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Mobilitätsdienstleister ohne Kunden. Kundenorientierung im ... - WZB

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jedoch in hartnäckiger Realitätsverweigerung seit vielen Jahren, teilweise Jahrzehnten noch<br />

nicht einmal wahrgenommen. 50<br />

Die Branche hofft vielmehr unbeirrt auf politisches Wohlwollen, das ihr, <strong>im</strong> Vergleich zu<br />

anderen Feldern der staatlichen Daseinsvorsorge, noch <strong>im</strong>mer entgegen gebracht wird. Dieses<br />

Wohlwollen findet jedoch zunehmend dort seine Grenzen, wo Transferleistungen gekürzt<br />

werden können, wie das „Koch/Steinbrück-Papier“ zur Überraschung vieler ÖPNV-Akteure<br />

zeigte. Diese Liste der Subventionskürzungen markiert zugleich das Ende der korporatistischen<br />

ÖPNV-Politik Nachkriegsdeutschlands. Eine Rückkehr zu der über Jahrzehnte<br />

zuverlässigen und unabhängig von der Nachfrageentwicklung häufig großzügigen finanziellen<br />

Unterstützung ist künftig nicht mehr zu erwarten.<br />

Die ÖPNV-Branche – von einer reformscheuen Verkehrspolitik in dieser Sichtweise nicht<br />

gestört – beschwört gleichwohl ihre längst überholten Strukturen und Argumente, statt einen<br />

Aufbruch zu neuen Ufern zu starten. Neue Legit<strong>im</strong>ationsversuche, wie die Betonung der<br />

Daseinsvorsorge und fantasievolle Konstrukte, wie die „marktnahe Direktvergabe“ sowie ein<br />

modern daherkommender Auftritt einiger „<strong>Mobilitätsdienstleister</strong>“, können das Verharren in<br />

überkommenen Denkstrukturen nicht verdecken. Die Fahrgäste sind in diesen Strukturen<br />

trotz aller Rhetorik Beförderungsfälle geblieben, für die eine behördlich-planerisch bis ins<br />

kleinste Detail definierte Versorgung produziert und unabhängig vom Markterfolg vom Steuerzahler<br />

finanziert wird.<br />

Die Ursache hierfür liegt in der Struktur des geteilten Marktes und der begrenzten Verantwortlichkeit.<br />

In dieser ist der Aufgabenträger, <strong>im</strong> ÖPNV die Kommunalpolitik, der wesentliche<br />

Kunde. Eine Orientierung am Kunde Fahrgast kann in dieser Struktur der begrenzten Verantwortlichkeit<br />

für das Geschäftsergebnis nur sehr begrenzt entstehen.<br />

An dieser Grundstruktur haben auch die in die Produktion der Transportleistungen seit einigen<br />

Jahren eingeführten modernistisch anmutenden Managementansätze – nicht zuletzt die<br />

„ÖPNV-Qualitäts-DIN“ – nichts geändert. Ihre absehbare Einbeziehung in Verkehrsverträge<br />

und Entgeltsysteme stabilisiert vielmehr die nicht zukunftsfähigen Strukturen, indem sie die<br />

Möglichkeiten und Freiräume für nachfrage- und marktgerechte, kundenorientierte Dienstleistungen<br />

weiter einengen und langjährig festschreiben. Ihr Ansatz entspricht der Tradition<br />

der Branche. Aber auch ihrer rechtlichen und finanziellen Architektur. Sie dienen damit mehr<br />

der Selbstvergewisserung und der Legit<strong>im</strong>ation der Akteure – und, nicht zu vergessen, auch<br />

der Aufgabenträger – als dem <strong>Kunden</strong>. <strong>Kunden</strong>orientierung <strong>im</strong> ÖPNV findet auch weiterhin<br />

dort ihre Grenzen, wo sie durch rechtliche Strukturen, die Kofinanzierung aus öffentlichen<br />

Mitteln und die vertraglichen Bedingungen zwischen Aufgabenträger und dem Verkehrsunternehmen<br />

gelegt werden.<br />

Diese ÖPNV-Politik, die sich absehbar weiter gegen zahllose gesellschaftliche Trends zu<br />

stemmen versucht, ist bereits <strong>im</strong> Ansatz zum Scheitern verurteilt – und mit ihr das heutige<br />

ÖPNV-Angebot. Allein planerisch definierte Verkehre werden künftig noch geringe Markterfolge<br />

haben. Die Akzeptanz von Transferleistungen wird weiter sinken.<br />

Aufgabe der Branchenpolitik ist es daher gerade nicht, weitere Regelungen zur Vereinbarung<br />

und Messung der Dienstleistungsqualität vorzulegen. Von der Verkehrspolitik ist vielmehr zu<br />

50 Beispielhaft hierfür sei die Legit<strong>im</strong>ationssäule der Umweltfreundlichkeit des ÖPNV herausgegriffen.<br />

Mit der Einführung der Katalysatortechnik bei Pkw <strong>im</strong> Jahr 1984 war der schadstoffseitige Vorsprung<br />

von Dieselbussen verloren. Das Bundesumweltministerium erkannte diese Entwicklung 1998,<br />

die Branche ignoriert sie noch <strong>im</strong>mer. So wird <strong>im</strong> Jahr 2004, 20 Jahre nach der Kat-Einführung,<br />

noch <strong>im</strong>mer ein großer Anteil neuer Dieselbusse <strong>ohne</strong> Rußfilter in Betrieb genommen (vgl. Blümel<br />

2002: 532).

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