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Zwischen den Welten

Ethnotourismus in Westneuguinea

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einem rasierklingenscharfen Bambusmesser.

Alle Teil werden sorgsam

verwertet, nichts wird verschwendet. In

ein Bambusblatt eingewickelt bewahrt

Melius die Ohren und den Schwanz für

eine spätere rituelle Verwendung in der

Männerhütte auf. Zwischenzeitlich ist

das Feuer abgebrannt, die Steine sind

ordentlich heiß. Die Erdgrube wird mit

Blättern ausgelegt und mit den Steinen

befüllt. Darauf kommen in mehreren

Lagen Schweineteile, verschiedenes

Gemüse, Süßkartoffeln, Pandanuss-

Früchte und vor allem korbweise frische

Kräuter. Zu guter Letzt verschließen die

Dani die Grube mit Steinen und Blättern

und lassen das Ganze rund eine Stunde

garen.

Zwischendurch wird gesungen, geraucht,

gerastet und bei den Frauen im

traditionellen Langhaus geplaudert bis

das Warten auf das Essen endlich ein

Ende hat. Die Aufteilung der

Köstlichkeiten erfolgt nach klaren

Regeln. Die Männer bekommen das

Fleisch, die Frauen das Gemüse und das

Grünzeug. Dabei sitzen sie buchstäblich

im Essen. Wenn die Männer satt sind,

teilen sie das restliche Fleisch in der

Frauengruppe auf. Die Sippe hat

offensichtlich Freude am Fest und der

Gelegenheit zu Fleischkonsum.

Bei den missionierten Christen gehört

Blutrache vergangenen Zeiten an. Ein

Schweinekochfest wird heute zur

Besiegelung frisch geknüpfter

Familienbande, zur Begrüßung neuer

Erdenbürger oder überwiegend auf

Bestellung für Touristen zelebriert. Das

Baliem Valley am Fuße der Jayawijaya-

Berge ist, so wird behauptet, das Land

der Schweine. Auch im Zeitalter von

Plastikkreditkarten sind die wertvollen

Haustiere immer noch Zahlungsmittel,

Sühnegeld und als Mitgift für eine Braut

ein männliches Statussymbol. Daher

werden sie nur zu besonderen Anlässen

geschlachtet. Oder, wie in unserem Fall,

extra für zahlende Touristen. Das bietet

der Dorfgemeinschaft eine willkommene

Abwechslung zum Alltagsleben und

bringt ein gutes Einkommen.

Doch auch in diesem Kontext ist es

mehr als Verkleidung und Schauspiel. Es

ist ein Auflebenlassen der jahrtausendealten

Lebensform einer

Subsistenzgesellschaft, ein Gewahr

werden der Unabhängigkeit von

modernen Kulturtechniken. Im Alltag

können sich die Indigene Neuguineas

den Herausforderungen des Digitalzeitalters

jedoch nicht entziehen. Das

birgt in gleichem Maße eine Chance auf

Entwicklung wie die Gefahr des

Untergangs.

URLAUB BEI DEN WILDEN

Als Tourist weiß ich natürlich, dass das

Schweinekochfest eine Folkloreveranstaltung

ist. Ich weiß auch, dass zum

Feuermachen normalerweise Streichhölzer

verwendet werden, die Hütten am

Abend mit elektrischen Glühbirnen

beleuchtet sind und die Kinder Games

auf dem Smartphone von Häuptling

Melius spielen. Doch im Augenblick des

Erlebens sind mir diese Begleitumstände

egal, für mich wirkt alles echt.

Sehenswürdig ist, was man gesehen haben

muss. Statt Sehenswürdigkeiten

abzuklappern sollten wir selbst nach dem

Schönen suchen. (4)

Touristen begegnen in den seltensten

Fällen einer fremden Kultur, sondern

vielmehr deren Inszenierungen mit

Echtheitszertifikat. Sie begnügen sich im

40

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