Mobilitätsdienstleister ohne Kunden. Kundenorientierung im ... - WZB
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Auf der Seite der Verkehrsunternehmen wird der Grad der <strong>Kunden</strong>orientierung von den<br />
finanziellen Erwartungen abhängen, die <strong>im</strong> Rahmen des Verkehrsvertrags mit einer stärkeren<br />
<strong>Kunden</strong>orientierung erzielt werden können, mithin also von dem Verhältnis zwischen<br />
Kosten und Erlösen. Der Verkehrsvertrag muss für das Verkehrsunternehmen einen positiven<br />
Saldo aus Einnahmezuwächsen und Mehrkosten durch stärkere <strong>Kunden</strong>orientierung<br />
erwarten lassen.<br />
Entscheidend ist demnach die Vertragsgestaltung. In der Branche wird – allerdings bisher<br />
nur in Überlegungen zu den künftigen Entwicklungen – zwischen Brutto- und Netto-Verträgen<br />
unterschieden; Mischformen werden meist als Anreizverträge bezeichnet. 14 In der Praxis<br />
wurden bisher keine Nettoverträge geschlossen, die Anreizkomponenten in Mischverträgen<br />
sind gering.<br />
Be<strong>im</strong> reinen Bruttovertrag trägt das Verkehrsunternehmen das Produktionsrisiko, das Einnahmenrisiko<br />
liegt auf der Seite des Aufgabenträgers (Bestellers). Zentrales Interesse des<br />
Verkehrsunternehmens ist daher die betriebswirtschaftliche Opt<strong>im</strong>ierung der Produktionsprozesse.<br />
Interesse an der Berücksichtigung von <strong>Kunden</strong>bedürfnissen entsteht bei dieser<br />
Vertragsgestaltung nicht: allein der Besteller vertritt hier die Fahrgastinteressen. Das Verkehrsunternehmen<br />
hat kaum Interesse an seinen Fahrgästen und besserer Qualität, da es<br />
von steigenden Tarifeinnahmen nicht profitiert. Diese Vertragsform ist in Deutschland bisher<br />
der Standard.<br />
Der Nettovertrag, bei dem auch das Einnahmenrisiko auf Unternehmensseite liegt, bietet den<br />
Verkehrsunternehmen hingegen – <strong>im</strong> Vergleich zum Bruttovertrag – stärkere Anreize zu<br />
einer Berücksichtigung der <strong>Kunden</strong>bedürfnisse. Allerdings ist diese Vertragsform in Verbundräumen<br />
nur schwierig anzuwenden, da die Aufteilung der Einnahmen zwischen den<br />
Verkehrsunternehmen meist strittig ist. Bei Nettoverträgen haben die Aufgabenträger weniger<br />
Einfluss auf das Angebot insgesamt. Dies kann sowohl aus <strong>Kunden</strong>sicht, als auch unter<br />
Umwelt- und sozialen Gesichtspunkten problematisch sein. Nettoverträge bieten an sich keinen<br />
Anreiz, soziale, umwelt- und verkehrspolitische Ziele zu berücksichtigen. Zum Ausgleich<br />
sind daher Mindestanforderungen zu formulieren. Nettoverträge sind in Deutschland auf<br />
Grund der erwähnten Schwierigkeiten noch nicht abgeschlossen worden.<br />
Entsprechend den oben beschriebenen Interessenlagen sind weder reine Netto- noch reine<br />
Bruttoverträge empfehlenswert. Mit einer Mischform (Anreizvertrag) dürfte es gelingen, Qualitätsanreize<br />
zu schaffen und zugleich weitere Anforderungen (z.B. gerechte Einnahmenaufteilung,<br />
Kompetenzaufteilung, Vermeidung von „Trittbrettfahrereffekten“) zu erfüllen. In der<br />
Umsetzung dieser Vertragskonstruktion wird ein fixer Grundbetrag vereinbart, zu dem ein<br />
variabler Anteil addiert wird, der z.B. den Verbunderfolg und die Tarifeinnahmen berücksichtigt.<br />
Die Möglichkeiten, durch ein kundenorientierteres Angebot zu einem positiven Saldo zu<br />
gelangen, sind jedoch begrenzt. Öffentlicher Verkehr ist bisher nur in wenigen Fällen kostendeckend.<br />
Die heutige Relation zwischen Fahrgeldeinnahmen (<strong>ohne</strong> die pauschalen<br />
Transfers für den Schülerverkehr und die kostenlose Beförderung von Schwerbehinderten)<br />
und den Kosten liegt <strong>im</strong> Mittel bei etwa 1:3 bis 1:2. Auch massive Kostenopt<strong>im</strong>ierungen werden<br />
diese Relation nicht grundsätzlich ändern.<br />
Gleichwohl muss die traditionelle Produkt- und Dienstleistungspalette nicht nur qualitativ<br />
verbessert, sondern auch erheblich weiterentwickelt und ausgeweitet werden, um den<br />
anspruchsvollen Mobilitätswünschen der heutigen und künftigen <strong>Kunden</strong> gerecht werden zu<br />
14 Die hier wiedergegebenen Definitionen wurden weitgehend von Niß (1999) übernommen.