SMZ Liebenau Info Sep_2009
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<strong>SMZ</strong><br />
<strong>SMZ</strong><br />
SUCHT<br />
AUSWEGE<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong>
IN DIESER AUSGABE<br />
MITARBEITERiNNEN<br />
DES <strong>SMZ</strong> LIEBENAU<br />
DR. RAINER POSSERT<br />
ARZT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN<br />
PSYCHOTHERAPEUT<br />
DR. GUSTAV MITTELBACH<br />
ARZT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN<br />
PSYCHOTHERAPEUT<br />
DIPL. PT HEILWIG<br />
POSSERT-LACHNIT<br />
PHYSIOTHERAPEUTIN<br />
DR. INGE ZELINKA-ROITNER<br />
SOZIOLOGIN<br />
DER BEGINN DER SUBSTITUTIONSBEHANDLUNG IM <strong>SMZ</strong> LIEBENAU 02<br />
MEDIZINISCHE ASPEKTE DER SUBSTITUTIONSBEHANDLUNG 04<br />
SOZIALARBEIT UND SUBSTITUTION 08<br />
LEITFADEN FÜR NEUE PATIENTINNEN 10<br />
EINE WAHRE GESCHICHTE ... 12<br />
AUS DEM ALLTAG DES <strong>SMZ</strong> LIEBENAU : WIE DIE BEHANDLUNG<br />
VON OPIAT-ABHÄNGIGEN MENSCHEN POSITIVE<br />
VERÄNDERUNGEN ERST MÖGLICH MACHT 14<br />
DAS <strong>SMZ</strong> IST EINE ANERKANNTE § 15 (SMG) EINRICHTUNG 19<br />
BUCHTIPP 19<br />
DSA HEIKE GREMSL<br />
SOZIALARBEITERIN<br />
MAG. (FH) PETRA STEINER<br />
SOZIALARBEITERIN<br />
MAG. KARIN ETTL<br />
VERWALTUNG<br />
DR. CLAUDIA WALLNER<br />
TURNUSÄRZTIN<br />
NEUE WEGE – BLEIBENDE BINDUNGEN 20<br />
THERAPIE VON SCHWANGEREN OPIATABHÄNGIGEN –<br />
EINE SPEZIELLE HERAUSFORDERUNG 22<br />
SUCHT UND DROGEN ALS REALER ALLTAG 23<br />
TIPPS FÜR ELTERN UND ANGEHÖRIGE 24<br />
SUBSTITUTIONSPATIENTINNEN –<br />
EINE DISKRIMINIERTE PERSONENGRUPPE!? 26<br />
UNSER TEAM DER SUBSTITUTIONSBEHANDLUNG 28<br />
KREATIVWORKSHOP ALS BEGLEITTHERAPIE 32<br />
ANGEBOTE DES <strong>SMZ</strong> LIEBENAU 33<br />
KARIN SITTINGER<br />
ARZTHELFERIN<br />
ERIKA LANG<br />
ARZTHELFERIN<br />
BRIGITTE SUCHER<br />
ARZTHELFERIN<br />
DR. ULRIKE KÖRBITZ<br />
PSYCHOANALYTIKERIN<br />
KRISTA MITTELBACH<br />
PSYCHOTHERAPEUTIN<br />
DSA THERESA AUGUSTIN<br />
PSYCHOTHERAPEUTIN<br />
IMPRESSUM<br />
HERAUSGEBER: <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong>, <strong>Liebenau</strong>er Hauptstraße 102-104 a, 8041 Graz T 0699 180 84 375<br />
(0316) 462340-19<br />
EMAIL smz@smz.at HOMEPAGE www.smz.at VEREINSREGISTER ZVR: 433702025<br />
REDAKTION: Dr. Rainer Possert, Mag. a Dr. in Inge Zelinka-Roitner<br />
MITARBEITERINNEN dieser Ausgabe: Das Team des <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong><br />
FOTOS im Innenteil © Rainer Possert, alle Personen/Portraits © <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong><br />
LAYOUT + SATZ CUBA, graz www.cubaliebtdich.at<br />
DRUCK Druckerei Bachernegg GmbH, Kapfenberg AUFLAGE 1.700 Stk.<br />
F<br />
MAG. WOLFGANG SELLITSCH<br />
JURIST
<strong>SMZ</strong><br />
INFO<br />
ALLES<br />
NEU<br />
ALLES IN<br />
FARBE
DER<br />
BEGINN<br />
DER SUBSTITUTIONSBEHANDLUNG<br />
IM <strong>SMZ</strong><br />
LIEBENAU<br />
02<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
1990, noch Jahre bevor es eine „offizielle“<br />
Substitutionsbehandlung in Österreich überhaupt<br />
gegeben hat, habe ich erstmals mit<br />
der Behandlung eines Patienten mit dem<br />
Drogen-Ersatzmittel Methadon begonnen<br />
und so erste praktische Erfahrungen mit<br />
Heroinabhängigen gemacht.<br />
Erst als das Landessonderkrankenhaus<br />
LSF mit der Einstellung von heroinabhängigen<br />
Patienten zuerst auf Methadon, später<br />
auf Substitol startete, haben auch wir Ärzte<br />
der Praxisgemeinschaft in größerem Ausmaß<br />
begonnen, Drogenabhängige zu behandeln.<br />
Dies vor allem deshalb, weil die Drogenambulanz<br />
des LSF bald überlaufen war und es<br />
für die Weiterbehandlung dieser „schwierigen<br />
PatientInnen“ im Bereich der niedergelassenen<br />
ÄrztInnen kaum Behandlungsplätze<br />
gab. Selbst von Fachärzten für Psychiatrie<br />
wurden sie abgewiesen, viele Hausärzte<br />
fühlten sich überfordert.<br />
Da Kollege Mittelbach und ich langjährige<br />
Erfahrung im Umgang mit psychisch Kranken<br />
hatten und wir darüber hinaus auch<br />
über Zusatzqualifikationen in Psychotherapie<br />
verfügten, bekamen wir immer mehr<br />
PatientInnen aus dem LSF zugewiesen.<br />
Unser Vorteil: während der Ordinationszeiten<br />
konnten wir jederzeit zusätzlich auf unsere<br />
Sozialarbeiterin zurückgreifen.<br />
Auch wir betraten mit der Behandlung einer<br />
doch überraschend großen Anzahl von<br />
PatientInnen Neuland. Einige unserer langjährigen<br />
„normalen“ StammpatientInnen<br />
haben uns auch angesichts der manchmal<br />
verwahrlosten, anders aussehenden, sich<br />
ab und zu auch anders benehmenden PatientInnen<br />
den Rücken gekehrt.<br />
WARUM HABEN WIR DIR TÜREN DES <strong>SMZ</strong><br />
FÜR DIESE PATIENTENGRUPPE GEÖFFNET?<br />
Opiatabängige Menschen sind eine sozial<br />
diskriminierte Gruppe, sie werden in unserer<br />
Gesellschaft häufig als letztklassige<br />
Menschen behandelt. Auch viele professi-<br />
onelle HelferInnen im Medizin- und Sozialbereich<br />
treten Abhängigen mit Vorurteilen<br />
entgegen, obwohl sie letztendlich körperlich<br />
und seelisch schwer erkrankt sind.<br />
Wird die Droge nicht regelmäßig verabreicht,<br />
treten Entzugssymptome auf, sie reichen<br />
von Beschwerden wie bei einer starken<br />
Grippe, über schwere Angst- und Unruhezustände<br />
bis hin zu Erbrechen, Durchfall und<br />
epileptischen Anfällen. Diese körperlichen<br />
Krankheitserscheinungen zwingen daher<br />
PatientInnen immer wieder zum Drogenerwerb<br />
im kriminellen Umfeld. Drogen sind im<br />
Gegensatz zu den Suchtmitteln Alkohol, Nikotin<br />
und Spielautomaten illegal.<br />
Viele Betroffene sind Opfer von körperlichen<br />
und seelischen Misshandlungen, häufig<br />
schon seit früher Kindheit, bei Frauen<br />
liegt häufig schwerer sexueller Missbrauch<br />
vor (meist langjährige Vergewaltigung durch<br />
nahe Verwandte).<br />
Viele der nunmehr abhängigen Menschen<br />
hätten schon als Kinder und Jugendliche<br />
rechtzeitig medizinische und psychotherapeutische<br />
Behandlung benötigt. Sie wurde<br />
ihnen - aus welchen Gründen auch immer<br />
- vorenthalten, häufig deshalb, weil auch<br />
ÄrztInnen nie nach den Ursachen ihrer Drogenabhängigkeit<br />
gefragt hatten.<br />
DIE BEHANDLUNG<br />
Die Substitutionsbehandlung ist eine klassisch<br />
sozialmedizinische Therapie, da sie in<br />
erster Linie soziale Ziele verfolgt, aber auch<br />
das Auftreten von zusätzlichen Erkrankungen<br />
und vorzeitigen Todesfällen verhindert.<br />
Durch die Verabreichung eines Ersatzmittels<br />
können PatientInnen dem Beschaffungsdruck<br />
entkommen, d.h. er/sie muss nicht<br />
mehr klauen, betrügen, Schulden machen,<br />
auf den Strich gehen.<br />
Oft zum ersten Mal seit Jahren tritt in der<br />
Zeit der Substitutionsbehandlung so etwas<br />
wie „soziale Sicherheit“ ein, die Gedanken<br />
der Betroffenen werden freier, es kann an
»<br />
UNSERE<br />
TÜREN<br />
STEHEN OFFEN<br />
die Zukunft - konkret an Ausbildung, Arbeit,<br />
Wohnung oder an eine Beziehung gedacht<br />
werden. Der Körper wird nicht mehr länger<br />
vernachlässigt, es kann z. B. auch die langwierige<br />
und notwendige Behandlung einer<br />
Hepatitis C begonnen werden.<br />
Seit Beginn der Substitutionsbehandlung in<br />
der Praxisgemeinschaft hatten wir mit ungefähr<br />
300 DrogenpatientInnen Kontakt, in<br />
den letzten Jahren befanden sich zwischen<br />
70 und 100 Betroffene pro Monat in Behandlung.<br />
Vor Beginn der Therapie wird mittels einer<br />
Sozialarbeiterin der Kontakt hergestellt, in<br />
einem gemeinsamen Gespräch (Patient,<br />
Sozialarbeiterin, Arzt) werden die Behandlungsziele<br />
formuliert, die vorläufige Dosierung<br />
des Ersatzmittels festgelegt und die<br />
Häufigkeit und Anzahl der ärztlichen Kontrolluntersuchungen<br />
festgelegt.<br />
Zu Behandlungsbeginn wird eine Vorsorgeuntersuchung<br />
gemacht.<br />
Die medikamentöse Einstellung erfolgt entweder<br />
mit Methadon, Subutex oder Subo-<br />
xone. Substitol oder ähnliche Medikamente<br />
werden in der Regel nicht mehr verordnet,<br />
es sei denn, es stellt sich eine tatsächliche<br />
und nicht simulierte Unverträglichkeit des<br />
bisherigen Ersatzmittels heraus.<br />
In der ersten Zeit ist mindestens ein Arztbesuch<br />
pro Woche vorgesehen, es können<br />
aber auch mehrere Termine notwendig<br />
sein.<br />
Hat sich der Patient/die Patientin an das<br />
Ersatzmedikament gewöhnt, hat auch<br />
der häufig vorkommende Beikonsum von<br />
Suchtmitteln oder das Spritzen von Opiaten<br />
nachgelassen, kann an eine Reduktion des<br />
Ersatzmittels gedacht werden.<br />
Dies ist dann erfolgreich, wenn es dem Patienten<br />
gelungen ist, psychosoziale Ressourcen<br />
(Arbeit, Wohnung, Ausbildung,<br />
Partnerschaft, Beziehung zu Eltern, etc.)<br />
aufzubauen.<br />
Im nächsten Schritt kann an eine Entzugsbehandlung<br />
gedacht werden, der Weg bis<br />
dahin ist jedoch weit.<br />
Rainer Possert<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
03
MEDIZINISCHE ASPEKTE<br />
DER SUBSTITUTIONSBEHANDLUNG<br />
04<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
HINTERGRUND<br />
In der Substitutionsbehandlung wird der<br />
Stoff, den Abhängige konsumieren, durch<br />
eine wenig toxische, veränderte Substanz<br />
ersetzt (=substituiert), die im Gehirn dieselben<br />
Rezeptoren wie Heroin bindet, ohne zunächst<br />
die Abhängigkeit zu beenden - eine<br />
Maßnahme, die z.B. beim Alkoholismus<br />
nicht funktioniert, weil die Substanz zu toxisch<br />
wäre.<br />
Die heutigen am besten entwickelten Therapieprogramme,<br />
denen sich auch unser Ansatz<br />
im <strong>SMZ</strong> verpflichtet fühlt, gehen aber<br />
weit über die ausschließliche Verabreichung<br />
eines solchen Substitutions-Medikaments<br />
hinaus.<br />
Seit 1965 wird Methadon in den USA als Ersatzsubstanz<br />
für Heroin in der Drogentherapie<br />
eingesetzt 1 , 1987 ist auch in Österreich<br />
-sehr spät - dafür ein gesetzlicher Rahmen<br />
geschaffen worden 2 . Andere Länder waren<br />
deutlich früher bereit, den amerikanischen<br />
Therapieplan zu übernehmen 3 .<br />
Vor allem die befürchtete Ausbreitung des<br />
AIDS-Virus unter injizierenden Drogenabhängigen<br />
überzeugte die Staaten von der<br />
Notwendigkeit dieser Therapie 4 .<br />
Seit 2007 ist in allen EU-Staaten einschließlich<br />
Kroatien und Norwegen die Substitutionsbehandlung<br />
mit psychosozialer Betreuung<br />
eingeführt. Die einzelnen Länder haben<br />
dabei inhaltlich und organisatorisch völlig<br />
unterschiedliche Wege gewählt 5 .<br />
Eine der Voraussetzungen für die Etablierung<br />
der Therapieprogramme war die Erkenntnis,<br />
dass es sich bei Drogenabhängigkeit<br />
um eine schwere psychiatrische Erkrankung<br />
handelt und die Betroffenen nicht<br />
diskriminiert und ausgeschlossen, sondern<br />
in normale Behandlungsabläufe des ambulanten<br />
und stationären Gesundheitswesens<br />
integriert werden sollen.<br />
Die positiven Wirkungen der Therapieprogramme<br />
sind hinreichend wissenschaftlich<br />
belegt:<br />
Es kommt zu einer<br />
▪ Verbesserung der körperlichen und psychischen<br />
Gesundheit<br />
▪ Reduktion der Kriminalität<br />
▪ einem Rückgang des illegalen Opiat-<br />
Konsums und Rückgang der iv- Verabreichungen<br />
▪ erhöhten (Re-)Integration in die Arbeitswelt<br />
▪ und vor allem zu einer Senkung der<br />
Sterblichkeit der Drogenabhängigen 6 .<br />
ÖSTERREICHISCHE - GRAZER SITUATION<br />
In Österreich waren 2007 10452 PatientInnen<br />
in Substitutionsbehandlung, davon<br />
2148 in Erstbehandlung, ein Jahr zuvor waren<br />
es 8120. 7<br />
In Graz sind derzeit ca. 590 PatientInnen in<br />
Substitutions-Therapie über das Gesundheitsamt<br />
registriert, davon sind rund 70 in<br />
Haft 8 . In der Drogenambulanz der Landesklinik<br />
Sigmund Freud werden zusätzlich 80<br />
Personen behandelt – mit täglichen Medikamentenabgaben.<br />
Das dortige Team und<br />
dessen PatientInnen sind jedoch nicht wie<br />
die niedergelassenen Ärzte dem Kontrollapparat<br />
des amtsärztlichen Dienstes unterworfen.<br />
In einer eigenen Substitutionsverordnung ist<br />
seit 1998/2007 genau geregelt, dass in vielen<br />
Bereichen (Mitgaberegelung im Arbeitsoder<br />
Urlaubsfall, Substanzauswahl …)<br />
Amtsärzte die Letztverantwortung haben,<br />
beziehungsweise in einem oft sehr komplizierten<br />
Vorgehen mit den behandelnden<br />
Ärzten die Mitverantwortung aushandeln<br />
müssen: „getan werden muss,“ was das<br />
Gesetz sagt, auch wenn es im Widerspruch<br />
zum therapeutisch-wissenschaftlichen, ärztlichen<br />
Handeln steht.<br />
Nach einer repräsentativen österreichischen<br />
Querschnittsstudie 9 arbeiten in der<br />
Substitutionsbehandlung zu 77% Allgemeinmediziner<br />
(davon nur 18% PsyIII-Ärzte<br />
bzw. PsychotherapeutInnen) und zu 21%<br />
Psychiater.
