ILMA N_01 feuerfest
Das Magazin der Master des Studiengangs Illustration der HAW Hamburg widmet seine erste Ausgabe dem 90. Jahrestag der verbrannten Bücher. Grafische Erzählungen, Reportagen, Porträts, Ortsbetrachtungen, zeichnerische Spurensuche und illustrierte Fragen erinnern nicht nur an damalige Ereignisse, sondern schärfen den Blick auf aktuelle politische und gesellschaftliche Entwicklungen und beteiligen sich am aktuellen Diskurs zur Meinungsfreiheit. Das Magazin wurde gefordert von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius.
Das Magazin der Master des Studiengangs Illustration der HAW Hamburg widmet seine erste Ausgabe dem 90. Jahrestag der verbrannten Bücher. Grafische Erzählungen, Reportagen, Porträts, Ortsbetrachtungen, zeichnerische Spurensuche und illustrierte Fragen erinnern nicht nur an damalige Ereignisse, sondern schärfen den Blick auf aktuelle politische und gesellschaftliche Entwicklungen und beteiligen sich am aktuellen Diskurs zur Meinungsfreiheit.
Das Magazin wurde gefordert von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius.
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2023
ILMA
N_01
feuerfest
„Der Bücherverbrennung soll man gedenken
– um der Ohnmacht willen, die sich
erdreistete, Scheiterhaufen zu errichten
für Geisteswerke, als ob Geisteswerke
nicht feuerfest wären.“
ILMA
feuerfest
HEINRICH MANN: DIE BÜCHERVERBRENNUNG.
IN: DIE NEUE WELTBÜHNE 25/1936, S. 773.
Vorwort
Das Chaos entwirren. Fragen aufwerfen.
Zusammenhänge erschließen. Durch Bild
und Sprache eine Haltung einnehmen.
In diesem Magazin wenden wir uns der
verlorenen Vielfalt von Stimmen und
Menschen zu. Wir haben recherchiert,
gewühlt, waren ratlos und wütend,
berührt, überrascht und auch begeistert.
Wir fragen nach Fehlstellungen unserer
eigenen, vergangenen, zukünftigen Geschichte.
Unsere Geschichten und Bilder
sind Versuche des Verstehens, sind
Ausrufe des Unfassbaren und Verneigungen
vor dem geistigen Reichtum, der uns
vor 90 Jahren genommen werden sollte.
Geschichte(n) zu erzählen heißt auch, die
eigene Geschichte zu entwickeln.
Hinter ILMA stehen wir – Autor:innen,
Illustrator:innen, Gestalter:innen und Zeichner:innen.
In graphischen Erzählungen,
Reportagen, Porträts und Ortsbetrachtungen
begeben wir uns auf eine zeichnerische
Spurensuche in die Vergangenheit
und schärfen den eigenen Blick auf aktuelle
politische und gesellschaftliche
Entwicklungen. Wir als junge Menschen
schauen auf die Handlungen der Studierenden
von damals. Ihr vorauseilender
Eifer und die Gründlichkeit der Sammelaktionen
erschüttern uns noch heute.
Der Blick in die Vergangenheit, auf die
komplexen Ereignisse um die Bücherverbrennungen
1933, lässt viele Fragen offen.
Die Dinge, um die es dabei geht, sind heute
noch aktuell: Das Verbot und die Vernichtung
von Kultur und Wissen, Eingriffe in
die Meinungsfreiheit, die Einschränkung
des Zugangs zur Bildung. Der Widerstand
gegen den Faschismus damals war der
Versuch, eine andere Zukunft zu ermöglichen.
Deswegen bedeutet Widerstand
auch heute: Hoffnung.
– Hamburg, Mai 2023
2 VORWORT
3
versuchen
07 – 10
Bücher verbrennungen
in
Hamburg
Werner Treß
12 – 21
Ich versteh’s nicht.
Eine gezeichnete
Wikipedia Recherche
Svea Öhlschläger
22 – 33
Was weißt du?
Eine gezeichnete
Reportage
Johanna Zech
34 – 51
Verquerdenken
zu später Stunde
Lina Banane
verorten
53 – 57
Vorsicht vor
der grünen Wiese
Jan Schenck
58 – 59
Boberger Dünen
Hamburg
Michaela Bissig
60 – 63
Ifflandstraße
Hamburg
Annika Rogg
64 – 67
Waldshut
Wadim Petunin
68 – 75
Schlossplatz
Braunschweig
Svea Öhlschläger
76 – 79
Hauptplatz
Landsberg am Lech
Alex Rygus
80 – 83
Claudiusstraße 1
Köln
Lina Korsten
vertiefen
85 – 90
Hamburg liest
verbrannte Bücher
Wilfried Weinke
92 – 99
Alles, was ich nicht
über Eva
Leidmann weiß
Annika Rogg
100 – 105
Die Bücher
(Eine zufällige
Auswahl)
Dian Gohring
106 – 117
Ilja Ilf und Jewgeni
Petrow
Zwölf Stühle
Natalie Mineew
118 – 125
Was bleibt?
Katrina
Biedenbender
126 – 143
Bertha von Suttner
und der
schwarze Punkt
am Horizont
Michaela Bissig
144 – 157
Opa Klaus und
die Mönchsbibliothek
Andrea Wandinger
158 – 163
Grete Berges und
wie Liselott den
Frieden diktierte
Vera Gereke
164 – 171
Widerstand aus
dem Exil
Lina Korsten
verstehen
173 – 176
Worüber es keine
zwei Meinungen gibt
Konstantin Ulmer
178 – 185
Wandel –
Fragmente einer
Erinnerungskultur
Philipp
Schönfeld
186 – 197
Eine Stelle, an der
nichts mehr
ist, aber vorher
etwas war
Hanna Harms
198 – 203
Wenn Gedanken
Pflanzen wären …
Michaela Bissig
204 – 209
Quellenverzeichnis
210 – 213
Über uns
215 – 216
Impressum
4 INHALTSVERZEICHNIS
5
versuchen
Bücherverbrennungen in Hamburg
Werner Treß
Die Bücherverbrennungen in
Deutschland 1933 waren ein Fanal,
mit dem die Zerstörung einer
ganzen Blüteepoche deutschsprachiger
Wissenschaft und
Kultur eingeleitet wurde.
In weit über 100 Städten brannten
Bücher. In Hamburg sind
gleich mehrere derartige Aktionen
belegt. Die Verbrennung am
15. Mai 1933 am Kaiser-Friedrich-
Ufer wurde von der Studentenschaft
durchgeführt. Sie folgte
der von der Reichsführung
der „Deutschen Studentenschaft“
initiierten Aktion „Wider den
undeutschen Geist“, zu deren
Abschluss allein am 10. Mai 1933
deutschlandweit an 22 Hochschulorten
die Scheiterhaufen
loderten. Ursprünglich plante
der Hochschulgruppenführer des
NS-Studentenbundes in Hamburg
Alfred Engelken die Verbrennung
in der Freien und Hansestadt
ebenfalls am 10. Mai stattfinden
zu lassen, zentral auf der Moorweide
unweit der Universität,
damals ein von den Nationalsozialisten
oft genutzter Versammlungsort.
Diesmal versagten die
Behörden aber ihre Zustimmung,
sodass die Bücherverbrennung
erst am 15. Mai am weiter außerhalb
gelegenen Kaiser-Friedrich-
Ufer stattfand.
Nach einem kurzen Appell im
Studentenhaus in der Neuen
Rabenstraße 13 marschierte
gegen 22 Uhr der „Sturm 6/76“,
ein studentischer SA-Verband,
zum gut zwei Kilometer entfernt
liegenden Kaiser-Friedrich-Ufer.
Bis 23 Uhr trafen dort auch der
NS-Studentenbund, die Burschenschaften
und der Stahlhelm-
Studentenring Langemarck ein.
Hinzu kamen mehrere Tausend
Schaulustige. Auf einer freien
Sandfläche hatten die Studenten
einen Scheiterhaufen aus etwa
2000 Büchern aufgetürmt.
Pünktlich nach der akademischen
Viertelstunde wurde um 23:15 Uhr
das Kommando „Flamme an!“ ausgerufen.
Studenten in SA-Uniform
umsäumten – strammstehend
und die Hände zum Hitlergruß
emporgestreckt – die brennenden
Bücher. Dahinter standen
„in vollem Wichs“ die Chargierten
der Burschenschaften mit ihren
Fahnen aufgereiht. Die erste
Feuerrede hielt der „Führer“des
Kreises II (Nord) der Deutschen
Studentenschaft Reinhold
Schulze. Es folgte das Absingen
BÜCHERVERBRENNUNGEN IN HAMBURG
7
des Liedes „Burschen heraus“,
wonach der Mitgründer des
Hamburger NS-Studentenbundes
Wolf Meyer-Christian, der zugleich
ein aktiver Burschenschaftsfunktionär
war, die zweite
Feuerrede hielt. Anschließend,
während die umherstehende
Menschenmenge das Horst-
Wessel-Lied sang, warfen Studenten
in SA-Uniform die Fahne
des Hamburger Roten Frontkämpferbundes
ins Feuer. Bevor die
Kundgebung mit dem Absingen
des Deutschlandliedes endete,
wurde der Scheiterhaufen noch
für das Hineinwerfen weiterer
Bücher freigegeben.
In den Presseberichten des
„Hamburger Anzeigers“ und der
„Hamburger Nachrichten“ werden
namentlich die Werke von Lion
Feuchtwanger, Heinrich Mann,
Thomas Mann, Arnold Zweig,
Stefan Zweig, Ernst Glaeser, Emil
Ludwig, Erich Maria Remarque
und Kurt Tucholsky erwähnt. Die
Bücher stammten je zur Hälfte
von einer polizeilichen Beschlagnahmungsaktion,
die am 20. April
1933 in privaten Leihbüchereien
durchgeführt wurde und von der
zentralen Sammelstelle für
beschlagnahmte Literatur bei
der Hamburger Staatspolizei.
Ohne diese Zulieferungen wären
die NS-Studenten mit der Frage,
welche Bücher genau verbrannt
und verboten werden sollten,
ziemlich überfordert gewesen.
Wilhelm Schuster, der Direktor der
„Hamburger Öffentlichen Bücherhallen“
war da schon weiter.
Als Vorsitzender des „Verbandes
deutscher Volksbibliothekare“
sorgte er dafür, dass dem nationalsozialistischen
Bibliothekar Wolfgang
Herrmann Anfang April 1933
in Berlin die Federführung des
„Ausschusses zur Neuordnung der
Berliner Stadt- und Volksbüchereien“
übertragen wurde. Die von
Herrmann erstellten „Schwarzen
Listen“ waren es, die wenig später
im „Börsenblatt für den Deutschen
Buchhandel“ und in dem
von Schuster mit herausgegebenen
Verbandsorgan „Bücherei
und Bildungspflege“ erschienen
und so die Grundlage für die
Säuberungsaktionen schufen.
Dieselben „Schwarzen Listen“
waren es auch, die Herrmann
an die Reichsführung der „Deutschen
Studentenschaft“ weitergab,
damit diese einen Leitfaden
an die Hand bekam.
Sein gemeinsam mit Berliner
Stadtbibliothekaren erstelltes
Neun-Punkte-Papier trug den
Titel „Grundsätzliches zur Anfertigung
von Schwarzen Listen“.
Darin wurde festgelegt, dass
die Kriterien „literaturpolitischer
Natur“ sein sollten. Es gelte „die
fundamentale, für jede politische
Entscheidung notwendige Vorfrage:
Wer ist der eigentliche
Feind? Gegen wen richtet sich
der Kampf?“
Im Wesentlichen richteten
sich die Listen gegen folgende
Literaturrichtungen: 1. Bücher
von Autoren jüdischer Herkunft
(z.B. Joseph Roth, Schalom
Asch, Jakob Wassermann, Lion
Feuchtwanger oder Max Brod);
2. marxistische Schriftsteller und
Theoretiker (z.B. Anna Seghers,
Ernst Toller, Karl Grünberg, Rosa
Luxemburg, Karl Korsch, Georg
Lukács oder Fritz Sternberg),
hierzu zählten auch sowjetische
Autoren wie Maxim Gorki, Alexandra
Kollontai, Sergei Tretjakow
oder Lenin, Leo Trotzki, Anatoli
Lunatscharski; 3. pazifistische
Autoren, die sich gegen Krieg engagierten
oder die Heroisierung
des Ersten Weltkrieges anzweifelten
(z.B. Bertha von Suttner,
Ludwig Quidde, Friedrich Wilhelm
Förster, Adrienne Thomas, Erich
Maria Remarque); 4. sogenannte
Autoren der Großstadt, die von
den Nazis als „Asphaltliteraten“
diffamiert wurden (z.B. John Dos
Passos und Alfred Döblin); 5. moderne
französische und amerikanische
Autoren (z.B. André Gide,
Henri Barbusse, Ernest Hemingway,
Upton Sinclair, Jack London);
6. Feministinnen und Autorinnen,
deren Werke das traditionelle
weibliche Rollenverständnis
infrage stellten (z.B. Anna Blos,
Louise Schroeder, Irmgard Keun,
Christa Anita Brück, Gina Kaus);
7. kritische Publizisten und Journalisten
(z.B. Theodor Wolff, Georg
Bernhard, Carl von Ossietzky);
8. progressive Wissenschaftler
(z.B. Sigmund Freud, Magnus
Hirschfeld, Paul Tillich); 9. Sozialdemokraten
und Gewerkschafter
(z.B. August Bebel, Ferdinand
Lassalle, Gustav Radbruch, Fritz
Naphtali, Siegfried Aufhäuser,
Otto Suhr); 10. Vertreter des politischen
Liberalismus (z.B. Hugo
Preuß, Walther Rathenau, Theodor
Heuss). Schwerer einordnen
lassen sich Autoren wie Hanns
Heinz Ewers, Max Barthel oder
der aus Ahrensburg stammende
Waldemar Bonsels, die 1933 wegen
einzelner ihrer älteren Buchtitel
ebenfalls auf die Schwarzen
Listen gesetzt wurden, obwohl
sie sich inzwischen offen zum
Nationalsozialismus bekannten.
8 VERSUCHEN
BÜCHERVERBRENNUNGEN IN HAMBURG
9
Von den Hamburgern auf den
ersten „Schwarzen Listen“ ist
Carl von Ossietzky, der noch bis
Anfang 1933 die Zeitschrift „Die
Weltbühne“ herausgab, sicherlich
das prominenteste Beispiel. Ihm
und seinem Mitstreiter Kurt Tucholsky
galt der bei der Berliner
Bücherverbrennung mit gellender
Stimme gebrüllte Feuerspruch:
„Gegen Frechheit und Anmaßung,
für Achtung und Ehrfurcht vor
dem unsterblichen deutschen
Volksgeist! Verschlinge, Flamme,
auch die Schriften der Tucholsky
und Ossietzky!“ Als sie im
Mai 1933 seine Texte verbrannten,
hatten die Nationalsozialisten
Carl von Ossietzky bereits ins
Konzentrationslager verschleppt.
