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BAUEN IN BHUTAN - bei bsr bürgi schärer raaflaub architekten sia ag

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<strong>BAUEN</strong> <strong>IN</strong> <strong>BHUTAN</strong><br />

16 ARCHITEKTUR-TRADITION Hanspeter Bürgi<br />

20 HANDARBEIT MIT BETON Heinrich Schnetzer<br />

23 HOLZBAUKUNST Wolfram Kübler<br />

NR. 38 17. SEPTEMBER 2010


16 | <strong>BAUEN</strong> <strong>IN</strong> <strong>BHUTAN</strong> TEC21 38 / 2010<br />

ARCHITEKTUR-TRADITION<br />

Titelbild<br />

Dorfbewohner stampfen eine Lehmwand<br />

<strong>bei</strong> Punakha (Fotos: Autor)<br />

<strong>BHUTAN</strong><br />

Bhutan, mit der Hauptstadt Thimphu, liegt am<br />

Südhang des Himalaja. Im Norden ist es begrenzt<br />

durch Tibet/China, im Süden durch Indien.<br />

Über 80 % des 38 400 km 2 grossen Landes<br />

(Schweiz 41 200 km 2 ) liegen auf über 2000 m<br />

Höhe. 7.8 % des Landes sind landwirtscha�lich<br />

genutzt, 72.5 % sind bewaldet. Land- und Forstwirtscha�<br />

sind neben dem Tourismus und dem<br />

Verkauf von Wasserkra� die wichtigsten Wirtscha�szweige.<br />

Das Land ist heute eine demokratisch-konstitutionelle<br />

Monarchie. 12<br />

Die Zusammenar<strong>bei</strong>t mit Österreich und der<br />

Schweiz ist unter allen Ländern Europas, die<br />

Entwicklungshilfe in Bhutan leisten, besonders<br />

hervorzuheben. Beide Länder stehen für eine<br />

<strong>bei</strong>spielha�e Entwicklungskooperation, da sie<br />

vor dem Hintergrund ähnlicher topografischer<br />

Verhältnisse prädestiniert sind, optimale Lösungen<br />

für Bhutans Probleme zu entwickeln. Die<br />

Zusammenar<strong>bei</strong>t zwischen Bhutan und der<br />

Schweiz gründet auf einer privaten Initiative<br />

aus den 1960er-Jahren, die 1975 von Helvetas<br />

ausgebaut und in Kooperation mit der Direktion<br />

für Entwicklung und Zusammenar<strong>bei</strong>t (DEZA)<br />

weitergeführt wird. Die Schwerpunkte: Infrastruktur<br />

und ländliche Entwicklung, nachhaltiges<br />

Man<strong>ag</strong>ement natürlicher Ressourcen, Bildung<br />

und Kultur, Zivilgesellscha� und Staat.<br />

www.bhutan.gov.bt; www.helvetas.org<br />

FORSCHUNG HSLU<br />

Im Forschungsprojekt «Klima und Komfort –<br />

Energie und Gebäude» werden am Kompetenzzentrum<br />

Material Struktur und Energie in Architektur<br />

(CC MSE A) der Hochschule Luzern – Technik<br />

& Architektur die Auswirkungen kli matischer<br />

Einflüsse auf und die veränderten Komfortansprüche<br />

an die Gebäudehülle und die Gebäudetechnik<br />

am Fall<strong>bei</strong>spiel von Bhutan untersucht.<br />

Da<strong>bei</strong> sollen prototypische Erkenntnisse auf<br />

weitere Gebiete mit ähnlichen Ausgangs l<strong>ag</strong>en<br />

ausgedehnt werden. Eine di�erenzierte Betrachtung<br />

des Komfortbegri�s ist auch im europäischen<br />

und speziell im schweizerischen Kontext<br />

relevant. Parallel zur Forschungsar<strong>bei</strong>t<br />

werden im Herbstsemester 2010 im Rahmen des<br />

Masterstudiengangs Architektur Analysen und<br />

Projekte erar<strong>bei</strong>tet zum Thema «Ein Haus in den<br />

Alpen – ein Haus im Himalaja: Weiterbauen in<br />

unterschiedlichen kulturellen Kontexten mit dem<br />

Fokusbereich Energie».<br />

www.hslu.ch; www.master-architektur.ch<br />

Bhutan will sein reiches Kulturerbe erhalten. Strenge Bauvorschri�en<br />

regeln heute vor allem die äussere Gestaltung der Neubauten, die ein traditionelles<br />

Bild wiedergeben sollen. Doch weder der von indischen Vorbildern<br />

übernommene «günstige» Betonskelettbau noch der aus der heimischen<br />

konstruktiven Tradition adaptierte «teure» Holzbau scheinen die Architektur<br />

in Bhutan nachhaltig positiv zu beeinflussen. Eine neue regionale Architekturkultur<br />

muss gefunden werden.<br />

Ein gleichmässiges Stampfen, dazu entspanntes Geplauder und monotones Singen. Ein Ge-<br />

meinschaftswerk entsteht. In einem abgelegenen Tal im Westen Bhutans ar<strong>bei</strong>tet eine Bauern-<br />

familie mit Hilfe der Nachbarn an ihrem Haus. Der Bauplatz ist sorgfältig ausgewählt, rituell<br />

gereinigt, ausgesteckt, die Steinfundamente sind gesetzt, eine Stampflehmwand wächst<br />

Schicht um Schicht empor. Haustypologie, Konstruktionsweise und Baumethode entspre-<br />

chen der Tradition. Über Generationen hat sich eine lokale Baukultur aus dem klimatischen<br />

und kulturellen Kontext und den Bedürfnissen der Menschen entwickelt. Das Baumaterial –<br />

Erde, Stein, Holz – ist vor Ort verfügbar, ebenso das handwerkliche Können.<br />

Szenenwechsel: Ein gleichmässiges Kratzen, dazwischen ein Hämmern. Schweigend wer-<br />

den Kies und Sand gemischt, werden dicke Armierungseisen mit einem grossen Hammer<br />

getrennt. In der Talsohle <strong>bei</strong> Wangdu Phodrang, einem Bezirkshauptort im Westen Bhutans,<br />

entsteht unterhalb der Klosterburg aus dem 16. Jahrhundert eine neue Stadt. Innerhalb<br />

eines schachbrettartigen Masterplans ziehen indische Ar<strong>bei</strong>tskräfte drei- bis viergeschos-<br />

sige Stahlbetonskelette hoch und mauern diese mit Backsteinen aus.<br />

KULTURERBE UND «GROSS NATIONAL HAPP<strong>IN</strong>ESS»<br />

Bhutan ist in Bewegung. Das kleine Land (vgl. Kasten links), zwischen China und Indien<br />

am Nordhang des Himalajas gelegen, verfolgt seit Jahren einen dezidierten Kurs zwischen<br />

Erhalt und Stärkung der kulturellen Identität einerseits und einer sanften Öffnung und Inter-<br />

nationalisierung andererseits. Vor mehr als 30 Jahren hat der damalige König Jigme Singye<br />

Wangchuk dem Begriff des Bruttosozialprodukts (GDP, Gross Domestic Product) sein<br />

Konzept des GNH (Gross National Happiness) entgegengesetzt. 1 Die auf buddhistischen<br />

Idealen aufbauende Philosophie versucht Glück als Gleichgewicht von spirituellen und<br />

materiellen Bedürfnissen zu verstehen und baut auf nachhaltige und gerechte Entwicklung,<br />

Erhaltung und Förderung kultureller Werte, Schutz der Natur und gute Regierungsführung.<br />

Das ausserordentlich reiche Kulturerbe zeigt sich auch in der traditionellen bhutanischen<br />

