KEM Konstruktion 04.2023
TRENDS » Porträt » Automatisierungstechnik In 100 Jahren von der Reihenklemme bis zum Wegbereiter der All Electric Society „Die All Electric Society bietet die Chance, eine nachhaltigere Welt zu gestalten“ Automatisierungstechnik hat einen wichtigen Anteil daran, die Herausforderungen des Klimawandels zu bewältigen und dennoch das Versprechen von Wohlstand für alle zu erfüllen, betont Phoenix Contact – das Unternehmen feiert 2023 seinen 100. Geburtstag. Eine wichtige Rolle spiele dabei insbesondere das Zukunftsbild der All Electric Society (AES) und damit die Frage, wie genügend regenerativ erzeugte Energie bereitgestellt werden kann. IM INTERVIEW Frank Stührenberg, Vorsitzender der Geschäftsführung (CEO), Phoenix Contact GmbH & Co. KG, Blomberg »Mit dem Feldbussystem Interbus stand bereits 1987 die systemübergreifende Offenheit vom Sensor bis zur Steuerung im Fokus – die heute auch die PLCnext Technology auszeichnet.« Interview: Andreas Gees und Michael Corban, Chefredaktion KEM Konstruktion KEM Konstruktion: Bevor wir zum Thema der All Electric Society kommen – herzlichen Glückwunsch zu 100 Jahren Phoenix Contact! Was waren die Meilensteine auf diesem Weg? Frank Stührenberg (Phoenix Contact): Interessanterweise stand am Anfang bereits die Elektromobilität – natürlich noch nicht mit Individualfahrzeugen, sondern mit Straßenbahnen. Oberleitungsklemmen waren das erste Produkt, das wir selbst anboten. Der Start erfolgte allerdings als Handelsunternehmen, Hugo Knümann gründete in Essen 1923 die Phönix Elektround Industrie-Bedarfsgesellschaft. Dennoch war auch Knümann schon ein Erfinder – nachdem ihm der RWE- Ingenieur Heinz Müller von sehr unflexiblen 10-poligen Keramikblöcken berichtete, entstand die Idee, die Blöcke zu trennen und auf einer Tragschiene einzeln anzuordnen – die reihbare Klemme oder Reihenklemme entstand auf diese Weise. Mit Josef Eisert tritt dann nach dem Krieg ein Starkstromingenieur und kreativer Geist ins Unternehmen ein. Der vielseitige Erfinder macht nach dem Tod Knümanns aus dem Handelsunternehmen eines mit eigener Produktion – aus meiner Sicht eine der wichtigsten Weichenstellungen in der Geschichte von Phoenix Contact. Am neuen Unternehmenssitz in Blomberg investiert man in die Fertigung – so werden unter anderem die Schrauben als zentrales Element der Klemmen selbst gefertigt, um die gewünschte Qualität zu erreichen. Bei all dem spielt die Verbindung von Konstruktions- und Fertigungs-Know-how eine große Rolle. Ein wesentlicher Meilenstein war sicher auch der Einstieg in die Industrieelektronik – 1974 wurde auf der Fachmesse electronica die MKDS-Miniklemme für gedruckte Schaltungen vorgestellt und zum Vorbild für den Standard-Schraubanschluss an Leiterplatten. Leiterplattenklemme, Leiterplatten-Steckverbinder, Relais, Wandler sowie viele andere elektronische Produkte finden ihren Weg in den Produktkatalog. Offenheit als zentrale Eigenschaft Den Einstieg in die industrielle Vernetzung markierte die Vorstellung des Feldbussystems Interbus auf der Hannover Messe 1987. Interessant ist, dass bereits damals die systemübergreifende Offenheit vom Sensor bis zur Steuerung im Fokus stand. Heute ist sie eine zentrale Eigenschaft der PLCnext Technology, der Basis unseres Ökosystems für die industrielle Automatisierung bestehend aus offener Hardware, modularer Engineering-Software, einer globalen Community und einem digitalen Software-Marktplatz. KEM Konstruktion: Wie kam es basierend auf dem erworbenen Know-how zur Unterstützung des Zukunftsbildes der All Electric Society (AES)? Stührenberg: Die All Electric Society eröffnet aus unserer Sicht die Chance, sowohl den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen als auch das Streben von Milliarden von Menschen nach Wohlstand und Entwicklung zu ermöglichen – trotz der Widersprüche, die sich ergeben mit Blick auf die Vereinbarkeit beider Ziele. Die Frage ist, wie Verbrauch zugelassen und 64 KEM Konstruktion » 04 | 2023
Frank Stührenberg, Vorsitzender der Geschäftsführung (CEO), Phoenix Contact GmbH & Co. KG, Blomberg Bild: Thorsten Zuckerstätter/Phoenix Contact
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In 100 Jahren von der Reihenklemme bis zum Wegbereiter der All Electric Society<br />
„Die All Electric Society bietet die Chance,<br />
