, nachhaltige Technologie eingestuft habe.<br />

Der Verein versucht daher nun seine Anerkennung auf dem Rechtsweg<br />

durchzusetzen. Dem dient zunächst der beim Umweltbundesamt<br />

eingelegte Widerspruch. Falls das UBA bei seiner Ablehnung<br />

bleiben sollte, hat Nuklearia angekündigt, beim Verwaltungsgericht<br />

Klage einzureichen.<br />

Aus der Beobachtung der Vereinstätigkeit über die vergangenen<br />

Jahre lässt sich beim Einsatz für die Kernenergienutzung klar ein<br />

starker umweltpolitischer Fokus des Vereins und seiner Mitglieder<br />

erkennen. Nicht nur ist die Rolle der Kernenergie für die Klimapolitik<br />

und andere umweltpolitische Vorteile der Kernenergie wie<br />

Schadstoffarmut, geringer Flächen- und Ressourcenbedarf zentraler<br />

Bestandteil der Kommunikation des Vereins und Hauptthema<br />

öffentlichkeitswirksamer Veranstaltungen. Darüber hinaus haben<br />

in den vergangenen Jahren immer wieder Mitglieder des Vereins<br />

in verschiedenen Orten an Demonstrationen für den Klimaschutz<br />

teilgenommen. Umso bedauerlicher ist es, dass nun auch ein Verein<br />

engagierter Privatpersonen, die sich ehrenamtlich für die Nutzung<br />

der Kernenergie einsetzen, Erfahrungen mit der Voreingenommenheit<br />

einzelner Behörden machen muss, wie sie der kerntechnischen<br />

Branche seit vielen Jahren bekannt sind. Es ist zu hoffen, dass sich<br />

die Position von Nuklearia auf dem Rechtsweg durchsetzt und so<br />

gezeigt werden kann, dass die Anerkennung von Umweltverbänden<br />

und deren Anliegen nicht der politischen Willkür unterworfen ist.<br />

Ihre KTG-Geschäftsstelle<br />

Nicolas Wendler<br />

KTG-Fachinfo 07/2023 vom 22.<strong>03.2023</strong>:<br />

Nationalversammlung beschließt<br />

Neustart der Kernenergie in Frankreich<br />

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder der KTG,<br />

die französische Nationalversammlung hat mit großer Mehrheit<br />

von 407 zu 130 Stimmen – bei insgesamt 577 Abgeordneten – dem<br />

Gesetz zum Neustart der Kernenergie in erster Lesung zugestimmt.<br />

Mit dem Gesetz wird die Ankündigung von Präsident Macron zum<br />

Neustart des Kernenergiesektors in der Rede von Bel<strong>for</strong>t im Januar<br />

2022 gesetzgeberisch umgesetzt. Damit wird – nach einer landesweiten<br />

öffentlichen Anhörung bis Ende Februar – die Voraussetzung für<br />

den Bau von zunächst sechs neuen Reaktoren vom modifizierten Typ<br />

EPR2 neben bestehenden Standorten geschaffen. Wie u. a. die Wirtschaftszeitung<br />

Les Echos und die Tageszeitung Le Figaro berichten,<br />

werden auch die Möglichkeit einer Verlängerung der Laufzeit der<br />

bestehenden Kernkraftwerke mit dem Zielwert von 60 Jahren Betrieb<br />

im Gesetz geregelt und Maßnahmen zur Planungsbeschleunigung<br />

für die Umsetzung der Neubauprojekte eingeführt. So können etwa<br />

71<br />

KTG-FACHINFO<br />

KTG-Fachinfo


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

72<br />

KTG-FACHINFO<br />

vorbereitende Arbeiten direkt nach Erlangen einer umweltrechtlichen<br />

Erlaubnis und einer öffentlichen Anhörung begonnen werden.<br />

Für die Errichtung des „<strong>Nuclear</strong> Island“ und der sicherheitsrelevanten<br />

Hilfsanlagengebäude ist aber nach wie vor eine atomrechtliche Genehmigung<br />

durch die Aufsichtsbehörde ASN er<strong>for</strong>derlich. Der erste<br />

Neubaustandort wird Penly an der Kanalküste sein, wo bereits zur<br />

Zeit der Errichtung der bestehenden Anlagen eine mögliche Erweiterung<br />

vorgesehen wurde.<br />

Neben der Partei des Präsidenten, Renaissance, und den Verbündeten<br />

der Regierungsmehrheit haben auch die oppositionellen Republikaner,<br />

Rassemblement National und die Kommunistische Partei dem<br />

Gesetz zugestimmt. Dagegen gestimmt hat die Partei der Grünen<br />

und die Sozialistische Partei. Der Senat hatte zuvor mit Änderungsanträgen<br />

die aktuell bestehende Begrenzung des Anteils der Kernenergie<br />

auf 50 Prozent ab 2035 abgeschafft und die im Regierungsentwurf<br />

vorgesehene Eingliederung des Institut de Radioprotection<br />

et de Sûreté Nucléaire (IRSN) in die Aufsichtsbehörde Autorité de<br />

Sûreté Nucléaire (ASN) abgelehnt.<br />

Weitere Modifikationen seitens des Senats waren die vollständige<br />

„Dekarbonisierung“ der Stromerzeugung bis 2030 und der Aufbau<br />

von 6,5 GW Elektrolysekapazität. Das Gesetz, das im beschleunigten<br />

Verfahren beraten wird, muss deshalb noch einmal entweder in den<br />

Vermittlungsausschuss von Senat und Nationalversammlung oder in<br />

zweiter Lesung von der Nationalversammlung beschlossen werden, die<br />

in erster Lesung aber weder den Entfall der 50-Prozent-Grenze noch<br />

die Fusion von IRSN und ASN wieder in den Text aufgenommen hat.<br />

Leider hat ähnlich wie in Deutschland auch der französische <strong>Journal</strong>ismus<br />

