KEM Konstruktion 04.2023

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04.04.2023 Aufrufe

AUTOMATISIERUNG » Schaltschrankbau Mehr Nachhaltigkeit mit klimafreundlicher Schaltschrankplanung Saisonal angepasste Kühlung verspricht mehr Effizienz Kann ein Schaltschrank in jeder Jahreszeit energieeffizient betrieben werden, ohne dabei thermisch bedingte Ausfälle zu riskieren? Eine Untersuchung des Instituts für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung (IGTE) der Universität Stuttgart zusammen mit der Friedrich Lütze GmbH in Weinstadt zeigt: Das gelingt mit kanalloser Verdrahtung, Lüftersystem und bedarfsgerechter Zukühlung. Das Potential der Kombination verschiedener Kühlmechanismen kann mittels einer intelligenten Regelung genutzt werden. Daniel Haag, M.Sc. und Dr.-Ing. Wolfgang Heidemann (IGTE); Michael Bautz, Produktmanager Cabinet, Lütze IM ÜBERBLICK S Im Praxisbeispiel konnte chaltschränke für elektrische der Energieverbrauch pro Komponenten haben in der Industrie zahlreiche Einsatzfelder. Da- Jahr um 76 % von 557 auf nur 131 kWh reduziert werden – entsprechend bezüglich der verwendeten Kompobei gibt es viele Ausführungen, die 156 kg CO 2 weniger. nenten und Anwendungszwecke standardisiert sind, es existiert aber auch viel Individualität. Hinzu kommt, dass sich selbst in Schaltschränken, die auf den ersten Blick identische Komponenten enthalten, unterschiedliche Temperaturverteilungen ausbilden können. Im konkreten Anwendungsfall bestimmt beispielsweise die Taktzeit des zu steuernden Prozesses, welche thermische Verlustleistung in einem Schaltschrank frei wird. Auch Faktoren wie die Bauteilplatzierung beeinflussen stark die individuelle Temperatur, der ein einzelnes Bauteil ausgesetzt ist. Einen universellen Kühlmechanismus, der für alle Anwendungsfälle und Eventualitäten einen sorgenfreien Betrieb ermöglicht und dazu noch energieeffizient ist, gibt es nicht. Deshalb ist es entscheidend, sich bereits in der Planungsphase Gedanken über das Klima im Schaltschrank zu machen. Fehler, die hier begangen werden, beeinflussen den gesamten Lebenszyklus der Anlage und können zu einem späteren Zeitpunkt nur noch mit einem Mehraufwand an Zeit und Finanzmitteln behoben werden. Bild 1: Im Praxisbeispiel kommt das Airstream-Verdrahtungssystem als Basis für die klimafreundliche Schaltschrankkühlung zum Einsatz. Bild: Lütze Effizienz und Ausfallsicherheit erreichen Die Friedrich Lütze GmbH und das IGTE der Universität Stuttgart arbeiten im Rahmen einer langjährigen Kooperation an bedarfsgerechten und umweltfreund - lichen Kühlkonzepten für Schaltschränke. Dabei ist festzustellen, dass die Forderung nach größerer Energieeffizienz in der Industrie auch im Schaltschrank - bereich angekommen ist. Zudem werden auch andere Anforderungen wie die Sicherheit gegen thermisch 80 KEM Konstruktion » 04 | 2023

