Künstler - - Stift Admont
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Gustav Sievers<br />
*Almstedt 1865–1941, ermordet in der Anstalt Hadamar<br />
kein Bild vorhanden<br />
Der Weber Gustav Sievers wurde 1900 wegen „unsittlicher Handlungen" an zwei<br />
Mädchen verhaftet und zur Beobachtung in die Provinzial Irrenanstalt Lengerich eingewiesen.<br />
Sein Strafregister weist Haftstrafen wegen Bettelns und Polizistenbeleidigung<br />
auf, aber auch „Verbreitung sozialdemokratischer Schriften".<br />
Sieben Jahre war er in Amerika, hat schwere körperliche Arbeit verrichtet und sich in<br />
seiner Freizeit in Bibliotheken autodidaktisch gebildet. Kant, Darwin, Voltaire und<br />
Alexander von Humboldt gehörten zu seiner Literatur. Nach gescheiterter Ehe<br />
unternahm er einen Selbstmordversuch und zog daraufhin wieder in die Welt hinaus.<br />
Sievers bekannte sich offen zur Arbeiterklasse und zur Sozialdemokratischen Partei. Er<br />
verlangte den Vorwärts (sozialdemokratische Zeitschrift), kündigte einen sozialdemokratischen<br />
Vortrag auf Station an und schrieb an August Bebel (Begründer der<br />
organisierten Arbeiterbewegung in Deutschland).<br />
Sievers glaubte, die Zentrumspartei verschulde seine Anstaltseinweisung. Dahinter<br />
steckten die Freimaurer, die ihn verfolgten und zu vernichten suchten. Ursache dieser<br />
Verfolgung sei der Neid auf seine Erfindung des „Fallschützenwebstuhls", welcher die<br />
„3000jährige Epoche des fliegenden Webschiffs" einleite.<br />
Auch in der Anstalt kreisten Sievers' „Gedankenoperationen" um seine Erfindung, die in<br />
der Reichspatentrolle unter Nummer 108661 eingetragen ist.<br />
Der Unbeugsame rebellierte fortwährend. Immer wieder versuchte er, aus der Anstalt<br />
zu fliehen, zeigte sich gewalttätig, zerschlug Fensterscheiben, bedrohte die Wärter, griff<br />
den behandelnden Arzt an und plante ein Attentat auf den Anstaltsdirektor.<br />
Die darauf folgende Verordnung: „Über drei Jahr bleibt er in der Isolierzelle und wird<br />
täglich ins Dauerbad gesetzt“.<br />
1903 konnte er fliehen und wurde anschließend in die Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt<br />
Lüneburg gebracht. 1909 wurde er in das Landes-Verwahrungshaus Göttingen verlegt,<br />
1934 zurück nach Lüneburg.<br />
Als „Endzustand" kam er 1939 nach Herborn und wurde damit zur „Euthanasie"<br />
freigegeben. Die Nazis ermordeten Sievers 1941 in der Tötungsanstalt Hadamar.<br />
In der Sammlung Prinzhorn sind Werke von 1903 bis 1919 erhalten: vor allem<br />
Bildgeschichten, zunächst mit Bleistift gezeichnet, später mit Deckfarben bunt<br />
ausgemalt. Oft handelt sich um Parabeln, die sich durch ihren karikierend humorvollen<br />
Charakter auszeichnen.<br />
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