bisweilen Schwierigkeiten mit der Berichterstattung über<br />

Kernenergiethemen. Im Artikel von Les Echos wird im Zusammenhang<br />

mit dem Thema Laufzeitverlängerung der Sachverhalt Spannungsrisskorrosion<br />

für den Ausfall von mehr als der Hälfte der französischen<br />

Kernkraftwerke im vergangenen Sommer verantwortlich<br />

gemacht.<br />

Tatsächlich waren „nur“ 12 Anlagen davon betroffen, die übrigen<br />

und erheblichen Stillstände gingen auf den wegen der Corona-Maßnahmen<br />

immer noch gestörten Revisionskalender und die Verzögerung<br />

bei der Grand Carénage, dem umfangreichen Modernisierungs-<br />

und Laufzeitverlängerungsprogramms von EDF zurück, dessen<br />

Umsetzung durch die gesetzliche Bestimmung einer Obergrenze von<br />

50 Prozent Kernenergie ab 2025 im Jahr 2015 erheblich beeinträchtigt<br />

und verzögert wurde. Auch ist in dem Artikel von verschiedenen<br />

EPR-Baustellen in Frankreich die Rede, die erheblich verzögert seien,<br />

obgleich es dort nur eine einzige gibt.<br />

Erfreulich ist die breite Unterstützung verschiedener politischer<br />

Lager für die Wiederbelebung der kerntechnischen Wirtschaft in<br />

Frankreich in Nationalversammlung und Senat (239 zu 16 bei 348<br />

Senatoren), die weit über das Regierungslager hinaus geht, das keine<br />

eigene Mehrheit in Nationalversammlung oder Senat hat.<br />

Ihre KTG-Geschäftsstelle<br />

Nicolas Wendler<br />

KTG-Fachinfo 06/2023 vom 09.<strong>03.2023</strong>:<br />

Französisch-italienische Zusammenarbeit bei<br />

Kernenergie und Fortschritte bei Gen-IV<br />

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder der KTG,<br />

der französische Stromerzeuger EDF hat mit den italienischen<br />

Unternehmen Ansaldo <strong>Nuclear</strong>e, Ansaldo Energia und der EDF-<br />

Tochter Edison eine Kooperation bei der Kernenergie vereinbart.<br />

Diese Zusammenarbeit erstreckt sich zum einen auf die Beteiligung<br />

italienischer Kerntechnikunternehmen am neuen französischen<br />

Ausbauprogramm und soll zum anderen eine langfristige Perspektive<br />

für die Nutzung der Kernenergie auch in Italien vor dem Hintergrund<br />

der klimapolitischen Ziele und im Sinne von Versorgungssicherheit<br />

und Energieunabhängigkeit ins Auge fassen. Bei einer Kernenergieperspektive<br />

für Italien sollen kleine und modulare Reaktoren wie das<br />

französische Design NUWARD eine besondere Rolle spielen, bei dessen<br />

Entwicklung Ansaldo <strong>Nuclear</strong>e bereits als Ingenieurdienstleister<br />

einbezogen ist.<br />

Die italienische Industrie ist auch an der Entwicklung bleigekühlter<br />

schneller Reaktoren (LFR) beteiligt. Das gilt nicht nur für das von der<br />

EU geförderte Projekt ALFRED, bei dem die technische Federführung<br />

bei Ansaldo liegt. Auch Westinghouse hat im Oktober 2022 eine<br />

Kooperationsvereinbarung mit Ansaldo für die LFR-Entwicklung mit<br />

dem Ziel eines gemeinsamen Designs geschlossen. Neben Partnern in<br />

den Vereinigten Staaten und Italien sind auch das Vereinigte Königreich<br />

und Rumänien beteiligt. Wie World <strong>Nuclear</strong> News berichtet, hat<br />

der britische Reaktorentwickler Newcleo mit der italienischen Technologieagentur<br />

ENEA eine Rahmenvereinbarung zur Entwicklung<br />

kleiner LFR geschlossen. .<br />

Auch in Schweden wird die LFR-Entwicklung vorangetrieben. Der<br />

Reaktorentwickler Leadcold, der einen kleinen bleigekühlten Brutreaktor<br />

entwickelt, kündigte vor einigen Tagen an, in Zusammenarbeit<br />

mit der Studsvik AB eine Machbarkeitsstudie für einen Forschungsreaktor<br />

mit angeschlossener Brennstofffertigung in Studsvik<br />

zu erstellen. Der Forschungsreaktor SEALER-S soll eine thermische<br />

Leistung von 80 MW haben. Die Anlage bildet die Vorstufe zu einem<br />

kommerziellen modularen Reaktor mit 140 MW thermischer Leistung,<br />

dem SEALER-55, der später in Serie gebaut werden soll. Wie<br />

World <strong>Nuclear</strong> News berichtet, kooperieren Uniper, Leadcold und das<br />

Königliche Institut für Technologie seit 2021 bei dem Projekt eines<br />

entsprechenden Technologiedemonstrators mit vier Einheiten und<br />

220 MW elektrischer Leistung am Standort Oskarshamn. Der erste<br />

Schritt dazu ist das Projekt Solistice, eine nichtnukleare Materialtestanlage<br />

in der neuartige Brennstoff- und Strukturmaterialien getestet<br />

werden sollen und die ebenfalls in Oskarhamn eingerichtet wird.<br />

Beim russischen Prototypen eines LFR, dem BREST-OD-300, dessen<br />

Entwicklung am weitesten <strong>for</strong>tgeschritten ist und der mit einer<br />

eigenen Brennstofffertigung und Wiederaufarbeitungseinrichtung<br />

kombiniert werden soll, wird derzeit über die Fertigung der Hauptkühlmittelpumpe<br />

berichtet. Bei dem Projekt, das mit einer Maximaltemperatur<br />

des Reaktorprimärkreises von 450 °C auf einem rund<br />

100 °C niedrigerem Temperaturniveau arbeiten soll als der schwedisch-britische<br />

SEALER, steht der geschlossene Brennstoffkreislauf im<br />

Mittelpunkt. Die Brennstoffherstellung und die Wiederaufarbeitung<br />

sollen bis 2023 bzw. 2024 betriebsbereit sein, der Reaktor selbst ab<br />

2026.<br />

Nach der Neuorientierung der Energiepolitik einer Reihe europäischer<br />

Länder in Richtung einer Nutzung oder des Ausbaus der Kernenergie<br />

und einigen wichtigen Durchbrüchen für kleine, modulare<br />

Reaktoren in konventioneller Technik vor allem in Nordamerika<br />

nehmen nun auch Reaktoren der vierten Generation mit nichtkonventioneller<br />

Technik und <strong>for</strong>tgeschrittenen Brennstoffkreisläufen<br />

langsam Fahrt auf. Deutschland gerät unterdessen durch die Verweigerung<br />

jeder Modifikation am Kurs der Energiewende und am<br />

Ausstieg aus der Kernkraft bereits energiewirtschaftlich immer weiter<br />

ins Hintertreffen, wie die sich häufenden Meldungen von Betriebsoder<br />

Produktionsverlagerungen deutlich zeigen.<br />

Zusätzlich droht nun auch ein technologischer Rückstand. Dabei<br />

geht es nicht nur um die Kernenergie an sich, sondern auch um<br />

technische Grundlagen. Wie schon in vergangenen Jahrzehnten ist<br />

Kerntechnik eine der Treibkräfte industrieller Innovationen, etwa in<br />

der Materialentwicklung, sowohl Kernspaltung als auch Kernfusion.<br />

KTG-Fachinfo


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

In beiden Fällen ist die deutsche Industrie bei der technischen Entwicklung<br />