»<br />
DIE POSITIVEN WIRKUNGEN DER<br />
THERAPIEPROGRAMME<br />
SIND HINREICHEND WISSENSCHAFTLICH BELEGT<br />
20% der Ärzte versorgen 21-50 Personen<br />
(40% liegen darunter), aber 6% versorgen<br />
über 100 – bis zu 500 in einer einzigen Praxis<br />
in Wien!<br />
Die PatientInnen machen im Schnitt 6-8%<br />
der übrigen PraxispatientInnen aus, der<br />
Zeitaufwand für sie ist aber 6mal so groß!<br />
47% der Untersuchten sind mit Hepatitis C<br />
infiziert, 26% mit Hep.B, 11% sind HIV-positiv,<br />
26% leiden an einem posttraumatischen<br />
Stress-Syndrom, 18% an einer Psychose.<br />
30% haben einen schlechten Allgemein-,<br />
20% einen schlechten Ernährungszustand,<br />
50% z.B. ein desolates Gebiss.<br />
In unserer Praxisgemeinschaft (Mittelbach/<br />
Possert) behandeln wir in <strong>Liebenau</strong> derzeit<br />
80 PatientInnen im Substitutionsprogramm,<br />
2008 waren es insgesamt 121 (2007 115) -<br />
davon 17 PatientInnen der Altersgruppe 17-<br />
19, die Hauptgruppe mit 77 PatientInnen im<br />
Alter zwischen 20 und 29 Jahre, immerhin 5<br />
Patienten sind über 50 Jahre alt.<br />
Die psychosoziale Begleitung, die internationale<br />
Standardforderung und österreichische<br />
rechtliche Verpflichtung ist, wird in Graz leider<br />
viel zu selten praktisch umgesetzt, obwohl<br />
ihre Wirksamkeit unbestritten ist 10 .<br />
Für die PatientInnen des <strong>SMZ</strong> ist Dank unser<br />
beider Diplom-Sozialarbeiterinnen Heike<br />
Gremsl und Petra Steiner dieses Angebot<br />
selbstverständlich und für viele schwerwiegende<br />
Probleme (bei Obdachlosigkeit und<br />
Wohnungsproblemen, bei Schulden, Sozialhilfe<br />
und Schwierigkeiten mit der Justiz und<br />
bei der Arbeitssuche) unerlässlich.<br />
PRAXIS DER SUBSTITUTIONSBEHANDLUNG<br />
IM <strong>SMZ</strong><br />
Nach einer persönlichen Terminvereinbarung<br />
füllt die abhängige Person einen ausführlichen<br />
Fragebogen aus und erklärt ihr<br />
Anliegen und ihre persönliche Situation in<br />
einem ausführlichen Gespräch mit einer unserer<br />
Sozialarbeiterinnen.<br />
Vor dem ausführlichen Erstgespräch mit<br />
dem Arzt wird eine Harnuntersuchung zur<br />
ersten Feststellung eines Drogenkonsums<br />
durchgeführt.<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
05
MEDIZINISCHE ASPEKTE<br />
DER SUBSTITUTIONSBEHANDLUNG<br />
FORTSETZUNG<br />
06<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
Dieser ärztliche Erstkontakt gemeinsam<br />
mit der Sozialarbeiterin und, wenn möglich,<br />
gemeinsam mit Angehörigen/Partnern hat<br />
folgende Inhalte:<br />
▪<br />
▪<br />
▪<br />
▪<br />
Somatische und psychosoziale Anamnese<br />
Körperliche Untersuchung<br />
Diagnostik einer Abhängigkeit und<br />
weiterer körperlicher und psychiatrischer<br />
Erkrankungen<br />
Vereinbarung einer Vorsorge-Untersuchung<br />
mit Blutabnahme<br />
▪ Vereinbarung einer Reduktionsoder<br />
Entzugsbehandlung oder<br />
▪ Indikation einer Substitutionsbehandlung<br />
mit genauer Substanzund<br />
Dosisbestimmung<br />
▪<br />
Schriftlicher Vertrag mit ersten Zielvereinbarungen<br />
und Sanktionen<br />
▪ Psychiatrische Ersteinschätzung,<br />
Überweisung/Kontakt oder Befundanforderung<br />
bei zuweisenden<br />
Stellen/Ärzten – bei Minderjährigen<br />
ambulante Diagnostik an der Abt.<br />
für Kinder- und Jugendpsychiatrie/<br />
LSF<br />
▪<br />
Vereinbarung einer psychosozialen<br />
Begleittherapie<br />
▪ Angebot einer Psychotherapie<br />
(durch uns Ärzte/Psychotherapeuten<br />
oder Mitarbeiterinnen unserer<br />
Familienberatungsstelle) oder Überweisung<br />
▪<br />
Dauer mind. 60 min<br />
Die Möglichkeit von Angehörigenberatung<br />
wird besprochen, wobei wir sehr viel Wert<br />
auf <strong>Info</strong>rmationen über alle Aspekte der<br />
Substitutionstherapie und auf individualisierte<br />
Ziele legen, welche die Stärken unserer<br />
PatientInnen, ihre bisherigen erfolgreichen<br />
Überlebensstrategien, Ausbildungen,<br />
etc. berücksichtigen.<br />
Das wichtigste Arbeitsinstrument der oft<br />
langjährigen Therapie ist eine gute Arzt-Patient/in-Beziehung<br />
und ein hohes Ausmaß<br />
an Selbstreflexion und Selbstkritik, das nur<br />
in einem interdisziplinären Team gewährleistet<br />
ist. Für wichtig halten wir auch eine<br />
regelmäßige Vernetzung mit den mitbehandelnden<br />
ApothekerInnen, mit denen wir uns<br />
2x pro Jahr zusammensetzen<br />
Für die Qualität unserer Arbeit führen wir<br />
nicht nur unsere mehr als 15jährige Berufserfahrung<br />
mit DrogenpatientInnen ins<br />
Treffen, sondern auch unsere langjährigen<br />
Aktivitäten in der Veranstaltung von Fortbildungs-<br />
und Diskussionsveranstaltungen<br />
(„Forum für sozialmedizinische Praxis“) und<br />
unsere Bereitschaft, kritisch und öffentlich<br />
die steirische Drogenpolitik mit zu gestalten.<br />
OFFENE FRAGEN UND HERAUSFORDERUNGEN<br />
Neben der zeitlich und emotional belastenden<br />
therapeutischen Arbeit, mit der ständigen<br />
Bereitschaft für plötzliche Krisen und<br />
Komplikationen und aufwändiger Vernetzungsarbeit<br />
im Team und mit anderen Institutionen<br />
(Telefonate, Helferkonferenzen,<br />
Patientenbesprechungen, etc.) sind für uns<br />
vor allem folgende Bereiche eine ständige<br />
Herausforderung, ohne dass wir dafür rasche<br />
oder endgültige Lösungen erkennen<br />
können:<br />
▪<br />
▪<br />
▪<br />
▪<br />
▪<br />
ein meist ignorierter oder bagatellisierter<br />
Dauerrausch vieler PatientInnen<br />
mit Beruhigungs/Schlaftabletten<br />
und die sorglose Verordnung<br />
dieser Medikamente durch einige<br />
Ärzte<br />
das Aushalten unrealistischer Ziele<br />
(z.B. Kurzentzug unter Narkose<br />
in Serbien) und der Umgang mit<br />
Rückfällen nach erfolgreicher Behandlung<br />
eine weiter bestehende Nadelabhängigkeit<br />
(= suchtartiges intravenöses<br />
Verabreichen von Opiaten<br />
oder nahezu allen anderen Sucht<br />
erzeugenden Substanzen)<br />
der Umgang mit Missbrauch und<br />
Todesfällen mit/durch Substitutionsmedikamenten<br />
(Schwarzmarkt)<br />
fehlende oder viel zu geringe Möglichkeiten,<br />
für Abhängige Ausbildungsund<br />
Arbeitsmöglichkeiten zu finden
»<br />
MIT UNSERER HILFE FÜHREN EINIGE PATIENTINNEN HEUTE EIN<br />
DROGENFREIES LEBEN.<br />
DARAUF SIND WIR STOLZ.<br />
▪<br />
▪<br />
keine Unterstützung durch eine<br />
Ambulanz an der psychiatrischen<br />
Universitätsklinik – keine stationären<br />
Intensivbetten für DrogenpatientInnen<br />
ständiges Bemühen, dass wir unsere<br />
ärztlichen Aktivitäten den übrigen<br />
90% unserer nichtabhängigen<br />
PatientInnen in gleichem Ausmaß<br />
und gleicher Qualität zukommen<br />
lassen.<br />
Wir haben für uns selbst einige Konsequenzen<br />
gezogen:<br />
▪<br />
▪<br />
Wir begrenzen unsere Arbeit mit<br />
DrogenpatientInnen auf maximal<br />
40 Patienten pro Arzt, auf 4 Kontakte<br />
pro Tag und ein Erstgespräch pro<br />
Woche (abgesehen von Notfällen)<br />
Wir bestehen auf eine Hausordnung<br />
mit pädagogischen und/oder finan-<br />
▪<br />
▪<br />
▪<br />
ziellen Sanktionen bei unentschuldigtem<br />
Entfall von Terminen, nicht<br />
vorhandenen Harnkontrollen, etc.<br />
Wir verordnen – bis auf vereinzelte<br />
Ausnahmen – keine Benzodiazepine<br />
Wir halten Teilerfolge für die eigentlichen<br />
Erfolge unserer Arbeit<br />
(wie auch bei anderen chronischen<br />
Erkrankungen nicht die Heilung<br />
ausschließlich im Vordergrund stehen<br />
kann): erfolgreiche Hepatitis<br />
C-Therapie, Teilentzug von einer<br />
Substanz, erfolgreiche Trauma/<br />
Missbrauchs/Gewalt-Bewältigung,<br />
erfolgreiche Arbeitssuche, Überleben<br />
…<br />
Wir sind stolz auf einige PatientInnen,<br />
die mit unserer Hilfe ein drogenfreies<br />
und auch sonst erfolgreiches<br />
Leben führen können.<br />
Gustav Mittelbach / Rainer Possert<br />
LITERATUR<br />
Bericht zur Drogensituation 2008, Gesundheit Österreich GmbH/ÖBIG/Gesundheitsministerium<br />
Stand der Drogenproblematik in Europa, Jahresbericht 2008, Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht<br />
Reviewing current practice in drug-substitution treatment in the European Union von EMCDD (European Monitoring Centre for Drugs and Drug<br />
Addiction) 2000<br />
Aus dem <strong>SMZ</strong>-über das <strong>SMZ</strong>:<br />
„Ganz normal eben“ soziokulturelle Aspekte des Alltags von SubstitutionspatientInnen (A.Huber-Turnusärztin <strong>SMZ</strong>)<br />
Die Effekte der psychosozialen Betreuung im Rahmen des Substitutionsprogramms in Graz (Eppich, Diplomarbeit 2003)<br />
„Suchtmittelkonsum und Substanzabhängigkeit in der Psychotherapie“-eine Zusammenschau verschiedener schulenspezifischer Ansätze (Höfler/Turnusärztin<br />
<strong>SMZ</strong>, Göttl, Czermak-2001,Propädeutikum Graz)<br />
Studie zur Lebenssituation von Substitutionspatienten (A.Mittelbach-2001-<strong>SMZ</strong> Graz - unveröffentlicht)<br />
group therapy with opiat addicts (G.Mittelbach/Possert,<strong>SMZ</strong>- Vortrag WONCA 2000,Wien)<br />
Opioidsubstitution-die Wirkung eines Ersatzdrogenprogramms für opioidabhängige Menschen (Lienbacher, Diplomarbeit 2000,Graz)<br />
FUSSNOTEN<br />
1<br />
Vincent DOLE/Marie NYSWANDER 1965<br />
2<br />
Grundlage: ein Gutachten der Wiener Medizinischen Fakultät 1985<br />
3<br />
Niederland und England 1968, Irland und Dänemark 1970, Finnland 1974, Italien 1975.<br />
4<br />
in Österreich waren es zuletzt bis zu 100 neue Infektionsfälle/Jahr (0-2% der spritzenden Abhängigen, in Graz derzeit nach telefonischem Rundruf<br />
noch keiner! - in Estland, Lettland und Portugal ist die Infektionsrate wesentlich höher. (europ.Drogenreport 2008 und europ. Substitutions-Report<br />
2000 der EMCDDA) Von dzt.1317 AIDS-Kranken in Ö sind 609 iv-drogenabhängig, Von bisher 1423 verstorbenen AIDS-PatientInnen/Ö sind 329 ivabhängig.<br />
5<br />
In Spanien, Italien, Griechenland, Finnland und Schweden werden Allgemeinmediziner kaum bis gar nicht eingesetzt, dort gibt es vor allem spezialisierte<br />
Zentren. In Frankreich ist jeder Arzt berechtigt, Buprenorphin (Subutex®) zu verordnen : über 70.000 PatientInnen, Methadon erhalten nur 10%<br />
der PatientInnen- vorwiegend höherschwellig in Zentren. In England erhalten ca. 10% der Abhängigen Methadon in Ampullenform.<br />
6<br />
Laut europ.Zahlen (Report 08) liegt die Sterblichkeit bei Opiatkonsumenten 6 bis 54 mal so hoch wie bei der Durchschnittsbevölkerung (durch<br />
Überdosierungen, Krankheiten, Selbstmord und Gewalttaten).Das Risiko einer tödlichen Überdosis ist bei Patienten in Substitutionsbehandlung 9x<br />
geringer als ohne Therapie (Brugal 2005). In England ist zwischen 1993 und 2004 die Methadon-Verschreibungsmenge um das 3,6fache gestiegen,<br />
die Todesfälle sind von 226 auf 194 zurückgegangen. Nach einer italienischen prospektiven Langzeit-Studie (Davoli 2007) lag das Sterblichkeitsrisiko<br />
vor der Behandlung 10mal höher als bei der Normalbevölkerung , in Behandlung war es nur noch 4mal so hoch, aber bei Therapie-Abbrechern stieg<br />
es auf das 20fache!<br />
7<br />
Bericht zur Drogensituation 2008 ÖBIG. Drogentote in Ö gab es 2006 197 und 2007 175 (in der Stmk 12 bzw 16- kein ausschließlich Opiat-Totermeist<br />
Mischintoxikation mit Alkohol, Beruhigungsmittel u.a. 89% der Drogentoten waren nicht in Substitutionsbehandlung.Ein erhöhtes Sterberisiko<br />
haben Pat. nach einer Entzugstherapie.<br />
8<br />
mündliche Mitteilung Ulf Zeder, Grazer Drogenkoordinator<br />
9<br />
Uhl-Springer 2007 Zeitraum 6-8/06 Vortrag 2007 Substitutionsforum Mundipharma/Mondsee<br />
10<br />
Psychosoziale und psychotherapeutische Maßnahmen erwiesen sich in Kombination mit einer Pharmakotherapie als wirksam , z. B. im Rahmen der<br />
Studien NTORS im Vereinigten Königreich (Gossop et al.,2002) und DATOS in den Vereinigten Staaten (Hubbard et al., 2003 –aus europ.Drogenbericht)<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
07
SOZIALARBEIT UND<br />
SUBSTITUTION<br />
08<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
Sucht beeinflusst den Körper, die Psyche<br />
und das soziale Umfeld und kann nicht ausschließlich<br />
medizinisch behandelt werden.<br />
Idealerweise beschränkt sich also die Substitutionstherapie<br />
nicht nur auf die Verabreichung<br />
von Medikamenten, sondern inkludiert<br />
auch eine psychosoziale Betreuung.<br />
Im <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong> wird dieses Idealbild<br />
Wirklichkeit.<br />
Gespräche mit den Sozialarbeiterinnen können<br />
für KlientInnen oft ganz unkompliziert<br />
nach einem Termin bei dem behandelnden<br />
Arzt stattfinden oder es werden auch so genannte<br />
„Dreiergespräche“ (PatientIn, Arzt<br />
und Sozialarbeiterin) ohne große organisatorische<br />
Schwierigkeit geführt.<br />
Suchtkranke können häufig nicht weit vorausplanen,<br />
deshalb ist es wichtig, dass das<br />
Beratungsangebot so nahe wie möglich<br />
