SMZ Liebenau Info 01_2018

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GESUNDHEITSFÖRDERUNG Gesunde Stadt – Reich und gesund oder arm und krank? Forum für Sozialmedizinische Praxis mit Stadtrat Mag. Robert Krotzer VON MARTINA FREI & GUSTAV MITTELBACH 6 SMZ INFO FRÜHJAHR 2018 Seit April 2017 ist Stadtrat Mag. Robert Krotzer für die Bereiche Gesundheit und Pflege in der Stadt Graz zuständig. Ein ganzheitlicher Ansatz von Gesundheit ist ihm dabei besonders wichtig: „Eine sozial gerechte Gesundheitspolitik umfasst alle Lebensbereiche der Menschen. Der gleichberechtigte Zugang aller Menschen zu medizinischer Betreuung ist dabei selbstverständlich.“ Im November 2017 hatten wir den neuen Gesundheitsstadtrat eingeladen, seine Ziele im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe „Forum für Sozialmedizinische Praxis“ vorzustellen und mit interessierten Besucher*innen zu diskutieren. Einleitend in das Thema gab Gustav Mittelbach einen Exkurs in die Gesundheitskonferenz „Lieber reich und gesund statt arm und krank“, die das SMZ im Jahr 1998 anlässlich seines 15-jährigen Bestehens organisiert und moderiert hatte, bzw. auch in die Gesundheitskonferenz Jakomini 2013. Menschen, die sozial benachteiligt sind, haben ein höheres Krankheitsrisiko. In den armutsgefährdeten Haushalten hat jede/r Zweite/r eine chronische Erkrankung, in den reichsten Haushalten nur jeder 5. (Armutsbericht Graz). 9 Frauen von 100 Österreicherinnen sind im Durchschnitt übergewichtig, aber 13 von 100 mit Pflichtschulabschluss. Diabetes und Erkrankungen des Bewegungsapparates sind ebenso ungleich häufiger bei Menschen mit Pflichtschulbildung. Männer der Gruppe mit der niedrigsten Ausbildung leben um 10 Jahre kürzer, Frauen dieser Gruppe um 5 Jahre weniger als der Durchschnitt! Um diese besonders gefährdete Personengruppe zu erreichen, sind nicht nur sehr spezifische Gesundheitsförderungsprojekte nötig, sondern vor allem auch eine unterstützende Sozialpolitik. Basierend auf diesen Fakten ist es für Robert Krotzer von großer Bedeutung, sich für ein starkes öffentliches und kostenloses Gesundheitswesen für alle Menschen einzusetzen. Einen Fokus legt Robert Krotzer in Zukunft auf die Stärkung der Gesundheitskompetenz („Health Literacy“) der Grazer*innen. „Gesundheitskompetenz ist die Fähigkeit, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden, um im Alltag angemessene Entscheidungen zur Gesundheit treffen zu können.“ European Health Literacy Consortium Die Stärkung der Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung trägt wesentlich zur Gesundheit und einem besseren Umgang mit Krankheit und somit auch zu gesundheitlicher Chancengleichheit bei. In der Studie „European Health Literacy Survey“ (HLS-EU Consortium, 2012) aus dem Jahr 2011 hat Österreich im Vergleich mit sieben anderen europäischen Ländern unterdurchschnittlich abgeschnitten. Das Ergebnis der Studie: „Menschen, die sozial benachteiligt sind, ein geringeres Bildungsniveau aufweisen sowie ältere und chronisch Kranke können in besonders hohem Ausmaß von unterstützenden Rahmenbedingungen profitieren“ (vgl. www.bmgf.gv.at, 2016). Damit das gelingen kann, ist aber auch eine Verbesserung dieser Rahmenbedingungen notwendig, z. B. in Form einer gesundheitskompetenten Gestaltung des sozialen Umfelds und entsprechender Organisationen. Solche gesundheitskompetenten Organisationen erleichtern es der Bevölkerung, gesundheitsrelevante Informationen und Dienste zu finden, zu verstehen und zu benutzen, um gute Entscheidungen für die eigene Gesundheit zu treffen (vgl. Brach et al., 2012). Gesundheitsamt vor Ort: Zeckenimpfung im Stadtteilzentrum Jakomini, 18. April 15.00 bis 16.00 Uhr