nicht stark genug vertreten. Dies liegt vor allem daran, dass<br />

Kerntechnologien als politisch unerwünscht gelten und eher behindert<br />

als unterstützt werden.<br />

Hier ist endlich ein Paradigmenwechsel er<strong>for</strong>derlich, der akzeptiert,<br />

dass man von Deutschland aus eine globale Entwicklung nicht steuern<br />

kann und man den deutschen Unternehmen bzw. Standorten<br />

und Forschungseinrichtungen keine Steine bei der Beteiligung an<br />

internationalen Projekten in den Weg legt.<br />

Ihre KTG-Geschäftsstelle<br />

Nicolas Wendler<br />

KTG-Fachinfo 05/2023 vom 27.02.2023:<br />

Europäische „Atom-Allianz“ und Energieuntersuchungsausschuss<br />

in Frankreich<br />

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder der KTG,<br />

das europäische Internetnachrichtenportal Euractiv berichtet am 27.<br />

Februar, dass sich die französischen Energieministerin, Agnès Pannier-Runacher,<br />

mit Vertretern von 12 anderen Staaten der EU und<br />

der Europäischen Kommission treffen wird, um eine Allianz innerhalb<br />

der EU zu begründen, mit dem Ziel „den Beitrag der Kernenergie zu<br />

unseren Klimazielen und zur Energiesicherheit in Europa“ zu bekräftigen,<br />

wie es laut dem Bericht aus dem Umfeld der Ministerin heißt.<br />

Neben Frankreich sollen an dem Treffen Vertreter von Bulgarien,<br />

Kroatien, Finnland, Ungarn, Italien, den Niederlanden, Polen, der<br />

Tschechischen Republik, Rumänien, der Slowakei, Slowenien und<br />

Schweden teilnehmen.<br />

Die Gespräche zur Unterstützung der Kernenergie sollen am Rande<br />

des in<strong>for</strong>mellen Treffens der Energieminister am 27. und 28. Februar<br />

in Stockholm stattfinden, bei dem es um die Themen Re<strong>for</strong>m des<br />

europäischen Strommarktes, kohlenstoffarmer Wasserstoff und die<br />

Rolle der Kernenergie dabei gehen soll. Dabei konnten in jüngster<br />

Zeit Erfolge für die Kernenergie erreicht werden. So erkannte der<br />

Energieausschuss des Europäischen Parlaments am 9. Februar Wasserstoff<br />

aus Kernkraftstrom offiziell als kohlenstoffarme Energie an.<br />

Am 10. Februar wurde berichtet, dass Frankreich und die pro-kernenergie<br />

Staaten erreicht haben, dass die Nutzung von Kernenergie<br />

zur Wasserstoffherstellung eine Ausnahme von den sogenannten<br />

„Additionalitätsregeln“ darstellen kann, mit denen erreicht werden<br />

soll, dass nur zusätzliche („erneuerbare“) Stromerzeugungsanlagen<br />

für die Herstellung von „erneuerbarem“ Wasserstoff verwendet<br />

werden. Bedingung dafür ist, dass die Stromproduktion eines Landes<br />

nahezu klimaneutral ist.<br />

Das nächste Thema im Zusammenhang mit einer Wasserstoffwirtschaft<br />

ist die Richtlinie über erneuerbare Energien (RED3), bei dem<br />

das Kabinett der Ministerin am 13. Februar mehr „Kohärenz“ und die<br />

Ministerin eine Übertragung der Logik bei den Additionalitätsregeln<br />

in den kommenden Texten über Wasserstoff <strong>for</strong>derte. Der Vorsitzende<br />

des Umweltausschusses und französische Europaabgeordnete<br />

Pascal Canfin hatte zuvor vorgeschlagen, eine CO 2 -Gewichtung in die<br />

Ziele für die Entwicklung von erneuerbaren Energien in die RED3-<br />

Richtlinie aufzunehmen. Am 16. Februar traf sich Energieministerin<br />

Pannier-Runacher zudem mit 16 Europaabgeordneten zu einem<br />

Gespräch über Dekarbonisierung und Kernenergie.<br />

Die stark intensivierte Vertretung der Kernenergie in der europäischen<br />

Energiepolitik durch die französische Regierung steht nicht<br />

nur vor dem Hintergrund der von Präsident Macron angestoßenen<br />

Wiederbelebung der französischen kerntechnischen Industrie und<br />

der aktuellen und schon sehr konkreten Planungen für Reaktorneubauten<br />

in Frankreich, sondern spiegelt auch einen grundlegenden<br />

politischen Stimmungswandel hinsichtlich der Kernenergie wider.<br />

Wie Frankreichkorrespondentin Michaela Wiegel in der FAZ vom 24.<br />

Februar berichtet, sei die französische Regierung in der Frage der<br />

Atomenergie auf einen offenen Konfrontationskurs zur Bundesregierung<br />

eingeschwenkt. Dabei spiele auch eine vertiefte Zusammenarbeit<br />

mit den Vereinigten Staaten eine Rolle. Beim Staatsbesuch von<br />

Emmanuel Macron in Washington im vergangenen Dezember sei im<br />

Rahmen der U.S.-France Bilateral Clean Energy Partnership eine ständige<br />

bilaterale Arbeitsgruppe zur zivilen Kernkraft gegründet worden.<br />

Ausdrückliches Ziel sei es, „weltweit eine hochmoderne Kernenergie<br />

zu fördern, da ihr eine wichtige Rolle bei der Reduzierung der<br />

weltweiten CO 2 -Emissionen zukommt“, wie es in der gemeinsamen<br />

Erklärung heißt. .<br />

Innenpolitisch gründet dieser Kurs auf einem erneuerten Konsens zur<br />

Kernenergie. Dies kommt auch in einer parlamentarischen Untersuchungskommission<br />