vorhanden ist. Wenn PatientInnen vom Arzt<br />
gleich nebenan zur psychosozialen Betreuung<br />
vermittelt werden, erleichtert dies den<br />
Zugang enorm.<br />
WAS SIND DIE AUFGABEN DER SOZIALARBEIT?<br />
Die Beratungs- und Betreuungsinhalte können<br />
je nach individuellen Problemen sehr<br />
unterschiedlich sein.<br />
▪<br />
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Hilfestellung bei Kontakten mit Behörden<br />
Beratung und <strong>Info</strong>rmationsweitergabe<br />
in sozialrechtlichen Angelegenheiten<br />
Entlastungsgespräche<br />
Gespräche über persönliche Zielsetzung<br />
Gespräche über Schwierigkeiten mit der<br />
Umwelt aufgrund des Drogenkonsums<br />
beziehungsweise der Substitutionsbehandlung<br />
Arbeitsplatz und Ausbildung<br />
Stabilisierung der Wohnsituation<br />
Beziehungsprobleme<br />
Kinder<br />
Umgang mit dem Substitutionsmittel<br />
und den körperlichen Folgen, Beikonsum,<br />
Konsumverhalten legaler und illegaler<br />
Droge<br />
Die Sozialarbeit im <strong>SMZ</strong> unterstützt SuchtpatientInnen<br />
in Angelegenheiten, die das<br />
soziale Umfeld betreffen. Wir sorgen dafür,<br />
dass die KlientInnen eine adäquate Wohnmöglichkeit<br />
haben, unterstützen sie in der<br />
Jobsuche bzw. wenn eine Ausbildung angedacht<br />
wird oder vermitteln die KlientInnen<br />
in Überbrückungswerkstätten oder Arbeitstrainingsprogramme.<br />
Auch bieten wir Begleitung<br />
bei Behördenwegen und Unterstützung<br />
in gerichtlichen und strafrechtlichen<br />
Angelegenheiten an. Ebenso sind finanzielle<br />
Schwierigkeiten wie Schulden, eigene<br />
Kontoführung, Abklärung von finanziellen<br />
Ansprüchen, etc. und der Umgang mit Geld<br />
Thema in der Sozialarbeit. In speziellen Fällen<br />
besuchen wir unsere KlientInnen auch<br />
zu Hause.<br />
NEUE INTERESSEN FINDEN<br />
Wenn Drogenabhängige ins Substitutionsprogramm<br />
eintreten, fällt der Beschaffungsstress<br />
weg, sie haben daher mehr Zeit,<br />
mit der sie häufig nichts anfangen können.<br />
Durch die Ablösung von der Drogenszene<br />
kann eine Leere entstehen, die es zu füllen<br />
gilt, denn soziale Beziehungen außerhalb<br />
der Drogenszene sind meist nicht mehr vorhanden.<br />
Sozialarbeit kann Suchtkranken psychosoziale<br />
Unterstützung bieten, es müssen oft<br />
persönliche Interessen und Hobbies wiederentdeckt<br />
werden, wir bauen gemeinsam<br />
eine Brücke ins soziale Leben und machen<br />
wieder Mut zur Kontaktaufnahme: z. B. zur<br />
Familie, zu alten Freunden oder anderen<br />
Menschen außerhalb der Drogenszene.<br />
Wir wollen unsere KlientInnen über Freizeitaktivitäten,<br />
durch die Arbeit, aber auch über<br />
betreutes Wohnen langsam wieder in die<br />
Gesellschaft zu integrieren.<br />
VERDRÄNGUNGSPROZESSE AUFARBEITEN<br />
Im Rahmen der Substitutionstherapie sind<br />
die PatientInnen meist in einem klareren Zustand.<br />
Wird das Substitutionsmedikament<br />
wie verordnet eingenommen, hat der/die<br />
PatientIn kein Rauschgefühl mehr und ist
»<br />
DIE BERATUNGS- UND BETREUUNGSINHALTE<br />
KÖNNEN JE NACH INDIVIDUELLEN PROBLEMEN<br />
SEHR UNTERSCHIEDLICH SEIN.<br />
nicht mehr benommen. So wird die eigene<br />
Befindlichkeit besser wahrgenommen.<br />
Probleme, die früher mit der Droge verdrängt<br />
wurden, treten wieder ans Tageslicht.<br />
Die Folgen: Beikonsum anderer Suchtmittel<br />
oder intravenöser Missbrauch des Substitutionsmedikaments.<br />
So ist auch die sozialarbeiterische<br />
Betreuung dazu da, KlientInnen<br />
darin zu unterstützen, neue Methoden<br />
– ohne Drogen - zu entwickeln, um mit Problemen<br />
umzugehen. Ergänzend zur Sozialarbeit<br />
kommt hierbei der Psychotherapie<br />
eine wesentliche Rolle zu, die ebenfalls im<br />
<strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong> angeboten wird.<br />
DISKRIMINIERUNG<br />
Suchtkranke werden in unserer Gesellschaft<br />
oft diskriminiert. Immer wieder wird ihnen<br />
vermittelt, dass sie nichts wert sind, viele<br />
Patienten zweifeln daher oft an sich selbst.<br />
Die Gespräche mit den SozialarbeiterInnen<br />
dienen dazu, eigene Stärken und Talente<br />
zu entdecken, das Selbstbewusstsein zu<br />
steigern und den KlientInnen zu einem selbständigen,<br />
autonomen Leben zu verhelfen.<br />
Durch ein höheres Selbstbewusstsein kann<br />
die Angst vor dem Scheitern und Versagen<br />
verringert werden.<br />
INDIVIDUELLE BERATUNG UND BEGLEITUNG<br />
Sozialarbeiterische Unterstützung richtet<br />
sich immer nach den Bedürfnissen der<br />
KlientInnen und kann deshalb sehr unterschiedlich<br />
sein.<br />
Sozialarbeit ist wichtig, damit die Ziele der<br />
Substitutionstherapie, wie eine soziale Reintegration<br />
oder eine berufliche und soziale<br />
Stabilisierung, erreicht werden können.<br />
Deshalb gehen wir im <strong>SMZ</strong> mit gutem Beispiel<br />
voran und bieten Suchtkranken eine<br />
umfassende Betreuung, die nachweislich<br />
zu schönen Erfolgserlebnissen verhilft.<br />
Für PatientInnen, die intravenösen Konsum<br />
betreiben, gibt es auf Anfrage Safer-Use-<br />
Tipps in unserem Zentrum, wodurch diverse<br />
Folgeschädigungen des intravenösen<br />
Konsums verhindert bzw. reduziert werden<br />
können.<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
09
LEITFADEN FÜR NEUE<br />
PATIENTINNEN<br />
1. VEREINBAREN SIE EINEN TERMIN FÜR EIN<br />
ERSTGESPRÄCH MIT EINER SOZIALARBEITERIN.<br />
(Telefonnummer: 0316/ 42 81 61)<br />
2. GEMEINSAM MIT DER SOZIALARBEITERIN IST<br />
EIN FRAGEBOGEN AUSZUFÜLLEN, damit wir uns<br />
ein umfassendes Bild von Ihrer Lebenssituation<br />
machen können.<br />
3. DIE SOZIALARBEITERIN ERKLÄRT IHNEN UNSE-<br />
RE BEHANDLUNGSBEDINGUNGEN.<br />
Wenn eine ärztliche Behandlung in unserem<br />
Zentrum möglich ist und Sie den Bedingungen<br />
zustimmen, wird nach dem Erstgespräch<br />
ein Termin beim Arzt vereinbart.<br />
4. FÜR DAS ERSTE ARZTGESPRÄCH SIND INSGE-<br />
SAMT 105 € ZU BEZAHLEN.<br />
50 € sind bereits als Anzahlung zu leisten,<br />
bevor der Termin stattfindet und 55 € sind<br />
am Tag des Arzttermins zu bezahlen.<br />
Die Anzahlung dient als Sicherheit dafür,<br />
dass der Termin auch eingehalten wird, weil<br />
wir aus Erfahrung wissen, dass Termine<br />
sonst häufig nicht wahrgenommen werden.<br />
Im Betrag ist ein Harntest inkludiert und vom<br />
Arzt wird ein kostenpflichtiges Gutachten<br />
erstellt. ANSCHLIESSEND IST DIE BEHANDLUNG<br />
KOSTENLOS, SOFERN SIE IHRE E-CARD MITGE-<br />
BRACHT HABEN UND KRANKENVERSICHERT<br />
SIND.<br />
3. IM ERSTEN ARZTGESPRÄCH WIRD FESTGE-<br />
STELLT WELCHE FORM DER ÄRZTLICHEN BE-<br />
HANDLUNG FÜR SIE PASSEND ERSCHEINT: ob<br />
Sie z.B. für eine Substitutionsbehandlung<br />
geeignet sind oder eher ein ambulanter Entzug<br />
das Richtige für Sie ist. (Üblicherweise<br />
wird mit Methadon oder Buprenorphin substituiert.)<br />
KÖNNEN TÄGLICHE ARZTTERMINE VEREINBART<br />
WERDEN, DIE VERPFLICHTEND EINZUHALTEN<br />
SIND.<br />
7. WENN SIE SUBSTITUIERT WERDEN, SIND SIE<br />
AUCH VERPFLICHTET, MONATLICH VOR JEDEM<br />
NEUEN DAUERREZEPT EINE HARNPROBE ABZU-<br />
GEBEN.<br />
Sie können dies (mit einer Überweisung)<br />
kostenlos beim Labor Lorenz & Petek GmbH<br />
Körösistraße 19, 8010 Graz, erledigen. Bis<br />
das Ergebnis im <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong> ankommt,<br />
kann es allerdings eine Woche dauern, was<br />
für den Abgabezeitpunkt zu bedenken ist!<br />
Für 20 € können Sie auch direkt beim Arzttermin<br />
in unserer Praxis eine Harnkontrolle<br />
machen lassen. Die Krankenkasse bezahlt<br />
diese Harntests nicht.<br />
8. NACH DER ANFANGSPHASE SIND ÜBLICHER-<br />
WEISE MONATLICHE ARZTTERMINE EINZUHAL-<br />
TEN. Gegebenenfalls kann der Arzt aber<br />
auch jederzeit Kontrolltermine vereinbaren,<br />
die einzuhalten sind.<br />
9. DA WIR IN DER REGEL 20MINÜTIGE TERMINE<br />
FÜR SUCHTPATIENTINNEN EINPLANEN, WIRD<br />
FÜR UNENTSCHULDIGT VERSÄUMTE ARZTTER-<br />
MINE EINE AUSFALLS-ENTSCHÄDIGUNG VON <br />
20 € EINGEHOBEN, weil sich für unsere Praxis<br />
nicht verrechenbare Leerzeiten daraus<br />
ergeben.<br />
10. ZUSÄTZLICH WIRD EIN BEHANDLUNGSVER-<br />
TRAG ZWISCHEN ARZT, SOZIALARBEITERIN<br />
UND PATIENTIN ABGESCHLOSSEN, in dem auf<br />
allgemein rechtliche Bedingungen hingewiesen<br />
wird und individuelle Bedingungen<br />
vereinbart werden können.<br />
10<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
5. BEIM ERSTEN ARZTTERMIN IST EINE BLUTUN-<br />
TERSUCHUNG DURCHZUFÜHREN, um den allgemeinen<br />
Gesundheitszustand zu erheben<br />
(insbesondere Leberwerte, um eine mögliche<br />
Hepatitis C festzustellen)<br />
6. IN DER ANFANGSPHASE (CA. 2 WOCHEN)
EINE WAHRE GESCHICHTE ...<br />
12<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
Daniel lebte zusammen mit seinen Eltern<br />
und seinem jüngeren Bruder in einem Einfamilienhaus<br />
am Rande von Graz. Die Lehrer<br />
beschrieben Daniel stets als unauffällig und<br />
bezeichneten ihn als guten Schüler einer<br />
netten Familie. Mit 15 Jahren kam Daniel<br />
aufgrund seiner herausragenden sportlichen<br />
Begabung an die Sporthauptschule.<br />
Zum damaligen Zeitpunkt begann auch Daniels<br />
Drogenkarriere. Er lernte neue Leute<br />
kennen und war mehr unterwegs. Mit 15<br />
konsumierte er Substanzen wie Cannabis<br />
und Ecstasy. Das Interesse an Sport wurde<br />
weniger, die Drogen hingegen wurden<br />
immer interessanter. MIT 16 JAHREN SETZTE<br />
SICH DANIEL SEINEN ERSTEN SCHUSS HEROIN.<br />
ES DAUERTE NICHT LANGE UND ER BRAUCHTE<br />
DEN STOFF TÄGLICH.<br />
Immer häufi ger musste er Geld aus Mamas<br />
Brieftasche stehlen, um sich seine Sucht<br />
fi nanzieren zu können. Papa ertrank den<br />
Kummer, den ihm sein Sohn zufügte, in Alkohol<br />
und wurde mehr und mehr aggressiv.<br />
Nach und nach verfl og das idyllische Familienglück.<br />
Daniel wurde älter und irgendwann waren<br />
seine Eltern nicht mehr für ihn da. Sie ertrugen<br />
die Tatsache nicht, dass ihr Sohn, der<br />
doch immer alles bekommen hat, ein „Drogenjunkie“<br />
war. Ihre Hilfl osigkeit ging über<br />
in ein Gefühl von Ohnmacht. Sie konnten<br />
ihm keine Hilfe mehr bieten. Mehr und mehr<br />
verbrachte Daniel die Zeit bei Freunden und<br />
auf der Straße. Um seine Sucht zu fi nanzieren,<br />
beging er einige Diebstähle und kam<br />
mit 17 Jahren das erste Mal mit dem Gesetz<br />
in Konfl ikt.<br />
Mit 18 ist er fest entschlossen, seiner Sucht<br />
ein Ende zu setzen. Er durchläuft mehrere<br />
Therapieeinrichtungen. Immer wieder ist<br />
die Rede von „erfolgreich abgeschlossenen<br />
Therapien“, doch die „Erfolge“ hielten meist<br />
nicht lange an, Rückschläge waren die Folge.<br />
Daniel versuchte, auf die Drogen zu verzichten.<br />
Um nicht wieder in Versuchung zu<br />
geraten, gab er auch seinen Freundeskreis<br />
auf, der sich ebenso in der Drogenszene be-<br />
fand. EIN GEFÜHL VON INNERER LEERE MACHTE<br />
SICH BREIT, DAS DANIEL WIEDER MIT DEM KON-<br />
SUM VON DROGEN ZU FÜLLEN VERSUCHTE.<br />
Dann hörte Daniel von der Substitutionstherapie.<br />
Er ließ sich mit 19 Jahren ins Programm<br />
aufnehmen. Nun, vier Jahre später,<br />
ist Daniel 23 Jahre alt. Er befi ndet sich weiterhin<br />
in Substitutionsbehandlung und füllt<br />
seine innere Leere nun mit Substitol. Durch<br />
die Toleranzentwicklung wird Daniels Zustand<br />
trotz Substitutionsmittel immer klarer.<br />
Ein Gefühl der Klarheit, dem Daniel nicht<br />
Stand halten kann, denn all seine Probleme<br />
und Belastungen kommen nun zum Vorschein,<br />
die er bislang erfolgreich mit Drogen<br />
verdrängte.<br />
Deshalb konsumiert Daniel zu seinem Substitutionsmittel<br />
heute auch Benzodiazepine<br />
(Beruhigungsmittel), um dem Gefühl der<br />
Klarheit zu entkommen und sein problembelastetes<br />
Leben zu ertragen. Die Wochenend-Rationen<br />
an Substitutionsmittel konsumiert<br />
Daniel intravenös, um ein Glücksgefühl<br />
herbeizuführen, in dem er all seine<br />
Probleme vergessen kann.<br />
Daniels Ziel ist es auch heute noch, ohne<br />
Opiat auszukommen, doch er schafft es einfach<br />
nicht. Die Substitutionstherapie hat ihm<br />
geholfen, weg vom Konsum illegaler Drogen<br />
zu kommen. Er bekommt seine tägliche Ration<br />
des Suchtmittels in der Apotheke und<br />
muss sich nicht um die Beschaffung seiner<br />
Drogen kümmern. Doch es reicht ihm nicht.<br />
Daniel sitzt Tag für Tag zu Hause und fühlt<br />
sich schlecht. Er vermisst seine Freunde,<br />
er hat keine Beschäftigung und für einen<br />
Job am regulären Arbeitsmarkt fehlt ihm die<br />
Ausdauer.<br />
DANIEL WÜNSCHT SICH EIN „NORMALES“ LE-<br />
BEN, ARBEIT, FREUNDE, EINE PARTNERIN UND<br />
SPÄTER SEINE EIGENE FAMILIE. DOCH SCHAFFT<br />
ER ES ALLEINE NICHT. Um seine Ziele zu erreichen,<br />
ist eine medizinische Behandlung<br />
in Form einer bloßen Medikamentenabgabe<br />
nicht ausreichend.
