SMZ Liebenau Info Nov_2011
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Ungleichheit von Anfang an<br />
Natürlich lautet der allgemeine Tenor in der<br />
Gesundheits- und Ungleichheitsforschung<br />
auch, dass man Unterschiede in Bildung,<br />
Berufsstatus und Einkommen verringern<br />
müsse. In diesem Sinne sollten soziale,<br />
kulturelle und finanzielle Barrieren beseitigt<br />
werden, die z.B. zu unterschiedlichen<br />
Bildungsgewohnheiten führen. Viel mehr<br />
Menschen bräuchten eine höhere Qualifikation,<br />
um bessere Positionen im Berufsleben<br />
zu erreichen. Auch die Wirtschaft fordert:<br />
Das Land braucht mehr qualifizierte Facharbeiter<br />
und Lehrlinge. Hier besteht auf<br />
alle Fälle großer Nachholbedarf, vor allem<br />
das Aufbrechen eingefahrener Strukturen<br />
betreffend. Nach wie vor ist es so, dass<br />
die Kinder von Akademikereltern meist ein<br />
Gymnasium besuchen und studieren, während<br />
die Kinder von Pflichtschulabsolventen<br />
meist die Hauptschule besuchen und ihre<br />
Bildungskarriere ohne Matura abschließen.<br />
Doch provokant gefragt: wie könnte eine<br />
Gesellschaft funktionieren, in der alle Menschen<br />
einen ähnlichen Bildungsstatus, einen<br />
ähnlichen Berufsstatus und ein ähnliches<br />
Einkommen haben? Utopien dieser<br />
Art hat die Geschichte zum Scheitern verurteilt,<br />
wer übernimmt in einer solchen Gesellschaft<br />
gerne und freiwillig die „niedrigen<br />
Dienste“, das Putzen, das Verkaufen, das<br />
Fließbandarbeiten?<br />
Es ist – zynisch formuliert – der Gesellschaft<br />
ganz recht, dass nicht alle gleich sind, dass<br />
nicht alle studieren (können) und sich die<br />
Privilegierten ihre Privilegien erhalten und<br />
weitervererben können. Allerdings wäre es<br />
auch nicht realistisch, alle Arbeiten gleich<br />
gut zu bezahlen und für alle Tätigkeiten das<br />
gleiche Bildungsniveau zu fordern. Wo kann<br />
man also ansetzen?<br />
Kurz zusammengefasst:<br />
„Der Körper scheint negative wie positive<br />
Erfahrungen zu ‚erinnern’, und sie<br />
prägen seine Konstitution bis ins höhere<br />
Alter“. 6<br />
Drei Faktoren bestimmen nach Ansicht von<br />
Experten gesundheitliche Ungleichheit:<br />
materielle Faktoren, Gesundheitsverhalten<br />
und psychosoziale Belastungen. Die beiden<br />
letzteren sind gesellschaftspolitisch leichter,<br />
wenn auch nicht leicht zu manipulieren. Und<br />
hier gilt, wie oben beschrieben, die Devise:<br />
ganz frühe Interventionen, die auf einer Zusammenarbeit<br />
der medizinischen und sozialen<br />
Berufe beruhen, sind besonders sinnvoll<br />
und zielführend!<br />
6<br />
Zitiert nach: Nico Dragano/ Johannes Siegrist, „Die Lebenslaufperspektive gesundheitlicher Ungleichheit: Konzepte und Forschungsergebnisse“,<br />
in: Richter/ Hurrelmann (2009), S. 191.<br />
<strong>SMZ</strong> INFO november <strong>2011</strong><br />
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