Kontroverse Diskussion um die Bürgerversicherung
Ausgabe 2/2018
Ausgabe 2/2018
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2/2018<br />
ahn<br />
ärzte<br />
blatt<br />
Baden-<br />
Württemberg<br />
Informationen<br />
» aus mit der Informationen Zahn-, Mund- aus und der<br />
Kieferheilkunde<br />
Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde<br />
9.2005<br />
Leitartikel Titelthema<br />
Hierarchie und<br />
Wählermeinung/<br />
LEITARTIKEL<br />
Beteiligung: Der TITELTHEMA Umfrageaktion zur<br />
Governance-Ansatz Bundestagswahl 2005<br />
Weder sozial<br />
noch gerecht<br />
<strong>Kontroverse</strong> <strong>Diskussion</strong><br />
<strong>um</strong> <strong>die</strong> <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
Zahnärztekammer<br />
Außerordentliche VV: Eine<br />
FORTBILDUNG<br />
neue liberale Berufsordnung<br />
Mikrobiologischer Nachweis von<br />
parodontalpathogenen Keimen<br />
Fortbildung<br />
Zahnerhaltung durch<br />
Wurzelspitzenresektion<br />
INTERVIEW<br />
Ministerpräsident<br />
Winfried Kretschmann
Freier Eintritt 2018<br />
in <strong>die</strong> Schausammlungen I Altes Schloss Stuttgart<br />
in das Muse<strong>um</strong> der Alltagskultur I Schloss Waldenbuch<br />
www.landesmuse<strong>um</strong>-stuttgart.de www.muse<strong>um</strong>-der-alltagskultur.de
Editorial 3<br />
Foto: dpa<br />
Foto: Murati/Ehrlich<br />
» <strong>Bürgerversicherung</strong>. Die turbulenten Debatten<br />
auf dem SPD-Sonderparteitag, <strong>die</strong> Demonstrationen<br />
und das knappe Vot<strong>um</strong> für <strong>die</strong> Koalitionsverhandlungen<br />
machen deutlich, dass <strong>die</strong> <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
einer der großen Streitpunkte der neuen Regierungskoalition<br />
ist. Die SPD hat bereits angekündigt, dass<br />
sie nachverhandeln will – ob sie noch mehr erreichen<br />
kann, wird sich zeigen. „An bestimmten Punkten ausgereizt“<br />
schreibt Guido Reiter auf Seite 8 ff. „Es ging<br />
ka<strong>um</strong> knapper: Mit 56,4 Prozent stimmte eine hauchdünne<br />
Mehrheit der Delegierten beim SPD-Sonderparteitag<br />
für Koalitionsverhandlungen mit CDU/CSU. Nun<br />
gelte es ‚zu verhandeln, bis es quietscht‘. Kommt sie<br />
also doch noch, <strong>die</strong> <strong>Bürgerversicherung</strong>?“<br />
„Finger weg von Nachverhandlungen!“, fordert Dr.<br />
Ute Maier, Vorsitzende des Vorstandes der KZV BW,<br />
in ihrem Kommentar „Was lange währt, wird endlich<br />
gut?“. „Die SPD-Mitglieder sind zwar in einer Schlüsselposition,<br />
aber sie dürfen nicht mehr zählen als <strong>die</strong><br />
Mehrheit der Wähler, <strong>die</strong> den <strong>Bürgerversicherung</strong>sparteien<br />
bei der Bundestagswahl eine deutliche Absage<br />
erteilt hat. Das wäre ein Konjunkturprogramm für<br />
Politikverdrossenheit und das in einer Situation in der<br />
sich <strong>die</strong> Begeisterung der Menschen mit ihren gewählten<br />
Vertretern – nach den endlosen Verhandlungen<br />
seit der Wahl im September – schon bereits sehr in<br />
Grenzen hält.“ (Seite 10).<br />
Der Autor des Leitartikels, Dr. Wolfgang Bok,<br />
Freier Journalist, bringt es auf den Punkt: „Weder<br />
sozial noch gerecht“ titelt er. „Die <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
wird als Schlüssel zu mehr Gerechtigkeit im<br />
Gesundheitswesen gepriesen. Doch Ideologie leert<br />
keine Wartezimmer.“ Er zeigt <strong>die</strong> Positionen auf und<br />
macht deutlich, dass <strong>die</strong> <strong>Bürgerversicherung</strong> kein<br />
Allheilmittel für das deutsche Gesundheitssystem ist.<br />
Stattdessen fordert er eine „mutige Entbürokratisierung“,<br />
da <strong>die</strong> Bürokratie Ärzten und Pflegepersonal<br />
viel Zeit und Nerven raube (Seite 7). Auch <strong>die</strong> Ärzteverbände<br />
warnen vor einer <strong>Bürgerversicherung</strong>. Unter<br />
dem Titel „Ärzteverbände schlagen Alarm“ lesen Sie<br />
eine Zusammenfassung der „Warnschüsse und der<br />
Arg<strong>um</strong>ente“ von Andrea Mader (Seite 11). Dorothea<br />
Kallenberg, Freie Journalistin, hat Pressestimmen<br />
z<strong>um</strong> Thema gesammelt und spricht von einem „Wechselbad<br />
der Gefühle und Meinungen“. Lesen Sie mehr<br />
auf Seite 12 f.<br />
„Wissen <strong>die</strong> politischen Akteure, wie komplex <strong>die</strong><br />
Einführung einer <strong>Bürgerversicherung</strong> wäre? Und welche<br />
tiefgreifenden Konsequenzen sie für das hervorragende<br />
deutsche Gesundheitswesen hätte?“ Im Interview<br />
mit dem Sachverständigen Prof. Dr. Wolfgang<br />
Merk wird deutlich, dass ohne Not „her<strong>um</strong>gedoktert“<br />
wird. Lesen Sie das Interview „<strong>Bürgerversicherung</strong> in<br />
weiten Teilen unklar“ auf Seite 14 f.<br />
Bereits 2006 fand in den Niederlanden eine Fusionierung<br />
der privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen<br />
statt. Das System ist eine Kombination<br />
aus <strong>Bürgerversicherung</strong> und Kopfpauschale und wird<br />
häufig auch für Deutschland propagiert. Erfahren Sie<br />
mehr über <strong>die</strong> Wirkung der Reform im Beitrag „Modell<br />
für staatlich regulierten Wettbewerb” von Dorothea<br />
Kallenberg auf Seite 16 ff.<br />
» Parodontitisbehandlung. Der Verlauf einer parodontalen<br />
Erkrankung wird von zahlreichen Faktoren<br />
beeinflusst. Die gleichzeitige Anwesenheit parodontalpathogener<br />
Bakterien, ein für sie günstiges Milieu<br />
und <strong>die</strong> Anfälligkeit des Wirts begünstigen das Fortschreiten<br />
der Erkrankung und führen z<strong>um</strong> Verlust von<br />
parodontalem Gewebe, erläutern Dr. Malte Michaelis,<br />
Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie,<br />
Universitätsklinik<strong>um</strong> Ulm, und Dr. Sebastian F. Zenk,<br />
Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene,<br />
Universitätsklinik<strong>um</strong> Ulm. Der molekularbiologische<br />
Nachweis des mikrobiologischen Keimspektr<strong>um</strong>s ist<br />
eine wichtige Entscheidungshilfe und eine zusätzliche<br />
antimikrobielle Therapie kann zu guten Erfolgen führen.<br />
Dadurch können parodontalchirurgische Maßnahmen<br />
verringert werden und der Behandler hat neben<br />
den herkömmlichen klinischen Parametern Bleeding<br />
on Probing und der Son<strong>die</strong>rungstiefe eine dritte Säule<br />
zur Abschätzung des Therapieerfolges. So kann ein<br />
verantwortungsvoller Umgang mit Antibiotika gewährleistet<br />
werden. Mehr erfahren Sie im Beitrag „Mikrobiologischer<br />
Nachweis parodontalpathogener Bakterien“<br />
auf Seite 22 ff. » gabi.billischek@izz-online.de<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
ZBW 2/2018
4<br />
Inhalt<br />
Leitartikel<br />
Titelthema<br />
16 Die niederländische Gesundheitsreform<br />
Modell für staatlich regulierten Wettbewerb<br />
19 Vorbild Niederlande?<br />
Tobias Kaiser, Wirtschaftsredakteur Die Welt,<br />
bezieht Stellung<br />
Dr. Wolfgang Bok<br />
Interview<br />
7<br />
Weder sozial noch gerecht<br />
Titelthema<br />
8<br />
Sonderparteitag, GroKo, <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
An bestimmten Punkten ausgereizt<br />
20 Ministerpräsident Winfried Kretschmann<br />
Innovative Ideen und beherztes Handeln<br />
zusammen mit den Berufsvertretungen<br />
Fortbildung<br />
10<br />
Was lange währt, wird endlich gut?<br />
Kommentar von Dr. Ute Maier<br />
11 <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
Ärzteverbände schlagen Alarm<br />
22 Systematische Parodontitisbehandlung<br />
Mikrobiologischer Nachweis<br />
parodontalpathogener Bakterien<br />
12<br />
<strong>Bürgerversicherung</strong> im Spiegel der Me<strong>die</strong>n<br />
Wechselbad der Gefühle und Meinungen<br />
14<br />
Sachverständiger Prof. Dr. Wolfgang Merk<br />
<strong>Bürgerversicherung</strong> „in weiten Teilen unklar“<br />
32<br />
Gemeinschaftssymposi<strong>um</strong> des TAKRegMed<br />
und der AfG in Frankfurt<br />
Grundlagenforschung, translationale<br />
Forschung und klinische Forschung<br />
ZBW 2/2018<br />
www.zahnaerzteblatt.de
Inhalt 5<br />
Kommunikation<br />
Leserreise<br />
34<br />
Das For<strong>um</strong> Zahngesundheit ist wichtiger<br />
Baustein der Öffentlichkeitsarbeit<br />
Wertvolle Informationen zur Mundgesundheit<br />
40<br />
LZK-Mitglieder-Fachexkursion 2017 nach Japan<br />
Eindrücke aus dem Land der<br />
aufgehenden Sonne<br />
Prophylaxe<br />
Kultur<br />
36<br />
Mitgliederversammlung der LAGZ in Stuttgart<br />
Zielgerichtet in <strong>die</strong> Zukunft<br />
44<br />
Reinhold Nägele im Kunstmuse<strong>um</strong> Stuttgart<br />
Chronist der Moderne<br />
Praxis<br />
Rubrik<br />
3 Editorial<br />
43 Regionen<br />
45 Namen und<br />
Nachrichten<br />
46 Termine<br />
47 Amtliche Mitteilungen<br />
48 Personalia<br />
51 Zu guter Letzt/Impress<strong>um</strong><br />
Internet<br />
Besuchen Sie auch <strong>die</strong> ZBW-Website<br />
» www.zahnaerzteblatt.de<br />
38 Der GOZ-Ausschuss der LZK BW informiert<br />
Schädliche Gewohnheiten und Dysfunktionen<br />
in der Zahnheilkunde<br />
39 Neues aus dem PRAXIS-Handbuch der LZK BW<br />
Anamneseerhebung in der Zahnarztpraxis<br />
Dort finden Sie neben der Online-Ausgabe des ZBW<br />
zusätzliche Informationen, Fotos, weiterführende<br />
Links sowie ein ZBW-Archiv ab dem Jahr 2006.<br />
For<strong>um</strong> Zahngesundheit<br />
» Informationen über das For<strong>um</strong><br />
Zahngesundheit und <strong>die</strong> Termine<br />
im Jahr 2018 finden Sie hier.<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
ZBW 2/2018
Landeszahnärztekammer BaWü Körperschaft des Öffentlichen Rechts<br />
AKADEMIE<br />
FORTBILDUNGSANGEBOT.<br />
Lorenzstraße 7, 76135 Karlsruhe, Fon 0721 9181-200, Fax 0721 9181-222, Email: fortbildung@za-karlsruhe.de<br />
Februar 2018<br />
Kurs Nr. 8663/16 Punkte<br />
Wurzelkanalaufbereitung: Dichtung und Praxis!<br />
Referent: Dr. Carsten Appel, Bonn<br />
Dat<strong>um</strong>: 16.-17.02.2018 Kurshonorar: 650 €<br />
Kurs Nr. 8703/14 Punkte<br />
Update Kinderzahnheilkunde 2018<br />
Referentinnen: Dr. Tania Roloff, M.Sc, Hamburg<br />
ZÄ Monika Quick-Arntz, Hamburg<br />
Dr. Dr. Simone Ulbricht, M.A., Karlsruhe<br />
Dat<strong>um</strong>: 16.-17.02.2018 Kurshonorar: 750 €<br />
Der Update-Kurs richtet sich an Teilnehmer/innen, <strong>die</strong> bereits<br />
ein Curricul<strong>um</strong> für Kinderzahnheilkunde absolviert haben.<br />
Kurs Nr. 8714/ 8 Punkte<br />
Auf dem Weg z<strong>um</strong> Dr. med. dent.<br />
Einführung in <strong>die</strong> wissenschaftliche Zahnheilkunde<br />
Referenten: Prof. Dr. Matthias Hannig, Homburg<br />
Prof. Dr. Stefan Rupf, Homburg<br />
Prof. Dr. Winfried Walther, Karlsruhe<br />
Dat<strong>um</strong>: 23.02.2018 Kurshonorar: 300 €<br />
März 2018<br />
Kurs Nr. 8658/14 Punkte<br />
Vollzirkon und Co. zur Optimierung vollkeramischer<br />
Restaurationen<br />
Referenten: Prof. Dr. Marc Schmitter, Würzburg<br />
ZTM Rainer Rustemeyer, Würzburg<br />
Dat<strong>um</strong>: 02.-03.03.2018 Kurshonorar: 650 €<br />
Kurs Nr. 8679/13 Punkte<br />
Die Biologie der Pulpa und <strong>die</strong> Behandlungsprinzipien der<br />
Endodontie<br />
Referent: Prof. Dr. Edgar Schäfer, Münster<br />
Dat<strong>um</strong>: 02.-03.03.2018 Kurshonorar: 650 €<br />
Kurs Nr. 6268/16 Punkte<br />
Das 1x1 der Implantologie - Komplikations- und Weichgewebsmanagement<br />
Referent: PD Dr. Michael Korsch, M.A., Karlsruhe<br />
Dat<strong>um</strong>: 02.-03.03.2018 Kurshonorar: 650 €<br />
Save the Date:<br />
16.-17. März 2018<br />
Karlsruher Konferenz 2018<br />
Karlsruher Tag der Zahnmedizinischen<br />
Fachangestellten 2018<br />
April 2018<br />
Kurs Nr. 6269/13<br />
Integration von chirurgischen und prothetischen<br />
Maßnahmen in der Implantologie<br />
Referenten: Dr. Jochen Klemke, M.A., Speyer<br />
Dr. Florian Troeger, M.A., Überlingen<br />
Dat<strong>um</strong>: 13.-14.04.2018 Kurshonorar: 650 €<br />
Kurs Nr. 8747<br />
Die Rezeption - das Herz der Praxis!<br />
Referentin: Brigitte Kühn, ZMV, Tutzing<br />
Dat<strong>um</strong>: 13.04.2018 Kurshonorar: 180 €<br />
Kurs Nr. 8659/9 Punkte<br />
Risikoorientierte Behandlungsplanung und Patientenführung<br />
in der Parodontologie<br />
Referent: PD Dr. Dirk Ziebolz, M.Sc., Leipzig<br />
Dat<strong>um</strong>: 14.04.2018 Kurshonorar: 450 €<br />
Kurs Nr. 8748<br />
Willkommen am Telefon - der erste Eindruck<br />
Referentin: Brigitte Kühn, ZMV, Tutzing<br />
Dat<strong>um</strong>: 14.04.2018 Kurshonorar: 180 €<br />
Kurs Nr. 8666/5 Punkte<br />
Kooperation mit Pflegeeinrichtungen – mehr Chancen als<br />
Risiken<br />
Referent: Dr. Elmar Ludwig, Ulm<br />
Dat<strong>um</strong>: 20.04.2018 Kurshonorar: 250 € für ZÄ<br />
200 € für ZFA’s<br />
Kurs Nr. 8690/8 Punkte<br />
Tra<strong>um</strong>a und Zahnverlust im wachsenden Kiefer –<br />
was tun?<br />
Referent: Prof. Dr. Andreas Filippi, Basel<br />
Dat<strong>um</strong>: 20.04.2018 Kurshonorar: 420 €
Leitartikel 7<br />
Weder sozial noch gerecht<br />
Die <strong>Bürgerversicherung</strong> wird als Schlüssel zu mehr Gerechtigkeit im Gesundheitswesen<br />
gepriesen. Doch Ideologie leert keine Wartezimmer.<br />
Vor <strong>die</strong> Wahl gestellt, zwischen Freiheit und Gleichheit<br />
wählen zu müssen, würden sich <strong>die</strong> Bundesbürger<br />
mit klarer Mehrheit für mehr Gleichmacherei entscheiden.<br />
Wird <strong>die</strong>se dann mit den zuckersüßen Adjektiven<br />
„sozial” und „gerecht” beträufelt, können Skeptiker<br />
leicht als neoliberale Lobbyisten abgetan werden. Dies<br />
erklärt, war<strong>um</strong> <strong>die</strong> <strong>Bürgerversicherung</strong> für SPD, Grüne<br />
und Linkspartei ein Herzensanliegen ist: Mit dem<br />
Kampf gegen eine „Zwei-Klassen-Medizin” lässt sich<br />
der gute alte Klassenkampf wiederbeleben und das soziale<br />
Profil schärfen. Nach dem knappen Ja der Genossen<br />
zu Koalitionsverhandlungen wird <strong>die</strong> SPD noch erbitterter<br />
dar<strong>um</strong> kämpfen –<br />
und <strong>die</strong> Union noch geschmeidiger<br />
reagieren. Z<strong>um</strong>al<br />
sich damit elegant von<br />
den wirklichen Problemen<br />
im deutschen Gesundheitswesen<br />
ablenken lässt.<br />
Vordergründig stehen<br />
rund 70 Millionen Versicherte<br />
der gesetzlichen<br />
Krankenkassen (GKV) gegen<br />
8,8 Millionen Privatversicherte,<br />
<strong>die</strong> angeblich<br />
schneller einen Termin für<br />
eine bessere Behandlung<br />
bekommen. Damit lässt sich<br />
Neid schüren. Ausblendet<br />
wird jedoch, dass es schon<br />
heute eine mindestens<br />
Vier-Klassen-Gesellschaft<br />
gibt, an der eine <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
wenig ändern<br />
wird: Sozialhilfeempfänger<br />
erhalten eine kostenfreie<br />
Basisversorgung, freiwillig gesetzlich Versicherte<br />
müssen Beiträge auf Vermögen und sogar Betriebsrenten<br />
bezahlen. Bei den Privaten sind Beamte durch<br />
das Zuschusssystem privilegiert, Senioren hingegen<br />
<strong>die</strong> Gekniffenen, weil <strong>die</strong> Tarife dort nach den tatsächlichen<br />
Kosten bemessen werden. Sie, <strong>die</strong> sich in<br />
jungen Jahren der Solidarität entzogen und durch <strong>die</strong><br />
Lockangebote der PKV viele Geld gespart haben, wären<br />
<strong>die</strong> größten Gewinner einer <strong>Bürgerversicherung</strong>:<br />
Endlich könnten auch <strong>die</strong> über 55-Jährigen den teuer<br />
gewordenen Privaten entfliehen. AOK, Barmer & Co.<br />
fürchten daher zu Recht, dass <strong>die</strong> schlechten Risiken<br />
zu ihnen wechseln, was letztlich sogar <strong>die</strong> Beiträge für<br />
alle nach oben treibt. Ist das gerecht?<br />
Verkannt werden auch andere Nebenwirkungen einer<br />
Einheitskasse. Wenn Ärzten und Kliniken <strong>die</strong> Zusatzeinnahmen<br />
durch Privatpatienten von etwa sechs<br />
Milliarden Euro im Jahr fehlen, wird <strong>die</strong> Versorgung<br />
insgesamt bestimmt nicht besser. Denn das Buhlen<br />
<strong>um</strong> <strong>die</strong> Kundschaft, <strong>die</strong> nicht über einen gedeckelten<br />
Beitragstopf, sondern durch höhere, individuelle Abrechnung<br />
(GOÄ) behandelt werden kann, treibt <strong>die</strong><br />
Medizinbranche insgesamt zur steten Modernisierung.<br />
Davon profitieren auch <strong>die</strong> Kassenpatienten, <strong>die</strong><br />
mit dem „Kärtle” schon heute den Schlüssel zu einem<br />
der besten Gesundheitssysteme der Welt haben. In<br />
Ländern mit Einheitskassen behandeln viele Ärzte oft<br />
nur gegen Bares oder man braucht eine teure Zusatzversicherung.<br />
Sozialer ist<br />
das nicht.<br />
Lange Wartezeiten<br />
ließen sich zudem verringern,<br />
wenn mit dem<br />
„Kärtle” sorgsamer <strong>um</strong>gegangen<br />
würde: Mit<br />
durchschnittlich 18 Arztbesuchen<br />
im Jahr liegt<br />
Deutschland im Spitzenfeld.<br />
Man muss nicht<br />
bei jeder Unpässlichkeit<br />
z<strong>um</strong> Doktor laufen oder<br />
gleich den Facharzt beanspruchen<br />
– am liebsten<br />
mit Zweitmeinung.<br />
Schon gar nicht <strong>um</strong>sonst.<br />
Bei den Zahnärzten hat<br />
das System der Selbstbeteiligung<br />
das Kostenbewusstsein<br />
gestärkt.<br />
Die beste Medizin für<br />
Foto: C. Schüßler/Fotolia<br />
das Gesundheitswesen<br />
wäre indes eine mutige<br />
Entbürokratisierung. Das ist es, was Ärzten und Pflegepersonal<br />
viel Zeit und Nerven raubt. Ohne private<br />
Konkurrenz haben Gesundheits-Ideologen hingegen<br />
erst recht freie Hand, <strong>um</strong> noch selbstherrlicher zu<br />
diktieren, was medizinisch notwendig ist – und was<br />
nicht. Vor allem aber locken <strong>die</strong> 240 Milliarden Euro,<br />
welche <strong>die</strong> Privatkassen an Altersrücklagen bilden<br />
mussten. Die würde man nur zu gerne vergemeinschaften.<br />
Dr. Wolfgang Bok,<br />
früherer Chefredakteur und Ressortleiter in Stuttgart und<br />
Heilbronn. Er schreibt regelmäßig Kol<strong>um</strong>nen zu gesellschaftspolitischen<br />
Themen für verschiedene Me<strong>die</strong>n wie<br />
Cicero oder NZZ. Er ist gern gesehener Gast bei Talkrunden<br />
im TV.<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
ZBW 2/2018
8<br />
Titelthema<br />
Foto: dpa<br />
Sonderparteitag, GroKo, <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
An bestimmten Punkten ausgereizt<br />
Es ging ka<strong>um</strong> knapper: Mit 56,4 Prozent stimmte eine hauchdünne<br />
Mehrheit der Delegierten beim SPD-Sonderparteitag für Koalitionsverhandlungen<br />
mit CDU/CSU. Nun gelte es „zu verhandeln, bis es<br />
quietscht“. Kommt sie also doch noch, <strong>die</strong> <strong>Bürgerversicherung</strong>?<br />
In „Einzelbausteinen“, über <strong>die</strong> man (nach-)verhandeln will? Dass es<br />
<strong>die</strong> <strong>Bürgerversicherung</strong> nicht bereits in das Son<strong>die</strong>rungspapier geschafft<br />
hatte, brachte der SPD-Parteispitze harsche Kritik ein. Das<br />
zentrale Projekt wurde „sang- und klanglos preisgegeben“, urteilte<br />
der frühere Referatsleiter Grundsatzfragen im Sozialministeri<strong>um</strong> des<br />
Landes Brandenburg, Hartmut Reiners.<br />
Vor dem Sonderparteitag sagte<br />
CDU-Vize Thomas Strobl harsch:<br />
Es werde nicht nachverhandelt,<br />
und „mit uns wird es <strong>die</strong>sen Einheitskassenbrei<br />
nicht geben“. Nach<br />
dem Vot<strong>um</strong> der Delegierten steht<br />
<strong>die</strong> Ampel nun auf Grün für Koalitionsverhandlungen<br />
mit der CDU/<br />
CSU. Unmittelbar nach Abschluss<br />
der Son<strong>die</strong>rungen mehrten sich<br />
bereits <strong>die</strong> Stimmen in der SPD<br />
zu einem zentralen Punkt: „Wir<br />
werden auch über <strong>die</strong> <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
noch einmal sprechen<br />
müssen“, sagte <strong>die</strong> rheinland-pfälzische<br />
Ministerpräsidentin Malu<br />
Dreyer. Und SPD-Gesundheitspolitiker<br />
Karl Lauterbach ergänzte:<br />
Wegen „massivster Widerstände“<br />
sei hier vorerst nicht der große<br />
Durchbruch zu erwarten, <strong>die</strong><br />
SPD werde dafür nun aber „<strong>um</strong>so<br />
stärker werben und kämpfen“. Indirekt<br />
sei der Einstieg in <strong>die</strong> <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
bereits erfolgt,<br />
womit Lauterbach beispielsweise<br />
auf beihilfefähige GKV-Tarife für<br />
Beamte abhob (weitere Infos dazu<br />
auf der nächsten Seite).<br />
Eindeutig. „Zur Euphorie besteht<br />
bei aller grundsätzlichen<br />
Zustimmung kein Anlass“, wurde<br />
Dr. Hans-Friedrich Spies, der Präsident<br />
des Berufsverbands Deutscher<br />
Internisten (BDI) von der<br />
Ärzte Zeitung zitiert. Entscheidend<br />
sei, ob sich <strong>die</strong> Parteirepräsentanten<br />
in den Koalitionsverhandlungen<br />
einigen werden, „das<br />
duale System von PKV und GKV<br />
zu erhalten und <strong>die</strong>s auch im Koalitionsvertrag<br />
festschrieben wird“.<br />
ZBW 2/2018<br />
www.zahnaerzteblatt.de
Titelthema 9<br />
Ohne eindeutige Formulierung bestehe<br />
<strong>die</strong> Gefahr, dass ein potenzieller<br />
SPD-Gesundheitsminister<br />
durch viele Einzelmaßnahmen <strong>die</strong><br />
PKV unattraktiv mache und damit<br />
<strong>die</strong> <strong>Bürgerversicherung</strong> durch <strong>die</strong><br />
Hintertür einführe, warnte Spies.<br />
„Das Son<strong>die</strong>rungsergebnis kann<br />
nur <strong>die</strong> Basis sein für Koalitionsverhandlungen.<br />
Es wird jetzt<br />
so getan, als sei alles schon verhandelt<br />
– das ist es mitnichten“,<br />
betonte SPD-Vize Ralf Stegner<br />
vor dem Parteitag gegenüber der<br />
„Bild“-Zeitung. „Wir haben an einigen<br />
Punkten noch erheblichen<br />
Verhandlungsbedarf.“ Fraktionsvorsitzende<br />
Andrea Nahles kündigte<br />
„harte Koalitionsverhandlungen“<br />
an, warnte aber vor Illusionen,<br />
da <strong>die</strong> Verhandlungen „an<br />
bestimmten Punkten ausgereizt“<br />
seien. CDU-Vize Thomas Strobl<br />
sagte dem RedaktionsNetzwerk<br />
Deutschland, es gelte, was miteinander<br />
vereinbart worden sei.<br />
Man sei strikt dagegen, einzelne<br />
inhaltliche Punkte noch einmal<br />
aufz<strong>um</strong>achen. Das gelte besonders<br />
auch für <strong>die</strong> <strong>Bürgerversicherung</strong>.<br />
Die drei Parteien CDU, CSU und<br />
SPD seien in ernsthaften Gesprächen<br />
gewesen und nicht beim Ringelpiez<br />
mit Anfassen, so Strobl<br />
wörtlich.<br />
Einzelbaustein. Voraussichtlich<br />
z<strong>um</strong> 01.08.2018 können sich Beamte<br />
im Bundesland Hamburg auf<br />
Wunsch gesetzlich krankenversichern.<br />
Dazu werde <strong>die</strong> Beihilfe<br />
für Hamburger Beamte so ausgestaltet,<br />
dass <strong>die</strong>se als Pauschale<br />
ausbezahlt wird, „<strong>die</strong> der Hälfte<br />
des Beitrags zur gesetzlichen<br />
Krankenversicherung entspricht“,<br />
so <strong>die</strong> „Zeit“. Also: „<strong>Bürgerversicherung</strong><br />
light“, wie <strong>die</strong> Deutsche<br />
Presse-Agentur titelte. De facto<br />
gelte <strong>die</strong> Wahlmöglichkeit aber<br />
nur „für neue Beamte […] und<br />
für jene, <strong>die</strong> bereits jetzt zu einem<br />
höheren Beitragssatz freiwillig<br />
gesetzlich versichert sind“, so <strong>die</strong><br />
Zeitung weiter. Für langjährige<br />
Beamte sei ein Wechsel aufgrund<br />
