RhPfalz_Mai_2023
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Freizeit<br />
Zeitung <strong>Mai</strong> <strong>2023</strong><br />
21<br />
In der Natur den Alltag vergessen<br />
Rund 40 Millionen Menschen gehen in Deutschland regelmäßig wandern – Kurzzeitiger Boom während der Pandemie<br />
Als während der Corona-Pandemie<br />
Freizeiteinrichtungen und Sportstätten<br />
schließen mussten, zog es<br />
viele Menschen in die Natur. Das<br />
Wandern wurde zum Volkssport.<br />
Auch wenn sich der Boom mittlerweile<br />
insgesamt etwas abgeflacht<br />
hat, machen sich die Menschen<br />
häufiger als vor der Pandemie auf<br />
den Weg, um Abstand von ihrem<br />
Alltag zu gewinnen.<br />
Nach Angaben des Statistik-Portals<br />
Statista gehen in Deutschland<br />
gut 40 Millionen Menschen ab<br />
14 Jahre in ihrer Freizeit häufig<br />
oder ab und zu wandern. Während<br />
der Corona-Pandemie mischten<br />
sich mehr jüngere Menschen und<br />
Familien unters Wandervolk.<br />
Die Frequentierung der Wanderwege<br />
nahm sowohl im als auch<br />
nach dem Lockdown 2020 im Vergleich<br />
zu 2019 deutlich zu, so eine<br />
Umfrage aus dem Herbst 2020 des<br />
Deutschen Wanderverbandes unter<br />
300 Tourismusexperten. Als<br />
viele Freizeitaktivitäten während<br />
des Lockdowns nicht mehr möglich<br />
waren, fühlten sich die Menschen<br />
draußen sicherer, denn dort<br />
Abstand zu halten, war unproblematisch.<br />
Einige Neukunden<br />
Eine Wanderung durch den Wald ist ein Naturerlebnis. Foto: picture alliance/Monkey Business 2<br />
Der Wander-Boom hat sich danach<br />
aber abgeschwächt. Auch<br />
wenn 2021 noch mehr als im<br />
Vor-Corona-Jahr 2019 wanderten,<br />
waren es schon weniger als im Jahr<br />
2020, erklärt Heinz-Dieter Quack.<br />
Er ist Professor für Betriebswirtschaftslehre<br />
an der Hochschule<br />
Ostfalia im niedersächsischen<br />
Salzgitter und beschäftigt sich mit<br />
der Vermarktung von Urlaubszielen.<br />
Dabei haben es ihm die deutschen<br />
Wandergebiete besonders<br />
angetan. „Die Pandemie hat uns<br />
aus betriebswirtschaftlicher Sicht<br />
Neukunden beschert, aber nur einige<br />
davon sind geblieben“, bilanziert<br />
er.<br />
Quack und sein Team befragen<br />
jährlich im Rahmen eines Wandermonitors<br />
1000 bis 1400 Wanderinnen<br />
und Wanderer unter anderem<br />
nach ihren Präferenzen, der Wanderhäufigkeit<br />
und ihren Motiven.<br />
Die Ergebnisse des Wandermonitors<br />
werden jährlich veröffentlicht.<br />
In den vergangenen Jahren nannten<br />
die Befragten am häufigsten<br />
Motive wie „Natur erleben“, „aktiv<br />
sein“ oder „etwas für die Gesundheit<br />
tun“. Zum ersten Mal in die<br />
Top 5 schaffte es 2022 das Motiv,<br />
den Alltag zu vergessen. Das sei<br />
auch eine Folge des durch die Pandemie<br />
weit verbreiteten mobilen<br />
Arbeitens. Viele seien davon genervt,<br />
sagt Quack. „Für sie ist das<br />
Wandern eine Erholung, vor allem,<br />
weil es eine bewusst analoge Tätigkeit<br />
ist.“ Auch wenn praktische<br />
Wander-Apps wie Komoot oder<br />
Outdooractive immer beliebter<br />
werden, genießen gerade jüngere<br />
Menschen es, wenn sie auf dem<br />
Berg oder im Wald einmal nicht<br />
erreichbar sind und der Blick in die<br />
Ferne schweifen kann, statt nur bis<br />
zum Monitor. Ein Drittel der Menschen,<br />
die schon vor der Pandemie<br />
gewandert sind, gaben an, seit der<br />
Pandemie häufiger zu wandern.<br />
Verbunden mit der Natur<br />