Architektur. Die Faszination liegt im charakteristischen Umgang mit der Topografie und der<br />

unverkennbaren Typologie der Bauten. Wenige kraftvolle Bautypen prägen das Bild dieses<br />

Landes, das sich über mehrere Klimazonen erstreckt. In den nördlichen Hochtälern des<br />

Himalajas sind halbnomadisierende Lebensweisen der Layapas oder der Brokpas mit ihren<br />

kargen Steinbehausungen vorherrschend. Die traditionellen Bauten ganz im Süden passen<br />

sich dem subtropischen Klima an und widerspiegeln die hinduistische Lebensweise der vor<br />

Generationen eingewanderten Lhotshampas, wo<strong>bei</strong> das politische Zentrum heute das archi-<br />

tektonische Gesicht auch im Süden bestimmt. In den Tälern der mittleren Landesteile, mit<br />

mildem Monsunklima zwischen 1000 und 4000 m ü. M. gelegen, überwiegen die buddhis-<br />

tischen Einflüsse der Drukpas. Dank einer verstärkten Reichs einigung entwickelte sich<br />

dieses Gebiet seit dem 17. Jahrhundert zum kulturellen, wirtschaftlichen, politischen und<br />

religiösen Zentrum. Klosterburgen (dzong) thronen an strategisch wichtigen Stellen in den<br />

Haupttälern. Unzählige Tempel (lhakang) und Klöster (gompa) finden sich an sorgfältig<br />

ausgewählten Orten. Bauernhäuser (gung chim), einzeln oder in kleinen Gruppen, stehen


01<br />

01 Ein traditionelles Bauernhaus im Paro-Tal,<br />

eingebettet in die Landscha�<br />

verstreut zwischen Ackerfeldern. Immer wieder markieren buddhistische Stupas (chörten)<br />

und Gebetsmauern (mani) Wegpunkte, und technisch perfekte Auslegebrücken (basa) oder<br />

Kettenbrücken (zam) ermöglichen die Flussübergänge im steilen Gelände. 2<br />

KLOSTERBURG UND BAUERNHAUS<br />

In ihrer Bedeutung sind bhutanische Klosterburgen den europäischen Festungen des Mittel-<br />

alters ähnlich. Doch im Gegensatz zum musealen Charakter heutiger Schlösser und Burgen in<br />

der Schweiz bilden die Klosterburgen in Bhutan weiterhin die politischen und religiösen Zent-<br />

ren. Im gleichen baulichen Komplex wird einerseits klösterliches Leben praktiziert, andererseits<br />

ist es der Administrations- und Gerichtsort des Bezirks. Das Klosterburgen-System als admi-<br />

nistrative Struktur wurde bereits im 12. Jahrhundert aus Tibet eingeführt. Viele der heutigen<br />

Klosterburgen entstanden im 17. Jahrhundert, als Shabdrung Ngawang Namgey das Land<br />

einte. Damit setzte ein Prozess von kultureller Erneuerung und gleichzeitig verstärkter natio-<br />

naler Identität ein. Innerhalb eines vorgegebenen Spielraums von Bauvolumen, Raumbezie-<br />

hungen, architektonischen Elementen und Symbolen wurden die Klosterburgen den jeweiligen<br />

Gegebenheiten und Bedürfnissen angepasst. Für die Klosterburg in Thimphu bedeutete dies in<br />

den 1960er-Jahren mit dem Ausbau zum Regierungs- und Adminis trationsgebäude der Haupt-<br />

stadt eine grossmassstäbliche Erneuerung. Im Punakha-dzong (Abb. 6, Seite 13) werden seit<br />

mehr als 20 Jahren die Tempel sorgfältig restauriert, aber auch aus-, um- und neu gebaut. Das<br />

komplexe Raumgefüge wird noch dichter; räumliche Hierarchien und Bezüge verl<strong>ag</strong>ern sich<br />

vom traditionellen Mittelturm (utse) zu einer neuen Balance innerhalb der Gesamtanl<strong>ag</strong>e.<br />

Im südwestlichen Distrikt Chuka wird zurzeit sogar ein Neubau einer Klosterburg in der tradi-<br />

tionellen Formensprache und mit möglichst hoher Konstruktions- und Materialechtheit erstellt.<br />

Die politisch-religiöse Architektur der Klosterburgen steht in einer interessanten Wechsel-<br />

beziehung zur Wohnarchitektur der verstreut liegenden Bauernhäuser. Architektonische<br />

Kohärenz, Wechselwirkung und Harmonie zwischen den <strong>bei</strong>den Bautypen bilden eine ge-<br />

schichtliche Konstante im Kreislauf architektonischer Erneuerungen. 3 Typische Konstruk tions-<br />

weisen – wie die massiven Bruchsteinmauern, die leicht wirkenden Holzkonstruktionen der op-<br />

tisch schwebenden Dächer, die auskr<strong>ag</strong>enden Holzfachwerkwände und Dachvorsprünge<br />

(ekra, rabsel) oder Bauelemente wie Türen und Fenster – sind in vergleichbarer Weise ausge-


18 | <strong>BAUEN</strong> <strong>IN</strong> <strong>BHUTAN</strong> TEC21 38 / 2010<br />

02<br />

03<br />

04<br />

02 Auf der Suche nach Form und Inhalt in Thimphu:<br />

Die neuen Betonskelettbauten nach<br />

indischen Vorbildern<br />

03–04 Betonguss als vorgetäuschte<br />

Holzkonstruktion in Wangdu Phodrang<br />

05 Wohnhäuser in Lehmbauweise am Natural<br />

Ressources Training Institute (NRTI) Lobesa<br />

06 Auditorium, Administration und Sport- und<br />

Versammlungshalle am Paro College<br />

bildet. 4 Das traditionelle Architekturvokabular lässt da<strong>bei</strong> eine erstaunlich grosse Vielfalt in der<br />

Einheit zu und re<strong>ag</strong>iert gleichzeitig auf unterschiedliche Funktionen und Nutzungs ansprüche<br />

ebenso wie auf topografische Besonderheiten. In der Grundtypologie bestehen Bauern-<br />

häuser aus einem Sockel aus Bruchstein oder Lehm. Das Sockelgeschoss wird für Tiere, als<br />

L<strong>ag</strong>erraum und zuweilen als zusätzlicher Schlafraum genutzt. Im Obergeschoss befindet sich<br />

als zentraler Raum die Küche, dazu ein L<strong>ag</strong>erraum, ein Altarraum und ein weiterer Schlaf-<br />

raum. Unter dem ausladenden und offenen Dach aus Holzschindeln, Stein oder Wellblech<br />

werden Vorräte getrocknet und aufbewahrt. Die hybride Massiv- und Leichtbaukonstruk tion<br />

erlaubt mehrstöckige Bauweisen. In den Streusiedlungen stehen die einzelnen Bauernhäuser<br />

und die religiösen Bauten in einer aufeinander subtil abgestimmten Raumordnung.<br />

URBANISIERUNG GEMÄSS <strong>IN</strong>DISCHEM VORBILD<br />

Mit der kontinuierlichen Öffnung des Landes seit den 1960er-Jahren nimmt der Einfluss neuer<br />

Denkweisen zu. Indien wird zum starken Partner einer modernen Entwicklung. Auch die<br />

schweizerische Entwicklungszusammenar<strong>bei</strong>t ist seit über 50 Jahren in Bhutan aktiv (vgl.<br />