Erinnert sei auch an die aus
Hamburg stammende Soziologin,
Pädagogin und Frauenrechtlerin
Hilde Gudilla Lion, deren Werk
„Zur Soziologie der Frauenbewegung“
von Herrmann auf
die Schwarze Liste „Politik und
Staatswissenschaft“ gesetzt
wurde. Von den Nationalsozialisten
auch als Jüdin verfolgt, floh
sie noch 1933 nach England, wo
sie 1970 verstarb. Nahezu vergessen
ist auch Ernst Johannsen,
der 1929 – noch vor Erscheinen
von Remarques „Im Westen nichts
Neues“ – den Antikriegsroman
„Vier von der Infanterie“ veröffentlichte,
worin er seine Erlebnisse
als Soldat bei der Schlacht
um Verdun im Ersten Weltkrieg
verarbeitete. Johannsen floh
ebenfalls nach England. 1957
kehrte er nach Hamburg zurück,
wo er 1977 vereinsamt starb.
In Hamburg sollte es nicht bei der
Bücherverbrennung am Kaiser-
Friedrich-Ufer bleiben. Schon
zwei Wochen später, am 30. Mai,
versammelte sich die Hitlerjugend
mit dem Bund Deutscher
Mädel und der Jungmannschaft
des Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes
und zog
von der Moorweide aus durch die
Innenstadt zum Lübeckertorfeld,
um es den Bücherverbrennern
von der Studentenschaft gleichzutun.
Am 24. und 25. Juni folgten
rings um die Sonnenwendfeiern
der Hitlerjugend weitere Bücherverbrennungen
in Bergedorf und
Lohbrügge. Es waren die Angehörigen
der jüngeren Generation,
die 1933 die Scheiterhaufen umringten
und dort bereit gemacht
wurden für all das, was noch
folgen sollte. Mit derselben
Begeisterung sollten sie wenige
Jahre später für den NS-Staat
in seine Angriffskriege ziehen.
10 VERSUCHEN →
Ich versteh’s nicht.
Eine gezeichnete
Wikipedia-Recherche
Svea Öhlschläger
Ich bin ganz ehrlich. Der Anfang einer Projektrecherche
ist schon häufig Wikipedia.
Bei diesem Projekt war auch das Ende bei
Wikipedia.
Der Versuch, den historischen Kontext zu
verstehen und damit das Unbegreifliche
einer Bücherverbrennung für mich greifbarer
zu machen, endete bei mir in einem
wilden Chaos aus Verlinkungen, Verweisen,
Unterkapiteln. Und noch mehr offenen Fragen.
Nichts fügt sich zu einem logischen
Ganzen. Warum Bücher verbrennen – ich
kann es noch immer nicht greifen.
12 VERSUCHEN
13
14 15
16 17
19
20 21
Was weißt du?
Eine gezeichnete
Reportage
Johanna Zech
Was genau ist eigentlich bei der Bücherver
brennung 1933 passiert? Was weiß ich
darüber? Und was wissen meine Familie und
meine Freund:innen? Ich frage nach …
22
VERSUCHEN 10.10.22 / ALLES NEU 23
24
10.–28.10.22 / ERSTE RECHERCHE
25
26
30.10.22 / PAPAS GEBURTSTAG
31.10.22 / OMA ERZÄHLT 27
28
01.–06.11.22 / ZWEITE RECHERCHE
29
30
06.11.22 / AM LAGERFEUER
07.11.22 / FACETIME NACH SCHOTTLAND 31
32
08.11.22 / …
33
Verquerdenken
zu spater Stunde
Lina Banane
Kommt, Kinder – wir setzen uns um ein Uhr
morgens mit dem Nationalsozialismus und
dem Generationstrauma auseinander! Wem
das zu heftig erscheint: Es kommen auch
die Beatles, Bibi Blocksberg und etwas Klohumor
vor. Es ist quasi was für jede:n dabei!
(Achtung: Spoiler für den 92 Jahre alten
Roman „Fabian“.)
34 VERSUCHEN
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38 39
40 41
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50 51
verorten
Vorsicht vor der grünen Wiese
Jan Schenck
In ganz Deutschland gibt es die
Orte des nationalsozialistischen
Terrors. Manche sind als Gedenkstätten,
mit Erinnerungstafeln
oder Mahnmalen versehen. Viele,
wenn nicht sogar die meisten,
sind versteckt und daher unsichtbar.
Es sind nicht nur die großen,
auffälligen Orte, an denen Verbrechen
der Nationalsozialisten
stattfanden, auch die kleinen und
unscheinbaren Orte und Plätze
direkt vor der eigenen Haustüre
sind Puzzlestücke der Erinnerung
– Orte, die sich mit dem Agieren
der NS-Diktatur verbinden lassen.
Manch sprichwörtliche „grüne
Wiese“ verliert unter diesem Blick
ihre Unschuld.
Von März bis November fanden
im Jahr 1933 innerhalb der heutigen
deutschen Grenzen über
160 Bücherverbrennungen durch
Nationalsozialisten statt. An rund
20 Prozent der Orte ist heute die
Erinnerung sichtbar.
Viele Menschen wissen, dass
es in Deutschland Bücherverbrennungen
gab. Oft jedoch sind
ihnen nur die Verbrennungen im
Rahmen der Aktion „Wider den
undeutschen Geist“ bekannt und
hier wiederum meistens nur
jene auf dem Bebelplatz in Berlin.
Vom Großteil der über 160 Verbrennungen
weiß die Allgemeinheit
kaum etwas.
Wenige Tage nach der Machtübernahme
fanden die ersten
Bücherverbrennungen statt.
Bereits im März 1933 loderten in
vielen Städten die Flammen über
den Scheiterhaufen. In dieser
Phase wurden solche Aktionen
hauptsächlich als Mittel der
Einschüchterung gegen die politischen
Gegner genutzt. So kam
es nach Plünderungen, Durchsuchungen
und Verhaftungen
an vielen Orten zu spontanen
Bücherverbrennungen.
Wenige Wochen nach der Machtübernahme
systematisierten
die Nationalsozialisten ihre Einschüchterungspraktiken
im Bereich
der Literatur. Ein Höhepunkt
bildete die Erstellung der “Liste
des undeutschen Geist“, auf der
sich 131 Autor:innen befanden.
Bücher dieser Autor:innen wurden
am 10. Mai 1933 auf öffentlichen
Plätzen in mehr als zwanzig
Städten verbrannt. Diese Ereignisse
wurden als Aktion „Wider
den undeutschen Geist“ bekannt.
VORSICHT VOR DER GRÜNEN WIESE
53
Sie war von Kreisen der Deutschen
Studentenschaft zentral
organisiert worden. Neben diesen
systematischen konzertierten
Aktionen gab es in dieser Zeit an
vielen Orten weitere Bücherverbrennungen,
welche von lokalen
Akteuren organisiert wurden.
Die Aktion „Wider den undeutschen
Geist“ lieferte die Inspiration
für weitere Bücherverbrennungen
nach dem 10. Mai
1933. Neben Einzelaktionen, zum
Beispiel bei Sonnenwendfeiern
und ähnlichen Anlässen, kam es
erneut zu zentral organisierten
Aktionen wie der „Kampfwoche
gegen Schund- und Schmutzliteratur“
im Raum Baden-Württemberg.
Es lassen sich also drei Phasen
der nationalsozialistischen
Bücherverbrennungen erkennen:
die Phase der Einschüchterung,
die systematischen Verbrennungen,
die Aktionen im Nachgang
des 10. Mai.
Schauen wir auf die Karte unseres
Gedenkprojektes, so springen
einem verschiedene regionale
Ballungen ins Auge. Im Osten
und im Südwesten Deutschlands
scheint es gehäuft zu Bücherverbrennungen
gekommen zu
sein. Ergänzend zu dieser groben
geografischen Erfassung kann
man den Blick weiter in die Tiefen
der Erinnerungskultur eintauchen
lassen. Und so stellen wir vielerorts
fest: Vorsicht vor dem ersten
Eindruck einer unbelasteten
„grünen Wiese“!
Schon kurz nach dem Krieg gab
es die ersten Bestrebungen, der
Bücherverbrennungen und der
verfolgten Schriftsteller:innen
zu gedenken. Der „Tag des freien
Buches“ wurde 1947 als Gedenktag
für die Bücherverbrennungen
von 1933 in allen vier Sektoren
Nachkriegsdeutschlands begangen.
Doch schon hier zeichnete
sich eine Fokussierung
des Gedenkens auf die studentischen
Verbrennungsaktionen
ab. Aufgrund der überregionalen
Berichterstattung vor allem im
Umfeld des universitären Gefüges
konzentrierte sich die Forschung
lange auf die studentischen
Aktionen. In der heutigen Wahrnehmung
und Erinnerung spielen
die Verbrennungen der Phasen
eins und drei daher nur eine
nebengeordnete Rolle. Ein
besonderer Fokus liegt auf der
Bücherverbrennung in Berlin.
Diese Fokussierung führte in der
Vergangenheit zu einer enormen
Dunkelziffer. Sie verschleierte
das wahre Ausmaß. Doch in den
letzten zehn Jahren sind mehr als
60 weitere Bücherverbrennungen
bekannt geworden.
Gehen wir weg von den Orten
und schauen kurz auf die Namen
der Autor:innen, so stellen wir
ähnliches fest. Wird heute von
den „verbrannten“ Autor:innen
gesprochen, so sind in erster Linie
die 131 der „Liste des undeutschen
Geistes“ gemeint. Genau wie
bei den Verbrennungen ist auch
diese Betrachtung unvollständig.
In der ersten Phase kam es gehäuft
zu „wilden“ Verbrennungen,
bei denen willkürlich die Bestände
sozialdemokratischer und kommunistischer
Buchhandlungen, Bibliotheken,
Gewerkschaften und
Parteien geplündert und zerstört
wurden. Welche Werke genau
verbrannten, lässt sich nicht mehr
rekonstruieren. Auch in der dritten
Phase der Bücherverbrennungen
sind in den Quellen regionale
Unterschiede auszumachen –
was die Namen der betroffenen
Autor:innen betrifft.
Was wir aus diesen Betrachtungen
lernen: Die Erinnerung an die
Bücherverbrennungen ist geprägt
von Unvollständigkeit, und die
Dunkelziffern sind hoch. Die
sichtbaren Häufungen sind nur
deswegen wahrnehmbar, weil
irgendwann mal jemand genauer
hingeschaut hat.
Heute noch ist die Erinnerung
an die Bücherverbrennungen
geprägt und dominiert vom Blick
auf die studentischen Verbrennungen.
Auch darum konzentriert
sie sich jedes Jahr um den 10. Mai.
An rund 20 Prozent der Orte gibt
es eine sichtbare Erinnerung,
der Rest sind versteckte Plätze,
sie befinden sich, sprichwörtlich
betrachtet, unter der „grünen
Wiese“.
„Das Schwimmbad, in dem ich
als Kind war befindet sich an der
Stelle einer Bücherverbrennung.“
„Der Marktplatz, auf dem ich jeden
Sonntag einkaufen gehe, war der
Ort einer Bücherverbrennung.“
„Die Apotheke an der Ecke war
früher eine sozialistische Buchhandlung,
nach einer Plünderung
fand vor ihr eine Bücherverbrennung
statt.“
Trotzdem entstehen jedes Jahr
neue Gedenkorte und Erinnerungsinitiativen,
die sich dieser
versteckten Orte annehmen.
54 VERORTEN
VORSICHT VOR DER GRÜNEN WIESE 55
Immer wieder müssen wir uns die
Frage neu stellen, wie wir heute
mit diesen Orten umgehen sollen.
Sind die Orte wirklich „Verbrannte
Orte“? Oder dürfen wir sie
nutzen und einen Spielplatz oder
eine Schwimmhalle drauf bauen?
Eine Frage, die wir uns immer wieder
neu stellen müssen.
Bei den Orten der Bücherverbrennungen
können wir durchaus
offener sein, was die Nachnutzung
betrifft. Dort wurden keine
Menschen ermordet, sondern
„nur“ ihre Gedanken. Aber erinnern
müssen wir: uns jeden Tag
vor Augen führen, was damals
passiert ist, welche kleinen und
großen Schritte zum späterem
Holocaust, zur Ermordung von
Millionen von Menschen geführt
haben. Damit dies nie wieder
passieren kann.
geraten. Wir bieten Vorträge,
Bildungsmaterialien, Ausstellungen
und vieles mehr an. Die Basis
dafür sind unser Onlineatlas und
eine zentrale und umfangreiche
Informationssammlung, die stetig
erweitert wird – sie wächst mit
der Erinnerung.
www.verbrannte-orte.de
Seit 2013 setzt sich unser Projekt
„Verbrannte Orte“ für ein
umfassendes Gedenken an die
NS Bücherverbrennungen ein.
Das Projekt soll Unsichtbares
sichtbar machen und damit eine
für alle zugängliche Informationsplattform
zu den Orten der Bücherverbrennungen
schaffen.
Es soll Sorge tragen, damit diese
Orte nicht weiter in Vergessenheit
56 VERORTEN
ORTE MIT EINER ODER MEHREREN BÜCHERVERBRENNUNG/EN →
Boberger Dünen
Hamburg
Michaela Bissig
30.10.2022. Ich spaziere durch die Dünenlandschaft
in Lohbrügge, meine Jacke um
den Bauch gebunden und die Sonnenbrille
auf der Nase.
Ich sehe viele Kinder, viel Laub auf dem Boden,
viele Birken, viel Sand und ein Segelflugzeug.
Es ist ein schöner Ort und ich
ver stehe, wieso ich hier nicht alleine bin.
Nichts erinnert daran, dass diese Wanderdüne
einer von fünf Plätzen in Hamburg ist,
wo 1933 Bücher verbrannt wurden. Heute
gehört die Landschaft zum Naturschutzgebiet
Boberger Niederungen und ist ein
beliebtes Naherholungsgebiet. Von der Lebendigkeit
dieses Ortes zeugen die Spuren
im Sand. Ich frage mich: Welche Spuren
haben die Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten
hinterlassen?
58
VERORTEN
Ifflandstraße
Hamburg
Annika Rogg
Weil bei der ersten, relativ kleinen Hamburger
Bücherverbrennung am 15. Mai nicht genug
Publikum anwesend war, wurde fünf
Tage später eine weitere organisiert. Dieses
Mal auf dem zukünftigen Gelände der
Alsterschwimmhalle.
60 VERORTEN
61
62 63
Waldshut
Wadim Petunin
Waldshut – ein Landkreis im südlichsten Süddeutschland,
direkt am Hochrhein – da komme
ich her. Könnte ich diesen Ort am
17. Mai 1933 besuchen, würde ich Zeuge
einer höchst bizarren Szenerie werden: Der
Verbrennung von Büchern. Und das, obwohl
es an diesem Tag wie aus Eimern regnete.
Das Wetter hielt die feurigen Anhänger:innen
dieser entsetzlichen Ideologie nicht
davon ab, ihre beunruhigende Botschaft
zu verbreiten. Der Wolkenbruch, die Stimme
der Vernunft mag die Worte übertönt
haben, aber er konnte das Unheil nicht aufhalten.
Natürlich litt auch die Zahl der Teilnehmenden
stark unter den Unbilden der
Witterung. Trotzdem ließ es sich die Jugend
nicht nehmen, nach Abschluss der Bücherverbrennung
noch beim Rathaus vorbei zu
marschieren.
64
VERORTEN
Schlossplatz
Braunschweig
Svea Ohlschlager
Ein Besuch in der Heimat. Wissen wollen.