des derzeitigen Krankenversicherungsrechts<br />
nicht mehr möglich,<br />
so <strong>die</strong> Einschränkung der<br />
Hamburger Landesregierung. Der<br />
Wechsel zwischen Beihilfe und<br />
Finanzen. Allein <strong>die</strong> Einführung einer <strong>Bürgerversicherung</strong> würde astronomische 610<br />
Milliarden Euro verschlingen, hat Finanzwissenschaftler Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen<br />
vorgerechnet. Und auch <strong>die</strong> Rentenversprechen der Parteien würden den Steuerzahler<br />
Uns<strong>um</strong>men kosten.<br />
Pauschale solle nur einmalig möglich<br />
sein. Dem vom rot-grünen Senat<br />
beschlossenen Gesetzentwurf<br />
muss nun <strong>die</strong> Hamburgische Bürgerschaft<br />
zustimmen.<br />
Über 600 Milliarden Euro: Astronomisch<br />
teuer würde <strong>die</strong> Einführung<br />
der <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
nach Berechnungen des Freiburger<br />
Finanzwissenschaftlers Prof.<br />
Dr. Bernd Raffelhüschen werden.<br />
Zusammen mit den Rentenplänen<br />
von CDU/CSU und SPD könnte<br />
das das „größte Ausgabenpaket“<br />
werden, „das jemals von einer<br />
großen Koalition beschlossen<br />
wurde“. Dies gehe zu Lasten der<br />
jungen Generation, kritisierte<br />
Raffelhüschen. Von Solidarität<br />
keine Spur, kommentierte auch<br />
Autor Dr. Wolfgang Bok (früher<br />
Chefredakteur der „Heilbronner<br />
Stimme“; s. auch Leitartikel in<br />
<strong>die</strong>ser Ausgabe), denn mit der <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
seien Beitragserhöhungen<br />
für <strong>die</strong> Kassenversicherten<br />
„nicht unwahrscheinlich“.<br />
Beitragserhöhungen. Wenn<br />
gesetzliche Krankenkassen und<br />
private Krankenversicherungen<br />
weiterhin nebeneinander bestehen<br />
würden bei leichterer Wechselmöglichkeit<br />
von privat zu gesetzlich,<br />
wie es das SPD-Konzept<br />
vorsieht, „ist das Ergebnis an fünf<br />
Fingern abzuzählen“: Privat versicherte<br />
Bürgerinnen und Bürger<br />
mit hohem Krankheitsrisiko<br />
werden sich für <strong>die</strong> gesetzlichen<br />
Krankenkassen entscheiden und<br />
dort den Kostendruck erhöhen.<br />
Alle anderen „bleiben bei der<br />
DKV, Allianz & Co.“. Wolfgang<br />
Bok in seinem Beitrag für das<br />
Magazin „Cicero“: „Selbst Karl<br />
Lauterbach, der entschiedenste<br />
SPD-Verfechter einer <strong>Bürgerversicherung</strong>,<br />
hält Beitragserhöhungen<br />
für alle Kassenkunden für nicht<br />
unwahrscheinlich“. Ob es zur versprochenen<br />
besseren Behandlung<br />
komme, sei fraglich. Fallen <strong>die</strong><br />
höheren Privathonorare weg, fehlt<br />
Geld für neue Geräte und verbesserte<br />
Versorgungslösungen. Dies<br />
komme gerade auch den gesetzlich<br />
Versicherten zugute. Bok: „So gesehen<br />
subventionieren <strong>die</strong> Privatversicherten<br />
<strong>die</strong> Sozialversicherten<br />
– und nicht <strong>um</strong>gekehrt.“<br />
Keine Rolle. Blicken wir zurück:<br />
„Im Wahlkampf hat <strong>die</strong><br />
Gesundheitspolitik keine Rolle<br />
gespielt“, resümierte FAZ-Korre-<br />
Foto: Gena96/Sutterstock<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
ZBW 2/2018
10<br />
Titelthema<br />
spondent Andreas Mihm. Umso<br />
überraschender, „dass <strong>die</strong> SPD<br />
den alten Politschlager aus der Tasche<br />
gezogen“ und zur Forderung<br />
in den GroKo-Son<strong>die</strong>rungen erhoben<br />
hat. Zwischen CDU/CSU und<br />
SPD seien zwischenzeitlich allerdings<br />
Kompromisse erkennbar,<br />
etwa bei der Finanzierung, weil<br />
Einkommen aus Mieten sowie<br />
Kapitaleinnahmen nicht mehr für<br />
Beitragszahlungen herangezogen<br />
werden sollen. Auch <strong>die</strong> einheitliche<br />
Gebührenordnung stößt bei<br />
maßgeblichen Gesundheitspolitikern<br />
hier wie da auf Gegenliebe –<br />
<strong>die</strong> Umsetzung aber ist „technisch<br />
anspruchsvoll“, so Mihm. Schließlich<br />
<strong>die</strong> Beamten: Sie könnten ein<br />
Wahlrecht erhalten „und einen<br />
Zuschuss zur Versicherung […],<br />
wenn sie sich gesetzlich versichern“.<br />
Wieder eingeführt wird<br />
auf Grundlage des Son<strong>die</strong>rungspapiers<br />
der paritätische Beitragssatz<br />
für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.<br />
Abwehrhaltung. Unterdessen<br />
wehrten sich Spitzenvertreter der<br />
gesetzlichen Kassen im Januar<br />
gegen eine <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
„zu Lasten ihrer Beitragszahler“.<br />
Die offensichtlichen Probleme<br />
der privaten Krankenversicherung<br />
(PKV) dürften nicht auf dem<br />
Rücken der GKV-Beitragszahler<br />
gelöst werden, betonte Doris<br />
Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende<br />
des GKV-Spitzenverbandes, gegenüber<br />
dpa. Ein Stein des Anstoßes:<br />
<strong>die</strong> Wechselmöglichkeit für<br />
privatversicherte Beamte wie sie<br />
in Hamburg bereits als Gesetzesentwurf<br />
vorliegt. Dazu kommt <strong>die</strong><br />
Befürchtung, dass höhere Arzthonorare<br />
für privat Versicherte<br />
„möglicherweise zulasten gesetzlich<br />
Versicherter angeglichen werden,<br />
falls <strong>die</strong> PKV abgelöst wird“.<br />
Gesetzlich Versicherte könnten bei<br />
einem Übergang in eine einheitliche<br />
Krankenversicherung „besonders<br />
belastet werden, wenn teure<br />
Versicherte aus der PKV wieder in<br />
<strong>die</strong> Solidargemeinschaft integriert<br />
werden, nachdem sie sich in jungen<br />
Jahren dem System entzogen<br />
haben“, wandte TK-Vorstandsvorsitzender<br />
Jens Baas ein.<br />
„Mangels Konkurrenz und<br />
Quersubventionierung werden am<br />
Ende alle gesetzlich Versicherten<br />
schlechter versorgt sein“, stellte<br />
der Vorsitzende des Beamtenbundes<br />
Ulrich Silberbach fest. Und<br />
<strong>die</strong>, <strong>die</strong> es sich leisten könnten,<br />
würden sich schlichtweg qualitativ<br />
hochwertige ärztliche Versorgung<br />
auf dem Markt dazu kaufen.<br />
Medaillen. Die Deutungen darüber,<br />
was <strong>die</strong> SPD in den Son<strong>die</strong>rungen<br />
erreicht habe, gingen sehr<br />
weit auseinander. Wohl dem, der<br />
das Ergebnis in eine differenzierte,<br />
wohlklingende Metapher kleiden<br />
kann, wie der SPD-Landeschef<br />
in Nordrhein-Westfalen, Michael<br />
Groschek: Man habe zwar keinen<br />
Siegerpokal mit nach Hause bringen<br />
können, aber „dafür ganz viele<br />
Medaillen“. Die Medaillen gibt<br />
es, wie der „Spiegel“ schreibt, für<br />
„zahlreiche kleine Maßnahmen,<br />
<strong>die</strong> Deutschland gerechter machen<br />
und für viele Schwache eine große<br />
Hilfe seien.“<br />
» guido.reiter@kzvbw.de<br />
Sie haben gerungen, sie haben diskutiert,<br />
sie haben gestritten und<br />
am Schluss haben sie doch noch<br />
zugestimmt. Das Ringen der SPD<br />
war in den Tagen vor dem Sonderparteitag<br />
am 21. Januar 2018 ka<strong>um</strong><br />
zu ertragen. Die ganze Republik<br />
schaute gebannt, z<strong>um</strong> Teil auch<br />
entnervt, auf <strong>die</strong>se wundregierte<br />
Partei und fieberte mit, ob <strong>die</strong>se<br />
es schaffen würde, sich nochmals<br />
zusammenzureißen. Am Schluss<br />
war <strong>die</strong> Entscheidung klar, wenn<br />
auch knapp: „Erst das Land, dann<br />
<strong>die</strong> Partei.“ Der Wille, Verantwortung<br />
durch eine Teilnahme an der<br />
Regierung zu übernehmen, setzte<br />
sich durch, <strong>die</strong> Mehrheit der Delegierten<br />
stimmte gegen <strong>die</strong> Oppositionsromantik.<br />
Die Debatte der letzten Tage<br />
kann einem deshalb – neben dem<br />
Mitgefühl – auch Respekt abnötigen:<br />
Sie haben es sich wirklich<br />
nicht leichtgemacht in einer Situation,<br />
<strong>die</strong> erst durch <strong>die</strong> schnelle<br />
Absage von Martin Schulz an<br />
eine Koalition und dann durch den<br />
plötzlichen Abgang der FDP aus<br />
den Jamaika-Verhandlungen überhaupt<br />
zustande kam.<br />
Jetzt wird wieder verhandelt und<br />
das Dilemma der SPD ist jedoch<br />
noch nicht beseitigt: Der Mitgliederentscheid<br />
wartet ja bereits am<br />
Horizont.<br />
Kommentar<br />
Was lange<br />
währt, wird<br />
endlich gut?<br />
Was nicht sein darf, ist, dass<br />
sich <strong>die</strong> Union jetzt aus Rücksicht<br />
auf <strong>die</strong> hadernde und gespaltene<br />
SPD-Basis darauf einlässt, <strong>die</strong><br />
akzeptablen Ergebnisse des Son<strong>die</strong>rungspapiers<br />
im Gesundheitsbereich<br />
nochmals nachzuverhandeln.<br />
Wenn CDU/CSU sich auf<br />
das Spiel einlassen, eine weitere<br />
Kanzlerschaft von Angela Merkel<br />
mit einer <strong>Bürgerversicherung</strong> bzw.<br />
als Scheinkompromiss mit einer<br />
einheitlichen Gebührenordnung zu<br />
erkaufen, verlieren sie ihre Glaubwürdigkeit.<br />
Mein Rat bzw. meine Forderung<br />
lautet deshalb: Finger weg von<br />
Nachverhandlungen! Die SPD-Mitglieder<br />
sind zwar in einer Schlüsselposition,<br />
aber sie dürfen nicht<br />
mehr zählen als <strong>die</strong> Mehrheit der<br />
Wähler, <strong>die</strong> den <strong>Bürgerversicherung</strong>sparteien<br />
bei der Bundestagswahl<br />
eine deutliche Absage<br />
erteilt hat. Das wäre ein Konjunkturprogramm<br />
für Politikverdrossenheit<br />
und das in einer Situation<br />
in der sich <strong>die</strong> Begeisterung der<br />
Menschen mit ihren gewählten<br />
Vertretern – nach den endlosen<br />
Verhandlungen seit der Wahl im<br />
September – schon bereits sehr in<br />
Grenzen hält.<br />
Dr. Ute Maier<br />
Vorsitzende des Vorstandes<br />
der KZV BW<br />
ZBW 2/2018<br />
www.zahnaerzteblatt.de
Titelthema 11<br />
<strong>Bürgerversicherung</strong><br />
Ärzteverbände schlagen Alarm<br />
Seit <strong>die</strong> Son<strong>die</strong>rungsgespräche für eine Neuauflage der Großen<br />
Koalition nach dem Scheitern von Jamaika am 7. Januar begonnen<br />
haben, vergeht kein Tag, an dem nicht ein Ärzteverband vor der<br />
Einführung der <strong>Bürgerversicherung</strong> warnt. Eine Zusammenfassung<br />
der Warnschüsse und der Arg<strong>um</strong>ente.<br />
Ablehnung. Die Ärzteverbände eint <strong>die</strong> Ablehnung der <strong>Bürgerversicherung</strong>.<br />
„Das Ende der Gesundheitsversorgung,<br />
wie wir sie kennen und schätzen“,<br />
bedeute der Systemwechsel<br />
zur <strong>Bürgerversicherung</strong>, warnte der<br />
Vorsitzende des Spitzenverbandes<br />
der Fachärzte Deutschlands (Spifa),<br />
Dr. Dirk Heinrich.<br />
Seine Kollegin aus dem Vorstand<br />
des Berufsverbandes Deutscher<br />
Nervenärzte, Dr. Sabine Köhler,<br />
ergänzt: „Das wäre der Einstieg in<br />
eine Zweiklassenmedizin, denn für<br />
unsere Fachgruppen spielt es bisher<br />
keine Rolle, ob ein Patient privat<br />
oder gesetzlich versichert ist“.<br />
Vor einer Zweiklassenmedizin,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> SPD mit der Einführung der<br />
<strong>Bürgerversicherung</strong> eigentlich abschaffen<br />
will, warnt auch der NAV<br />
Virchow-Bund. Der Verband hat<br />
ein Positionspapier unter dem Titel<br />
„War<strong>um</strong> eine <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
zu einer echten Zweiklassenmedizin<br />
führt“ vorgelegt. Der Autor,<br />
Dr. Dirk Heinrich, hält es für eine<br />
Legende, dass in Deutschland eine<br />
Zweiklassenmedizin besteht. Privat-<br />
und Kassenpatienten würden<br />
in allen wichtigen Punkten gleich<br />
behandelt – lediglich bei der Terminvergabe<br />
beim Facharzt hätten<br />
Privatversicherte einen Vorteil.<br />
Privatversicherte entzögen sich<br />
auch nicht der Solidarität, sie sei<br />
ihnen früher verweigert worden.<br />
„Weil es gesellschaftlicher Konsens<br />
war, dass gut ver<strong>die</strong>nende<br />
Bürger für sich selbst zu sorgen<br />
hätten und keinen Anspruch auf <strong>die</strong><br />
Solidarität von Beziehern mittlerer<br />
und kleinerer Einkommen hätten“.<br />
Erst aus <strong>die</strong>sem Grund sei <strong>die</strong> Versicherungspflichtgrenze<br />
eingeführt<br />
worden.<br />
Zuerst PKV-Erstattung. Im<br />
Falle der Einführung einer <strong>Bürgerversicherung</strong>,<br />
kündigten einige<br />
Ärzteverbände massive Proteste<br />
bis zu Praxisschließungen an. Diesen<br />
Protesten will sich auch der<br />
Berufsverband der Kinder- und<br />
Jugendärzte anschließen. „Im Bereich<br />
der Vorsorgeuntersuchungen<br />
Foto: Fotolia<br />
für Kinder und Jugendliche haben<br />
wir in den vergangenen Jahren große<br />
Fortschritte erzielt. Viele <strong>die</strong>ser<br />
neuen Vorsorgen wurden zunächst<br />
nur von den Privaten Krankenkassen<br />
erstattet – <strong>die</strong> meisten gesetzlichen<br />
Krankenkassen haben erst<br />
später nachgezogen“, betonte der<br />
Präsident des Berufsverbandes der<br />
Kinder- und Jugendärzte, Dr. Thomas<br />
Fischbach.<br />
Von einer „Gleichmacherei“, <strong>die</strong><br />
zu einer „Verschlechterung der individuellen<br />
Patientenversorgung“<br />
führt, warnte auch der Bundesverband<br />
der Pharmazeutischen Industrie<br />
(BPI). Dessen stellvertretender<br />
Hauptgeschäftsführer, Dr. Norbert<br />
Gerbsch, sagte, „<strong>die</strong> PKV <strong>die</strong>nt bei<br />
vielen neuen Präparaten als Eisbrecher,<br />
bevor <strong>die</strong>se auch in der GKV<br />
z<strong>um</strong> Versorgungsstandard werden“.<br />
Auch Arzneimittel, <strong>die</strong> sich bereits<br />
länger am Markt befinden, aber<br />
von der GKV nicht erstattet würden,<br />
laufen nun Gefahr für <strong>die</strong> Versorgung<br />
der Patienten zu entfallen.<br />
Sowohl Patienten als auch Ärzten<br />
stünde nicht mehr der gesamte Arzneimittelschatz<br />
für <strong>die</strong> individuell<br />
beste Therapie zur Verfügung.<br />
Sozialer Sprengstoff. Der Blick<br />
auf Länder mit einer Einheitsversicherung<br />
kann für <strong>die</strong> Son<strong>die</strong>rung<br />
nach Auffassung des Präsidenten<br />
der Ärztekammer Westfalen, Dr.<br />
Theodor Windhorst, nur dazu führen,<br />
dass das Thema endgültig vom<br />
Tisch ist und nicht mehr zur Sprache<br />
kommt. In Ländern mit Einheitsversicherung<br />
stiege <strong>die</strong> Zahl<br />
der Privatkliniken und Institutionen<br />
im privaten Bereich, <strong>um</strong> wohlhabende<br />
Patienten zu behandeln.<br />
„Für Gutver<strong>die</strong>ner, <strong>die</strong> medizinische<br />
Leistungen privat zukaufen<br />
können, wäre das sicher kein Problem<br />
– <strong>die</strong> volle Wucht des gesundheitspolitischen<br />
Kurswechsels bekommen<br />
nur <strong>die</strong>jenigen zu spüren,<br />
<strong>die</strong> sich kein Versorgungs-Update<br />
leisten können“.<br />
änd-Meldungen<br />
redaktionelle Bearbeitung A. Mader<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
ZBW 2/2018
12<br />
Titelthema<br />
<strong>Bürgerversicherung</strong> im Spiegel der Me<strong>die</strong>n<br />
Wechselbad der Gefühle und Meinungen<br />
Auch wenn bei Redaktionsschluss noch Ungewissheit über das Zustandekommen<br />
einer erneuten Großen Koalition besteht: Nach dem<br />
Sonderparteitag in Bonn ist klar, dass <strong>die</strong> Angleichung der Arzthonorare<br />
für Privat- und Kassenpatienten zu den Nachbesserungswünschen<br />
der SPD gehört. Nach einem Wechselbad der Gefühle, das<br />
damit begann, dass man sich bei Jamaika weit weg von der heiß<br />
diskutierten <strong>Bürgerversicherung</strong> wähnte, wurde nach dem Scheitern<br />
der ersten Son<strong>die</strong>rung das Thema wieder akut. Die SPD hatte <strong>die</strong><br />
<strong>Bürgerversicherung</strong> zu einer der zentralen Forderungen gemacht<br />
und <strong>die</strong> Me<strong>die</strong>n beschäftigten sich erneut mit Zwei-Klassen-Medizin<br />
und Einheitskasse.<br />
Es war nicht das erste Mal, dass das<br />
Thema <strong>Bürgerversicherung</strong> breiten<br />
Ra<strong>um</strong> in Berichterstattung und<br />
Kommentaren einnahm. Diesmal<br />
aber schien es höchst brisant zu<br />
sein. Presse, Funk und Fernsehen<br />
informierten und bezogen Stellung,<br />
ließen Politiker zu Wort kommen,<br />
fragten Kassen- und Ärztevertreter<br />
und gaben in den diversen Foren<br />
den Nutzern breiten Ra<strong>um</strong> zur <strong>Diskussion</strong>.<br />
Gleich zu Jahresbeginn, am<br />
2. Januar, konfrontierte der Mannheimer<br />
Morgen seine Leser mit den<br />
„wichtigsten Fragen und Antworten<br />
z<strong>um</strong> politisch heiß <strong>um</strong>strittenen<br />
Thema“. Dort ging es u. a. dar<strong>um</strong>,<br />
was gegen <strong>die</strong> Einführung der<br />
<strong>Bürgerversicherung</strong> spricht: „Wirtschaftswissenschaftler<br />
befürchten<br />
Übergangsschwierigkeiten und<br />
Mehrbelastungen im einstelligen<br />
Milliardenbereich. Eine Stu<strong>die</strong> der<br />
gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-<br />
Stiftung kam zudem jüngst zu dem<br />
Ergebnis, dass eine Umstellung<br />
Zehntausende Arbeitsplätze bei<br />
den privaten Versicherungen kosten<br />
würde. Ein weiterer Aspekt: Das<br />
deutsche Gesundheitssystem gilt als<br />
eines der besten der Welt. Neben Politikern<br />
von Union und FDP warnen<br />
auch Ärztevertreter davor, an den<br />
bestehenden Strukturen zu rütteln.“<br />
Und Redakteurin Madeleine<br />
Bierlein wusste auch <strong>die</strong> Antwort<br />
auf <strong>die</strong> Frage, ob man <strong>die</strong> private<br />
Krankenversicherung einfach abschaffen<br />
könnte: „Das ist schon<br />
aus rechtlicher Sicht nicht möglich.<br />
Es handelt sich dabei <strong>um</strong> Unternehmen,<br />
<strong>die</strong> nicht einfach enteignet<br />
werden dürfen. Außerdem<br />
haben <strong>die</strong> Versicherten verbriefte<br />
Rechte.“ Auch das Ende der Zwei-<br />
Klassen-Medizin wird in Zweifel<br />
gezogen: „Patienten wären nur<br />
in der Grundversorgung gleichgestellt.<br />
Wer es sich leisten kann,<br />
hätte – wie schon jetzt – <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />
Zusatzversicherungen abzuschließen.<br />
Etwa für eine Chefarztbehandlung<br />
im Krankenhaus<br />
oder für spezielle Leistungen beim<br />
Zahnarzt.“<br />
Besonders viel Feedback von Seiten<br />
der Leser gab es auf den Beitrag<br />
der Süddeutschen Zeitung vom 29.<br />
Dezember 2017 mit der Überschrift<br />
„<strong>Bürgerversicherung</strong>: Diagnose<br />
richtig, Rezept falsch“. Im Vorspann<br />
schreibt Kristiana Ludwig: „Ja, es<br />
gibt eine Zwei-Klassen-Medizin in<br />
Deutschland – aber nicht nur in der<br />
von der SPD festgestellten Form.<br />
Und was sie nun vorschlägt und gegen<br />
<strong>die</strong> Union durchsetzen will, löst<br />
nichts von den Problemen, welche in<br />
Wahrheit <strong>die</strong> drängendsten sind.“<br />
In seinem Kommentar „Nur<br />
Verlierer durch <strong>die</strong> <strong>Bürgerversicherung</strong>“<br />
in der Frankfurter Allgemeinen<br />
Zeitung (FAZ) vom<br />
4. Januar 2018 ist Wirtschaftskorrespondent<br />
Andreas Mihm der<br />
Historie <strong>die</strong>ser Forderung auf der<br />
Spur: „Vier Wahlkämpfe hat <strong>die</strong><br />
SPD mit der Forderung nach Einführung<br />
einer <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
bestritten. Zweimal hat sie danach<br />
mit der Union regiert. Der privaten<br />
Krankenvollversicherung, <strong>die</strong><br />
<strong>die</strong> Sozialdemokraten so dringend<br />
abschaffen wollen, hat das wenig<br />
Abbruch getan. War<strong>um</strong> sollte es<br />
jetzt anders sein, wenn <strong>die</strong> geschr<strong>um</strong>pfte<br />
SPD unter Parteichef<br />
Martin Schulz allen anderen Bekundungen<br />
z<strong>um</strong> Trotz jetzt lieber<br />
doch mit Angela Merkel weiterregieren<br />
will? Indes kommt <strong>die</strong> Idee<br />
der <strong>Bürgerversicherung</strong> bei den<br />
Wählern gut an. Da mag es überraschen,<br />
dass Merkel hier noch<br />
nicht zugegriffen hat. Sie lässt es<br />
hoffentlich auch bleiben.“<br />
Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />
und führende Unions-Politiker<br />
waren <strong>die</strong> Adressaten eines gemeinsamen<br />
Schreibens von BÄK,<br />
BZÄK, KBV, das kurz vor Beginn<br />
der zweiten Son<strong>die</strong>rungsgespräche<br />
verfasst wurde. Die Zahnarzt Woche<br />
(dzw) zitierte am 10. Januar<br />
unter der Überschrift „Kein Systemwechsel<br />
durch <strong>die</strong> Hintertür“<br />
aus <strong>die</strong>sem Schreiben, in dem es<br />
<strong>um</strong> Einheitshonorare und <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
ging: „Anlass ist <strong>die</strong><br />
<strong>Diskussion</strong> einer ,möglichen Konvergenz<br />
der Vergütungssysteme<br />
für Leistungen der gesetzlichen<br />
und privaten Krankenversicherung‘.<br />
Eine einheitliche Gebührenordnung,<br />
so <strong>die</strong> Unterzeichner,<br />
sei wegen völlig unterschiedlicher<br />
Rahmenbedingungen privatärztlicher<br />
und vertragsärztlicher<br />
Tätigkeit unzulässig. Das Sachleistungs-<br />
und Pauschalierungsprinzip<br />
der gesetzlichen Krankenversicherungen<br />
könne dem<br />
ZBW 2/2018<br />
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Titelthema 13<br />
Kostenerstattungs- und Einzelleistungsprinzip<br />
der Privatmedizin<br />
nicht angeglichen werden. Für<br />
<strong>die</strong> medizinische wie <strong>die</strong> zahnmedizinische<br />
Versorgung gelten zwischen<br />
GKV und PKV grundlegend<br />
unterschiedliche Vergütungsprinzipien.“<br />
So sieht das auch Frank Ulrich<br />
Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer,<br />
der in einem Interview<br />
mit der Rheinischen Post<br />
am 10. Januar wahrhaft prophetische<br />
Worte fand: „Die SPD wird<br />
ihre Pläne für eine <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
nicht realisieren können –<br />
und schon gar nicht in einer Legislaturperiode.“<br />
Auf <strong>die</strong> Frage,<br />
wie sich unser Gesundheitssystem<br />
durch eine <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
verändern würde, antwortete er:<br />
„Es würde sich massiv verändern.<br />
Alles, was unser Gesundheitssystem<br />
qualitativ auszeichnet,<br />
läuft Gefahr zu verschwinden.<br />
Eine Umstellung würde zudem<br />
zu immensen Kosten führen. Bei<br />
der günstigsten Lösung würde<br />
der Beitragssatz in der gesetzlichen<br />
Krankenversicherung<br />
von heute durchschnittlich 15,7<br />
auf dann 16,7 Prozent steigen –<br />
nur für einen Systemwandel, der<br />
nichts in der Gesundheitsversorgung<br />
verbessert. Statt einem<br />
weißen Elefanten nachzurennen,<br />
muss eine Regierung <strong>die</strong> Probleme<br />
des Gesundheitssystems lösen, <strong>die</strong><br />
sich beispielsweise aus der demografischen<br />
Entwicklung ergeben<br />
und <strong>die</strong> im Personalmangel und<br />
der schlechten Bezahlung in der<br />
Pflege liegen.“<br />
Auch Befürwortern war schon<br />
lange klar, dass eine eventuelle<br />
Umsetzung der <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
schwierig sein würde, „selbst<br />
wenn <strong>die</strong> SPD sie von der Union<br />
als Morgengabe“ bekäme. Am 20.<br />
Dezember sagte <strong>die</strong> Ulmer Bundestagsabgeordnete<br />
und Sprecherin<br />
der Arbeitsgruppe Gesundheit<br />
der SPD-Bundestagsfraktion Hilde<br />
Mattheis in einem Interview<br />
