RhPfalz_Mai_2023
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10 Zeitung <strong>Mai</strong> <strong>2023</strong> Generationen<br />
Ankerplätze für die Seele<br />
Warum Mehrgenerationen-Spielplätze für alle ein Gewinn sind<br />
Das Leben bereichert<br />
VdK-Mitglieder berichten über ihr FSJ<br />
Peter Hohenauer liegen naturnahe<br />
Spiel- und Freiräume am Herzen.<br />
Der Spielplatzplaner hat schon<br />
zahlreiche Ideen umgesetzt, die<br />
meisten davon im Auftrag der<br />
Stadt München. Der Freiberufler ist<br />
aber auch über die Grenzen Bayerns<br />
hinaus aktiv. Zudem berät und<br />
begleitet er Projekte in europäischen<br />
Nachbarländern. Er betont,<br />
wie wichtig es ist, Freizeitangebote<br />
zu schaffen, die für alle Bürgerinnen<br />
und Bürger attraktiv sind.<br />
„Der schönste Spielplatz überhaupt<br />
ist die Natur“, sagt Peter<br />
Hohenauer. Doch vor allem Menschen<br />
in Großstädten sind in ihrer<br />
Freizeit auf urbane Umgebungen<br />
beschränkt. Umso wichtiger ist<br />
dem Experten, dort naturnahe<br />
Spielräume zu schaffen. Sein Ansatz<br />
ist zudem inklusiv. Ob Kinder<br />
und Jugendliche, ältere Menschen,<br />
Menschen mit Behinderung oder<br />
Einschränkungen: Der Treffpunkt<br />
sollte so geschaffen sein, dass sich<br />
alle willkommen fühlen.<br />
„Ein Spielplatz im öffentlichen<br />
Raum ist gesellschaftlich relevant.<br />
Daher ist eine sorgfältige Planung<br />
erforderlich, damit er für alle funktioniert“,<br />
so der Spezialist, der<br />
seine Projekte im Auftrag von<br />
Kommunen umsetzt. Grundsätzlich<br />
gilt es, die Wege so zu gestalten,<br />
dass sie auch für bewegungseingeschränkte<br />
Menschen sowie<br />
ältere und kranke Menschen nutzbar<br />
sind. Ebenfalls wichtig ist, dass<br />
sich eine barrierefrei erreichbare<br />
Behindertentoilette in der Nähe<br />
befindet.<br />
Nähe und Distanz<br />
Eine Nestschaukel ist ideal, um Jung und Alt zusammenzubringen. Sanft<br />
hin- und herzuschwingen, macht allen Generationen Spaß.<br />
Was sollte der öffentliche Spielraum<br />
anbieten? „Es braucht mehr<br />
als Spielgeräte und Sandkasten. Es<br />
braucht Atmosphäre“, betont<br />
Hohen auer. Seiner Erfahrung nach<br />
ist das auch auf kleinem Raum<br />
möglich. Als Vorsitzender und Leiter<br />
des 1987 gegründeten Münchner<br />
Fachvereins Info Spiel berät er<br />
Kommunen und hält Vorträge darüber,<br />
wie sich die Spielraumsituation<br />
für alle Menschen verbessern<br />
lässt. Dafür bündelt der Verein<br />
die Kräfte verschiedener Fachbereiche<br />
wie Pädagogik, Planung, Landschaftsarchitektur,<br />
Technik, Psychologie,<br />
Soziologie und Medizin.<br />
Der Experte nutzt eine ganze<br />
Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten.<br />
So setzt er auf natürliche<br />
Materialien wie Holz und Stein<br />
und baut gern Spielelemente mit<br />
Wasser ein. Bedeutsam sind auch<br />
Bereiche, in denen sich Besucherinnen<br />
und Besucher begegnen<br />
und austauschen können. Gleichzeitig<br />
sind Rückzugsräume notwendig.<br />
Durch viele verschiedene<br />
Arten von Sträuchern und Bäumen,<br />
auch solche mit Früchten,<br />
wirkt der Spielraum lebendig und<br />
wird beschattet. Auch unterschiedliche<br />
Höhen und Böden<br />
sowie vielfältig nutzbare Räume<br />
machen Lust auf Entdeckungen<br />
und Abenteuer.<br />
Alle packen an<br />
Bei der Umsetzung seiner Projekte<br />
befürwortet Hohenauer das<br />
Konzept der „offenen Baustelle“:<br />
Die Baustelle ist dann ein öffentlicher<br />
Akt – es packen Erwachsene,<br />
Kinder und Jugendliche mit an.<br />
Wenn er in Kitas einen Auftrag<br />
hat, erlebt er, wie gut es bei den<br />
Kindern ankommt, wenn sie den<br />