Mein Ort. Damals. Mein Ort. Heute. Ein Ort
dazwischen. Wissen wollen, wie er sich anfühlt.
Wissen wollen, was ich nicht weiß.
Wissen wollen. Ich suche, lese, wühle. Wüte.
Finde mehr Fragen. Schaue ungläubig auf
sicher Geglaubtes. Zerfallendes. Fragmente
fügen sich neu. Ein Besuch in der Heimat.
Mein Ort?
68 VERORTEN
69
70 71
Bunte Fassaden. Verformte Fenster.
Tiere, Augen, Münder auf den
Wänden, die einen schmunzeln
lassen. Das Werk eines Künstlers.
Zwei Häuser nebeneinander.
Welch eine Attraktion in dieser
Stadt. Und welch ein Stolz in meinem
kleinen Herzen.
Ich lasse das bunte Haus hinter
mir. Laufe auf einen kleinen Platz
zu. Alte Fachwerkhäuser und
Backsteingebäude drängen sich
dicht und fast ein wenig ängstlich
aneinander. Ich suche nach der im
Internet beschriebenen Gedenktafel.
Ich finde sie, direkt neben
einem Straßenschild. Häufig habe
ich dieses Straßenschild gesehen,
im Vorübergehen gelesen. Mein
Nachname steht darauf, das
kommt eher selten vor. Manchmal
bin ich extra deswegen hier langgegangen,
habe mich gefreut,
dass ich auf merkwürdige Weise
ein Teil dieser Stadt bin. Aber die
Gedenktafel daneben, die habe
ich nie richtig wahrgenommen.
„Am 9. März 1933 stürmte die zwei
Tage vorher aus SA und SS aufgestellte
„Hilfspolizei“ das Volksfreundehaus,
inhaftierte, folterte
und tötete Gegner. Mehrere
Tage brannte auf dem Ackerhof
ein Scheiterhaufen, auf dem die
Bücher der Volksbuchhandlung,
das gesamte SPD Parteiarchiv,
die Akten der Gewerkschaften
und anderer Verbände vernichtet
wurden.“
Ich schaue mir das Gebäude an.
Ich kenne es doch eigentlich so
gut. Früher war ich häufig in dem
kleinen Buchladen, der sich mit
anderen Geschäften auf den
heutigen Ladenflächen drängt.
Es war ein Paradies – mein kleines
Paradies. Zwischen den Büchern
Bücher zu entdecken und zwischen
den Buchseiten die Bildwelten
– das war herrlich.
Niemand störte, leise raschelten
nur andere Bücherliebende.
Ich tauch aus dem alten Stadtviertel
auf, überquere eine laute,
befahrende Straße und komme
zum Schloss. Der großzügige Platz
lässt mich aufatmen. Herrschaftlich
stehen die steinernen Reiter
vor dem Gebäude. Die Stadtgöttin
thront auf dem Dach des Gebäudes
und lenkt ihre vier Pferde über
die Dächer der Stadt. Das Schloss
wurde renoviert, als ich noch
jung war. Ich erinnere mich an
den immer herbstkahlen, kühlen,
bedrückenden Garten, den es
mal hatte. An den verwahrlosten
Prunk.
Ich erinnere mich an die Kraft,
die das Schloss, aus alten und
neuen Teilen zusammengesetzt,
ausstrahlte, als es neu eröffnet
wurde, als mein Lieblingsort in die
neuen Räumlichkeiten umzog und
damit die vorherige, verstaubte
Stadtbücherei modern wurde.
Ich erinnere mich gut, hier auf
dem Platz immer wieder diese
goldene Platte zu meinen Füßen
im Boden gesehen zu haben,
dutzende Male bin ich über sie
hinweggelaufen. Wahrgenommen
habe ich aber immer nur das Wort
„Bücher“. Heute lese ich alles:
„Heinrich Heine, aus Almansor:
„Das war ein Vorspiel nur, dort wo
man Bücher verbrennt, verbrennt
man auch am Ende Menschen.“
An dieser Stelle verbrannten die
Nationalsozialisten am 10. Mai
1933 im Rahmen der Aktion „Wider
den undeutschen Geist“ über
1000 Werke vor allem jüdischer,
sozialdemokratischer, marxistischer
und pazifistischer Autoren.“
Ich verstehe gut, warum die Nazis
diesen Ort gewählt haben, um die
Bücher zu verbrennen. Ein wahrer
Ort der Machtdemonstration.
Ich verstehe nicht, warum ich
diese beiden Orte – den kleinen
und die großen Bücherort hier in
Braunschweig – so gut kenne und
doch wieder nicht. Ich verstehe
nicht, warum ich nichts über
meine Heimatstadt aus dieser
Zeit weiß. Warum habe ich gelernt,
was Heinrich der Löwe für diese
Stadt bedeutet hat, aber nicht,
wie Hitler den Dom und das Grab
dieses Herzogs für seine Zwecke
benutzt hat? Warum weiß ich,
dass Hitler seine deutsche Staatsbürgerschaft
in Braunschweig
bekommen hat, aber habe nie
Zeitzeug:innenberichte über die
politische Lage dieser Stadt gelesen?
Ich habe auf meiner Suche nach
den verbrannten Orten so viel
zu der Stadthistorie recherchiert,
zu Taten und Orten und zur Bedeutung
der Stadt für den Nationalsozialismus.
Mein Unverständnis
wuchs dabei. Es macht mich
heute wütend, all diese historischen
Fakten über meine Heimatstadt
zu lesen. Ich bin wütend
über meine Unwissenheit und die
nicht verarbeitete Vergangenheit.
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73
74
75
Hauptplatz
Landsberg am Lech
Alexandra Rygus
07.05.1933. Bücherverbrennung durch die
Hitler jugend im Rahmen des Tages der
Jugend: Um 17 Uhr fanden sich die Hitlerjugend,
eine SA-Kapelle und Publikum am
Hauptplatz ein. Nach einer Rede des
Kreisleiters wurden von öffent lichen Bibliotheken
zur Verfügung gestellte Bücher
verbrannt.
76
VERORTEN
Heute ist der Landsberger
Hauptplatz ein belebter
Ort, an dem regelmäßig
Veranstaltungen wie Wochenmärkte,
Konzerte
und Festivals stattfinden.
Er ist von historischen
Gebäuden, wie dem Rathaus,
der Stadtpfarrkirche
und dem Landsberger
Schloss umgeben.
Der Platz selbst wurde seit
1950 mehrfach umgebaut.
An die Bücherverbrennung
erinnert hier nichts mehr.
78 79
Claudiusstraße 1
Köln
Lina Korsten
Um 9 Uhr abends auf dem Vorplatz der Universität
trafen NSDStB, Studentenschaft, SA,
und Lehrkörper aufeinander. Nach einigen
propagandistischen Reden wurde ein großer
Feuerstoß gezündet. Darin wurden unter
anderem Werke von Heinrich Mann und von
Erich Maria Remarque verbrannt sowie die
Verträge von Versailles und St. Germain.
Nach dem Schlusswort des Rektors Peter
Winkelnkemper zogen die Teilnehmer:innen
in einem Fackelzug zum früheren Horst-
Wessel-Platz, heute: Rathenauplatz.
80
VERORTEN
82
vertiefen
Hamburg liest verbrannte Bücher
Wilfried Weinke
„Man hat nicht nur gegen die Autoren,
sondern auch gegen ihre
Bücher gewütet, indem man besondere
Kommissare beauftragte,
die Geisteserzeugnisse der bedeutendsten
Köpfe auf offnem
Markte zu verbrennen. Natürlich
meinte man in diesem Feuer die
Stimme des Volkes, die Freiheit
und das Gewissen töten zu
können. Man hatte ja obendrein
die großen Philosophen ausgewiesen
und alle echte Kunst
und Wissenschaft ins Exil getrieben,
damit nirgends mehr etwas
Edles und Ehrliches anklagend
auftrete …“
Ein historisches Zitat, das der
Schriftsteller Erich Kästner nutzte,
um eine Ausstellung mit dem
Titel „Verboten und verbrannt“
zu eröffnen. Ein uraltes Zitat,
denn es stammt von dem römischen
Historiker Tacitus. Kästner
benutzte es, um die lange Tradition
von Bücherverbrennungen
zu veranschaulichen. Kästner
begann seine Rede mit dem Satz:
„ … seit Bücher geschrieben werden,
werden Bücher verbrannt.“
Um an anderer Stelle nicht minder
markant fortzufahren:
„Die Geschichte des Geistes und
des Glaubens ist zugleich die
Geschichte des Ungeistes und
des Aberglaubens“.
Doch Kästner verblieb nicht im
Allgemeinen, schließlich war er
im wahrsten Sinne des Wortes
ein Zeitzeuge. Er war zugegen,
als am 10. Mai 1933 auf dem
Berliner Opernplatz Tausende
Bücher Opfer der Flammen
wurden. Kästner verstand es,
die planmäßig organisierten und
öffentlich inszenierten Bücherverbrennungen
in den historischen
Kontext der nationalsozialistischen
Machtübertragung
einzubetten:„Es begann mit dem
brennenden Reichstag und endete
in der brennenden Reichskanzlei.
Es begann mit Fackelzügen
und endete mit Feuerbestattung.
Zwischen dem Reichstagsbrand
und der Bücherverbrennung,
also zwischen dem 27. Februar
und dem 10. Mai 1933, arbeiteten
sie freilich ohne Streichhölzer
und ohne Benzin. Sie sparten
Pech und Schwefel. Es ging
auch so. Der Feldmarschall und
Reichspräsident kapitulierte in
der Potsdamer Garnisonskirche.
Das geschah am 21.März. Zwei
Tage später kapitulierten, mit
Ausnahme der Sozialdemokratie,
HAMBURG LIEST VERBRANNTE BÜCHER
85
die Parteien in der Krolloper. Eine
Woche später wurden die Länder
„gleichgeschaltet“. Am 1. April
wurde der Judenboykott inszeniert.
Es war eine missglückte
Inszenierung, und man setzte
das blutige Stück vorübergehend
vom Spielplan ab. Am 7. April
wurden die Gauleiter als Reichsstatthalter
herausstaffiert. Am
2. Mai wurden die Gewerkschaften
aufgelöst. Zwei Monate hatte
man mit der seidnen Schnur gewinkt,
und es ging wie am seidnen
Schnürchen. Am 10. Mai aber
brauchte man wieder Feuer. Für
die Bücher.“
Kästners Rede trug den Titel
„Über das Verbrennen von Büchern“.
Er hielt sie am 10. Mai 1958
in Hamburg. Genauer gesagt in
der Staatsbibliothek Hamburg, als
dort im Rahmen der Tagung des
Deutschen P.E.N.-Zentrums an
den 25. Jahrestag der Bücherverbrennung
gedacht wurde. Zu den
Eröffnungsansprachen gehörte
ein Grußwort des Bundespräsidenten
Theodor Heuss sowie eine
Rede des damaligen Schulsenators
Heinrich Landahl (SPD), in
der dieser Erstaunliches vortrug:
„Wir sind im nüchternen Hamburg.
Hier in Hamburg steht jetzt –
mit gutem Recht – die ernste,
eindringliche Ausstellung‚ Verboten
und verbrannt‘ als warnendes
Fanal. Mit gutem Recht, weil hier
in Hamburg weder am 10. Mai
noch an irgendeinem anderen Tag
des Jahres 1933 Scheiterhaufen
errichtet oder Bücher verbrannt
worden sind.“
Er irrte sich gewaltig. Es gab in
Hamburg nicht nur eine, sondern
gleich zwei, manche Quellen
sprechen sogar von fünf Bücherverbrennungen.
Nun soll nicht un–
terstellt werden, Heinrich Landahl
hätte mit dieser falschen Behauptung
bewusst an jener Legendenbildung
mitwirken wollen,
nach der in Hamburg in der Zeit
des Nationalsozialismus alles
nicht so schlimm gewesen sei.
Doch brauchte es Jahre, Jahrzehnte,
bis auch in Hamburg bezogen
auf die Bücherverbrennungen
deutlich andere erinnerungspolitische
Akzente gesetzt wurden.
1983 beschloss der Senat der
Freien und Hansestadt Hamburg,
die Staats- und Universitätsbibliothek
nach dem in Hamburg
geborenen Publizisten Carl von
Ossietzky zu benennen, dessen
Schriften im Mai 1933 verbrannt
worden waren. (Es darf angemerkt
werden, dass die Benennung
auch der beharrlichen
Initiative des aus Deutschland
emigrierten und nach 1945
nach Hamburg zurückgekehrten
jüdischen Publizisten Arie
Goral-Sternheim zu verdanken
ist.) Im gleichen Jahr wurde in
Hamburg die Ausstellung „Schädlich
und unerwünscht, verboten
und verbrannt“gezeigt; Ausstellung
und begleitende Broschüre
behandelten „Die Bücherverbrennung
vom 10.Mai 1933
und ihre Folgen“. 1985 erfolgte
die Errichtung einer Gedenkanlage
am historischen Ort, dem
Kaiser-Friedrich-Ufer im Bezirk
Eimsbüttel, wo am 15. Mai 1933
Hamburgs erste Bücherverbrennung
stattgefunden hatte.
Im Gebäude der Talmud-Tora-
Schule am Grindelhof, damals
Sitz der Fachhochschule Hamburg,
Fachbereich Bibliothekswesen,
wurde im Mai 1993 anlässlich
des 60. Jahrestages der Bücherverbrennung
die Ausstellung
„Verbrannte Bücher, Verbrannte
Ideen, Verbrannte“ präsentiert.
2001, siebzehn Jahre nach dem
Tod des in Hamburg geborenen
Literaturwissenschaftlers und
späteren Begründers der Exilliteraturforschung
Walter A. Berendsohn,
wurde die „Hamburger
Arbeitsstelle für deutsche Exilliteratur“in
„Walter A. Berendsohn
Forschungsstelle für deutsche
Exilliteratur“ umbenannt. Der Namenspatron
floh 1933 nach Dänemark,
1943 weiter nach Schweden.
86 VERTIEFEN
HAMBURG LIEST VERBRANNTE BÜCHER
87
Nach 1945 musste er über Jahrzehnte
erfahren, dass die Hamburger
Universität seine wissenschaftliche
Reputation in
Zweifel zog und er in beschämender
Weise weiterhin ausgegrenzt
wurde. Im Altbau der Staats- und
Universitätsbibliothek – Carl
von Ossietzky – dem ehemaligen
Wilhelm-Gymnasium, fand im
Mai 2013 anlässlich des 80. Jahres–
tages der Bücherverbrennung
die Eröffnung der Ausstellung
„Wo man Bücher verbrennt …
Verbrannte Bücher, verbannte
und ermordete Autoren Hamburgs“
statt. Eine bewusste Ortswahl,
waren doch drei der in der Schau
gewürdigten Personen, der Verleger
Kurt Enoch, der Rechtsanwalt
Bernhard Karlsberg, der
Kinderbuchautor und Illustrator
Hans A. Rey(-ersbach), Schüler
des Wilhelm-Gymnasiums gewesen.
Alle konnten emigrieren.
Diese Präsentation konzentrierte
sich weniger auf die 1933
von der damaligen „Deutschen
Studentenschaft“ getragene
Aktion „Wider den undeutschen
Geist“, deren Durchführung, die
beteiligten Gruppen, die Biografien
der Redner vor den lodernden
Feuern sowie das willfährige
Verhalten vieler Bibliothekare.