unter Vorsitz der oppositionellen, konservativen<br />

Republikaner (LR) zum Ausdruck, die seit vergangenem November<br />

„die Gründe für den Verlust der Souveränität und Unabhängigkeit<br />

Frankreichs im Energiebereich“ ermittelt. Die Anhörungen in der<br />

Nationalversammlung kämen, so die Autorin, einer Abrechnung mit<br />

einer verfehlten europäischen Energiepolitik unter deutscher Führung<br />

nahe. Bei den Anhörungen werden am 16. März die beiden früheren<br />

Präsidenten Nicolas Sarkozy und Francois Hollande angehört.<br />

Bereits ausgesagt haben ehemalige Chefs von EDF. So wurde am<br />

13. Dezember Ex- EDF-Chef (2009–2014) Henri Proglio befragt, der<br />

äußerte, dass EDF ein Energieexporteur mit dem billigsten Strom<br />

Europas gewesen sei, mit dem Frankreich einen Vorteil bei den Treibhausgasemissionen<br />

hatte. Dann sei allerdings der europäische Strommarkt<br />

so entwickelt worden, dass der Marktpreis an den Gaspreis<br />

gekoppelt worden sei. Proglio sagte, „die europäische Regulierung<br />

ist deutsch“ und die Klimabilanz habe eine untergeordnete Rolle<br />

gespielt. Zudem berichtete er, dass die damalige Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel ihm bei einem Abendessen am Rande der Hannover-<br />