Garten der Einrichtung mitgestalten<br />
dürfen. „Wir rühren gemeinsam<br />
Zement an, verschönern Wege<br />
und Wasserläufe mit Mosaiken,<br />
bauen Baumhäuser“, erzählt er. Es<br />
geht dabei nicht nur um Gartengestaltung,<br />
sondern auch um Ausdauer<br />
und Teamfähigkeit. Die<br />
Kinder identifizieren sich mit dem<br />
Garten.<br />
„Ich möchte Spielräume schaffen,<br />
die ein Ankerplatz für die<br />
Seele sind“, sagt Hohenauer. Wie<br />
essenziell so etwas gerade in der<br />
Stadt ist, erklärt der Planer an einem<br />
Beispiel: „Viele Heranwachsende<br />
werden heutzutage mit<br />
Eindrücken überfrachtet. Ihren<br />
Alltag verbringen sie häufig ganztags<br />
in Schulen und anderen Einrichtungen.<br />
Hinzu kommt der digitale<br />
Medienkonsum. Wo bleibt<br />
ihnen da noch genug Zeit für Bewegung,<br />
zum Klettern, für das<br />
freie Spiel, zur Entspannung?“,<br />
fragt er sich oft. Zumal die Corona-<br />
Pandemie Spuren bei der seelischen<br />
Gesundheit von Kindern<br />
und Jugendlichen hinterlassen hat.<br />
Überhaupt bricht Hohen auer<br />
eine Lanze für Jugendliche: „Bei<br />
den Planungen für einen Bürgerpark<br />
hatte die Kommune befürchtet,<br />
dass Halbwüchsige dort randalieren<br />
könnten, weil meine Ideen<br />
für die Anlage nach Ansicht der<br />
Gemeinde ‚zu schön‘ waren.“ Sein<br />
Gegenargument: Gerade, weil er<br />
den Treffpunkt ästhetisch gestaltet,<br />
wird er von der Jugend respektiert<br />
werden. Die Skepsis der Kommune<br />
verflog endgültig, als der<br />
Spielplatzplaner belegen konnte,<br />
dass Parks, die von allen Altersgruppen<br />
angenommen werden,<br />
kaum von Vandalismus betroffen<br />
sind. Damit überzeugte er die<br />
Kommune. Das Bürgerpark-<br />
Projekt wurde umgesetzt und ist<br />
bei Jung und Alt beliebt.<br />
Dem Münchner liegen auch wohnungslose<br />
Menschen am Herzen:<br />
„Sie gehören zu unserer Gesellschaft.<br />
Und es gibt gute Beispiele,<br />
dass auch sie auf einem Spielplatz<br />
eine Möglichkeit haben können,<br />
irgendwo zu sitzen und dazuzugehören.<br />
Auch das ist Inklusion.“<br />
Verbindender Ort<br />
Dass Metropolen wie München<br />
bei der Stadtplanung inzwischen<br />
Nachverdichtung vorantreiben,<br />
bedauert Hohenauer und hofft auf<br />
ein Umdenken. „Ich wünsche mir<br />
mehr Orte der Begegnung, etwa<br />
Hinterhof-Oasen.“ Der Spielplatz-<br />
Spezialist plädiert für nachhaltige<br />
Spiel- und Erfahrungsräume und<br />
erzählt begeistert von Nachbarschaftstreffpunkten,<br />
die eine ganze<br />
Generation geprägt haben:<br />
„Wenn sich Kinder nach der Schule<br />
immer am gleichen Platz getroffen<br />
und sich später als Jugendliche<br />
dort über alltägliche Dinge ausgetauscht<br />
haben, weiß man im Rückblick,<br />
wie prägend und verbindend<br />
dieser Ort für die Entwicklung<br />
war.“ Elisabeth Antritter<br />
Foto: Peter Hohenauer<br />
Sich sozial engagieren und Gutes<br />
tun. Das sind die Beweggründe für<br />
ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ).<br />
Auch viele VdK-Mitglieder haben<br />
eines absolviert. Sie berichten von<br />
ihren Begegnungen und erinnern<br />
sich gerne an die intensive Zeit<br />
zurück, die ihr Leben bereichert<br />
hat und für die eigene Zukunftsplanung<br />
wichtig war.<br />
Jugendliche und junge Erwachsene<br />
bis 27 Jahre können sich für<br />
ein FSJ entscheiden. Nach einem<br />
Aufruf in der VdK-ZEITUNG berichten<br />
uns einige Mitglieder von<br />
ihren Erlebnissen.<br />
Von 1996 bis 1997 hat <strong>Mai</strong>ke<br />
Acker das FSJ beim Diakonischen<br />
Werk in Hamburg absolviert. Sie<br />
wollte nach dem Abitur Erfahrungen<br />
im „echten Arbeitsleben“ sammeln.<br />
