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Mobilitätsdienstleister ohne Kunden. Kundenorientierung im ... - WZB

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400. Deren Zusammenarbeit wird nicht selten durch lokale politische Konstellationen<br />

geprägt.<br />

Die Mobilitätswünsche der <strong>Kunden</strong> orientieren sich jedoch an anderen Kriterien als Verwaltungsgrenzen.<br />

In den technokratischen Planerjargon übersetzt: die Organisationsstrukturen<br />

werden den verkehrlich-funktionalen Verflechtungen nicht gerecht. Allein diese Strukturen<br />

sind kaum geeignet, um ein Angebot zu entwickeln, das <strong>Kunden</strong>wünschen gerecht werden<br />

kann. Einige Regionen haben daraus die Konsequenzen gezogen und regionale Zweckverbände<br />

geschaffen.<br />

Im besonders nachfragestarken Verkehrsraum Berlin-Brandenburg ist die Aufgabenwahrnehmung<br />

durch zwei parallel arbeitende Aufgabenträger noch kurioser: Der Verkehrsverbund<br />

Berlin-Brandenburg koordiniert das Angebot in Brandenburg sowie den schienengebundenen<br />

Regionalverkehr des Gesamtraums; der die Landesgrenze überschreitende S-<br />

Bahn-Verkehr und die Angebote des landeseigenen Unternehmens BVG in der Hauptstadt<br />

wird von einer Senatsverwaltung des Landes Berlin geregelt. Diese Doppelstrukturen führen<br />

zwangsläufig zu hohem Koordinationsaufwand, hohen Kosten und zahllosen Konflikten.<br />

Beispiele aus der Praxis zeigen, wie regionale und föderale Eigenbrödlereien unverändert<br />

das Nahverkehrsangebot best<strong>im</strong>men: Fast jedes Bundesland erfindet eigene Marken,<br />

Baden-Württemberg den „3-Löwen-Takt“, Rheinland-Pfalz und Bayern weniger kreativ den<br />

„Rheinland-Pfalz-“ bzw. den „Bayern-Takt“. Be<strong>im</strong> Aufbau von Verkehrsverbünden, zu deren<br />

zentralen Aufgaben die Erarbeitung einer gemeinsamen Verkehrskonzeption und eines Verbundtarifs<br />

zählt, sehen häufig einzelne Landkreise von einem Beitritt ab, um ihre Unabhängigkeit<br />

zu erhalten 2 . Fahrgäste werden das nicht verstehen, lokale Politikgrößen darin ihre<br />

Bedeutung erkennen.<br />

Fahrten über Verbundgrenzen können durch diese Kleinstaaterei teilweise noch <strong>im</strong>mer zu<br />

kuriosen Situationen führen, denn die Entwerterausdrucke auf einem Fahrschein werden <strong>im</strong><br />

Nachbarverbund nicht <strong>im</strong>mer anerkannt. In diesen Fällen müssen die Fahrgäste <strong>im</strong> „grenzüberschreitenden<br />

Verkehr“ die vor der Fahrt erworbenen Übergangsfahrscheine am „Grenzbahnhof“<br />

stempeln. Sie sind dazu gezwungen, dort aus dem Zug zu springen, zu entwerten<br />

und müssen hoffen, dass der Zug lange genug hält. In NRW wurde diese für Fahrgäste<br />

unerträgliche Situation erst <strong>im</strong> Sommer 2003 durch Intervention der vom Bundesverband<br />

Verbraucherzentrale eingerichteten Schlichtungsstelle Nahverkehr auf dem Verhandlungsweg<br />

mit den Verbünden und der DB AG überwunden (vgl. VDV 2003c: 18).<br />

Während andere Dienstleistungsbranchen, die früher der Daseinsvorsorge zugeordnet wurden,<br />

wie beispielsweise die Post und die unter kommunaler Obhut stehenden Sparkassen,<br />

den Wandel in marktorientierte Unternehmen mit einem breiten und konkurrenzfähigen<br />

Dienstleistungsangebot längst geschafft haben, verharrt der ÖPNV noch <strong>im</strong>mer in mit der<br />

Zeit vor dem deutschen Zollverein vergleichbaren Strukturen. Die Postbank bietet neben<br />

dem alt-ehrwürdigen Postsparbuch ein kaum mehr überschaubares Angebot an Finanzdienstleistungen<br />

an und ist zum größten Geldeinsammler in Deutschland aufgestiegen; die<br />

Bankkarte einer Sparkasse kann weltweit an Geldautomaten mit nahezu identischer Benutzeroberfläche<br />

eingesetzt werden. Im ÖPNV pflegen jedoch weiterhin jedes der schätzungsweise<br />

rund 400 Fürstentümer sein eigenes Tarif- und Informationssystem. Die eigene konstruktive<br />

und designmäßige Gestaltung der Busse durch fast jedes ÖPNV-Unternehmen hat<br />

eine nach wie vor handwerklich-händische Herstellung der Busse zur Folge, die den Steuerzahler<br />

mit jährlichen Mehrkosten in Höhe eines schätzungsweise dreistelligen Millionenbe-<br />

2 Als Beispiel wird hier nur der Verkehrsverbund Rhein-Mosel (VRM) erwähnt, dem die Landkreise<br />

Altenkirchen und Westerwald nicht beitraten (VRM 2002: 4).

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