Kasten S. 16). Bis in die frühen 1970er-Jahre war Bhutan eine reine Agrargesellschaft, nun<br />

beginnt eine gewisse Urbanisierung. Siedlungskonzepte versuchen, in der Hauptstadt Thim-<br />

phu die Nachfr<strong>ag</strong>e nach Wohnungen, Dienstleistungsbauten und notwendiger Infrastruktur<br />

zu lösen. 5 Allmählich werden die traditionellen Bauweisen durch indische Bautypologien und<br />

Standards verdrängt. In den letzten 20 Jahren entstanden massenweise mehrstöckige Be-<br />

tonskelettkonstruktionen (Abb. 2), überzogen mit einem bhutanischen Zuckerguss (den heu-<br />

te in Beton gegossenen und bemalten Verzierungen, die traditionelle Holzkonstruktionen<br />

nachbilden; Abb. 3 und 4), scheinbar planlos ausufernd. Bald werden die letzten der in den<br />

1980er-Jahren in traditionellem Stil erstellten zweistöckigen Geschäftsbauten entlang der<br />

Hauptstrasse Norzim Lam durch fünfstöckige Bauten ersetzt. Die Bauvorschriften 6 zur Erhal-<br />

tung einer bhutanischen Archi tekturkultur bleiben meist kraftlos, weil sie sich einzig auf ein<br />

äusseres Bild konzentrieren, unabhängig von Massstab, Nutzung, Material, Konstruktion<br />

oder Baumethode.<br />

NRTI LOBESA UND PARO COLLEGE OF EDUCATION<br />

Einen anderen Weg hat Helvetas in verschiedenen Infrastrukturprojekten eingeschl<strong>ag</strong>en.<br />

Obschon die Bauten (untergeordneter) Teil eines Programms zur Ausbildung landwirtschaft-<br />

licher Berater in Lobesa sowie Primar- und Sekundarlehrkräfte in Paro sind, müssen sie einer<br />

kritischen architektonischen Reflexion standhalten. Im Natural Ressources Trainig Institute<br />

(NRTI) Lobesa 7 entstand in den 1990er-Jahren, finanziert durch die DEZA, ein grosser<br />

Schulkomplex mit Klassenräumen, Verwaltung und Unterkünften sowie einer Wohnsiedlung<br />

für Mitar<strong>bei</strong>tende (Abb. 5). Der akademische Teil wurde analog einer räumlichen Abfolge<br />

und in der Typologie einer Klosterburg, der Wohnteil in Analogie zum bhutanischen Bauern-<br />

haus weitgehend mit traditionellen Materialien und Konstruktionen ausgeführt. Die Logik aus<br />

der Kleinteiligkeit des Stützenrasters oder der Fensterteilung führt allerdings in Schulräumen<br />

teilweise zu unbefriedigenden Nutzungssituationen. Einzelne, später von den Nutzern aussen<br />

angebrachte Klim<strong>ag</strong>eräte deuten auf einen ungelösten Konflikt zwischen der gewählten<br />

Bauweise und modernen Bedürfnissen, und sie zeugen von mangelnder Sensibilisierung,<br />

die technischen Fr<strong>ag</strong>en auch gestalterisch-konstruktiv zu lösen.<br />

In Ergänzung zu einem bestehenden Schulkomplex in Paro haben die DEZA und Helvetas<br />

Mitte der 1990er-Jahre einen ersten und zwischen 2001 und 2009 einen zweiten Ausbau-<br />

schritt der Schule geplant und ausgeführt (Abb. 6). 8/9 Ausgehend von der gleichen Grund-<br />

philo sophie wie in Lobesa entstanden Schul- und Administrationsgebäude, Wohnbauten,<br />

ein Auditorium und eine Bibliothek sowie eine grosse Sport- und Versammlungshalle. Durch<br />

technische und komfortmässige Optimierungen – wie Beton- und Holzstrukturen, die grös-<br />

sere statische Spannweiten ermöglichen, Wärmedämmungen <strong>bei</strong> Fenstern und an der<br />

Gebäudehülle, elektrische Zentralheizung in einzelnen Gebäuden – wurden die Bauten<br />

verbessert und die Bedürfnisse der Nutzerschaft gut umgesetzt. Das recht harmonische


05 06<br />

Anmerkungen<br />

1 Society Switzerland-Bhutan (Hg.): Far apart<br />

and close together, Bhutan and Switzerland –<br />

Partners in Development since 1950. Weinfelden,<br />

2008<br />

2 Department of Works, Housing and Roads (Hg.):<br />

An Introduction to Traditional Architecture of<br />

Bhutan. Thimphu, 1993<br />

3 Marc Dujardin: «Von der Festung zum Bauernhof:<br />

eine lebendige Architektur», in: Christian<br />

Schicklgruber & Françoise Pommaret (Hg):<br />

Bhutan. Festung der Götter. Wien, Museum für<br />

Völkerkunde, 1997, und Basel, Serinda Publications,<br />

London, Museum der Kulturen 1998<br />

4 Chang Dorji: Clear Exposition of Bhutanese<br />

Architecture. Thimphu, 2004<br />

5 Geley Norbu: Thimphu, Then and Now. Thimphu,<br />

Galing Printers and Publishers, 2008<br />

6 Dep. of Urban Development and Housing (Hg.):<br />

Traditional Architecture Guidelines. Thimphu, 2001<br />

7 Royal Government of Bhutan/Helvetas (Hg.):<br />

NRTI Lobesa, Project Documentation Academic<br />

and Sta� Housing. Thimphu, 1989/1991<br />

8 Royal Government of Bhutan/Helvetas (Hg.):<br />

Teacher Training College, TTC Construction<br />

Phase 3, Paro – Bhutan, Project Documentation.<br />

Thimphu, 1992<br />

9 Royal Government of Bhutan/Helvetas (Hg.): National<br />

Institute of Education (NIE), Paro/Samtse,<br />

Bhutan, Infrastructure Master Plan. Thimphu, 2001<br />

10 Ingun Bruskeland Amundsen: On Sacred Architecture<br />

and the Dzongs of Bhutan, Tradition<br />

and Transition in the Architectural History of the<br />

Himalayas. Oslo, School of Architecture, 2003<br />

11 vgl. Kasten S. 16, Forschung Hochschule<br />

Luzern<br />

12 Lily Wangchhuk: Facts about Bhutan, the Land<br />

of the Thunder Dr<strong>ag</strong>on. Thimphu, 2008<br />

Gesamtbild lässt jedoch die Fr<strong>ag</strong>e nach Form und Inhalt weiter offen. Gleichzeitig muss<br />

auch festgestellt werden, dass der wünschenswerte Transfer von planerischem und hand-<br />

werklichem Wissen und Können wenig Wirkung zeigt und damit eine kreative Weiterentwick-<br />

lung der Architekturkultur (noch) nicht wirklich stattfindet.<br />

REGIONALE ARCHITEKTURKULTUR<br />

Keiner der <strong>bei</strong>den Ansätze für neue urbane Bauaufgaben – der von indischen Vorbildern<br />

übernommene «günstige» Betonskelettbau wie auch der aus einer heimischen konstruktiven<br />

Tradition adaptierte «teure» Holzbau, wie ihn Helvetas und andere Institutionen vertreten –<br />

scheint die Architektur in Bhutan nachhaltig positiv zu beeinflussen. Da bleibt ein Modell, das<br />

kurzfristig tiefe Baukosten (und schnelle Gewinne) anstrebt und da<strong>bei</strong> längerfristige Perspek-<br />

tiven wie Betrieb, Unterhalt sowie soziale und kulturelle Auswirkungen ausblendet, ebenso<br />

erfolglos wie ein Konzept, das in der analogen und traditionellen Konstruktions- und Formen-<br />

sprache erstarrt. Problematisch wirken sich die auf einer im wahrsten Sinne oberflächlichen<br />

