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Zwischen den Welten

Ethnotourismus in Westneuguinea

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(vgl 36). Indem man es durch

Inszenierung kenntlich macht und

strukturiert umsetzt, verliert etwas

Echtes jedoch sein ursprüngliches Wesen

(37). Trotzdem kann die gestellte

Szenerie auch ehrlich sein, denn alles

Authentische hat auch eine Geschichte

(vgl 13). Für die bereiste Bevölkerung ist

Entwicklung im Sinne von verbesserter

formaler Ausbildung, Gesundheitsversorgung

oder Infrastruktur kein

Gegensatz zur eigenen Tradition, auch

wenn sich Ethnotouristen ein Verharren

in unberührter Steinzeit wünschen.

Daher dürfen entwicklungsbedingte

Veränderungen nicht automatisch mit

Authentizitätsverlust oder einer

Schwächung ethnischer Identitäten

gleichgesetzt werden (vgl 15).

Die öffentliche Zurschaustellung ist der

Preis, der für die Einforderung eines

legitimen Anrechts auf Teilhabe am

westlichen Reichtum, für den Wunsch

nach materieller Sicherheit und Bildung

von den Indigenen zu bezahlen ist (3).

Neue Werte werden in die bisherige

Subsistenzwirtschaft übernommen, wie

etwa der Zeitbegriff oder das Konzept

des Vorsorgens. Die ersten Schritte in

den Kapitalismus beginnen mit dem

Erwirtschaften über den augenblicklichen

Bedarf hinaus. Mit allen

Nachteilen einer zivilisierten Gesellschaft,

wie überbordender Ressourcenverbrauch

und soziale Differenzierung

zwischen Arm und Reich (vgl 3).

DAS URSPRÜNGLICHE

FESTHALTEN

Diese Zurschaustellung wird dann

abfotografiert. In manchen Ländern, in

denen es wenig Tourismus gibt, fühlen

sich die Bewohner geehrt, wenn sie

fotografiert werden. Doch die Menschen

im Baliem Valley sind anders. Bei ihnen

geht es darum, mit Bildern Geld zu

verdienen. Im Normalfall sind 10.000

Indonesische Rupiah, rund 60 Cent für

ein Foto zu bezahlen. Unser Reiseleiter

meint, diese Geschäftstüchtigkeit haben

sie von den Touristen gelernt. Zuerst um

Erlaubnis fragen, den Preis verhandeln

(was geraume Zeit in Anspruch nimmt)

und dann erst fotografieren. Da brauche

ich das Foto nicht mehr, denn die

interessanten Szenen sind sowieso längst

vorbei und das Bild wirkt gekünstelt.

Weicht man von der Standardprozedur

ab und macht unerlaubte Fotos,

reagieren die Dani meist unangemessen

und gehen gleich auf Konfrontation.

Nicht verwunderlich, denn es ist

Diebstahl was ich da tue. In so manch

heikler Situation wurde ich von unserem

Guide und seinem Verhandlungsgeschick

gerettet.

Bisher habe ich noch nie für ein Foto

bezahlt, da ich der Meinung war, ich

zahle ohnedies genug für die Reise. Und

ich reise um zu fotografieren. Die neue

Situation mit den Dani hat mich anfangs

irritiert und verärgert. Doch nach

Überwindung meiner Trotzphase, habe

ich für mich eine stimmige Lösung

gefunden: ich fotografiere nur in

ausgewählten Dörfern, frage das

Oberhaupt um Erlaubnis und verhandle

den Preis für no-limit-Fotos. Ich bleibe

eine Weile bevor ich zu fotografieren

beginne. Dann bemerkt man mich kaum

mehr und ich kann wieder nahezu

ungestellte Schnappschüsse machen. Ich

finde, ein Foto, unbemerkt mitten aus

dem Leben gegriffen, hat eine andere

Energie als ein inszeniertes Bild. Und

mit dieser Vorgehensweise ist es nicht

gestohlen.

Alternativ dazu kann man natürlich auch

heimlich Fotos machen, ohne dass der

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