Messe 2012 anvertraut habe, dass sie als Physikerin den Atomausstieg<br />

nicht gutheißen könne, sich aber aus politischen Gründen dazu entschieden<br />

habe. Wechselnde Bundesregierungen hätten das französische<br />

Wettbewerbsinstrument EDF gezielt zu schwächen versucht, um<br />

die deutsche Industrie zu begünstigen.<br />

Andere ehemalige EDF-Chefs äußerten sich inhaltlich ähnlich und<br />

Anne Lauvergeon, die zwischen 1999 und 2011 die Areva-Gruppe<br />

leitete, beschrieb eine öffentliche Debatte, die ganz im Zeichen des<br />

„deutschen Modells“ gestanden habe. In Folge sei Deutschland zum<br />

russischen Gashauptumschlagplatz ausgebaut worden, während<br />

die Kernenergie als nicht mehr zeitgemäß stigmatisiert worden sei.<br />

Frankreich habe sich angeschlossen und 2012 verkündet, den Anteil<br />

der Kernkraft bis 2025 auf 50 Prozent senken zu wollen. Der ehemalige<br />

Premierminister Manuel Valls bestätigte vor dem Ausschuss,<br />

dass die „50 Prozent“-Marke ein politisches Symbol gewesen sei, dem<br />

keine Machbarkeitsstudien zugrunde lagen und die eine Bedingung<br />

der Grünen für einen Wahlpakt mit den Sozialisten gewesen sei.<br />

Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses wird im April<br />

erwartet<br />

Nicht erwähnt in beiden Artikeln ist ein Aspekt, der möglicherweise<br />

auch zur Meinungsbildung der französischen wie anderer Regierungen<br />

beigetragen hat: die deutsche Diskussion über einen Weiterbetrieb<br />

von Kernkraftwerken in einer Energiekrise, die Positionierung<br />

der Bundesregierung in dieser Diskussion und ihr blamables politisches<br />

Ergebnis, nachdem letztlich mehr als doppelt so lange über die<br />

Frage diskutiert wurde, als schließlich an Weiterbetrieb ermöglicht<br />

worden ist.<br />

Ihre KTG-Geschäftsstelle<br />

Nicolas Wendler<br />

73<br />

KTG-FACHINFO<br />

KTG-Fachinfo


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

VOR 66 EDITORIAL JAHREN 74<br />

Vor 66 Jahren


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AUS DEN UNTERNEHMEN<br />

Neues Jahr, neuer Name<br />

„Iqony“ bündelt künftig<br />

das Wachstumsgeschäft<br />

von STEAG<br />

Essen. Zum Jahreswechsel hat sich das<br />

traditionsreiche Essener Energieunternehmen<br />

STEAG GmbH neu aufgestellt.<br />

Künftig agieren die Wachstumsbereiche<br />

des STEAG-Konzerns – zu denen<br />

auch der Bereich <strong>Nuclear</strong> Technologies<br />

gehört – gemeinsam und eigenständig<br />

unter dem Namen „Iqony“.<br />

Bei Iqony sind seit Jahresbeginn die<br />

Themen erneuerbare Energien, Wasser-<br />

stoff aktivitäten, Energielösungen zur<br />

Dekarbo nisierung von Industrie und<br />

Kommunen, klimaschonende Fernwärme<br />

ver sorgung, Energie spei cher für<br />

Strom und Wärme sowie die Aktivitäten<br />

im Bereich der Digitalisierung und der<br />

Kerntechnik zusammengefasst. Diese<br />

Bereiche werden nun unter neuem Namen<br />

mit bewährtem Engagement <strong>for</strong>tgesetzt.<br />

Die Aktivitäten der bisherigen<br />

STEAG Energy Services GmbH, künftig<br />

Iqony Solutions GmbH, mit dem Bereich<br />

<strong>Nuclear</strong> Technologies gehören ebenfalls<br />

dazu. Somit stehen die bekannten und<br />

verlässlichen Ansprechpartner auch unter<br />

neuem Namen weiterhin zur Verfügung.<br />

Das betrifft in Deutschland z. B.<br />

die Themen der sicheren Entsorgung<br />

und Abfallbehandlung sowie den Anlagenrückbau.<br />

<strong>International</strong> sind und bleiben<br />

wir bewährter Partner bei allen Fragen<br />

rund um kerntechnische Anlagen.<br />

Was sich (nicht) ändert<br />

Denn organisatorisch bleibt der Bereich<br />

<strong>Nuclear</strong> Technologies weitestgehend<br />

unverändert bestehen. Zur Anpassung<br />

an die neue Struktur des Mutterkonzerns<br />

wurde lediglich eine Namensänderung<br />

ohne Auswirkung auf Strukturen<br />

oder handeln de Personen vollzogen.<br />

Ebenso bleiben bestehende Verträge<br />

und Vereinbarungen von der Umfirmierung<br />

unberührt.<br />

Als Marke steht Iqony für individuelle,<br />

intelligente und qualitativ überzeugende,<br />

weil sichere Lösungen rund um alle<br />

Fragen in Sachen Energie. Iqony versteht<br />

sich als der verlässliche Partner in<br />

einer sich stetig wandelnden Welt; ein<br />

Selbstverständnis, das sich nicht geändert<br />

hat.<br />

Interview mit „Iqony“<br />

Managing Director<br />

Norbert Schröder<br />

plexer Abfallbehandlungsanlagen. Wir<br />

sind im besten Sinne des Wortes kerntechnische<br />

Allrounder.<br />

Was genau bieten Sie im<br />

Sagen Sie ein paar Worte zu Ihrem<br />

Unternehmen, der Iqony Solutions<br />

GmbH …<br />

Die Iqony Solutions GmbH ist eine<br />

Konzerngesellschaft der Iqony GmbH.<br />

Unter diesem Namen firmiert seit Jahresbeginn<br />

2023 das Wachstums- und<br />

Zukunftsgeschäft des STEAG-Konzerns.<br />

Hier sind die Bereiche erneuerbare<br />

Energien, Wasserstoffprojekte, Dekarbonisierungslösungen<br />

für Industrie und<br />

Kommunen,<br />

Energiedienstleistungen<br />

aller Art sowie IT-Lösungen rund um<br />

Energie zusammengefasst.<br />

Iqony Solutions entwickelt mit einer<br />

langjährig gewachsenen ingenieurfachlichen<br />

und energiewirtschaftlichen Expertise<br />

passgenaue Lösungen für unsere<br />

Kunden und Partner in allen Bereichen<br />

der Energie- und Kerntechnik. Dabei<br />

schauen wir stets darauf, was benötigt<br />

wird und wie die Gegebenheiten sind.<br />

Anhand dieser Parameter entwickeln<br />

wir individuelle Lösungen, die nicht nur<br />

die Kundenan<strong>for</strong>derungen erfüllen,<br />

sondern möglichst effizient und ressourcensparend<br />

und in der Kerntechnik natürlich<br />

auch sicher sind.<br />

Welche Rolle spielt innerhalb<br />

der Iqony Solutions der Bereich<br />

Nukleartechnik?<br />

Mit der Nukleartechnik verhält es<br />

sich bezogen auf ihr spezifisches Aufgabenfeld<br />

ähnlich wie mit dem Unternehmen<br />

und seinen gerade angerissenen<br />

Leistungen insgesamt: Aufgrund der<br />

Ausrichtung und der mehr als 50-jährigen<br />

Erfahrung insbesondere zur Infrastruktur<br />

von Lagerung und Abfallbehandlung<br />

sind wir Teil des Wachstumsgeschäfts.<br />

Wir verbinden dabei Kompetenz in<br />

Konzeption und Planung mit Erfahrungen<br />