Bei den Älteren ist der Wunsch,<br />
den Alltag hinter sich zu lassen,<br />
weniger stark ausgeprägt als bei<br />
den Jüngeren. Ältere schätzen vor<br />
allem das Naturerlebnis und die<br />
gesundheitlichen Aspekte des<br />
Wanderns. Auch wenn sich während<br />
der Pandemie das Durchschnittsalter<br />
der Wandernden<br />
kurzfristig verjüngt hatte, ist mit<br />
8,4 Millionen Menschen die Mehrheit<br />
der Wanderinnen und Wanderer<br />
im Alter zwischen 50 und Ende<br />
60. Das geht aus Daten von Statista<br />
aus dem vergangenen Jahr hervor.<br />
Sieben Millionen Menschen<br />
waren zwischen 60 und 69 Jahre<br />
und rund 6,1 Millionen waren 70<br />
Jahre und älter.<br />
Die große Beliebtheit des Wanderns<br />
führt Quack unter anderem<br />
auf zwei Punkte zurück: „Zum<br />
Wandern ist keine große Vorbereitung<br />
und kein besonderes Equipment<br />
notwendig. Und: Mit einer<br />
moderaten körperlichen Anspannung<br />
geht beim Wandern eine relativ<br />
große Entspannung einher.<br />
Die Monotonie der Tätigkeit, zwei,<br />
drei Stunden laufen, kann mental<br />
sehr entspannend sein.“<br />
Während bei vielen Wandergruppen<br />
die Geselligkeit im Vordergrund<br />
steht, umfasst die durchschnittliche<br />
Wandergruppe zwei<br />
Personen. „Rund 25 bis 30 Prozent<br />
der Befragten haben sogar angegeben,<br />
dass sie bewusst allein wandern“,<br />
sagt Quack. Am häufigsten<br />
waren die Befragten laut Wandermonitor<br />
in den Mittelgebirgen<br />
unterwegs. „Als Traumziel geben<br />
viele jedoch die Alpen an. Aber<br />
zum Wandern trauen sich viele die<br />
anspruchsvollen Wanderwege<br />
nicht mehr zu. Ein gutes Drittel der<br />
Befragten gab an, dass sie gern im<br />
Flachland wandern.“<br />
Gute Infrastruktur<br />
Ein besonderes Lob zollt Quack<br />
den vielen Ehrenamtlichen in den<br />
Wandervereinen, die für die Beschilderung<br />
und die Pflege der<br />
Wanderwege zuständig sind. „Die<br />
große Frage ist, wer wird das künftig<br />
machen?“ Viele Jüngere seien<br />
aus Zeitgründen nicht bereit, ein<br />
Ehrenamt dauerhaft zu übernehmen,<br />
sondern ließen sich für flexiblere<br />
Mitarbeit, etwa an einem<br />
Projekt für einen bestimmten<br />
Zeitraum, besser gewinnen.<br />
Vereine nehmen inzwischen alte<br />
Wanderwege aus der Pflege. „Um<br />
gute Wanderwege anzubieten und<br />
die Arbeit zu reduzieren, gehen<br />
mittlerweile Vereine dazu über,<br />
zwei alte Wege aus der Vermarktung<br />
zu streichen, wenn sie einen<br />
neuen schaffen“, sagt Quack. Das<br />
tue der Infrastruktur der Wanderwege<br />
in Deutschland gut. Auch die<br />
Einführung des Deutschen Wandersiegels<br />
für Premiumwege habe<br />
die Qualität verbessert.<br />
Jörg Ciszewski<br />
Professor Heinz-Dieter Quack<br />
Foto: Roman Brödel<br />
Viele Veranstaltungen<br />
am Tag des Wanderns<br />
Mit Hunderten von Veranstaltungen<br />
im ganzen Land feiert der<br />
Deutsche Wanderverband (DWV)<br />
in diesem Jahr am 14. <strong>Mai</strong> wieder<br />
den Tag des Wanderns – und seinen<br />
140. Geburtstag.<br />
Anlässlich seines runden Geburtstags<br />
kehrt der Deutsche Wanderverband<br />
(DWV) für seine Zentralveranstaltung<br />
am Tag des<br />
Wanderns an den Ort zurück, an<br />
dem die Vereinigung im Jahr 1883<br />
gegründet wurde: nach Fulda.<br />
Darüber hinaus werden von den<br />
mehr als 3000 DWV-Gruppen vor<br />
Ort mit rund 50000 Mitgliedern<br />
Veranstaltungen und Wanderungen<br />
