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Mobilitätsdienstleister ohne Kunden. Kundenorientierung im ... - WZB

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zahl der „Stellschrauben“ verdeutlicht jedoch, dass einfache Erklärungsansätze und damit<br />

auch einfache Handlungsempfehlungen zur erfolgreichen <strong>Kunden</strong>orientierung des ÖPNV<br />

kaum Erfolg versprechen können.<br />

Erklärungen für die Entstehungsursachen von Verkehr bieten die traditionellen verkehrsplanerischen<br />

Methoden und Kriterien zur Beschreibung des Mobilitätsverhaltens nicht (vgl.<br />

Flade/Wullkopf 2000: 5) 18 . Denn mobile Individuen mit subjektiv begründeten Verhaltensnormen<br />

sind diesen Methoden unbekannt. „Verkehrs-Nachfrager“ sind Objekt der Verkehrsanalysen<br />

und der -planung. Diese Verfahren sind bereits in ihrer Anlage nicht darauf ausgerichtet,<br />

die speziellen Wahrnehmungen dieser Handlungskontexte zu erfassen. Für Individuen<br />

sind jedoch nicht die realen (Zeit-) Kosten, sondern deren Wahrnehmung und Bewertung<br />

entscheidend. Ansätze, das Angebot allein auf der Grundlage dieser „technisch-funktionalen<br />

Stellschrauben“ zu verbessern, werden nur begrenzte Nachfrageeffekte bewirken.<br />

Entsprechend dieser Selbstbeschränkung wird beispielsweise die <strong>im</strong> Alltagsverkehr große<br />

Bedeutung von Routinen „übersehen“. Routinen (Gewohnheiten) dienen der Reduktion des<br />

ständigen Zwangs zu Entscheidungen – und rationalen, abwägenden Begründungen – <strong>im</strong><br />

Alltag und tragen dazu bei, <strong>im</strong>mer wiederkehrende Aufgaben schnell zu bewältigen (vgl.<br />

Franke 2001: 77). Vergleichbares gilt für die hohe Bedeutung von Normen, Verhaltenskontrolle<br />

und Einstellungen (vgl. Bamberg/Bien 1995: 108).<br />

Verkehrsmittel, die ein routiniertes „Nutzen <strong>ohne</strong> nachzudenken“ ermöglichen, sind damit <strong>im</strong><br />

Vorteil. Die Erfolgsgeschichte des Autos basiert nicht unerheblich auf dieser Eigenschaft. Mit<br />

dem Auto „kommt man <strong>im</strong>mer ans Ziel“. Telematische Techniken, die inzwischen auch bei<br />

preisgünstigen Kompaktklasse-Pkw Einzug halten und den Fahrer GPS-gestützt durch<br />

Sprachausgabe mühelos von A nach B dirigieren, ermöglichen dieses Nutzen-<strong>ohne</strong>-nachzudenken<br />

perfekt.<br />

Die ÖPNV-Nutzung ist dagegen eine Verkehrsart für Insider. Wie kompliziert ist die Fahrt mit<br />

dem ÖPNV zu einem vorher nicht besuchten Ziel, unbekannten Linien ausgesetzt, unbekannten<br />

Umsteigepunkten, Abfahrtsorten und -zeiten sowie häufig unübersichtlichen Tarifen?<br />

Untersuchungen zur Alltagsmobilität autofreier Haushalte beschreiben die anspruchsvollen<br />

Voraussetzungen dieser „planvollen Ortsveränderungen“ (Reutter/Reutter 1996: 172)<br />

als Geschicklichkeitsparcours: „Gesichtspunkte [...], die bei der individuellen Planung von<br />

Ortsveränderungen sehr komplex aufeinander abgest<strong>im</strong>mt und kunstvoll miteinander verknüpft<br />

werden. [...] Spontane Ortsveränderungsentscheidungen“ seien durch „permanent<br />

trainiertes Alltagskönnen“ (ebd.: 173) möglich.<br />

Autofahren erfordert <strong>im</strong> Vergleich einen weitaus geringeren Informations-, Planungs- und<br />

Entscheidungsaufwand, ökonomisch formuliert: die geringsten Transaktionskosten. Als „Universalverkehrsmittel“<br />

ist ein Pkw zudem sowohl für den allein zurückgelegten Arbeitsweg,<br />

das Einkaufen mit Transportaufgaben, den gemeinsamen Kinobesuch und den Familienausflug<br />

am Wochenende geeignet.<br />

Die verkehrsplanerische Beschreibung des Mobilitätsverhaltens „übersieht“ nicht nur diesen,<br />

sondern auch weitere verhaltensrelevante Zusammenhänge und Parameter. 19 So wird die<br />

Verschränkung von strukturellem Zwang und individueller Freiwilligkeit ausgeklammert, die<br />

dem Wachstum der Automobilität seine Dynamik verleiht (vgl. Heine/Mautz/Rosenbaum<br />

2001: 29). Am Beispiel von Frauen, die häufig erst durch die Verfügbarkeit und Nutzung<br />

18<br />

Die derzeit vermutlich breiteste und fundierteste Übersicht über die bekanntesten Theorien und<br />

Modelle zur Verkehrmittelwahl enthält Flade/Wullkopf (2000).<br />

19<br />

Holte (2000) skizziert die Spuren der „Beziehung“ zum Auto in der Evolutionsbiologie, der Psychologie<br />

und der Soziologie.

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