mit der Südwest Presse, Ulm: „Ich<br />
kämpfe seit langem für eine <strong>Bürgerversicherung</strong>,<br />
aber ich kann Ihnen<br />
sagen: Das, was <strong>die</strong> Union zu<br />
geben bereit ist, wäre ein vergiftetes<br />
Geschenk. Da gäbe es wieder<br />
nur <strong>die</strong> Hälfte dessen, was wir<br />
fordern. Die Mehrheit in der Union<br />
will bei der Gesundheitsversorgung<br />
alles dem Markt überlassen<br />
und <strong>die</strong> Pflicht zur Daseinsvorsorge<br />
vergessen machen. Die <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
ist so ein komplexes<br />
Konstrukt, das nur richtig funktioniert<br />
und mehr Solidarität ins<br />
System bringt, wenn sie komplett<br />
<strong>um</strong>gesetzt wird.“<br />
„Christoph Eisenring, Berlin-<br />
Korrespondent der Neuen Zürcher<br />
Zeitung (NZZ) kommentierte unter<br />
der Überschrift „Das süsse Gift der<br />
Staatsmedizin“ am 6. Januar 2018:<br />
„Die Idee der ,<strong>Bürgerversicherung</strong>‘<br />
ist für <strong>die</strong> SPD ein Prestigeprojekt<br />
– und das seit vielen Jahren.<br />
An den derzeitigen Mängeln ändert<br />
sie jedoch nichts. […] Es ist schwer<br />
vorstellbar, dass <strong>die</strong> CDU/CSU in<br />
den Gesprächen mit der SPD eine<br />
180-Grad-Wende machen wird. Zur<br />
Disposition stehen könnte jedoch<br />
etwa der Zusatzbeitrag. Lust, <strong>die</strong> Voraussetzungen<br />
für mehr Wettbewerb<br />
im Gesundheitswesen zu schaffen,<br />
ist jedoch bei keinem der möglichen<br />
Koalitionäre zu erkennen.“<br />
Nach Beendigung der Son<strong>die</strong>rungsgespräche<br />
und dem Bekanntwerden<br />
des 28-seitigen Ergebnispapiers<br />
war rasch klar, dass mehr<br />
als <strong>die</strong> Rückkehr zur Parität bei der<br />
Finanzierung der GKV mit CDU/<br />
CSU nicht erreicht werden konnte.<br />
So war in den Badischen Neuesten<br />
Nachrichten vom 15. Januar<br />
zu lesen: „Martin Schulz muss<br />
jetzt viele genervte Genossen von<br />
der Großen Koalition überzeugen.<br />
Statt einer Verschmelzung der privaten<br />
und gesetzlichen Krankenversicherungen<br />
zu einer <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
ist nur <strong>die</strong> Rückkehr<br />
zur gleichteiligen Finanzierung<br />
durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer<br />
herausgesprungen.“<br />
Das rief <strong>die</strong> Gegner der GroKo<br />
auf den Plan, aber auch Genossen,<br />
<strong>die</strong> der Koalitionsbildung durchaus<br />
zugeneigt waren, forderten<br />
Nachbesserungen. Und so schrieb<br />
der Berliner Korrespondent der<br />
Ludwigsburger Kreiszeitung, Stefan<br />
Vetter, am 15. Januar unter der<br />
Überschrift „Viel erreicht“ einen<br />
Kommentar: „SPD-Vize Malu<br />
Dreyer und Vorstandsmitglied Michael<br />
Müller z<strong>um</strong> Beispiel wollen<br />
sich nicht damit abfinden, dass <strong>die</strong><br />
<strong>Bürgerversicherung</strong> nicht kommt.<br />
Ihre Partei hat sich allerdings auch<br />
nicht <strong>um</strong> ein schlüssiges Konzept<br />
dafür gekümmert. Erst nach den<br />
gescheiterten Jamaika-Verhandlungen<br />
kam das Schlagwort wieder<br />
zur Blüte, weil <strong>die</strong> SPD glaubte,<br />
damit eine plakative Forderung<br />
vergleichbar der des Mindestlohns<br />
zu landen. Doch während der<br />
Mindestlohn tatsächlich plakativ<br />
zu vermitteln war, ist <strong>die</strong> <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
eher ein abstraktes<br />
Unterfangen.“<br />
Diese Ansicht teilt auch der Spiegel-Kommentator<br />
Severin Weiland<br />
in seiner Analyse nach dem Sonderparteitag<br />
der SPD, der nur mit<br />
knapper Mehrheit für einen Beginn<br />
der Koalitionsverhandlungen<br />
votierte. Bereits am Abend des<br />
21. Januar war in der Online-Ausgabe<br />
zu lesen: „Die SPD hat in der<br />
Gesundheitspolitik darauf verzichtet,<br />
sich in Bonn größer zu machen<br />
als sie es als 20,5 Prozent-Partei<br />
derzeit ist. Das Wort vom Einstieg<br />
in ein Ende der Zwei-Klassen-<br />
Medizin offenbart, wie wenig <strong>die</strong><br />
Genossen an einen grundlegenden<br />
Systemwechsel und an ein Ende<br />
der privaten Krankenversicherung<br />
glauben. Das verschafft Merkel<br />
auch auf <strong>die</strong>sem Feld Spielra<strong>um</strong><br />
für mancherlei Kompromissvarianten.“<br />
D. Kallenberg<br />
» info@zahnarzteblatt.de<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
ZBW 2/2018
14<br />
Titelthema<br />
Sachverständiger Prof. Dr. Wolfgang Merk<br />
<strong>Bürgerversicherung</strong> „in weiten Teilen unklar“<br />
Wissen <strong>die</strong> politischen Akteure, wie komplex <strong>die</strong> Einführung einer<br />
<strong>Bürgerversicherung</strong> wäre? Und welche tiefgreifenden Konsequenzen<br />
sie für das hervorragende deutsche Gesundheitswesen hätte? Die<br />
SPD macht <strong>die</strong> <strong>Bürgerversicherung</strong> gerade urplötzlich zur Bedingung<br />
für eine große Koalition, obwohl sie im Wahlkampf „de facto keine<br />
Rolle“ gespielt habe, so der Gesundheitsexperte und Sachverständige<br />
Prof. Dr. Wolfgang Merk im Interview. Nun werde ohne Not „her<strong>um</strong>gedoktert“.<br />
in ländlichen Gebieten sichergestellt<br />
werden soll, bleiben völlig<br />
außen vor. Ich wage auch zu behaupten,<br />
dass der Großteil der<br />
politischen Akteure nicht einmal<br />
ansatzweise <strong>die</strong> Komplexität erahnt,<br />
<strong>die</strong> mit der Einführung eines<br />
solchen Systems einhergehen<br />
würde.<br />
Prognose. Prof. Dr. Wolfgang Merk prognostiziert gravierende Folgen einer <strong>Bürgerversicherung</strong>,<br />
vor allem für den ländlichen Ra<strong>um</strong> in Baden-Württemberg.<br />
ZBW: Herr Prof. Dr. Merk, im<br />
Wahlkampf wurde <strong>die</strong> <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
von den Parteien<br />
ka<strong>um</strong> thematisiert. Ist es für Sie<br />
als Experte erklärbar, dass <strong>die</strong><br />
<strong>Bürgerversicherung</strong> jetzt plötzlich<br />
zur roten Linie wird?<br />
Prof. Dr. Wolfgang Merk: Das<br />
überrascht mich sehr, weil das<br />
Thema <strong>Bürgerversicherung</strong> im<br />
Wahlkampf de facto keine Rolle<br />
gespielt hat und bei der Bevölkerung<br />
aktuell überhaupt nicht als<br />
Problem wahrgenommen wird.<br />
Über 80 Prozent der Deutschen<br />
schätzen <strong>die</strong> Gesundheitsversorgung<br />
als gut oder sehr gut<br />
ein. Außerdem verwundert mich,<br />
dass man eine rote Linie bei einem<br />
Konzept zieht, das in weiten<br />
Teilen in seinen Strukturen und<br />
Mechanismen – ungeachtet von<br />
erheblichen verfassungsrechtlichen<br />
Bedenken – völlig unklar<br />
ist. Die <strong>Bürgerversicherung</strong> ist<br />
eigentlich nur ein Schlagwort,<br />
hinter dem sich eine Vielzahl von<br />
unterschiedlichen Konzepten versteckt.<br />
Die Befürworter <strong>die</strong>ser<br />
Konzepte eint nur der Wunsch,<br />
dass das Gesundheitswesen<br />
zukünftig „gerechter“ finanziert<br />
werden soll. Wichtige und dringliche<br />
Fragen, etwa wie <strong>die</strong> ärztliche<br />
Versorgung der Bevölkerung<br />
Foto: Stollberg<br />
Woran liegt das und was sagt<br />
das über <strong>die</strong> politische Kultur<br />
aus?<br />
Es zeigt sich ja leider gerade,<br />
dass <strong>die</strong> parteipolitische Strategie<br />
offenbar für viele politische<br />
Entscheidungsträger wichtiger<br />
ist, als der konkrete Auftrag des<br />
Wählers. Ich fände es gut, wenn<br />
Politiker sich mehr als Problemlöser<br />
– wie Manager – für konkrete<br />
gesellschaftliche Probleme verstehen<br />
würden. Leider wird häufig<br />
durch ideologisch geprägte<br />
Konzepte <strong>die</strong> Realität ausgeblendet.<br />
Dadurch werden Sachverhalte<br />
zu Problemen gemacht, <strong>die</strong> von<br />
den meisten Menschen gar nicht<br />
als negativ empfunden werden<br />
vice versa. An Systemen, <strong>die</strong> vergleichsweise<br />
effizient funktionieren,<br />
wird so ohne Not „her<strong>um</strong>gedoktert“.<br />
Ob dann <strong>die</strong> geplanten<br />
Eingriffe tatsächlich eine Verbesserung<br />
des Systems bewirken,<br />
wird oft nur nebensächlich analysiert,<br />
Hauptsache man hat politischen<br />
Aktivismus gezeigt.<br />
Was würde es bedeuten, wenn<br />
sich <strong>die</strong> SPD bei Verhandlungen<br />
zu einer neuen Regierung mit<br />
der <strong>Bürgerversicherung</strong> durchsetzen<br />
würde?<br />
Das lässt sich schwer vorhersehen<br />
und hängt von der Ausgestaltung<br />
der <strong>Bürgerversicherung</strong> ab.<br />
Sicher würden sich <strong>die</strong> Finanzierungströme<br />
des Gesundheitswesens<br />
grundlegend ändern. Da <strong>die</strong><br />
gesetzlichen Krankenkassen sich<br />
de facto nicht unterscheiden,<br />
würde eine gesetzliche Einheits-<br />
ZBW 2/2018<br />
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Titelthema<br />
Buchtipp 15<br />
kasse entstehen. Weitergehende<br />
Leistungen müssten <strong>die</strong> darin<br />
Versicherten weiterhin selbst<br />
zahlen oder sich zusätzlich versichern.<br />
Wenn <strong>die</strong> bisher in der PKV<br />
Versicherten in <strong>die</strong> GKV müssen,<br />
zahlen sie dort einen einkommensabhängigen<br />
Beitrag. Die<br />
Leistungserbringer bekommen für<br />
<strong>die</strong> Behandlung der bisher PKV-<br />
Versicherten dann das Einheitshonorar,<br />
das sie für jeden GKV-<br />
Versicherten erhalten. Wie sich<br />
<strong>die</strong>s auf das Versorgungsgeschehen<br />
auswirkt lässt sich schwer<br />
vorhersagen. Jedenfalls würde<br />
aus Leistungserbringersicht der<br />
PKV-Mehr<strong>um</strong>satz, d. h. das Honorarplus<br />
eines Privatpatienten<br />
im Vergleich zu einem GKV-Versicherten<br />
erst einmal wegfallen.<br />
Was heißt das im Speziellen für<br />
uns hier in Baden-Württemberg?<br />
Ich kann mir beim besten Willen<br />
nicht vorstellen, dass sich durch<br />
eine Angleichung der Honorare<br />
und <strong>die</strong> Einführung einer einheitlichen<br />
Gebührenordnung junge Ärztinnen<br />
und Ärzte wieder vermehrt<br />
auf dem Land niederlassen werden.<br />
Das Gegenteil wird der Fall<br />
sein. Wenn in einer Landpraxis<br />
für <strong>die</strong> bisherigen Privatpatienten<br />
nur noch das GKV-Honorar bezahlt<br />
wird, gehen dort der Umsatz<br />
und der Gewinn deutlich nach<br />
unten. Das ohnehin imminente<br />
Problem, dass es junge Ärzte und<br />
Zahnärzte in <strong>die</strong> Stadt zieht und<br />
nicht aufs Land, wird dadurch verstärkt<br />
und nicht gelöst. Wer will<br />
schon auf dem Land eine Praxis<br />
übernehmen, wenn er dort weniger<br />
ver<strong>die</strong>nt als im Angestelltenverhältnis<br />
in der Stadt. Alles in<br />
allem sehe ich <strong>die</strong> ärztliche und<br />
zahnärztliche Versorgung im ländlichen<br />
Ra<strong>um</strong> extrem gefährdet.<br />
Und mit jeder Praxis, <strong>die</strong> nicht<br />
nachbesetzt werden kann, fallen<br />
zudem Helferinnenjobs weg.<br />
Politik lebt von Kompromissen.<br />
Stellen wir uns <strong>die</strong> Schlagzeile<br />
nach den Verhandlungen vor: „<strong>Bürgerversicherung</strong><br />
verhindert! Kompromiss<br />
einheitliche Gebührenordnung“<br />
– was wären <strong>die</strong> Folgen<br />
davon?<br />
Das kommt letztlich auf <strong>die</strong> Höhe<br />
der Honorare an. Wenn für den<br />
Leistungserbringer im Ergebnis<br />
nicht weniger Umsatz rauskommt,<br />
wäre ja alles gut. Das kann ich<br />
mir allerdings nicht vorstellen.<br />
Wahrscheinlich hätten wir wenige<br />
Gewinner und viele Verlierer. Die<br />
Behauptung, dass sich durch eine<br />
einheitliche Gebührenordnung eine<br />
bessere Versorgung ergeben würde<br />
und in Ermangelung anderer Alternativen<br />
insbesondere mehr Ärzte<br />
aufs Land streben, halte ich für<br />
Nonsens. Viel wahrscheinlicher ist<br />
doch, dass sich alle niedergelassenen<br />
Ärzte und Zahnärzte aufgrund<br />
der zu erwartenden geringeren Einnahmen<br />
mit Investitionen zunächst<br />
stark zurückhalten und dann versuchen,<br />
mit privat zu bezahlenden<br />
Zusatzleistungen ihre Umsatzrückgänge<br />
zu kompensieren.<br />
Wenn Sie jetzt tippen müssten:<br />
Wie geht das Ganze aus?<br />
Die weisesten Propheten äußern<br />
sich bekanntlich hinterher.<br />
Herr Prof. Dr. Merk, herzlichen<br />
Dank für das Gespräch.<br />
KZV BW<br />
Zur Person<br />
Prof. Dr. Wolfgang Merk ist Diplom-Betriebswirt<br />
(BA), Diplom-Ökonom,<br />
öffentlich bestellter<br />
und vereidigter Sachverständiger<br />
und Experte für <strong>die</strong><br />
Gesundheitswirtschaft und das<br />
Gesundheitswesen. In dem vom<br />
Vorstand der KZV BW zusammen<br />
mit der AG KZVen beauftragten<br />
Gutachten stellte Merk<br />
auf belastbarer Datengrundlage<br />
Prognosen zu den Auswirkungen<br />
einer <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
für <strong>die</strong> zahnmedizinische Versorgung:<br />
Im ländlichen Ra<strong>um</strong><br />
in Baden-Württemberg würden<br />
534 Zahnärzte und 2.350 Arbeitsplätze<br />
für Zahnmedizinische<br />
Fachangestellte in den<br />
nächsten zehn Jahren wegfallen.<br />
Quellen: wm-institut.de,<br />
KZV BW<br />
Wissenschaftliche Evidenz<br />
Handbuch Instr<strong>um</strong>entelle<br />
Funktionsanalyse<br />
Dieses auf wissenschaftlicher Evidenz<br />
gründende Werk behandelt<br />
<strong>um</strong>fassend und systematisch das<br />
Gebiet der zahnärztlichen instr<strong>um</strong>entellen<br />
Funktionsanalyse auf<br />
der Basis der Anwendung elektronischer<br />
Geräte. Die theoretischen<br />
Hintergründe werden ausführlich<br />
dargestellt und praxisorientierte<br />
Hinweise und Anleitung zur Anwendung<br />
der elektronischen Bewegungsanalyse,<br />
instr<strong>um</strong>entellen<br />
Okklusionsanalyse und Oberflächen-Elektromyographie<br />
der<br />
Ka<strong>um</strong>uskulatur gegeben. Durch<br />
<strong>die</strong> Präsentation vieler klinischer<br />
Fallbeispiele bleibt das im Werk<br />
Dargestellte nicht abstrakt, sondern<br />
findet <strong>die</strong> erforderliche Konkretisierung,<br />
<strong>die</strong> den Leser in <strong>die</strong><br />
Lage versetzt, das Gelesene in <strong>die</strong><br />
diagnostische und therapeutische<br />
zahnärztliche Entscheidungsfindung<br />
einzubinden. IZZ<br />
Alfons Hugger, Bernd Kordaß<br />
Handbuch Instr<strong>um</strong>entelle<br />
Funktionsanalyse und<br />
funktionelle Okklusion<br />
Wissenschaftliche Evidenz und<br />
klinisches Vorgehen<br />
1. Auflage 2017<br />
488 Seiten<br />
Quintessenz Verlags-GmbH<br />
ISBN 978-3-86867-378-4<br />
198 Euro<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
ZBW 2/2018
16<br />
Titelthema<br />
Die niederländische Gesundheitsreform<br />
Modell für staatlich regulierten Wettbewerb<br />
Nach 30 Jahren Planung und Vorbereitung wurde im Jahr 2006 in<br />
den Niederlanden eine grundlegende Änderung im Gesundheitssystem<br />
eingeführt: Die privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen<br />
für <strong>die</strong> rund 17 Millionen Einwohner fusionierten, es entstand<br />
ein privates System mit öffentlich-rechtlichen Merkmalen, eine Kombination<br />
aus <strong>Bürgerversicherung</strong> und Kopfpauschale. Der soziale<br />
Ausgleich erfolgt durch Steuermittel. Oft wird <strong>die</strong>ses Modell auch<br />
für Deutschland propagiert.<br />
Seit zwölf Jahren ist eine Krankenversicherung,<br />
auf Niederländisch<br />
„zorgverzekering“, Pflicht<br />
für jeden, der in den Niederlanden<br />
wohnt oder arbeitet. Die Krankenversicherung<br />
wird von privaten<br />
Gesellschaften angeboten,<br />
der Staat legt nur fest, was mindestens<br />
versichert sein muss und<br />
gibt einen Rahmen für <strong>die</strong> Höhe<br />
der Prämien vor. Dazu kommt ein<br />
nach dem Einkommen gestaffelter<br />
Betrag, der vom Arbeitgeber<br />
übernommen wird und rund 50<br />
Prozent der gesamten Beitragslast<br />
abdeckt. Selbstständige zahlen einen<br />
bestimmten Prozentsatz ihres<br />
Bruttoeinkommens; Einkommen<br />
aus Kapitalvermögen, Vermietung<br />
etc. sind, was <strong>die</strong> Basisversicherung<br />
angeht, beitragsfrei.<br />
Kollektivverträge. Wer bei einem<br />
niederländischen Unternehmen<br />
tätig ist, kann in vielen Fällen<br />
von einer „Collective Health Care<br />
Insurance“ profitieren, bei der <strong>die</strong><br />
Konditionen zwischen Arbeitgeber<br />
und Krankenversicherung<br />
individuell ausgehandelt werden.<br />
2008 kam ein Selbstbehalt dazu,<br />
der bei Inanspruchnahme von bestimmten<br />
Leistungen aus eigener<br />
Tasche bezahlt werden muss. Kinder<br />
bis 18 Jahre sind beitragsfrei<br />
versichert, für sie zahlt der Staat<br />
<strong>die</strong> Prämie aus Steuermitteln.<br />
Keine Zahnarztkosten. Das<br />
Leistungspaket der Basisversicherung<br />
ist nicht so <strong>um</strong>fangreich wie<br />
man es in Deutschland gewohnt<br />
ist. So werden z<strong>um</strong> Beispiel keinerlei<br />
Zahnarztkosten für Erwachsene<br />
(ab dem 18. Lebensjahr) übernommen.<br />
Möchte man einen weitreichenderen<br />
Versicherungsschutz<br />
für Zahnbehandlungen, bessere<br />
Leistungen in Krankenhäusern sowie<br />
Kuren mitversichern, gibt es<br />
zusätzliche Pakete. Die Versicherer<br />
können den Pauschalbeitrag<br />
für jede von ihnen angebotene Police<br />
selbst festlegen. Alter, der Gesundheitszustand<br />
oder <strong>die</strong> soziale<br />
Situation des Versicherten dürfen<br />
keine Rolle spielen. Alle, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />
gleiche Police haben, zahlen auch<br />
<strong>die</strong> gleichen Beiträge.<br />
Die Versicherten können jährlich<br />
den Anbieter wechseln und <strong>die</strong><br />
Krankenkassen dürfen niemanden<br />
ablehnen. Unterschiede zwischen<br />
den einzelnen Versicherern sind<br />
dabei natürlich möglich. So soll<br />
der Wettbewerb zwischen den vier<br />
großen und einigen kleinen Versicherungsgesellschaften<br />
gefördert<br />
und das Kostenbewusstsein der<br />
Versicherten geschärft werden.<br />
LUXEMBURG<br />
NIEDERLANDE<br />
DEUTSCHLAND<br />
SCHWEDEN<br />
FRANKREICH<br />
DÄNEMARK<br />
BELGIEN<br />
IRLAND<br />
ITALIEN<br />
SPANIEN<br />
TSCHECHIEN<br />
UNGARN<br />
Sachleistung oder Erstattung.<br />
Für <strong>die</strong> Pflicht-Basisversicherung<br />
gibt es unterschiedliche Modelle:<br />
Möglich sind sowohl Sachleistungen<br />
als auch <strong>die</strong> Kostenerstattung<br />
oder eine Kombination aus beidem.<br />
Bei einer Sachleistungspolice,<br />
<strong>die</strong> in der Regel billiger ist,<br />
schreibt der Versicherer vor, welche<br />
Gesundheits<strong>die</strong>nstleister in<br />
Anspruch genommen werden können.<br />
Die Versicherungen haben<br />
mit Ärzten und Krankenhäusern<br />
entsprechende Verträge geschlossen.<br />
Bei einer Erstattungspolice<br />
kann man unter allen Anbietern<br />
frei wählen. In manchen Fällen<br />
muss man allerdings <strong>die</strong> Behandlungskosten<br />
vorschießen, ehe man<br />
<strong>die</strong> Rechnung beim Krankenversicherer<br />
zur Erstattung einreichen<br />
kann. Notfallbehandlungen werden<br />
vollständig und ohne Rücksicht<br />
auf das jeweilige Krankenhaus<br />
erstattet.<br />
Prämienhöhe. Die Prämie für<br />
<strong>die</strong> Krankenversicherung (basisverzekering)<br />
wurde 2017 etwas<br />
erhöht und liegt derzeit bei rund<br />
1300 Euro im Jahr, <strong>die</strong> Selbstbeteiligung<br />
bei 385 Euro. Sie kann<br />
jedoch freiwillig bis auf 885 Euro<br />
erhöht werden, was zu einem geringeren<br />
Beitrag führt. Hat man in<br />
einem Kalenderjahr keine oder nur<br />
wenige Leistungen in Anspruch<br />
Ausgaben für Krankheit/Gesundheitsversorgung 2014<br />
Euro je Einwohner in ausgewählten Staaten (zu konstanten Preisen von 2010)<br />
1709<br />
1383<br />
920<br />
517<br />
3717<br />
3284<br />
3013<br />
2863<br />
2832<br />
2806<br />
2678<br />
4621<br />
Quelle: Eurostat (Stand 2017)<br />
ZBW 2/2018<br />
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Titelthema 17<br />
Quelle: in Anlehnung an Ministeri<strong>um</strong> für Gesundheit und Sport 2006<br />
Finanzierung des niederländischen Gesundheitssystems<br />
Arbeitgeber<br />
Staat<br />
Versicherte<br />
einkommensabhängiger Beitrag (ca. 50%)<br />
staatliche Zuschüsse (ca. 5 %)<br />
einkommensunabhängiger Beitrag (ca. 45%)<br />
Rechnungsbegleichung bei Kostenerstattungsoption/Beitragsrückerstattung<br />
Rechnungsbegleichung<br />
genommen, hat man Anrecht auf<br />
Beitragsrückzahlung. Zahlungsrückstände<br />
können zur Prämienerhöhungen<br />
oder z<strong>um</strong> Ausschluss<br />
führen. Bei geringem Einkommen<br />
ist es möglich, einen staatlichen<br />
Zuschuss zur Krankenversicherung<br />
zu bekommen. Er kann beim<br />
Finanzamt beantragt werden, richtet<br />
sich nach dem tatsächlichen<br />
Einkommen und betrug 2017 max.<br />
1056 Euro.<br />
Gesundheitsfonds. Das Finanzamt<br />
ist auch zuständig für <strong>die</strong><br />
Einziehung der einkommensabhängigen<br />
Beiträge bei den Unternehmen<br />
und <strong>die</strong> Einzahlung in den<br />
Krankenversicherungsfonds. Bei<br />
einem Jahreseinkommen von bis<br />
zu 30.000 Euro liegt der Beitrag<br />
bei 7,2 Prozent, für selbständige<br />
Arbeit bei 5,1 Prozent. Aus dem<br />
zentralen Gesundheitsfonds werden<br />
<strong>die</strong> Mittel an <strong>die</strong> einzelnen<br />
Versicherungsträger verteilt und<br />
<strong>die</strong> Risikoausgleichszahlungen<br />
vorgenommen. Der Fonds enthält<br />
keine Finanzreserven, Defizite<br />
trägt der Staat. Verwaltet wird<br />
der Fonds durch das Zorginstituut<br />
Nederland, das eine unabhängige<br />
Position zwischen dem Ministeri<strong>um</strong><br />
für Gesundheit, Soziales und<br />
Sport, den Krankenversicherern,<br />
den Gesundheits<strong>die</strong>nstleistern und<br />
Patienten einnimmt.<br />
Hausarztmodell. Der Besuch<br />
beim Hausarzt ist vom Selbstkostenbeitrag<br />
ausgenommen. Ein<br />
Wechsel des Hausarztes kann nur<br />
Krankenversicherungsfonds<br />
einschließlich RSA<br />
Krankenkassen<br />
Leistungsanbieter<br />
mit Zustimmung der Krankenkasse<br />
erfolgen. Wer sich eine freie<br />
Arztwahl sichern möchte, benötigt<br />
eine entsprechende Zusatzversicherung.<br />
Dem Hausarzt kommt<br />
neben der medizinischen Grundversorgung<br />
eine zentrale Rolle<br />
zu, denn er entscheidet, ob weitergehende<br />
Maßnahmen und eine<br />
Überweisung an einen Spezialisten<br />
notwendig sind. Fachärzte sind<br />
in den Niederlanden fast immer in<br />
einem Krankenhaus angesiedelt<br />
oder als behandelnde Ärzte mit<br />
einem Krankenhaus verbunden.<br />
Die Trennung von ambulanter und<br />
stationärer Versorgung ist nicht so<br />
strikt wie hierzulande, ambulante<br />
Facharzt-Versorgung findet oft in<br />
Polikliniken statt. Feste Regeln<br />
gelten auch für den Bezug von<br />
Medikamenten, für <strong>die</strong> im Rahmen<br />
der Reform eine Positivliste<br />
erstellt wurde. Außerdem muss<br />
sich jeder Versicherte für eine<br />
Apotheke entscheiden und sich<br />
dort einschreiben, was zu einer<br />
Transparenz der Medikation führt<br />
und auch hilft Doppelverordnungen<br />
zu verhindern.<br />
Übertragbarkeit. Wenn es <strong>um</strong><br />
