RhPfalz_Mai_2023
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Freizeit<br />
Zeitung <strong>Mai</strong> <strong>2023</strong><br />
23<br />
O du schöner <strong>Mai</strong>baum!<br />
Das Aufstellen des Schmuckstücks am 1. <strong>Mai</strong> hat vor allem in Bayern Tradition – VdK-Mitglieder feiern in der Dorfgemeinschaft<br />
Viele Orte in Bayern haben einen<br />
<strong>Mai</strong>baum. Er symbolisiert den Frühling,<br />
Lebensfreude und Wachstum.<br />
Das Aufstellen am 1. <strong>Mai</strong> hat Tradition<br />
und soll sogar ein alter germanischer<br />
Brauch sein. Fest steht jedenfalls:<br />
Mit Musik und Tanz geht<br />
es zünftig zu. Die Vereine haben<br />
großen Anteil an dem Fest, und<br />
auch einige VdK- Ortsverbände<br />
feiern mit ihren Mitgliedern fröhlich<br />
in der Dorfgemeinschaft mit.<br />
Außerhalb Bayerns wird dieses<br />
Brauchtum vielerorts ebenfalls<br />
gepflegt. Vor allem in Baden-Württemberg<br />
und in der Pfalz ist das<br />
Ritual noch tief verankert. Doch<br />
auch im Rheinland, Saarland,<br />
Emsland, Ostfriesland, in Nordrhein-Westfalen<br />
und in Teilen<br />
Sachsens, Sachsen-Anhalts, Thüringens<br />
und der Lausitz findet man<br />
die festlich geschmückte Pracht.<br />
Bänder und Tafeln<br />
Heute sieht ein <strong>Mai</strong>baum meistens<br />
so aus: ein hoher Stamm mit<br />
grüner Spitze, Kränzen, Bändern,<br />
Tafeln – und in Bayern meistens<br />
weiß-blau angestrichen. Die Bäume<br />
sind etwa 30 Meter lang und<br />
werden in manchen Gemeinden<br />
immer noch mit Muskelkraft in die<br />
Höhe gehievt. Vielerorts wird aber<br />
schon mit einem Kran nachgeholfen.<br />
Für die Feierlichkeiten wird<br />
der Baum entweder jedes Jahr neu<br />
gefällt, oder über mehrere Jahre<br />
verwendet und immer wieder aufgehübscht.<br />
Das ist je nach Region<br />
unterschiedlich. Auch sieht ein<br />
<strong>Mai</strong>baum in jedem Ort etwas anders<br />
aus. Da sind die Dorf- oder<br />
Stadtbewohner sehr kreativ. Mit<br />
dem Aufstellen des <strong>Mai</strong>baums ist<br />
oft ein Fest verbunden. Besonders<br />
in Bayern und Baden-Württemberg<br />
wird der Baumstamm feierlich auf<br />
dem Dorfplatz aufgerichtet.<br />
Gabriele Pauler, Vorsitzende des<br />
VdK-Ortsverbands Zorneding-<br />
Pöring bei München, fiebert dem<br />
1. <strong>Mai</strong> jedenfalls schon entgegen.<br />
Seit 1973 wird in Pöring im Fünf-<br />
Jahres- Rhythmus ein <strong>Mai</strong>baum<br />
aufgestellt. Heuer ist es wieder so<br />
weit. „Mit Manneskraft“, wie Pauler<br />
betont. Der <strong>Mai</strong>baum wird<br />
immer am 1. April aus seinem Lager<br />
im Wald abgeholt und dann bis<br />
zum 1. <strong>Mai</strong> in einem festen Unterstand<br />
geschliffen, bemalt, verziert<br />
und dabei 24 Stunden täglich bewacht,<br />
damit er nicht gestohlen<br />
wird – auch das ist Brauch. Der<br />
VdK Zorneding-Pöring übernimmt<br />
dabei einen Teil der <strong>Mai</strong>baumwache.<br />
Eine Schicht läuft immer<br />
sechs Stunden, was im Übrigen<br />
auch für alle anderen Vereine im<br />
Ort, wie Feuerwehr und Burschenverein,<br />
eine Ehre und Selbstverständlichkeit<br />
ist. „Die Wache wird<br />
bei uns immer mit einem geselligen<br />
Beisammensein mit Kaffee und<br />
Kuchen verbunden“, sagt Pauler.<br />
Der VdK-Ortsverband Vilsheim<br />
in Niederbayern ist ebenfalls voller<br />
In Bayern hat fast jedes Dorf einen <strong>Mai</strong>baum. Dieser im Berchtesgadener<br />
Land ist besonders prächtig und ragt hoch in den Himmel.<br />
Foto: picture alliance/SZ Photo/RoHa-Fotothek Fürmann<br />
Vorfreude. Trachtenverein, VdK<br />