Die geschilderte Lebensgeschichte soll diverse<br />
Probleme widerspiegeln, mit denen<br />
wir im <strong>SMZ</strong> in der Arbeit mit Suchtkranken<br />
immer wieder zu tun haben. Die PatientInnen<br />
fühlen sich zum Teil wertlos, weil sie<br />
keine Arbeit haben. Manche missbrauchen<br />
Substitutionsmedikamente intravenös, um<br />
aus der realen Welt in ein Gefühl wohliger<br />
Wärme zu entfliehen. Ein Teil der PatientInnen<br />
konsumiert zusätzlich Benzodiazepine,<br />
um in einem Gefühl der „Wurschtigkeit“ Probleme<br />
besser ertragen zu können.<br />
WIR IM <strong>SMZ</strong>-LIEBENAU BIETEN UNSEREN PATI-<br />
ENTINNEN EINE INDIVIDUELLE BETREUUNG, DIE<br />
ÜBER DIE MEDIZINISCHE BEHANDLUNG HIN-<br />
AUSGEHT UND NEHMEN UNS AUCH SEINER<br />
PSYCHOSOZIALEN BEDÜRFNISSE AN. Die Ärzte<br />
in unserem Zentrum, Dr. Rainer Possert<br />
und Dr. Gustav Mittelbach, lassen die Substitutionstherapie<br />
nicht zu einer bloßen Medikamentenvergabe<br />
verkommen. Bei uns<br />
werden ebenso Ziele, wie die Erlangung<br />
einer Arbeit, das Absolvieren einer Ausbildung,<br />
Schaffen von Perspektiven, der Aufbau<br />
sozialer Netzwerke, etc. berücksichtigt.<br />
Außerdem werden andere Therapiemöglichkeiten,<br />
ein ambulanter oder stationärer<br />
Entzug, Psycho- und Sozialtherapie oder<br />
auch Physiotherapie nicht außer Acht gelassen.<br />
Realistisch gesehen ist Opiatabhängigkeit<br />
eine chronische Krankheit, bei der es immer<br />
wieder zu Rückfällen kommen kann. Man<br />
spricht von einer oft lebenslangen psychischen<br />
Abhängigkeit. Ohne die Mitarbeit der<br />
PatientInnen und ohne individuelle Ziele,<br />
ohne persönliche Entscheidungen über die<br />
jeweiligen nächsten Schritte, wird eine Therapie<br />
scheitern.<br />
Dabei sind Teilziele wie Schuldenabbau, das<br />
Abschließen einer Ausbildung, Arbeitssuche,<br />
das Schaffen gesicherter Wohnverhältnisse,<br />
gegebenenfalls ein Benzodiazepin-<br />
Entzug und eine Hepatitis-C-Behandlung<br />
ebenso ernst zu nehmen, wie das große Ziel<br />
der Drogenfreiheit als Lebensperspektive.
AUS DEM ALLTAG DES <strong>SMZ</strong> LIEBENAU<br />
UND WIE DIE BEHANDLUNG VON OPIATABHÄNGIGEN MENSCHEN<br />
POSITIVE VERÄNDERUNGEN<br />
ERST MÖGLICH MACHT<br />
14<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
FALL 1<br />
MÄNNLICHER PATIENT AUS DER STEIERMARK<br />
VERMITTLUNG INS <strong>SMZ</strong><br />
Ein junger Patient wird von einem Psychiater<br />
an das <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong> überwiesen, weil<br />
dieser seit etwa eineinhalb Jahren Heroin<br />
und Substitol konsumiert. Begonnen hat<br />
alles, so berichtet uns der Patient Herr N.,<br />
aufgrund seiner Liebe zu einer Frau, die von<br />
Opiaten abhängig war und er auch wissen<br />
wollte, wie sich sein Bewusstsein unter diesen<br />
Drogen verändert. Eigentlich fühlt er<br />
sich nicht als typischer Süchtiger und möchte<br />
nun eine gute Behandlung haben. Seine<br />
Ziele sind sehr konkret: Wieder ein Leben<br />
aufbauen, wie er es schon gehabt hatte, mit<br />
eigener Wohnung, eigenem Fahrzeug und<br />
weiterhin einer guten Beziehung zu seiner<br />
Familie. Auf die Frage, ob denn auch schon<br />
bald ein Entzug in Frage käme, winkt er eher<br />
ab und möchte nur sich und seine finanziell<br />
schwierige Situation stabilisieren.<br />
KONFLIKTE ZU BEGINN<br />
Im Erstgespräch gibt er sich eher verschlossen<br />
und antwortet patzig. Bezüglich der<br />
Art, wie er die Drogen nimmt, rückt er dann<br />
jedoch heraus, dass er auch spritzt und in<br />
der Früh, vor unserem Gespräch, Cannabis<br />
und am Vorabend Benzodiazepine (Beruhigungsmittel)<br />
genommen hat.<br />
Nachdem einige klarstellende Gespräche in<br />
Bezug auf Regeln und die Konsequenzen<br />
daraus, wenn sie nicht eingehalten werden,<br />
geführt werden, bessert sich auch sein Befinden.<br />
Weil er eine gute Beziehung zu den<br />
Eltern hat, werden auch diese (mit dem Einverständnis<br />
des Sohnes) eingeladen, mit<br />
dem behandelnden Arzt zu sprechen.<br />
NEUE ZIELE<br />
Die Wende, vorerst keinen Entzug zu machen,<br />
kommt vom Patienten selbst während<br />
eines Familienurlaubes schon nach einem<br />
Monat. Er entschließt sich sehr bewusst für<br />
eine Reduktion des ihm verordneten Methadon<br />
und führt sie auch sehr konsequent<br />
durch, bis er nach zwei Monaten einen ersten<br />
Rückfall hat.<br />
Davon läßt er sich aber nicht entmutigen,<br />
bespricht alles auch beim Arzt und kann so<br />
seinen ambulanten Entzug fortsetzen. In der<br />
Zwischenzeit sucht sich Herr N. nach einiger<br />
Zeit der Arbeitslosigkeit wieder einen<br />
Job, zwar nicht in seinem erlernten Beruf,<br />
hat aber immerhin endlich wieder ein geregeltes<br />
Einkommen!<br />
DURCHHALTEN<br />
Nach ein, zwei Ausrutschern spricht er im<br />
<strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong> nach gut sieben Monaten<br />
Behandlung von einer völligen Freiheit von<br />
Methadon und anderen Opiaten. Weiterhin<br />
kommt er zu regelmäßigen Gesprächsterminen,<br />
die ihm den Rücken stärken und um<br />
eventuell noch auftretende Entzugssymptome<br />
behandeln zu können. Im April freut sich<br />
das Team des <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong> bei einer telefonischen<br />
Nachfrage noch immer von einem<br />
positiven, nach wie vor „cleanen“ Herrn N.<br />
zu hören und ist zuversichtlich, dass er sein<br />
Leben nun weiterhin im Griff haben wird.<br />
Wenn er jedoch weiterhin Unterstützung<br />
braucht, kann er sich jederzeit im <strong>SMZ</strong> zur<br />
weiteren Nachbetreuung melden.<br />
FALL 2<br />
JUNGE FRAU MIT HARTER LEBENSGESCHICHTE<br />
Die 20 Jährige Patientin kommt „frisch von<br />
der Strasse“ auf Empfehlung einer Freundin<br />
und wird mangels Kapazitäten des LSF im<br />
<strong>SMZ</strong> von Dr. Rainer Possert ambulant eingestellt.<br />
Die Anamnese erfolgt im Beisein<br />
des Turnusarztes. Zum Zeitpunkt des Aufnahmegespräches<br />
befindet sich die Patientin<br />
in einer Lehre und hat kein Geld mehr,<br />
um sich den weiteren Drogenkonsum zu<br />
finanzieren.<br />
WIE ALLES BEGANN<br />
Sie berichtet, dass sie seit dem 17. Lebensjahr,<br />
die ersten zwei bis drei Jahre nur durch<br />
die Nase, Heroin konsumiert und zusätzlich<br />
Cannabis raucht, Ecstasy und Kokain<br />
nimmt.
»<br />
ES HAT MIR SEHR GEHOLFEN, DASS ICH IMMER HERGEKOMMEN BIN ...<br />
Bis zur Schulzeit hatte die Patientin eine<br />
stabile Kindheit, nach der Scheidung der<br />
Eltern wuchs sie bei den Grosseltern auf,<br />
mehrere Schulwechsel. Im Alter von neun<br />
Jahren wurde sie vom Freund der Mutter<br />
sexuell missbraucht. Mit 16 Jahren besuchte<br />
die Patientin eine Schwesternschule. Im<br />
Rahmen der Ausbildung erfolgt eine Thematisierung<br />
des sexuellen Missbrauchs und<br />
nach einem Gespräch mit ihrer Vorgesetzten<br />
ließ sich die Patientin stationär aufnehmen.<br />
Der Täter wurde in Folge verurteilt.<br />
Nach der Entlassung bricht die Patientin die<br />
Ausbildung jedoch ab und beginnt eine Lehre,<br />
kommt in einen neuen Freundeskreis, in<br />
dem Drogen konsumiert werden und beginnt<br />
selbst mit der Einnahme von Rauschmitteln.<br />
Mit 18 verschwindet ihr Großvater, zu dem<br />
sie eine gute Beziehung hat, er gilt nach wie<br />
vor als vermisst.<br />
VERÄNDERUNGEN<br />
Nach vielen Jahren der Betreuung hat sich<br />
das Leben der jungen Frau zum positiven<br />
gewendet.<br />
Die heute 27 Jährige Patientin nimmt nach<br />
wie vor Methadon ein, findet eine regelmäßige<br />
Arbeit als Raumpflegerin in einer größeren<br />
Firma und kann dort aufgrund ihres<br />
Fleißes eine Lehre beginnen.<br />
Sie lebt zusammen mit einer Katze in einer<br />
kleinen Wohnung, erhält sich selbst, hat<br />
Kontakte zu Freundinnen, mit denen sie<br />
zusammen auf Urlaub fährt. Sie sieht die<br />
Großmutter, den Vater und den jüngeren<br />
Bruder regelmäßig, die Mutter jedoch hat<br />
den Kontakt zur Patientin abgebrochen.<br />
WAS HAT IHNEN AM MEISTEN GEHOLFEN?<br />
So fragte Dr. Possert die Patientin und bekam<br />
folgende interessante Antworten:<br />
– „dass ich Arbeit gekriegt habe und die<br />
Therapie“<br />
– „dass ich gewusst habe, dass ich immer<br />
herkommen kann“<br />
– „dass ich immer gerne hergekommen<br />
bin... mit den Assistentinnen plappern“<br />
– „offen über Rückfälle reden können,<br />
ohne Drohung aus dem Programm zu<br />
fliegen“<br />
– „Kontrolle am Anfang, auch die Arme<br />
herzeigen, auch wenn’s lästig war“<br />
– „anfangs war ich nur auf eins fixiert“ ...<br />
– „nach zirka einem Jahr habe ich gemerkt,<br />
dass es gut für mich ist, dass ich keinen<br />
Entzug habe, dass ich mir was aufbauen<br />
kann!“<br />
Heike Gremsl<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
15
NOVELLE DER SUBSTITUTIONSVERORDNUNG:<br />
ERFOLGREICHE ENTWICKLUNG ODER<br />
EINENGUNG DER BEHANDLUNG?<br />
16<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
AUSSCHNITT AUS EINEM INTERVIEW MIT DEM<br />
NATIONALEN DROGENKOORDINATOR: Über die<br />
Entwicklung der Substitutionstherapie in den<br />
letzten 2 Jahren und die aktuelle Situation in<br />
Österreich<br />
Im März 2007 sind die neue Substitutionsverordnung<br />
und die Weiterbildungsverordnung<br />
orale Substitution in Kraft getreten. Hat<br />
sich die Substitutionsbehandlung durch die<br />
neuen gesetzlichen Richtlinien verbessert?<br />
Können die Probleme, die mit der Substitution<br />
und der Sucht einhergehen, mittels einer<br />
Verordnung gelöst bzw. reduziert werden?<br />
Was zeigt sich heute, zwei Jahre nach dem<br />
Inkrafttreten der neuen rechtlichen Bestimmungen?<br />
Diese und mehr Fragen stellte das<br />
<strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong> dem nationalen Drogenkoordinator<br />
Dr. Franz Pietsch, die freundlicher<br />
Weise, umfassend beantwortet wurden. Hier<br />
erscheint ein Ausschnitt des Interviews, die<br />
vollständige Version kann auf Anfrage unter<br />
smz@smz.at angefordert werden.<br />
<strong>SMZ</strong>: Konnten der Missbrauch und die<br />
Schwarzmarktproblematik seit Inkrafttreten<br />
der neuen Verordnung in den letzten zwei<br />
Jahren nachweisbar eingedämmt werden?<br />
