Magazin - Helvetas

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27.12.2012 Aufrufe

208 /12 Partnerschaft eRfahRungSReich An der Generalversammlung von HELVETAS Swiss Intercooperation vom 23. Juni 2012 tritt Peter Arbenz nach zwölfjährigem Präsidium zurück. Als Nachfolger stellt sich Vizepräsident Elmar Ledergerber zur Wahl. Im Interview blicken sie zurück auf ihre langjährige Arbeit mit und für Helvetas und vorwärts in die Zukunft der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit. Interview: Susanne Strässle Sie beide kommen aus unterschiedlichen politischen Lagern, vertraten bei der Gründung von HELVETAS Swiss Intercooperation zwei verschiedene Organisationen als deren Präsidenten. Und doch ist es ganz wesentlich Ihr Verdienst, dass dieser Zusammen- führungsprozess so erfolgreich ver- laufen ist. Elmar Ledergerber: Unsere Zusammenarbeit war geprägt von grosser Offenheit. Wir waren von Anfang an gleichberechtigte Partner. Zudem ist Peter Arbenz ein sozialer Liberaler, und ich bin liberaler Sozialer. Peter Arbenz: Da haben wir grosse Überschneidungen. Und wir brachten beide die Bereitschaft mit, Zugeständnisse zu machen. Es gibt eine weitere interessante Schnittstelle in Ihren Biografien, die schon weit zurückliegt: Nepal. Was verbindet Sie mit dem Land? Peter Arbenz: Das war noch in der Pionierzeit. Ich wurde bereits 1962 erster Auslandsekretär von Helvetas und damit auch Sekretär der damals operativ einflussreichen Nepal-Kommission. 1964 bis 1967 war ich selber als Projekt- leiter in Nepal: Im Auftrag des Bundes ging es darum, 10’000 tibetische Flüchtlinge in Nepal anzusiedeln und ihnen Arbeitsplätze zu verschaffen. Elmar Ledergerber: Mich führte 1980 der Auftrag von Helvetas, als Berater ihr Hängebrückenbauprogramm zu evaluieren, nach Nepal. Damit es in die Provinzen ausgedehnt werden konnte, habe ich es zu einem Programm auf lokalem Niveau weiterentwickelt, mit viel einfacheren Brücken, die zehnmal weniger kosten. Daraus entstand eines der erfolgreichsten Helvetas-Projekte: Noch immer werden jährlich 300 bis 400 Brücken erbaut. Ich habe dieses Projekt 15 Jahre begleitet. Wo orten Sie die ideellen Wurzeln Ihres Engagements? Peter Arbenz: Wir sind beide Ökonomen, haben aber Wirtschaft nie als Quelle für eigenen Mammon verstanden, sondern als Mittel, um sozial gerechtere Verhältnisse zu schaffen. Und wir interessieren uns für andere Kulturen. Ich verspüre «Es weht ein rauerer Wind in der Entwicklungspolitik.» Peter Arbenz auch eine gewisse Abenteuerlust, will die Welt kennenlernen, aber nicht einfach als Tourist. Zudem sind mir globale Sicherheit und Friedensförderung wichtig. Wenn wir keine gerechten Verhältnisse schaffen auf der Welt, wird es eines Tages auch bei uns explosiv. Meine Kindheit war noch vom Zweiten Weltkrieg geprägt. Elmar Ledergerber: Bei mir ist das ähnlich, ich habe in St. Gallen Aussenwirtschaftspolitik von Entwicklungsländern studiert und bekam durch meine Beratertätigkeit schon früh einen direkten Draht zur Entwicklungszusammenarbeit. Ich durfte mich durch sie auch unglaublich selber entwickeln. Das hat 22 SCHWEIZ mein Weltbild verändert. Meine primäre Motivation ist das Engagement für eine gerechtere Welt, das war so und ist es heute noch. Gab es in Ihrer Auslandarbeit Momente, die Sie nie mehr vergessen werden? Peter Arbenz: In Kamerun hat mich ein Fon, der lokale Stammeskönig, zum Dank für ein Bewässerungsprojekt zum Stammesfürsten erkoren, mit allen Insignien. Der Speer steht heute noch in meinem Büro. Ein grossartiges Erlebnis ist es auch immer, in einem abgelegenen Dorf zu übernachten. Man isst mit einer Familie gemeinsam am Feuer, schläft dicht gedrängt auf dem Boden und rollt in einer Ecke den Schlafsack aus. Plötzlich ist das Leben ganz einfach. Elmar Ledergerber: Mich hat in Nepal sehr beeindruckt, wie einfach genial auf einer Brückenbaustelle die Arbeitsverteilung organisiert war: Je näher jemand bei einer Brücke wohnte, desto mehr Arbeit musste er leisten. Die Leute kamen, und es entwickelte sich ein unglaublicher Zusammenhalt. Es gibt aber auch schlimme Erinnerungen: In den Achtzigern war ich im Auftrag des Bundes in Bangladesch. Dort trafen wir auf Kinder, die nur noch kriechen konnten, weil sie am Verhungern waren. Man steht da und kann überhaupt nichts tun. Nicht nur die Entwicklungszusammenarbeit hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert, sondern auch ihre Wahrnehmung in der Schweiz. Elmar Ledergerber: Bis in die Neunzigerjahre gab es grundsätzlich zwei Haltun-