„Außerdem wollte ich meine<br />
Studienwahl überprüfen“, sagt die<br />
heute 46-Jährige, die ihr FSJ in<br />
einer Wohngruppe für schwerstund<br />
mehrfach behinderte Kinder<br />
machte. Dafür arbeitete sie ein<br />
Jahr lang in Vollzeit im Mehrschichtsystem.<br />
„Ich hatte liebe und<br />
geduldige Kolleginnen und Kollegen,<br />
die mir vieles beigebracht<br />
haben und mir einen guten Rückhalt<br />
gaben“, betont sie. Nach dem<br />
FSJ begann <strong>Mai</strong>ke Acker das Studium<br />
der Sonderpädagogik. „Die<br />
Erfahrungen, die ich im FSJ sammeln<br />
konnte, haben mir im Studium<br />
selbst zwar weniger weitergeholfen,<br />
in der Persönlichkeitsentwicklung<br />
aber sehr“, resümiert sie.<br />
Die heute 67-jährige Carmen A.<br />
Horstmann hat zusammen mit 20<br />
Viele junge Leute arbeiten im FSJ<br />
mit Menschen mit Behinderung.<br />
Foto: picture alliance/dpa/Jens Büttner<br />
jungen Frauen aus ganz Deutschland<br />
ihr FSJ beim Paritätischen<br />
Wohlfahrtsverband von 1972 bis<br />
1973 in Berlin absolviert. „Unentschlossen,<br />
was ich nach meinem<br />
Schulabschluss werden wollte,<br />
habe ich mich nach einer Informationsveranstaltung<br />
für ein FSJ beworben“,<br />
erinnert sie sich. Untergebracht<br />
war sie in einer ehemaligen<br />
Villa in Berlin-Grunewald, die<br />
auch gleichzeitig Jugendgästehaus<br />
war. „Wir teilten uns zu dritt ein<br />
Zimmer, heute unvorstellbar. Unsere<br />
Einsatzorte waren ein Krankenhaus,<br />
Kindergärten und sozialpädagogische<br />
Einrichtungen.“<br />
Die Arbeit im Martin-Luther-Krankenhaus<br />
vor 50 Jahren hat sie bestärkt,<br />
eine Ausbildung als Krankenpflegerin<br />
zu machen. Ein weiterer<br />
positiver Effekt: Während<br />
ihres FSJ hat sie auch ihren späteren<br />
Mann kennengelernt.<br />
Unvergessener Moment<br />
Ulrike Schneider absolvierte ihr<br />
FSJ von 1990 bis 1991 bei der AWO<br />
Gießen in einer Tagesstätte für<br />
Kinder mit Behinderung. Auch,<br />
um nach dem Abitur auf eigenen<br />
Beinen zu stehen. Sie bekam ein<br />
Zimmer in einem Wohnheim und<br />
erhielt ein kleines Taschengeld.<br />
„Die Arbeit hat total Spaß gemacht“,<br />
sagt sie. „Sehr belastend<br />
waren für mich aber die einzelnen<br />
Schicksale, die hinter jedem Kind<br />
standen. Dazu zählten nicht nur<br />
ihre speziellen Behinderungen,<br />
sondern teils auch ihre familiären<br />
Situationen, wo manchmal auch<br />
das Jugendamt eingeschaltet war.“<br />
Da sie das auch am Wochenende<br />
gedanklich beschäftigte, stand für<br />
Ulrike Schneider nach dem FSJ<br />
fest, kein Sonderschulstudium zu<br />
beginnen, sondern Haupt- und<br />
Realschullehrerin zu werden. In<br />
diesem Beruf arbeitet sie bis heute.<br />
Einen ihrer schönsten Momente<br />
im FSJ erlebte sie an ihrem letzten<br />
Arbeitstag. „Ein Junge mit Autismus,<br />
der keinerlei körperlichen<br />
Kontakt suchte und nicht sprechen<br />
konnte, kam in einer ruhigen Minute<br />
zu mir, setzte sich auf meinen<br />
Schoß, umarmte mich und gab mir<br />
einen Kuss auf die Wange. Das hat<br />
mich sehr gerührt, und ich werde<br />
das nie vergessen.“<br />
Petra J. Huschke<br />
Infos im Internet<br />
Gestaltung eines Mosaiks aus mehrfarbigen Steinen, die in ein Mörtelbett<br />
gesetzt werden: Peter Hohenauer (links) und Kinder einer Münchner<br />
Kita-Gruppe verschönern den Garten.<br />
Foto: Info Spiel e.V.<br />
Beispiele für Spielplatz-Projekte,<br />
in denen der inklusive Gedanke<br />
in die Tat umgesetzt worden ist,<br />
sowie ein Interview mit Spielraumplaner<br />
Peter Hohenauer<br />
gibt es im Internet unter:<br />
www.richter-spielgeraete.de/<br />
de/magazin/spielen-in-vielfalt