Dr. Pietsch: Erste Auswertungen der zuständigen<br />
Stellen im Innenministerium belegen,<br />
dass bundesweit, insbesondere 2007 aber<br />
auch 2008, ein Rückgang in Bezug auf den<br />
Medikamentenhandel festgestellt werden<br />
kann. Ob sich dieser Trend verstärken wird,<br />
werden die Erfahrungen in den kommenden<br />
ein bis zwei Jahren zeigen.<br />
<strong>SMZ</strong>: Wie hat sich die Verordnung auf die<br />
Laissez-faire-Verschreibung von substituierenden<br />
ÄrztInnen ausgewirkt? Unserer<br />
Erfahrung nach ging die Verschreibung von<br />
retardierten Morphinen in Graz seit 2007 zurück.<br />
Dr. Pietsch: Soweit entsprechende Auswertungen<br />
anhand der in der Substitutionsdatenbank<br />
abrufbaren Daten möglich sind,<br />
zeigt sich insbesondere bei den Neubehandlungen,<br />
ein Rückgang bei der Verschreibung<br />
von retardierten Morphinen. Berücksichtigt<br />
man jedoch die Gesamtbehandlungen, also<br />
bisherige Behandlungen einschließlich der<br />
Neu- und Erstbehandlungen, so zeigt sich<br />
ein Anteil von bis zu knapp 60% bei den Verschreibungen<br />
von retardierten Morphinen in<br />
Relation zu den übrigen verordneten Arzneimitteln.<br />
Während etwa in Vorarlberg oder Tirol, also<br />
im Westen Österreichs, die Verschreibung<br />
von retardierten Morphinen rückläufig ist,<br />
zeigt sich in Wien bei den Gesamtbehandlungen<br />
kein diesbezüglicher Rückwärtstrend.<br />
Richtig ist auch, dass PatientInnen aus den<br />
Bundesländern, die oftmals auch in Wien<br />
substituiert werden, retardierte Morphine<br />
verordnet erhalten.<br />
Dem BMG ging es jedoch nicht primär um<br />
eine Zurückdrängung der Verschreibungspraxis<br />
bei den retardierten Morphinen, sondern<br />
sollte im Rahmen einer jedenfalls anzustrebenden<br />
Therapie- und Behandlungsfreiheit<br />
in dieser primär medizinischen Fragestellung<br />
in erster Linie und in Zusammenhang mit der<br />
Anwendungssicherheit bzw. Schwarzmarktproblematik<br />
dem Aspekt der Arzneimittelsicherheit<br />
in besonderer Weise Rechnung getragen<br />
werden; dies ist durch das Erfordernis<br />
einer supervidierten Behandlung einerseits,<br />
wie auch durch strengere Mitgabe- und Abgaberegelungen<br />
diese Arzneimittelspezialität<br />
betreffend, andererseits ebenso wie mit den<br />
damit einhergehenden insgesamt verbesserten<br />
Kontrollmöglichkeiten gelungen.<br />
<strong>SMZ</strong>: Ist die Befürchtung eingetreten, dass<br />
mit den strengeren Abgabe- und Mitgaberegelungen<br />
der Zugang in die Substitutionsbehandlung<br />
erschwert wurde?<br />
Dr. Pietsch: Bereits wenige Monate nach<br />
Inkrafttreten der Novelle zur Suchtgiftverordnung<br />
war in Wien festzustellen, dass knapp<br />
500 DrogenpatientInnen/KlientInnen mehr in<br />
der Substitutionsbehandlung erfasst worden<br />
sind als in den Monaten vor März 2007. Nach<br />
meinem <strong>Info</strong>rmations- und Wissensstand<br />
sind also diese Befürchtungen nicht eingetreten<br />
oder zu belegen. Allerdings gilt es<br />
noch mehr alle Anstrengungen zu unternehmen,<br />
um die Anzahl der in der Substitutionsbehandlung<br />
befindlichen PatientInnen weiterhin<br />
zu erhöhen. Dies deswegen, weil von<br />
den nach den Prävalenzschätzungen betroffenen<br />
knapp 30.000 problematischen Dor-
genkonsumentInnen lediglich knapp 10.000<br />
sich in Substitutionsbehandlung befinden;<br />
also finden fast 2/3 dieser Drogenabhängen<br />
nicht im Rahmen einer Substitutionsbehandlung<br />
eine entsprechende Betreuung.<br />
<strong>SMZ</strong>: Eine weitere Befürchtung richtete sich<br />
dahingehend, ob sich die verschärften Mitgabebestimmungen<br />
hinderlich auf die Berufstätigkeit<br />
der PatientInnen auswirken könnten.<br />
Gibt es dazu Zahlen?<br />
Dr. Pietsch: Wenn überhaupt, dann gibt es<br />
Statistiken über die berufliche Situation von<br />
Substituierten nur sehr regional oder lokal<br />
begrenzt. Eine systematische Erfassung,<br />
noch dazu bundesweit, ist bislang nicht erfolgt,<br />
wäre aber meines Erachtens nach hilfreich<br />
und zielführend. (…)<br />
<strong>SMZ</strong>: Unsere Erfahrungen zeigen, dass sich<br />
immer mehr junge SubstitutionspatientInnen<br />
in Frühpension geschickt werden, was wir<br />
als durchaus kritisch empfinden, wenn man<br />
die berufliche Integration als Ziel der Substitutionstherapie<br />
nicht aus den Augen verliert.<br />
Unsere SubstitutionspatientInnen werden<br />
vom AMS kaum vermittelt. Zu dieser Stigmatisierung<br />
kommt auch ein Mangel an arbeitsrehabilitativen<br />
Maßnahmen für Substituierte.<br />
Dr. Pietsch: Berufliche Integration als Ziel<br />
der Substitutionstherapie muss Hauptanliegen<br />
aller Verantwortungs- und Entscheidungsträger<br />
sein. Es ist richtig, dass gerade<br />
SubstitutionsklientInnen insbesondere in<br />
Zeiten von ohnedies hoher Arbeitslosigkeit<br />
auf noch mehr Schwierigkeiten stoßen, entsprechende<br />
Arbeitsplätze vermittelt zu bekommen.<br />
Hier sind alle in die Substitutionsbehandlung<br />
eingebundenen Berufsgruppen<br />
gefordert, durch <strong>Info</strong>rmationen, Vernetzungserfordernisse,<br />
etc. zusammenzuarbeiten, um<br />
auf Basis eines gemeinsamen Verständnis<br />
dieser besonderen Problemlage und durch<br />
Setzen von gezielten sozialintegrativen und<br />
arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen diese<br />
von der Arbeitslosigkeit besonders betroffenen<br />
Personengruppe zu helfen und sie in<br />
ihren Bemühungen um einen Arbeitsplatz zu<br />
unterstützen. (…)<br />
<strong>SMZ</strong>: Was ist auf politischer Ebene in dieser<br />
Richtung geplant?
NOVELLE DER SUBSTITUTIONSVERORDNUNG: ERFOLGREICHE ENTWICKLUNG<br />
ODER EINENGUNG DER BEHANDLUNG?<br />
FORTSETZUNG<br />
18<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
Dr. Pietsch: Sowohl im Bundesdrogenforum<br />
als auch in den jeweils mitbetroffenen<br />
Ressorts wird ein Dialog mit Berufsgruppen,<br />
Interessensvertretungen, NGOs, dem AMS,<br />
etc. geführt, um alle Möglichkeiten der beruflichen<br />
(Re-)Integration effizienter gerecht<br />
werden zu können. (..)<br />
<strong>SMZ</strong>: Nicht nur ein Rückgang an PatientInnen,<br />
sondern auch ein Rückgang substituierender<br />
ÄrztInnen wurde mit Inkrafttreten der<br />
Weiterbildungsverordnung befürchtet?<br />
Dr. Pietsch: Es ist richtig, dass insbesondere<br />
in Oberösterreich aber auch Niederösterreich<br />
und Teilen der Steiermark auf Grund<br />
der in der Weiterbildungsverordnung vorgeschriebenen<br />
Ausbildungsstunden ein Rückgang<br />
an substituierenden ÄrztInnen festgestellt<br />
werden musste. Dies aber allein auf die<br />
Vorgaben in der Weiterbildungsverordnung<br />
zurückzuführen wäre insofern unrichtig dargestellt,<br />
als letztlich auch andere Umstände<br />
hiefür, wie z.B. die nach wie vor nicht bundesweit<br />
mögliche Leistungshonorierung für substituierende<br />
ÄrztInnen, umgesetzt werden<br />
konnte. Hiefür zeichnen die Sozialversicherungen<br />
im Rahmen ihrer Selbstverwaltung<br />
verantwortlich; neben Wien erfolgt bisher seit<br />
Inkrafttreten der Weiterbildungsverordnung<br />
nur noch in Tirol und Oberösterreich eine –<br />
unterschiedlich gestaltete – Honorabgeltung.<br />
Ziel muss es sein, österreichweit eine solche<br />
Leistungshonorierung zu ermöglichen bzw.<br />
zu erhalten.<br />
Seitens des BMG ist geplant, im Zuge der<br />
Novellierung der Weiterbildungsverordnung<br />
aber auch die Stundenanzahl an Ausbildung<br />
für die bloß weiterbehandelnden ÄrztInnen<br />
zu reduzieren. Demnach würden künftig nur<br />
noch die indikationstellenden und einstellenden<br />
ÄrztInnen die Gesamtausbildung absolvieren<br />
müssen; bloß weiterbehandelnde ÄrztInnen<br />
könnten sich in Hinkunft einer wesentlich<br />
verkürzten Ausbildung unterziehen. (…)<br />
<strong>SMZ</strong>: Unserer Erfahrung zufolge ist die Verschreibung<br />
von Benzodiazepinen nach wie<br />
vor ein großes Problem in Graz. Viele SubstitutionspatientInnen<br />
weisen eine zusätzliche<br />
Benzodiazepin-Abhängigkeit auf und be-<br />
kommen von diversen HausärztInnen massenhaft<br />
„Benzos“ verschrieben. Wie gehen<br />
Sie mit diesem Problem in Wien um? Gibt es<br />
dahingehend nationale Pläne?<br />
Dr. Pietsch: Die Benzodiazepin-Abhängigkeit<br />
stellt österreichweit ein immer mehr und<br />
mehr zu berücksichtigendes Problem in der<br />
Zusammenschau mit Fragen der Substitutionsbehandlung<br />
dar. Derzeit erarbeitet die<br />
Landesdrogenkoordination Wien gemeinsam<br />
mit Vertretern der Österreichischen<br />
Ärztekammer, der Österreichischen Apothekerkammer,<br />
dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger<br />
und Vertretern des<br />
Bundesministeriums für Gesundheit eine<br />
Grundlage für Behandlungsstandards bei<br />
Drogenabhängigkeit. Best-practise-Modelle<br />
und unterschiedliche Erfahrungen dazu<br />
sollen dieser besonderen Problemstellung<br />
Rechnung tragen und Antworten auf damit<br />
einhergehende Fragen im Zusammenhang<br />
mit dem Beikonsum in der Substitutionsbehandlung<br />
geben. Ich bin zuversichtlich, dass<br />
aus heutiger Sicht jedenfalls noch <strong>2009</strong> mit<br />
entsprechenden Ergebnissen in Bezug auf<br />
die Erfordernisse in der Substitutionsbehandlung<br />
gerechnet werden kann.<br />
<strong>SMZ</strong>: Sollten in der Substitutionstherapie<br />
die medizinische Behandlung und die psychosoziale<br />
Betreuung nicht gleichwertig gesehen<br />
werden? Die psychosoziale Schiene<br />
fand jedoch bislang keinen Eingang in die<br />
Verordnung.<br />
Dr. Pietsch: Die angesprochene „psychosoziale<br />
Schiene“ findet ihre Grundlage im<br />
Suchtmittelgesetz selbst. Daher ist es nicht<br />
erforderlich, die psychosoziale Betreuung als<br />
gleichwertige Profession auch direkt in der<br />
Verordnung selbst zum Ausdruck zu bringen.<br />
Es ist unbestritten, dass die psychosoziale<br />
Betreuung einschließlich der entsprechenden<br />
Sozialarbeit etc. einen unverzichtbaren<br />
Beitrag zur Qualitätsverbesserung und<br />
damit auch zur Zielerreichung der Substitution<br />
leistet. Entsprechende Vernetzung,<br />
Kooperation und nötigenfalls auch Koordination<br />
auf regionaler und lokaler Ebene erweisen<br />
sich hier in jedem Falle zielführend.