gen im Parlament: Die eine war idealistisch und solidarisch. Die utilitaristische Fraktion dagegen wusste, jeder Franken, der in die Entwicklungszusammenarbeit fliesst, wird mit drei Franken Nachfrage gegenwirksam. Zusammen ergab das eine satte, konstante Mehrheit. Diese Einigkeit gibt es nicht mehr. Was heute noch hinzukommt, ist eine kleinkarierte rechstnationale Ideologie, der alles Fremde suspekt ist. Die Solidarität wird halten, aber es ist Unruhe aufgekommen. Peter Arbenz: Es weht klar ein rauerer Wind, man ist viel kritischer. Heute müssen Wirkungsanalysen schon nach vier Jahren beweisen, dass ein Projekt erfolgreich ist. Dabei ist Entwicklungszusammenarbeit eine langfristige Angelegenheit. Und wenn die Zeiten finanziell härter werden, wollen Politiker zuerst bei der Entwicklungszusammenarbeit sparen. Welche Antworten wird HELVETAS Swiss Intercooperation auf solche Entwicklungen geben können? Elmar Ledergerber: Helvetas hat seit langem eine starke Präsenz in der Öffentlichkeit. Intercooperation war es früher untersagt, öffentlich aufzutreten. Nun können wir auch daran teilhaben, das ist sehr wichtig. Entwicklungszusammenarbeit hat nur eine Zukunft, wenn sie von den Menschen in der Schweiz mitgetragen wird. Wir müssen zeigen, was wir machen, und die Solidarität immer wieder vitalisieren. Die Entwicklungszusammenarbeit ist seit ihren Anfängen professioneller – andere sagen: akademischer und technokratischer – geworden. Bleibt da noch genug Raum für das Engagement an der Basis? Peter Arbenz: Wir sind immer noch überzeugt und motiviert von der konkreten Projektarbeit an der Basis. Rechenschaftslegung und Wirkungsanalysen sind sehr wichtig. Aber es darf nicht so weit kommen, dass wir uns mehr und mehr mit uns selbst beschäftigen. Elmar Ledergerber: Grundsätzlich ist es gut, dass man erfolgsorientiert arbeitet. Unsere Projekte haben klare, messbare Zielvorgaben, die periodisch überprüft werden. Dazwischen soll man die Mitarbeitenden im Feld primär aber arbeiten lassen. Zuviel Bürokratisierung frisst Ressourcen und hemmt die Eigeninitiative. Welche Herausforderungen stehen für HELVETAS Swiss Intercooperation an? 23 SCHWEIZ 208 /12 Partnerschaft Langjährige Erfahrung und ungebrochenes Engagement: Präsident Peter Arbenz und Vizepräsident Elmar Ledergerber im Gespräch. Peter Arbenz: Wir müssen weiterhin unsere hohe Qualität wahren, flexibel auf ein sich rasch veränderndes Umfeld reagieren und offen bleiben für weitere innovative Schritte. Elmar Ledergerber: Zudem müssen wir uns international gut vernetzen und sollten auch in der EU ein Standbein haben, um ein breiteres Spektrum an Auftraggebern zu haben. Eine Diversifizierung vermindert unsere Risiken. Peter Arbenz, nach 50 Jahren als Regionalgruppenmitglied, Auslandsekretär, Projektleiter, Geschäftsleiter, Zentralvorstandsmitglied und seit zwölf Jahren als Präsident, geben Sie nun am 23. Juni dieses Amt ab. Es fällt schwer zu glauben, dass das Kapitel Helvetas damit für Sie definitiv abgeschlossen ist. Peter Arbenz: Das ist es natürlich nicht! Ich werde Mitglied und Gönner bleiben. Das Engagement für Helvetas ist Teil meines Lebens und wird mich nicht mehr loslassen. Als neuer Präsident der Kommission für internationale Zusammenarbeit des Bundes wird die Entwicklungszusammenarbeit für mich sowieso hochaktuell bleiben. © Michele Limina