Bild 2: Temperaturfelder in einer Schaltschrankkombination ohne trennende Innenwände (gestrichelte Linie), wobei der linke Teil frei und der rechte aktiv gekühlt ist. In der linken Hälfte der Darstellung ist die Temperaturverteilung für den nichtoptimierten Zustand zu sehen, in der rechten Hälfte entsprechend für den optimierten Zustand mit Airblowern (rechts). Die Temperaturen bewegen sich zwischen 25 (blau) und 50 °C (rot). Bild: IGTE bedingten Ausfall für Anlagenbetreiber immer wichtiger. Denn durch die digitale Transformation und die damit verbundene starke Vernetzung von allen Produktionsschritten können selbst kleinste Ausfälle bei der Schaltschrankfunktionalität weitreichende Folgen haben, die es zu vermeiden gilt. Außerdem nehmen der öffentliche und politische Druck zu, bei jedem Produktionsschritt Emissionen einzusparen. Ein ganzheitlich berechneter CO 2 -Fußabdruck eines Industrieerzeugnisses beinhaltet auch die bei der Produktion verursachten Emissionen. Nachfolgend soll deshalb anhand eines häufig auftretenden – aber wenig Beachtung findenden – Fallbeispiels gezeigt werden, wie durch ein saisonales und bedarfsgerechtes Kühlkonzept eine Energie- und Emissions - reduktion umgesetzt werden kann. Über die Einzelschrankbetrachtung hinaus denken Der Fokus der meisten Klimabetrachtungen im Schaltschrankbereich liegt auf Einzelschränken. Allerdings treten in der Praxis Kombinationen von Schaltschränken ohne trennende Innenwände ebenso häufig wie Einzelschränke auf. Aus thermodynamischer Sicht beeinflussen Aufstellsituation und räumliche Trennung eines Schaltschrankes dessen Klima sehr stark. Betrachtet man praxisübliche Schaltschrankkombinationen, so stellt man fest, dass häufig nur an jedem zweiten oder dritten Schaltschrank eine aktive Kühlung (Klimagerät oder Wärmeübertrager) angebracht wird. Werden hier lediglich die Kenndaten wie Verlustleistung pro Schrank und maximal nutzbare Kühlleistung betrachtet, scheint ein Betrieb möglich. In der Realität ergibt sich aber ein anderes Bild. Auch hier zeigt das nachfolgende Praxisbeispiel exemplarisch, welches Energieeinsparpotential häufig ungenutzt bleibt. Praxisbeispiel Schaltschrankkombination Teilen sich mehrere Schaltschränke eine aktive Kühlung (Klimagerät oder Wärmeübertrager) tritt häufig ein Verteilungsproblem auf. Dieses lässt sich anhand einer CFD-Simulation anschaulich verdeutlichen. In Bild 2 ist die Temperaturverteilung in einer Schaltschrankkombination ohne trennende Innenwände, bestehend aus zwei Schaltschränken gezeigt. Beide Schaltschränke sind mit dem kanallosen Airstream-Verdrahtungssystem von Lütze aufgebaut. Der rechte Schrank hat eine aktive Kühlung, der linke Schrank nicht. In der linken Hälfte von Bild 2 ist die Ausggangssituation gezeigt. Dabei ist der linke Schrank bei freier Kühlung betrieben, was bedeutet, dass nur eine sehr geringe Luftumwälzung bedingt durch thermischen Auftrieb vorliegt. Man erkennt anhand der CFD-Simulation, dass im linken Schrank keine kalte Luft ankommt und sich im oberen Bereich zahlreiche Hotspots bilden. Der rechte aktiv gekühlte Schrank ist thermisch unbedenklich, da in diesen eine ausreichende Kühlleistung eingebracht wird. Möchte man mit dieser Konfiguration auch den linken Schrank ausreichend kühlen, muss die eingebrachte Kühlleistung stark erhöht werden. Dabei sinkt aber auch die Temperatur der Luft im aktiv gekühlten Schrank stark ab und es droht Kondensatbildung durch die großen Temperaturunterschiede. Die bessere Lösung ist es, die kalte Luft gut zwischen den Schränken zu verteilen. In der rechten Hälfte von Bild 2 ist gezeigt, wie dies umgesetzt werden kann. Bild: Lütze Bild 3: Um die Kühlung zu optimieren, kommen im Praxisbeispiel Airblower- Lüfter (oben) zusätzlich zum Airstream-System zum Einsatz. KEM Konstruktion » 04 | 2023 81

Bild 2: Temperaturfelder in einer Schaltschrankkombination ohne trennende Innenwände (gestrichelte Linie), wobei der linke Teil frei und der rechte aktiv<br />

gekühlt ist. In der linken Hälfte der Darstellung ist die Temperaturverteilung für den nichtoptimierten Zustand zu sehen, in der rechten Hälfte entsprechend für<br />

den optimierten Zustand mit Airblowern (rechts). Die Temperaturen bewegen sich zwischen 25 (blau) und 50 °C (rot).<br />