Ebene gedachten Richtlinien aus, die ein traditionelles architektonisches Bild als für das<br />

ganze Land gültiger «Nationalstil» erhalten wollen. 10 Damit die reiche bhutanische Kultur nicht<br />

zur reinen Folklore verkommt, braucht es grundlegende Veränderungen und neue Ideen.<br />

Da<strong>bei</strong> sind globale Herausforderungen, wie Klimawandel und Ressourcenknappheit, ebenso<br />

einzubeziehen wie der Anspruch an heutigen Komfort. Denn auch Bhutanerinnen und Bhuta-<br />

ner wünschen sich beh<strong>ag</strong>liche Innenräume, was logischerweise gut gedämmte Gebäude-<br />

hüllen und effiziente Heizungen erfordert; also weniger Elektroheizöfen, dafür aber <strong>bei</strong>spiels-<br />

weise mehr solare Warmwasseraufbereitungen als integrale Bestandteile eines Hauses. 11 Die<br />

Vision der «Gross National Happiness» – in der Verbindung von nachhaltiger und kultureller<br />

Entwicklung – müsste konsequent und ehrlich nach einer regionalen Architektursprache<br />

suchen. Sie sollte nach Grundprinzipien der traditionellen Bautypologie forschen, diese mit<br />

heutigen Bedürfnissen verbinden und mit angepassten Baumethoden und nachhaltigen<br />

Baumaterialien umsetzen. Also Stampflehm und Stahlbeton, Tradition und Moderne klug<br />

verbinden. Jedoch nicht ausschliesslich in einem technokratischen Sinne, sondern mit<br />

hohem Respekt vor der Bedeutung der Bauten im religiösen, kulturellen und lokalen Kontext –<br />

und im ständigen Prozess der (kulturellen) Erneuerung.<br />

Hanspeter Bürgi, dipl. Architekt ETH SIA FSU, Nadel ETH, Partner <strong>bei</strong> BSR Bürgi Schärer Raaflaub<br />

Architekten <strong>sia</strong> AG in Bern und Dozent an der Hochschule Luzern – Technik & Architektur, ar<strong>bei</strong>tet seit<br />

1991/92 an verschiedenen Projekten in Bhutan. hanspeter.buergi@hslu.ch


20 | <strong>BAUEN</strong> <strong>IN</strong> <strong>BHUTAN</strong> TEC21 38 / 2010<br />

HANDARBEIT MIT BETON<br />

AM BAU BETEILIGTE<br />

Bauherrscha�: Royal Government of Bhutan &<br />

Helvetas Bhutan<br />

Tr<strong>ag</strong>werksplaner und Baubegleitung: WGG<br />

Schnetzer Puskas Ingenieure AG, H. Schnetzer<br />

Bauunternehmer: Joint Venture S.P. Malik<br />

Kalkutta (Indien) & Singye Construction,<br />

Thimphu (Bhutan), J. M. Kapoor<br />

Bauleitung: Helvetas Bhutan, Johannes Pfa�en<br />

& Ministry of Communication Bhutan, Road<br />

Bridge section, Phuntso Wangdi<br />

TERM<strong>IN</strong>E UND KENNZAHLEN<br />

Baubeginn: 2000<br />

Fertigstellung: 2002<br />

Brückenlänge: 120 m<br />

Bogenspannweite: 96 m<br />

Pfeilhöhe: 11.16 m<br />

Pfeilverhältnis: 1/8.6<br />

Brückenbreite: 8.8 m (Fahrbahn: 6.4 m,<br />

Gehwege: 2 × 1.2 m)<br />

Beton: 978 m 3<br />

Betonstahl: 126 t<br />

Baustahl: 106 t<br />

Gesamtkosten: 2.2 Mio. Fr.<br />

Die Hauptverkehrsachse im Landesinnern von Bhutan führt über eine der<br />

wichtigsten Flussüberquerungen. Sie wurde durch eine Notbrücke sichergestellt.<br />

Weil Hochwasser sie mehrfach einrissen, musste sie ersetzt werden.<br />

Die Ingenieure von Schnetzer Puskas entwickelten für die neue Brücke eine<br />

auf Umfeld und traditionelle Bauweise zugeschnittene Tr<strong>ag</strong>konstruktion aus<br />

Beton, die ohne moderne Baugeräte realisiert werden konnte.<br />

Das Königreich Bhutan liegt etwa 1000 km nördlich der Indischen Metropole Kalkutta inmitten<br />

des Himalaya. Die von Nord nach Süd verlaufenden Täler strecken sich von der 200 m ü. M.<br />

liegenden Ebene des Brahmaputra bis hin zu den 7500 m hohen Berggipfeln an der tibe-<br />

tischen Grenze. Der im Landesinneren verlaufende «West-Ost-Highway» führt über die<br />

3000 m hohen Pässe und die Flüsse der tief eingeschnittenen Täler – da<strong>bei</strong> muss man sich<br />

vorstellen, dass dieser Highway vom Ausbaustandard her nicht einmal einer Schweizer<br />

Landstrasse entspricht. Die alte Bailey-Brücke über den Puna Tsang Chhu musste dringend<br />

ersetzt werden. Das Projekt dafür wurde im Rahmen eines Brückenwettbewerbs, den das<br />

Swiss Resource Centre and Consultancies for Development (Skat) im Auftr<strong>ag</strong> der Helvetas<br />

durchführte, entwickelt. Drei Schweizer Ingenieurbüros erhielten die Aufgabe, ein Brücken-<br />

projekt mit einem vorgegebenen Baustoff zu erar<strong>bei</strong>ten. Entsprechend den Vorgaben wurden<br />

eine Holzbrücke, eine Stahlbrücke und die realisierte Betonbrücke erar<strong>bei</strong>tet.<br />

HERAUSFORDERNDE RANDBED<strong>IN</strong>GUNGEN<br />

Durch die Monsunniederschläge haben die Flüsse eine ausgeprägte Jahresgangcharakte-<br />

ristik. Während der Monate Juni bis Oktober führen sie Hochwasser; Ar<strong>bei</strong>ten im Fluss sind<br />

dann nicht möglich. Ausserdem stauen Endmoränen die Gletscher im Ursprungsgebiet im-<br />

mer wieder ein und bilden Seen. Diese durchbrechen in regelmässigen Zeitabständen die<br />

Moränendämme. Die entstehenden Flutwellen zerstören flussabwärts grössere Talabschnitte<br />

(vgl. «Holzbaukunst», S. 23 ff.).<br />

Neben diesen hydrologischen Randbedingungen musste die Brücke auch im Hinblick auf<br />

die geo- und vor allem die bautechnischen Randbedingungen konzipiert werden. Die lokalen<br />

Ressourcen für den Bau von grossen Brücken sind bescheiden. Kiesvorkommen zur Herstel-<br />

lung des Betons sind kaum vorhanden. Meistens werden grosse Bollensteine mit einem<br />

Hammer direkt im Flussbett in mühsamer Handar<strong>bei</strong>t von Frauen zu Betonkies zerkleinert.<br />

Für die Betonherstellung dienen Betonmischer mit einem Fassungsvermögen von 0.5 m 3 ; be-<br />

schickt werden sie von Hand. Die Mischung wird mit einfachen Volumenmassen aus Holz<br />

zusammengestellt. Der Transport des Betons auf die Baustelle und das Einfüllen in die<br />

Schalung erfolgten mit sogenannten «Stahlpfannen», die auf dem Kopf getr<strong>ag</strong>en werden<br />

und ein Fassungsvermögen von nur zwei bis drei Schaufeln haben. Ausserdem müssen<br />