gen im Parlament: Die eine war idealistisch<br />

und solidarisch. Die utilitaristische<br />

Fraktion dagegen wusste, jeder Franken,<br />

der in die Entwicklungszusammenarbeit<br />

fliesst, wird mit drei Franken Nachfrage<br />

gegenwirksam. Zusammen ergab das<br />

eine satte, konstante Mehrheit. Diese<br />

Einigkeit gibt es nicht mehr. Was heute<br />

noch hinzukommt, ist eine kleinkarierte<br />

rechstnationale Ideologie, der alles<br />

Fremde suspekt ist. Die Solidarität wird<br />

halten, aber es ist Unruhe aufgekommen.<br />

Peter Arbenz: Es weht klar ein rauerer<br />

Wind, man ist viel kritischer. Heute<br />

müssen Wirkungsanalysen schon nach<br />

vier Jahren beweisen, dass ein Projekt<br />

erfolgreich ist. Dabei ist Entwicklungszusammenarbeit<br />

eine langfristige Angelegenheit.<br />

Und wenn die Zeiten finanziell<br />

härter werden, wollen Politiker zuerst<br />

bei der Entwicklungszusammenarbeit<br />

sparen.<br />

Welche Antworten wird HELVETAS<br />

Swiss Intercooperation auf solche<br />

Entwicklungen geben können?<br />

Elmar Ledergerber: <strong>Helvetas</strong> hat seit langem<br />

eine starke Präsenz in der Öffentlichkeit.<br />

Intercooperation war es früher<br />

untersagt, öffentlich aufzutreten. Nun<br />

können wir auch daran teilhaben, das ist<br />

sehr wichtig. Entwicklungszusammenarbeit<br />

hat nur eine Zukunft, wenn sie<br />

von den Menschen in der Schweiz mitgetragen<br />

wird. Wir müssen zeigen, was<br />

wir machen, und die Solidarität immer<br />

wieder vitalisieren.<br />

Die Entwicklungszusammenarbeit ist<br />

seit ihren Anfängen professioneller –<br />

andere sagen: akademischer und technokratischer<br />

– geworden. Bleibt da<br />

noch genug Raum für das Engagement<br />

an der Basis?<br />

Peter Arbenz: Wir sind immer noch<br />

überzeugt und motiviert von der konkreten<br />

Projektarbeit an der Basis. Rechenschaftslegung<br />

und Wirkungsanalysen<br />

sind sehr wichtig. Aber es darf nicht<br />

so weit kommen, dass wir uns mehr und<br />

mehr mit uns selbst beschäftigen.<br />

Elmar Ledergerber: Grundsätzlich ist es<br />

gut, dass man erfolgsorientiert arbeitet.<br />

Unsere Projekte haben klare, messbare<br />

Zielvorgaben, die periodisch überprüft<br />

werden. Dazwischen soll man die Mitarbeitenden<br />

im Feld primär aber arbeiten<br />

lassen. Zuviel Bürokratisierung frisst Ressourcen<br />

und hemmt die Eigeninitiative.<br />

Welche Herausforderungen stehen für<br />

HELVETAS Swiss Intercooperation an?<br />

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SCHWEIZ<br />

208 /12 Partnerschaft<br />

Langjährige Erfahrung und ungebrochenes Engagement: Präsident Peter Arbenz und Vizepräsident Elmar Ledergerber im Gespräch.<br />

Peter Arbenz: Wir müssen weiterhin<br />

unsere hohe Qualität wahren, flexibel<br />

auf ein sich rasch veränderndes Umfeld<br />

reagieren und offen bleiben für weitere<br />

innovative Schritte.<br />

Elmar Ledergerber: Zudem müssen wir<br />

uns international gut vernetzen und sollten<br />

auch in der EU ein Standbein haben,<br />

um ein breiteres Spektrum an Auftraggebern<br />

zu haben. Eine Diversifizierung<br />

vermindert unsere Risiken.<br />

Peter Arbenz, nach 50 Jahren als<br />

Regionalgruppenmitglied, Auslandsekretär,<br />

Projektleiter, Geschäftsleiter,<br />

Zentralvorstandsmitglied und seit<br />

zwölf Jahren als Präsident, geben Sie<br />

nun am 23. Juni dieses Amt ab. Es fällt<br />

schwer zu glauben, dass das Kapitel<br />

<strong>Helvetas</strong> damit für Sie definitiv abgeschlossen<br />

ist.<br />

Peter Arbenz: Das ist es natürlich nicht!<br />

Ich werde Mitglied und Gönner bleiben.<br />

Das Engagement für <strong>Helvetas</strong> ist<br />

Teil meines Lebens und wird mich nicht<br />

mehr loslassen. Als neuer Präsident der<br />

Kommission für internationale Zusammenarbeit<br />

des Bundes wird die Entwicklungszusammenarbeit<br />

für mich sowieso<br />

hochaktuell bleiben.<br />

© Michele Limina

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