GESUNDE STADT VON GROSSER BEDEUTUNG IST FÜR ROBERT KROTZER, SICH FÜR EIN STARKES ÖFFENTLICHES UND KOSTENLOSES GESUNDHEITSWESEN FÜR ALLE MENSCHEN EINZUSETZEN. Um genau solche Rahmenbedingungen selbst zu schaffen und einen niederschwelligen Zugang zu den Grazer*innen zu erhalten, hat der Gesundheitsstadtrat die bestehenden und neuen Angebote des Gesundheitsamts dahin entwickelt, dass diese auch außerhalb des Standortes in der Schmiedgasse, z. B. in Schulen, Betrieben und Nachbarschaften, durchgeführt werden können. Dazu zählen z. B. Maßnahmen wie: • Impfstelle und Ernährungsberatung vor Ort • Impfstelle modernisieren und unabhängig von anderen Einrichtungen machen • Pilotprojekt zum Thema Medienkompetenz • Kooperationen mit Gesundheitsversorgungseinrichtungen • Schulgesundheitspreis • und Sensibilisierung verschiedener Zielgruppen zum Thema Sucht sowie die Versorgung von Substitutionspatient*innen sichern Um eine Debatte im Suchtbereich anzuregen, hat Stadtrat Krotzer im September 2017 gemeinsam mit dem Regisseur Adrian Goiginger zum Film „Die beste aller Welten“ eingeladen. Der österreichische Film erzählt von der wahren Geschichte eines Kindes in der abenteuerlichen Welt seiner heroinabhängigen Mutter und ihrer Liebe zueinander. Die Betreuung und medizinische Versorgung dieser sehr vulnerablen und gefährdeten Gruppe sind in Graz zunehmend in Frage gestellt: Nur noch 9 Ärzt*innen arbeiten im Substitutionsprogramm. In den kommenden Jahren gehen einige von ihnen in Pension, ein Nachwuchs ist nicht in Sicht. Gerade für diese schwierige Patientengruppe sind, neben der rein medizinischen Basisverschreibung spezieller Medikamente, psychosoziale Teams erforderlich, deren Finanzierung jährlich sichergestellt werden muss. Für einen Teil dieser Patient*innen kann das SMZ-Team hochwertige Betreuung sicherstellen. Eine langfristige Planung ist leider nicht in Sicht. Initiativen, wie die von Stadtrat Krotzer, diese Misere aufzuzeigen und zu verbessern, sind dringend nötig. Eine weitere Herzensangelegenheit für Robert Krotzer ist es, sich mehrerer Themen im Pflegebereich anzunehmen. Dazu zählen z. B.: • Entlastung aller Gesundheitsberufe durch mehr Personal und gerechte Entlohnung • eine klare Regelung für die 24h-Betreuung • keine Schlechterstellung von Beschäftigten durch die neue Regelung der Ausbildung für Pflegeberufe • 4te Dienst • nachgehende und nachbarschaftliche Betreuung für 50+ • Gestaltung einer demenzfreundlichen Stadt • Pflege Angehöriger darf nicht arm machen (Sicherung und Ausbau der Pflegedrehscheibe als nachgehende Beratungseinrichtung) Eine Möglichkeit, zumindest im Süden von Graz, diese Situation zu verbessern, besteht im von uns geplanten Primär-Gesundheitszentrum Liebenau: Angestellte Pflegefachkräfte werden nicht nur klassische Pflegeleistungen anbieten, sondern vor allem präventive Beratungen und Hausbesuche durchführen können. Gemeinsam mit anderen Gesundheitsberufen leisten sie dann aufsuchende Gesundheitsförderungsarbeit, gleichberechtigt neben der Behandlung Kranker! Abschließend wurden psychische Erkrankungen thematisiert, ein Thema, das zu einer längeren Diskussion unter den Teilnehmenden führt. Dr. Gustav Mittelbach verweist auf durchschnittliche Grazer Wartezeiten bei Psychotherapien bis zu 6 Monaten – ein unhaltbarer Zustand. Im SMZ hingegen ist für akute Krisenberatung jederzeit ein Soforttermin erhältlich, Beratung und Psychotherapie werden innerhalb von 2-3 Wochen möglich gemacht (siehe auch die 2 neuen Mitarbeiter*innen in unserer Familienberatungsstelle!) Eine Ärztin aus der Marienambulanz berichtet von Problemen, kostenlos und rasch Dolmetscher*innen zu organisieren – auch dieses Thema ist noch ungelöst. Psychische Erkrankungen und Traumata – gerade bei Menschen mit Migrationshintergrund und mangelnden Deutschkenntnissen, erfordern professionelle Hilfe, um Spätfolgen, wie Suchterkrankungen, Verhaltensstörungen und Suizide zu verhindern. SMZ INFO FRÜHJAHR 2018 7