Den Schwerpunkt bildeten vielmehr
achtzehn Autorinnen und
Autoren, deren Geburtsstadt
Hamburg war oder die bis 1933
in der Hansestadt gelebt und gearbeitet
hatten. Auf Grund eines
erweiterten Autorenbegriffs erinnerten
die Ausstellung und das
2017 erschienene Katalogbuch
an die Kinderbuchautorin Grete
Berges, den Rabbiner Joseph
Carlebach, die Fotografen und
Bildautoren Max Halberstadt und
Rolf Tietgens, die Lyrikerin Alice
Ekert-Rotholz, die Schriftsteller
Max und Philipp Berges, Adolf
Goetz, Iwan Heilbut, Cheskel Zwi
Kloetzel und Heinz Liepman, den
Autor und Dichter Jakob Loewenberg,
die Literaturwissenschaftlerin
Käte Hamburger und die
Religionsphilosophin Margarete
Susman, den Dramaturgen Arthur
Sakheim, nicht zu vergessen die
Journalisten Carl von Ossietzky
und Justin Steinfeld. Der Versuch,
an die zerstörte Vielfalt des
literarischen wie künstlerischen
Schaffens in Hamburg zu erinnern,
orientierte sich an dem Satz des
1940 auf der Flucht vor nationalsozialistischer
Verfolgung verstorbenen
Schriftstellers Walter
Benjamin: „Schwerer ist es, das
Gedächtnis der Namenlosen
zu ehren als das der Berühmten.
88 VERTIEFEN
HAMBURG LIEST VERBRANNTE BÜCHER
89
Dem Gedächtnis der Namenlosen
ist die historische Konstruktion
geweiht.“
Die Hamburger Bücherverbrennungen
vom Mai 1933 wurden
mit Blick auf gleiche Aktionen
in anderen deutschen Großstädten
nicht nur wegen der geringen
Zahl der verbrannten Bücher
sowie der Teilnehmer als „Provinzpossen“
bezeichnet.
Eine unzulässige Verharmlosung,
die sich mit dem Wissen um die
politischen Konsequenzen dieser
Fanale sowie den Schicksalen
der Autorinnen und Autoren nicht
verträgt. Die zurückliegenden
Ausstellungen, Namensgebungen
und Würdigungen stellen ohne
jeden Zweifel wichtige Beiträge
zur hamburgischen Erinnerungskultur
dar. Sie liefern dennoch
keinen Grund für gelassene Selbstzufriedenheit.
Gedenkstunden
dürfen nicht in Ritualen erstarren,
sie müssen immer wieder erneut
Gedächtnis-Übungen sein. Veranstaltungsreihen,
wie die seit
2016 von der Körber-Stiftung
veranstalteten „Tage des Exils“
und das von vielen Initiativen getragene
Lesefestival „Hamburg
liest verbrannte Bücher“ verkörpern
wichtige Foren einer
demokratischen Zivilgesellschaft,
in der die Verletzung von Menschenrechten,
Zensur, Emigration,
Exil, Krieg und Gewalt leider
keine historischen Themen sind.
Zum Schluss seiner in der Hamburger
Staatsbibliothek gehaltenen
Rede „Über das Verbrennen
von Büchern“ resümierte Erich
Kästner mahnend: „Die Ereignisse
von 1933 bis 1945 hätten spätestens
1928 bekämpft werden müssen.
Später war es zu spät. Man
darf nicht warten, bis der Freiheitskampf
Landesverrat genannt
wird. Man darf nicht warten, bis
aus dem Schneeball eine Lawine
geworden ist. Man muß den
rollenden Schneeball zertreten.
Die Lawine hält keiner mehr auf.
Sie ruht erst, wenn sie alles unter
sich begraben hat … Drohende
Diktaturen lassen sich nur bekämpfen,
ehe sie die Macht übernommen
haben. Es ist eine Angelegenheit
des Terminkalenders,
nicht des Heroismus.“
Stets gilt es daran zu erinnern,
dass die Ausgrenzung religiöser
Minderheiten und politisch
Andersdenkender eine Selbstamputation
am eigenen Körper
ist. Demokratie und Toleranz
wollen täglich verteidigt werden.
90 VERTIEFEN →
Alles, was ich nicht über
Eva Leidmann weiß
Annika Rogg
Eine unglückliche Suche nach einer Autorin,
die fast niemand mehr kennt.
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Die Bücher
(Eine zufällige Auswahl)
Dian Gohring
Wir kennen viele Autor:innen und Namen,
aber wie sahen diese verbrannten Bücher
eigentlich aus? Sahen sie gefährlich und
radikal aus oder eher wie Bücher, die auch
heute in den Bücherregalen zu finden sind?
Durch diese Arbeit sollen sich Betrachtende
ein Bild davon machen, wie es wäre, 1933
ein Buch zu kaufen, das am nächsten Tag
brennend zwischen anderer unerwünschter
Literatur liegt. Der Einband, das Gesicht des
Buches, ist das Erste, das von den Flammen
umfasst und zerstört wird. Mithilfe der „Bibliothek
der verbrannten Bücher“ der Universität
Augsburg konnte ich einen kleinen
Teil der papierenen Opfer portraitieren und
ihnen ihre Gesichter zurückgeben.
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Ilja Ilf und Jewgeni Petrow
Zwölf Stühle
Natalie Mineew
Der mehrmals verfilmte satirische Roman
des Autorenduos Ilf und Petrow ist eines
der Bücher, die 1933 verbrannt wurden. Voller
Witz wird die Jagd eines ehemaligen
russischen Adligen nach wertvollen Familienjuwelen
geschildert, die in einem von
12 (von den Bolschewiken beschlagnahmten)
Stühlen versteckt wurden. Ein orthodoxer
Priester erfährt ebenfalls davon.
Unabhängig voneinander jagen die Männer
nun dem wertvollen Schatz hinterher, ein
Gauner gesellt sich schließlich auch noch
hinzu. Der Roman ist eine herrlich freigeistige,
anarchische, scharfe und kluge Gesellschaftskritik
– Anlass genug für die Nazis,
auch diesen Roman dem Feuer zu übergeben.
Zumal Ilja Ilf, Teil des Autoren-Duos,
jüdischer Herkunft war.
106 VERTIEFEN
107
In Moskau, im Stadtzentrum, stand auf dem
Treppenabsatz im achten Stock ein erwachsener,
gebildeter, schnurrbärtiger Mann, splitternackt,
nur mit Seifenschaum bedeckt. Er konnte nicht
weg. Lieber wäre er in den Knast gegangen,
als sich dergestalt zu zeigen. Er war verloren.
Der Schaum platzte und brannte auf dem Rücken.
Auf den Armen und im Gesicht war er schon
erstarrt, sah aus wie Schorf und zog die Haut
zusammen wie Alaun. So verging eine halbe
Stunde. Der Ingenieur schubberte sich an den
gekalkten Wänden, stöhnte und versuchte ein
paarmal erfolglos, die Tür aufzubrechen. Er
machte sich schmutzig und sah furchtbar aus.
Seite 273
ILF/PETROW, 1928, ZITIERT NACH SAMMLUNG LUCHTERHAND 2003
109
Wasjuki wird automatisch zur Hauptstadt werden.
Die Regierung wird hierher übersiedeln. Wasjuki
wird in New-Moskau umbenannt, und Moskau
in Alt-Wasjuki. Die Leningrader und Charkower
werden mit den Zähnen knirschen, können aber
nichts machen. New-Moskau wird die eleganteste
Hauptstadt Europas, ja, der ganzen Welt.“
„Der ganzen Welt!!!“ ächzten die benommenen
Wasjukier. „Ja! Und künftig auch des Weltalls!
Die Schachidee, die eine Kreisstadt in die Hauptstadt
des Erdballs verwandelt hat, wird zur angewandten
Wissenschaft werden und Methoden
interplanetarer Kommunikation erfinden. Von
Wasjuki werden Signale zum Mars, Jupiter und
Neptun fliegen. Der Verkehr mit der Venus
wird genauso einfach sein wie eine Dampferfahrt
von Rybinsk nach Jaroslawl. Und wer
weiß, vielleicht findet in acht Jahren in Wasjuki
das in der Geschichte des Universums erste
interplanetare Schachturnier statt.“
Seite 404
110 ILF/PETROW, 1928, ZITIERT NACH SAMMLUNG LUCHTERHAND 2003
111
„Nein, wissen Sie“, sagte Worobjaninow aufgelebt,
„als Sie mit Frau Grizazujewa über das Hochwasser
sprachen, habe ich mich auf unseren
Stuhl gesetzt, und, Ehrenwort, ich habe unter
mir etwas Hartes gefühlt. Sie sind dort, bestimmt,
sie sind dort. Bei Gott, ich fühle es.“„Regen Sie
sich nicht auf, Bürger Michelson.“„Wir müssen
ihn nachts stehlen! Bei Gott, stehlen!“„Für einen
Adelsmarschall haben Sie ziemlich kleinkarierte
Maßstäbe. Ist Ihnen die Technik einer solchen
Sache vertraut? Vielleicht haben Sie in Ihrem
Koffer ein Reisenecessaire mit einem Sortiment
Dietriche? Vergessen Sie’s! Eine arme Witwe
zu bestehlen ist geschmacklos.“ Worobjaninow
kam zu sich. „Es soll doch schnell gehen“, sagte
er flehend. „Schnell geht bloß das Katzenmachen“,
bemerkte Bender belehrend. „Ich werde
sie heiraten.“
Seite 140
ILF/PETROW, 1928, ZITIERT NACH SAMMLUNG LUCHTERHAND 2003 115
Worobjaninow schwieg. Die einzige Beschäftigung,
mit der er Mittel zum Leben erwerben
konnte, war die Bettelei, aber hier in den Bergspiralen
und -gesimsen gab es niemanden, den
er anbetteln konnte. Im übrigen gab es auch
hier die Bettelei, wenngleich besonderer Art –
Gebirgsbettelei. Jedesmal wenn ein Autobus
oder Personenwagen an der Siedlung vorbeifuhr,
liefen Kinder zusammen und vollführten vor dem
beweglichen Auditorium ein paar Tanzschritte
der naurischen Lesginka. Dann rannten sie hinter
dem Wagen her und schrien: „Gib Geld! Gib
Geld!“. Die Fahrgäste warfen ihnen Fünfkopekenstücke
zu und fuhren hinauf zum Krestowy-
Pass. „Feine Sache“ sagte Bender, „Kapital wird
nicht benötigt, die Einnahmen sind nicht hoch,
aber in unserer Lage wertvoll.“ Gegen zwei Uhr
des zweiten Reisetages legte Worobjaninow,
beobachtet vom großen Kombinator, vor den
Reisenden seinen ersten Tanz hin.
Seite 455
116 ILF/PETROW, 1928, ZITIERT NACH SAMMLUNG LUCHTERHAND 2003
FINDEN SIE AM ENDE DIE JUWELEN? BUCH LESEN UND ERFAHREN!
117
Was bleibt?
Katrina Biedenbender
1933 wurde das Institut für Sexualwissenschaft
von Studenten geplündert und zerstört.
Doch was wurde aus dem Institut?
Was ist dort heute? Wie wird vor Ort an das
Institut erinnert? Komm mit auf einen kleinen
Spaziergang durch das Regierungsviertel
in Berlin.
118 VERTIEFEN
119
Gegenüber dem Bundeskanzleramt,
auf der anderen Seite der
Spree, liegt ein hübscher, schmaler
Uferpark. Ein kiesumrahmter
Weg, der von jungen Bäumen
gesäumt ist, erstreckt sich von
der Lutherbrücke zur Moltkebrücke.
Auf dem Straßenschild am
Eingang steht „Magnus-Hirschfeld-Ufer“
und auf der kleinen
Tafel darüber „Magnus Hirschfeld
| geb. 14.Mai 1868 in Kolberg gest.
14.Mai 1935 in Nizza | Jüdischer
Arzt und Sexualwissenschaftler
Gründer der ersten Emanzipationsbewegung
Homosexueller“.
Aber warum ist dieser Park ausgerechnet
hier? Gibt es eine
Verbindung zwischen dem Institut
für Sexualwissenschaft und diesem
Ort? 1919 gründete Magnus
Hirschfeld das Institut für Sexualwisschenschaft.
Die Aufgabenbereiche
waren vielfältig. Hirschfeld
und seine Kolleg:innen forschten
zu Homosexualität, zu Geschlechtervielfalt
und führten die
ersten geschlechtsangleichenden
Operationen für trans Personen
durch. Außerdem berieten sie
Klient:innen zu Beziehungsfragen,
Sexualität und behandelten sexuell
übertragbare Krankheiten.
Neben den medizinischen Aufgaben
diente das Institut vor allem
als Anlaufstelle und als Safespace
für Menschen, die sich heutzutage
vermutlich als queer bezeichnen
würden. Im Laufe der
Jahre entstand dort eine beeindruckende
Sammlung an Büchern,
Fotografien zur Untersuchung von
körperlicher Vielfalt, Fragebögen,
in denen Klient:innen über viele
Seiten hinweg ihr Selbstempfinden
offenlegten, und anderen
einzigartigen Forschungsunterlagen.
1933 wurde das Institut im
Rahmen der Bücherverbrennung
geplündert und verwüstet. Mehr
dazu hier.
Kurz darauf wurde das Institut
geschlossen. Bei den Angriffen
auf Berlin im Zweiten Weltkrieg
wurde das Magnus-Hirschfeld-
Institut endgültig zerstört.
121
Das Institut stand an der Ecke
„Beethovenstraße“ und „An den
Zelten“. Die Straßen existieren
heute nicht mehr. In der vormaligen
Wohngegend stehen
nun das Bundeskanzleramt und
das Haus der Kulturen der Welt.
Es wurde immer wieder versucht,
das Institut neu zu gründen, aber
ohne Erfolg. Dort, wo einst das
Institutsgebäude stand, befindet
sich heute die Lüftungsanlage
des Hauses der Kulturen der Welt.
Es gibt an dieser Stelle keinen
Hinweis auf das Institut.
Nicht weit von der Stelle
entfernt, am Wegesrand nahe
der Spree, steht stattdessen
eine Gedenksäule, die an das
Institut erinnert. Von hier aus
kann man auf der anderen Seite
der Spree, am Magnus-Hirschfeld-Ufer,
eine Skulptur sehen.
Sie erinnert an die erste Homosexuelle
Emanzipationsbewegung,
die von Hirschfeld mitgegründet
wurde. Hier in den
Parkanlagen um das Bundeskanzleramt
erinnert vieles, aber
auch gleichzeitig nichts an das,
was hier früher einmal war.
122 123
Standort
des ehemaligen
Instituts für
Sexualwissenschaft
Bundeskanzleramt
Haus
der Kulturen
der Welt
Gedenksäule
für das Institut
für Sexualwissenschaft
Denkmal für
die erste Homosexuelle
Emanzipationsbewegung
Hirschfeld
Bar
Spree
Bertha von Suttner und
der schwarze Punkt
am Horizont
Michaela Bissig
Als 1933 die Bücher brennen, ist Bertha von
Suttner schon 19 Jahre tot. Die Autorin, Pazifistin,
Feministin und Friedensnobelpreisträgerin
stirbt 1914, nur einige Wochen vor dem
Ausbruch des ersten Weltkriegs. Sie muss
nicht mit ansehen, wie ihr bekanntestes
Werk „Die Waffen nieder!“ ins Feuer der
Nationalsozialist:innen geworfen wird. Der
Roman, der bereits im Titel gegen den Krieg
appelliert, passt mit seinen humanistischen
Werten nicht zur politischen Agenda des
nationalsozialistischen Regimes.