<strong>die</strong> Übertragbarkeit des 2006 eingeführten<br />
niederländischen Systems<br />
auf das deutsche Gesundheitswesen<br />
geht, kann ein Blick in<br />
<strong>die</strong> Geschichte durchaus hilfreich<br />
sein. So hat es in den Niederlanden<br />
eine lange Tradition, dass sich<br />
der Staat im Gesundheitswesen<br />
zurückhält und privaten Akteuren<br />
das Feld überlässt.<br />
Nicht erst im 17. Jahrhundert,<br />
dem Goldenen Zeitalter, in dem <strong>die</strong><br />
Niederlande als führende Großund<br />
Kolonialmacht eine globale<br />
Vormachtstellung hatten, kümmerten<br />
sich wohlhabende Bürger<br />
<strong>um</strong> <strong>die</strong> schwächeren Glieder der<br />
Gesellschaft. Schon im Hoch- und<br />
Spätmittelalter gab es soziale Einrichtungen,<br />
in denen aus Mitteln<br />
der Bürgerschaft Kranke und Alte<br />
versorgt wurden.<br />
Historie. Der Calvinismus, der<br />
<strong>die</strong> Angehörigen der Oberschicht<br />
dazu anhielt, von ihrem Reicht<strong>um</strong><br />
Bedürftigen abzugeben, tat sein<br />
Übriges. In den Kaufmannsgilden<br />
des 17. Jahrhunderts entstanden<br />
<strong>die</strong> ersten Formen von solidarischen<br />
Krankenversicherungen, in<br />
<strong>die</strong> jedes Mitglied seinen Möglichkeiten<br />
entsprechend einzahlte.<br />
Diese Frühformen einer Versicherung<br />
erwiesen sich als sehr<br />
erfolgreich und hielten im Land<br />
der Grachten und Deiche bis in <strong>die</strong><br />
Zeit der Industrialisierung, als Gewerkschaften<br />
und karitative Organisationen<br />
sich der Werktätigen<br />
annahmen und erste Krankenkassen<br />
gründeten.<br />
Pflichtversicherung. 1940<br />
existierten 600 solcher Kassen,<br />
darunter Versicherungsvereine<br />
auf Gegenseitigkeit, Krankenversicherungen,<br />
<strong>die</strong> von Ärzten und<br />
Ärzteverbänden gegründet waren,<br />
Betriebskrankenkassen und<br />
private Krankenversicherer. Eine<br />
Pflicht zur Mitgliedschaft gab es<br />
allerdings nicht. Die wurde erst<br />
nach der Besetzung durch das<br />
nationalsozialistische Deutschland<br />
1940 eingeführt, <strong>die</strong> dem<br />
Land ein Krankenversicherungssystem<br />
Bismarckscher Prägung<br />
überstülpte. In der Nachkriegszeit<br />
wurde das System weiterentwickelt<br />
und es entstand der<br />
Ziekenfondswet (ZFW), der ambulante<br />
ärztliche Versorgung bei<br />
Haus- und Fachärzten, Arznei-,<br />
Heil- und Hilfsmittel und <strong>die</strong><br />
kurz- bzw. mittelfristige Versorgung<br />
im Krankenhaus abdeckte.<br />
Kosten für Pflege und langwierige<br />
Krankheiten waren darin nicht<br />
enthalten. Um <strong>die</strong>se „besonderen<br />
Krankheitskosten“ auf <strong>die</strong> Schul-<br />
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ZBW 2/2018
18<br />
Titelthema<br />
tern aller zu verteilen, wurde eine<br />
Pflichtversicherung, <strong>die</strong> Algemeen<br />
Wet Bijzonder Ziektekosten“<br />
(AWBZ) eingeführt, in <strong>die</strong> jeder<br />
niederländische Bürger seinem<br />
Einkommen entsprechend einzahlen<br />
musste. Doch das Nebenher<br />
von privaten und gesetzlichen<br />
Krankenkassen führte auch im<br />
Nachbarland zur Unzufriedenheit<br />
und zur Zwei-Klassen-Medizin,<br />
sodass man von Seiten der Regierung<br />
auf Abhilfe sann. Die Forderung<br />
nach mehr Wettbewerb und<br />
Effizienz im Gesundheitswesen<br />
stand im Ra<strong>um</strong>.<br />
Lange Vorbereitung. Mindestens<br />
drei Jahrzehnte an <strong>Diskussion</strong>en<br />
und Vorbereitungen gingen<br />
ins Land, in der Zeit wurden <strong>die</strong><br />
Verhältnisse angeglichen, indem<br />
man den gesetzlich vorgeschriebenen<br />
Leistungskatalog auszudünnen<br />
begann. So wurden <strong>die</strong><br />
Kosten für Zahnbehandlungen<br />
und kieferorthopädische Eingriffe<br />
bei über 18-Jährigen schon weit<br />
vor dem 1. Januar 2006 nicht mehr<br />
durch <strong>die</strong> gesetzliche Krankenversicherung<br />
abgedeckt. Um <strong>die</strong> Leistungserbringer<br />
mit ins Boot zu<br />
bekommen, wurden Arzthonorare<br />
für gesetzlich Versicherte erhöht,<br />
<strong>die</strong> Behandlung von Privatpatienten<br />
geringer vergütet, sodass sich<br />
Ende der 90er-Jahre <strong>die</strong> Erstattung<br />
für beide Patientengruppen angeglichen<br />
hatte. Außerdem war eine<br />
Privatversicherung für Besserver<strong>die</strong>nende<br />
kein Privileg, sondern<br />
ein Muss. Wer mit seinem Ver<strong>die</strong>nst<br />
über der Pflichtgrenze lag,<br />
musste sich privat krankenversichern,<br />
was erhebliche Mehrkosten<br />
mit sich bringen konnte.<br />
Reformbestrebungen. Dynamik<br />
ins System brachte ein Gutachten<br />
des Sociaal-Economische<br />
Raad (SER), einem dauerhaft installierten<br />
Gremi<strong>um</strong> zur Beratung<br />
der Regierung in Wirtschafts- und<br />
Sozialfragen. Er stellte zu Beginn<br />
<strong>die</strong>ses Jahrhunderts Forderungen<br />
nach einem Systemwechsel auf,<br />
<strong>die</strong> eine Vereinheitlichung des<br />
Versicherungsmarktes, eine Versicherungspflicht<br />
für <strong>die</strong> gesamte<br />
Bevölkerung, einen steuerfinanzierten<br />
Gesundheitszuschuss für<br />
Einkommensschwache und <strong>die</strong><br />
Privatisierung der Krankenkassen<br />
forderten. Umgesetzt wurden<br />
<strong>die</strong>se Vorschläge 2005 von einer<br />
Koalition aus Christdemokraten,<br />
konservativen Liberalen und<br />
Linksliberalen, <strong>die</strong> schließlich im<br />
zweiten Kabinett Balkenende eine<br />
Gesundheitsreform über <strong>die</strong> letzte<br />
Hürde hoben.<br />
Ausblick. Die Duisburger Gesundheitsexperten<br />
Jürgen Wasem<br />
und Stefan Greß waren sich<br />
vor zehn Jahren sicher, dass sich<br />
„auf dem Hintergrund der niederländischen<br />
Erfahrungen mögliche<br />
Kompromisslinien zeichnen<br />
lassen, <strong>die</strong> gleichzeitig <strong>die</strong><br />
Nachhaltigkeit der Finanzierung<br />
in der gesetzlichen Krankenversicherung<br />
erhöhen, Ungleichheiten<br />
im Zugang zur gesundheitlichen<br />
Versorgung beseitigen, Effizienzreserven<br />
erschließen und darüber<br />
hinaus politisch kompromissfähig<br />
sind“. Inzwischen aber merkt Gesundheitsökonom<br />
Greß etwas ernüchtert<br />
an, dass „<strong>die</strong> Einführung<br />
einer <strong>Bürgerversicherung</strong> das niederländische<br />
Gesundheitssystem<br />
auf keinen Fall billiger gemacht<br />
hat“.<br />
D. Kallenberg<br />
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Titelthema 19<br />
Die SPD mag zwar heute den Einstieg<br />
in <strong>die</strong> <strong>Bürgerversicherung</strong> fordern;<br />
diskutiert wird über eine Einheitsversicherung,<br />
<strong>die</strong> das bisherige<br />
System aus gesetzlicher und privater<br />
Krankenversicherung ablöst, schon<br />
seit mehr als zehn Jahren. Und <strong>die</strong><br />
<strong>Diskussion</strong>en dürften anhalten; das<br />
legen z<strong>um</strong>indest <strong>die</strong> Erfahrungen aus<br />
den Niederlanden nah. Dort wurde<br />
viele Jahrzehnte über eine einheitliche<br />
Versicherung für alle diskutiert,<br />
bis es endlich zu solch einer Reform<br />
kam. Und selbst als sich <strong>die</strong> großen<br />
Volksparteien Anfang der 90er-Jahre<br />
über den Systemwechsel einig waren,<br />
dauerte es noch mehr als 15 Jahre,<br />
bis <strong>die</strong> <strong>Bürgerversicherung</strong> 2006<br />
auch tatsächlich Realität wurde.<br />
Nicht nur was den Zeithorizont<br />
angeht, sollten <strong>die</strong> Politiker zur Orientierung<br />
einen Blick auf <strong>die</strong> Niederlande<br />
werfen. Die Erfahrungen von<br />
dort zeigen auch, dass der radikale<br />
Systemwechsel nicht gebracht hat,<br />
was seine geistigen Väter sich davon<br />
erwartet hatten. Und vor allem<br />
kommt aus dem Nachbarland im<br />
Westen auch eine Warnung: Denn<br />
der Systemwechsel hat <strong>die</strong> niederländischen<br />
Steuerzahler viel Geld<br />
gekostet.<br />
Zwar war <strong>die</strong> Situation in den Niederlanden<br />
vor der tiefgreifenden Reform<br />
eine völlig andere als hierzulande:<br />
Vor 2006 waren dort zwei Drittel<br />
der Menschen gesetzlich krankenversichert<br />
und ein Drittel privat. Anders<br />
als in Deutschland galt es dort<br />
als Privileg gesetzlich versichert zu<br />
sein: Ab einem gewissen Gehaltsniveau<br />
verloren Angestellte und<br />
Selbstständige das Recht darauf,<br />
vom staatlichen System versorgt zu<br />
werden; stattdessen mussten sie<br />
sich bei den privaten Versicherungen<br />
versichern. Tatsächlich flogen Angestellte<br />
häufig nach Gehaltserhöhung<br />
aus dem gesetzlichen System und<br />
mussten plötzlich viel höhere Prämien<br />
zahlen, <strong>die</strong> von Alter und Vorerkrankungen<br />
abhängig waren.<br />
Dieses System und sein Nebeneinander<br />
von gesetzlicher und privater<br />
Versicherung sorgte ähnlich<br />
wie hierzulande für Unverständnis.<br />
Hinzu kam ein weiteres Problem,<br />
das Privatversicherte hierzulande gut<br />
kennen: Zwischen den gesetzlichen<br />
Versicherungen in den Niederlanden<br />
herrschte zwar vor der Reform ein reger<br />
Wettbewerb <strong>um</strong> Mitglieder; unter<br />
den Privatversicherungen aber ka<strong>um</strong>.<br />
„Ein großer Teil der privat Versicherten<br />
steckte dort in einer Art Basistarif<br />
und für <strong>die</strong> gab es sogar überhaupt<br />
keinen Wettbewerb“, sagt Stefan<br />
Greß, Professor für Gesundheitsökonomie<br />
an der Hochschule Fulda. Eine<br />
Situation, <strong>die</strong> nicht ganz so extrem<br />
gewesen sei, wie <strong>die</strong> hierzulande.<br />
Von einer <strong>Bürgerversicherung</strong> versprachen<br />
sich <strong>die</strong> Volksparteien in<br />
den Niederlanden einen regen Wettbewerb<br />
<strong>um</strong> Mitglieder – nicht nur über<br />
günstigere Preise sondern auch über<br />
bessere Leistungen und innovativere<br />
Versorgungsmodelle. Schon wegen<br />
<strong>die</strong>ser Zielsetzung taugt das holländische<br />
Modell ka<strong>um</strong> als Blaupause für<br />
eine deutsche <strong>Bürgerversicherung</strong>.<br />
Trotzdem hat der Modellwechsel<br />
viele Lehren für Deutschland parat -<br />
insbesondere, wenn es dar<strong>um</strong> geht,<br />
Vorbild<br />
Niederlande?<br />
wie <strong>die</strong> Zustimmung für das neue<br />
Modell erkauft wurde: bei den privaten<br />
Versicherungen, den Ärzten –<br />
und bei den Bürgern.<br />
Der Widerstand gegen den geplanten<br />
Systemwechsel war Ende der<br />
80er-Jahre gewaltig und kam vorwiegend<br />
von den gleichen Gruppen wie<br />
hierzulande: Den privaten Krankenversicherungen,<br />
<strong>die</strong> <strong>um</strong> ihr Geschäft<br />
fürchteten und von den Ärzten. Um<br />
<strong>die</strong> Versicherungen für <strong>die</strong> Reform<br />
zu gewinnen, wählte <strong>die</strong> niederländische<br />
Politik eine pragmatische<br />
Lösung: In ihrer Variante der <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
sind alle Bürger privat<br />
versichert. Anders, sagen Experten,<br />
hätte sich das Projekt gegen den Willen<br />
der Versicherungen nicht durchsetzen<br />
lassen. Auch <strong>die</strong> Ärzte wurden<br />
mit mehr Geld überzeugt: Sie bekamen<br />
ab Anfang der 90er Jahre jedes<br />
Jahr etwas mehr Honorar für <strong>die</strong><br />
Behandlung gesetzlich Versicherter,<br />
während <strong>die</strong> Behandlung privater<br />
Patienten mit jedem Jahr ein wenig<br />
schlechter bezahlt wurde. Ende der<br />
90er-Jahre hatten sich <strong>die</strong> Erstattungen<br />
für beide Patientengruppen<br />
angeglichen.<br />
Teuer war <strong>die</strong>ser Schritt vor allem<br />
für <strong>die</strong> niederländischen Steuerzahler,<br />
denn <strong>die</strong> Politik hat <strong>die</strong> Mehrkosten<br />
für <strong>die</strong> höheren Arzthonorare vor<br />
allem über Steuerzuschüsse in der<br />
gesetzlichen Krankenversicherung<br />
gedeckt. Die Krankenkassenbeiträge<br />
sollten auf keinen Fall steigen,<br />
<strong>um</strong> <strong>die</strong> Wähler nicht zu vergrätzen.<br />
„Der Wechsel zur <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
führte für <strong>die</strong> niederländischen<br />
Steuerzahler zu Mehrbelastungen“,<br />
sagt Gesundheitsökonom Greß.<br />
„Die Regierung hat dabei sehr genau<br />
austariert, dass <strong>die</strong> meisten Versicherten<br />
durch <strong>die</strong> Reform finanziell<br />
sogar profitiert haben und nur ein<br />
geringer Teil Verluste erlitten hat.“<br />
Tatsächlich sind <strong>die</strong> Steuerzuschüsse<br />
in der niederländischen Krankenversicherung<br />
weit höher als etwa im<br />
deutschen System.<br />
„Die Einführung einer <strong>Bürgerversicherung</strong><br />
hat das niederländische<br />
Gesundheitssystem auf keinen Fall<br />
billiger gemacht“, sagt Gesundheitsökonom<br />
Greß. „Das war aber auch<br />
nicht das Ziel; das System sollte<br />
effizienter werden und den Versicherten<br />
durch mehr Wettbewerb<br />
zwischen den Versicherern bessere<br />
Leistungen bringen.“ In <strong>die</strong>ser Hinsicht<br />
hat <strong>die</strong> Reform allerdings bisher<br />
enttäuscht, sagt Greß.<br />
Das niederländische Gesundheitssystem<br />
ist eines der teuersten<br />
Gesundheitssysteme weltweit; in<br />
Europa geben nur noch Luxemburg,<br />
<strong>die</strong> Schweiz und Norwegen pro<br />
Kopf mehr für Gesundheit aus –<br />
und Deutschland. Dabei ist das<br />
niederländische System sehr viel<br />
kostenbewusster als das hiesige.<br />
Verantwortlich für <strong>die</strong> hohen Ausgaben<br />
pro Kopf ist dort vor allem der<br />
sehr große und teure Pflegesektor.<br />
Trotz der strengen Rationierung<br />
scheint das niederländische dem<br />
deutschen überlegen: Die Zahl der<br />
Todesfälle, <strong>die</strong> durch eine optimale<br />
Gesundheitsversorgung vermeidbar<br />
wären, ist in der EU nur noch<br />
in Luxemburg geringer – hierzulande<br />
ist sie dagegen weit höher. Die<br />
Niederländer sind zudem mit ihrem<br />
System hochzufrieden, in Bevölkerungsbefragungen<br />
gibt es ka<strong>um</strong><br />
Klagen darüber, dass es zu wenig<br />
Ärzte, Termine oder Krankenhauskapazitäten<br />
gebe.<br />
Tobias Kaiser, Wirtschaftsredakteur<br />
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Welt vom 20.12.2017<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
ZBW 2/2018
20<br />
Interview<br />
Ministerpräsident Winfried Kretschmann<br />
Innovative Ideen und beherztes Handeln<br />
zusammen mit den Berufsvertretungen<br />
Das deutsche Gesundheitssystem soll weltweit eines der besten<br />
bleiben – durch innovatives und beherztes Handeln der Akteure.<br />
Ministerpräsident Winfried Kretschmann betonte im Interview mit dem<br />
„Gesundheitstelegramm“: „Dies können wir nur zusammen mit den<br />
jeweiligen Berufsvertretungen schaffen.“ Im engen Schulterschluss<br />
mit den Krankenkassen, dem Landkreis- und dem Städtetag sowie<br />
mit dem Ministeri<strong>um</strong> für Soziales und Integration habe man „Maßstäbe<br />
bei der Zahngesundheitsförderung gesetzt“. Und weiter: „Aus den<br />
Selbstverwaltungen erhalten wir auch wichtige Impulse, <strong>um</strong> aus<br />
Baden-Württemberg <strong>die</strong> notwendigen Initiativen auf Bundesebene für<br />
<strong>die</strong> Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen einzubringen.“ Im<br />
Interview nimmt der Ministerpräsident Stellung zu den großen Themen<br />
in Baden-Württemberg und zu Schwerpunkten der Landesregierung<br />
für <strong>die</strong> Gesundheitspolitik.<br />
Zeiten. Viele Umbrüche fordern<br />
uns derzeit heraus: von der Globalisierung<br />
und Digitalisierung<br />
bis hin zur Flüchtlingskrise und<br />
dem Klimawandel. Sartre hat mal<br />
gesagt, vielleicht gäbe es schönere<br />
Zeiten, aber <strong>die</strong>se sei <strong>die</strong> unsere.<br />
Die gegenwärtigen Herausforderungen<br />
müssen wir annehmen,<br />
sie sind groß und machen nicht<br />
an parteipolitischen Grenzen halt.<br />
Eine Jamaika-Koalition im Bund<br />
hätte in <strong>die</strong>ser Hinsicht etwas<br />
Neues sein können – eine Koalition,<br />
in der <strong>die</strong> unterschiedlichen<br />
Partner <strong>die</strong> großen Aufgaben mit<br />
Verantwortungsbewusstsein fürs<br />
Land gemeinsam angehen. Eine<br />
Einigung wäre auch möglich gewesen,<br />
wenn alle <strong>die</strong>s gewollt<br />
hätten.<br />
Impulse. Im Interview hob Ministerpräsident Winfried Kretschmann den „guten Austausch<br />
mit den Vertretungen und Gremien der Selbstverwaltungen“ hervor. Aus den<br />
Selbstverwaltungen erhalte <strong>die</strong> Landesregierung „wichtige Impulse, <strong>um</strong> aus Baden-<br />
Württemberg <strong>die</strong> notwendigen Initiativen auf Bundesebene für <strong>die</strong> Weiterentwicklung<br />
der Versorgungsstrukturen einzubringen.“<br />
Es war ein aufgewühltes Jahr<br />
2017 – von dem Amtsantritt des<br />
neuen US-Präsidenten, über <strong>die</strong><br />
neue Mehrheitsverteilung im<br />
Bundestag mit sieben Parteien<br />
nach der Wahl bis hin z<strong>um</strong><br />
überraschenden Jamaika-Aus.<br />
Können wir uns berechtigte Hoffnungen<br />
machen, dass das Jahr<br />
2018 ein etwas weniger turbulentes<br />
wird?<br />
Kretschmann: Wir leben nun einmal<br />
in bewegten und turbulenten<br />
Foto: Staatsministeri<strong>um</strong> Baden-Württemberg<br />
Was werden <strong>die</strong> großen Themen<br />
für das Land Baden-Württemberg<br />
sein?<br />
Mit einer verlässlichen, zukunftsorientierten<br />
Politik wollen wir den<br />
Zusammenhalt unserer Gesellschaft<br />
stärken, <strong>die</strong> Innovationskraft<br />
unserer Wirtschaft ausbauen<br />
und einen wirksamen Beitrag<br />
für den Klima- und Artenschutz<br />
leisten. Dieser Dreiklang ist ja<br />
das Leitbild unserer Landesregierung.<br />
Für den gesellschaftlichen<br />
Zusammenhalt investieren wir<br />
etwa massiv in <strong>die</strong> Bildung, damit<br />
jeder junge Mensch unabhängig<br />
von Geldbeutel und der Herkunft<br />
seiner Eltern etwas aus seinem<br />
Leben machen kann. Auch <strong>die</strong> Integration<br />
der Flüchtlinge, <strong>die</strong> bei<br />
uns bleiben, ist eine wichtige Aufgabe,<br />
der wir uns intensiv widmen.<br />
Meine Landesregierung setzt da<br />
auf Fördern und Fordern: Wir unterstützen<br />
<strong>die</strong> Neuankömmlinge<br />
nach Kräften bei der Integration,<br />
aber wir verlangen auch Anstrengung<br />
und Integrationswillen. Damit<br />
Baden-Württemberg auch<br />
ZBW 2/2018<br />
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Interview 21<br />
in Zukunft wirtschaftlich spitze<br />
bleibt, stellen wir heute <strong>die</strong> notwendigen<br />
Weichen für den Erfolg<br />
von morgen. Mit einer <strong>um</strong>fassenden<br />
Strategie investieren wir rund<br />
eine Milliarde Euro in <strong>die</strong> Digitalisierung<br />
und bringen damit unter<br />
anderem <strong>die</strong> personalisierte<br />
Medizin voran. Auch mit unserem<br />
neu angelegten Strategischen<br />
Dialog zur Automobilwirtschaft –<br />
einem bundesweit einmaligen<br />
Format – sorgen wir dafür, dass<br />
<strong>die</strong> Transformation der Automobilwirtschaft<br />
z<strong>um</strong> Erfolg wird<br />
und das Auto der Zukunft aus<br />
Untertürkheim vom Band rollt.<br />
Und auch beim Klima- und Artenschutz<br />
übernehmen wir Verantwortung.<br />
Wir haben vor kurzem<br />
ein Sonderprogramm z<strong>um</strong> Erhalt<br />
der biologischen Vielfalt verabschiedet<br />
und investieren gezielt<br />
in <strong>die</strong> Energiewende.<br />
Wie sehen <strong>die</strong> Schwerpunkte der<br />
Landesregierung für <strong>die</strong> Gesundheitspolitik<br />
im Jahr 2018 aus?<br />
Das Ziel unserer Gesundheitspolitik<br />
ist eine möglichst nahtlose,<br />
bedarfsgerechte und wirtschaftliche<br />
Versorgung. Sie soll sich am<br />
Patienten und seiner Lebenswelt<br />
orientieren und verstärkt kommunal<br />
und regional mitgestaltet<br />
werden. Auf Landesebene haben<br />
wir deshalb eine Koordinierungsstelle<br />
zur sektorenübergreifenden<br />
Versorgung eingerichtet. Die<br />
entsprechenden Modellprojekte<br />
hierzu sind auf einem guten Weg.<br />
Gemeinsam mit ausgesuchten<br />
Landkreisen untersuchen wir dabei<br />
neue Ansätze der ambulanten<br />
und sektorenübergreifenden Versorgung.<br />
Die Ergebnisse werden<br />
2018 vorliegen und in <strong>die</strong> weitere<br />
Ausgestaltung der Versorgung in<br />
Baden-Württemberg einfließen.<br />
Im Bereich der stationären<br />
Versorgung wird das Land seiner<br />
Investitionsverantwortung gerecht<br />
und begleitet Landkreise<br />
und Krankenhausträger insbesondere<br />
mit Nutzung des Krankenhausstrukturfonds.<br />
Im Präventionsbereich<br />
werden bei der<br />
Umsetzung des Präventionsgesetzes<br />
ganz neue Impulse für das<br />
Land gesetzt. Nichts verändert<br />
<strong>die</strong> Gesellschaften außerdem<br />
radikaler als der immer schneller<br />
voranschreitende technologische<br />
Wandel. Diese Entwicklung ist<br />
natürlich auch im Gesundheitsund<br />
Pflegebereich angekommen.<br />
Die Digitalisierung in Medizin und<br />
Pflege kann dazu beitragen, eine<br />
hochwertige, flächendeckende<br />
und effiziente Versorgung der<br />
Bevölkerung auch zukünftig sicherzustellen.<br />
Deshalb stellt das<br />
Ministeri<strong>um</strong> für Soziales und Integration<br />
im Rahmen der Digitalisierungsstrategie<br />
des Landes<br />
digital@bw rund vier Millionen<br />
Euro für 14 digitale Projekte im<br />
Gesundheits- und Pflegebereich<br />
zur Verfügung. Bei allen ausgewählten<br />
Projekten steht immer<br />
der spürbare, ganz konkrete Nutzen<br />
für <strong>die</strong> Patientinnen und Patienten<br />
und im Pflegebereich für<br />
<strong>die</strong> pflegenden Angehörigen im<br />
Mittelpunkt. Die Gesunderhaltung<br />
der Bevölkerung ist in Baden-Württemberg<br />
ein zentrales<br />
Anliegen der Gesundheitspolitik.<br />
Gesundheitsförderung und Prävention<br />
sowie <strong>die</strong> Verbesserung<br />
der gesundheitlichen Chancengleichheit<br />
sind deshalb auch im<br />
Jahr 2018 ein Themenschwerpunkt.<br />
Welche Rolle spielt – Ihrer Ansicht<br />
nach – <strong>die</strong> Selbstverwaltung<br />
für <strong>die</strong> zukünftige Gesundheitsversorgung<br />
im Land?<br />
Ureigenste Aufgabe der Selbstverwaltung<br />
ist <strong>die</strong> organisierte<br />
Mitwirkung von Bürgerinnen und<br />
Bürgern bei Aufgaben, <strong>die</strong> gesetzlich<br />
definiert sind und <strong>die</strong> zu<br />
erfüllen im öffentlichen Interesse<br />
liegen. Unser Gesundheitssystem<br />
ist ja eines der besten weltweit.<br />
Damit <strong>die</strong>s auch so bleibt, braucht<br />
es auch innovative Ideen und beherztes<br />
Handeln. Dies können<br />
wir nur zusammen mit den jeweiligen<br />
Berufsvertretungen schaffen.<br />
Als Beispiel sei hier wieder<br />
<strong>die</strong> Zahngesundheit bei Kindern<br />
genannt. Die Landeszahnärztekammer<br />
Baden-Württemberg und<br />
<strong>die</strong> Kassenzahnärztliche Vereinigung<br />
Baden-Württemberg haben<br />
im engen Schulterschluss mit<br />
den Krankenkassen, dem Landkreis-<br />
und dem Städtetag sowie<br />