Stahlteile für Brückenträger oder für Hilfsgerüste über 1000 km auf schmalen Gebirgsstras-<br />

sen von Kalkutta antransportiert werden. Da<strong>bei</strong> erlauben die kurvenreichen Passstrassen<br />

nur eine maximale Transportlänge von 6 m.<br />

BRÜCKENKONZEPT MASSGESCHNEIDERT<br />

Um eine «High-Tech»-Brücke mit den vor Ort beschränkten Ressourcen zu bauen, bedurfte<br />

es eines entsprechenden Tr<strong>ag</strong>werkskonzepts. Es sollte, aufbauend auf den lokalen bautech-<br />

nischen Möglichkeiten, neue Erkenntnisse des Brückenbaus adaptieren und ökonomische<br />

Randbedingungen berücksichtigen.<br />

Der <strong>bei</strong>dseitig anstehende Fels und die fehlenden bautechnischen Möglichkeiten, die eine<br />

Pfeilerfundation im Fluss verunmöglichten, verlangten eine grosse Hauptspannweite, einen<br />

ausreichend grossen Abflussquerschnitt und eine uferseitige Brückenfundation. Aufgrund


TEC21 38 / 2010<br />

01<br />

02<br />

03<br />

01 Fotomont<strong>ag</strong>e mit der neuen Betonbrücke<br />

02 Längsschnitt: Um die Höhe der Gerüsttürme<br />

zu minimieren und den Anschluss an die bestehenden<br />

Zufahrtsstrassen zu gewährleisten, ist<br />

der Bogen flach ausgebildet<br />

03 Querschnitt: Die Bogenplatte (untere Platte)<br />

ist vorfabriziert; die Rippen sind aus Ortbeton;<br />

die Fahrbahnplatte besteht aus einer Verbundkonstruktion<br />

(Pläne und Fotomont<strong>ag</strong>e: WGG<br />

Schnetzer Puskas AG)<br />

<strong>BAUEN</strong> <strong>IN</strong> <strong>BHUTAN</strong> | 21<br />

der geotechnischen und der geometrischen Gegebenheiten sowie ökonomischer Überlegun-<br />

gen fiel die Wahl des Typs auf eine Bogenbrücke mit Kämpferfundamenten im anstehenden<br />

Fels der Talflanken. Wie Vergleiche an alten, in der Schweiz gebauten Brücken zeigten, sind<br />

Bogenkonstruktionen <strong>bei</strong> einem hohen Verhältnis von Material- zu Lohnkosten sehr material-<br />

ökonomisch. Ein Beispiel hierfür ist die Salginatobelbrücke von Robert Maillart. Die ökono-<br />

mischen Verhältnisse bzw. das Verhältnis Lohn- zu Materialkosten sind heute in Bhutan mit<br />

denjenigen vor etwa 80 Jahren in der Schweiz zur Blüte des Bogenbrückenbaus vergleichbar.<br />

ZEITFENSTER VON SIEBEN MONATEN<br />

Der bereits vor mehr als 200 Jahren gewählte Standort für eine traditionelle Holzbrücke war<br />

auch für die neue Bogenbrücke der geeignetste, denn Untersuchungen für alternative Brü-<br />

ckenstandorte führten nicht zum Erfolg. Aufgrund der geotechnischen Randbedingungen<br />

war an dieser Stelle jedoch eine Brückenkonstruktion mit einer relativ grossen Spannweite<br />

von etwa 100 m notwendig. Ein Brückenbau mit dieser Spannweite ist auch in der Schweiz<br />

mit ihrem hohen Stand an technischen Mitteln keine Kleinigkeit.<br />

Die Tradition des Holzbrückenbaus, aus dem der bekannte Lehrgerüstbau der Schweiz ent-<br />

stand, ist in Bhutan nicht vorhanden. Ausserdem musste wegen der Monsunniederschläge<br />

eine Bogenkonstruktion entwickelt werden, die in nur einem Halbjahr aufgebaut werden<br />

konnte. Noch vor den Mitte Juni einsetzenden Monsunniederschlägen mussten der Bogen<br />

selbsttr<strong>ag</strong>end und allfällige Hilfskonstruktionen aus dem Flussbett geräumt sein. Entspre-<br />

chend wurden Hauptar<strong>bei</strong>ten im Fluss wie Kämpferfundamente und Bogenherstellung je-<br />

weils in einem Winterhalbjahr ausgeführt. Um die kurze Bauzeit einhalten zu können, baute<br />

das Konzept für die Herstellung des Bogens auf alten, bekannten Methoden auf und wurde


22 | <strong>BAUEN</strong> <strong>IN</strong> <strong>BHUTAN</strong> TEC21 38 / 2010<br />

04<br />

05<br />

06<br />

07<br />

04 Das Lehrgerüst besteht aus Stahlträgern,<br />

die auf leichten Gerüsttürmen aufsetzten. Die<br />

vorfabrizierten Bogenplattenelemente werden<br />

auf das Gerüst versetzt und wirkten nach dem<br />

Einsetzen des letzten Elements als Druckbogen<br />

05 Die Gerüstträger aus Stahl wurden ausgebaut,<br />

sobald die Bogenrippen betoniert waren.<br />

Sie wurden als Verbundträger für die Fahrbahnplatte<br />

wiederverwendet<br />

06 Fahrbahnplatten-Elemente werden auf die<br />

Verbundträger verlegt. Parallel zur neuen Brücke<br />

steht die alte Bailey-Brücke, die während<br />

des Neubaus in Betrieb blieb<br />

07 Die neue Betonbogenbrücke mit Holzgehweg<br />

und -geländer (Fotos: Johannes Pfa�en)<br />

mit modernen Bauverfahren ergänzt, die auch in Bhutan anwendbar sind. Teile der Bogen-<br />

platte wurden vorfabriziert. Diese Betonelemente wirkten bereits nach dem Einsetzen des<br />

letzten Elements – des sogenannten Schlusssteins – als Druckbogen; dadurch wurde das<br />

Lehrgerüst – Stahlträger, die auf leichten Gerüsttürmen aufsetzten (Abb. 4) – entlastet und<br />

Tr<strong>ag</strong>reserven für weitere Lasten frei. Die U-förmig ausgebildeten Betonelemente dienten <strong>bei</strong><br />

der Vervollständigung der Betonplatte als Stirn- und Bodenschalung. Stabilisiert wurde die<br />

dünne Bogenplatte schliesslich mit den aufgesetzten Bogenrippen aus Ortbeton. Der damit<br />

einhergehende stabile Zustand wurde am Ende des siebten Monates erreicht. Die Stahlträ-<br />

ger für das Lehrgerüst wurden in Kalkutta produziert und auf die Baustelle transportiert. We-<br />

gen der Transportkosten, aber auch weil Stahl in Bhutan sehr teuer ist, wurden die Träger so<br />

ausgebildet, dass sie nach dem Bau des Bogens wieder ausgebaut und als Verbundträger<br />

für die Fahrbahnplatte verwendet werden konnten (Abb. 5). Die Träger, die Aussteifung im<br />

Bauzustand, die erforderlichen Nietlöcher und die Aufl<strong>ag</strong>erknoten der Gerüsttürme waren<br />

Teil der Planung. Nach der Demont<strong>ag</strong>e und der Ausbesserung des Korrosionsschutzes wur-<br />

den die Träger umgedreht, sodass die aufgeschweissten Stahlwinkel als Verbunddübel nach<br />

oben zu liegen kamen. Mit Flanschblechen und Nieten wurden sie an der vorgesehenen<br />

