SMZ Liebenau Info 01_2018
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
GESUNDHEITSFÖRDERUNG<br />
Musik und soziale Integration<br />
„MUSI“ & Chor an der NMS Dr. Renner<br />
VON ROLI WESP<br />
14<br />
<strong>SMZ</strong> INFO FRÜHJAHR 2<strong>01</strong>8<br />
Liebe Leser*innen,<br />
erlauben Sie mir, meinen Beitrag zum aktuellen <strong>SMZ</strong><br />
<strong>Info</strong> diesmal mit einer kleinen Geschichte zu beginnen,<br />
die sich in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts<br />
in Amerika zugetragen hat: Ein gewisser<br />
Richard Williams beschließt, aus einem Eigenheim in<br />
Long Beach nach Compton zu übersiedeln, eine zu<br />
jener Zeit verarmte und hochkriminelle Stadt südlich<br />
von Los Angeles. Ironischerweise war der Grund für<br />
diesen drastischen Schritt die Geburt seiner beiden<br />
Töchter Serena und Venus Williams. Diese Töchter<br />
werden knapp 2 Jahrzehnte später zu den erfolgreichsten<br />
Tennisspielerinnen herangereift sein, die<br />
der Tennissport jemals gesehen hat.<br />
Als ich vor mittlerweile 2 Jahren beim <strong>SMZ</strong> als Musiker<br />
zu arbeiten begann, bekam ich den Auftrag,<br />
in sogenannten Brennpunktschulen mit hohem Migrant*innenanteil<br />
Musikgruppen zu leiten, was ich bis<br />
heute mit großem Einsatz und viel Freude mache.<br />
Zurzeit arbeite ich an der NMS Dr. Renner am Grünanger<br />
und leite dort jeden Donnerstag eine allgemeine<br />
Musikgruppe und einen Chor am Freitag.<br />
Die Donnerstagsgruppe sieht ungefähr so aus: Ich<br />
packe alle Instrumente, die bei mir Zu Hause herumliegen<br />
(Bass, Gitarre, Keyboard, Schlagzeug<br />
und diverse Rhythmusgeräte) plus eine kleine Musikanlage<br />
mit Mikrofon in mein Auto und schlage in<br />
einem der Klassenzimmer auf. Dann trudeln 10-15<br />
Kinder verschiedenen Alters und aus „aller Herren<br />
Länder“ ein. Anfangs beginnen sie sich in der Regel<br />
um das Mikrofon zu streiten. Da ist zum Beispiel<br />
M. aus Afghanistan, die mit ihrer Familie vor<br />
dem Krieg geflüchtet ist und einfach gerne singt<br />
und Musik macht. Oder M. aus dem Kosovo, der<br />
selbst Songtexte schreibt, viel Musik hört und ein<br />
hervorragender Tänzer ist. Oder auch F., ein Kind<br />
mit einer doch sehr ausgeprägten Aufmerksamkeitsstörung,<br />
der einfach nur gern Teil der Gruppe<br />
ist und meistens mit mir am Klavier sitzt und sich<br />
an den Tasten „vergreift“. Die Herausforderung ist<br />
nun, in diese chaotische Runde in irgendeiner Form<br />
Ordnung zu bringen und zwar ohne autoritär aufzutreten.<br />
Weil Autorität meiner Meinung nach in der<br />
Musik wenig bis nichts zu suchen hat. Ein Spagat,<br />
der einiges an Dehnübungen braucht und schwer<br />
zu bewerkstelligen ist. Meine Strategie war von Anfang<br />
an der Wechsel der Perspektive. Ich habe versucht,<br />
mich in die Kinder hineinzudenken und den<br />
zugegebenermaßen gefährlichen Schritt getan, sie<br />
mit Autorität auszustatten und sie gefragt, wie sie<br />
diese eineinhalb Stunden gestalten wollen, welche<br />
Songs sie erarbeiten wollen.<br />
Die Vorteile dieser Methode liegen auf der Hand: Die<br />
Kinder sind mit viel mehr Enthusiasmus bei der Sache,<br />
da wir an Songs arbeiten, die aus ihrer Lebenswelt<br />
stammen und nicht aus der Realität eines alternden<br />
Musiklehrers, der versucht, Werte aus einer<br />
längst vergangenen Zeit ins Heute hinüberzuretten.<br />
Die gerade in der Musik so wichtigen Erfolgserlebnisse<br />
stellen sich damit viel früher ein, da die Melodien<br />
ja schon in ihren Köpfen sind. Auch für mich<br />
ist es spannender, da ich eben nicht nach „Schema<br />
F“ vorgehen kann. Abgesehen davon lerne ich<br />
jede Menge neuer Songs kennen, die ich sonst<br />
wahrscheinlich nie gespielt hätte. Eine klassische<br />
Win-win-Situation also!<br />
Die Chorgruppe am Freitag funktioniert im Prinzip<br />
genau gleich, nur dass hier ohne Instrumente gearbeitet<br />
wird. Letztendlich läuft alles darauf hinaus,<br />
dass wir beim Sommerfest im Juni unseren ersten<br />
Auftritt absolvieren werden. Hier plane ich, beide<br />
Gruppen zu verbinden, indem der Chor die jeweiligen<br />
Refrains der Songs von der Musikgruppe am<br />
Donnerstag mitsingt. Das wird ein Riesen-Happening,<br />
auf das ich mich schon sehr freue. Für die Kinder<br />
ist es, glaube ich, auch sehr wichtig, dass es<br />
eine Möglichkeit gibt, die eingeübten Songs einmal<br />
vor Publikum zu spielen.