mit dem Ministeri<strong>um</strong> für Soziales<br />
und Integration ja Maßstäbe bei<br />
der Zahngesundheitsförderung<br />
gesetzt! Die Selbstverwaltungen<br />
der Zahnärztinnen und Zahnärzte<br />
wie auch der Ärztinnen und Ärzte<br />
und anderer Heilberufe sind wichtige<br />
Partner des Landes. Insofern<br />
pflegen ich und <strong>die</strong> gesamte Landesregierung<br />
einen guten Austausch<br />
mit den Vertretungen und<br />
Gremien der Selbstverwaltungen.<br />
Aus den Selbstverwaltungen erhalten<br />
wir auch wichtige Impulse,<br />
<strong>um</strong> aus Baden-Württemberg <strong>die</strong><br />
notwendigen Initiativen auf Bundesebene<br />
für <strong>die</strong> Weiterentwicklung<br />
der Versorgungsstrukturen<br />
einzubringen. Umgekehrt verstehen<br />
wir <strong>die</strong> Selbstverwaltungen<br />
im Gesundheitswesen auch als<br />
unsere Partner, <strong>um</strong> <strong>die</strong> politischen<br />
und rechtlichen Entscheidungen<br />
im Gesundheitswesen<br />
den jeweiligen Mitgliedern gut zu<br />
erklären und zu vermitteln.<br />
Herzlichen Dank für das Gespräch.<br />
<br />
KZV BW<br />
Gesundheitstelegramm<br />
Ein Start nach Maß: Anfang Januar<br />
konnten <strong>die</strong> Zahnärztinnen<br />
und Zahnärzte Baden-Württembergs<br />
topaktuell und exklusiv<br />
das Interview mit Ministerpräsident<br />
Winfried Kretschmann im<br />
neuen Gesundheitstelegramm<br />
der KZV BW lesen. Das wöchentlich<br />
erscheinende „GT“ bringt<br />
<strong>die</strong> relevanten Nachrichten und<br />
Informationen – aktuell, schnell,<br />
analysierend, kommentierend,<br />
gründlich recherchiert. Mit direktem<br />
Zugriff auf jeden einzelnen<br />
Beitrag: Sie lesen, was Sie<br />
interessiert. Das neue „GT“ ist<br />
eingebunden in das neue News-<br />
Portal der KZV BW, in dem auch<br />
das Rundschreiben der KZV BW<br />
und <strong>die</strong> Newsletter angeboten<br />
werden: https://news-portal.<br />
kzvbw.de.<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
ZBW 2/2018
22<br />
Fortbildung<br />
Systematische Parodontitisbehandlung<br />
Mikrobiologischer Nachweis<br />
parodontalpathogener Bakterien<br />
Die Parodontitis ist eine chronische Entzündung des Zahnhalteapparates, hervorgerufen von Bakterien,<br />
<strong>die</strong> in polymikrobiellen Biofilmen am Gingivarand bzw. in den parodontalen Taschen leben (8, 67).<br />
Charakteristisch ist der meist in Schüben verlaufende, fortschreitende Verlust von parodontalem<br />
Gewebe. Dieser ist das Resultat einer Immunantwort auf spezifische subgingivale Bakterienarten, sogenannte<br />
Parodontalpathogene (Abb. 1). Voraussetzung für den Beginn und das Fortschreiten der parodontalen<br />
Erkrankung ist das Auftreten mehrerer Faktoren zur selben Zeit: <strong>die</strong> Anwesenheit parodontalpathogener<br />
Bakterien, ein für sie günstiges lokales Milieu und <strong>die</strong> Anfälligkeit des Wirts (21).<br />
Bakterielle Dysbiose. Erkenntnisse aus den vergangenen<br />
Jahren verdeutlichen zunehmend <strong>die</strong> Rolle der Zellen<br />
des Immunsystems beim Übergang einer Gingivitis<br />
in eine Parodontitis. Dabei sind <strong>die</strong> Aufgaben von neutrophilen<br />
Granulozyten bei der Immunantwort deutlich<br />
vielfältiger als lange Zeit angenommen in Hinblick auf<br />
<strong>die</strong> Kommunikation mit anderen Zellen und ihr Zeitpunkt<br />
des Auftretens bei der Parodontitis. Man spricht<br />
heutzutage von einer Dysbiose des bakteriellen Biofilms<br />
anstelle einer Infektion (23).<br />
Die Bakterien leben in einem hoch organisierten Biofilm,<br />
wo sie von einer Matrix aus Proteinen, extrazellulären<br />
Polysacchariden und extrazellulärer DNA <strong>um</strong>hüllt<br />
und dadurch geschützt sind. Obwohl einzelne Spezies wie<br />
Porphyromonas gingivalis, Tannerella forsythia, Treponema<br />
denticola, Prevotella intermedia oder Fusobacteri<strong>um</strong><br />
nucleat<strong>um</strong> z<strong>um</strong> Teil stark mit Auftreten, Schweregrad<br />
und Verlauf einer Parodontitis assoziiert sind (siehe<br />
unten), handelt es sich nicht <strong>um</strong> eine spezifische Infektion<br />
einzelner Erreger. Vielmehr wird <strong>die</strong> Erkrankung durch<br />
eine „pathogene mikrobielle Gemeinschaft“ als Gesamtheit<br />
(„Gemeinschaft-als-Pathogen-Modell“) ausgelöst<br />
(57). Diese entwickelt sich auf der Grundlage einer mikrobiellen<br />
Dysbiose, d. h. einer Verschiebung weg von<br />
einer symbiotischen apathogenen Mikroflora hin zu einer<br />
dysbiotischen pathogenen Mikroflora (22). Der „mikrobielle<br />
Shift“ wird hervorgerufen durch eine Zunahme potenziell<br />
pathogener Spezies (bzw. der Expression bislang<br />
nicht aktiver Virulenzgene) oder/und durch eine Reduktion<br />
apathogener, also günstiger Bakterien.<br />
Abb. 1<br />
Klinisches Bild der Parodontitis<br />
Derartige Verschiebungen im Keimspektr<strong>um</strong> können<br />
durch eine Vielzahl exogener und endogener Faktoren<br />
ausgelöst werden. Eine wichtige Rolle spielt dabei das<br />
Immunsystem des Wirts. Die genetisch determinierte<br />
Intensität der Entzündungsantwort beeinflusst das lokale<br />
Milieu, beispielsweise über <strong>die</strong> Menge und Zusammensetzung<br />
der Gingivaflüssigkeit, und damit <strong>die</strong> Zusammensetzung<br />
der Mikroflora (69). Beobachtet wurde<br />
auch eine Assoziation zwischen parodontalpathogenen<br />
Bakterien und verschiedenen Herpesviren (Epstein-<br />
Barr-Virus, Cytomegalie-Virus) bei der Pathogenese der<br />
Parodontitis (54).<br />
Die lokalen Milieubedingungen in der Plaque bzw. in<br />
den parodontalen Taschen (Nährstoffangebot, Temperatur,<br />
pH, osmotischer Druck, Redoxpotenzial, Ionenkonzentration)<br />
beeinflussen <strong>die</strong> Zusammensetzung des<br />
Biofilms wie auch das pathogene Potenzial einzelner<br />
Bakterien (21, 36). Auch Lebensstil und Ernährungsverhalten<br />
können für <strong>die</strong> Entstehung einer Parodontitis eine<br />
Rolle spielen. So wurde bei Personen mit ungesunden<br />
Lebensgewohnheiten (Tabakrauchen, Alkoholkons<strong>um</strong>,<br />
geringe körperliche Aktivität, ungesunde Ernährung)<br />
signifikant häufiger eine generalisierte chronische Parodontitis<br />
festgestellt als bei Personen mit gesunden Lebensgewohnheiten<br />
(18). In einer anderen Stu<strong>die</strong> bewirkte<br />
eine vierwöchige Paleo-Diät eine Verschiebung der<br />
mikrobiellen Flora zugunsten nicht-parodontalpathogener<br />
Bakterien in der Plaque sowie der Reduktion der Besiedlung<br />
mit T. forsythia und A. actinomycetemcomitans<br />
im Bereich des Zungenrückens (3).<br />
Parodontalpathogene Markerkeime sind stets auf <strong>die</strong><br />
Anwesenheit eines bereits etablierten Biofilms angewiesen<br />
(63). Wird <strong>die</strong>ser Biofilm regelmäßig durch Mundhygiene<br />
entfernt, kann er nicht reifen und es fehlen<br />
<strong>die</strong> notwendigen Lebensbedingungen (z. B. anaerobe<br />
Atmosphäre) für das Wachst<strong>um</strong> parodontalpathogener<br />
Keime. Limitationen <strong>die</strong>ses Modells sind jedoch seltene<br />
Fälle, bei denen es trotz suffizienter Mundhygiene<br />
zu einem Fortschreiten der parodontalen Destruktion<br />
kommt. Neben dem individuellen und genetisch determinierten<br />
Immunsystem eines Patienten scheinen hierfür<br />
bestimmte Virulenzfaktoren der Parodontalpatho-<br />
ZBW 2/2018<br />
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Fortbildung 23<br />
Abb. 2<br />
Subgingivales Mikrobiom. Bakterielle Verteilung und Gruppierung des subgingivalen Mikrobioms (63). Besonders pathogene<br />
Erreger sind unterstrichen und dadurch optisch hervorgehoben: Porphyromonas gingivalis, Tannerella forsythia, Treponema<br />
denticola, Prevotella intermedia und Aggregatibacter actinomycetemcomitans.<br />
gene verantwortlich zu sein. In <strong>die</strong>sen Fällen kann der<br />
adjuvante Einsatz von Antibiotika notwendig werden. In<br />
<strong>die</strong>sem Artikel sollen <strong>die</strong> Indikationen für eine systemische<br />
antimikrobielle Therapie beschrieben werden. Ziel<br />
ist es den rationalen Einsatz von Antibiotika auf Basis<br />
einer mikrobiologischen Diagnostik darzustellen und<br />
<strong>die</strong> Einsatzmöglichkeiten für einen Bakteriennachweis<br />
im Rahmen der Parodontitistherapie zu erläutern. (41).<br />
Mikrobielle Flora in parodontalen Taschen. Es<br />
lassen sich knapp 700 verschiedene Bakterienarten in<br />
der menschlichen Mundhöhle nachweisen, davon können<br />
schätzungsweise 200 Arten in einem Individu<strong>um</strong><br />
vorkommen (14). Davon konnte bislang nur knapp <strong>die</strong><br />
Hälfte kultiviert und näher im Zusammenhang mit der<br />
Parodontitis charakterisiert werden. Der Großteil <strong>die</strong>ser<br />
Erreger lebt symbiotisch. Sie sind daher als physiologische<br />
Kommensalen zu bezeichnen. Nach heutigem<br />
Wissensstand gibt es lediglich einige wenige sogenannte<br />
„Leit- oder Markerkeime“ (Porphyromonas gingivalis,<br />
Tannerella forsythia, Treponema denticola, Prevotella<br />
intermedia und Aggregatibacter actinomycetemcomitans),<br />
<strong>die</strong> mit der Entstehung und Progression einer Parodontitis<br />
eng assoziiert sind (74) (Abb. 2). Alle Keime<br />
des subgingivalen Mikrobioms sind in fünf phylogenetisch<br />
eng verwandte Gruppen in einer Pyramide nach<br />
ihrer Häufigkeit angeordnet (63). Dieses Modell wurde<br />
durch <strong>die</strong> heutige Idee des dysbiotischen Biofilms teilweise<br />
überholt (23). Manche Spezies profitieren von sich<br />
verändernden Umweltbedingungen, wie beispielsweise<br />
einer Immunschwäche, und werden als opportunistische<br />
Erreger angesehen. Zu <strong>die</strong>sen Keimen gehört Aggregatibacter<br />
actinomycetemcomitans (26).<br />
Nach der Komplextheorie vollzieht sich <strong>die</strong> Ansiedlung<br />
von Parodontalpathogenen nach einer bestimmten<br />
Abfolge und in Form voneinander unterscheidbarer<br />
Bakterienkomplexe. Die Basis bilden Frühkolonisierer,<br />
hauptsächlich vergrünende Streptokokken (gelber Komplex)<br />
und Actinomyces spp. (blauer Komplex). Es handelt<br />
sich <strong>um</strong> grampositive, überwiegend aerobe Erreger,<br />
welche einen Teil der physiologischen Flora darstellen<br />
(9, 33, 65).<br />
Wird das immunologische Gleichgewicht durch Zunahme<br />
des bakteriellen Biofilms oder durch Störungen<br />
des Immunsystems verändert, verschiebt sich <strong>die</strong> mikrobielle<br />
Flora zugunsten gramnegativer anaerober Erreger<br />
(35). Der erste mit pathologischen Veränderungen<br />
assoziierte Komplex ist der „orange Komplex“. Dieser<br />
enthält gramnegative anaerobe Spezies mit einer moderaten<br />
bis hohen Pathogenität, wie Prevotella intermedia<br />
und Fusobacteri<strong>um</strong> nucleat<strong>um</strong>, und grampositive anaerobe<br />
Erreger wie Parvimonas micra (Abb. 2) (11, 12).<br />
Diese sogenannten „Brückenspezies“ sind Wegbereiter<br />
für <strong>die</strong> Besiedelung mit den hochpathogenen Bakterien<br />
des „roten Komplex“. Neben Treponema denticola und<br />
Tannerella forsythia ist es vor allem Porphyromonas gingivalis,<br />
der eine sehr hohe Pathogenität besitzt und über<br />
verschiedene Immunevasionsstrategien verfügt (26). So<br />
scheint P. gingivalis in der Lage zu sein, in Epithelzellen<br />
einzudringen (32, 53). Eine besondere Relevanz bei der<br />
Parodontitis hat darüber hinaus A. actinomycetemcomitans.<br />
Auf molekularer Ebene besitzt <strong>die</strong>ser Keim neben<br />
diversen Virulenzfaktoren vor allem ein sehr potentes<br />
Toxin (Leukotoxin) zur Abwehr weißer Blutkörperchen<br />
(Leukozyten) und anderer Komponenten des Immunsystems<br />
(1, 28). Zudem besitzt der Erreger <strong>die</strong> Fähigkeit zur<br />
Epithelzellinvasion und damit z<strong>um</strong> fakultativ intrazellulären<br />
Wachst<strong>um</strong>. In Kombination mit einem hoch organisierten<br />
bakteriellen Biofilm bietet <strong>die</strong>se Eigenschaft den<br />
Parodontitiserregern daher einen weiteren in vivo Schutz<br />
gegenüber äußeren Einwirkungen wie Antiseptika und<br />
antimikrobiellen Substanzen (64).<br />
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ZBW 2/2018
24<br />
Fortbildung<br />
a<br />
Abb. 3a<br />
b<br />
Abb. 3b<br />
Materialanlage und bakterielle Anzucht im mikrobiologischen<br />
Labor: (a) Materialanlage im mikrobiologischen Labor<br />
mit einem 3-Ösen-Ausstrich auf einer Schaedler-Platte.<br />
(b) Anaerobe Bebrütung im BD GasPak System über mindestens<br />
48 Stunden.<br />
Nicht jeder Träger von vermeintlich pathogenen<br />
Bakterien erkrankt jedoch an einer Parodontitis (71,<br />
74). Determinierend für <strong>die</strong> Parodontitis ist vielmehr<br />
eine Veränderung in der Zusammensetzung wie auch<br />
der Konzentration der Keime des subgingivalen Mikromilieus.<br />
So lassen sich beispielsweise deutlich<br />
mehr Keime des roten Komplexes in erkrankten als<br />
in gesunden Taschen nachweisen (62) (Abb. 2). Eine<br />
vollständige Elimination der pathogenen Keime ist<br />
daher für den Erfolg einer antimikrobiellen Parodontitistherapie<br />
weder notwendig noch möglich. Übergeordnetes<br />
Ziel ist vielmehr <strong>die</strong> Reduktion der Markerkeime<br />
(19).<br />
Die Komplextheorie ist nicht frei von offenen Fragen<br />
und Widersprüchen. So lassen sich parodontalpathogene<br />
Spezies wie P. gingivalis und T. forsythia häufig auch<br />
bei parodontal gesunden Personen isolieren (52). Untersuchungen<br />
mit verfeinerten molekularbiologischen<br />
Analyseverfahren deuten außerdem darauf hin, dass <strong>die</strong><br />
Diversität der subgingivalen Flora deutlich größer ist, als<br />
<strong>die</strong>s bisher bekannt war (36, 67). In einer anderen Stu<strong>die</strong><br />
war <strong>die</strong> Assoziation von bislang nicht beschriebenen<br />
Phylotypen (z. B. Deferribacteres, Bacteroidetes) mit<br />
chronischer Parodontitis z<strong>um</strong> Teil stärker als <strong>die</strong> von P.<br />
gingivalis und T. forsythia (31). Allerdings sind endgültige<br />
Aussagen über <strong>die</strong> Bedeutung vermeintlich neuer Parodontalpathogene,<br />
<strong>die</strong> bislang nur anhand von Genfragmenten<br />
identifiziert worden sind, erst möglich, wenn es<br />
gelingt <strong>die</strong>se zu kultivieren. Bis dahin sollte sich <strong>die</strong> mikrobiologische<br />
Diagnostik auf den Nachweis bekannter<br />
Parodontalpathogene wie P. gingivalis, T. forsythia und<br />
A. actinomycetemcomitans mithilfe anerkannter Analyseverfahren<br />
stützen.<br />
Mechanische Therapie. Die Grundlage jeder erfolgreichen<br />
parodontalen Therapie ist eine optimale häusliche<br />
Mundhygiene des Patienten. Solange der Patient<br />
nicht über <strong>die</strong> Ursachen der Erkrankung aufgeklärt und<br />
keine Demonstration und Instruktion der Mundhygienehilfsmittel<br />
durch Fachpersonal erfolgt ist, sollte nicht<br />
mit der Parodontaltherapie begonnen werden (46). Dazu<br />
gehört es auch, eine hygienefähige Situation für den Patienten<br />
durch Füllungstherapie oder Entfernung überstehender<br />
Restaurationsränder zu schaffen.<br />
Leichte und moderate Verlaufsformen der chronischen<br />
Parodontitis lassen sich auf <strong>die</strong>ser Basis sowie<br />
einer anschließenden gründlichen mechanischen antiinfektiösen<br />
Behandlung erfolgreich therapieren (58). Mechanisches<br />
Debridement der Wurzeloberfläche zerstört<br />
den komplexen mikrobiellen Biofilm und stellt <strong>die</strong> Basis<br />
einer jeden Parodontitistherapie dar (46). Gleich effektiv<br />
ist es, Handinstr<strong>um</strong>ente sowie Schall- bzw. Ultraschallinstr<strong>um</strong>ente<br />
zu nutzen (68). Die Anwendung von<br />
maschinellen Instr<strong>um</strong>enten ist insgesamt jedoch zeitsparender<br />
(10). Zur Unterstützung können Antiseptika,<br />
a<br />
b<br />
Abb. 4a<br />
Abb. 4b<br />
Mischflora. Prinzip der Subkultivierung einer anaeroben Mischflora: (a) Angezüchtete anaerobe Mischflora nach 2-tägiger<br />
Bebrütung auf Schaedler-Agar. (b) Subkultivierung der verschiedenen Erreger und Herstellung einer Reinkultur.<br />
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Fortbildung 25<br />
wie z. B. Spülungen mit Chlorhexidindiglukonat oder<br />
ätherischen Ölen eingesetzt werden. Hierdurch werden<br />
Reinfektionen nach der Therapie vermieden. Eine<br />
detaillierte Beschreibung findet sich im „One-stagefull-mouth-disinfection“-Konzept<br />
nach Quirynen et al.<br />
(48). Dieses sieht neben einer vollständigen geschlossenen<br />
Therapie innerhalb von 24 bis 48 Stunden eine<br />
Desinfektion der Tonsillen, des Zungenrückens und<br />
wiederholte Taschenspülung durch Chlorhexidindiglukonat<br />
vor. Da Antiseptika den Biofilm im Gegensatz zur<br />
mechanischen Therapie nicht von der Zahnoberfläche<br />
ablösen bzw. dessen Integrität zerstören, können sie jedoch<br />
das Scaling und Root Planing nicht ersetzen (6,<br />
13).<br />
Abb. 5a<br />
Abb. 5b<br />
Erregeridentifizierung mittels MALDI-TOF (Matrix–Assistierte Laser–Desorption–Ionisierung (MALDI) mit Flugzeitanalyse<br />
(engl. time of flight, TOF)): Die Speziesidentifikation der Erreger erfolgt im modernen mikrobiologischen Labor durch<br />
<strong>die</strong> Massenanalyse von bakteriellen Zellwandbestandteilen. Die Bakterienkolonien werden auf einer Matrix aufgebracht.<br />
Ein gepulster Laser-Strahl verdampft <strong>die</strong> Bakterien. Die Zellwandbestandteile werden so desorbiert und ionisiert. Die so<br />
geladenen Molekülbruchstücke können in einem Massenspektrometer beschleunigt und ihre jeweilige TOF auf einem Detektor<br />
registriert werden. Es entstehen keimspezifische Spektren, <strong>die</strong> Rückschlüsse auf den jeweiligen Erreger erlauben.<br />
a<br />
b<br />
c<br />
d<br />
e<br />
f<br />
Abb. 6a-f<br />
Resistenztestung durch Bestimmung der Minimalen Hemmkonzentration (MHK): Beispielhafte Resistenztestung von<br />
Porphyromonas spp. (a-c) bzw. Aggregatibacter spp. (d-e) mittels E (Epsilometer)-Testung unter anaeroben Bedingungen.<br />
Bei Porphyromonas spp. werden nach aktuellen EUCAST (European Committee on Antimicrobial Susceptibility Testing)-<br />
Empfehlungen (2017) MHKs ≤ 4 µg/ml für alle drei getesteten Antibiotikagruppen als sensibel bewertet (a) Amoxicillin/Clavulansäure<br />
(AUG, MHK = 0.016 µg/ml, sensibel), (b) Metronidazol (MTZ, MHK = 0.016 µg/ml, sensibel), (c) Clindamycin (CD,<br />
MHK < 0.016 µg/ml, sensibel). Für Aggregatibacter spp. gibt es gegenwärtig keine offiziellen EUCAST-Empfehlungen. Für <strong>die</strong><br />
verwandte Spezies Kingella spp. wird eine AUG MHK ≤ 2 µg/ml als sensibel gewertet. Hieraus ergibt sich folgende Resistenzbewertung:<br />
(d) AUG MHK = 0.5 µg/ml, sensibel, (e) MTZ MHK > 256 µg/ml, resistent, (f) CD MHK > 256 µg/ml, resistent.<br />
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26<br />
Fortbildung<br />
a<br />
b<br />
c<br />
d<br />
Abb. 7a-d<br />
DNA-Extraktion aus den Taschenprobenstreifen und praktische Durchführung der real-time Polymerasekettenreaktion<br />
(PCR). (a) Mittels des Nexttec DNA Isolation Systems wird <strong>die</strong> vorhandene bakterielle DNA aus dem Probenstreifen in 50<br />
µl Elutionspuffer gelöst. (b) Zur Amplifikation der bakteriellen DNA aus den parodontalen Taschen werden neben der eluierten<br />
Patientenprobe (1), erregerspezifische Primer (hier P. intermedia (P.i.) und T. forsythia (T.f.)) (2), passende keimspezifische<br />
fluoreszierende TaqMan-Sonden (hier P.i.-Sonde gekoppelt mit Cy5 und T.f.-Sonde gekoppelt mit FAM) (3) sowie<br />
PCR-Puffer, Nukleotide und DNA-Polymerase (4) verwendet. (c) Die Amplifikation der bakteriellen DNA erfolgt im Bio-Rad<br />
iQ5 Thermocycler. (d) Zur Auswertung der real-time PCR <strong>die</strong>nt anschließend <strong>die</strong> Bio-Rad iQ5-Software.<br />
Die Grenzen der rein mechanischen Therapie liegen<br />
sowohl bei schweren chronischen und aggressiven Verlaufsformen<br />
der Parodontitis wie auch bei Parodontitis in<br />
Kombination bzw. auf dem Boden von immunsupprimierenden<br />
Systemerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus oder<br />
HIV (43)). Ursächlich hierfür sind – ähnlich wie oben<br />
dargestellt – Keime, <strong>die</strong> sich der mechanischen Therapie<br />
entziehen (16, 63, 73). Gesteigert wird der Therapieerfolg<br />
durch eine begleitende systemische Antibiotikatherapie<br />
(37, 49, 61). Jedoch ist der komplexe und hoch organisierte<br />
Biofilm gegenüber äußeren Einflüssen, wie auch<br />
Antibiotika, sehr widerstandsfähig (17). Die mechanische<br />
Desintegration des Biofilms erhöht <strong>die</strong> Wirksamkeit der<br />
antimikrobiellen Therapie (29). Daher sollten Antibiotika<br />
immer additiv und nicht alternativ zur mechanischen Therapie<br />
eingesetzt werden. Der beste Zeitpunkt für den Beginn<br />
der Einnahme ist der letzte Behandlungstag der mechanischen<br />
Therapie (30, 38), entweder am Morgen des<br />
Behandlungstages oder direkt im Anschluss an <strong>die</strong> Therapie.<br />
Eine adjuvante Antibiotikatherapie kann in schweren<br />
Fällen zudem den weiteren chirurgischen Therapiebedarf<br />
verringern oder gänzlich vermeiden (40).<br />
Bakterieller Erregernachweis. Der mikrobiologische<br />
Erregernachweis ermöglicht <strong>die</strong> Bestimmung der mikrobiellen<br />
Flora und liefert – in Abhängigkeit des Testverfahrens<br />
– eine qualitative oder quantitative Angabe der<br />
vorliegenden Erreger. Das labordiagnostische Ergebnis<br />
differenziert jedoch nicht zwischen einer chronischen<br />
und aggressiven Parodontitis (39, 55). Diagnostisch und<br />
therapeutisch entscheidend hierfür sind zunächst einmal<br />
das klinische Bild, <strong>die</strong> spezielle Anamnese und der röntgenologische<br />
Befund des Patienten. Die daraus abgeleitete<br />
Diagnose kann, je nach Art und Schweregrad der Erkrankung,<br />
eine Indikation zur Keimlastbestimmung liefern.<br />
Eine gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft<br />
für Parodontologie (DG Paro) und der Deutschen<br />
Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde<br />
(DGZMK) empfiehlt eine mikrobiologische Diagnostik<br />
bei folgenden Diagnosen (5):<br />
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Fortbildung 27<br />
• Aggressive Parodontitis<br />
• Generalisierte schwere chronische Parodontitis<br />
• Therapieresistente Parodontitiden, bei denen es trotz<br />
adäquater mechanischer Therapie zu fortschreitendem<br />
Attachmentverlust kommt<br />
• Schwere Parodontitiden in Verbindung mit systemischen<br />
Erkrankungen (z. B. Diabetes, Immunsuppression)<br />
Sollte das Testergebnis trotz offensichtlicher klinischer<br />
Befunde negativ ausfallen, könnte <strong>die</strong>s daran<br />
liegen, dass bislang nicht kultivierbare und daher nicht<br />
näher identifizierte Mikroorganismen an der Krankheitsentstehung<br />
beteiligt sind. Weitere Möglichkeiten<br />
bestehen in einer dysregulierten Immunantwort, einer<br />
genetischen Prädisposition oder Defekten im Bereich<br />
des Kollagen- oder Knochenmetabolismus.<br />
Das Ergebnis der mikrobiologischen Tests hilft bei der<br />
Entscheidung, ob und mit welchem Wirkstoff eine adjuvante<br />
antimikrobielle Therapie notwendig ist. Zudem ist<br />