126 VERTIEFEN
127
Warum nur immer beiderseitig schreien:
„Ich – ich bin im Rechte.“ Sogar gegen die
eigene Überzeugung schreien, so lange, bis
man sich heiser geschrien, und losschlägt –
die Entscheidung der Gewalt überlassend?
128
DIE WAFFEN NIEDER! BERTHA VON SUTTNER, 1889, S. 114
129
In ihrem Antikriegsroman erzählt
Bertha von Suttner die Lebensgeschichte
der Gräfin Martha, die
vier Kriege miterlebt. Nach dem
Tod ihres ersten Ehemanns im
Sardinischen Krieg von 1859 beginnt
die Protagonistin ihr Weltbild
zu hinterfragen, das ihr von
klein auf anerzogen wurde.
Ihre Haltung gegenüber Kriegen
ändert sich daraufhin drastisch.
Damit stellt sie sich nicht nur
gegen die gesellschaftlichen
Anschauungen ihres adeligen
Umfelds, sondern auch gegen
Mitglieder ihrer Familie. Ihr Vater
verachtet Marthas Haltung und sie
geraten immer wieder in Streit.
„So waren denn die blutigen Würfel
wieder gefallen – die Partie
begann. Dies veranlasste meinen
Vater, einen Gratulationsbrief an
uns zu richten.“
(Zitate aus: „Die Waffen nieder!“)
Später lernt sie ihren zweiten
Ehemann, einen Offizier, kennen.
Dieser hadert mit seiner Stellung
und hat ähnliche Ansichten wie
Martha. Er verlässt das Militär und
gemeinsam setzt sich das Ehepaar
für den Frieden und gegen
den Krieg ein. Marthas Sohn Rudolf
(„Ruru“), der durch seine
Mutter mit pazifistischen Werten
und Vorstellungen aufwächst,
wird schliesslich nicht Soldat,
sondern Friedensaktivist. Damit
hat es die Protagonistin geschafft,
den Teufelskreis der Kriegsverherrlichung
in ihrer Familie zu
durchbrechen.
Die Figur Martha ist als Alter Ego
von Bertha von Suttner zu verstehen.
Die Schriftstellerin wird 1843
in Prag unter dem Namen Bertha
Sophia Felicita Gräfin Kinsky von
Wchinitz und Tettau in die österreichische
Hocharistokratie geboren.
Der militaristische Hintergrund
in ihrem Umfeld beeinflusst
die junge Bertha: Ihr Vater, der
kurz vor ihrer Geburt stirbt, war
Generalleutnant, der Vater ihrer
Mutter Hauptmann der Kavallerie.
Ihr Bruder wird bereits mit sechs
Jahren auf eine Militärschule
geschickt.
Bertha reist in ihrer Kindheit und
Jugend viel. Sie besucht mit ihrer
Mutter, die leidenschaftliche
Spielerin ist, internationale Spielsalons,
lernt unterschiedliche
Sprachen und wird von Gouvernanten
unterrichtet.
Als Bertha erwachsen ist, scheitern
mehrere Verlobungen, die
sie eingeht. Als ihre Mutter
schliesslich das Vermögen des
Vaters verprasst, beginnt Bertha
selbst als Gouvernante bei der
Familie von Suttner zu arbeiten.
Sie verliebt sich in den Sohn
Arthur und das Paar wird von den
Schwestern, die sie unterrichtet,
gedeckt. Als die Eltern von der
Beziehung erfahren, wird Bertha
als Gouvernante entlassen.
Sie findet eine neue Anstellung
als Sekretärin von Alfred Nobel in
Paris. Während Berthas Zeit in
Paris freundet sie sich mit Nobel,
dem Erfinder des Dynamit, an.
Bertha vergisst Arthur von Suttner
allerdings auch in Paris nicht. 1876
verlässt sie die Stadt, kehrt nach
Wien zurück und heiratet heimlich
ihren Geliebten Arthur. Dieser
wird darauf von seiner Familie
enterbt. Das Ehepaar reist nach
Georgien, wo Bertha sich Unterstützung
von einer ihr bekannten
Fürstin erhofft. Ein Jahr darauf,
1877, erklärt Russland dem Osmanischen
Reich den Krieg. In Georgien
sind die Folgen dieses Krieges
deutlich zu spüren. Bertha
beginnt für deutsche und österreichische
Zeitungen über die
Geschehnisse zu berichten. Später
schreibt sie neben journalistischen
Berichten auch Erzählungen.
Für ihre Texte verwendet sie
das Pseudonym B. Oulot. Unter
ihrem eigenen Namen schreibt
sie erst, als ihre Texte bereits
Anerkennung gefunden haben.
Nach 9 Jahren in Georgien kehren
Bertha und Arthur von Suttner
zurück nach Österreich, wo sie
sich mit Arthurs Familie versöhnen.
Erst nach der Rückkehr beginnt
Bertha mit ihrem Roman
„Die Waffen nieder!“, den sie
schliesslich 1889 veröffentlicht.
„Ja, ja – tausend Leben – nur keinen
Zoll Erde. Das ist der Grundgedanke
des patriotischen
Geistes.“
Durch diesen Roman wird Bertha
von Suttner weltberühmt. Nach
der Veröffentlichung wird sie
politisch sehr aktiv, setzt sich für
Abrüstung und Frieden ein und
gründet die österreichische Friedensgesellschaft.
Sie publiziert
zu dem Thema, tritt international
als Rednerin auf, nimmt an Kongressen
teil und wird Vizepräsidentin
des internationalen Friedensbüros.
Immer wieder warnt
sie vor einem grossen Krieg.
Friede ist nicht das einzige Anliegen
von Bertha von Suttner:
Sie setzt sich unter anderem für
die Rechte der Frauen, gegen
Tierversuche und gegen Antisemitismus
ein.
130 DER ROMAN
DIE AUTORIN
131
„Nach der Kriegserklärung heißt
es plötzlich von allen Schrecknissen:
„Es gilt nicht.“ Kinder lassen
manchmal diese Konvention in
ihren Spielen walten. „Wenn ich
dies oder jenes tue, so gilt es
nicht,“ hört man sie sagen. Und im
Kriegsspiel herrschen auch solche
unausgesprochene Übereinkommen:
Totschlag gilt nicht
mehr als Totschlag, Raub ist nicht
Raub – sondern Requisition, brennende
Dörfer stellen keine Brandunglücke,
sondern „genommene
Positionen“ vor. “
Der Roman „Die Waffen nieder!“
bleibt ihr mit Abstand erfolgreichstes
Werk. Damals ist
es aussergewöhnlich, wie unbeschönigt
die Autorin über den
Krieg schreibt und wie sie die
Geschlechterrollen der damaligen
Gesellschaft thematisiert.
Bertha von Suttner verdeutlicht
mit ihrem Roman, dass Kriege
menschengemacht sind und damit
auch kein unausweichliches
Übel darstellen, das einfach hingenommen
werden muss.
Der Autorin gelingt es, die Absurdität
des Krieges zu veranschaulichen.
Immer wieder benutzt sie
die Metapher eines schwarzen
Punktes am Horizont, der die
Möglichkeit eines aufziehenden
Krieges symbolisiert. Sie beschreibt,
wie die Zeitungen über
diesen Punkt berichten, wie er
die Menschen beschäftigt und
welche Ungewissheiten und
Ängste er auslöst.
„Ein Hauptbestandteil unserer
Lebensenergie scheint in
der Vergesslichkeit zu liegen.“
Oft sind es Streitgespräche
zwischen der Protagonistin und
ihrem Vater, die zu Grundsatzdiskussionen
über den Krieg werden.
Auch in Diskussionen zwischen
Martha und ihrem zweiten Ehemann
wird das Thema Krieg immer
wieder aufgegriffen.
Ich habe beim Lesen den Eindruck,
dass die Autorin sich in diesen -
oft mehrseitigen Passagen - den
Raum nimmt, um ihre eigene
humanistische Sichtweise ganz
klar zu formulieren. Sie verdichtet
Inhalte und bringt sie mit deutlichen
Worten und einfachen, klugen
Vergleichen auf den Punkt.
Im Gegensatz dazu fühlt sich die
Rahmenhandlung aus meiner
heutigen Sicht aus der Zeit gefallen
und langatmig an. Die Welt hat
sich verändert, seit Bertha von
Suttner diesen Roman geschrieben
hat. Das fällt mir nicht zuletzt
an der Sprache und der Art, wie
die Charaktere kommunizieren,
auf. Auch die Rollenverteilung und
gesellschaftliche Werte empfinde
ich in diesem Roman als
befremdlich. Dieser Kontrast
macht die Passagen über den
Krieg für mich noch wirkungsvoller
und berührender, da viele
so aktuell erscheinen wie vor
134 Jahren.
132 DIE WAFFEN NIEDER!
133
Soldat.
„Was wird er werden?“ Diese eben noch
nicht sehr dringende Frage wurde des
öfteren über Rurus Wiege vorgelegt, und
immer einstimmig entschieden: Soldat.
DIE WAFFEN NIEDER! BERTHA VON SUTTNER, 1889, S. 13
135
Ich kenne ein Märchen von George Sand,
genannt Gribouille. Dieser Gribouille hat
die Eigenheit, wenn Regen droht, sich aus
Furcht vor dem Naßwerden in den Fluß zu
stürzen. Wenn ich höre, daß der Krieg angetragen
wird, um drohenden Gefahren vorzubeugen,
so muß ich immer an Gribouille
denken.
136
DIE WAFFEN NIEDER! BERTHA VON SUTTNER, 1889, S. 316
So wird der zweistimmige Wechsel gesang
unausgesetzt fortgeführt:
Meine Rüstung ist die defensive,
Deine Rüstung ist die offensive,
Ich muß rüsten, weil du rüstest,
Weil du rüstest, rüste ich,
Also rüsten wir,
Rüsten wir nur immer zu.
138
DIE WAFFEN NIEDER! BERTHA VON SUTTNER, 1889, S. 171 139
Das Dorf ist unser – nein, es ist des Feindes –
und wieder unser – und abermals des Feindes,
aber ein Dorf ist’s nicht mehr, sondern
ein rauchender Trümmerhaufen. Die Bewohner
(war es nicht eigentlich ihr Dorf?)
hatten es schon früher verlassen und waren
geflohen.
140
DIE WAFFEN NIEDER! BERTHA VON SUTTNER, 1889, S. 195
141
Wozu wäre denn da
das Militär da?
Siegen oder besiegt
werden – der Krieg an und für sich
ist schon schrecklich … Wäre es nicht
besser, wenn es gar keinen solchen
gäbe?
Ja,
wozu?
Ich sann nach.
Dann gäbe
es keins.
Was du für Unsinn sprichst!
Das wäre eine schöne Existenz
– lauter Zivilisten –
mir schaudert!
Das ist zum
Glück unmöglich.
Opa Klaus und
die Mönchsbibliothek
Andrea Wandinger
Auf einer persönlichen Spurensuche stößt
Andrea Wandinger auf ein Kloster, einen gesprächigen
Mönch und eine Menge Fragen
rund um das Schulleben ihres Großvaters
während der Zeit der Bücherverbrennungen
im Jahr 1933. In ihrem Essay setzt sie sich mit
diesen auseinander – eine Spurensuche in
Text und Bild.
144 VERTIEFEN
NÄCHTLICHES GESPRÄCH ZU DEN BÜCHERVERBRENNUNGEN
145
146 147
148 149
Im Dunkeln fahren wir mit 130km/h
in Richtung Ravensburg, zu meinen
Eltern. Schemenhafte Äste und
Landschaften ziehen an uns vorbei,
während ab und zu Lichter
eines vorbeifahrenden Autos
an uns entlang blitzen. Von der
Rückbank horcht zufriedenes
Schnarchen hervor. Meine Mutter
ist wohl eingeschlafen. Unvermittelt
frage ich in die Dunkelheit:
„Las Opa Klaus eigentlich verbrannte
Bücher?“. „Was meinst
du?“, fragt mein Vater ein wenig
irritiert. „Na, ob er als Schüler
Bücher gelesen hat, verbotene
Bücher, verbrannte Bücher?
Opa war 1933 doch 12 Jahre alt,
wenn ich richtig rechne.“
Eine Weile schweigt mein Vater,
er blickt nach vorn auf die Autobahn.
Die vorbeiblitzenden Lichter
beleuchten für Sekunden sein
nachdenkliches Gesicht. „Kann
schon sein – er ging zu dieser
Zeit auf ein Gymnasium im Kloster
Scheyern – da wurden sicher Bücher
verschont, vielleicht sogar
versteckt. Ich weiß es nicht.“
Klosterschüler war er 1933 also,
der Opa Klaus – über seine Schulzeit
hatte ich mir bisher wenig
Gedanken gemacht. Was er
wohl darüber zu erzählen gehabt
hätte? Später war er Soldat bei
der Wehrmacht, das weiß ich
schon. Hin und wieder erzählte
er uns davon, wilde und schreckliche
Geschichten. Von Russland
zum Beispiel, wo er in einem
Gefangenen-Lazarett einer Fußamputation
entgehen wollte –
mit den Armen robbte er in
ein anderes Stockwerk und versteckte
sich.
Zu der Zeit im Kloster kann ich
Opa Klaus nicht mehr befragen.
Aber ich bin zunehmend neugierig
und möchte mehr über den
jungen Menschen von damals
erfahren, der später mein Opa
wurde. Ich beschließe, mich auf
eine Spurensuche zu begeben,
nach den (un)verbrannten
Büchern – und dem 12-jährigen
Opa Klaus. Nach etwas Recherche
stoße ich auf die Website
des Klosters: Elf Mönche lächeln
freundlich, laden zu kirchlicher
Seelsorge ein. Und es scheint ein
lebendiger Ort zu sein. Bier wird
in der Klosterbrauerei gebraut,
eine Kloster-Metzgerei verkauft
allerfrischeste Ware aus eigener
Haltung, und in der uralten Klosterschenke
kommt beides zusammen
– zum Wohl der Gäste.
Ein Progymnasium beinhaltet
das Kloster nicht mehr, stattdessen
bietet es nun die Möglichkeit
einer Berufsoberschule. Selbst
bin ich evangelisch konfirmiert
und noch Mitglied der Kirche.
Der Besuch eines katholischen
Gymnasiums hat mich in meiner
Kindheit und Jugend in meinen
Werten sehr geprägt. Und trotzdem
stehe ich der Kirche mittlerweile
kritisch gegenüber: Machtmissbrauch,
fragwürdige restriktive
Ansichten zu Queerness und
der Selbstbestimmung reproduktiver
Körper sorgen bei mir
für Irritation.
In weiteren Telefonaten mit meinem
Vater stoße ich auf einige
Impulse rund um das Kloster
Scheyern. Sein großes Interesse
für die Geschichte des Zweiten
Weltkriegs ist wohl seine persönliche
Spurensuche. Er erzählt mir
150
von katholischen Widerständler:innen.