organisiert, an denen Interessierte<br />
teilnehmen können. Auch<br />
Umwelt-, Tourismus- und andere<br />
Organisationen sowie Natur- und<br />
Nationalparks und ganze Regionen<br />
laden zu Angeboten rund um<br />
das Wandern ein, teilt der Wanderverband<br />
mit.<br />
Welche Veranstaltungen am<br />
14. <strong>Mai</strong> wo angeboten werden,<br />
sehen Sie auf einer Karte auf der<br />
Webseite des DWV.<br />
cis<br />
www.tag-des-wanderns.de<br />
Krankenkassen belohnen Wanderer<br />
Gesundheitswandern wird bezuschusst – Bonuspunkte für Deutsches Wanderabzeichen<br />
Wandern ist gesund. Das wissen<br />
die gesetzlichen Krankenkassen,<br />
die ihre Versicherten mittlerweile<br />
mit Zuschüssen und Bonuspunkten<br />
belohnen, wenn diese die Wanderstiefel<br />
schnüren.<br />
Der Deutsche Wanderverband<br />
(DWV) hat das Konzept des Gesundheitswanderns<br />
entwickelt.<br />
Dabei werden in eine Wanderung<br />
gezielte einfache Übungen für<br />
Kraft, Beweglichkeit und Gleichgewicht<br />
eingebaut. Eine Studie der<br />
SRH-Hochschule (Stiftung Rehabilitation<br />
Heidelberg) für Gesundheit<br />
in Karlsruhe belegt, dass sich<br />
die Teilnahme am DWV-Gesundheitswandern<br />
positiv auf Herz,<br />
Kreislauf, Ausdauer und Muskulatur<br />
auswirken.<br />
Doch nicht jeder, dem es guttun<br />
würde, wandert auch. Um gezielt<br />
ältere Menschen und Bewegungseinsteiger<br />
dafür zu begeistern, hat<br />
der DWV das Gesundheitswandern<br />
konzipiert. Der Verband hat<br />
bereits rund 1000 Wanderführerinnen<br />
und -führer ausgebildet, die<br />
bundesweit diesen Kurs anbieten.<br />
Wandern hält fit und macht Spaß.<br />
Foto: picture alliance/Zoonar/Robert Kneschke<br />
Das DWV-Gesundheitswandern<br />
ist von der Zentralen Prüfstelle<br />
Prävention (ZPP) und damit von<br />
den gesetzlichen Krankenversicherungen<br />
als Prävention anerkannt.<br />
Das bedeutet, dass Kursteilnehmerinnen<br />
und -teilnehmer einen<br />
bestimmten Anteil der Kursgebühren<br />
bis maximal 80 Prozent von<br />
ihrer Kasse zurückerstattet bekommen<br />
können. Es kann sich<br />
also lohnen, bei der eigenen Krankenkasse<br />
nachzufragen.<br />
Der DWV hat sein Konzept des<br />
Wanderns mit gezielten physiotherapeutischen<br />
Übungen für das<br />
Flachland und die Mittelgebirge<br />
zusammen mit der Universität Osnabrück<br />
ausgearbeitet. Vielen<br />
Teilnehmerinnen und Teilnehmern<br />
fielen Steigungen anfangs oft<br />
schwer, berichtet Christine Merkel,<br />
die beim Deutschen Wanderverband<br />
Referentin für Wandern<br />
und Gesundheit ist. Aber bereits<br />
nach einigen Wochen könnten sie<br />
die Anstiege schon deutlich besser<br />
bewältigen.<br />
Eine weitere Möglichkeit ist, an<br />
offiziellen Wanderungen der Wandervereine<br />
teilzunehmen und sich<br />
im Anschluss die Länge der zurückgelegten<br />
Strecke für das Deutsche<br />
Wanderabzeichen bescheinigen<br />
zu lassen. Wenn am Ende des<br />
Kalenderjahres mindestens 200<br />
Kilometer erreicht wurden, winken<br />
nicht nur eine Wander-Urkunde,<br />
sondern auch Punkte für die<br />
Bonusprogramme der gesetzlichen<br />
Krankenkassen.<br />
Weitere Informationen zum<br />
DWV-Gesundheitswandern veröffentlicht<br />
der Verband auf seiner<br />
Webseite. Dort finden Sie auf einer<br />
Karte die Standorte, an denen das<br />
DWV-Gesundheitswandern angeboten<br />
wird. Jörg Ciszewski<br />
www.wanderverband.de/<br />
wandern/gesundheitswandern