es sinnvoll, nach Abschluss der antiinfektiösen Therapie<br />
erneut eine mikrobielle Diagnostik durchzuführen, <strong>um</strong><br />
den Therapieerfolg zu überprüfen (15, 60). Dafür ist, wie<br />
bereits erwähnt, nicht immer eine vollständige Elimination<br />
der Keime notwendig. In vielen Fällen ist bereits<br />
eine Reduktion der Keimlast ausreichend.<br />
Im Falle eines Therapiemisserfolgs, bei klinisch persistierender<br />
Entzündung und progre<strong>die</strong>ntem Attachmentverlust,<br />
kann unter Umständen eine weitergehende<br />
mikrobiologische Diagnostik mit Erregeranzucht und<br />
Resistenztestung versucht werden. Zuvor sollte allerdings<br />
sichergestellt werden, dass nicht eine unterbliebene<br />
oder fehlerhafte Einnahme der Antibiotika durch den<br />
Patienten für den ausbleibenden Therapieerfolg verantwortlich<br />
ist.<br />
Labordiagnostische Testverfahren. Es existieren<br />
verschiedene Testverfahren z<strong>um</strong> Nachweis der Erreger<br />
des subgingivalen Mikrobioms, <strong>die</strong> mit ihren Vorund<br />
Nachteilen im Folgenden erläutert werden sollen.<br />
Kultur. Grundsätzlich besteht <strong>die</strong> „eher theoretische“<br />
Möglichkeit, Bakterien aus parodontalen Taschen kulturell<br />
anzuzüchten. Dies gilt insbesondere für <strong>die</strong> fünf<br />
Markerkeime der Parodontitis (P. gingivalis, T. forsythia,<br />
T. denticola, P. intermedia und A. actinomycetemcomitans).<br />
Da es sich größtenteils <strong>um</strong> obligat anaerobe<br />
Keime handelt, können hierzu in der bakteriologischen<br />
Routinediagnostik Flüssignährme<strong>die</strong>n (Thioglycolat-<br />
Boullion: enthält u. a. Kasein- und Sojapeptone, Glucose,<br />
B-Vitamine, Hämin und Vitamin K1) sowie Festnährme<strong>die</strong>n<br />
(Schaedler-Agar mit Schafblut, Schaedler-<br />
Kanamycin-Vancomycin-Agar mit Schafblut) verwendet<br />
werden. Antibiotikazusätze im Agarmedi<strong>um</strong> <strong>die</strong>nen<br />
der Keimselektion durch Hemmung des Wachst<strong>um</strong>s von<br />
fakultativ anaeroben gramnegativen Stäbchen (Kanamycin)<br />
bzw. obligat anaeroben grampositiven Stäbchen<br />
(Vancomycin). Aufgrund der Probenabnahme aus den<br />
parodontalen Taschen mittels eines Papierstreifens ist<br />
eine initiale kulturelle Anzucht mittels Drei-Ösen-Ausstrich<br />
(Abb. 3a) grundsätzlich nicht möglich. Stattdessen<br />
müssen <strong>die</strong> Erreger zunächst in einem Thioglycolat-Flüssignährmedi<strong>um</strong><br />
angezüchtet werden, <strong>um</strong> sie anschließend<br />
auf Festnährme<strong>die</strong>n zu subkultivieren. Dieses<br />
Prozedere schränkt <strong>die</strong> Quantifizierbarkeit der Erreger<br />
ein. Die Kultur der Festnährme<strong>die</strong>n erfolgt zudem stets<br />
unter anoxischen Bedingungen in einem Anaerobiertopf<br />
(Abb. 3b) für mindestens weitere 48 Stunden. Mit <strong>die</strong>sen<br />
Verfahren können <strong>die</strong> verschiedenen Keime nun visuell<br />
durch ihre unterschiedlichen Wachst<strong>um</strong>scharakteristika<br />
(Kolonieform und -farbe) unterschieden werden (Abb.<br />
4a). Einzelkolonien werden dann weiter zur Herstellung<br />
einer Reinkultur auf einem frischen Festnährmedi<strong>um</strong><br />
subkultiviert (Abb. 4b). Mittels MALDI-TOF (Matrix-<br />
Assistierte Laser-Desorption-Ionisierung (MALDI) mit<br />
Flugzeitanalyse (engl. time of flight, TOF) lässt sich anschließend<br />
<strong>die</strong> Erregerspezies identifizieren (Abb. 5a, b).<br />
Zudem bietet <strong>die</strong> bakterielle Anzucht <strong>die</strong> Möglichkeit<br />
der Resistenztestung mittels E-Testung (Epsilometer-<br />
Testung). Exemplarisch wurde hier eine Resistenztestung<br />
für Porphyromonas spp. (Abb. 6a, b, c) bzw.<br />
Aggregatibacter spp. (Abb. 6d, e, f) durchgeführt. Im<br />
Vergleich zu Porphyromonas spp. zeigt sich bei Aggregatibacter<br />
spp. eine Resistenz gegenüber Metronidazol<br />
(MTZ) und Clindamycin (CD) durch ein Keimwachst<strong>um</strong><br />
bis zu einer Antibiotikakonzentration von 256 µg/<br />
ml (Abb. 6e, f). Zusammenfassend ist <strong>die</strong> kulturelle<br />
Erregeranzucht jedoch sehr aufwändig, langwierig und<br />
kostenintensiv. Sie bleibt daher nur ausgewählten, speziellen<br />
Fragestellungen vorbehalten. Darüber hinaus ist<br />
präanalytisch zu berücksichtigen, dass anaerobe Keime<br />
sehr schnell in Kultur gebracht werden müssen, da sie<br />
andernfalls bereits auf dem Transport absterben. Zudem<br />
können kulturell nur etwa 50 Prozent der oralen Mikrobiota<br />
angezüchtet werden (42, 45).<br />
Molekularbiologische Verfahren. Im Gegensatz zur<br />
kulturellen Erregeranzucht, <strong>die</strong> schnelle Transportzeiten<br />
z<strong>um</strong> Nachweis viabler Erreger voraussetzt, basieren<br />
molekularbiologische Testverfahren der fünf Parodon-<br />
Abb. 8<br />
Auswertung der real-time PCR-Ergebnisse: Das Ergebnisdiagramm<br />
gibt <strong>die</strong> für jeden Keim bestimmte Erregermenge<br />
in Bezug auf <strong>die</strong> untersuchte Probe an. Keimzahlen<br />
kleiner 100 Bakterien je Probe befinden sich unterhalb der<br />
Nachweisgrenze (< 1 x 10 2 ). Keimzahlen > 1 x 10 10 liegen<br />
oberhalb des linearen Messbereichs und können daher<br />
nicht mit der nötigen Genauigkeit angegeben werden.<br />
Abkürzungen: A. a.: Aggregatibacter actinomycetemcomitans,<br />
P.g.: Porphyromonas gingivalis, T.f.: Tannerella forsythia,<br />
P.i.: Prevotella intermedia, T.d.: Tannerella denticola.<br />
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28<br />
Fortbildung<br />
Teststreifen eluiert. Vorhandene RNA wird durch Zusatz<br />
von RNase A verdaut (Abb. 7a). Die isolierte bakterielle<br />
DNA wird anschließend mit einer Multiplex<br />
Polymerasekettenreaktion (PCR) amplifiziert. Hierbei<br />
werden (wie in <strong>die</strong>sem Fall für P. intermedia und T.<br />
forsythia dargestellt) je zwei Zielsequenzen gleichzeitig<br />
mittels spezifischer Primer vervielfältigt (Abb. 7b).<br />
Die PCR-Reaktion besteht dazu aus drei Schritten: (1)<br />
Denaturierung der DNA-Doppelstränge (bei ca. 95 °C),<br />
(2) Primerhybridisierung (Annealing) an den DNA-Eina<br />
b<br />
c<br />
Polymerasekettenreaktion. Molekularbiologische Grundlagen der real-time Polymerasekettenreaktion (PCR): PCR-Amplifikate<br />
werden mittels Hybridisierungssonden nachgewiesen. (a) Im Nativzustand sind sowohl das Fluorophor (hier Cy5 (Cy5-<br />
Succinimidylester)) wie auch der Quencher (hier BHQ-2) an <strong>die</strong> DNA-Hybridisierungssonde gebunden. Hierdurch wird <strong>die</strong><br />
eine Lichtemission bei fluoreszenzoptischer Anregung des Fluorophors verhindert. (b) Während der DNA-Amplifikation bindet<br />
<strong>die</strong> Hybridisierungssonde komplementär an den entstehenden DNA-Einzelstrang. (c) Der DNA-Einzelstrang wird durch <strong>die</strong><br />
DNA-Polymerase – ausgehend von den sequenzspezifischen 16S rRNA (ribosomale RNA) Gen Primerbindungsstellen – z<strong>um</strong><br />
DNA-Doppelstrang vervollständigt. Hierzu nutzt <strong>die</strong> DNA-Polymerase <strong>die</strong> im Master Mix vorhandenen Nukleotide. Im Bereich<br />
der Hybridisierungssonde löst <strong>die</strong> DNA-Polymerase durch ihre 5‘→3‘ Exonukleaseaktivität den Quencher von der Sonde. Bei<br />
passender fluoreszenzoptischer Anregung des Fluorophors (hier 647 nm, rotes Licht) kann nun in Abwesenheit des Quenchers<br />
eine entsprechende Lichtemission (hier bei 662 nm, dunkelrotes Licht) stattfinden und vom Thermocycler detektiert werden.<br />
d<br />
e<br />
Abb. 9a-e<br />
(d) Bei der PCR erfolgt eine exponentielle Amplifikation der DNA-Zielsequenz und damit ein exponentieller Anstieg der Fluoreszenzintensität<br />
des PCR-Produktes. Je mehr bakterielle DNA in der Patientenprobe ursprünglich vorhanden war, desto schneller<br />
steigt <strong>die</strong> Fluoreszenzstärke der neu synthetisierten DNA über einen gerätespezifischen Schwellenwert (dunkelblaue bis grüne<br />
Kurven). Der sogenannte Ct-Wert (Threshold Cycle) ermittelt sich dann als Schnittpunkt der PCR-Amplifikationskurve mit dem<br />
Schwellenwert (i. d. R. Werte zwischen 10 und 35). (e) Über eine Standardkurve (bei bekannter Keimzahl (bzw. Kopienanzahl<br />
des amplifizierten Zielgens) lässt sich so <strong>die</strong> Keimzahl (Kopienzahl) jedes beliebigen Ct-Werts errechnen.<br />
titiserreger (P. gingivalis, T. forsythia, T. denticola, P.<br />
intermedia und A. actinomycetemcomitans) auf dem<br />
Nachweis polymorpher, hochspezifischer Gensequenzen<br />
(Internal Transcribed Spacer (ITS)) im Bereich der<br />
16S rDNA (ribosomale Desoxyribonukleinsäure) des<br />
bakteriellen Genoms. Da bakterielle DNA relativ stabil<br />
ist, können <strong>die</strong> Erreger auch noch nach vielen Tagen problemlos<br />
auf einem Papierteststreifen detektiert werden.<br />
Initial wird hierzu <strong>die</strong> bakterielle DNA als gepoolter<br />
Probenansatz mittels verschiedener Lysepuffer vom<br />
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Fortbildung 29<br />
Abb. 10a<br />
Abb. 10b<br />
Probenentnahme und Probentransport. Die Probenentnahme erfolgt mittels einer sterilen Papierspitze aus der entzündeten<br />
Zahntasche (a). Z<strong>um</strong> Probentransport des Papierstreifens wird <strong>die</strong>ser in ein steriles 2 ml Reagenzgefäß überführt und<br />
in einem gepolsterten Brief<strong>um</strong>schlag mit den entsprechenden Begleitscheinen zur Probenidentifikation (Patientendaten,<br />
Angaben zur Klinik) versendet (b).<br />
zelstrang (bei ca. 65 °C) sowie (3) Elongation des DNA-<br />
Einzelstrangs mittels DNA-Polymerase z<strong>um</strong> DNA-Doppelstrang<br />
(bei ca. 70 °C). Durchgeführt wird <strong>die</strong>se Reaktion<br />
in kleinen Reaktionsgefäßen in einem Thermocycler<br />
(Abb. 7c). Um das entstehende PCR-Produkt sichtbar<br />
zu machen, werden während der DNA-Neusynthese fluoreszierende<br />
Farbstoffe in das PCR-Produkt integriert.<br />
Mit zunehmender Produktmenge nimmt <strong>die</strong> – mittels<br />
einer Auswertsoftware sichtbar gemachte – Fluoreszenz<br />
exponenziell zu. Am Ende der PCR-Reaktion (nach Verbrauch<br />
der PCR-Reagenzien) flacht <strong>die</strong> Fluoreszenzintensitätskurve<br />
langsam ab (sigmoidaler Kurvenverlauf)<br />
(Abb. 7d, linke obere Grafik). Um Rückschlüsse auf <strong>die</strong><br />
in der Probe vorhandene Keimmenge (blaue Kurven)<br />
ziehen zu können, werden für jeden Erreger vordefinierte<br />
PCR-Ansätze mit Lysaten bekannter bakterieller<br />
Konzentrationen von ATCC (American Type Culture<br />
Collection)-Referenzstämmen der jeweiligen Markerkeime<br />
mitgeführt (grüne Kurven) (Abb. 7d linke obere<br />
Grafik). Durch mathematische Transformation (lineare<br />
Regression) lässt sich so anhand der Kurvenverläufe <strong>die</strong><br />
in der Probe vorhandene Erregermenge errechnen (Abb.<br />
7d rechte obere Graphik) sowie benutzer- und einsenderfreundlich<br />
als Balkendiagramm im Arztbrief grafisch<br />
darstellen (Abb. 8). Für ein besseres Verständnis sind <strong>die</strong><br />
molekularbiologischen bzw. mathematischen Grundlagen<br />
der real-time PCR sowie der linearen Regression in<br />
Abb. 9 genauer dargestellt (42).<br />
Probenentnahme und Präanalytik. Zur Bestimmung<br />
der bakteriellen Besiedlung können subgingivale<br />
Proben mithilfe dünner Papierstreifen entnommen und<br />
mittels einer sterilen Pinzette in einem Transportröhrchen<br />
für den Versand verpackt werden (Abb. 10a, b).<br />
Der bestmögliche Zeitpunkt für <strong>die</strong> Probenentnahme<br />
aus den parodontalen Taschen ist <strong>die</strong> Hygienephase. Dadurch<br />
wird gewährleistet, dass das Ergebnis des Tests<br />
z<strong>um</strong> Abschluss der Initialtherapie vorliegt. Die meisten<br />
kommerziellen Testsysteme bieten zur Gewinnung der<br />
Proben sterile Papierspitzen an (Abb. 10b). Die Probenentnahme<br />
sollte – soweit möglich – aus den am schwersten<br />
erkrankten Stellen eines jeden Quadranten erfolgen<br />
(20, 60). Da <strong>die</strong> Mundhöhle nicht primär steril ist, empfiehlt<br />
es sich, <strong>die</strong> Probenentnahmestelle zuvor supragingival<br />
zu reinigen und mit Watterollen trockenzulegen.<br />
Hierdurch werden <strong>die</strong> Kontamination mit der oberflächlichen<br />
Keimflora sowie ein unerwünschter Keimverdünnungseffekt<br />
der Erreger aus der Tasche durch Speichel<br />
minimiert. Die Papierspitze wird zügig und möglichst<br />
weit apikal in <strong>die</strong> Tasche eingebracht und dort für ca.<br />
10 bis 20 Sekunden belassen (Abb. 10a). Anschließend<br />
wird <strong>die</strong> Papierspitze wieder aus der Tasche entfernt und<br />
mit den anderen Papierspitzen in ein Transportröhrchen<br />
gegeben (Abb. 10b). Da <strong>die</strong> relative Erregerlast an pathogenen<br />
Keimen therapieentscheidend ist, erfolgt <strong>die</strong><br />
Bestimmung der Bakterienmenge gepoolt (34).*<br />
Antimikrobielle Therapieansätze. Eine effiziente<br />
antimikrobielle Therapie unterstützt das Immunsystem<br />
in der Erregerelimination. Sie reduziert nicht nur den<br />
parodontalpathogenen Anteil der subgingivalen Flora,<br />
sondern unterstützt auch <strong>die</strong> Verschiebung von einer<br />
dysbiotischen zu einer symbiotischen Mikroflora und<br />
damit <strong>die</strong> Etablierung eines „gesunden“ subgingivalen<br />
Ökosystems. Man unterscheidet zwischen bakteriziden<br />
(direkte Abtötung der Erreger) und bakteriostatischen<br />
Antibiotika (Hemmung des Keimwachst<strong>um</strong>s). Da <strong>die</strong><br />
kommensale bakterielle Normalflora vorwiegend aus<br />
grampositiven, aeroben Bakterien besteht und es sich<br />
bei den pathogenen Bakterien mehrheitlich <strong>um</strong> gramnegative<br />
Anaerobier handelt, sollte <strong>die</strong> Antibiotikatherapie<br />
nach Möglichkeit so konzipiert sein, dass <strong>die</strong><br />
*Interessenskonflikte. Das Labor für Orale Mikrobiologie der<br />
Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie und des<br />
Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene am Universitätsklinik<strong>um</strong><br />
Ulm bietet einen PCR-Erregernachweis auf<br />
parodontalpathogene Bakterien an.<br />
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30<br />
Fortbildung<br />
physiologische Standortflora nicht zerstört wird. Die<br />
unkritische Verordnung von Breitbandantibiotika birgt<br />
das Risiko der Selektion multiresistenter Erreger (z. B.<br />
MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus),<br />
MRGN (Multiresistente gramnegative Erreger)), vor<br />
allem, wenn zu kurz oder zu niedrig dosiert wird. Der<br />
Einsatz von Breitbandantibiotika ist daher auf ein Minim<strong>um</strong><br />
zu reduzieren. Zudem ist eine ausreichende Dosierung<br />
und Therapiedauer (sieben bis 18 Tage) notwendig,<br />
<strong>um</strong> mögliche Resistenzbildungen zu vermeiden. Die<br />
Compliance des Patienten wird durch eine <strong>um</strong>fassende<br />
Information über Therapiedauer und mögliche Nebenwirkungen<br />
erhöht. Eine selektive Antibiose reduziert<br />
das Risiko von Nebenwirkungen und wirkt sich damit<br />
günstig auf <strong>die</strong> Compliance und letztendlich den Therapieerfolg<br />
aus. Die bei der systemischen Parodontitistherapie<br />
eingesetzten Antibiotika sind nun im Folgenden<br />
näher charakterisiert.<br />
Wirkstoffgruppen. Metronidazol ist ein bakterizides<br />
Antibiotik<strong>um</strong> aus der Gruppe der Nitroimidazole und<br />
Antibiotik<strong>um</strong> der ersten Wahl. Mechanistisch hemmt es<br />
<strong>die</strong> Nukleinsäuresynthese anaerober Bakterien. Es hat<br />
daher eine sehr gute Wirksamkeit gegen Parodontitiserreger<br />
wie T. forsythia, P. gingivalis, P. intermedia und<br />
F. nucleat<strong>um</strong> (47). Da Anaerobier auch <strong>die</strong> überwiegende<br />
Standortflora des Magen-Darm-Traktes ausmachen,<br />
sind in drei Prozent der Fälle gastrointestinale Nebenwirkungen<br />
(Erbrechen, Durchfall, Übelkeit) möglich<br />
(7). A. actinomycetemcomitans ist gegenüber Metronidazol<br />
resistent (vgl. hierzu auch Abb. 6e).<br />
Gute Wirksamkeit gegenüber A. actinomycetemcomitans<br />
besitzen Amoxicillin bzw. Ciprofloxacin. Das Aminopenicillin<br />
Amoxicillin ist ein halbsynthetisches Penicillin-Derivat<br />
mit bakterizider Wirkung (Antibiotik<strong>um</strong><br />
der 1. Wahl). Mechanistisch inhibiert es <strong>die</strong> bakterielle<br />
Zellwandpeptidoglycansynthese. Hauptnebenwirkungen<br />
sind makulöse Exantheme sowie gastrointestinale<br />
Nebenwirkungen (jeweils 5 bis 20 Prozent der Fälle).<br />
Ciprofloxacin hemmt mechanistisch <strong>die</strong> bakterielle<br />
DNA-Topoisomerase II (bakterielle Gyrase). Der Wirkstoff<br />
aus der Gruppe der Fluorchinolone wirkt ebenfalls<br />
bakterizid. Ciprofloxacin besitzt eine breite Wirkung<br />
im grampositiven und gramnegativen Bereich, und<br />
wirkt auch gegen Mykobakterien. Es <strong>die</strong>nt jedoch nur<br />
als Antibiotik<strong>um</strong> der zweiten Wahl bei nachgewiesener<br />
Penicillinallergie. Eine Monotherapie bei Infektion mit<br />
obligaten Anaerobiern muss vermieden werden. Hauptnebenwirkungen<br />
sind ebenfalls gastrointestinale Nebenwirkungen<br />
(6 Prozent der Fälle) sowie zentralnervöse<br />
Reaktionen. Eine bestehende Schwangerschaft stellt<br />
eine absolute Kontraindikation dar (7).<br />
Doxycyclin ist ein bakteriostatisch wirksames Tetracyclin-Derivat.<br />
Mechanistisch hemmt Doxycyclin <strong>die</strong><br />
bakterielle Proteinbiosynthese. Das Breitbandantibiotik<strong>um</strong><br />
hat jedoch nur eine eingeschränkte Effektivität<br />
gegenüber den Markerkeimen der Parodontitis. Aus<br />
<strong>die</strong>sem Grund zählt Doxycyclin als Antibiotik<strong>um</strong> der<br />
dritten Wahl. Nebenwirkungen sind ggf. Übelkeit bzw.<br />
Photosensibilisierung (7). Unter dem Handelsnamen Ligosan<br />
© ist Doxycyclin seit einigen Jahren in Deutschland<br />
auch als lokales Antibiotik<strong>um</strong> erhältlich. Neue therapeutische<br />
Ansätze aus den USA nutzen <strong>die</strong> Wirkung<br />
von Doxycyclin bei niedriger Dosierung gegenüber den<br />
Matrix-Metalloproteinasen (kollagenabbauenden Enzymen).<br />
In <strong>die</strong>ser Dosierung (20 mg/Tag) ist es nicht antibiotisch<br />
wirksam und wird so in der Langzeittherapie<br />
gegen <strong>die</strong> körpereigene Immunabwehr eingesetzt. Mit<br />
guten klinischen Ergebnissen ist das Präparat in den<br />
USA unter dem Handelsnamen Periostat © erhältlich<br />
(56). In Deutschland ist <strong>die</strong>se „low-dose“ Therapie für<br />
<strong>die</strong> Parodontitistherapie jedoch noch nicht zugelassen.<br />
Clindamycin gehört zur Gruppe der Lincosamide.<br />
Mechanistisch inhibiert Clindamycin <strong>die</strong> bakterielle<br />
Proteinbiosynthese. Gefürchtetste Nebenwirkung ist <strong>die</strong><br />
pseudomembranöse Enterocolitis hervorgerufen durch<br />
Clostridi<strong>um</strong> difficile (7, 66). Aufgrund seiner guten<br />
Knochengängigkeit und seinem breiten Wirkspektr<strong>um</strong><br />
findet es in der Zahnmedizin in Deutschland sehr häufige<br />
Anwendung. In der Parodontologie ist <strong>die</strong>s jedoch<br />
nicht der Fall. Lediglich auf T. forsythia wirkt es bakteriostatisch.<br />
Daher beschränkt sich der Einsatz von Clindamycin<br />
auf Allergien gegen <strong>die</strong> Antibiotika der ersten,<br />
zweiten und dritten Wahl. Ein relativ neues Antibiotik<strong>um</strong><br />
in der Parodontitistherapie stellt Azithromycin aus<br />
der Gruppe der Makrolide dar. Die antimikrobielle Effektivität<br />
<strong>die</strong>ses Antibiotik<strong>um</strong>s bei gleichzeitiger geringer<br />
Plasmakonzentration und geringen gastrointestinalen<br />
Nebenwirkungen lässt es zu einer sehr guten Alternative<br />
werden (44). Azithromycin weist eine sehr gute<br />
Wirksamkeit gegen Actinomyces spp. sowie eine mäßige<br />
Wirksamkeit gegen Spirochäten (Campylobacter spp.,<br />
Treponema spp.), Anaerobier und Peptostreptokokken<br />
auf. Mechanistisch hemmt Azithromycin, das zur Gruppe<br />
der Makrolide gezählt wird, <strong>die</strong> bakterielle Proteinbiosynthese<br />
(Translokationsinhibitor) (7). Vergleichsstu<strong>die</strong>n<br />
zwischen Azithromycin und einer Metronidazol/Amoxicillin<br />
Kombinationstherapie zeigen ähnliche<br />
Ergebnisse hinsichtlich klinischer Parameter wie BOP,<br />
Attachmentgewinn und signifikant bessere Ergebnisse<br />
zur alleinigen geschlossenen Therapie (27, 51). Neben<br />
der antimikrobiellen Wirksamkeit wird ein immunmodulierender,<br />
antiinflammatorischer Effekt diskutiert (2,<br />
7). Hinzu kommt eine verkürzte und vereinfachte Einnahmedauer<br />
für den Patienten. Weitere Stu<strong>die</strong>n werden<br />
jedoch nötig sein, <strong>um</strong> <strong>die</strong> positiven Effekte von Azithromycin<br />
zu untermauern. Nichtsdestotrotz stellt es eine<br />
gute Alternative mit geringen Nebenwirkungen zu den<br />
„klassischen“ Antibiotikaregimen dar.<br />
Wahl des Wirkstoffes und Dosierung. Dem gezielten<br />
Einsatz von Antibiotika im Rahmen der Parodontitistherapie<br />
kommt – wie oben ausgeführt – eine große<br />
Bedeutung zu. Der Nachweis der Parodontalpathogene<br />
in der subgingivalen Mikroflora hilft bei der Auswahl<br />
geeigneter Antibiotika und der Reduktion des Einsatzes<br />
von Breitbandantibiotika. Bei Nachweis von Keimen des<br />
orangen und des roten Komplexes (Abb. 2) – ohne den<br />
gleichzeitigen Nachweis von A. actinomycetemcomitans –<br />
ist Metronidazol das Antibiotik<strong>um</strong> der ersten Wahl. Bei<br />
zusätzlichem Nachweis von A. actinomycetemcomitans<br />
sollte additiv Amoxicillin bzw. bei Vorliegen einer Peni-<br />
ZBW 2/2018<br />
www.zahnaerzteblatt.de
Fortbildung 31<br />
cillinallergie Ciprofloxacin verschrieben werden. Diese<br />
als „Van Winkelhoff-Cocktail“ bezeichnete Wirkstoffkombination<br />
liefert sehr gute klinische Ergebnisse (72).<br />
Allerdings besitzen beide Wirkstoffe zusammen ein<br />
deutlich breiteres Wirkspektr<strong>um</strong> als Metronidazol alleine,<br />
schädigen <strong>die</strong> physiologische Standortflora und sollten<br />
daher nur gezielt eingesetzt werden.<br />
Doxycyclin ist aufgrund möglicher Nebenwirkungen<br />
als Therapiemittel der dritten Wahl anzusehen. Der<br />
Einsatz von Clindamycin sollte in der Parodontologie<br />
vermieden werden.<br />
Eine gemeinsame wissenschaftliche Stellungnahme<br />
der DGMZK (Deutsche Gesellschaft für Zahn-,<br />
Mund- und Kieferheilkunde) und DG PARO (Deutsche<br />
Gesellschaft für Parodontologie) empfiehlt zusammenfassend<br />
folgende Therapiestrategien und Antibiotikadosierungen<br />
(4):<br />
• Auftreten von Markerkeimen des orangen bzw. orange-assoziierten<br />
Komplexes und des roten Komplexes:<br />
Metronidazol 3 x 400 mg über sieben Tage<br />
• Auftreten von Markerkeimen des orangen bzw. orange-assoziierten<br />
Komplexes und des roten Komplexes<br />
+ A. actinomycetemcomitans: Metronidazol 3 x 400<br />
mg + Amoxicillin 3 x 500 mg über sieben Tage. Bei<br />
Penicillinunverträglichkeit: Metronidazol 2 x 500 mg<br />
+ Ciprofloxacin 2 x 250 mg über sieben Tage oder<br />
Azithromycin 1 x 500 mg über drei Tage<br />