und alle anderen Ortsvereine richten<br />
dort im Zwei-Jahres- Turnus<br />
das Aufstellen des <strong>Mai</strong> baums aus.<br />
„Bei uns ist jeder fast in jedem<br />
Verein Mitglied“, weiß Helene<br />
Grichtmaier, Vorsitzende des Ortsverbands<br />
und stellvertretende<br />
Kreisvorsitzende beim VdK Landshut.<br />
So ist der Initiator Johann<br />
Voitenleitner Vorsitzender beim<br />
Trachtenverein und ebenfalls<br />
VdK-Mitglied. Heuer soll auch eine<br />
Tafel vom VdK am Baum angebracht<br />
werden.<br />
Der VdK-Ortsverband Windischeschenbach<br />
bei Weiden beteiligt<br />
sich seit Jahren mit der Arbeiterwohlfahrt<br />
(AWO) am <strong>Mai</strong>baumaufstellen.<br />
Für den Ortsverband<br />
um Ortsvorsitzende Angela Erfurt<br />
ist das immer ein schönes und aufregendes<br />
Ereignis.<br />
„Tanz in den <strong>Mai</strong>“<br />
Beim VdK-Ortsverband Zwiesel<br />
im Arberland findet wie bei vielen<br />
anderen VdK-Ortsverbänden in<br />
ganz Deutschland ein „Tanz in den<br />
<strong>Mai</strong>“ statt. „Der Termin wird schon<br />
bei der Weihnachtsfeier bekanntgegeben,<br />
nach einem passenden<br />
Lokal gesucht und die Musik bestellt“,<br />
sagt stellvertretender Ortsvorsitzender<br />
Walter Gruber. Meistens<br />
werden Fahrgemeinschaften<br />
gebildet oder ein Bus eingesetzt.<br />
Die Tanzfläche ist dann immer<br />
proppenvoll. Petra J. Huschke<br />
Tasten, hören und fühlen<br />
Städteführung mit Blindenstock und Augenbinde vermittelt neue Eindrücke<br />
Loreley blickt ins Tal<br />
Neue Bronzeskulptur ziert den berühmten Felsen<br />
Führungen für blinde und sehbehinderte<br />
Menschen gibt es viele.<br />
Doch wie wäre es mal andersherum?<br />
In mehreren Städten können<br />
Sehende für ein paar Stunden<br />
die Perspektive wechseln. Mit<br />
Blindenstock sowie Augenbinde<br />
oder Simulationsbrille erleben sie<br />
die Stadt aus der Perspektive von<br />
Menschen mit Sehbehinderung.<br />
Seit 2016 bietet Christian Ohrens<br />
solche Führungen durch<br />
Hamburg an. „Die Idee dazu hatte<br />
ich, als ich als Student in der Ausstellung<br />
,Dialog im Dunkeln‘<br />
gearbeitet habe“, erzählt er. Die<br />
Guides, die selbst eine Sehbehinderung<br />
haben, führen die Besucherinnen<br />
und Besucher durch völlig<br />
abgedunkelte Räume. Mit Gerüchen,<br />
Wind, Temperaturen, Geräuschen<br />
und Texturen werden Alltagssituationen,<br />
Parks, ein Café<br />
oder eine Stadt simuliert. „Viele<br />
haben gefragt, ob man so etwas<br />
auch draußen machen könnte, und<br />
ich habe mir gedacht: Warum eigentlich<br />
nicht?“<br />
Ohrens bietet auf seiner Webseite<br />
https://blind-durch-hamburg.<br />
de Führungen ab einer Person an.<br />
Erkundet werden beispielsweise<br />
die Hamburger Innenstadt, die<br />
Kirmes, die Reeperbahn oder auf<br />
Wunsch bestimmte Stadtviertel.<br />
Auch ein Einkaufsbummel oder<br />
andere Touren sind möglich. Die<br />
Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />
tragen eine Augenbinde und bekommen<br />
zur Orientierung einen<br />
Blindenstock. Untergehakt bei<br />
Beim Blindwalk, wie hier in Köln, müssen sich die Teilnehmerinnen und<br />
Teilnehmer auf ihr Gehör, ihren Geruchs- und ihren Tastsinn verlassen.<br />
ihrem Guide, erleben sie zwei<br />
Stunden lang die Hansestadt mit<br />
all ihren Hindernissen, Gerüchen<br />
und Geräuschen.<br />
„Ich will die Welt von Menschen<br />
mit Sehbehinderung nicht mit erhobenem<br />
Zeigefinger vermitteln,<br />
sondern so, dass die Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer am Ende zu<br />
der Erkenntnis kommen, dass<br />