DAS <strong>SMZ</strong> IST EINE ANERKANNTE § 15 (SMG)<br />
EINRICHTUNG<br />
Personen, die entweder angezeigt worden<br />
sind (z.B. wegen Suchtmittelbesitz) oder<br />
straffällig wurden und diese Straftat im Zusammenhang<br />
mit einer Suchterkrankung<br />
steht, können die Aufl age bekommen, sich<br />
einer „gesundheitsbezogenen Maßnahme“<br />
zu unterziehen.<br />
Das österreichische Suchtmittelgesetz<br />
(SMG) besagt, dass für die Durchführung<br />
dieser Aufl agen insbesondere Einrichtungen<br />
heranzuziehen sind, die vom Bund für<br />
die Durchführung gesundheitsbezogener<br />
Maßnahmen beauftragt worden sind und<br />
als § 15 (SMG) Einrichtung anerkannt sind.<br />
Das <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong> ist eine dieser anerkannten<br />
Einrichtungen.<br />
Wer sich einer „gesundheitsbezogenen<br />
Maßnahme“ unterziehen muss, bestimmt<br />
entweder je nach Zuständigkeit in Folge einer<br />
Anzeige die Bezirkshauptmannschaft,<br />
die Staatsanwaltschaft oder das Gericht.<br />
Die betroffene Person muss mit der „gesundheitsbezogenen<br />
Maßnahme“ einverstanden<br />
sein. Wenn sie das nicht ist, läuft<br />
der normale Rechtsweg weiter (es kommt<br />
z.B. zu einer Anzeige, Verhandlung oder<br />
Haftstrafe).<br />
Die „gesundheitsbezogenen Maßnahmen“<br />
sind im § 11 SMG festgeschrieben:<br />
§11 SMG<br />
(2) Gesundheitsbezogene Maßnahmen<br />
sind<br />
1. die ärztliche Überwachung des Gesundheitszustands,<br />
2. die ärztliche Behandlung einschließlich<br />
der Entzugs- und Substitutionsbehandlung,<br />
3. die klinisch-psychologische Beratung und<br />
Betreuung,<br />
4. die Psychotherapie sowie<br />
5. die psychosoziale Beratung und Betreuung<br />
durch qualifi zierte und mit Fragen des<br />
Suchtgiftmissbrauchs hinreichend vertraute<br />
Personen.<br />
Wir bieten in unserem Zentrum außer der<br />
klinisch-psychologischen Beratung und Betreuung<br />
alle „gesundheitsbezogenen Maßnahmen“<br />
an.<br />
Für genauere <strong>Info</strong>rmationen stehen Ihnen<br />
unsere Sozialarbeiterinnen, DSA Heike<br />
Gremsl und Mag. (FH) Petra Steiner, gerne<br />
unter der Telefonnummer 0316/ 428161 zur<br />
Verfügung.<br />
BUCHTIPP<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
19
NEUE WEGE –<br />
BLEIBENDE BINDUNGEN<br />
Im März erhielt Dr. Gustav Mittelbach einen<br />
Brief eines langjährigen Patienten, der nun<br />
arbeitsbedingt im Ausland lebt. Wir fanden<br />
die Schilderungen so interessant und aufschlussreich<br />
in Bezug auf die Substitutionsbehandlung<br />
im <strong>SMZ</strong>, dass wir den Patienten<br />
baten, den Brief anonymisiert im <strong>SMZ</strong>-<strong>Info</strong><br />
veröffentlichen zu dürfen. Er willigte mit folgenden<br />
Worten ein: „Es würde mich sogar<br />
freuen, Patienten damit zu mehr Erfolg in<br />
ihrer Substitutionsbehandlung zu verhelfen<br />
bzw. Außenstehenden endlich einmal<br />
auch ein anderes Bild von dem ganzen<br />
Thema geben zu können.“<br />
An dieser Stelle sollen nun Auszüge aus<br />
dem Brief (Auslassungen werden durch<br />
Klammern gekennzeichnet) wiedergegeben<br />
werden:<br />
Sehr geehrter Herr Mittelbach,<br />
es sind nun ungefähr 9 Monate vergangen,<br />
seit dem ich das letzte Mal in Ihrer Praxis<br />
Platz nehmen durfte.<br />
Auf Grund der Tatsache, dass Sie mich<br />
durch 5 harte Jahre meines Lebens begleitet<br />
haben, bin ich Ihnen zumindest folgende<br />
Zeilen schuldig:<br />
Mittlerweile habe ich mich hier im Norden<br />
Deutschlands sehr gut eingefunden und bis<br />
jetzt kann ich meine Entscheidung, Graz zu<br />
verlassen, nicht bereuen. Natürlich musste<br />
ich auch viele Dinge zurück lassen, die<br />
mir nun nur noch mehr am Herzen liegen,<br />
aber alleine die Tatsache, 1100 km weit weg<br />
Menschen zu haben, die für dich da sind,<br />
war und ist ein schönes und bestärkendes<br />
Gefühl!<br />
Nachdem ich nun also im Juli Graz hinter<br />
mir gelassen habe, durfte/musste ich 4 Monate<br />
in einem bzw. drei verschiedenen Hotels<br />
verbringen.<br />
Im November 2008 konnte ich endlich nach<br />
kurzer Suche - die erste war die Beste<br />
- in eine nette Wohnung ziehen und mich<br />
schlussendlich auch eher zu Hause fühlen.<br />
Meine neue Tätigkeit […] hat mich bis jetzt<br />
ehrlich gestanden viel Kraft gekostet (15<br />
Kilo abgenommen), jedoch wachse ich fast<br />
täglich und bekomme eigentlich nur positive<br />
Rückmeldungen unserer Kunden. […]<br />
Bevor ich dann zum "medizinischen" Teil<br />
komme, möchte ich Ihnen noch berichten,<br />
dass auch ich einer glücklichen Cyberlove<br />
zum Opfer gefallen bin. Nachdem ich die<br />
ersten Monate hier […] verständlicher Weise<br />
etwas einsam war und ich regelrecht nur<br />
gearbeitet, gegessen und geschlafen habe,<br />
machte ich mir das Internet zum Nutzen<br />
und meldete mich bei einem Singleportal<br />
an. […] Wenn ich ehrlich sein soll, könnte<br />
ich noch viele Seiten darüber schreiben,<br />
wie unbeschreiblich schön, harmonisch und<br />
vor allem total unterschiedlich zu allem vorangegangenen<br />
diese Verbindung zu dieser<br />
Frau ist, aber die Zeit habe ich nun leider<br />
auch nicht! :-)
»<br />
ICH BEDANKE MICH GANZ HERZLICH, DASS SIE MICH VON ANFANG BIS<br />
„ENDE" BEGLEITEN KONNTEN UND DASS ICH JETZT DER BIN,<br />
DER ICH BIN.<br />
Nun zu der Sache, durch die wir uns eigentlich<br />
kennengelernt haben: Nachdem [die<br />
Stadt, in der ich nun lebe] etwas größer ist<br />
als Graz, habe ich über das Gesundheitsamt<br />
einen Arzt im selben Bezirk, in dem auch<br />
mein Arbeitsplatz ist, gefunden und auch<br />
eine Apotheke ist nicht weit. Allerdings ohne<br />
Auto sind es auch einige Meter. Auf jeden<br />
Fall ist die Nähe zur Arbeit ein großer Vorteil,<br />
jedoch verfügt der mich nun betreuende<br />
Arzt nicht über die Kenntnisse, die<br />
Sie haben bzw. über die er für die Substitutionsbetreuung<br />
meiner Meinung nach<br />
verfügen sollte. Kurz gesagt dauern die<br />
Sprechstunden mit ihm nie länger als 5<br />
Minuten und eine therapeutische Betreuung<br />
ist nicht wirklich vorhanden.<br />
Abgesehen davon ist das deutsche System<br />
etwas anders und somit bin ich hier wöchentlich<br />
gezwungen, mein Rezept in der<br />
Ordination abzuholen, wobei es ausreicht,<br />
vorher anzurufen und ein paar Stunden<br />
später sich das Rezept von einer der Assistentinnen<br />
aushändigen zu lassen. Der Gang<br />
zum Gesundheitsamt fällt hier allerdings<br />
weg, dieser Weg ist in Deutschland nicht<br />
notwendig.<br />
Die Dosis erfolgt hier in Milliliter und ist angeblich<br />
etwas weniger als in Österreich.<br />
Derzeit bin ich mit 3,5 ml eingestellt, also<br />
wären das ca. 30 mg in Österreich.<br />
Die Apotheken sind nicht annähernd so<br />
gewissenhaft wie in Graz, was die datumsgenaue<br />
Reduzierung einer Dosis betrifft,<br />
wobei ich mittlerweile sicher bin, die<br />
schlechteste Apotheke in der ganzen Stadt<br />
erwischt zu haben. Da ich diese Wege während<br />
des Arbeitstages erledigen muss, habe<br />
ich es immer sehr eilig. Ich verweise immer<br />
schon 2-3 Wochen vor einer Umstellung,<br />
doch klappen tut es nie!<br />
Kurz gesagt gibt es einige Probleme in<br />
der tatsächlichen Behandlung der hier<br />
lebenden Patienten, denn die mehrmaligen<br />
längeren Gespräche mit Ihnen waren<br />
vor allem im Nachhinein viel wert, denn<br />
vor allem ohne private Stärkung ist ein<br />
Gespräch für unsere Art von Patienten<br />
sehr wichtig. […]<br />
Leider konnte ich noch nie die Zeit aufbringen,<br />
zu einem Psychotherapeuten zu gehen,<br />
wobei es mir eigentlich immer besser<br />
ergeht, dennoch würde ich gerne wieder<br />
mit Ärzten sprechen, die auf diesem Gebiet<br />
auch die nötige Erfahrung etc. haben.<br />
Meiner Freundin habe ich auf Grund der<br />
starken Gefühle nach drei Tagen meine gesamte<br />
Vergangenheit erzählt. […] Natürlich<br />
hilft mir ihre Akzeptanz auch sehr viel […].<br />
Außer Nikotin konsumiert sie nichts, hat es<br />
nie versucht und wird auch dabei bleiben.<br />
Dennoch würde es, wie schon erwähnt, mal<br />
gut tun, wieder mit Fachleuten über die ganze<br />
Sache zu sprechen!<br />
Hauptsächlich bin ich daran interessiert, bis<br />
Ende <strong>2009</strong> die wöchentlichen Wege zum<br />
Arzt usw. zu beenden und endlich die letzten<br />
Jahre zumindest in gewisser Hinsicht<br />
hinter mir zu lassen.<br />
Ich kann mit Bestimmtheit sagen, meine<br />
Krankheit immer mehr zu besiegen und teilweise<br />
muss ich zugeben, in dieser Zeit viel<br />
über mich, die Umwelt und die Menschen in<br />
einer Weise gelernt zu haben, die sehr viele<br />
„normale“ Personen in ihrem Leben niemals<br />
erfahren werden und worüber ich froh bin,<br />
es erlebt zu haben. […]<br />
In diesem Sinne möchte ich mich hiermit für<br />
die letzten Jahre der Betreuung ganz herzlich<br />
bei Ihnen bedanken, denn ich denke, es<br />
ist nicht grundlos, dass Sie mich von Anfang<br />
bis "Ende" begleiten konnten und dass ich<br />
jetzt der bin, der ich bin.<br />
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Worten etwas Einblick<br />
in mein derzeitiges Leben verschafft zu<br />
haben, wobei ich hoffe, bei meinem nächsten<br />
Besuch in Graz Ihnen wieder einmal gegenüber<br />
zu stehen, um meine Entwicklung<br />
persönlich berichten zu können.<br />
Für die Zukunft wünsche ich Ihnen beruflich<br />
wie privat alles erdenklich Gute und in diesem<br />
Sinne verbleibe ich<br />
Mit freundlichem Gruß<br />
L. F.<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
21
THERAPIE VON SCHWANGEREN<br />
OPIATABHÄNGIGEN –<br />
EINE SPEZIELLE HERAUSFORDERUNG<br />
Mit den Substitutionsbehandlungen ist es in<br />
den letzten Jahren gelungen, die deutlich<br />
erhöhte Sterblichkeit der opiatabhängigen<br />
PatientInnen zu reduzieren, ihre Lebenssituation<br />
zu stabilisieren, chronische Begleiterkrankungen<br />
zu erkennen und einer Behandlung<br />
zugänglich zu machen.<br />
Mit der zunehmenden Normalisierung ihrer<br />
Lebensumstände gehen Betroffene auch<br />
wieder längere Beziehungen ein, sie wollen<br />
Kinder, häufig „passiert einfach“ eine<br />
Schwangerschaft, weil die opiatbedingt fehlende<br />
Menstruation Frauen in Sicherheit<br />
wiegt, nicht schwanger werden zu können.<br />
Risikoreiches Verhalten gehört für viele<br />
zum „Szeneverhalten“ dazu: trotz HIV-Warnungen<br />
werden Nadeln und Filter getauscht<br />
und kaum jemand verwendet Kondome.<br />
Daher kommt es in der Steiermark immer<br />
wieder (ca. 4 bis 10 Mal/Jahr) vor, dass opiatabhängige<br />
Frauen schwanger werden. Einige<br />
dieser Schwangeren oder jungen Mütter<br />
mit ihren Kindern landen auch bei uns<br />
im <strong>SMZ</strong>.<br />
Gerade in diesen Fällen ist unsere interdisziplinäre<br />
Arbeit sehr sinnvoll: nicht nur<br />
innerhalb unseres Teams ist eine enge Kooperation<br />
nötig, wir halten einen ständigen<br />
Austausch zwischen Frauen- und Kinderklinik,<br />
Jugendamt, Erziehungshilfe, Pflegeeltern<br />
und FrühförderInnen aufrecht.<br />
Die reinen Opiatfolgen für die Neugeborenen<br />
betreffen vorwiegend die Entzugssituation<br />
in den ersten Lebenswochen. Opiate<br />
allein verursachen laut Kinderklinik überraschenderweise<br />
keine bleibenden Folgeschäden,<br />
diese sieht man vor allem beim<br />
Konsum von Kokain, Alkohol und Nikotin in<br />
der Schwangerschaft.<br />
Die psychosozialen Lebensumstände der<br />
Familien und ihr fortgesetzter zusätzlicher<br />
Drogen- und Schlaftablettenkonsum führen<br />
aber leider dazu, dass etwa nach längeren<br />
Erfahrungen in Wien, bis zum 6. Lebensjahr<br />
in fast 50% der Fälle den Eltern die Obsorge<br />
ihrer Kinder entzogen werden muss.<br />
Die Familien sind in dieser Zeit natürlich<br />
einer großen Belastung ausgesetzt, unter<br />
ständiger Beobachtung vieler unterschiedlicher<br />
Helfer ein normales Familienleben zu<br />
führen, ihre finanzielle Situation zu regeln,<br />
eine Ausbildung oder Arbeit zu finden und<br />
einen wiederholten therapeutischen Drogenentzug<br />
zu starten.<br />
FAZIT: Je besser die familiäre Unterstützung<br />
und das soziale Netz der Betroffenen<br />
funktionieren, umso höher ist ihre<br />
Chance, Therapierfolge und bleibende<br />
Fortschritte zu erzielen.<br />
Gustav Mittelbach<br />
22<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
Literatur: „Evaluationsstudie über die Entwicklung von Kindern substanzabhängiger Mütter“: E.Berger,T.Elstner, S.Fiala-Preinsberger, aus: Opiatabhängigkeit, Springer Wien 2007.<br />
SÜCHTIG UND SCHWANGER?<br />
MONTAG, 28. SEPTEMBER <strong>2009</strong>, 19.00 – 21.00 UHR<br />
VERANSTALTUNGSRAUM DES SOZIALMEDIZINISCHEN ZENTRUMS LIEBENAU,<br />
LIEBENAUER HAUPTSTRASSE 102<br />
VERANSTALTUNGSTIPP<br />
Frau Univ. Prof. Dr. Gabriele Fischer, Leiterin der Drogenambulanz am AKH Wien, wird an<br />
diesem Abend das spezielle Konzept der Betreuung und Behandlung von schwangeren<br />
Frauen in der Drogenambulanz am AKH Wien vorstellen.
SUCHT UND DROGEN<br />
ALS REALER ALLTAG<br />
»<br />
WENN WIR DIE EMPFÄNGLICHKEIT FÜR DROGEN<br />
VERRINGERN WOLLEN, MÜSSEN WIR ZUERST DIE PERSÖNLICHKEIT DES<br />
KINDES UND DES JUGENDLICHEN VON KLEIN AUF STÄRKEN..<br />
GÜNTHER EBENSCHWEIGER<br />
Leiter der Polizeiinspektion Finanz mit 48 MitarbeiterInnen für den 6. Grazer Bezirk (Jakomini) zuständig.<br />
Leiter des „Österreichischen Zentrums für Kriminalprävention“, ein seit zehn Jahren bestehender gemeinnütziger Verein<br />
(www.aktiv4u.at), der sich mit den theaterpädagogischen Projekten „Mein Körper gehört mir“, „Die große Nein-Tonne“ und<br />
„Natürlich bin ich stark“ den Themen sexueller Missbrauch, Gewalt und Sucht/Drogen präventiv widmet.<br />
Kinder und Jugendliche sitzen auf der Polizeiinspektion,<br />
Einbruchsdiebstahl wird ihnen<br />
vorgeworfen. Sie haben Fahrräder, Handys<br />
und anderes „gestohlen“ – strafrechtlich als<br />
Einbruchsdiebstahl qualifiziert – haben Kellerabteile<br />
aufgebrochen und haben versucht<br />
diese Gegenstände zu Geld zu machen.<br />
Geld, das sie für den täglichen Drogenkonsum<br />
dringend brauchen.<br />
Beinahe täglich können wir als PolizistInnen<br />
so beobachten, welche verherende Auswirkungen<br />
der Drogenkonsum auf den Körper,<br />
die gesamte Persönlichkeit und das soziale<br />
Umfeld der Abhängigen hat.<br />
Auch für uns PolizistInnen eine Situation,<br />
mit der man als Einzelner nur schwer fertig<br />
wird. Die Hilflosigkeit, die Ohnmacht dieser<br />
Situation gegenüber ist nur schwer ertragbar,<br />
vor allem für Beamtinnen und Beamte,<br />
die selbst Kinder oder Jugendliche in diesem<br />
Alter haben.<br />
JEDE SUCHT HAT EINE GESCHICHTE<br />
Wenn wir die Empfänglichkeit für Drogen<br />
verringern wollen, müssen wir zuerst die<br />
Persönlichkeit des Kindes und des Jugendlichen<br />
von Klein auf stärken. Dazu gehört<br />
die Stärkung des Selbstwertgefühls, die<br />
Förderung von Ausdauer und Mut beim<br />
Verfolgen positiver, eigener Ziele, die Anleitung<br />
zur Kooperationsfähigkeit in Familie,<br />
Schule, Ausbildung und Freundeskreis,<br />
die Entwicklung von Einfühlungsvermögen<br />
sowie der Aufbau gefühlsmäßiger und kommunikativer<br />
Fähigkeiten, durch die Konflikte<br />
friedlich gelöst und tragfähige, lang dauernde<br />
Beziehungen entwickelt werden können.<br />
Das, was so selbstverständlich klingt, ist in<br />
unserer Gesellschaft scheinbar immer<br />
schwerer zu erreichen. Die meisten drogenabhängigen<br />
Kinder und Jugendlichen stammen<br />
aus Problem beladenen Familien, die<br />
sich trotz der Zugehörigkeit zu verschiedensten<br />
sozialen Schichten oftmals durch<br />
emotionale Isolation oder auch gescheiterte<br />
Sozialisationsprozesse auszeichnen.<br />
Junge Menschen im Übergang zwischen<br />
Kindheit und Erwachsensein sind auf der<br />
Suche nach ihrer persönlichen Identität.<br />
Dabei ist es für den Großteil dieser Jugendlichen<br />
von größter Bedeutung, dass sie als<br />
soziale Wesen Beachtung finden und nicht<br />
(einfach) übersehen werden.<br />
Um überhaupt wahrgenommen zu werden,<br />
stiften sie häufig Unheil und sorgen für negative<br />
Aufmerksamkeit. Auf die vielschichtigen<br />
Probleme, die sie in dieser Phase zu<br />
bewältigen haben, sind diese Jugendlichen<br />
nur unzureichend vorbereitet.<br />
WAS ABER KÖNNEN WIR TUN?<br />
Wir brauchen Erwachsene, die sich wieder<br />
trauen, für die Jugend Autorität zu sein, die<br />
ihre Verantwortung für die Kinder und Jugendlichen<br />
wahrnehmen. Die Familie ist<br />
und bleibt dabei die Basis für die Vermittlung<br />
positiver Werte und Verhaltensweisen.<br />
Suchen wir nicht nach Fehlern und Schuld,<br />
sondern gemeinsam nach Lösungen für unsere<br />
Kinder und Jugendlichen; für unsere<br />
Zukunft!<br />
Günther Ebenschweiger<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
23
TIPPS<br />
FÜR ELTERN UND ANGEHÖRIGE<br />
»<br />
IMMER WIEDER TRETEN ELTERN ODER ANGEHÖRIGE MIT FRAGEN ZUR SUCHTER-<br />
KRANKUNG VON FAMILIENMITGLIEDERN AN DAS TEAM DES <strong>SMZ</strong> HERAN. AUS DIESEM ANLASS<br />
MÖCHTEN WIR IHNEN EMPFEHLEN, ZUERST SICH SELBST (VORERST OHNE IHR KIND<br />
ODER ANGEHÖRIGEN) KOMPETENT BERATEN ZU LASSEN. DARÜBER HINAUS FINDEN<br />
SIE NUN PUNKTE ANGEFÜHRT, VON DENEN WIR GLAUBEN, DASS SIE HILFREICH SEIN<br />
KÖNNEN.