Stelle zu zwei durchlaufenden Verbundträgern zusammengebaut. Nach der Fertigstellung<br />

wurden darauf vorfabrizierte Elemente verlegt, die als Schalung für die Fahrbahnplatte<br />

dienten. Diese wurden, wie die Bogenelemente auch, auf der kleinen Produktionseinrichtung<br />

nahe der Baustelle gefertigt.<br />

ETAPPIERTER BAUABLAUF<br />

Für die Bauphase musste eine geeignete Baustelleneinrichtung gefunden werden. Am ein-<br />

fachsten konnten die Baustellentransporte mit einem Kabelkran bewerkstelligt werden – zu-<br />

mal vor zehn Jahren in Bhutan noch keine Baukräne zur Verfügung standen. Er war auf der<br />

Brückenachse installiert. Der Brückenbau erfolgte in mehreren Abschnitten: Erst wurden im<br />

Winterhalbjahr 2000 die Kämpferfundamente erstellt; im gleichen Halbjahr begann die Fer-<br />

tigteilproduktion für Bogen- und Fahrbahnplatte. Im zweiten Bauabschnitt 2001 wurde im<br />

vorgegebenen Zeitfenster von sieben Monaten der Betonbogen erstellt. Anfangs wurden die<br />

provisorischen Fundamente für die Lehrgerüsttürme in Flussmitte installiert. Dafür wurden in<br />

Drahtnetze eingeschlossene Bollensteine ins Wasser abgeteuft, bis der Sockel stark genug<br />

war, der Strömung standzuhalten. Auf die darauf betonierte Platte wurden die Gerüsttürme<br />

angeschlossen, die den Bogen jeweils in seinen Knickpunkten stützten. Um die vier Knick-<br />

punkte ausführen und die Verbundträger in den richtigen Längen einbauen zu können,<br />

montierte man auf den Gerüsttürmen vorgefertigte Zwischenstücke. Sobald das Lehrgerüst<br />

stand, konnten die Bogenelemente platziert und mit einer 2 cm dicken Mörtelfuge miteinan-<br />

der verbunden werden. Nach dem Erreichen des stabilen Zustandes wurden die Pfeiler und<br />

Widerl<strong>ag</strong>er erstellt, die Lehrgerüstträger demontiert und als Verbundträger wieder eingebaut<br />

sowie die Fahrbahnfertigteile verlegt. Im Überbeton der Fahrbahnplatte wurde als Stirnscha-<br />

lung bereits der Stahlanschluss für den Holzgehweg integriert. Geländer und Gehwegbel<strong>ag</strong><br />

aus Lärchenholz kr<strong>ag</strong>en über die eigentliche Betonkonstruktion aus. Die handgeschnitzten<br />

Holzpfosten mit dem Geländer sind Tradition in Bhutan.<br />

WISSENSTRANSFER<br />

Das Projekt zeigt, dass es möglich ist, ohne moderne Baugeräte eine grosse Brücke zu<br />

bauen – ein entsprechendes Konzept vorausgesetzt. Die Herausforderung l<strong>ag</strong> nicht nur in<br />

der ingenieurspezifischen Planung, sondern auch auf der Baustelle <strong>bei</strong> der Umsetzung.<br />

Die Zusammenar<strong>bei</strong>t der Verantwortlichen war durch eine grosse Kooperationsbereitschaft<br />

geprägt. Ein Ziel der engen Zusammenar<strong>bei</strong>t war auch, die Ingenieure der Road Bridge<br />

Division in grundlegenden Aspekten des Brückenbaus zu unterstützen und auszubilden.<br />

Heinrich Schnetzer, Dr. sc. techn., dipl. Ing. ETH, Schnetzer Puskas Ingenieure AG, Basel,<br />

h.schnetzer@schnetzerpuskas.com


TEC21 38 / 2010<br />

HOLZBAUKUNST<br />

AM BAU BETEILIGTE<br />

Bauherrscha�: Royal Government of Bhutan,<br />

Ministry of Home and Cultural A�airs<br />

Finanzierung und Gesamtleitung: Pro Bhutan<br />

e.V., Lörrach (D)<br />

Tr<strong>ag</strong>werksplanung: Walt+Galmarini AG, Zürich<br />

Projekt- und Oberbauleiter in Bhutan:<br />

Fritz Baumgartner, Thimphu, Bhutan<br />

Lokale Bauleitung: Padam Bdr. Chuwan,<br />

Thimphu, Bhutan, padam.chuwan@gmail.com<br />

Lieferung Verbindungsmittel: SFS unimarket,<br />

Rotkreuz<br />

Flussverbauung: Prof. Juerg Speerli, IBU, HSR<br />

Rapperswil<br />

Bauunternehmer: Jabab Construction, Thimphu,<br />

Bhutan<br />

Holzlieferung und Unterstützung <strong>bei</strong>m Holzeinbau:<br />

Chimi Dorji, Bajo, Wangdiphodrang; Bhutan<br />

Stahlbau: Weiss Metallverar<strong>bei</strong>tung, Unterschwarzach<br />

(D)<br />

ZEITLICHER BAUABLAUF<br />

Herbst/Winter 2006: Fällen der Bäume und<br />

Transport nach Punakha<br />

Frühjahr 2007: Fundation im Fluss und Bau<br />

Turmbodenplatte<br />

Monsun 2007: Keine Ar<strong>bei</strong>ten am Turm möglich<br />

Herbst/Winter 2007: Betonar<strong>bei</strong>ten am neuen<br />

Turm, Abbruchar<strong>bei</strong>ten auf Turmrückseite, Vorfabrikation<br />

der Portaltore, Fenster, Geländer<br />

und Dachbauteile<br />

Januar 2008: Mont<strong>ag</strong>e der Stahlbauteile und<br />

Seilbahn<br />

Februar bis Ende April 2008: Mont<strong>ag</strong>e Holzbau<br />

und Mauerwerk neuer Turm inkl. Erneuerung<br />

des alten Turmdaches<br />

Mai 2008: Fertigstellung<br />

E�ektive Gesamtbauzeit: ca. 9 Monate (ohne<br />

Bäume fällen); davon reine Mont<strong>ag</strong>e Holzbau<br />

(inkl. Dach): 3 Monate<br />

Es waren teilweise 50 Personen gleichzeitig auf<br />

der Baustelle beschä�igt; gear<strong>bei</strong>tet wurde 6½<br />

T<strong>ag</strong>e in der Woche<br />

<strong>BAUEN</strong> <strong>IN</strong> <strong>BHUTAN</strong> | 23<br />

Das «Land der friedvollen Drachen», Bhutan, ist stark vom Buddhismus<br />

geprägt, und die weltliche Geschichte lässt sich von der religiösen kaum<br />

trennen. Dies gilt auch <strong>bei</strong>m Bau einer Brücke. Nach dem Vorbild der seit<br />

Jahrhunderten im Himalaya üblichen Brückenarchitektur wurde eine<br />

zerstörte Brücke rekonstruiert – allerdings mit grösserer Spannweite<br />

und fortschrittlicher Bautechnik. Sie ist quasi ein Prototyp einer Hybridkonstruktion<br />

aus traditioneller und moderner Bauweise.<br />

Der Ort Punakha liegt auf etwa 1200 m Höhe, dort, wo sich die Flüsse Po Chu und Mo Chu<br />

(Vater- und Mutterfluss) treffen. Sie werden von den Gletschern des Himalaya gespeist. Die<br />

Klosterburg von Punakha, der sogenannte Dzong mit seinen bis zu 500 Mönchen, war seit<br />

seiner Erbauung 1637/38 während 300 Jahren Regierungssitz des Landes. Noch heute ist er<br />

als Winterresidenz des obersten Abts Bhutans und als Sitz des Distrikt-Gouverneurs eines<br />

der wichtigsten Klöster des Landes; hier werden seit 1907 alle Könige des Landes gekrönt.<br />