Von Pater Rupert Mayer
zum Beispiel, einem deutschen
Jesuiten, der wegen seiner hochkritischen
Reden wider den Nationalsozialismus
1935 ein Redeund
Predigtverbot erhielt, der
mehrfach verhaftet, verurteilt
und im KZ Sachsenhausen gefangen
gehalten wurde. Das Reichskonkordat
vom 20. Juli 1933, ein
Abkommen zwischen dem Heiligen
Stuhl und dem Deutschen
Reich, in dem es darum ging,
Neutralität und ein gegenseitiges
Stillhalten einzuhalten, hinderte
die Nazis nicht daran, gegen
kritische Stimmen auf Seiten
der Kirche vorzugehen.
Neben all den spannenden Informationen
verliere ich fast den
Faden. Ich möchte mehr über
Bücher erfahren. Vor allem über
jene Bücher, die das Kloster trotz
der damaligen Verbote in seinem
Besitz hatte und womöglich noch
immer beherbergt. Wie war der
Umgang mit verfemter Literatur
im Kloster? Ein Kloster ist ein
Schutzraum, ein geschlossenes
System. Waren die Klostermauern
damals durchlässig für die Zerstörungswut
der Nazis, die Brandlust
der Studierenden von 1933?
Oder waren umgekehrt womöglich
die hinter den Klostermauern
lebenden Menschen empfänglich
für diesen Feuerrausch und die
ihm zugrunde liegende Ideologie?
Und so schreibe ich (in der Hoffnung,
etwas zu erfahren) an Pater
Lukas, den Wirtschaftsverwalter
des Klosters. Ansprechpartner
der Benediktinerabtei Scheyern
ist Pater Lukas auch.
Und ich bekomme mehr, als ich zu
hoffen wagte: ein telefonisches
Interview. Zu meiner Freude
wird aus dem Interview schnell
ein dichter Monolog. Neugierig
lausche ich den Geschichten,
die Pater Lukas zu erzählen hat.
Vom Archiv des Klosters berichtet
er stolz: sorgfältig wurden und
werden in der Klosterbibliothek
die Dokumentationen des Ortes,
die Geheimnisse der alten Abtei
aufbewahrt. Das Reichskonkordat
wirkte zumindest hier: vor der
Tür des Klosterarchivs endete in
Scheyern die Übergriffigkeit der
Nazis. Hier und in vielen anderen
Klöstern blieben schriftliche Dokumente
größtenteils verschont und
haben das Regime überstanden.
Und so werde ich fündig. Neben
den Zeitdokumenten enthält
die Bibliothek, so berichtet Pater
Lukas, einen reichen Bestand.
Wissenschaftliche Werke aus
Philosophie, Theologie, Geschichte
und Naturwissenschaften
152 153
finden sich dort. Und eben auch
belletristische Werke von Kästner
und anderen Autor:innen haben
in der Geborgenheit des Klosterarchivs
den Bücherbrand der
Nazis überdauert. Nur auf Anfrage
seien diese Bücher übrigens erhältlich,
sagt Pater Lukas – sowohl
heute im Jahr 2023, als auch damals,
1933. Die Schüler* hatten
also offenbar keinen uneingeschränkten
Zugang zur Bibliothek.
Dies lässt sich darauf zurückführen,
dass die Bibliothek vorwiegend
als Präsenzbibliothek
fungiert und demnach die Aufbewahrung
der Literatur, sowohl
damals als auch heute, im Vordergrund
stand.
Anfangs verhielten sich das
Kloster und auch andere katholische
Institutionen in der Region
noch widerständisch gegenüber
dem NS-Regime. Dies äußerte
sich etwa in einem Schulstreik,
als Reaktion auf die Zusammenlegung
einer Mädchen- und Jungenschule
in der Region. Durch
diese Maßnahme wollten die
Nazis den Einfluss der lehrenden
Nonnen eindämmen – doch sowohl
Eltern als auch Schüler:innen
wehrten sich dagegen. Es kam
zum Prozess gegen den Initiator
des Streiks, das Verfahren wurde
jedoch wieder eingestellt, aus
Rücksicht auf die elf Kinder des
Angeklagten. Ein weiteres Beispiel
für lokalen Widerstand
waren die Flugblätter, mit denen
Institutionen der katholischen
Kirche, darunter das Kloster
Scheyern, 1932 gegen die Wahl
der NSDAP warben. Sie riefen
dazu auf, christlichen Werten zu
folgen und stattdessen das kleinere
Übel, Hindenburg, zu wählen.
Im Weiteren führte das Kloster
lose Beziehungen zum katholischen
Widerstand, etwa zum
Novizen Josef Wehrle, der eine
Zeit lang Mitglied des Klosters
war, bevor er sich vor den Nazis
in Sicherheit bringen musste und
in den Untergrund ging. Später
wurde er jedoch – als Mitwisser
nach dem Attentat auf Hitler –
gefunden, festgenommen und
umgebracht. Komplett konnte
sich das Kloster der NS-Politik
aber nicht entziehen.
Das Kloster ging einige Kompromisse
ein, um seine Strukturen
zu bewahren. So hatte die NSDAP,
wie auch in regulären Schulen,
Einfluss auf die Lehre und den
Schulsport im Kloster. Die Hakenkreuzflagge
sollte ebenfalls sichtbar
gehisst werden.
154 * DAMALS HATTEN NUR JUNGEN ZUGANG ZUM PROGYMNASIUM.
155
Im Gespräch betont Pater Lukas
aber, dass sich das Kloster weder
mit der Ideologie, noch mit dem
Regime selbst identifiziert hat.
Es gelang, das Progymnasium der
Klosterschule zunächst zu erhalten,
ehe es 1940 von den Nazis
geschlossen wurde.
Die Institution des Klosters hielt
sich hingegen länger, was wohl
ebenfalls auf den einen oder
anderen Kompromiss zurückzuführen
war. Seine Räumlichkeiten
dienten mal als Unterkunft für
Geflüchtete, mal als Lazarett oder
als Lagerort für historische und
kulturelle Güter der Münchner
Museumssammlung. Im Gespräch
bekräftigt Pater Lukas immer
wieder, dass es damals nicht
anders ging. Die Umstände
verlangten solche Handlungen.
„Nie aber hätte das Kloster mit
dem braunen Regime vollständig
kollaboriert!“, hebt er hervor.
Als Schüler hingegen blieb er
verschont von einem Beitritt zur
Hitlerjugend – einer der vielen
Vorteile als Gymnasiast im Kloster
Scheyern.
Inwiefern er dem NS-Regime
wirklich kritisch gegenüber stand,
werde ich jedoch heute nicht
mehr erfahren können. Die Möglichkeit,
dass er selbst diskriminierend
handelte, ob „gezwungenermaßen“
oder womöglich mit
leichter Überzeugung steht wohl
zu 50 Prozent. Opa Klaus besaß
zumindest die Möglichkeit, seine
Zeit mit kritischer Literatur, etwa
ein paar Seiten aus Kästners Werken,
zu verbringen. Dementsprechend
dürfte also die Möglichkeit
bestanden haben, dass er in der
Obhut des Klosters damals ein
paar wahrlich menschliche Werte
vermittelt bekam.
Während des Telefonats frage
ich mich, wie wohl Opa Klaus in
seiner Schulzeit dem NS-Regime
gegenüberstand. Hitler, zumindest
daran kann ich mich erinnern,
bezeichnete er immer als „
Trottel“, seinen eigenen Einsatz
im Militär entschuldigte er mit:
„Anders wärs it möglich gwäsa“.
156
Grete Berges und wie
Liselott den
Frieden diktierte
Vera Gereke
Ich illustriere vor allem Bücher für Kinder,
deshalb war für mich schnell klar: Für dieses
Magazin möchte ich ein:e Kinderbuchautor:in
porträtieren. Und da gibt es einige,
deren Lebenswege sich durch die Machtergreifung
der Nationalsozialisten drastisch
änderten. Bei der Recherche erkannte ich
einige Namen wieder: Erich Kästner, dessen
Bücher ich in der Schule gelesen habe,
Joachim Ringelnatz, von dem ich mehr als
ein Gedicht aus dem Stand aufsagen könnte,
Kurt Held, dessen „rote Zora“ in dem Regal
meines Kinderzimmers stand oder Grete
Berges … Warte, wer bitte ist das?
158 VERTIEFEN
WER WAR GRETE BERGES?
159
160 DAS KINDERBUCH
LISELOTT DIKTIERT DEN FRIEDEN
161
162 EINE FORTSETZUNG LEBENSWEG NACH 1936
163
Widerstand aus dem Exil
Lina Korsten
Kunst aus dem Exil spielte während der Zeit
des Nationalsozialismus eine wichtige Rolle
im Widerstand gegen das Nazi-Regime.
Viele Künstler:innen, die aus Deutschland
fliehen mussten, setzten ihre Kunst als Mittel
ein, um auf die Bedrohung aufmerksam
zu machen und den Widerstand zu unterstützen.
John Heartfield, Clement Moreau
und George Grosz sind heute noch bekannt
für ihre scharfe und gesellschaftskritische
Analyse, die sie in ihren Werken zum Ausdruck
gebracht haben.
164 VERTIEFEN
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168
170
171
verstehen
Worüber es keine
zwei Meinungen gibt
Konstantin Ulmer
I
Joseph Goebbels, der kleine
klumpfüßige Herrenmensch,
der so fanatisch und erfolgreich
keifen konnte, brachte 1927 einige
Aphorismen zu Papier. Unter anderem
schrieb er: „Der Intellekt
ist das Opium des Liberalismus.“
Damit hatte der promovierte
Germanist – Dr. G. hatte seine mit
„eher durchschnittlich“ bewertete
Dissertation bei einem jüdischen
Doktorvater geschrieben – sich
als weitsichtig bewiesen: Er hatte
das kulturpolitische Programm
des Nationalsozialismus in eine
Zeile gepresst.
Mehr Platz brauchte es freilich
auch nicht. Das „Volk ohne Raum“
sollte ein Volk ohne Intellekt
bleiben. Ein fleischgewordener
Volkswille. Ein Volk, geführt von
Demagogen, die das freie Wort
und die Kunst fürchteten. Die in
Büchern allerlei Funken vermuteten,
mit denen man den arischen
Volkskörper entzünden könne:
jüdische Funken, Schund- und
Schmutz-Funken, marxistische
Funken, pazifistische, feministische,
demokratische, liberale.
Die Funken der Andersdenkenden.
Was also lag näher, als das alles
zu verbrennen, wohlgemerkt, so
die Erzählung, in einem Akt der
Notwehr, in einem Abwehr- und
Überlebenskampf. Dieses Mantra
der Selbstverteidigung war in der
nationalistischen Presse zwanzig
Jahre lang wieder und wieder
aufgesagt worden. Als 1928 der
„Kampfbund für deutsche Kultur“
gegründet wurde, bediente sich
dessen Gründer, der NS-Stichwortgeber
Alfred Rosenberg,
lange eingeübter Muster, die von
Verschwörungstheorien durchsetzt
waren: Der Gegner arbeite
„mit unsichtbaren und vergifteten
Waffen“, bedeutende nationale
Geister in Wort und Schrift
würden „totgeschwiegen“.
Die Geister blieben Gespenster.
Trotz massiver Fördermaßnahmen
sollte der Nationalsozialismus
keinen Schriftsteller hervorbringen,
der literarisch ernst zu
nehmen war.
II
In meiner Bubble ist das so:
Es kann über die Bücherverbrennungen
des Jahres 1933 keine
zwei Meinungen geben. Es kann
über die Naziherrschaft keine
zwei Meinungen geben. Es kann
über Faschismus, Nationalchau-
WORÜBER ES KEINE ZWEI MEINUNGEN GIBT
173
vinismus und Rassismus keine
zwei Meinungen geben. Sie sind,
für sich genommen und zusammen,
menschenverachtend.
III
Das Gedenken an die Bücherverbrennungen
des Jahres 1933
begann unmittelbar nach dem
Ereignis – im Ausland zumindest.
Während die gleichgeschaltete
deutsche Presse die Aktion als
Befreiungsschlag feierte, war in
den US-amerikanischen Zeitungen
von einem „Bibliocaust“die
Rede, vom „Holocaust of Books“.
In Prag wusste man, dass das
„theatralisch inszenierte Verbrechen
[…] Teil einer ansteckenden
Psychose“ war. In Kopenhagen
titelte man: „Ketzer-Scheiterhaufen
in Berlin, das Mittelalter
ist lebendig im Jahr des Herrn
1933“. Die deutschsprachigen
Exilant:innen trugen zwischen
1933 und 1945 ihren Teil dazu
bei, zu erinnern. Zu nennen sind
Alfred Kantorowicz, Heinrich
und Thomas Mann, Anna Seghers,
Ernst Toller, Arnold Zweig und
etliche andere. Aber gehört hat
sie dort, wo die meisten von
ihnen sich heimisch fühlten, kaum
jemand. Daran änderte sich nach
1945 zunächst nicht viel. Zumindest
bis in die 1970er Jahre war
die Erinnerung an die Bücherverbrennungen
ein Randphänomen,
harte Arbeit, eine Form von Widerstand
gegen eine Erinnerungskultur,
die in der Bundesrepublik
von dem Willen gekennzeichnet
war, zu vergessen. Als 1965 im
anderen deutschen Staat, der
DDR, die die Hoffnungen auf ihre
Art enttäuschte, das Braunbuch
erschien, das die Rolle von 1800
aktuellen westdeutschen Würdenträgern
in Staat, Wirtschaft, Armee,
Verwaltung, Justiz und Wissenschaft
offenlegte, griff der aus
dem Westen geäußerte Vorwurf
der Lügenpropaganda nicht.
Die Irrtumsquote lag bei unter
einem Prozent.
IV
Die Geschichte ist einfach. Sie
lässt sich aus der Distanz betrachten.
Sie lässt sich fassen. Kluge
Menschen haben sie gesammelt,
gesichtet, interpretiert. Und früher,
das kommt hinzu, war ohnehin
alles einfacher, so einfach
sogar, dass es noch Meta-Erzählungen
gab, die von Blut-und-
Boden, aber auch von Aufklärung,
Fortschritt und Utopie erzählten.
Doch ganz so einfach ist es
mit der Geschichte natürlich
nicht. Denn erstens: Eine Bubble
ist nicht die Welt. Zweitens: Die
eschatologischen Hoffnungen
sind verbraucht, die Meta-Erzählungen
sind passé. Mit der Gegenwart
ist auch die Geschichtsdeutung
kompliziert geworden.
V
Es gab mal eine Zeit, und die ist
noch gar nicht so lange her, da
galten engagierte Künstler:innen
als Gewissen der Nation, Intellektuelle
als Gegenspieler der
Ideologen. Als standpunktstarke
Standortungebundene. Als diejenigen,
die trotz aller Verführungsversuche
auf Distanz zur
dunklen Seite der Macht blieben
– als Jedis gegen die Siths.
Deswegen, auch deswegen,
schien es angebracht, von der
„freischwebenden Intelligenz“
nach dem Zweiten Weltkrieg
Wunderdinge zu erwarten.
Es sei die Aufgabe der „Geistigen“,
so schrieb zum Beispiel
der große Nachkriegsverleger
Peter Suhrkamp, „wieder ein
moralisches menschliches Klima
zu schaffen.“ Er wollte seinen Teil
dazu beitragen, dass das Publikum
den Intellektuellen zuhörte.