blind zu sein nicht schlimm ist,<br />
sondern einfach nur anders“, erklärt<br />
Ohrens. Abgebrochen haben<br />
die Tour bisher nur wenige. Die<br />
Führungen sind so erfolgreich,<br />
dass sie mittlerweile auch von den<br />
Jochen Schweitzer Erlebnisbetrieben<br />
angeboten werden.<br />
Auch in anderen Städten gibt es<br />
ähnliche Rundgänge. In Köln etwa<br />
tragen die Teilnehmenden Ohrenstöpsel<br />
und sind über ein Mikrofon<br />
mit ihrem Guide verbunden. Um<br />
sicher vom Museum Ludwig bis<br />
zur Domplatte und zur Hohenzollernbrücke<br />
zu kommen, halten sie<br />
sich an den Rucksack- Schlaufen<br />
der Vorderfrau oder des Vordermanns<br />
fest. Sogenannte Blindwalks<br />
werden unter anderem auch<br />
in Berlin, Frankfurt am <strong>Mai</strong>n,<br />
München, Trier, Lüneburg und<br />
Fulda angeboten.<br />
Eine Stadt mit Tasten, Hören<br />
und Fühlen zu erkunden, bietet<br />
sich nicht nur auf Reisen an. Führungen<br />
mit verbundenen Augen<br />
lassen auch die vertraute Umgebung<br />
völlig anders erscheinen. Und<br />
nicht zuletzt können solche Rundgänge<br />
dazu beitragen, mehr Verständnis<br />
für die Situation von<br />
Menschen mit Sehbehinderung zu<br />
entwickeln. Annette Liebmann<br />
Foto: Imago/Thilo Schmülgen<br />
Wegen seiner engen Kurven und<br />
dem felsigen Grund ist der Rhein<br />
bei St. Goarshausen unter Binnenschiffern<br />
gefürchtet. Der Sage<br />
nach sitzt hoch oben auf einem<br />
Felsen die Loreley, die alle Vorbeifahrenden<br />
mit ihrem lieblichen<br />
Gesang betört. Auf dem Felsplateau<br />
wurde nun eine neue Statue<br />
enthüllt.<br />
Die 2,20 Meter hohe Bronzestatue<br />
wurde von der Berliner Künstlerin<br />
Valerie Otte geschaffen. Ihre<br />
Loreley sitzt auf einem Felsen, mit<br />
dem sie geradezu verschmilzt. Auf<br />
der Rückseite der Figur münden<br />
die langen Haare in einen Fluss, in<br />
dessen Wellen Boote zu kentern<br />
scheinen.<br />
Schon seit vielen Jahrhunderten<br />
ranken sich zahlreiche Mythen um<br />
den 132 Meter hohen Felsen, der<br />
ebenso wie die Frauenfigur den<br />
Namen „Loreley“ trägt. Das liegt<br />
auch daran, dass es dort früher ein<br />
starkes Echo gab, für das man keine<br />
Erklärung fand. Unter anderem<br />
vermutete man, dass Waldgeister<br />
oder Zwerge dafür verantwortlich<br />
waren. Heute ist das Echo verschwunden,<br />
weil die im 20. Jahrhundert<br />
gebauten Tunnel und<br />
Straßen die Schallwellen abfangen.<br />
Erstmals als geheimnisvolle<br />
schöne Frau tauchte die Loreley im<br />
frühen 19. Jahrhundert in einer<br />
Ballade des Dichters Clemens<br />
Brentano auf. Die Zauberin war<br />
von ihrem Liebhaber betrogen<br />
worden und sollte in ein Kloster<br />
geschickt werden. Auf dem Weg<br />
dorthin stieg sie noch einmal auf<br />
den Felsen, um den Rhein zu sehen.<br />
Im Wasser glaubte sie, ihren<br />
Liebhaber zu erkennen, und stürzte<br />
sich in die Fluten des Flusses.<br />
Noch bekannter ist das Gedicht<br />
von Heinrich Heine aus dem Jahr<br />
1823, das von Friedrich Silcher<br />
vertont wurde. Es beginnt mit den<br />
Worten „Ich weiß nicht, was soll<br />
es bedeuten, dass ich so traurig<br />
bin“ und beschreibt die Loreley als<br />
verführerische Jungfrau mit langem<br />
güldenem Haar, die die Schiffer<br />
mit ihrem wunderschönen<br />
Gesang vom Kurs abbringt.<br />
Die Sage von der Loreley beschäftigt<br />
viele Künstler bis heute.<br />
Unter anderem wurde sie von der<br />
Folk-Punk-Gruppe „The Pogues“<br />
und den Rockbands „Styx“ und<br />
„Wishbone Ash“ besungen. ali<br />
Die Loreley-Statue von Valerie Otte.<br />
Foto: Armin Schaust