»<br />
DU KANNST JEMANDEN,<br />
DER AUF DROGEN IST, NICHT FESTHALTEN.<br />
LASS IHN LOS, ABER NICHT FALLEN.<br />
VEREIN „ANGEHÖRIGE DROGENABHÄNGIGER“<br />
www.angehoerigen-hilfe.at/kurzinfo.pdf<br />
▪ Viele Angehörige haben verständlicherweise<br />
Mitleid mit der (opiat-)abhängigen<br />
Person und vergessen dabei<br />
Grenzen zu ziehen und unterstützen<br />
bewusst oder unbewusst das Suchtverhalten.<br />
Dies kann soweit gehen,<br />
dass der Angehörige auf sich selbst<br />
vergisst und sich nur noch darum kümmert,<br />
dass es der kranken Person gut<br />
geht. Auch Angehörige brauchen Hilfe!<br />
▪ Suchen Sie sich selbst eine Vertrauensperson,<br />
mit der Sie reden können.<br />
Nehmen Sie professionelle Unterstützung<br />
in Anspruch!<br />
▪ Ein großes Thema sind finanzielle Angelegenheiten.<br />
Der/die Kranke braucht<br />
immer wieder Geld für Drogen. Offene<br />
Mieten, Strom- und Handyrechnungen,<br />
etc. sind die Folge. Um weitere Probleme,<br />
wie den Verlust der Wohnung oder<br />
das Abdrehen des Stromes zu vermeiden,<br />
übernehmen Eltern/PartnerInnen<br />
diverse Rechnungen. Es gibt meist<br />
große Versprechungen als Gegenleistung.<br />
Doch die versprochenen Taten<br />
bleiben oft ungetan und es ändert sich<br />
nichts.<br />
▪ Erfolgreiche Unterstützung muss ein<br />
Geben und Nehmen sein. Wenn Sie<br />
finanziell unterstützen wollen, kaufen<br />
Sie Lebensmittel, bezahlen Sie offene<br />
Rechnungen, aber geben Sie niemals<br />
Bargeld für Drogen. Bestehen Sie auf<br />
Gegenleistungen und setzen Sie terminliche<br />
Fristen dafür. Werden Ihre<br />
Bedingungen nicht eingehalten, streichen<br />
Sie die Unterstützung. Lernen<br />
Sie Grenzen zu setzen. Als Eltern geben<br />
S i e die Regeln vor.<br />
▪ Verbieten Sie jegliches Konsumieren<br />
von Drogen in Ihrer Wohnung. Lassen<br />
Sie kein Bargeld liegen und schließen<br />
Sie ihre Wertgegenstände weg. Im<br />
Entzug ist die abhängige Person leider<br />
zu Handlungen fähig, die sie sonst niemals<br />
tun würde, weil sie sich in einem<br />
seelischen und körperlichen Ausnahmezustand<br />
befindet.<br />
▪ Wenn Sie ihrem suchtkranken Angehörigen<br />
helfen möchten, bestehen Sie<br />
auf klaren Regeln (Hausregeln, Geldangelegenheiten,<br />
etc.) und vereinbaren<br />
Sie klare Konsequenzen.<br />
▪ <strong>Info</strong>rmieren Sie sich selbst über die<br />
unterschiedlichen Rauschmittel und<br />
Drogenabhängigkeit. Je mehr Sie wissen,<br />
desto leichter können Sie der betroffenen<br />
Person helfen.<br />
▪ Suchen Sie ein offenes Gespräch!<br />
Sprechen Sie an, wenn Ihnen auffällt,<br />
dass etwas nicht stimmt. Doch machen<br />
Sie keine Vorwürfe, sondern fangen<br />
Sie ihr Kind auf. Geben Sie ihrem Kind<br />
das Gefühl, dass es mit Ihnen reden<br />
kann und Sie zu ihm stehen. Bieten<br />
Sie immer wieder Ihre Unterstützung<br />
an.<br />
▪ Lernen sie Freunde und Freundinnen<br />
kennen und zeigen Sie Interesse an<br />
dem, was ihr Kind tut, wenn es nicht<br />
zu Hause ist.<br />
▪ Rückfälle gehören zum Verlauf der<br />
Suchterkrankung und müssen nicht<br />
immer einen kompletten Rückschritt<br />
bedeuten. Aus Rückfällen kann gelernt<br />
werden. Motivieren Sie Ihr Kind, sich<br />
professionelle Unterstützung zu holen.<br />
▪ Entwickeln Sie einen selbstkritischen<br />
Umgang mit (legalen und illegalen)<br />
Drogen. Setzen Sie sich bewusst mit<br />
Ihren eigenen Rauscherfahrungen<br />
auseinander und sprechen Sie mit Ihrem<br />
Kind darüber.<br />
▪ Achten Sie bewusst auf sich selbst. Die<br />
Unterstützung eines Drogenabhängigen<br />
kann viel Kraft kosten. Vergessen<br />
Sie nicht wieder aufzutanken und gönnen<br />
Sie sich bewusst Auszeiten, in denen<br />
Sie sich etwas Gutes tun.<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
25
SUBSTITUTIONSPATIENTINNEN –<br />
EINE DISKRIMINIERTE PERSONENGRUPPE!?<br />
26<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
Im <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong> möchten wir Betroffene<br />
in ihrem Selbstwert stärken, wir sprechen<br />
mit ihnen über die Probleme des Alltags<br />
unter der Substitutionsbehandlung und wie<br />
sie darauf reagieren können. Im Folgenden<br />
möchte ich eine Zusammenfassung der alltäglichen<br />
Schwierigkeiten von Menschen<br />
schildern, die sich aufgrund ihrer Erkrankung<br />
entschlossen haben, nicht mehr illegal<br />
Drogen zu kaufen, sondern ärztliche Hilfe<br />
und psychosoziale Unterstützung anzunehmen.<br />
DIE REALITÄT<br />
Frau R. bekommt aufgrund ihrer früheren<br />
Heroinabhängigkeit von ihrem Arzt in Graz<br />
ein Medikament verschrieben, damit sie<br />
trotz der körperlichen Abhängigkeit ihrer<br />
Arbeit nachgehen kann. Dies ist für sie im<br />
Alltag jedoch mit gewissen Problemen begleitet.<br />
Ihr Arzt kann ihr manchmal Termine<br />
abends vergeben, jedoch muss sie auch die<br />
regelmäßigen Harntests im Grazer Labor<br />
vormittags abgeben. Frau R. wohnt einige<br />
Kilometer außerhalb von Graz und hat<br />
aufgrund der Behandlung mit einem Substitutionsmittel<br />
Schwierigkeiten, den Führerschein<br />
wieder zu bekommen, der ihr vor<br />
einiger Zeit abgenommen wurde.<br />
Mit dem Rezept, das ihr der Arzt ausgestellt<br />
hat, muss sie zur amtsärztlichen Kontrolle<br />
in die Bezirkshauptmannschaft, die jedoch<br />
nur an zwei Tagen in der Woche geöffnet<br />
hat. Dort hat sie eine Bestätigung über ihre<br />
Arbeitszeiten vorzulegen, aus der offiziell<br />
hervorgeht, dass sie täglich in die Apotheke<br />
fahren kann, weil sie während der Öffnungszeiten<br />
der Apotheke schon frei hat. Was sie<br />
allerdings nicht schriftlich vorlegen kann,<br />
ist, dass sie immer wieder vom Arbeitgeber<br />
gebeten wird, noch länger zu arbeiten und<br />
Überstunden zu machen. Dies bedeutet für<br />
Frau R. manchmal, nicht mehr rechtzeitig in<br />
die Apotheke zu kommen, um ihr Medikament<br />
einzunehmen.<br />
Wenn sie nun nicht jeden Tag in die Apotheke<br />
geht, muss diese eine Meldung an den<br />
Amtsarzt und ihren behandelnden Arzt machen,<br />
dass es bei Frau R. offensichtlich zu<br />
Ungereimtheiten kommt, weil sie anscheinend<br />
nicht täglich auf ihr Medikament angewiesen<br />
ist.<br />
In der Apotheke wird sie nett behandelt und<br />
muss nicht, wie viele andere Personen in<br />
Substitutionsbehandlung, vor allen anderen<br />
Kunden ihr Medikament unter Kontrolle des<br />
Mundraumes schlucken, sondern darf dafür<br />
mit der Apothekerin in einen kleinen Nebenraum<br />
gehen.<br />
Die Darstellung des Alltags der Patientin,<br />
die sich in eine Drogenersatzbehandlung<br />
begeben hat, soll kein Mitleid erregen, sondern<br />
die alltäglichen Schwierigkeiten aufzeigen,<br />
an die viele Personen – bevor sie<br />
sich in Behandlung begaben – gar nicht gedacht<br />
haben.<br />
WER BEHANDELT MICH?<br />
Es beginnt schon damit, dass nur wenige<br />
Ärzte PatientInnen mit einer Opiatabhängigkeit<br />
oder Polytoxikomanie überhaupt behandeln.<br />
In ländlichen Bereichen ist es für<br />
Betroffene besonders schwer, einen Arzt zu<br />
finden, der eine Substitutionsbehandlung<br />
durchführt.<br />
Häufig führt dies auch zu einem Versteckspiel<br />
dem Arbeitgeben gegenüber, der natürlich<br />
nichts darüber wissen darf, warum<br />
man zum Arzt geht.<br />
Wenn Menschen sich entscheiden, mit dem<br />
Versteckspiel aufzuhören und ihre Umgebung<br />
über ihre Erkrankung informieren, wird<br />
dies sehr häufig negativ honoriert und führt<br />
zur Kündigung.<br />
NICHTS SOLL ÜBERSEHEN WERDEN<br />
Ein weiteres Risiko aufgrund des „Schubladen-<br />
Denkens“ ist die Fehlbehandlung von<br />
opiatabhängigen Personen, wenn sonstige<br />
Erkrankungen auftreten. Betroffene tendieren<br />
dazu, alle körperlichen Beschwerden<br />
auf ein „zu Viel“ oder „zu Wenig“ an Drogen<br />
zu reduzieren. Ebenso werden sie dann in<br />
Praxen oder Kliniken behandelt, auch hier<br />
besteht die Gefahr, dass andere Erkrankungen<br />
übersehen werden, ein großes Risiko<br />
für solche PatientInnen!
EINGESCHRÄNKTE REISEFREIHEIT<br />
Wer nun arbeitet, möchte auch einmal auf<br />
Urlaub fahren, was unter einer Substitutionsbehandlung<br />
vom behandelnden Arzt<br />
oder Ärztin und der Gesundheitsbehörde<br />
bewilligt werden muss.<br />
Wenn nun bestimmte Voraussetzungen<br />
nicht erfüllt sind (zum Beispiel befindet sich<br />
eine Person erst seit kurzem in Substitutionsbehandlung)<br />
kann sogar die Mitgabe<br />
des Medikaments aufgrund der Substitutionsverordnung<br />
verweigert werden. Der<br />
Urlaub ist entweder damit gestrichen oder<br />
die betroffene Person muss sich wieder auf<br />
dem Schwarzmarkt illegal Medikamente besorgen.<br />
ARBEITSUCHEND UND NUN PENSIONIST<br />
Kritisch sehen wir auch das Bestreben mancher<br />
BeraterInnen beim Arbeitsmarktservice,<br />
wo nach Bekanntwerden der Substitutionsbehandlung<br />
schon sehr junge Menschen<br />
dazu angehalten werden, sich in Invaliditätspension<br />
zu begeben. Unbestritten<br />
ist, dass Arbeit den Selbstwert der meisten<br />
Menschen stärkt und Personen mit einer<br />
Suchterkrankung leiden oft unter Selbstzweifel.<br />
Es ist also zu bezweifeln, ob eine<br />
Invaliditätspension mit 23 Jahren zu einer<br />
Verbesserung der Lebenssituation führt.<br />
Die Aufzählungen der Alltagsprobleme ließe<br />
sich sicher noch weiter fortsetzten. Fast jeder<br />
Klient, jede Klientin kann von Behandlungen<br />
durch die Gesellschaft berichten,<br />
die nicht in Ordnung waren. Vorschriften<br />
bei einem Medikament mit einem hohen<br />
Schwarzmarktwert und kranke Menschen,<br />
denen der Ruf vorauseilt, betrügen zu wollen,<br />
führen anscheinend zu solchen Bedingungen.<br />
Bei welcher PatientInnengruppe<br />
sonst finden sich solche Vorschriften und<br />
Vorgehensweisen, wenn sie sich in ärztliche<br />
Behandlung begeben?<br />
Heike Gremsl
UNSER TEAM<br />
DER SUBSTITUTIONSBEHANDLUNG<br />
DR. GUSTAV MITTELBACH<br />
KASSENARZT und ALLGEMEINMEDIZINER in der Praxisgemeinschaft<br />
<strong>Liebenau</strong> seit Oktober 1984<br />
Ärztekammer-Diplom: UMWELTARZT und ARZT FÜR PSYCHOTHE-<br />
RAPEUTISCHE MEDIZIN<br />
PSYCHOTHERAPEUT für Systemische Familientherapie und Supervisor/ÖAS<br />
VORSTANDSMITGLIED/KASSIER des <strong>SMZ</strong>-Trägervereins „Verein<br />
für praktische Sozialmedizin“, der als §15-Verein nach dem Suchtmittelgesetz<br />
anerkannt ist<br />
Lehrbeauftragter im Propädeutikum der Karl Franzens-Universität für Psychotherapie und für Allgemeinmedizin<br />
an der Med-Uni-Graz<br />
Lehrtherapeut und Balintgruppenleiter im Psy-Diplom-Programm der Ärztekammer Steiermark<br />
Besondere Interessen:<br />
▪ Schwierige PatientInnen mit komplexen Problemen als Herausforderung betrachten<br />
▪ Im unübersichtlichen Netzwerk verschiedener HelferInnen den Überblick bewahren und die Patienten-Interessen<br />
nicht vergessen<br />
▪ Abhängigen Schwangeren und jungen Müttern mit ihren Kindern bestmögliche Unterstützung<br />
geben<br />
▪ Gegen Diskriminierung und für die besondere Beachtung der Verschwiegenheitspflicht eintreten<br />
28<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
DR. RAINER POSSERT<br />
ARZT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN in Graz seit 1982,<br />
PSYCHOTHERAPEUT, SUPERVISOR<br />
Ärztekammerdiplome für ARBEITSMEDIZIN, AKUPUNKTUR, PSYCHOSO-<br />
ZIALE, PSYCHOSOMATISCHE UND PSYCHOTHERAPEUTISCHE MEDIZIN,<br />
OBMANN des „Vereins für praktische Sozialmedizin“ (<strong>SMZ</strong>)<br />
Mitglied des Suchtbeirates des Landes Steiermark<br />
Ko-Beauftragter für Substitutionsfragen der steirischen Ärztekammer<br />
Lehrbeauftragter für Allgemeinmedizin an der Med-Uni-Graz<br />
Neben meiner interessanten Arbeit als praktischer Arzt betrachte ich<br />
meine ärztliche und psychotherapeutische Tätigkeit mit opiatabhängigen<br />
PatientInnen als fachliche Herausforderung, auch weil es sich<br />
vorwiegend um junge PatientInnen handelt, die noch eine lange Lebensperspektive<br />
haben.<br />
Ich freue mich, dass es unserem Team gelungen ist, vielen dieser PatientInnen<br />
Auswege aus dem psychosozialen Elend der Opiatabhängigkeit<br />
zu zeigen.