VI
„Die Geschichte“, schrieb der
US-amerikanische Autor James
Baldwin in „I Am Not Your Negro“,
„ist nicht die Vergangenheit. Sie
ist die Gegenwart. Wir tragen
unsere Geschichte in uns.
Wir sind unsere Geschichte.“
VII
Was man nicht vergessen darf:
Die Geschichte ist nicht frei von
Irrtümern. Sie kann, frei nach
Marx, sogar Irrtümer wiederholen:
das eine Mal als Tragödie,
das andere Mal als Farce.
Und auch die Intellektuellen irren
sich. Carl von Ossietzky, dem die
Nationalsozialisten am 10. Mai
1933 sogar einen Feuerspruch
widmeten („Gegen Frechheit
und Anmaßung, für Achtung und
Ehrfurcht vor dem unsterblichen
deutschen Volksgeist! Verschlinge,
Flamme, auch die Schriften
von Tucholsky und Ossietzky!“),
der Nazideutschland nicht verließ
(weil er es „für sie“ als unbequemer
einschätzte, wenn er bliebe),
der 1938 an den Folgen der Misshandlungen
durch die Nazis starb,
verkündete nach den ersten ernstzunehmenden
Wahlerfolgen
der NSDAP 1930 in seiner später
verbotenen Weltbühne: „Dieser
Reichstag hat eine antikapitalistische
Mehrheit.“ Querfrontgeraune
ist eine Farce. Die Neue Rechte
ist eine Farce.
174 VERSTEHEN
WORÜBER ES KEINE ZWEI MEINUNGEN GIBT 175
VIII
Das historische Phänomen der
sich einmischenden Künstler:innen
und Intellektuellen beruht auf
einem Prinzip, an dem sich viel
kritisieren lässt: Weil sie in einem
Feld, in ihrem Feld, zu Anerkennung
gekommen sind, soll
man sie auch in anderen Feldern
ernstnehmen. Das ist, für sich
genommen, kein linkes Prinzip
und kein rechtes. Auch das intellektuellenfeindliche
NS-Regime
hat erfolglos versucht, sich ernstzunehmende
Intellektuelle zu
züchten.
In der Gegenwart ist aus der
Ablehnung gegen die sich einmischenden
Intellektuellen eine
Ablehnung gegen die sich einmischenden
Anderen geworden,
bubbleabhängig natürlich.
Das kann zum Beispiel so lauten:
„Woke“ Menschen, die sich diskriminierungssensibel
verhalten,
sind für die neuen Herrenmenschen
„Snowflakes“, empfindlich
und selbstgerecht.
VIV
(Niemand ist snowflakiger als ein
alter weißer Mann, der fürchtet,
seine Privilegien zu verlieren.)
V
Es gibt noch vieles mehr, was
aus der Mode gekommen ist.
Beispielsweise: Pathos und
Appell. Deswegen fällt mir der
letzte Absatz schwer.
Weil Geschichte jeden Tag neu
geschrieben wird, ist es wichtig,
dass wir uns an die Arbeit machen.
Dass wir schreiben, malen, filmen,
musizieren. Dass wir aufklären.
Dass wir denken. Dass wir hoffen.
Dass wir woke sind und es in Anbetracht
des antiliberalen Rechtsrutsches
in vielen Ländern der
Welt aushalten, woke zu sein.
Dass wir nicht müde werden, nicht
bequem, nicht passiv. „Weil“, so
Erich Kästner am 10. Mai 1958 zum
25. Jahrestag der Bücherverbrennung
im Lichthof der Hamburger
Staats- und Universitätsbibliothek
in seiner Rede „Über das Verbrennen
von Büchern“, „immer wenn
von der Vergangenheit gesprochen
wird, auch von der Zukunft
die Rede ist. Weil keiner unter uns
und überhaupt niemand die Mutfrage
beantworten kann, bevor
die Zumutung an ihn herantritt.“
176 VERSTEHEN
→
Wandel – Fragmente
einer Erinnerungskultur
Philipp Schönfeld
178 VERSTEHEN
179
Hier ist es ruhig.
Gewalten an Wissen stehen versammelt.
Erinnerungen, Gedanken, Hoffnungen,
Träume.
Hier ist es ruhig. Von draußen ein Knistern.
Es brennt die Welt der geschriebenen
Worte.
180
Ich puste den Staub vom Umschlag.
Wie kleine Flocken gleiten die Gedanken
zu Boden.
182
Im Kleinen fangen wir an. Reißen Mauern
ein. Schaffen Neues. Und setzen Stein auf
Stein.
184
Eine Stelle, an der nichts
mehr ist, aber
vorher etwas war
Hanna Harms
Lücken. Leerstellen. Löcher. Ein Versuch, die
Auswirkungen von Bücherverbrennungen
und Zensur zu verstehen.
186 VERSTEHEN
187
188
189
190
191
192
193
194
195
196
197
Wenn Gedanken
Pflanzen wären …
Michaela Bissig
198 VERSTEHEN
PLATZ FÜR TEXT
… wären Worte in Büchern
Blumen in Gärten.
202
Wenn Gärten brennen, brennen Orte
des Austauschs, des Lernens, sich
Treffens und sich Erinnerns. Wenn
sie brennen, brennen Lebensräume.
Quellenverzeichnis
12 – 21
25-Punkte-Programm. https://de.wikipedia.
org/wiki/25-Punkte-Programm
Bücherverbrennung 1933 in Deutschland.
https://de.wikipedia.org/wiki/Bücherverbrennung_1933_in_Deutschland#Bücherverbrennungen_ab_dem_10._Mai
Bund Deutscher Mädel. https://de.wikipedia.
org/wiki/Bund_Deutscher_M%C3%A4del
Geschichte des Antisemitismus bis 1945.
https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_des_Antisemitismus_bis_1945
Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums.
https://de.wikipedia.org/wiki/
Gesetz_zur_Wiederherstellung_des_Berufsbeamtentums
Hitlerjugend. https://de.wikipedia.org/wiki/
Hitlerjugend
Jugendverband. https://de.wikipedia.org/
wiki/Jugendverband
Kipp, Michaela: Die NS-Frauenschaft (2015).
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/nsregime/ns-organisationen/frauenschaft.html
Krentz, Natalie: Der Bund Deutscher Mädel
(2014). https://www.dhm.de/lemo/kapitel/
ns-regime/ns-organisationen/bund-deutscher-maedel.html
Lower, Wendy: … zu Frauenrollen und weiblicher
Täterschaft im Holocaust. https://www.
bpb.de/mediathek/video/305455/zufrauenrollen-und-weiblicher-taeterschaftim-holocaust/
Mai 1933: Nazis verbrennen Bücher (2023).
https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/10-Mai-1933-Buecherverbrennungen-
in-Deutschland,buecherverbrennung2.html
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei.
https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalsozialistische_Deutsche_Arbeiterpartei
Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund.
https://de.wikipedia.org/wiki/
Nationalsozialistischer_Deutscher_Studentenbund
Nationalsozialistische Propaganda. https://
de.wikipedia.org/wiki/Nationalsozialistische_Propaganda
Die NS-Zeit: Krieg und Terror. https://www.
ndr.de/geschichte/chronologie/NS-Zeit-
Krieg-und-Terror,nszeit108.html
Ratiney, Christiane: Frauen der NS-Zeit (2020).
https://static-cdn.arte.tv/de/videos/0997
06-000-A/frauen-der-ns-zeit/
Struck, Bernhard: Die Hitler-Jugend (2014).
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/ns-organisationen/hitler-jugend.html
Zeitzeugenportal: Annemarie Strasosky:
Faszination BDM. https://www.zeitzeugenportal.de/zeitraeume/jahrzehnte/1930/diehitler-jugend-und-der-bdm/JlrNGiIcbrs
Zeitzeugenportal: Harry Valérien: Attraktivität
der Hitler-Jugend. https://www.zeitzeugen-portal.de/zeitraeume/jahrzehnte/1930/die-hitler-jugend-und-der-bdm/
clpQ0Vw0pqg
34 – 51
Zoologischer Garten Düsseldorf. https://
de.wikipedia.org/wiki/Zoologischer_Garten_D%C3%BCsseldorf#Zweiter_Weltkrieg
Kästner, Erich: Über das Verbrennen von
Büchern (2012)
Kästner, Erich: Fabian. Die Geschichte eines
Moralisten (1931)
Lennon, John und McCartney, Paul: Run For
Your Life (1965)
Lennon, John und McCartney, Paul: Yellow
Submarine (1966)
Poe, Edgar Allan: A Dream Within A Dream
(1849)
More popular than Jesus. https://en.wikipedia.org/wiki/More_popular_than_Jesus#Escalation_and_radio_bans
58 – 59
Meisner, Matthias: Bücherverbrennungen
der Nazis. Die kaum bekannten „verbrannten
Orte“ (2018). https://www.tagesspiegel.de/
gesellschaft/medien/die-kaum-bekanntenverbrannten-orte-3949300.html
Schulte, Max: Bücherverbrennung: Die Erinnerung
stirbt aus. Gedenken am 15. Mai (2019).
https://fink.hamburg/2019/05/buecherverbrennung-in-hamburg-die-erinnerungstirbt-aus/
60 – 63
Busch, Christel: Als in Hamburg die Bücher
brannten (2015). https://www.kultur-port.de/
blog/kulturmanagement/11338-alsin-hamburg-die-buecher-brannten.html
Schenck, Jan: Verbrannte Orte e.V. https://
verbrannte-orte.de/de/place/hamburg-luebecker-torfeld
64 – 67
Bücherverbrennung in Oberbaden (1933).
fz.ub.uni-freiburg.de/show/fz.cgi?cmd=
showpic&ausgabe=03&day=20b2&year=1933&month=06&project=3&anzahl=4
Schenck, Jan: Verbrannte Orte e.V.. https://
verbrannte-orte.de/de/waldshut/reference
68 – 75
Algemissen, Gundolf: Die Besetzung des
Volksfreundhaus in Braunschweig am 9. März
1933. Textauswahl aus Braunschweiger
Tageszeitungen und weiterem Schriftentum
in Braunschweig. https://www.spd-bezirk-braunschweig.de/wp-content/uploads/
sites/608/2018/07/2013_Volksfreundhaus.pdf
Aufarbeitung der NS-Zeit. https://www.
tu-braunschweig.de/die-tu-braunschweig/
chronik/aufarbeitung-der-ns-zeit
Frei, Norbert: Wie stolz wir auf Hitler sind!
(2013). https://www.zeit.de/zeit-geschichte/
2013/03/deutschland-buergertum-fuehrer
Gedenkstättenkonzept. https://www.braunschweig.de/kultur/erinnerungskultur/gedenkstaettenkonzept.php
Vernetzte Gedächtnis-Topografie der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in
Braunschweig. http://www.vernetztes-gedaechtnis.de/
Meyer, Ralph-Herbert: 7,50 Schilling wurden
zum Verhängnis (2018). https://www.der-loewe.info/750-schilling-wurden-zum-verhaengnis
76 – 79
Dietrich, Dagmar: Landsberg am Lech. Band 1:
Einführung – Bauten in öffentlicher Hand
(1995).
Ebbert, Birgit: Bücherverbrennung in Landsberg/Lech
(2022). www.buecherverbrennung.
de/orte/buecherverbrennung-in-landsberglech/
Sehenswürdigkeiten. Landsberg am Lech.
www.landsberg.de/tourismus/sehenswertes/sehenswuerdigkeiten/
204 QUELLENVERZEICHNIS
205
80 – 83
Döblin, Alfred: Berlin Alexanderplatz (1929)
Mohr, Max: Frau ohne Reue (1933)
106 – 117
Wider dem undeutschen Geist. Kundgebung
der Kölner Studentenschaft (1933).
https://zeitpunkt.nrw/ulbbn/periodical/
zoom/655603?query=Bücherverbrennung
Schenck, Jan: Verbrannte Orte e.V.. https://
verbrannte-orte.de/de/place/koeln
92 – 99
Kuegler, Ina: Eva Leidmann. Vom Wirts -
haus zum Film (2017). https://www.sueddeutsche.de/kultur/eva-leidmann-vom-wirtshaus-zum-film-1.3497713
Leidmann, Eva: Auch meine Mutter freute
sich nicht! Fehltritte eines bayrischen
Mädchens (1932)
Verbrannte und Verbannte. Die Liste der im
Nationalsozialismus verbotenen Publikationen,
Autoren und Verlage. https://verbrannte-und-verbannte.de/list/673
Weidermann, Volker: Das Buch der verbrannten
Bücher (2015)
100 – 105
Baum, Vicki: Stud. chem. Helene Willfüer
(1925)
Becher, Johannes R.: Die hungrige Stadt
(1928)
Bender, Peter: Karl Tormann, Ein rheinischer
Mensch unserer Zeit (1927)
Berend, Alice: Die kleine Perle (1920)
Berend, Alice: Marionetten des Schicksals
(1909)
Förster, Hans Albert: Warum (1925)
Frank, Bruno: Leidenschaften (1921)
Frank, Leonhard: An der Landstraße (1925)
Gross, Fritz: Die letzte Stunde: Legende vom
Tode (1929)
Hermann, Georg: Spielkinder (1897)
Hessel, Franz: Teigwaren leicht gefärbt (1926)
Kaleko, Mascha: Das lyrische Stenogrammheft:
Kleines Lesebuch für Große (1933)
Kästner, Erich: Pünktchen und Anton (1931)
Kellermann, Bernhard: Der 9. November
(1922)
Kerr, Alfred: Die Harfe (1917)
Keun, Irmgard: Das kunstseidene Mädchen
(1932)
Kisch, Egon Erwin: Hetzjagd durch die Zeit
(1926)
Knauf, Erich: Ca ira (1930)
Lasker Schüler, Else: Arthur Aronymus:
Die Geschichte meines Vaters (1932)
Leidmann, Eva: Auch meine Mutter freute
sich nicht: die Fehltritte eines bayrischen
Mädchens (1932)
Leitner, Maria: Eine Frau reist durch die Welt
(1932)
Mann, Thomas: Die Buddenbrooks (1901)
Münzer, Kurt: Götterliebling: Die Geschichte
eines Lebens (1921)
Neumann, Alfred: Die Brüder (1922)
Reck-Malleczewen, Friedrich: Des Tieres
Fall: Das Schicksal einer Maschienerie (1931)
Ringelnatz, Joachim: Kinder-Verwirr-Buch
(1931)
Rosenzweig, Franz: Der Stern der Erlösung
(1921)
Salten, Felix: Herr Wenzel auf Rehberg und
sein Knecht Kaspar Dinkel (1907)
Schirokauer, Alfred: Satan (1914)
Stöcke, Helene: Liebe (1922)
Thomas, Adrienne: Die Katrin wird Soldat
(1931)
Toller, Ernst: Feuer aus den Kesseln (1930)
Tucholsky, Kurt: Schloss Gripsholm: Eine
Sommergeschichte (1931)
Wassermann, Jakob: Mein Weg als Deutscher
und Jude (1921)
v. Wedderkop, Hermann: Adieu Berlin (1927)
Weiß, Ernst: Die Galeere (1913)
Wöhrle, Oskar: Querschläger: Das Bumserbuch
Aufzeichnungen eines Kanoniers (1929)
Wolf, Friedrich: Kreatur (1926)
Zech, Paul: Der Ewige Strom (1921)
Hellbach, Hans: Ilja Ilf und Jewgeni Petrow:
12 Stühle (1928). http://www.verbrannte-buecher.de/?page_id=700
Ilf, Ilja und Petrow, Jewgeni: Zwölf Stühle
(1928)
Ilf, Ilja und Petrow, Jewgeni: Zwölf Stühle
(1954)
Ilf, Ilja und Petrow, Jewgeni: Zwölf Stühle.