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Automatisierungstechnik hat einen wichtigen Anteil daran, die Herausforderungen des Klimawandels zu<br />
bewältigen und dennoch das Versprechen von Wohlstand für alle zu erfüllen, betont Phoenix Contact – das<br />
Unternehmen feiert 2023 seinen 100. Geburtstag. Eine wichtige Rolle spiele dabei insbesondere<br />
das Zukunftsbild der All Electric Society (AES) und damit die Frage, wie<br />
genügend regenerativ erzeugte Energie bereitgestellt werden kann.<br />
IM INTERVIEW<br />
Frank Stührenberg,<br />
Vorsitzender der<br />
Geschäftsführung (CEO),<br />
Phoenix Contact GmbH &<br />
Co. KG, Blomberg<br />
»Mit dem Feldbussystem Interbus stand bereits<br />
1987 die systemübergreifende Offenheit vom<br />
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Interview: Andreas Gees und Michael Corban, Chefredaktion <strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong><br />
<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Bevor wir zum<br />
Thema der All Electric Society kommen<br />
– herzlichen Glückwunsch zu 100 Jahren<br />
Phoenix Contact! Was waren die<br />
Meilensteine auf diesem Weg?<br />
Frank Stührenberg (Phoenix Contact): Interessanterweise<br />
stand am Anfang bereits die Elektromobilität<br />
– natürlich noch nicht mit Individualfahrzeugen, sondern<br />
mit Straßenbahnen. Oberleitungsklemmen waren<br />
das erste Produkt, das wir selbst anboten. Der Start<br />
erfolgte allerdings als Handelsunternehmen, Hugo<br />
Knümann gründete in Essen 1923 die Phönix Elektround<br />
Industrie-Bedarfsgesellschaft. Dennoch war auch<br />
Knümann schon ein Erfinder – nachdem ihm der RWE-<br />
Ingenieur Heinz Müller von sehr unflexiblen 10-poligen<br />
Keramikblöcken berichtete, entstand die Idee, die<br />
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anzuordnen – die reihbare Klemme oder Reihenklemme<br />
entstand auf diese Weise.<br />
Mit Josef Eisert tritt dann nach dem Krieg ein Starkstromingenieur<br />
und kreativer Geist ins Unternehmen<br />
ein. Der vielseitige Erfinder macht nach dem Tod Knümanns<br />
aus dem Handelsunternehmen eines mit eigener<br />
Produktion – aus meiner Sicht eine der wichtigsten<br />
Weichenstellungen in der Geschichte von Phoenix<br />
Contact. Am neuen Unternehmenssitz in Blomberg<br />
investiert man in die Fertigung – so werden unter anderem<br />
die Schrauben als zentrales Element der Klemmen<br />
selbst gefertigt, um die gewünschte Qualität zu<br />
erreichen. Bei all dem spielt die Verbindung von <strong>Konstruktion</strong>s-<br />
und Fertigungs-Know-how eine große Rolle.<br />
Ein wesentlicher Meilenstein war sicher auch der Einstieg<br />
in die Industrieelektronik – 1974 wurde auf der<br />
Fachmesse electronica die MKDS-Miniklemme für gedruckte<br />
Schaltungen vorgestellt und zum Vorbild für<br />
den Standard-Schraubanschluss an Leiterplatten. Leiterplattenklemme,<br />
Leiterplatten-Steckverbinder, Relais,<br />
Wandler sowie viele andere elektronische Produkte<br />
finden ihren Weg in den Produktkatalog.<br />
Offenheit als zentrale Eigenschaft<br />
Den Einstieg in die industrielle Vernetzung markierte<br />
die Vorstellung des Feldbussystems Interbus auf der<br />
Hannover Messe 1987. Interessant ist, dass bereits damals<br />
die systemübergreifende Offenheit vom Sensor<br />
bis zur Steuerung im Fokus stand. Heute ist sie eine<br />
zentrale Eigenschaft der PLCnext Technology, der Basis<br />
unseres Ökosystems für die industrielle Automatisierung<br />
bestehend aus offener Hardware, modularer<br />
Engineering-Software, einer globalen Community und<br />
einem digitalen Software-Marktplatz.<br />
<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Wie kam es basierend auf dem<br />
erworbenen Know-how zur Unterstützung des Zukunftsbildes<br />
der All Electric Society (AES)?<br />
Stührenberg: Die All Electric Society eröffnet aus unserer<br />
Sicht die Chance, sowohl den Herausforderungen<br />
des Klimawandels zu begegnen als auch das Streben<br />
von Milliarden von Menschen nach Wohlstand und<br />
Entwicklung zu ermöglichen – trotz der Widersprüche,<br />
die sich ergeben mit Blick auf die Vereinbarkeit beider<br />
Ziele. Die Frage ist, wie Verbrauch zugelassen und<br />
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