• Auftreten von A. actinomycetemcomitans alleine (sehr<br />
selten): Amoxicillin 3 x 500 mg über 14 Tage. Bei Penicillinunverträglichkeit:<br />
Ciprofloxacin 2 x 250 mg<br />
über zehn Tage<br />
• Bei Unverträglichkeiten/Resistenzen als Mittel der<br />
dritten und vierten Wahl: Doxycyclin 1 x 200 mg am<br />
ersten Tag, anschließend 1 x 100 mg über 18 Tage. Alternativ:<br />
Clindamycin 4 x 300 mg über sieben Tage<br />
Fazit. Der molekularbiologische Nachweis des mikrobiologischen<br />
Keimspektr<strong>um</strong>s kann in der Parodontitistherapie<br />
eine wichtige und hilfreiche therapeutische<br />
Entscheidungshilfe darstellen. Eine antimikrobielle<br />
Therapie begleitend zu mechanischen antiinfektiösen<br />
Maßnahmen kann in schweren chronischen oder<br />
aggressiven Fällen bessere klinische Erfolge liefern<br />
(24, 61). Dadurch wird das Ausmaß ergänzender parodontalchirurgischer<br />
Maßnahmen verringert (40). Die<br />
qualitative und quantitative Bestimmung der Parodontalpathogene<br />
ermöglicht eine keimspezifische Antibiotikatherapie<br />
sowie ein Therapiemonitoring. Neben den<br />
herkömmlichen klinischen Parametern: Bleeding on<br />
Probing (BOP) und Son<strong>die</strong>rungstiefe (ST) ergibt sich für<br />
den Behandler somit eine dritte Säule zur Abschätzung<br />
des Therapieerfolges. Der weitaus wichtigste Grund für<br />
<strong>die</strong> gezielte mikrobiologische Diagnostik bleibt jedoch<br />
<strong>die</strong> Vermeidung von Über- bzw. Unterbehandlung und<br />
damit der verantwortungsvolle Umgang mit Antibiotika<br />
(59). Oftmals erfolgt der Einsatz einer Kombination<br />
aus Amoxicillin und Metronidazol („Van-Winkelhoff-<br />
Cocktail“) ohne mikrobiologische Diagnostik und auf<br />
Basis von klinischen Befunden. Außer Acht gelassen<br />
wird hierbei jedoch <strong>die</strong> womöglich unnötige Verschreibung<br />
von Antibiotika, resultierend in der Schädigung<br />
der intra- und extraoralen Keimflora, oder sogar einer<br />
unnötigen Resistenzentwicklung (25, 50, 70). So ist in<br />
vielen Fällen <strong>die</strong> Verschreibung von Antibiotika (meistens<br />
Metronidazol) für <strong>die</strong> adjuvante Antibiotikatherapie<br />
völlig ausreichend. Erst bei Nachweis von obligaten<br />
Anaerobiern (roter, oranger, orange-assoziierter Komplex)<br />
und der fakultativ-anaeroben Spezies A. actinomycetemcomitans<br />
ist eine Kombination mit Amoxicillin<br />
(oder Ciprofloxacin) indiziert. Eine neue Alternative<br />
mit vereinfachter Einnahme und geringen Nebenwirkungen<br />
kann das Makrolid Azithromycin darstellen.<br />
Für eine endgültige Empfehlung stehen jedoch noch<br />
weitere Stu<strong>die</strong>n aus. Aufgrund der in den letzten Jahren<br />
stetig zunehmenden Fallzahl multiresistenter Keime –<br />
ausgelöst durch einen erhöhten und z. Z. B. T. ungezielten<br />
Antibiotika-Einsatz – sollte <strong>die</strong> Gabe von Antibiotika<br />
dennoch so rational wie möglich („Antibiotic<br />
Stewardship“) entsprechend der mikrobiologischen Diagnostik<br />
erfolgen (59, 73).<br />
Das Literaturverzeichnis finden Sie unter www.zahnaerzteblatt.de<br />
oder kann beim IZZ bestellt werden unter<br />
Tel: 0711/222966-14, Fax: 0711/222966-21 oder E-Mail:<br />
info@zahnaerzteblatt.de.<br />
Dr. med. dent. Malte Michaelis 1,2<br />
Prof. Dr. med. dent. Bernd Haller 1<br />
Prof. Dr. med. Steffen Stenger 3<br />
Prof. Dr. med. dent. Axel Spahr 4<br />
Dr. med. Sebastian F. Zenk 3,5<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
1<br />
Klinik für Zahnerhaltungskunde<br />
und Parodontologie, Universitätsklinik<strong>um</strong> Ulm,<br />
2<br />
f16 - Servicegesellschaft für<br />
Zahngesundheit mbH, Neu-Ulm<br />
3<br />
Institut für Medizinische Mikrobiologie und<br />
Hygiene, Universitätsklinik<strong>um</strong> Ulm,<br />
4<br />
Sydney Dental Hospital of Sydney,<br />
Sydney, Australien<br />
5<br />
Synlab Medizinisches Versorgungszentr<strong>um</strong><br />
Augsburg GmbH, Augsburg<br />
Die Autoren bedanken sich herzlich bei ZA Adnan Murati und<br />
MTLA Marion Ehrlich für <strong>die</strong> Bereitstellung, Bearbeitung und<br />
Mithilfe bei der Gestaltung der Fotos für <strong>die</strong>sen Beitrag.<br />
Dr. Malte Michaelis<br />
Dr. Sebastian Zenk<br />
Klinik für Zahnerhaltungskunde<br />
und Parodontologie,<br />
Universitätsklinik<strong>um</strong> Ulm,<br />
f16 - Servicegesellschaft für Zahngesundheit<br />
mbH, Neu-Ulm<br />
Institut für Medizinische Mikrobiologie<br />
und Hygiene,<br />
Universitätsklinik<strong>um</strong> Ulm,<br />
Synlab Medizinisches Versorgungszentr<strong>um</strong>,<br />
Augsburg<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
ZBW 2/2018
32<br />
Fortbildung<br />
Gemeinschaftssymposi<strong>um</strong> des TAKRegMed und der AfG in Frankfurt<br />
Grundlagenforschung, translationale<br />
Forschung und klinische Forschung<br />
Inzwischen ist es schon fast Tradition geworden beim Zahnärztetag:<br />
das Gemeinschaftssymposi<strong>um</strong> zweier forschungsorientierter Arbeitsgemeinschaften<br />
in der DGZMK, des Transdisziplinären Arbeitskreises<br />
für Regenerative Medizin (TAKRegMed), der sich der regenerativen<br />
Forschung in der Zahnmedizin verschrieben hat, zusammen mit der<br />
Arbeitsgemeinschaft für Grundlagenforschung (AfG), <strong>die</strong> seit 50 Jahren<br />
das For<strong>um</strong> für dentale orale oder werkstoffkundliche Forschung bietet.<br />
Auch 2017 konnten <strong>die</strong> beiden<br />
Fachgruppen, renommierte Referentinnen<br />
und Referenten akquirieren,<br />
<strong>die</strong> zu Themen aus ihren jeweiligen<br />
Forschungsgebieten einen State-of-the-Art-Überblick<br />
gaben. Es<br />
gelang so, Möglichkeiten und Grenzen<br />
zwischen Grundlagenforschung<br />
und Praxisanwendungen aufzuzeigen<br />
und einen Bogen zwischen der<br />
reinen Grundlagenforschung über<br />
<strong>die</strong> sogenannte translationale Forschung,<br />
also beispielsweise vom<br />
Tissue Engineering über den Tierversuch<br />
bis hin zur klinischen Anwendung<br />
zu spannen.<br />
Pulparegeneration. Professor<br />
Dr. Kerstin Galler, Poliklinik für<br />
Zahnerhaltung und Parodontologie<br />
aus dem mit EDTA (Ethylendiamintetraessigsäure)<br />
behandelten Dentin.<br />
Fernziel sei in der Endodontologie<br />
eine echte Regeneration von Pulpagewebe,<br />
was allerdings im Tierversuch<br />
bisher noch nicht erreicht<br />
werden konnte. Das nach der Regenerationsbehandlung<br />
untersuchte<br />
Gewebe ähnelt eher Narbengewebe.<br />
Neue Ansätze sieht Prof. Galler im<br />
Einsatz der „Trias“ Wachst<strong>um</strong>sfaktoren<br />
mit entsprechenden Zellen und<br />
geeigneten Trägermaterialien. Als<br />
Zellen kommen hier vor allem dentale<br />
Stammzellen in Frage, <strong>die</strong> aus<br />
unterschiedlichen Kompartimenten<br />
von Zahn und Mundhöhle isoliert<br />
werden können. Diese sind in der<br />
Lage, sich auf sogenannten Scaffolds<br />
(individualisierte, bioaktive<br />
Trägermaterialien), wie beispielsweise<br />
<strong>die</strong> von ihr untersuchten gelartigen<br />
Matrizes, zu organisieren.<br />
Schließlich liefert <strong>die</strong> Dentinmatrix<br />
selbst geeignete Wachst<strong>um</strong>sfaktoren,<br />
<strong>die</strong> sich durch EDTA ultraschallaktiviert<br />
aus dem Wurzelkanaldentin<br />
freisetzen lassen. Zellfreie<br />
Ansätze verwenden beispielsweise<br />
Dentinmatrixprotein (DMP) mit Fider<br />
Universität Regensburg, <strong>die</strong> seit<br />
vielen Jahren auf dem Gebiet der<br />
Pulparegeneration forscht, leitete in<br />
ihrem Vortrag „Regeneration, Reparatur<br />
und Tissue Engineering der<br />
Zahnpulpa“ von klinischer Seite in<br />
<strong>die</strong> Thematik ein. Sie stellte als Alternative<br />
zur Apexifikation Verfahren<br />
vor, <strong>die</strong> durch Induktion einer<br />
Einblutung in den Wurzelkanal bei<br />
Zähnen mit nicht abgeschlossenem<br />
Wurzelwachst<strong>um</strong> eine Gewebsneogenese,<br />
resultierend in vitalem Gewebe<br />
und damit Hartsubstanzapposition,<br />
am Apex erzielen können.<br />
Bei <strong>die</strong>ser Vorgehensweise interagieren<br />
wahrscheinlich periapikale<br />
Stammzellen, <strong>die</strong> in den Wurzelkanal<br />
eingeschwemmt werden, mit<br />
freigesetzten Wachst<strong>um</strong>sfaktoren<br />
Erfolgreich. Gemeinschaftssymposi<strong>um</strong> des TAKRegMed und der AfG beim Deutschen Zahnärztetag 2017 (v. l.): Dr. Christian<br />
Kirschneck, Prof. Dr. Michael Wolf, PD Dr. Christiane Kunert-Keil, PD Dr. Dr. Bernd Lethaus, PD Dr. Susanne Proksch, Dr. Katharina<br />
Reichenmiller, Prof. Dr. Werner Götz, Dr. Anna Damanaki.<br />
Foto: DGZMK/Michelle Spillner<br />
ZBW 2/2018<br />
www.zahnaerzteblatt.de
Fortbildung 33<br />
brin, dessen Applikation in entsprechenden<br />
Regenerationsmodellen<br />
zur Bildung eines pulpaähnlichen<br />
Gewebes führte. Als Ziel für <strong>die</strong><br />
klinische Anwendung sieht sie eine<br />
„guided endodontic repair“-Strategie,<br />
bei der nach Konditionierung<br />
und induzierter Freisetzung endogener<br />
Wachst<strong>um</strong>sfaktoren <strong>die</strong>se Faktoren<br />
auf einem Trägermaterial in<br />
den Wurzelkanal appliziert werden.<br />
Stammzellforschung. Priv.-<br />
Doz. Dr. Susanne Proksch, Klinik<br />
für Zahn erhaltungskunde und Parodontologie,<br />
Universitätsklinik<strong>um</strong><br />
Freiburg, beschäftigt sich mit dentaler<br />
Stammzellforschung. Für ihre<br />
Forschung erhielt sie kürzlich den<br />
Mathilde-Wagner-Preis und leitet<br />
momentan eine Arbeitsgruppe im<br />
interdisziplinären Forschungsverbund<br />
„G.E.R.N – Gewebeersatz,<br />
Regeneration und Neogenese“ an der<br />
Universität Freiburg. Sie gab einen<br />
fun<strong>die</strong>rten Überblick über <strong>die</strong> Interaktionen<br />
von Stammzellen, <strong>die</strong> in<br />
ihren „Nischen“ im Körper zahlreichen<br />
biochemischen und biomechanischen<br />
Einflüssen ausgesetzt sind.<br />
Diese Interaktionen modifizieren<br />
auch das Verhalten von Stammzellen<br />
im dentalen und orofazialen Bereich.<br />
Dazu gehören beispielsweise Wechselwirkungen<br />
mit Mikroorganismen,<br />
mit Zellen des Immunsystems oder<br />
Osteoblasten. Eine mechanische<br />
Beeinflussung durch Zugkräfte verändere<br />
ebenfalls das Verhalten der<br />
Zellen z. B. hinsichtlich ihres Proteinmetabolismus.<br />
Die Kenntnisse <strong>die</strong>ser<br />
gegenseitigen Einflüsse sind eine<br />
wichtige Voraussetzung für das Verhalten<br />
von Stammzellen auf Biomaterialien<br />
im Rahmen des Tissue Engineering.<br />
Dr. Proksch berichtete über<br />
eigene Untersuchungen an Scaffolds,<br />
hier porenhaltige Polymervliese,<br />
welche mit Stammzellen interagieren.<br />
Wichtig seien auch <strong>die</strong> mechanischen<br />
Eigenschaften solcher Materialien.<br />
Als eine wichtige Technologie<br />
für regenerative Verfahren betrachtet<br />
sie <strong>die</strong> Entwicklung von zellbesiedelten<br />
Membranen („cell sheets“) und<br />
spezielle biologische 3D-Druckverfahren<br />
(sog. Bioplotting), mit denen<br />
der Druck unterschiedlich kombinierter<br />
Gewebe, z. B. von Zement-<br />
Wurzelhaut-Knochen-Konstrukten,<br />
realisiert werden könnte.<br />
Translationale Forschung.<br />
Priv.-Doz. Dr. Christiane Kunert-<br />
Keil, Leiterin des Forschungslabors<br />
der Poliklinik für Kieferorthopä<strong>die</strong><br />
des Universitätsklinik<strong>um</strong>s Dresden<br />
untersucht <strong>die</strong> Einheilung von Knochenersatzmaterialien<br />
nach „socket<br />
preservation“ und berichtete über<br />
ihre Untersuchungen an verschiedenen<br />
Tiermodellen. Hierbei ging es<br />
auch <strong>um</strong> <strong>die</strong> Frage, inwieweit sich<br />
Zähne durch augmentierte Areale<br />
hindurch kieferorthopädisch bewegen<br />
lassen und durch Knochenverdichtung<br />
sowie Vaskularisierung<br />
beeinflusst werden. Sie stellte eine<br />
laufende klinische Stu<strong>die</strong> vor, in<br />
der an Patienten nach Extraktion<br />
von Prämolaren oder Molaren<br />
und socket preservation mit einem<br />
kommerziell erhältlichen, kollagenbasierten<br />
Ersatzmaterial eine Zahnbewegung<br />
in <strong>die</strong> augmentierte Region<br />
erfolgte. Schließlich präsentierte<br />
Dr. Kunert-Keil erste erfolgversprechende<br />
Ergebnisse zur Anwendung<br />
von Knochenmehl für regenerative<br />
Therapien. Knochenmehle werden<br />
in ihrem Labor im Hinblick auf ihre<br />
Zusammensetzung untersucht und<br />
ihre mögliche osteogene Kapazität<br />
getestet. Erste Versuche zur Füllung<br />
von Knochendefekten mit einem<br />
solchen Mehl im Schafmodell zeigten<br />
gute Regenerationstendenzen.<br />
Kopf-Hals-Chirurgie. Priv.-Doz.<br />
Dr. Dr. Bernd Lethaus, Klinik für<br />
Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie,<br />
Uniklinik RWTH Aachen, präsentierte<br />
seine komplexen Stu<strong>die</strong>n<br />
z<strong>um</strong> Tissue Engineering in der rekonstruktiven<br />
Kopf-Hals-Chirurgie.<br />
Ausgehend von Patientenfällen, bei<br />
denen nach <strong>um</strong>fangreichen t<strong>um</strong>orbedingten<br />
Resektionen aufwändige,<br />
langwierige und belastende Rekonstruktionsverfahren<br />
notwendig<br />
sind, stellte er neue experimentelle<br />
Ansätze vor, <strong>die</strong> eine Verbesserung<br />
vor allem der knöchernen Regeneration<br />
erwarten lassen. Auch hierbei<br />
ist Grundlagenforschung <strong>die</strong><br />
Basis, <strong>um</strong> zunächst eine Auswahl<br />
alloplastischer Trägermaterialien<br />
auf Eignung für eine Besiedlung<br />
mit mesenchymalen Stammzellen<br />
in vitro zu etablieren und später am<br />
Tiermodell weiterführend zu testen.<br />
Als weiteren Ansatz berichtete er<br />
über magnesi<strong>um</strong>haltige, biokompatible<br />
Materialien, <strong>die</strong> durch Oxidationsverfahren<br />
zusätzlich beschichtet<br />
und so nicht nur belastungsstabil,<br />
sondern auch kontrolliert resorbierbar<br />
hergestellt wurden. Z<strong>um</strong> Abschluss<br />
gab er einen Überblick über<br />
ein laufendes Projekt zur ektopen<br />
Knochenpräformation, <strong>um</strong> zunächst<br />
im Tierversuch vaskularisierte und<br />
personalisierte Knochenimplantate<br />
herstellen zu können. Erste Ergebnisse<br />
werden in Kürze erwartet.<br />
Lethaus betonte abschließend, dass<br />
CAD-CAM-Verfahren helfen werden,<br />
in Kombination mit Tissue Engineering<br />
<strong>die</strong> Rekonstruktions- und<br />
Rehabilitationschirurgie im Kopf-<br />
Hals-Bereich zu verbessern.<br />
Preisträger. Ebenfalls schon<br />
Tradition haben <strong>die</strong> Vorträge der<br />
Preisträger der vorangegangenen<br />
AfG-Jahrestagungen. Dieses Mal<br />
waren es Dr. Matthias Widbiller<br />
aus der Poliklinik für Zahnerhaltung<br />
und Parodontologie der Universität<br />
Regensburg (1. Preis) und Dr.<br />
Anna Damanaki aus der Abteilung<br />
für Experimentelle Zahnheilkunde<br />
der Zahnklinik der Universität<br />
Bonn (2. Preis). Professor Galler<br />
fasste den Vortrag von Dr. Widbiller,<br />
der wegen eines Forschungsaufenthaltes<br />
im Ausland nicht persönlich<br />
vortragen konnte, zusammen,<br />
in dem es <strong>um</strong> <strong>die</strong> Gewinnung von<br />
Wachst<strong>um</strong>sfaktoren aus h<strong>um</strong>aner<br />
Dentinmatrix und deren Einsatz in<br />
der experimentellen Pulparegenerationsforschung<br />
ging. Dr. Damanaki<br />
stellte ihre Untersuchungen z<strong>um</strong><br />
Zusammenhang zwischen Parodontitis<br />
und Adipositas vor. Klinisch<br />
und histologisch konnte sie bei<br />
übergewichtigen Mäusen inflammatorische<br />
Veränderungen am Zahnhalteapparat<br />
nachweisen.<br />
Fazit. Der Erfolg des Gemeinschaftssymposi<strong>um</strong>s<br />
ist Anlass, auch<br />
am 9. November 2018 wieder eine<br />
solche Veranstaltung auf dem Deutschen<br />
Zahnärztetag zu realisieren.<br />
Eine weitere Tagung ist das Satellitensymposi<strong>um</strong><br />
des TAKRegMed<br />
am 8. Juni auf der 68. Jahrestagung<br />
der DGMKG in Dresden.<br />
Prof. Dr. Werner Götz, Bonn,<br />
Dr. Katharina Reichenmiller,<br />
Tübingen<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
ZBW 2/2018
34<br />
Kommunikation<br />
Das For<strong>um</strong> Zahngesundheit ist wichtiger Baustein der Öffentlichkeitsarbeit<br />
Wertvolle Informationen zur Mundgesundheit<br />
Ob Verbrauchermessen in Zusammenarbeit mit Tageszeitungen oder<br />
große Publik<strong>um</strong>smessen im Land – das For<strong>um</strong> Zahngesundheit ist<br />
vielfältig im Einsatz, <strong>um</strong> <strong>die</strong> Anliegen der Zahnärzteschaft in der Bevölkerung,<br />
der Presse und der Politik präsent zu halten. Auch 2018 wird<br />
es wieder ein wichtiger Baustein der Öffentlichkeitsarbeit sein. Ein<br />
Überblick über das integrative Kommunikationskonzept des Informationszentr<strong>um</strong>s<br />
Zahngesundheit (IZZ).<br />
Kartons voller Infobroschüren,<br />
Zahnbürsten und Zahnpastatuben,<br />
meterlange Schlangen vor den Eingängen<br />
und hunderte Gespräche<br />
zwischen Vertreterinnen und Vertretern<br />
der Zahnärzteschaft – so resümierte<br />
der ZBW-Beitrag im Jahr<br />
2010 <strong>die</strong> erste Veranstaltung der<br />
Ludwigsburger Gesundheitstage.<br />
Das Motto war damals wie heute:<br />
„Gesund und Aktiv“. Klar, dass sich<br />
das For<strong>um</strong> Zahngesundheit dort<br />
präsentierte. Auch in <strong>die</strong>sem Februar<br />
findet <strong>die</strong> Messe wieder statt<br />
und lockt tausende Besucher ins<br />
For<strong>um</strong> am Schlosspark. Die Messen<br />
der Tageszeitungen sind heute<br />
ein wichtiger Baustein für das IZZ<br />
geworden, <strong>um</strong> <strong>die</strong> Zahnärzteschaft<br />
mit dem For<strong>um</strong> Zahngesundheit zu<br />
präsentieren. Neben der Ludwigsburger<br />
Kreiszeitung, <strong>die</strong> <strong>die</strong> „Gesund<br />
und Aktiv“ veranstaltet, arbeitete<br />
das IZZ mit der Südwestpresse<br />
Ulm (Allmendinger Gesundheitstage),<br />
der Göppinger Kreiszeitung<br />
(Vitawell Göppingen) und dem Hohenloher<br />
Tagblatt (Vitawell Crailsheim)<br />
zusammen.<br />
Vielfalt. Die Gesundheitsmessen<br />
in Zusammenarbeit mit den<br />
Tageszeitungen sind Teil des integrativen<br />
Kommunikationskonzepts<br />
des Informationszentr<strong>um</strong>s Zahngesundheit.<br />
Die Kommunikation<br />
mit Tageszeitungen endet nicht an<br />
den Ausgangstüren der Messehallen.<br />
Zu ihr gehört das Erstellen und<br />
adressatengerechte Versenden von<br />
Pressemitteilungen und flankierend<br />
das Schalten von Anzeigen für den<br />
Berufsstand.<br />
Mehrmals im Jahr organisiert das<br />
IZZ zudem Telefonaktionen, bei denen<br />
Zahnärztinnen und Zahnärzte<br />
Leserinnen und Lesern der Tageszeitungen<br />
am Telefon mit Ratschlägen<br />
neutral und unabhängig helfen<br />
können. Diese Beratung greift<br />
das Konzept der Beratung auf den<br />
Verbrauchermessen auf. Weiterhin<br />
Info<br />
Nachfolgende Präsentationen des<br />
For<strong>um</strong>s Zahngesundheit stehen<br />
2018 noch an:<br />
• Gesund und Aktiv, Ludwigsburg<br />
3./4. Februar 2018<br />
• Vitawell Göppingen<br />
24./25. Februar 2018<br />
• IBO, Friedrichshafen<br />
21. bis 25. März 2018<br />
• Maimarkt, Mannheim<br />
28. April bis 8. Mai 2018<br />
• Südwest Messe, Villingen-<br />
Schwenningen<br />
26. Mai bis 3. Juni 2018<br />
kommuniziert das IZZ mit Tageszeitungen<br />
über Pressemitteilungen<br />
wie das Thema des Monats, bei dem<br />
wichtige, <strong>die</strong> Leserschaft betreffende<br />
Themen wie Zahnarztbesuche<br />
vor dem Urlaub oder zahngesunde<br />
Schultüten zur Sprache kommen.<br />
Nicht zuletzt lädt das IZZ einmal<br />
im Jahr Journalisten aller Me<strong>die</strong>ngattungen<br />
z<strong>um</strong> IZZ-pressefor<strong>um</strong>.<br />
Zudem greift der IZZ-Onlineauftritt<br />
www.izz-on.de <strong>die</strong> Themen auf und<br />
liefert digital zusätzliche Informationen<br />
und Mehrwert. Somit ist<br />
auf vielfältige Weise sichergestellt,<br />
dass <strong>die</strong> Zahnärzteschaft Meinungsführer<br />
erreicht.<br />
Austausch. Dr. Horst Gebhardt (r.) und Dr. Andreas Klaus im<br />
Gespräch mit der Bundestagsabgeordneten aus Ulm, Hilde<br />
Mattheis, bei den Allmendinger Gesundheitstagen.<br />
Foto: Fuchs/IZZ<br />
Beratung. Dr. Edith Nadj-Papp im Gespräch mit zwei interessierten<br />
Besucherinnen auf der Gesundheitsmesse „Gesund und<br />
Aktiv“, Ludwigsburg.<br />
Foto: Ignatzi/IZZ<br />
ZBW 2/2018<br />
www.zahnaerzteblatt.de
Kommunikation 35<br />
Weitere Messen. Doch nicht zuletzt<br />
ist <strong>die</strong> Bevölkerung ein wichtiger<br />
Adressat der zahnärztlichen Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Deshalb ist das<br />
For<strong>um</strong> Zahngesundheit regelmäßig<br />
auf weiteren Messen präsent. Z<strong>um</strong><br />
einen präsentiert sich das For<strong>um</strong><br />
Zahngesundheit in seiner klassischen<br />
Form auf Verbrauchermessen<br />
wie der IBO in Friedrichshafen,<br />
z<strong>um</strong> anderen nutzt es seit 2017 auf<br />
ausgewählten Messen das neue<br />
Konzept der begehbaren Mundhöhle,<br />
das bei den Messebesuchern sehr<br />
gut ankommt. Als weitere wichtige<br />
Plattfor<strong>um</strong> ist das For<strong>um</strong> Zahngesundheit<br />
auf den großen Publik<strong>um</strong>smessen<br />
im Land präsent, wie dem<br />
Mannheimer Maimarkt und der Offerta<br />
in Karlsruhe. Dort erreicht es<br />
hunderttausende Bürgerinnen und<br />
Bürger, <strong>die</strong> sich über zahnmedizinische<br />
Themen informieren.<br />
Service. Auf der IBO in Friedrichshafen war 2017 am Zahnputzbrunnen reger Betrieb.<br />
Die Besucher nahmen das Angebot gut an.<br />
Begehbare Mundhöhle. Das neue Modell kam auf der Südwestmesse z<strong>um</strong> Einsatz und<br />
war nicht nur Publik<strong>um</strong>smagnet, sondern auch willkommene Publicity für <strong>die</strong> Zahnärzteschaft<br />
Baden-Württemberg, durch zahlreiche Fotos, <strong>die</strong> Familien auf Facebook teilten.<br />
Glücksfall. Im besten Fall kann<br />
<strong>die</strong>ses Informationsangebot Menschen<br />
aktiv helfen. Auf den Allmendinger<br />
Gesundheitstagen 2017<br />
hatte sich eine Patientin von Dr.<br />
Andreas Klaus beraten lassen. Bei<br />
der Patientin zeigte sich eine ausgedehnte<br />
Ulzeration am Zungenrand,<br />
mit Verdacht auf ein sehr bösartiges<br />
Plattenepithelkarzinom. Die Patientin<br />
wurde angewiesen, sich sofort<br />
in der Ambulanz der ZMK-Klinik<br />
vorzustellen und auf sofortige Abklärung<br />
zu dringen. Wichtig ist<br />
dennoch, dass <strong>die</strong> Messebesucher<br />
das Angebot nicht mit einer Untersuchung<br />
verwechseln. Dr. Klaus:<br />
„Vielmehr ist es so, dass wir den<br />
Patienten beratend, auch mit einer<br />
Zweitmeinung, und motivierend<br />
zur Verfügung stehen. Durch <strong>die</strong><br />
Intra oralkamera mit Bildschirm erhält<br />
man zusätzlich auch <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />
Befunde dem Patienten<br />
bildschirmhaft zu zeigen. Der Patient<br />
wird grundsätzlich – so sehe z<strong>um</strong>indest<br />
ich es – kollegial an seinen<br />
Hauszahnarzt zurückgeführt, gegebenenfalls<br />
z. B. nach Aufklärung<br />
über Therapieoptionen/-alternativen,<br />