MAG. (FH) PETRA STEINER<br />
SOZIALARBEITERIN<br />
Tel.: 0650 67 35 146<br />
e-mail: steiner@smz.at<br />
Nach Abschluss meines Studiums<br />
habe ich in der Langzeittherapieeinrichtung<br />
ubuntu, einer Wohngemeinschaft<br />
für akut suchtabhängige,<br />
junge Erwachsene mit Anpassungs-<br />
und/oder Persönlichkeitsstörungen<br />
gearbeitet.<br />
Danach verbrachte ich 4 Monate in Uganda, der Perle Afrikas, und habe dort in der<br />
HIV – und Aidshilfe in den Slums von Kampala gearbeitet. Auch in meiner Arbeit in<br />
Afrika wurde ich immer wieder mit der Suchtproblematik konfrontiert, weil Drogen<br />
den Menschen in den Slums helfen, Hunger und Armut zu vergessen.<br />
Wieder zurück in der Heimat bin ich im November 2008 als Sozialarbeiterin zum<br />
Team des <strong>SMZ</strong>-<strong>Liebenau</strong> gestoßen und biete hier psychosoziale Beratung und Betreuung<br />
für Suchtkranke, psychisch Kranke, SeniorInnen und Angehörige an.<br />
DSA HEIKE GREMSL<br />
SOZIALARBEITERIN<br />
Tel.: 0664 343 83 81<br />
e-mail: gremsl@smz.at<br />
Nach meiner Ausbildung zur Diplomsozialarbeiterin an der Akademie<br />
für Sozialarbeit in Graz lebte und arbeitete ich einige Jahre in Wien.<br />
Im Herbst 2003 trat ich im Anschluss an meine vierjährige Tätigkeit<br />
in der sozialmedizinischen Drogenberatungsstelle „Ganslwirt“ die<br />
Stelle als Sozialarbeiterin im <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong> an. Vor allem die psychosoziale<br />
Begleitung und Betreuung von SuchtpatientInnen zählte<br />
von Anfang an zu meinen Hauptaufgaben. Weiters biete ich auch<br />
SeniorInnen, Personen mit psychischen Erkrankungen, Menschen<br />
mit chronischen Erkrankungen und allen Personen, die einen sozialrechtlichen<br />
Beratungsbedarf haben im <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong> die Möglichkeit<br />
sich von mir beraten zu lassen.<br />
MAG. KARIN ETTL<br />
JURISTIN<br />
Tel.: 0699 180 84 375<br />
e-mail: ettl@smz.at<br />
Ich bin seit Juli <strong>2009</strong> im <strong>SMZ</strong>-Team mit<br />
meinem HAK-Abschluss und der Bilanzbuchhalterprüfüng<br />
die Ansprechperson für<br />
finanzielle Angelegenheiten. Im Rahmen<br />
von Veranstaltungsorganisationen, Gesundheitsförderungsprojekten sowie der Sozialarbeit<br />
ergeben sich immer wieder juristische Fragen, die ich aufgrund meines abgeschlossenen<br />
Jus-Studiums und meiner Mediatorenausbildung gerne beantworte.<br />
Da das Sozialmedizinische Zentrum <strong>Liebenau</strong> sowohl Projekte mit Schulen, Gemeinden,<br />
mit dem Stadtteil an sich und auch innerbetriebliche Gesundheitsförderung<br />
anbietet, stellt sich hier ein breit gefächertes und äußerst interessantes Betätigungsfeld<br />
für mich dar, in das ich mich jeden Tag gerne einbringe.<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
29
UNSER TEAM<br />
DER SUBSTITUTIONSBEHANDLUNG<br />
MAG. DR. INGE ZEINKA-ROITNER<br />
SOZIOLOGIN<br />
Tel.: 0699 180 84 375<br />
e-mail: zelinka@smz.at<br />
Seit Jänner 2001 arbeite ich nun im <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong>, habe allerdings<br />
zwei längere „Pausen“ eingelegt und mein Leben um zwei<br />
lebhafte kleine Burschen bereichert.<br />
Als Soziologin beschäftige ich mich vor allem mit der Hintergrundarbeit<br />
in den Bereichen Gesundheitsförderung und Sucht. Unser<br />
Büro im Erdgeschoß stellt oft die erste Anlaufstelle für KlientInnen<br />
dar. In wöchentlichen Suchtbesprechungen mit meinen Kolleginnen<br />
gewinne ich Einblick in den aktuellen Stand der Arbeit, es werden<br />
Fälle diskutiert und Strategien für Gesundheitsförderung mit<br />
Suchtkranken geplant. Die Entwicklung von Fragebögen (z.B. zum<br />
Einstieg ins Substitutionsprogramm) und die Evaluation unserer<br />
Arbeit gehören ebenso zu meinen Aufgaben.<br />
Da ich auch als Lehrbeauftragte an der Karl-Franzens- Universität<br />
und der Meduni Graz tätig bin, ergeben sich oft interessante<br />
Vernetzungen zwischen Theorie und Praxis. So können wir immer<br />
wieder StudentInnen gewinnen, die für uns wichtige Forschungsarbeiten<br />
leisten und im Gegenzug dazu „Praxisluft“ schnuppern.<br />
DR.MED. CLAUDIA M. WALLNER<br />
TURNUSÄRZTIN<br />
Studiert habe ich an der Karl-Franzens Universität Graz und bin<br />
seit Juni <strong>2009</strong> Turnusärztin im <strong>SMZ</strong>.<br />
Es macht mir viel Freude mich dort den weitläufigen Herausforderungen,<br />
die eine so große Allgemein – Medizinpraxis abverlangt,<br />
zu stellen.<br />
Durch die Vielfältigkeit an sozialen und medizinischen Problemen,<br />
deren sich das <strong>SMZ</strong> annimmt, sammle ich Erfahrungen, die mir in<br />
meinem zukünftigen Berufsleben noch von großem Nutzen sein<br />
werden, besteht doch dadurch die Möglichkeit Neues zu lernen<br />
und erworbenes Wissen anzuwenden.<br />
30
KARIN SITTINGER ERIKA LANG BRIGITTE SUCHER<br />
ASSISTENTINNEN<br />
Tel.: 03164 46 23 40<br />
Als Assistentinnen in der Praxisgemeinschaft widmen wir einen nicht unerheblichen Teil unserer<br />
Arbeitszeit den PatientInnen in Substitutionsbehandlung.<br />
Dabei sind wir eine Schnittstelle zwischen Ärzten, PatientInnen, Angehörigen und Sozialarbeiterinnen<br />
und kümmern uns um Verwaltungsabläufe wie E-Card, Labor, Terminvergabe sowie Kontakte<br />
mit Apotheken und Ämtern. Auch wenn wir auf die Einhaltung der Abläufe im Substitutionsprogramm<br />
ein „strenges Auge“ halten müssen, so wollen wir doch die PatientInnen unterstützen und bestärken<br />
und freuen uns mit ihnen über ihre Fortschritte in der Behandlung. Und auch wenn es bei den<br />
PatientInnen einmal nicht gut läuft, oder Angehörige Unstützung brauchen, können wir mit unseren<br />
zusammengerechnet 50 Jahren Berufserfahrung immer wieder Unterstützung in der Bewältigung<br />
kleinerer und größerer Krisen bieten.<br />
DIPL.PT HEILWIG POSSERT-LACHNIT, MSC<br />
DIPLOMIERTE PHYSIOTHERAPEUTIN, MASTERSTUDIUM für NEU-<br />
ROREHABILITATION, VORSTANDSMITGLIED des <strong>SMZ</strong>, Mitglied der<br />
Fachgruppe Neurologie des Bundesverbandes der PhysiotherapeutInnen<br />
Österreichs.<br />
Suchtpatienten sind chronisch krank und kämpfen daher auf mehreren<br />
Ebenen. Sie leiden unter anderem häufig an einer gestörten<br />
Körperwahrnehmung sowie an Schmerzsyndromen und Störungen<br />
im koordinativen und muskulären Bereich. Therapie in diesem Bereich<br />
muss nicht automatisch Tabletten und Injektionen bedeuten;<br />
Als Physiotherapeutin im <strong>SMZ</strong> setze ich auch auf nichtmedikamentöse<br />
Schmerzbehandlungen und Bewegungskonzepte, die eine<br />
verbesserte Körperwahrnehmung schulen. Das physiotherapeutische<br />
Angebot im <strong>SMZ</strong> ist daher auch Teil unseres suchttherapeutischen<br />
Gesamtkonzeptes.<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
31
KREATIVWORKSHOP<br />
ALS BEGLEITTHERAPIE<br />
32<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
Jeder Mensch verfügt über kreative Fähigkeiten,<br />
die anerkannt, gelebt und gefördert<br />
werden wollen. Durch das künstlerische<br />
Erfahren und Gestalten können wir unsere<br />
eigenen Gefühle, Gedanken, Träume, Visionen,<br />
Sichtweisen und Weltbilder individuell<br />
auszudrücken.<br />
Malen und Formen können sehr entspannend<br />
sein, kreatives Gestalten löst auch<br />
Blockaden.<br />
Der Workshop ermöglicht den PatientInnen<br />
kreative Potentiale zu entdecken, er stärkt<br />
das Selbstbewusstsein und weckt Energien.<br />
Aussagen wie: „Ich bin nicht kreativ, die anderen<br />
können das viel besser!“ haben bald<br />
keine Bedeutung mehr.<br />
„Kreativität lässt uns ´ganz´ werden“, betont<br />
unsere Kreativtherapeutin, Ilonka Benedek.<br />
„Es ermöglicht uns spielerisch, etwas Neues<br />
auszuprobieren oder einfach, lang geplante<br />
Ideen endlich umzusetzen.“ Dies wirkt sich<br />
nicht nur positiv auf die Psyche aus, auch<br />
die körperliche Gesundheit profitiert und innewohnende<br />
Selbstheilungskräfte werden<br />
aktiviert. Der Spaß miteinander, der Austausch<br />
in der Gemeinschaft, die gegenseitige<br />
Inspiration machen stark und fördern die<br />
Motivation aller Teilnehmer.<br />
Zweimal jährlich findet im <strong>SMZ</strong>-<strong>Liebenau</strong><br />
der Kreativworkshop statt. Wurde er früher<br />
ausschließlich SubstitutionspatientInnen<br />
angeboten, ist er inzwischen offen für alle<br />
Interessierten.<br />
„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es<br />
ganz wichtig ist, Angebote für SuchtpatientInnen<br />
zu öffnen, weil sie dadurch die Chance<br />
bekommen, soziale Kontakte zu anderen<br />
Menschen zu knüpfen, die sich nicht in der<br />
Drogenszene bewegen und sie dadurch auf<br />
neue Lebensthemen aufmerksam werden.“<br />
Die TeilnehmerInnen der letzten Workshops<br />
schätzten vor allem die Gemeinschaft, in der<br />
sich Vertrautheit, Offenheit und gegenseitige<br />
Unterstützung rasch entwickelt haben,<br />
auch wenn die Lebenswelten der TeilnehmerInnen<br />
sehr konträr waren.<br />
Petra Steiner
ANGEBOTE<br />
DES <strong>SMZ</strong> LIEBENAU<br />
ALLGEMEIN-MEDIZINISCHE PRAXISGEMEINSCHAFT<br />
Dr. Gustav Mittelbach, Dr. Rainer Possert (alle Kassen)<br />
Hausbesuche, Gesundenuntersuchungen, ärztliche Psychotherapie und Beratung, Behandlung<br />
von Suchterkrankungen, Akupunktur, Sozial-, Arbeits- und Umweltmedizin.<br />
Terminvereinbarung unter 46 23 40<br />
PHYSIOTHERAPIE<br />
Akutschmerzbehandlung, Bewegungstherapie, Entspannungstechniken, Heilgymnastik durch<br />
eine diplomierte Physiotherapeutin. Therapieschwerpunkte: Neurologie und Orthopädie. Hausbesuche<br />
im Bezirk möglich. Tel. Anmeldung unter 46 23 40-15<br />
FAMILIENBERATUNG & RECHTSBERATUNG<br />
Anonyme und kostenlose Beratung durch Ärzte, PsychotherapeutInnen, SozialarbeiterInnen<br />
und JuristInnen. Donnerstag von 18.00 bis 19.00 Uhr am Grünanger (Tel.: 0699 180 84 375),<br />
von 19.00 bis 20.00 Uhr im <strong>SMZ</strong>, Anm. unter 46 23 40<br />
PSYCHOTHERAPIE<br />
Gestalt- und Familientherapie, NLP, Systemische Therapie, Einzel- und Gruppentherapie sowie<br />
Kinderpsychotherapie. Teilkostenersatz durch die Krankenkassen. Anmeldung unter 46 23 40<br />
SOZIALE ARBEIT<br />
Beratung in sozialrechtlichen Fragen, Hilfen bei Kontakten zu Behörden, Hilfestellung bei Wohnungsproblemen,<br />
Arbeitslosigkeit,... Telefonische Kontaktaufnahme unter 42 81 61 oder<br />
0664/34 38 381 / e-mail: gremsl@smz.at / steiner@smz.at<br />
GESUNDHEITSFÖRDERUNG<br />
Sozialmedizinische und gesundheitsförderliche Veranstaltungen; Durchführung von Projekten<br />
im Bereich Gesundheitsförderung. Kooperationen im Bezirk und mit anderen Organisationen.<br />
Kontakt unter 0699 180 84 375 / e-mail: smz@smz.at, zelinka@smz.at<br />
SEXUALBERATUNG<br />
<strong>Info</strong>rmation, Beratung, Psychotherapie zu folgenden Bereichen: Beziehungskonflikte, Sexualprobleme,<br />
Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Homosexualität, Verhütungsfragen, Sexualaufklärung,<br />
Schwangerschaftskonflikten usw. Anmeldung (auch anonym) unter 46 23 40<br />
WALKEN SIE MIT UNS<br />
WALKEN IM PARK – Nordic Walking Gruppe jeden Donnerstag von 17.00 bis 18.00 Uhr, Treffpunkt<br />
im Hof des <strong>SMZ</strong>; WALKEN AN DER MUR – jeden Montag von 16.00 bis 17.00 Uhr, Treffpunkt:<br />
Andersengasse 34. Stöcke zum Probieren können ausgeborgt werden!<br />
<strong>Info</strong>rmationen unter 0699 180 84 375<br />
AUSSENSTELLE GRÜNANGER<br />
Seit Juli <strong>2009</strong> sind wir auch am Grünanger, Andersengasse 34, für Sie erreichbar.<br />
<strong>Info</strong>rmationen unter 0699 180 84 375<br />
<strong>SMZ</strong> INFO SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />
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P.b.b. Zulassungsnummer: GZ 02Z034445M; Verlagspostamt 8041 Graz