Eine 35 m lange hölzerne Kr<strong>ag</strong>brücke aus dem 17. Jh. führte von Punakha über den Mochhu<br />

zum Dzong. Eine verheerende Flutwelle, die durch das Bersten des natürlichen Dammes<br />

eines Gletschersees im Hochgebirge verursacht wurde, zerstörte 1968 das Tr<strong>ag</strong>werk und<br />

einen der <strong>bei</strong>den Brückentürme. Zudem verbreiterte sich das Flussbett durch dieses Ereig-<br />

nis um 20 m. Verloren ging die Brücke selbst und mit ihr ein wichtiger architektonischer<br />

und funktionaler Teil des Gebäudeensembles «Dzong»: Bei vielen religiösen Festen gab es<br />

prächtige Prozessionen über die Brücke – diese kulturelle Tradition war jäh abgebrochen.<br />

TRAGWERK ALS KOMB<strong>IN</strong>ATION AUS KRAG- UND BOGENBRÜCKE<br />

Vorerst galt es die Bauweise eines traditionellen «Bazaam» – so der bhutanische Ausdruck<br />

für eine überdachte Holz-Kr<strong>ag</strong>brücke – zu studieren, vor allem eines «Bazaam» mit einer so<br />

grossen freien Spannweite. Infolge der Flussbettverbreiterung betrug die Kr<strong>ag</strong>brückenspann-<br />

weite neu 55 m statt 35 m wie <strong>bei</strong> der Originalbrücke. Der seit mehr als 15 Jahren vor Ort täti-<br />

ge Schweizer Architekt Fritz Baumgartner entwarf nach eingehenden Studien alter Brücken<br />

und den wenigen Überlieferungen in einem mehrstufigen Entwicklungsprozess zusammen<br />

mit dem Ingenieurbüro Walt + Galmarini die letztlich realisierte Variante.<br />

Ursprünglich war eine einfache traditionelle Kr<strong>ag</strong>brücke vorgesehen. Die typische Gestalt<br />

mit zwei Kr<strong>ag</strong>armen und einem verbindenden Mittelstück hat ihren Ursprung in Baumstäm-<br />

men, die an Flussufern oder an Schluchten mit Steinen beschwert wurden und von dort ins<br />

Freie r<strong>ag</strong>ten. Je grösser die Spannweiten, desto mehr Gegengewicht war nötig. Daraus ent-<br />

wickelten sich die Aufl<strong>ag</strong>ertürme, die immer grösser wurden und <strong>bei</strong> wichtigen Brücken zur<br />

Kontrolle auch bewohnt waren. Die verfügbaren Balkengrössen setzten allerdings natürliche<br />

Grenzen: Maximal 30 m konnten mit dieser Technik überspannt werden.<br />

Erste einfache Handrechnungen ergaben, dass der Bauzustand mit 20 m Auskr<strong>ag</strong>ung selbst<br />

mit vernünftiger Schubverschraubung der Balkenl<strong>ag</strong>en untereinander extrem grosse und<br />

gut wahrnehmbare Verformungen zur Folge gehabt hätte und auch die Tr<strong>ag</strong>fähigkeit im Bau-<br />

zustand bereits überschritten worden wäre. Das traditionelle Konstruktionsprinzip solcher<br />

Kr<strong>ag</strong>brücken konnte darum zwar für das neue Tr<strong>ag</strong>werk weitgehend übernommen werden,<br />

das statische System musste aber für die Bauzustände angepasst werden. Zusätzliche<br />

Randbedingungen für das Tr<strong>ag</strong>werk waren ein setzungsunempfindliches System im End-<br />

zustand, aus Kostengründen ein minimierter Verbrauch von Beton und Bewehrung, das<br />

Erreichen einer hohen Dauerhaftigkeit mit konstruktiven Holzschutz und die Aufl<strong>ag</strong>e, Stahl-<br />

teile wenn, dann nur nach eingehender Begründung und auf jeden Fall nicht sichtbar<br />

einzusetzen.


24 | <strong>BAUEN</strong> <strong>IN</strong> <strong>BHUTAN</strong> TEC21 38 / 2010<br />

01<br />

02<br />

03<br />

04<br />

01 Nach der Trocknung wurden die Balken auf<br />

den endgültigen Querschnitt zugehauen<br />

(Fotos: Fritz Baumgartner)<br />

02 Einbau der vierten Balkenl<strong>ag</strong>e<br />

03 Vierte Balkenl<strong>ag</strong>e mit Längsstoss: Die verzahnten<br />

Querbalken dienen der horizontalen<br />

Stabilisierung. Die Gewindestangen sind links<br />

und rechts des Balkenpakets sichtbar<br />

04 Blick von der Bazam-Brücke Richtung Punakha<br />

Dzong<br />

05 Längsschnitt: Links der neue Turm, dessen<br />

Bodenplatte auf vorgefertigten Betonrohren<br />

steht; rechts der alte Turm mit neuem Fundament<br />

ausserhalb der bestehenden Turmstruktur<br />

(Plan: Fritz Baumgartner)<br />

06 Die neue «Pro Bhutan»-Brücke ersetzte<br />

2007 die alte Stahlbrücke, die fast 40 Jahre als<br />

Provisorium bestand<br />

05<br />

Das Tr<strong>ag</strong>werkskonzept sieht ein Mischsystem aus zwei Kr<strong>ag</strong>balken mit Einhängeträger und<br />

gewisser Bogenwirkung im Endzustand vor. Die Kr<strong>ag</strong>armspitze der untersten Balkenl<strong>ag</strong>en<br />

wurden mit einem Querbalken und Zugstangen aus Stahl nach dem Prinzip einer Schräg-<br />

kabelbrücke zur Mont<strong>ag</strong>e der weiteren L<strong>ag</strong>en unterstützt (Abb. 2). Diese Abspannungen<br />

verbessern zudem das Tr<strong>ag</strong>verhalten <strong>bei</strong> asymmetrischen Lasten sowie unterschiedlichen<br />

Setzungen und verringern die Verformungen während der Mont<strong>ag</strong>e im Freivorbau.<br />

Um in Querrichtung eine ausreichende Steifigkeit zu erhalten, wurde der Übergang von den<br />

Kr<strong>ag</strong>armspitzen zum Mittelbalken so ausgebildet, dass Normalkräfte übertr<strong>ag</strong>en werden<br />

können. So ergab sich im horizontalen System ein <strong>bei</strong>dseitig eingespannter Balken. Die<br />

horizontalen Auslenkungen infolge Windeinwirkungen konnten auf diese Weise begrenzt<br />

werden. Durch eine di<strong>ag</strong>onal verlaufende und gen<strong>ag</strong>elte Bretterschalung auf der obersten<br />

Balkenl<strong>ag</strong>e wird die erforderliche Scheibenwirkung erzielt.<br />

Der Gesamtquerschnitt der Kr<strong>ag</strong>balken besteht <strong>bei</strong> den Einspannungen in den Türmen aus<br />

neun nebeneinander liegenden Stapeln aus je fünf Balken mit Längen bis zu 22 m in der<br />

fünften bzw. obersten L<strong>ag</strong>e. In der traditionellen Bauweise wurden die Balken der Kr<strong>ag</strong>brü-<br />

cken einfach aufeinander gestapelt, sodass für das Trägheitsmoment des Gesamtquer-<br />

schnittes nur die Summen der Einzelquerschnitte aktiviert und die resultierenden Schubkräf-<br />

te allein über Reibung abgetr<strong>ag</strong>en wurden. Die Erfahrung hatte gezeigt, dass damit Brücken<br />

bis etwa 35 m Spannweite, mit steilen Kr<strong>ag</strong>trägern und ohne Überdachung auf höchstens<br />