GESUNDE STADT<br />

VON GROSSER BEDEUTUNG IST FÜR ROBERT KROTZER,<br />

SICH FÜR EIN STARKES ÖFFENTLICHES UND KOSTENLOSES<br />

GESUNDHEITSWESEN FÜR ALLE MENSCHEN EINZUSETZEN.<br />

Um genau solche Rahmenbedingungen selbst zu<br />

schaffen und einen niederschwelligen Zugang zu<br />

den Grazer*innen zu erhalten, hat der Gesundheitsstadtrat<br />

die bestehenden und neuen Angebote des<br />

Gesundheitsamts dahin entwickelt, dass diese auch<br />

außerhalb des Standortes in der Schmiedgasse,<br />

z. B. in Schulen, Betrieben und Nachbarschaften,<br />

durchgeführt werden können. Dazu zählen z. B.<br />

Maßnahmen wie:<br />

• Impfstelle und Ernährungsberatung vor Ort<br />

• Impfstelle modernisieren und unabhängig von<br />

anderen Einrichtungen machen<br />

• Pilotprojekt zum Thema Medienkompetenz<br />

• Kooperationen mit Gesundheitsversorgungseinrichtungen<br />

• Schulgesundheitspreis<br />

• und Sensibilisierung verschiedener Zielgruppen<br />

zum Thema Sucht sowie die Versorgung<br />

von Substitutionspatient*innen sichern<br />

Um eine Debatte im Suchtbereich anzuregen, hat<br />

Stadtrat Krotzer im September 2<strong>01</strong>7 gemeinsam<br />

mit dem Regisseur Adrian Goiginger zum Film „Die<br />

beste aller Welten“ eingeladen. Der österreichische<br />

Film erzählt von der wahren Geschichte eines Kindes<br />

in der abenteuerlichen Welt seiner heroinabhängigen<br />

Mutter und ihrer Liebe zueinander. Die<br />

Betreuung und medizinische Versorgung dieser<br />

sehr vulnerablen und gefährdeten Gruppe sind<br />

in Graz zunehmend in Frage gestellt: Nur noch 9<br />

Ärzt*innen arbeiten im Substitutionsprogramm. In<br />

den kommenden Jahren gehen einige von ihnen in<br />

Pension, ein Nachwuchs ist nicht in Sicht. Gerade<br />

für diese schwierige Patientengruppe sind, neben<br />

der rein medizinischen Basisverschreibung spezieller<br />

Medikamente, psychosoziale Teams erforderlich,<br />

deren Finanzierung jährlich sichergestellt werden<br />

muss. Für einen Teil dieser Patient*innen kann das<br />

<strong>SMZ</strong>-Team hochwertige Betreuung sicherstellen.<br />

Eine langfristige Planung ist leider nicht in Sicht. Initiativen,<br />

wie die von Stadtrat Krotzer, diese Misere<br />

aufzuzeigen und zu verbessern, sind dringend nötig.<br />

Eine weitere Herzensangelegenheit für Robert Krotzer<br />

ist es, sich mehrerer Themen im Pflegebereich<br />

anzunehmen. Dazu zählen z. B.:<br />

• Entlastung aller Gesundheitsberufe durch<br />

mehr Personal und gerechte Entlohnung<br />

• eine klare Regelung für die 24h-Betreuung<br />

• keine Schlechterstellung von Beschäftigten<br />

durch die neue Regelung der Ausbildung für<br />

Pflegeberufe<br />

• 4te Dienst<br />

• nachgehende und nachbarschaftliche Betreuung<br />

für 50+<br />

• Gestaltung einer demenzfreundlichen Stadt<br />

• Pflege Angehöriger darf nicht arm machen<br />

(Sicherung und Ausbau der Pflegedrehscheibe<br />

als nachgehende Beratungseinrichtung)<br />

Eine Möglichkeit, zumindest im Süden von Graz,<br />

diese Situation zu verbessern, besteht im von uns<br />

geplanten Primär-Gesundheitszentrum <strong>Liebenau</strong>:<br />

Angestellte Pflegefachkräfte werden nicht nur klassische<br />

Pflegeleistungen anbieten, sondern vor allem<br />

präventive Beratungen und Hausbesuche durchführen<br />

können. Gemeinsam mit anderen Gesundheitsberufen<br />

leisten sie dann aufsuchende Gesundheitsförderungsarbeit,<br />

gleichberechtigt neben der<br />

Behandlung Kranker!<br />

Abschließend wurden psychische Erkrankungen<br />

thematisiert, ein Thema, das zu einer längeren Diskussion<br />

unter den Teilnehmenden führt. Dr. Gustav<br />

Mittelbach verweist auf durchschnittliche Grazer<br />

Wartezeiten bei Psychotherapien bis zu 6 Monaten<br />

– ein unhaltbarer Zustand. Im <strong>SMZ</strong> hingegen ist für<br />

akute Krisenberatung jederzeit ein Soforttermin erhältlich,<br />

Beratung und Psychotherapie werden innerhalb<br />

von 2-3 Wochen möglich gemacht (siehe auch<br />

die 2 neuen Mitarbeiter*innen in unserer Familienberatungsstelle!)<br />

Eine Ärztin aus der Marienambulanz<br />

berichtet von Problemen, kostenlos und rasch<br />

Dolmetscher*innen zu organisieren – auch dieses<br />

Thema ist noch ungelöst. Psychische Erkrankungen<br />

und Traumata – gerade bei Menschen mit Migrationshintergrund<br />

und mangelnden Deutschkenntnissen,<br />

erfordern professionelle Hilfe, um Spätfolgen,<br />

wie Suchterkrankungen, Verhaltensstörungen und<br />

Suizide zu verhindern.<br />

<strong>SMZ</strong> INFO FRÜHJAHR 2<strong>01</strong>8<br />

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