bei Bau und Montage technischer<br />

Komponenten sowie Expertise beim<br />

Umgang mit der eingesetzten Technik.<br />

Das betrifft Monitoring- und Sicherheitstechnik<br />

ebenso wie Strahlenschutzmaßnahmen<br />

oder die Planung kom -<br />

Bereich der Nukleartechnik für<br />

Leistungen an?<br />

Da kann man die ganze Wertschöpfungskette<br />

entlanggehen: Angenommen<br />

Sie haben die Notwendigkeit eine<br />

Anlage zu errichten in der kerntechnisches<br />

Material behandelt wird, z. B. ein<br />

End- oder Zwischenlager: Iqony Solutions<br />

kann für Sie über alle Fachgewerke<br />

eine Anlage nach Ihren Bedürfnissen auf<br />

dem Reißbrett entwerfen und konkret<br />

planen. Das geht insbesondere so weit,<br />

dass wir unsere Kunden bei der Erstellung<br />

von Genehmigungsunterlagen<br />

unterstützen und in der Regel auch im<br />

Genehmigungsverfahren und bei der<br />

Realisierung begleiten.<br />

Die Planung selbst ist – wie man sich<br />

denken kann – hochkomplex: Wir kümmern<br />

uns um die Auslegung der Anlage<br />

gegen externe Einwirkungen wie Flugzeugabsturz<br />

oder auch natürliche<br />

Ursachen wie Erdbeben, müssen eine<br />

entsprechende Steuerungs- und Leittechnik<br />

vorsehen, planen den Strahlenschutz<br />

sowie Lüftungs- und Luftfiltertechnik<br />

der höchsten Sicherheitsstufe.<br />

Wir betreuen Inbetriebnahmeprozesse,<br />

Aus den Unternehmen


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

schulen Personal, erstellen Betriebshandbücher,<br />

analysieren und optimieren<br />

logistische Abläufe und Prozesse –<br />

kurz, wir kümmern uns um buchstäblich<br />

alles, was im Rahmen eines solchen<br />

Projekts bis hin zur schlüsselfertigen<br />

Übergabe an den Kunden anfällt.<br />

Dass wir hier mit unseren Leistungen<br />

geschätzt und gefragt sind, zeigt die Tatsache,<br />

dass wir national wie international<br />

bereits mehrfach als Generalplaner<br />

für Abfallbehandlungs- und Endlagerprojekte<br />

tätig waren und sind.<br />

Nicht minder anspruchsvoll sind Projekte<br />

zum Rückbau kerntechnischer<br />

Anlagen. Auch hier liefern wir alle notwendigen<br />

Leistungen aus einer Hand:<br />

Wir erarbeiten ein Konzept, organisieren<br />

den fachgerechten Rückbau und die<br />

sicherheitskon<strong>for</strong>me Konditionierung<br />

der zurückgebauten Materialien. Hier<br />

reichen die konkreten Erfahrungen vom<br />

Rückbau so genannter Heißer Zellen<br />

und Reaktorkomponenten bis hin zur<br />

Errichtung von Verglasungsanlagen für<br />

flüssige radioaktive Abfälle.<br />

Auch hier sind wir weltweit tätig und<br />

verfügen damit schließlich auch über<br />

eine entsprechende Expertise bei der<br />

Abwicklung solcher Projekte unter verschiedenen<br />

regulatorischen Rahmenbedingungen,<br />

sprich: Wir kennen auch die<br />

gesetzlichen Bestimmungen unterschiedlicher<br />

Länder, was den Umgang<br />

mit kerntechnischem Material betrifft.<br />

Das ist ein großer Wettbewerbsvorteil.<br />

VORANKÜNDIGUNG<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

liebe Mitglieder der Kerntechnischen Gesellschaft,<br />

bitte merken Sie sich den Termin für unsere diesjährige<br />

Mitgliederversammlung vor:<br />

KTG-Mitgliederversammlung 2023<br />

Zeit: Dienstag, 13. Juni 2023, von 17:00 Uhr bis 18:30 Uhr<br />

Ort: re:mynd Eventlocation,<br />

Hanauer Landstraße 154, 60314 Frankfurt am Main<br />

Der Veranstaltungsort befindet sich in der fußläufigen<br />

Nähe einiger Hotels, in denen unter dem Stichwort<br />

„KERNTec 2023“ Abrufkontingente für Sie als Selbstzahler<br />

zur Verfügung stehen:<br />

Moxy Frankfurt East (069 5977 2140)<br />

25h Hotel Frankfurt The Goldman (069 4058 6892 55)<br />

Motel One Frankfurt – East Side (069 1302 5780)<br />

Die konkrete Einladung gemäß Vereinsrecht inkl.<br />

Tagesordnung und weiterer Unterlagen versenden wir<br />

gesondert an alle Mitglieder.<br />

Der Zutritt zur KTG-Mitgliederversammlung ist nur<br />

KTG-Mitgliedern gestattet und ist für diese – einschließlich<br />

des anschließenden abendlichen traditionellen<br />

Get Together mit Vertretern des<br />

Branchenverbandes KernD e. V. –<br />

wie immer kostenfrei.<br />

Mit freundlichen Grüßen,<br />

Ihre KTG-Geschäftsstelle<br />

KTG-Mitgliederversammlung<br />

Juni 2023<br />

13<br />

KTG INSIDE 79<br />

Welche Perspektiven sehen Sie für<br />

dieses Geschäftsfeld?<br />

Sowohl beim Thema kerntechnische<br />

Anlagen wie auch bei Unterstützungsleistungen<br />

für den Rückbau gibt es in<br />

den kommenden Jahren relevante Bedarfe.<br />

Sei es, dass es um Planung, Bau<br />

und Betrieb von Zwischen- und Endlagern<br />

für radioaktive Elemente geht,<br />

oder die sich in einigen Ländern gerade<br />

auch in Europa abzeichnende Renaissance<br />

der Kernenergie im Angesicht der<br />

aktuellen Energiekrise – wir erwarten,<br />

dass unsere Leistungen gefragt bleiben.<br />

Hier spielt sicher eine Rolle, dass wir<br />

dank der Breite und Tiefe unseres Leistungsangebots<br />

über eine ausgezeichnete<br />

Marktposition verfügen.<br />

Erreichbarkeit und Ansprechpartner<br />

der KTG-Geschäftsstelle<br />

Postanschrift: Kerntechnische Gesellschaft e. V. (KTG),<br />

Berliner Straße 88A, 13467 Berlin<br />

Ansprechpartner betreffend Mitgliedschaft in der KTG:<br />

Frau Gabriele Wolf-Ganser,<br />

tgl. von 8–12 Uhr, Tel. +49 (0) 1578 30 25 156<br />

Ansprechpartner für alle sonstigen Anliegen:<br />

KTG-Geschäftsstelle Berlin,<br />

tgl. von 9-15 Uhr, Tel. +49 (0) 30 319 88 299<br />

Weiterhin sind wir auch jederzeit unter<br />

info@ktg.org für Sie da!<br />

www.ktg.org<br />

KTG Inside


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

KTG INSIDE 80<br />

Inside<br />

Die KTG gratuliert an dieser Stelle unseren besonderen Jubilaren ab und in ihren „ Neunzigern“.<br />

Wir danken für die lange und treue Mitgliedschaft in der KTG und wünschen noch viele glückliche Lebensjahre.<br />

Herzlichen Glückwunsch!<br />

Juni 2023<br />

92 Jahre | 1931 9. Dr. Klaus Penndorf, Geesthacht<br />

Juli 2023<br />

90 Jahre | 1933 12. Prof. Dr. Carsten Salander, Bad Sachsa<br />

91 Jahre | 1932 27. Dr. Rainer Schwarzwälder, Glattbach<br />

Die KTG gratuliert ihren Mitgliedern sehr herzlich zum Geburtstag und wünscht ihnen weiterhin alles Gute!<br />