50 m hätten verlängert werden können. Bei der neuen Brücke wurden die Balken <strong>bei</strong> der<br />

Mont<strong>ag</strong>e untereinander zweil<strong>ag</strong>enweise über 1.50 m lange Gewindestäbe mit 16 mm Durch-<br />

messer zu einem nachgiebigen Verbundträger verschraubt. Diese Gewindestäbe ermögli-<br />

chen erst die Herstellung dieses überdimensionalen Verbundträgers mit einer Breite von fast<br />

3.50 m und einer Höhe von 2.50 m an den Einspannstellen. Die oberste Balkenl<strong>ag</strong>e reicht nur<br />

bis zur Turmvorderwand. Ihre Normalkräfte werden ebenfalls durch die Gewindestangen in<br />

die vierte Balkenl<strong>ag</strong>e eingeleitet. Diese überträgt die Kräfte dann in das Betonfundament.<br />

WIDERLAGER<br />

Die Widerl<strong>ag</strong>er bestehen aus einem Betonbauteil und dem typischen Turm aus Bruchstein-<br />

trockenmauerwerk, der mit seinem Eigengewicht die Einspannung der Kr<strong>ag</strong>balken <strong>bei</strong> tradi-<br />

tionellen Brücken sicherstellte. Der auf der linken Uferseite noch von der alten Kr<strong>ag</strong>brücke<br />

vorhandene mittelalterliche Brückenturm sollte aus denkmalpflegerischen Gründen erhalten<br />

bleiben. Er konnte jedoch wegen seines Zustandes nur optisch in das neue Bauwerk inte-<br />

griert werden. Es wurde auf der Rückseite ein 10 m hoher Wandschlitz bis zur Fundament-<br />

sohle in das bis 1.50 m dicke Mauerwerk gebrochen und ein neues Fundament mit Flügel-<br />

wänden ins Innere des Turmes integriert. Die Gründung der vorderen Turmwand des neuen<br />

Turmes erfolgt direkt ins Flussbett. Dazu wurden vorgefertigte, 3.5 m lange und 8 t schwere<br />

Betonrohre ins fliessende Wasser des Gebirgsflusses abgestellt, ausgefüllt und flussseitig<br />

mit etwa 700 sogenannten Toskanes und einem Blockwurf als Kolkschutz versehen. Diese<br />

so erstellte halbrunde «Pfahlwand» dient gleichzeitig als Aufl<strong>ag</strong>e für die Fundamentplatte<br />

des neuen Brückenturms. Bereits ein Jahr nach der Eröffnung der Brücke wurde im Mai 2009<br />

ein hundertjähriges Hochwasser innerhalb von zwei T<strong>ag</strong>en Regenfall erreicht und prüfte die<br />

Schutzkonstruktion – es wurde «lediglich» der massive Blockwurf mitgerissen. Die Konzepte<br />

haben sich also prinzipiell bewährt.


TEC21 38 / 2010<br />

06<br />

Literatur<br />

– Harald N. Nestroy: Bhutan. Bildband. Edition<br />

Panorama<br />

– «Die Krönung von S.M. Jigme Khesar Namgyel<br />

Wangchuk, 5. König von Bhutan», Pro Bhutan e.V.,<br />

Lörrach; Stand 1.12.2008<br />

– «Tradition neu gedacht», Susanne Jacob-Freit<strong>ag</strong><br />

und Wolfram Kübler; in: mikado, Ausgabe<br />

12-2008<br />

– Bericht «Punakha-Bridge, Kolkschutzmassnahmen»,<br />

Prof. Dr. Jürg Speerli, Remo Solèr, IBU Institut<br />

für Bau und Umwelt, Fachstelle Wasserbau,<br />

HSR Hochschule für Technik, Rapperswil<br />

– «Bestimmung von mechanischen Eigenscha�en<br />

von Chir Pine und Himalayan Cedar», Prüfbericht,<br />

Roger Schärli und Dr. Chritophe Sigrist, Hochschule<br />

für Architektur, Bau und Holz HSB Burgdorf,<br />

Biel<br />

– «Eine Brücke für den Drachenkönig», Wolfram<br />

Kübler, T<strong>ag</strong>ungsband Internationales Holzbau-<br />

Forum Garmisch 2009<br />

MATERIALISIERUNG<br />

<strong>BAUEN</strong> <strong>IN</strong> <strong>BHUTAN</strong> | 25<br />

Die Auswahl der geeigneten Holzart fiel nach einigen Diskussionen über örtliche Erfah-<br />

rungen, die Verfügbarkeit, einem Vergleich mit in Europa üblichen Holzarten und einer Ver-<br />

suchsreiche von Proben an der HSB in Biel auf Chir Pine, die den bekannten Föhrenarten<br />

entspricht. Obwohl die Dauerhaftigkeit der ebenfalls untersuchten Himalaya Cedar wesent-<br />

lich besser ist und diese traditionell im Tempelbau eingesetzt wird, wurde unter Rücksicht-<br />

nahme des Artenschutzes auf diese gefährdete Holzart verzichtet.<br />

Für den Brückenbau wurden in der Region Bäume gesucht, aus denen ein Brückenquer-<br />

schnitt aus maximal 5 × 9 Balken mit einem Querschnitt von 25 × 40 cm <strong>bei</strong> einer maximalen<br />

Länge von 22 m erstellt werden konnte. Es wurden mehr als 160 Bäume mit einem Durch-<br />

messer von 60 cm und einer Höhe von 25 m gefällt. Direkt im Wald erfolgte ein Grobzuschnitt<br />

mit Kettensägen. Die Rundholzstämme wurden von Hand mit Bambusseilen die Steilhänge<br />

hinunter transportiert, dann im Fluss geflösst oder wo möglich mit Lastw<strong>ag</strong>en auf Schotter-<br />

strassen nach Punakha gefahren – teilweise mit mehrmaligem Auf- und Abladen wegen der<br />

engen Kurven. Die Bäume wurden mehr als 16 Monate vor dem Einbau gefällt sowie in<br />

einem Zwischenl<strong>ag</strong>er <strong>bei</strong> der Klosterburg mit einem Entlastungsschnitt bis ins Mark versehen,<br />

um unkontrollierte Schwindrisse zu minimieren, und dann überdacht auf die spätere in der<br />

Brücke zu erwartende Ausgleichsfeuchte getrocknet. Anschliessend wurden sie von Hand<br />

mit Messern zu den erforderlichen Balkenquerschnitten zugehauen (Abb. 1).<br />

ASTROLOGIE LEGT DEN BAUABLAUF FEST<br />

Geplant war der Bau im Jahr 2007, doch das galt aus religiöser Sicht als ungünstig, sodass<br />

das Vorhaben auf 2008 verschoben wurde. Jedem Baubeginn geht in Bhutan eine buddhis-<br />

tische Zeremonie voraus. Ein Astrologe legt den günstigsten Zeitpunkt für die wichtigen<br />

Bauabschnitte fest. Die Bäume durften so erst am 27. September 2006 gefällt werden, dem<br />

ersten T<strong>ag</strong> nach dem «Blessed Rainy Day», der als Abschluss des Monsun gefeiert wird.<br />

Nach einer effektiven Bauzeit von etwa zwölf Monaten, inklusive drei Monate Unterbrechung<br />

wegen starken Monsunregens, wurde die Brücke am 10. Mai 2008 mit einer buddhistischen<br />

Zeremonie und einem grossen Volksfest eingeweiht.<br />

Wolfram Kübler, Dipl. Ing., Walt+Galmarini AG Zürich, Wolfram.Kuebler@waltgalmarini.ch

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