Sammlung Luchterhand (2003)
118 – 125
6. Mai 2013. 80. Jahrestag der Zerschlagung
des Instituts für Sexualwissenschaft.
https://mh-stiftung.de/80jahre/
Bauer, Heike: Burning Sexual Subjects: Books,
Homophobia and the Nazi Destruction of
the Institut of Sexual Science in Berlin (2014)
Die Plünderung des Berliner Instituts für
Sexu alwissenschaft. www.verbrannte-buecher.de/?page_id=2241
Herzer, Manfred: Magnus Hirschfeld und
seine Zeit (2017)
126 – 143
Böttcher, Bettina: Bertha von Suttner: Die
Waffen nieder! (1889). http://www.verbrannte-buecher.de/?page_id=788
Gaede, Peter-Matthias: Die Waffen nieder!
Die Frau, die ihr Leben lang für den Frieden
kämpfte (2022). https://www.geo.de/wissen/
weltgeschichte/bertha-von-suttner-undihr-kampf-fuer-den-frieden---die-waffennieder--32686616.html
Brecht, Berthold: Mann ist Mann (1926)
Brod, Max: Arnold Beer (1912)
Mehring, Walter: Die Gedichte, Lieder und
Chansons (1929)
Zweig, Stefan: Die Liebe der Erika Ewald
(1904)
206
QUELLENVERZEICHNIS
207
Stohl, Edith: Bertha von Suttner. Friedensnobelpreisträgerin
aus Österreich (2015).
https://www.youtube.com/
watch?v=MkRFQpV_w0c
Von Suttner, Bertha: Die Waffen nieder! Eine
Lebensgeschichte (1889)
Walther, Lutz: Bertha von Suttner 1843 – 1914
(2014). https://www.dhm.de/lemo/biografie/
bertha-von-suttner.html
144 – 157
Erzdiözese München und Freising: Ein Münchner
Priester vor Hitlers Volksgericht -
shof (2004). https://www.erzbistum-muen-
chen.de/news/bistum/Ein-Muenchner-
Priester-vor-Hitlers-Volksgerichtshof-15160.
news
Gedenkstätte Deutscher Widerstand: Rupert
Mayer. https://www.gdw-berlin.de/vertiefung/biografien/personenverzeichnis/biografie/view-bio/rupert-mayer/
Kloster Scheyern: Klostergeschichte.
https://www.kloster-scheyern.de/klostergeschichte/
Gegenwahlzettel 1932
158 – 163
Berges, Grete: Liselott diktiert den Frieden
(1932)
Weinke, Wilfried: Grete Berges – Aber in
Hamburg, da bin ich zu Hause … (2021). https://
blog.sub.uni-hamburg.de/?p=31101
Weinke, Wilfried: Der Weg zurück ist mir unmöglich.
Die Kinderbuchautorin, Über -
setzerin und Literaturagentin Grete Berges.
http://www.hamburger-persoenlichkeiten.
de/hamburgerpersoenlichkeiten/member_
file_uploads/helper.asp?id=2308
164 – 171
Carl Meffert. https://kuenste-im-exil.de/
KIE/Content/DE/Personen/meffert-carl.
html
The Fritz Ascher Society for Persecuted, Ost -
racized and Banned Art. https://fritzaschersociety.org/exhibition-event/
john-heartfield-1891-1968his-political-engagement-and-private-life-in-londonrosavon-der-schulenburg-berlin-2/
George Grosz. https://kuenste-im-exil.de/
KIE/Content/DE/Personen/grosz-george.
html
Grosz, George: Ein kleines Ja und ein großes
Nein. Sein Leben von ihm selbst erzählt
(1974)
John Heartfield. https://kuenste-im-exil.de/
KIE/Content/DE/Personen/heartfield-john.
html
John Heratfild. Fotografie plus Dynamit (2021).
https://www.museumdefundatie.nl/de/johnheartfield/
Schweinoch, Oliver und Wosnitzka, Daniel:
John Heartfield 1891-1968 ( 2018). https://www.
dhm.de/lemo/biografie/john-heartfield
Stiftung Clément Moreau. https://clementmoreau.ch/biografie/
186 – 197
Ananthavinayagan, Thamil Venthan: The
Burning of Jaffna Public Library: Sri Lanka’s
First Step Toward Civil War (2020). https://
thediplomat.com/2020/05/the-burning-ofjaffna-public-library-sri-lankas-first-steptoward-civil-war/
Banned in the USA: Rising School Book Bans
Threaten Free Expression and Students’
First Amendment Rights (2022). https://pen.
org/banned-in-the-usa/
Costa, Len: Think Tank; The Libraries: Another
Kind Of War Victim (1998). https://www.nytimes.com/1998/06/13/arts/think-tank-thelibraries-another-kind-of-war-victim.html
Dick, Archie: How the apartheid regime
burnt books in their tens of thousands (2018).
https://qz.com/africa/1437073/south-africas-apartheid-regime-burnt-thousands-ofbooks
Ebbert, Birgit: Bücherverbrennung 1933 (2004).
https://www.zukunft-braucht-erinnerung.
de/buecherverbrennung-1933/
Friedmann, Jonathan und Johnson, Nadine
Farid: Banned in the USA: The Growing
Movement to Censor Books in Schools (2022).
https://pen.org/report/banned-usa-growing-movement-to-censor-books-inschools/.
Fuhrig, Dirk: Schatzkammer verbotener Kul -
turgüter (2014). https://www.deutschlandfunk.de/deutsche-freiheitsbibliothekschatzkammer-verbotener-100.html
Higgins, Charlotte: In Kyiv, I saw Ukrainians on
the frontlines of a very real culture war
(2022). https://www.theguardian.com/commentisfree/2022/nov/07/kyiv-ukrainiansculture-war-russian-decolonisation
History in flames: remembering the burning
of Jaffna Library (2021). https://www.
tamilguardian.com/content/history-flames-remembering-burning-jaffna-library-0?__cf_chl_tk=bXwQpLBQ2Y4qdr4.
EimOFVPTnXP7QVy0acK1geTc7Z8-1678
990774-0-gaNycGzNCCU
Kasseler Liste. https://www.kasselerliste.
com/
Kirilochkina, Vasilisa: Books Removed and
Movies Banned Under Russia’s ‘LGBT
Propaganda’ Law (2013). https://www.
themoscowtimes.com/2023/03/15/booksremoved-and-movies-banned-underrussias-lgbt-propaganda-law-a80444
Konkewitsch, Juri: Russische Literatur ins
Altpapier (2022). https://taz.de/Buecherentsorgung-in-der-Ukraine/!5897280/
Leggewie, Claus: Bis zum Krieg war sie ein
Zentrum des intellektuellen Lebens in
Südosteuropa. 1992 wurde die Bibliothek
von Sarajevo durch serbische Artillerie in
Brand gesetzt. Ihr Wiederaufbau wäre
lebendiges Symbol der Verteidigung des
Multikulturellen (1994). https://taz.de/
Bis-zum-Krieg-war-sie-ein-Zentrum-desintellektuellen-Lebens-in-Suedost
europa-
1992-wurde-die-Bibliothek-von-Sara -
jevo-durch-serbische-Artillerie-in-Brandgesetzt-Ihr-Wiederaufbau-waere-lebendiges-Symbol-der-Verteidigung-des-
Multikulturellen-Von-Claus-Leggewie/!1-
565845/
Matteau Matsha, Rachel: The Power of Books
and their Censorship in South Africa (2019).
https://www.anfasa.org.za/the-power-ofbooks-and-their-censorship-in-south-africa/
Mayerle, Astrid: Eine Installation erzählt von
der Zensur (2017). https://www.deutschlandfunkkultur.de/documenta-14-der-parthenonder-buecher-eine-installation-100.html
Zygar, Mikhail: Putins Angst vor der Literatur
(2023). https://www.spiegel.de/ausland/
zensur-in-russland-wie-wladimir-putin-die-
literatur-bekaempft-a-2a807a44-de60-
4c6f-9888-3be91fde1b39
Alle Online-Quellen wurden zuletzt
im April 2023 aufgerufen.
208
QUELLENVERZEICHNIS
209
Über uns
B
LINA
BANANE
34 – 51
Nimmt sich gern Gedichtbände
mit in den Park,
um sie dort romantisch und
inte r essant wirkend im Gras
zu lesen. Letztendlich starrt
sie dann aber immer nur
gedankenlos in die Wolken.
mail@linabanane.de
linabanane.de
@lina.banane
KATRINA
BIEDENBENDER
118 – 125
Hat ihr Leseziel für dieses
Jahr schon erreicht.
katrina.biedenbender@gmail.com
@kleine_illustrationen
MICHAELA
BISSIG
58 – 59
126 – 143
198 – 203
Liest mehrere Bücher parallel,
um für jede Laune das
Passende bereit zu haben.
hallo@michaelabissig.com
michaelabissig.com
@michaela.bissig
G
VERA
GEREKE
158 – 163
Benutzt als Lesezeichen
ge rade ein Heiligenbild,
das sie von einem italieni -
schen Priester auf einer
Zugfahrt geschenkt bekommen
hat.
veragereke@t-online.de
veragereke.de
@vera.gereke
DIAN
GOHRING
100 – 105
Möchte Dir ein Buch empfehlen:
„Eure Heimat ist unser
Albtraum“ herausgegeben
von Fatma Ayde mir und
Hengameh Yaghoobi farah.
gohringd@gmx.de
diangohring.de
@diantwort
H
HANNA
HARMS
186 – 197
Fügt ihrer Leseliste schneller
Bücher hinzu, als sie lesen
kann.
hallo@hannaharms.de
hannaharms.de
@_hanna_harms
210
ÜBER UNS
211
K
LINA
KORSTEN
80 – 83
164 – 171
Hat als Kind immer heimlich
unter der Bettdecke mit
Taschenlampe gelesen.
lina.korsten@gmx.de
@linaillu
S
PHILIPP
SCHÖNFELD
178 – 185
Liest einmal im Jahr „Der
kleine Prinz“ und stellt jedes
Mal aufs Neue fest, dass
die großen Leute sonderbar
sind.
schoenfeld.philipp@gmx.de
philippschoenfeld.de
@philippschoenfeld_
M
Ö
NATALIE
MINEEW
106 – 117
SVEA
ÖHLSCHLÄGER
12 – 21
68 – 75
Kann dasselbe Buch unendlich
oft lesen, da sie in zwei
Tagen eh wieder alles vergessen
hat.
Liebt Bücher und ihre Worte,
vor allem, wenn sie vorgelesen
oder im Theater
inszeniert werden.
nataliemineew@gmail.com
@illu_min.8
oehlschlaeger@posteo.de
sveaoehlschlaeger.com
@svea_oehlschlaeger
W
Z
ANDREA
WANDINGER
144 – 157
JOHANNA
ZECH
22 – 33
Liest in der Bahn gerne
Kurzgeschichten.
Quält bei Umzügen alle
mit viel zu vielen schweren
Bücherkartons.
wandingerandrea@gmail.com
andreawandinger.myportfolio.com
@aendie.w
johannazech@gmx.de
@johanna_zech
P
WADIM
PETUNIN
64 – 67
Hört lieber Bücher,
als sie zu lesen.
hello@wadimpetunin.com
wadimpetunin.com
@wadimpetunin
R
ANNIKA
ROGG
60 – 63
92 – 99
Liest immer, wenn sie
traurig ist, ein Kapitel
aus Pu der Bär.
annika.rogg@gmx.de
@roggling
ALEXANDRA
RYGUS
76 – 79
Hat in der 5. Klasse heimlich
Fantasy Romane im Unterricht
gelesen.
rygusalexandra@gmail.com
alexandrarygus.com
@alexandraluzi
212 ÜBER UNS 213
Wir danken besonders Philine Dorenbusch,
die mit ihren Ideen nicht nur dieses Magazin,
sondern die ganze Veranstaltungsreihe rund um
den 90. Jahrestag der verbrannten Bücher auf
den Weg gebracht hat. Mit Energie, Leidenschaft
und Verstand gibt sie diesem Projekt sein
Gesicht.
Impressum
ILMA – Illustrations-Magazin
des Master-Studiengangs
Nr. 1
feuerfest
Ein zeichnerischer Diskurs
zu den Bücherverbrennungen
1933
1. Auflage 2023
Herausgegeben durch den
Studiengang Illustration,
HAW Hamburg
Finkenau 35
22081 Hamburg
Gefördert durch
die ZEIT Stiftung
Ebelin und Gerd Bucerius
Leitung
Prof. Alexandra Kardinar
Philine Dorenbusch
Konzeption, Entwurf,
Um setzung
Studierende des Masterstudiengangs
Illustration
Redaktion
Philine Dorenbusch
Vera Gereke
Dian Gohring
Hanna Harms
Svea Öhlschläger
Satz/Layout
Lina Banane
Hanna Harms
Lina Korsten
Johanna Zech
Lektorat
Michaela Bissig
Annika Rogg
Andrea Wandinger
Druckbetreuung
Philipp Schönfeld
Svea Öhlschläger
Beiträge
Lina Banane
Katrina Biedenbender
Michaela Bissig
Vera Gereke
Dian Gohring
Hanna Harms
Lina Korsten
Natalie Mineew
Svea Öhlschläger
Wadim Petunin
Annika Rogg
Alexandra Rygus
Philipp Schönefeld
Andrea Wandinger
Johanna Zech
Textbeiträge
Jan Schenck
Werner Treß
Konstantin Ulmer
Wilfried Weinke
Abbildung
Seite 59: basierend auf
einer Grafik von Kevin
Mitrega, schriftloesung.at
Nachhaltige Druckerei
gugler
Papier
Munken Lynx 240, 120 g/m 2
Typografie
Serial B, Dum Dum Studio
ISBN 978-3-00-075310-7
Copyright 2023
Die Redaktion
bedankt sich bei:
Konstantin Ulmer
Jan Schenck
Werner Treß
Wilfried Weinke
Rosemarie Schöningh
Online Version
www.hamburgliest.de/
specials/
214 EIN BESONDERER DANK IMPRESSUM
215
216
PurePrint® by gugler*
drucksinn.at
ILMA. Das Magazin des Masterstudiengangs
Illustration der HAW Hamburg. Sammlungen.
Reportagen. Beobachtungen. Erinnerungen.
Graphische Erzählungen. Meinungen. Fragen.
feuerfest. Ein zeichnerischer Diskurs zu den
Bücherverbrennungen 1933.
Illustrator:innen. Zeichner:innen. Autor:innen.
Gestalter:innen. Wir setzen uns in Bild und
Wort mit der Bedeutung von Büchern, Ge dan -
ken und Taten auseinander. Ein Ansatz, die
Einflüsse von Zensur und die Konsequenzen
von Exil und Vergessen zu entwirren.
ISBN 978-3-00-075310-7