Wenn Sie künftig eine<br />

Erwähnung Ihres<br />

Geburtstages in der <strong>atw</strong><br />

wünschen, teilen Sie dies<br />

bitte der KTG-<br />

Geschäftsstelle mit.<br />

KTG Inside<br />

Lektorat:<br />

Kerntechnische<br />

Gesellschaft e. V. (KTG)<br />

Berliner Straße 88A,<br />

13467 Berlin<br />

E-Mail: info@ktg.org<br />

www.ktg.org<br />

Juni 2023<br />

55 Jahre | 1965<br />

4. Dipl.-Phys. Jan-Christian Lewitz, Dresden<br />

55 Jahre | 1965<br />

16. Herbert Hockgeiger, Fuchsstadt<br />

75 Jahre | 1948<br />

20. Dr. Klaus Schippers, Mönchengladbach<br />

75 Jahre | 1945<br />

17. Prof. Dr. Rolf Ulrich Hauptmanns, Schönebeck<br />

(Elbe)<br />

76 Jahre | 1944<br />

24. Hans-Jürgen Schlesinger, Essen<br />

76 Jahre | 1944<br />

8. Jürgen Fabian, Büsingen am Hochrhein<br />

81 Jahre | 1942<br />

10. Ing. Wolfgang Feltes, Bergisch Gladbach<br />

82 Jahre | 1941<br />

15. Dr. Frank Depisch, Erlangen<br />

83 Jahre | 1940<br />

13. Dr. Heinz Hoffmann, Einhausen<br />

83 Jahre | 1940<br />

4. Dipl.-Phys. Hans-Peter Dyck, Forchheim<br />

84 Jahre | 1939<br />

6. Dr. Peter Drehmann, Kornwestheim<br />

84 Jahre | 1939<br />

2. Dr. Friedrich Bennewitz, Erlangen<br />

84 Jahre | 1939<br />

23. Dr. Rolf Krieg, Karlsruhe<br />

84 Jahre | 1939<br />

7. Dr. Peter Antony-Spies, Liederbach<br />

84 Jahre | 1939<br />

10. Dipl.-Ing. Reinhard Seepolt, Hamburg<br />

84 Jahre | 1939<br />

14. Dr. Gustav Meyer-Kretschmer, Jülich<br />

84 Jahre | 1936<br />

12. Dipl.-Ing. Heinz Malmström, Ahaus<br />

84 Jahre | 1936<br />

24. Dipl.-Ing. Christian-Theodor Körner,<br />

Breitenbronn<br />

84 Jahre | 1936<br />

30. Kai-Michael Pülschen, Erlangen<br />

85 Jahre | 1938<br />

25. Dipl.-Ing. Horst Roepenack, Bruchköbel<br />

86 Jahre | 1937<br />

10. Dipl.-Phys. Reinhard Wolf, Grosskrotzenburg<br />

88 Jahre | 1935<br />

17. Dipl.-Ing. Peter Gottlob, Eggenstein-Leopoldshafen<br />

88 Jahre | 1935<br />

8. Ing. Karl Rudolph, Wettingen<br />

88 Jahre | 1935<br />

8. Dr. Ing. Heinrich Löffler, Wennigsen<br />

89 Jahre | 1934<br />

15. Dr. Robert Hock, Dietzenbach<br />

Juli 2023<br />

65 Jahre | 1958<br />

27. Prof. Dr. Joachim Axmann, Braunschweig<br />

65 Jahre | 1958<br />

14. Jochen Rotzsche, Oldenburg<br />

73 Jahre | 1950<br />

4. Dr. Gerhard Eiselt, Groß-Umstadt<br />

73 Jahre | 1950<br />

1. Prof. Dr. Helmut Keutner, Oberkrämer OT<br />

Schwante<br />

73 Jahre | 1950<br />

19. Dipl.-Ing. Gerhard Hanetzog, Peine<br />

74 Jahre | 1949<br />

26. Kurt Wagner, Recklinghausen<br />

75 Jahre | 1948<br />

19. Dr. Wolfgang Boeßert, Pirna<br />

76 Jahre | 1947<br />

12. Dr. Karl-Wilhelm Zerreßen, Saarlouis-Picard<br />

77 Jahre | 1946<br />

3. Dr. Arthur Max, Gelnhausen-Hailer<br />

77 Jahre | 1946<br />

10. Dr. Hans-Joachim Ritzhaupt-Kleissl, Walldorf<br />

78 Jahre | 1945<br />

13. Prof. Dr. Eckhard Rückl, Bodenwerder<br />

78 Jahre | 1945<br />

15. Walter Burchhardt, Karlsruhe<br />

79 Jahre | 1944<br />

20. Günter Langer, Rosbach<br />

79 Jahre | 1944<br />

17. Dipl.-Ing. Jürgen Krellmann, Le Puy Ste.<br />

Réparade<br />

80 Jahre | 1943<br />

10. Dipl.-Ing. Dieter Eder, Alzenau<br />

83 Jahre | 1940<br />

31. Dr. Peter Schneider-Kühnle, Worms<br />

84 Jahre | 1939<br />

26. Dipl.-Ing. Ewald Passig, Bochum<br />

84 Jahre | 1939<br />

23. Heinz Stahlschmidt, Erlangen<br />

84 Jahre | 1939<br />

10. Dr. Bernhard Steinmetz, Bergisch Gladbach<br />

86 Jahre | 1937<br />

6. Dipl.-Ing. Paul Börner, Steinau-Uerzell<br />

87 Jahre | 1936<br />

1. Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Börner, Weisenheim<br />

89 Jahre | 1934<br />

14. Prof. Dr. Walter-H. Köhler, Wien<br />

KTG Inside


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

Nachruf<br />

Du warst unsere Mitte!<br />

Dr. Andreas Havenith<br />

14. Februar 2023<br />

KTG INSIDE 81<br />

Völlig unerwartet und plötzlich verstarb unser<br />

Geschäftsführer, Dr. Andreas Havenith, während<br />

seines Urlaubes am 14. Februar 2023 im frühen Alter<br />

von nur 40 Jahren.<br />

Als er sich von uns in den wohlverdienten Urlaub<br />

verabschiedete war er voller Pläne und Vorfreude<br />

für die Zukunft. Als Geschäftsführer der AiNT GmbH<br />

führte er das Unternehmen mit viel Engagement und<br />

Leidenschaft. Er verstand es zu motivieren und sein<br />

Team und die AiNT GmbH zum Erfolg zu leiten.<br />

Nach seinem Studium an der FH Aachen und seiner<br />

Diplomarbeit im Jahre 2006 war Andreas als Sachverständiger<br />

im Auftrag der Bundesgesellschaft für<br />

Endlagerung (früher BfS) bei der Produktkontrollstelle<br />

für radioaktive Abfälle (PKS) tätig. Von 2010<br />

bis 2016 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am<br />

Institut für Nukleare Entsorgung und Techniktransfer<br />

(NET) der RWTH Aachen beschäftigt. Seine wissenschaftlichen<br />

Arbeiten im Rahmen seiner Promotion<br />

wurden im Mai 2013 mit dem Karl-Wirtz-Preis für<br />

herausragende wissenschaftliche Leistungen ausgezeichnet.<br />

Er wirkte bei zahlreichen nationalen und internationalen<br />

Projekten mit und war mit seiner Expertise<br />

gefragter Dozent und Geschäftspartner.<br />

Seit Mai 2011 war Andreas Geschäftsführer der AiNT<br />

GmbH und Dozent für Unterrichtseinheiten im Ausund<br />

Fortbildungsangebot von AiNT und leitete die<br />

Forschungs- und Entwicklungsprojekte des Unternehmens.<br />

Für uns (sein Team) war er mehr als nur der Geschäftsführer,<br />

mehr als Kollege und Chef. Andreas war nicht<br />

nur der Kopf des Teams, er war bedeutender Teil<br />

davon. Gespräche auf Augenhöhe, nahbar, fair und<br />

empathisch. Das sind die Worte und Attribute, die<br />

uns in den Sinn kommen, wenn wir uns an unseren<br />

Andreas erinnern. Und so wird es immer sein. Er ist<br />

nicht mehr bei uns, aber immer noch ein Teil von uns<br />

(seines/dieses Teams).<br />

Sein Ziel war es ein Erfolgsteam zusammenzustellen,<br />

welches die AiNT GmbH in der kerntechnischen<br />

Branche etabliert. Nun ist es unser Ziel, als dieses<br />

