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Leseprobe_Callas

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Vorwort<br />

war dann eine Aufnahme von Verdis Aida mit Mario Del Monaco und wiederum<br />

Renata Tebaldi. Und ich bemerkte begeistert, dass der Dirigent dieser<br />

Einspielung, Alberto Erede, in der Düsseldorfer Oper leibhaftig zu erleben war.<br />

Ich hatte Blut geleckt, und so stand ich dann an den Sonntagen um 8 Uhr vor<br />

der Kasse der Düsseldorfer Oper in der Schlange, um bei Kassenöffnung um 10<br />

Uhr zu denen zu gehören, die die billigsten Karten im dritten Rang zu 2,30<br />

Mark ergattern konnten. Ein- bis zweimal die Woche hörte und sah ich alles,<br />

was das Opernhaus anbot.<br />

Im Folgejahr passierte dann etwas Entscheidendes. Ich hörte – und kaufte –<br />

die Aufnahme der Donizetti-Oper Lucia di Lammermoor mit Maria <strong>Callas</strong>. Ihre<br />

Stimme jagte mir einen Schauer nach dem anderen über den Rücken – das hat<br />

sich bis heute nicht geändert. Ich hörte die Aufnahme fast täglich, und bei einer<br />

Fahrradtour mit den Eltern die Mosel entlang hatte ich einen kleinen Kassettenrecorder<br />

dabei, auf dem ich mir die Oper am Abend nochmal anhören konnte.<br />

Die Stimme von Maria <strong>Callas</strong> begeisterte mich so sehr, dass ich beschloss, alle<br />

Aufnahmen von ihr anzuhören, derer ich habhaft werden konnte. Es traf sich<br />

gut, dass bei Radio Sülz mehrere schallgeschützte Kabinen zur Verfügung standen,<br />

in denen ich Stunden verbrachte, um mir Maria <strong>Callas</strong> anzuhören – dank<br />

der Nachsichtigkeit der Verkäuferinnen, die den jungen Fan gewähren ließen.<br />

Ja, eine von ihnen – sie war eine glühende Mozart-Verehrerin, ungemein sachkundig<br />

und einfühlsam, ich verließ mich fast blind auf ihre Ratschläge – gab<br />

mir manchmal, wenn es bei Sülz zu voll war und man „meine“ Kabine benötigte,<br />

die Platten leihweise mit nach Hause, am nächsten Tag musste ich sie dann<br />

schweren Herzens wieder zurückbringen. Heute wäre das sicher unvorstellbar,<br />

aber so bindet man Kunden.<br />

Es war die Zeit, in der der gute alte deutsche Schlager von der aufkommenden<br />

Welle wilder Musik aus England weggefegt wurde, Beatles und Rolling Stones<br />

atomisierten die bisherigen Grenzen der Unterhaltungsmusik. Als „Opernliebhaber“<br />

wurde ich in meiner Klasse einerseits als ewig Gestriger ein wenig<br />

belächelt, andererseits hatten meine Klassenkameraden wohl das Gefühl, dass<br />

etwas dran sein musste, wenn einer mit solcher Beharrlichkeit unbeirrt an<br />

seinem Freizeitvergnügen festhielt. Durch meine Begeisterung kamen einige<br />

Zweifler auf den Geschmack, und ich habe den einen oder anderen für die Oper,<br />

vielleicht auch für die Klassische Musik überhaupt, gewinnen können. Da ich<br />

aber in der Klasse der einzige war, der regelmäßig ins Theater ging, neben der<br />

Oper auch in das damals hochgelobte Düsseldorfer Schauspielhaus, und der die<br />

altgriechischen und lateinischen Gedichte, die wir lernen mussten, mit ihren<br />

wechselnden Versmaßen mit traumwandlerischer Sicherheit rezitieren konnte<br />

– Oper ist dafür eine unschätzbare Schulung –, ergab es sich ganz von selbst,<br />

dass ich für die im Abiturvorjahr geplante Schüleraufführung von Molières Die<br />

Schelmenstreiche des Scapin als Regisseur auserkoren wurde. So lernte ich langsam<br />

die Rahmenbedingungen und Usancen des Theaterbetriebs kennen.<br />

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