Bild: IGTE<br />

bedingten Ausfall für Anlagenbetreiber immer wichtiger.<br />

Denn durch die digitale Transformation und die<br />

damit verbundene starke Vernetzung von allen Produktionsschritten<br />

können selbst kleinste Ausfälle bei der<br />

Schaltschrankfunktionalität weitreichende Folgen haben,<br />

die es zu vermeiden gilt.<br />

Außerdem nehmen der öffentliche und politische<br />

Druck zu, bei jedem Produktionsschritt Emissionen einzusparen.<br />

Ein ganzheitlich berechneter CO 2 -Fußabdruck<br />

eines Industrieerzeugnisses beinhaltet auch die<br />

bei der Produktion verursachten Emissionen. Nachfolgend<br />

soll deshalb anhand eines häufig auftretenden –<br />

aber wenig Beachtung findenden – Fallbeispiels gezeigt<br />

werden, wie durch ein saisonales und bedarfsgerechtes<br />

Kühlkonzept eine Energie- und Emissions -<br />

reduktion umgesetzt werden kann.<br />

Über die Einzelschrankbetrachtung<br />

hinaus denken<br />

Der Fokus der meisten Klimabetrachtungen im Schaltschrankbereich<br />

liegt auf Einzelschränken. Allerdings<br />

treten in der Praxis Kombinationen von Schaltschränken<br />

ohne trennende Innenwände ebenso häufig wie<br />

Einzelschränke auf. Aus thermodynamischer Sicht beeinflussen<br />

Aufstellsituation und räumliche Trennung<br />

eines Schaltschrankes dessen Klima sehr stark. Betrachtet<br />

man praxisübliche Schaltschrankkombinationen,<br />

so stellt man fest, dass häufig nur an jedem zweiten<br />

oder dritten Schaltschrank eine aktive Kühlung<br />

(Klimagerät oder Wärmeübertrager) angebracht wird.<br />

Werden hier lediglich die Kenndaten wie Verlustleistung<br />

pro Schrank und maximal nutzbare Kühlleistung<br />

betrachtet, scheint ein Betrieb möglich. In der Realität<br />

ergibt sich aber ein anderes Bild. Auch hier zeigt das<br />

nachfolgende Praxisbeispiel exemplarisch, welches<br />

Energieeinsparpotential häufig ungenutzt bleibt.<br />

Praxisbeispiel Schaltschrankkombination<br />

Teilen sich mehrere Schaltschränke eine aktive Kühlung<br />

(Klimagerät oder Wärmeübertrager) tritt häufig<br />

ein Verteilungsproblem auf. Dieses lässt sich anhand<br />

einer CFD-Simulation anschaulich verdeutlichen. In<br />

Bild 2 ist die Temperaturverteilung in einer Schaltschrankkombination<br />

ohne trennende Innenwände,<br />

bestehend aus zwei Schaltschränken gezeigt. Beide<br />

Schaltschränke sind mit dem kanallosen<br />

Airstream-Verdrahtungssystem von<br />

Lütze aufgebaut.<br />

Der rechte Schrank hat eine aktive Kühlung,<br />

der linke Schrank nicht. In der linken<br />

Hälfte von Bild 2 ist die Ausggangssituation<br />

gezeigt. Dabei ist der linke<br />

Schrank bei freier Kühlung betrieben,<br />

was bedeutet, dass nur eine sehr geringe<br />

Luftumwälzung bedingt durch thermischen<br />

Auftrieb vorliegt. Man erkennt<br />

anhand der CFD-Simulation, dass im<br />

linken Schrank keine kalte Luft ankommt<br />

und sich im oberen Bereich<br />

zahlreiche Hotspots bilden. Der rechte<br />

aktiv gekühlte Schrank ist thermisch<br />

unbedenklich, da in diesen eine ausreichende<br />

Kühlleistung eingebracht wird.<br />

Möchte man mit dieser Konfiguration<br />

auch den linken Schrank ausreichend<br />

kühlen, muss die eingebrachte Kühlleistung<br />

stark erhöht werden. Dabei sinkt<br />

aber auch die Temperatur der Luft im aktiv gekühlten<br />

Schrank stark ab und es droht Kondensatbildung durch<br />

die großen Temperaturunterschiede.<br />

Die bessere Lösung ist es, die kalte Luft gut zwischen<br />

den Schränken zu verteilen. In der rechten Hälfte von<br />

Bild 2 ist gezeigt, wie dies umgesetzt werden kann.<br />

Bild: Lütze<br />

Bild 3: Um die Kühlung zu<br />

optimieren, kommen im<br />

Praxisbeispiel Airblower-<br />

Lüfter (oben) zusätzlich zum<br />

Airstream-System zum<br />

Einsatz.<br />

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