Team, das Unternehmen in seinem Namen weiterzuführen.<br />

Ohne Andreas an unserer Seite wird es anders sein.<br />

Aber mit ihm, für immer in unserer Mitte, mit der Erinnerung<br />

an seine positive Art, seiner Zielstrebigkeit<br />

und seiner Energie ist es unser Bestreben, an seine<br />

Erfolge anzuknüpfen.<br />

Wir sagen Danke.<br />

Für die tröstenden Worte,<br />

gesprochen oder geschrieben,<br />

für einen Händedruck,<br />

wenn die Worte fehlten.<br />

Wir haben einen wunderbaren Ehemann,<br />

Partner und Geschäftsführer verloren,<br />

aber er lebt in unserer Erinnerung weiter.<br />

Seine Frau Andrea Havenith &<br />

das AiNT-Team<br />

KTG Inside


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

KTG INSIDE 82<br />

Nachruf<br />

Die KTG verabschiedet sich<br />

von Ihrem treuen Mitglied<br />

Prof. Dr. Ing. Helmut Karwat<br />

23. Oktober 1929 in München<br />

24. April 2022 in Pullach<br />

Nach seinem Studium des Maschinenbaus und<br />

der Verfahrenstechnik an der TU München war<br />

Helmut Karwat als wissenschaftlicher Assistent<br />

beschäftigt und promovierte 1958 auf dem<br />

Gebiet der Verfahrenstechnik.<br />

Nach seiner Promotion im Jahre 1958 war er<br />

zunächst als Sachverständiger für thermodynamische<br />

Fragen beim Technischen Überwachungsverein<br />

Bayern in der Abteilung Kernenergie<br />

und Strahlenschutz tätig, bevor er im<br />

Laboratorium für Reaktorregelung und Anlagensicherung<br />

in Garching/München als wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter arbeitete und 1971 im<br />

Fachgebiet „Kerntechnik“ habilitierte. Von 1971<br />

bis 1976 war er stellvertretender Leiter des<br />

Laboratoriums der TU München sowie Leiter<br />

der Abteilung „Ingenieurtechnik“.<br />

Seit 1964 unterhielt er eine Sachverständigentätigkeit<br />

bei den Technischen Überwachungsvereinen<br />

und bei der Europäischen Atomgemeinschaft<br />

in Brüssel (EURATOM) für sicherheitstechnische<br />

Sonderfragen in der Kerntechnik.<br />

Helmut Karwat war weiterhin Mitglied<br />

in verschiedenen den damaligen BMFT beratenden<br />

Sachverständigenkreisen, darunter<br />

hatte er den Vorsitz im Sachverständigenkreis<br />

„Blowdown und Containment“. Von 1974 bis<br />

1982 war er Mitglied in verschiedenen OECD-<br />

Arbeitsgruppen, darunter der adhoc „Arbeitsgruppe<br />

Notkühlung“ wo er auch den Vorsitz von<br />

1978 bis 1981 inne hatte. Später beriet er auch<br />

im Ausland verschiedene Sicherheitsbehörden<br />

im Sinne der Sicherheit von Kernanlagen.<br />

Im Ruhestand blieb Helmut Karwat weiterhin<br />

an seinem ehemaligen Arbeitsgebiet und an<br />

der technischen Entwicklung interessiert. Seine<br />

privaten Interessen galten jedoch seiner Familie<br />

(4 Kinder, 9 Enkel), dem Reisen, seinem Garten<br />

und dem Wintersport (Skifahren).<br />

Im Namen der Familie<br />

M. Karwat<br />

KTG Inside


SEMINARPROGRAMM 2023<br />

Atomrecht — Was Sie wissen müssen<br />

TERMIN 11. MAI 2023 PREIS 698,— €<br />

Referenten Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />

Akos Frank LL. M. (SULS Boston), Experte für Handelsrecht, Group Senior Legal Counsel, NKT A/S<br />

Dual-Use-Re<strong>for</strong>m und Exportkontrolle kerntechnischer Produkte und Dienstleistungen<br />

TERMIN 06. JUNI 2023 PREIS 498,— €<br />

Referent Kay Höft Rechtsanwalt, M. A. (BWL), Rechtsanwalt der Kanzlei für Außenwirtschaftsrecht, Hamburg<br />

Stilllegung und Rückbau in Recht und Praxis<br />

TERMIN 14. — 15. JUNI 2023 PREIS 1.698,— € ORT Filderstadt, Präsenzseminar<br />

Referenten Dr. Matthias Bauerfeind TÜV SÜD Energietechnik, Filderstadt | Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />

Atomrecht, insbesondere das Recht der radioaktiven Reststoffe und Abfälle<br />

TERMIN 20. JUNI 2023 PREIS 998,— €<br />

Referent Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />

Grundzüge des Strahlenschutzrechts<br />

TERMIN 22. JUNI 2023 PREIS 998,— €<br />

Referent Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />

Grundlagenschulung: Einführung in die Kern- und Entsorgungstechnik<br />

TERMIN 06. — 07. SEPTEMBER 2023 PREIS 1.398,— €<br />

Referent Christoph Leichmann ENGIE Deutschland, Niederlassung Dresden<br />

Kompaktkurs praktischer Rückbau: Vom Aktivitätsaufbau zur Dekontamination<br />

TERMIN 20. — 21. SEPTEMBER 2023 PREIS 1.400,— € ORT Berlin, Präsenzseminar<br />

Referent Dipl.-Ing. Frank Klein Freiberufl. und EU-zertifizierter Sachverständiger für Chemie und Radiochemie in Nuklear-Technik, Offingen/Donau<br />

Atomrecht — Ihr Weg durch Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren<br />

TERMIN 12. OKTOBER 2023 PREIS 898,— €<br />

Referent Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />

Das Strahlenschutzrecht und seine praktische Umsetzung<br />

TERMIN 07. — 08. NOVEMBER 2023 PREIS 1.698,— € ORT Filderstadt, Präsenzseminar<br />

Referenten Dr. Maria Poetsch TÜV SÜD Energietechnik, Filderstadt | Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />

Atomrecht — Ihr Weg durch Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren<br />

TERMIN 14. NOVEMBER 2023 PREIS 998,— € ORT Berlin, Präsenzseminar<br />

Referent Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />

Öffentliche Anhörungen erfolgreich meistern<br />

TERMIN nach Vereinbarung PREIS auf Anfrage ORT Inhouse-Seminar<br />

Referent Dr. Nikolai A. Behr DIKT Deutsches Institut für Kommunikations- und MedienTraining, München<br />

Alle Preise zzgl. gesetzl. USt.<br />

Für weitere In<strong>for</strong>mationen besuchen Sie unsere Website<br />

www.kernd.de/kernd/seminare<br />

Anfragen und Anmeldungen: seminare@kernd.de<br />

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Unsere Fortbildungen sind zum<br />

größten Teil auch als Inhouse-<br />

Online-Workshop und In-House-<br />

Präsenz-Seminar buchbar.<br />

Preise und Termine auf Anfrage.<br />

Änderungen und Irrtümer vorbehalten. Stand: Mai 2023

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