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Mobilitätsdienstleister ohne Kunden. Kundenorientierung im ... - WZB

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eines Autos ihre Bindung an Haushalt und Mutterrolle überwinden und einer (Teilzeit-)<br />

Berufstätigkeit nachgehen können, wird diese Verschränkung von Zwang und Freiwilligkeit in<br />

einer Alltagssituation beispielhaft deutlich.<br />

Untersuchungen zur Verkehrsmittelwahl von Jugendlichen – eine der größten <strong>Kunden</strong>gruppen<br />

des ÖPNV – kommen zu dem für die Modellierung des Verkehrsverhaltens noch drastischeren<br />

Ergebnis: eine Überführung der innerpsychischen, individuumsinternen Einflussfaktoren<br />

in allgemeingültige Modelle sei nicht (mehr) möglich (vgl. Hunecke/Tully/Bäumer<br />

2002: 62). Als Ausweg aus dieser Erklärungsnot werden aus dem Lebensstil-Ansatz abgeleitete<br />

Mobilitätsstil-Modelle entwickelt (vgl. Lanzendorf 2001, Hunecke 2000, Trostorff<br />

2002). Von Hunecke wurden die D<strong>im</strong>ensionen Autonomie, Erlebnis, Status und Privatheit als<br />

grundlegende Elemente von Mobilitätsstilen herausgearbeitet und deren Verhaltenswirksamkeit<br />

empirisch nachgewiesen. Trosttorff kommt sogar zu dem Ergebnis, dass der Zusammenhang<br />

von Lebensstil und Mobilität empirisch erkennbar ist, ein Zusammenhang mit sozioökonomischen<br />

Kriterien jedoch nicht (mehr) (vgl. Trosttorff 2002: 117).<br />

Die hier nur ausschnitthaft und spotartig beleuchteten Unzulänglichkeiten und Grenzen verkehrsplanerischer<br />

Methoden und Kriterien zur Beschreibung des Mobilitätsverhaltens und<br />

zur planerischen Gestaltung des Verkehrsangebots sind auf wissenschaftlicher Seite ausführlich<br />

und aus unterschiedlichen Perspektiven thematisiert. 20 In der ÖPNV-Branche und<br />

ihrer Planer-Community werden die methodischen Probleme und Grenzen jedoch nicht –<br />

zumindest nicht wahrnehmbar – diskutiert. Verständlicherweise mangelt es daher an Distanz<br />

zu den Methoden, mit denen das Angebot geplant und bis zur Realisierung gebracht wird.<br />

Auch die funktionale Angebotsopt<strong>im</strong>ierung – die in der Branche als zentrales Element der<br />

<strong>Kunden</strong>orientierung verstanden wird – erfolgt entsprechend dieser Sichtweise. Ihr Scheitern<br />

<strong>im</strong> Sinne steigender Nachfrage ist daher vorgegeben.<br />

3.4 Public Awareness: das Angebot ist hervorragend, nur der<br />

Kunde muss sich ändern<br />

Das die Branchendiskussion, insbesondere die Position des Branchenverbands VDV dominierende<br />

Münchner Institut Sozialdata hat aus dieser unübersichtlichen Sachlage heraus<br />

eine gleichwohl leicht verständliche und <strong>im</strong> Alltag eines Verkehrsunternehmens einfach<br />

handhabbare Strategie entwickelt (vgl. Gegner 2004: 11). Da bei der Verkehrsmittelwahl die<br />

ökonomische Realität und deren Wahrnehmung (beispielsweise hinsichtlich Reisezeit und<br />

Kosten) häufig nicht übereinst<strong>im</strong>men, wurde bereits vor Jahrzehnten der Begriff der „kognitiven<br />

Dissonanz“ geprägt. Der ÖPNV, so wird Sozialdata nicht müde zu behaupten, sei besser<br />

als sein Ruf. Der Kunde müsse jedoch seine „verzerrte und unvollständige Wahrnehmung“<br />

(Brög/Erl 2002: 237) ändern.<br />

In Konsequenz dieser, für eine Dienstleistungsbranche (vgl. ihr Selbstverständnis, Kapitel 1)<br />

überraschenden Sicht auf den <strong>Kunden</strong>, wurde Sozialdata mit zahlreichen Public-Awareness-<br />

Kampagnen beauftragt, um diese Dissonanz durch Aufklärung zu überwinden (VDV 2002b:<br />

17f). Die Experten dieses Instituts definieren zunächst anhand des mit verkehrsplanerischen<br />

Maßstäben messbaren Kriterien „keine angemessene Erschließung/Verbindung“ und „Sachzwänge“<br />

(d.h. Lastentransport und berufsbedingte Gründe), wann der Kunde den ÖPNV<br />

nutzen kann – und gefälligst nutzen soll (Allgeier/Brög/Schadler 2000: 37).<br />

20<br />

Siehe darüber hinaus auch Hautzinger/Knie/Wermuth 1997, Canzler/Knie 1998: 41ff,<br />

Flade/Wullkopf 2000: 2

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