208 /12 Partnerschaft härter.» Mariam konnte ihren Ehemann Sandré Diaba überzeugen – und wurde die erste Frau im Dorf, die an der Strasse arbeitete. Sie schaffte Steinbrocken für den Unterbau herbei, dank dem in der Regenzeit das Wasser abfliessen kann. Sie verteilte rote Lateriterde darauf, fertigte Strassenränder aus Felsstücken. «Ich habe viel Geld verdient, 1’000 CFA (CHF 1.80) pro Arbeitstag», erzählt Mariam. «Als Analphabetin habe ich keine grossen Zahlen im Kopf. Doch ich weiss, ich konnte einen Pflug, zwei Lebensader Bisher wurden im Rahmen des Projekts für ländliche Pisten in Burkina Faso 300 km Erdstrassen gebaut, die ganzjährig befahrbar sind. Damit sind 500’000 Menschen in 50 Dörfern und weitläufigen Gemeinden aus der Isolation befreit worden. Im letzten Jahr wurde das Projekt von unabhängiger Seite evaluiert: Wegen der bezahlten Löhne hatte der Strassenbau von Anfang an markante Auswirkungen auf das Einkommen, denn aus fast jedem Haushalt arbeiteten ein bis zwei Personen mit. Rund Dreiviertel der Befragten gaben an, sie hätten einen Teil des Geldes in die Gesundheit und die Verbesserung ihrer Häuser gesteckt sowie Ersparnisse zurückgelegt. 80 Prozent sagten, der Handel habe zugenommen. Sogar bei 90 Prozent der Anwohner hat sich dank der Strassenanbindung das Einkommen aus Landwirtschaft und Verkauf gesteigert. Heute suchen 97 Prozent der Frauen für die Geburt ein Gesundheitszentrum auf, fast doppelt so viele wie früher. Alle Befragten gaben an, dass der Zugang zu Krankenstationen einfacher geworden sei. Auch die Zahl der Kinder, die die Schule besuchen, ist gestiegen. Die Menschen loben die höhere Lebensqualität, und sie sind stolz auf ihr Werk. Mariam (l.) war die erste Strassenbauerin. Ochsen und einen Eselskarren kaufen. Ich habe eine neue Hütte gebaut. Und ich habe einen kleinen Handel mit Gewürzen aufgezogen, der Geld für die Familie einbringt.» Sie streckt uns eine fermentierte Bouillonkugel entgegen, gross wie ein Schneeball von so durchdringend würzigem Geruch, wie kein Suppen- würfel ihn je erreichen kann. Handarbeit aus besten Zutaten, und auf dem Markt bei den Städtern begehrte Ware. «Anfangs drängten mich die anderen Frauen, wieder mit dem Strassenbau aufzuhören, weil es gegen die «Anfangs drängten mich die Frauen, wieder mit der Arbeit aufzuhören.» Mariam Bogodo Tradition sei. Ich galt als ungehorsamer Sturkopf.» Doch mehr und mehr Frauen nahmen sich Pionierin Mariam zum Vorbild und stiegen in den Strassenbau ein. Sie wurde ins lokale Strassenkomitee gewählt, das Mitarbeitende rekrutierte, die Arbeiten beaufsichtigte, Konflikte schlichtete und bis heute Unterhalt und Reparaturen organisiert. Männer und Frauen denken um Die Strasse hat das ökonomische Leben in Thiantika, wie auch in vielen weiteren Dörfern, verändert (s. Box). Aber genauso hat sie das soziale Leben revolutioniert. Heute ist es für die Männer nichts Ungewöhnliches mehr, dass ihre Frauen ausser Haus eigenes Geld verdienen. Man sieht Frauen Eselwagen lenken. Sie führen den Bau der Erosionsschutz- 12 FoKUS FoKUS © HELVETAS Swiss Intercooperation massnahmen auf den Feldern an. Dank der neuen Kenntnisse helfen sie mit, die Häuser zu reparieren. Die Frauen sind selbstbewusst und selbständiger geworden: «Wenn ein Kind krank ist, gehe ich direkt ins Gesundheitszentrum und warte nicht mehr, bis mein Mann heim- kommt», erzählt Mariams Nachbarin. Im Gegenzug, und das ist vielleicht die erstaunlichste Entwicklung, packen die Männer auch im Haushalt öfter mit an. Sie holen auch mal Feuerholz oder Wasser und geben den Kindern nach der Schule zu essen, wenn ihre Frauen unterwegs sind. Auch Mariam spürt die Veränderung: «Mein Mann tut nichts mehr, ohne mich zu fragen, wenn es um Familienentscheide oder eine Reise geht. Er respektiert mich viel mehr als früher.» Dank der neuen Sicht auf die Geschlechterrollen ist auch die Bereitschaft gestiegen, die Mädchen einzuschulen. Und es ist normal geworden, dass Frauen an der Seite der Männer in den Dorfgremien vertreten sind. «All das ist durch das Strassenprojekt gekommen», sagt der Präsident des Strassenkomitees. Durch die Strasse, die in vielerlei Hinsicht in die Zukunft führt. Auch dass Mariam heute im Gemeinderat sitzt, ist eine Folge des Projekts: «Die Leute haben mich gebeten zu kandidieren, weil sie wissen, dass ich in der Gemeinde etwas bewegen will.» Thiantika soll ein Alphabetisierungszentrum bekommen, und Mariam will, dass eine Krankenstation mit ausgebildeter Hebamme in den Ort kommt. Wie in Boungou, das sich ebenfalls eine Anschlussstrasse gebaut hat. Auf der roten Piste von Thiantika sind Menschen auf Eselwagen unterwegs, andere mit Motorrädern, selten fährt ein Auto vorbei. Eine junge Frau kehrt auf dem Velo mit leeren Schüsseln vom Markt zurück. Gefragt, was sie von der neuen Piste halte, antwortet Yada Djiguiri: «Sie ist ein Segen für uns. Ich habe schliesslich selber daran mitgebaut.» Bernadinne Compaoré ist Genderverantwortliche von <strong>Helvetas</strong> in Burkina Faso.
eWegTe WeLT Oft ist im Süden Improvisationskunst gefragt, um mit beschränkten Mitteln vorwärtszukommen. Der Bildband «Total Mobil» (vgl. S. 16) zeigt die grenzenlose Vielfalt globaler Mobilität. 208 /12 Partnerschaft Äthiopien: Der 13-jährige Abebe Balete träumt auf seinem einstündigen Schulweg davon, Taxifahrer zu werden. Bangladesch: Ein Rikschabesitzer rettet sein Gefährt vor den Fluten des Monsuns. Die starken Regenfälle sind jedes Jahr eine neue Herausforderung. Somalia: Ein Flugreisebüro in Mogadischu, wo 2006 der für elf Jahre geschlossene Flughafen wieder eröffnet wurde. 13 FoKUS © Panos/Chris de Bode © Panos/G.M.B. Akash © New York Times