<strong>die</strong> vorzustellen oder breit zu<br />
erörtern im Praxisalltag nicht möglich<br />
ist.“ Jegliche Anfragen im Sinne<br />
von „Wo praktizieren Sie denn,<br />
ich würde gerne zu Ihnen kommen?“<br />
blocken <strong>die</strong> Zahnärztinnen<br />
und Zahnärzte im For<strong>um</strong> Zahngesundheit<br />
ab mit dem Hinweis, dass<br />
<strong>die</strong> auf Messen tätigen Zahnärzte<br />
im Dienste der gesamten Zahnärzteschaft<br />
Beratungsfunktion haben<br />
und <strong>die</strong>s keine Werbeveranstaltung<br />
für eine einzelne Praxis darstellt.<br />
Durch ihren Einsatz in beratender<br />
Funktion leisten <strong>die</strong> Zahnärztinnen<br />
und Zahnärzte wie Dr. Klaus an den<br />
jeweiligen Messeorten einen wichtigen<br />
Beitrag dazu, <strong>die</strong> Anliegen der<br />
Zahnärzteschaft publik zu machen.<br />
Die Entdeckung des T<strong>um</strong>ors durch<br />
Dr. Klaus war im Rahmen der Beratung<br />
ein großer Erfolg, der ohne das<br />
For<strong>um</strong> Zahngesundheit wohl unentdeckt<br />
geblieben wäre. Die Südwest<br />
Presse, Ulm, berichtete im Ehinger<br />
Tagblatt über den Vorfall.<br />
Umfangreich. Das For<strong>um</strong> Zahngesundheit<br />
war im Jahr 2017 auf<br />
insgesamt elf Verbrauchermessen<br />
zu Gast. Auch im Jahr 2018 wird es<br />
wieder auf zahlreichen Messen in<br />
ganz Baden-Württemberg vertreten<br />
sein. Zusätzlich kooperiert das For<strong>um</strong><br />
Zahngesundheit mit Tageszeitungen,<br />
wie schon bei den Allmendinger<br />
Gesundheitstagen: bei der<br />
Vitawell in Crailsheim, der „Gesund<br />
und aktiv“ in Ludwigsburg sowie<br />
der Vitawell in Göppingen.<br />
» christian.ignatzi@izz-online.de<br />
Foto: Trippel/IZZ<br />
Foto: Clausen/IZZ<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
ZBW 2/2018
36<br />
Prophylaxe<br />
Mitgliederversammlung der LAGZ e. V. in Stuttgart<br />
Zielgerichtet in <strong>die</strong> Zukunft<br />
Die Landesarbeitsgemeinschaft für Zahngesundheit Baden-Württemberg<br />
e. V. (LAGZ) zog am 23. November 2017 im Zahnärztehaus Stuttgart<br />
bei ihrer Vorstandssitzung eine Jahresbilanz und stellte <strong>die</strong> Weichen<br />
für zukünftige Präventionsziele bei Kindern und Jugendlichen in Baden-<br />
Württemberg. Dabei waren <strong>die</strong> Ziele der Zahngesundheitsförderung in<br />
Baden-Württemberg für den Zeitra<strong>um</strong> 2018 bis 2022 ein wichtiges<br />
Thema. Erstmals wurde <strong>die</strong> Ausweitung der Gruppenprophylaxe<br />
auf <strong>die</strong> Altersgruppe der unter 3-Jährigen als Ziel definiert. Bei der<br />
anschließenden LAGZ-Mitgliederversammlung wurden <strong>die</strong> Ergebnisse<br />
vorgestellt und wichtige Beschlüsse getroffen.<br />
Der Vorstand der LAGZ ist ein Gremi<strong>um</strong>,<br />
in dem der Präsident der Landeszahnärztekammer<br />
BW (LZK),<br />
der Prophylaxereferent der LZK,<br />
Vertreter des Sozialministeri<strong>um</strong>s, des<br />
Landkreis- und Städtetags BW sowie<br />
der Landesverbände der Krankenkassen<br />
und Ersatzkassen zusammentreffen,<br />
<strong>um</strong> Maßnahmen zur Erhaltung<br />
und Förderung der Zahngesundheit<br />
bei Kindern und Jugendlichen zu<br />
diskutieren und weiterzuentwickeln.<br />
Bei der Mitgliederversammlung<br />
haben zusätzlich Vertreter der Kassenzahnärztlichen<br />
Vereinigung BW,<br />
weitere Vertreter der Krankenkassen<br />
sowie <strong>die</strong> außerordentlichen Mitglieder<br />
der LAGZ und <strong>die</strong> 37 regionalen<br />
Arbeitsgemeinschaften Zahngesundheit<br />
<strong>die</strong> Gelegenheit, sich in <strong>die</strong>sen<br />
<strong>Diskussion</strong>s- und Arbeitsprozess<br />
einzuklinken und ihren ergänzenden<br />
Beitrag zur Zahngesundheitsförderung<br />
zu leisten. Wichtig ist auch <strong>die</strong><br />
Betrachtung der Gesamtjahresbilanz<br />
des Vorjahres sowie der Beschluss<br />
des Haushalts- und Stellenplans, der<br />
für 2018 einstimmig verabschiedet<br />
wurde.<br />
Zahngesundheitsförderung.<br />
Das Konzept „Planung und Ziele<br />
der Zahngesundheitsförderung in<br />
Baden-Württemberg für den Zeitra<strong>um</strong><br />
2018 bis 2022“ wurde durch<br />
Dr. Uwe Niekusch, Heidelberg, und<br />
den neuen Prophylaxereferenten der<br />
LZK, Dr. Bernd Krämer, ergänzt<br />
und überarbeitet. Zu den wichtigsten<br />
beschlossenen Planungszielen<br />
bis z<strong>um</strong> Ende des Schuljahres<br />
2021/22 zählen:<br />
• Der Kariesindex DMF-T soll bei<br />
den 12-Jährigen nicht mehr als<br />
0,4 betragen.<br />
• Der Kariesindex dmf-t soll bei<br />
den 6-Jährigen nicht mehr als<br />
1,5 betragen.<br />
• Der Anteil der naturgesunden Gebisse<br />
bei den 3-Jährigen soll mindestens<br />
70 Prozent betragen. Die<br />
Untersuchung erfolgt hier nach<br />
den Kriterien naturgesund, saniert<br />
und behandlungsbedürftig.<br />
Als neues Ziel kommt <strong>die</strong> frühkindliche<br />
Kariesprophylaxe hinzu.<br />
Sie soll bei den Arbeitsgemeinschaften<br />
für Zahngesundheit durch<br />
geeignete Strukturen und Maßnahmen<br />
gestärkt werden. Zudem soll<br />
den Planungszielen vorangestellt<br />
werden, dass sich aufgrund der<br />
Aufnahme von geflüchteten Menschen<br />
der Anteil der an Karies erkrankten<br />
Kinder und Schüler auch<br />
erhöhen kann, da <strong>die</strong> zahnmedizinische<br />
Versorgung und <strong>die</strong> Prävention<br />
in den Herkunftsländern nicht dem<br />
deutschen Versorgungsstandard<br />
entspricht. Im Verlauf der <strong>Diskussion</strong><br />
bei der Mitgliederversammlung<br />
kam außerdem zutage, dass es Tendenzen<br />
zur Verschlechterung der<br />
dmf-t/DMF-T-Werte gibt, weil bei<br />
der heutigen Elterngeneration das<br />
Problembewusstsein hinsichtlich<br />
Transparenz. Dr. Torsten Tomppert (3. v. r.), Vorsitzender der LAGZ, informierte <strong>die</strong> Mitglieder der LAGZ über <strong>die</strong> Ergebnisse<br />
der Zahngesundheitsförderung in Baden-Württemberg sowie über <strong>die</strong> geplanten Projekte im Jahr 2018. Mit auf dem Podi<strong>um</strong>:<br />
(v. l. n. r.) Jörg Kriese, AOK BW, Daniel Flachs, BKK Landesverband Süd, Stephan Trabert, VdEK BW, Dr. Anke Hornstein, Städtetag<br />
BW, Dr. Bernd Krämer, LZK BW, Dr. Evelyn Bressau, Sozialministeri<strong>um</strong>, und Johannes Clausen, LAGZ.<br />
ZBW 2/2018<br />
www.zahnaerzteblatt.de
Prophylaxe 37<br />
Karies inzwischen fehlt oder auch<br />
<strong>die</strong> Karies bei Kindern von Alleinerziehenden<br />
zunimmt. In Kindertageseinrichtungen<br />
wird der Zahnhygiene<br />
aus Zeit- und Platzgründen<br />
oftmals kein hoher Stellenwert zugebilligt.<br />
Wenn Kinder ganztags in<br />
Kitas verweilen, sind entsprechende<br />
Hygienerä<strong>um</strong>e wichtig, <strong>um</strong> <strong>die</strong><br />
Mundhygiene <strong>um</strong>setzen zu können.<br />
Somit ist <strong>die</strong> LAGZ mehr denn je<br />
gefordert, mit Lösungsansätzen auf<br />
<strong>die</strong>se Veränderungen zu reagieren.<br />
Frühkindliche Karies. Der<br />
LAGZ-Vorstand brachte im Jahr<br />
2017 ein wichtiges Prophylaxeziel<br />
weiter voran: <strong>die</strong> flächendeckende<br />
Umsetzung einer frühkindgerechten<br />
zahnmedizinischen Gruppenprophylaxe.<br />
Je früher <strong>die</strong> Prophylaxe<br />
greift, desto besser sind <strong>die</strong> Zähne<br />
der Kinder. Zudem besuchen <strong>die</strong><br />
Kinder immer früher Kindertageseinrichtungen,<br />
sodass man <strong>die</strong> bisherigen<br />
gruppenprophylaktischen<br />
Maßnahmen an das jüngere Alter<br />
der Kinder anpassen muss.<br />
Die LAGZ legte aufgrund der<br />
Planung der LAGZ-Geschäftsführung<br />
den Fokus auf <strong>die</strong>se Entwicklung<br />
schon vor vier Jahren.<br />
Im Rahmen des LAGZ-For<strong>um</strong>s<br />
im Kloster Schöntal informierten<br />
renommierte Referent/innen <strong>die</strong><br />
regionalen Arbeitsgemeinschaften<br />
Zahngesundheit über Strategien zur<br />
Vermeidung von frühkindlicher Karies.<br />
So gab Professor Dr. Christian<br />
Splieth, Abteilung für Präventive<br />
Zahnmedizin und Kinderzahnheilkunde<br />
an der Uni Greifswald, z. B.<br />
im Jahr 2015 seine Erfahrungen zur<br />
„Kita mit Biss: ein Weg zur Eigenverantwortung“<br />
weiter. 2016 führte<br />
Professor Dr. Christina Jasmund,<br />
Lehrstuhlinhaberin für Pädagogik<br />
der frühen Kindheit an der Hochschule<br />
Niederrhein in Mönchengladbach,<br />
mit der Vorstellung ihrer<br />
Empfehlung für <strong>die</strong> Deutsche Arbeitsgemeinschaft<br />
für Jugendzahnpflege<br />
(DAJ) z<strong>um</strong> Thema „Frühkindliche<br />
Karies: zentrale Inhalte<br />
der Gruppenprophylaxe für unter<br />
3-jährige Kinder“ <strong>die</strong>ses Thema<br />
konsequent weiter. Dabei wurden<br />
<strong>die</strong> Gestaltungsmöglichkeiten der<br />
Zahn- und Mundgesundheitsförderung<br />
für unter 3-Jährige in Kindertageseinrichtungen<br />
und Tagespflege<br />
Kariesentwicklung. Roswitha Henkel (r.) von der AG Karlsruhe und Marina Bull-Müller von<br />
der AG Lörrach schilderten ihre Erfahrungen mit den betreuten Kindertageseinrichtungen.<br />
Anregungen. Die Mitgliederversammlung der LAGZ <strong>die</strong>nt auch dem Austausch. Hier<br />
bringt sich Dr. Sabine Breitenbach (l.) von der AG Mannheim in <strong>die</strong> <strong>Diskussion</strong> ein, daneben:<br />
Dr. Miriam Wirt-Gödde von der AG Calw und Jutta Jäckels von der AGZ Rems-Murr.<br />
aus kindeswissenschaftlicher Sicht<br />
vorgestellt. Der Fachbeirat der<br />
LAGZ lieferte zudem im Jahr 2016<br />
ein Empfehlungsdok<strong>um</strong>ent für <strong>die</strong><br />
zahnmedizinische Gruppenprophylaxe<br />
bei unter 3-jährigen Kindern in<br />
Baden-Württemberg. Als im September<br />
2017 Dr. Andrea Th<strong>um</strong>eyer,<br />
Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft<br />
für Jugendzahnpflege<br />
(LAG) Hessen, auf Bitte von Dr.<br />
Torsten Tomppert dem LAGZ-Vorstand<br />
das von ihr vor 13 Jahren entwickelte<br />
und in Hessen erfolgreich<br />
durchgeführte Konzept über <strong>die</strong><br />
zahnmedizinische Gruppenprophylaxe<br />
für <strong>die</strong> 0- bis unter 3-Jährigen<br />
vorstellte, führte <strong>die</strong>s z<strong>um</strong> entscheidenden<br />
Durchbruch für eine Neukonzeption<br />
in Baden-Württemberg.<br />
Ausblick. Der LAGZ-Vorstand<br />
konnte einen Beschluss herbeiführen,<br />
der z<strong>um</strong> Jahresbeginn 2018<br />
den Anstoß für eine Konzepterstellung<br />
für <strong>die</strong> Betreuung von unter<br />
3-jährigen Kindern in der zahnmedizinischen<br />
Gruppenprophylaxe<br />
in Baden-Württemberg unter<br />
besonderer Berücksichtigung des<br />
Konzepts der DAJ/LAG Hessen<br />
gab. Dabei soll der Orientierungsplan<br />
für Bildung und Erziehung<br />
des Kultusministeri<strong>um</strong>s Baden-<br />
Württemberg berücksichtigt werden.<br />
Somit können <strong>die</strong> regionalen<br />
Arbeitsgemeinschaften für Zahngesundheit<br />
erwarten, ein qualifiziertes,<br />
spezifisch auf Baden-<br />
Württemberg zugeschnittenes, von<br />
Experten ausgearbeitetes Konzept<br />
zur frühkindgerechten zahnmedizinischen<br />
Gruppenprophylaxe als<br />
Empfehlung zur Hand zu bekommen,<br />
<strong>um</strong> ihre Arbeit in den Kindertageseinrichtungen<br />
zu optimieren.<br />
» claudia.richter@izz-online.de<br />
Fotos: Claudia Richter<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
ZBW 2/2018
38<br />
Praxis<br />
Der GOZ-Ausschuss der LZK BW informiert<br />
Schädliche Gewohnheiten und Dysfunktionen<br />
in der Zahnheilkunde<br />
Schädliche Gewohnheiten bedrohen <strong>die</strong> Integrität und <strong>die</strong> Funktionalität<br />
des Kauorgans in jeder Lebensphase. Die Leistung des Zahnarztes als<br />
Ratgeber wird über <strong>die</strong> GOZ-Nr. 6190 berechnet und ist bei weitem<br />
nicht auf <strong>die</strong> KFO-Behandlung begrenzt.<br />
Regelmäßiger achtloser Umgang<br />
mit den Zähnen über mehrere Minuten<br />
oder gar Stunden über den<br />
Tag verteilt, wie z. B. das Kauen<br />
auf Pfeifenmundstücken, das Mitarbeiten<br />
des Mundes als „dritte<br />
Hand“ z. B. durch Speicherung/<br />
Bereitstellung von Nähnadeln oder<br />
Tapeziernägeln, oder <strong>die</strong> Zweckentfremdung<br />
der Zähne bis hin<br />
z<strong>um</strong> Öffnen von Verschluss- oder<br />
Verpackungsmaterial sind nicht<br />
unüblich. Solche unbewussten Gewohnheiten<br />
werden als (bad) Habits<br />
bezeichnet, sie werden aber<br />
auch durch berufliche Besonderheiten<br />
(z. B. Bläser, Violinisten<br />
etc.) hervorgerufen.<br />
Nicht autonom steuerbar sind<br />
Dysfunktionen, wie heftiges Zähnepressen<br />
oder Knirschen, aber<br />
auch neurologische oder psychiatrische<br />
Krankheitsbilder, <strong>die</strong> zu<br />
einem nicht balancierten Wechselspiel<br />
zwischen den von vestibulär<br />
auf <strong>die</strong> Zahnbögen einwirkenden<br />
Kräften und der von oral entgegenwirkenden<br />
Kraft der Zunge führen<br />
können. Schließlich sind auch<br />
schlechte Pflegegewohnheiten, <strong>die</strong><br />
zu Hygienemängeln oder Putzdefekten<br />
bzw. einem erhöhten Karies-<br />
oder Parodontitisrisiko oder<br />
Risiken für <strong>die</strong> Mundschleimhaut<br />
führen, oder Lifestyle-Produkte<br />
(orale Piercings etc.) eine Quelle<br />
für den Misserfolg für jedweden<br />
Zahnersatz. Besonders beim Eingliedern<br />
von festsitzendem, ggf.<br />
implantatgetragenem Zahnersatz,<br />
ist schon bei der Planung darauf zu<br />
achten, dass Habits oder Dysfunktionen<br />
nicht zur Gefahr für sein<br />
dauerhaftes Verbleiben im Mund<br />
oder das Restgebiss werden.<br />
Bewusstsein wecken. Der<br />
Zahnarzt muss dem Patienten Habits<br />
bewusst machen und ihm ggf.<br />
anhand von Übungen dabei helfen<br />
sie beherrschen zu lernen. Vor einer<br />
Implantatversorgung, oder wird<br />
ein Vorstadi<strong>um</strong> einer lebensbedrohenden<br />
Mundschleimhauterkrankung<br />
sichtbar, ist <strong>die</strong> Raucherentwöhnungsberatung<br />
unverzichtbar.<br />
Die Leistung wird nach der GOZ-<br />
Nr. 6190 berechnet. Sie <strong>um</strong>fasst <strong>die</strong><br />
Aufklärung über den Habit oder<br />
<strong>die</strong> Dysfunktion, <strong>die</strong> Erklärung<br />
der Symptomatik und <strong>die</strong> Aufklärung<br />
über <strong>die</strong> Folgen derselben, <strong>die</strong><br />
Anleitung zu Übungen zu seiner<br />
Beseitigung und <strong>die</strong> Beratung über<br />
<strong>die</strong> bewusste Verhaltensänderung<br />
im Alltag, sowie <strong>die</strong> notwendigen<br />
Aufzeichnungen darüber und deren<br />
Archivierung.<br />
Foto: bidaya/Fotolia<br />
Kinder und Jugendliche. Bei<br />
Kindern und Heranwachsenden<br />
sind es oft Habits, <strong>die</strong> sich mit der<br />
Zeit zu Dysfunktionen verselbstständigen.<br />
Verliert das Kleinkind<br />
ab einem gewissen geistig/sozioemotionalen<br />
Entwicklungsstadi<strong>um</strong><br />
(durchschnittlich nach dem 3.<br />
Lebensjahr) nicht den physiologischen<br />
Lutschdrang, und persistiert<br />
er als Habit in Form von einer länger<br />
anhaltenden Einlagerung von<br />
Fremdkörpern in den Mund, z. B.<br />
Finger, Schnuller oder Ähnlichem,<br />
kommt es zu typischen Verformungen<br />
der Kiefer (schmaler, hoher<br />
Ga<strong>um</strong>en, frontal offener Biss, Distalbiss,<br />
Kreuzbiss u. a.). Schließlich<br />
mündet <strong>die</strong> Lutschgewohnheit<br />
in <strong>die</strong> dauerhafte Dysfunktion von<br />
Atmung, Zunge und Lippenmuskulatur.<br />
Häufige Erkältungen als Folge<br />
der Mundatmung, Verlegung der<br />
Nasengänge und des Rachens durch<br />
adenoide Wucherungen bis hin zu<br />
einer verlangsamten Entwicklung<br />
der intellektuellen Fähigkeiten<br />
durch <strong>die</strong> Minderversorgung des<br />
Gehirns mit Sauerstoff sind dann<br />
als Folgen zu beobachten. Je früher<br />
bei den jungen Patienten eingegriffen<br />
wird, desto besser <strong>die</strong> Prognose.<br />
Flankierend zur Beratung und<br />
Belehrung treten kieferorthopädische<br />
Maßnahmen im Rahmen einer<br />
interzeptiven (Früh-) Behandlung.<br />
Logopädische Übungen. Über<br />
<strong>die</strong> Anweisung zu myofunktionellen<br />
Übungen hinaus, ist <strong>die</strong> Durchführung<br />
von Therapiesitzungen in<br />
der Zahnarztpraxis nicht Inhalt der<br />
Leistung nach der GOZ-Nr. 6190.<br />
Derartige myofunktionelle Übungen<br />
bzw. angewandte Übungssitzungen,<br />
<strong>die</strong> in der eigenen Praxis<br />
durchgeführt werden, sind in der<br />
GOZ nicht beschrieben und sind<br />
daher gemäß § 6 Abs. 1 GOZ analog<br />
zu berechnen.<br />
Fazit. Dysfunktionen können<br />
sich in jedem Lebensalter und aus<br />
unterschiedlichen Gründen entwickeln.<br />
Ein essenzieller Baustein bei<br />
der Therapie ist das beratende und<br />
belehrende Gespräch.<br />
Autorenteam des<br />
GOZ-Ausschusses der LZK BW<br />
ZBW 2/2018<br />
www.zahnaerzteblatt.de
Praxis 39<br />
Neues aus dem PRAXIS-Handbuch der LZK BW<br />
Anamneseerhebung in der Zahnarztpraxis<br />
Foto: Radu/LZK BW<br />
Die sorgfältige und aktuelle Anamneseerhebung ist aus<br />
medizinischer und rechtlicher Sicht für eine adäquate<br />
Patientenbehandlung unerlässlich. In Zeiten medizinischen<br />
Fortschrittes, steigender Lebenserwartung, aber<br />
auch des Zuzuges von Menschen aus allen Teilen der<br />
Welt werden wir in den Praxen mit zunehmend komplexeren<br />
Behandlungssituationen wie z. B. Multimorbidität,<br />
Polypharmazie aber auch Sprachbarrieren konfrontiert.<br />
Die Muster-Patientenerhebungsbögen im PRAXIS-<br />
Handbuch der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg<br />
stellen hier eine praktische Hilfestellung für<br />
das Praxisteam dar. Es handelt sich <strong>um</strong> individualisierbare<br />
gleich strukturierte Word-Dok<strong>um</strong>ente in deutscher<br />
Sprache und weiteren 16 Sprachübersetzungen (Arabisch,<br />
Englisch, Französisch, Griechisch, Italienisch,<br />
Kroatisch, Mazedonisch, Montenegrinisch, Persisch,<br />
Polnisch, Portugiesisch, R<strong>um</strong>änisch, Russisch, Serbisch,<br />
Spanisch und Türkisch).<br />
Die Muster-Patientenerhebungsbögen finden Sie auf<br />
der Homepage der LZK BW in der Online-Version des<br />
PRAXIS-Handbuchs unter www.lzk-bw.de („ZAHNÄRZ-<br />
TE“ >>> unter der Rubrik „Praxisführung“ auf das „PRA-<br />
XIS-Handbuch“ >>> nochmal auf „PRAXIS-Handbuch“<br />
>>> Schaltfläche „3. Qualitätssicherung: Anhang“ >>><br />
„3.5 Formulare“ >>> „3.5.13 Praxisverwaltung“.<br />
Für den Praxisführungsausschuss<br />
Dr. Norbert Struß, Freiburg<br />
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www.zahnaerzteblatt.de<br />
ZBW 2/2018
40<br />
Leserreise<br />
LZK-Mitglieder-Fachexkursion 2017 nach Japan<br />
Eindrücke aus dem Land<br />
der aufgehenden Sonne<br />
Das Reiseziel der LZK-Mitglieder-Fachexkursion 2017 nach Fernost<br />
verlangte uns schon bei der Anreise einiges ab. So erreichten wir<br />
am Nachmittag des 23. Oktober 2017 Tokio, wo wir von unserer<br />
quirligen japanischen Reiseführerin empfangen wurden. Wir mussten<br />
uns an sieben Stunden Zeitunterschied anpassen. Es stand eine<br />
„durchgetaktete“ Woche mit einem <strong>um</strong>fangreichen Besichtigungsprogramm<br />
bevor.<br />
Patientenroboter. Der Nachmittag<br />
war dem Besuch der Tokio<br />
Showa University Dental Hospital<br />
vorbehalten.<br />
Wir wurden kollegial begrüßt<br />
und durch alle klinischen Abteilungen<br />
geführt. Die neusten CAD/<br />
CAM-Geräte wurden vorgeführt<br />
und Verbesserungen erläutert. Das<br />
Highlight war ein dort entwickelter<br />
Patientenroboter für den klinischen<br />
Phantomkurs. Körperbewegungen,<br />
Mundreaktionen, Augenbewegungen,<br />
Zungenbewegungen mit Würgereiz<br />
und Zungenreflex konnten<br />
perfekt simuliert werden. Ein vollendeter<br />
Roboter unter einer künstlichen<br />
Haut.<br />
Einen schönen Tagesabschluss<br />
bildete der Besuch des Senso-ji-<br />
Tempels, im Volksmund Asakusa-<br />
Kannon-Tempel genannt, Tokios<br />
heiligster Tempelanlage.<br />
Mit gepackten Koffern bestiegen<br />
wir frühmorgens den Bus, <strong>um</strong> im<br />
Kampo-Muse<strong>um</strong> Vorträgen von<br />
mehreren Apothekern über <strong>die</strong><br />
Kampo-Heilkunde, eine an japanische<br />
Bedürfnisse angepasste Weiterentwicklung<br />
der traditionellen<br />
Chinesischen Medizin, zu folgen.<br />
Ziel ist, immer ein Gleichgewicht<br />
zwischen Yin und Yang zu finden<br />
und <strong>die</strong>ses naturheilkundlich zu<br />
unterstützen.<br />
Reisegruppe. Die Reiseteilnehmerinnen und Reiseteilnehmer in buddhistischer Gelassenheit.<br />
Mit „Konnichiwa“ wurden wir<br />
von unserer Reiseleiterin Makinosan<br />
Gings begrüßt. Die Reise ging<br />
nach Nikko. Auf dem Weg machten<br />
wir einen Abstecher zu dem<br />
bekannten Kegon Wasserfall am<br />
Chuzenji See – ein beeindruckendes<br />
Naturschauspiel. Das Tagesziel,<br />
der Tosho-gu-Schrein zu Ehren<br />
Tokugawa Ieyasus, dem Gründer<br />
Edos, des heutigen Tokio und<br />
einer Dynastie, welche 250 Jahre<br />
Japan beherrschte, sollte uns weit<br />
mehr beeindrucken.<br />
Der Kaiserpalast am nächsten<br />
Tag war hoch <strong>um</strong>mauert und<br />
strengstens abgeschottet. Er war<br />
so wie der Shinto-Schrein von dem<br />
Bombardement der Alliierten 1945<br />
schwer beschädigt.<br />
Fotos: Dr. Jooß<br />
Fuji im Schnee. Am Folgetag<br />
holte uns der Bus z<strong>um</strong> Tokioter<br />
Hauptbahnhof ab. Jeder versuchte<br />
noch schnell ein Foto vom einfahrenden<br />
Zug Shinkansen zu schießen.<br />
Gutes Wetter ermöglichte uns<br />
eine wunderbare Sicht auf den<br />
bekanntesten Vulkan Japans, den<br />
Fuji. Nächtlicher Schneefall verstärkte<br />
den Bilderbuchanblick <strong>die</strong>ses<br />
besonderen Berges.<br />
Nach zweistündiger Zugfahrt<br />
hatten wir über 350 Kilometer<br />
nach Kyoto zurückgelegt. Die alte<br />
frühere Kaiserresidenz ist <strong>die</strong> <strong>um</strong>gekehrte<br />
Schreibweise von Tokio.<br />
Dort gibt es historische Vergnügungsviertel,<br />
welche aus den Filmen<br />
wie „Die Geisha“ oder „Der<br />
letzte Samurai“ bekannt sind. Ein<br />
Ziel war der in einem wunderbaren<br />
Wandelgarten gelegene Goldene<br />
Pavillon (japanisch Kinkaku-ji).<br />
Im 14. Jahrhundert von dem Shogun<br />
Yoshimitsu erbaut, <strong>die</strong>nte er<br />
<strong>die</strong>sem als Altersruhesitz, nach<br />
dessen Tod wurde er wieder z<strong>um</strong><br />
Tempel <strong>um</strong>gewandelt.<br />
ZBW 2/2018<br />
www.zahnaerzteblatt.de
Leserreise 41<br />
Der Ryoan-ji-Tempel, mit seinem<br />
berühmten Steingarten ist<br />
höchster Ausdruck des Zen-Buddhismus<br />
und zählt inzwischen z<strong>um</strong><br />
UNESCO-Weltkulturerbe.<br />
Mittags kehrten wir zu einem<br />
gemeinsamen japanischen Mittagessen<br />
ein. Um <strong>die</strong> richtige Reihenfolge<br />
beim Verzehr der verschiedenen<br />
Spezialitäten einzuhalten,<br />
bedurfte es der Anleitung unserer<br />
Reiseleiterin. Das Tagesprogramm<br />
schlossen wir mit der Besichtigung<br />
des Fushimi-Inari-Schreins ab. Er<br />
ist der Reis-und-Sake-Gottheit geweiht<br />
und erkennbar an den steinernen<br />
Füchsen mit rotem Latz,<br />
welche <strong>die</strong> Eingänge bewachen.<br />
Händler, <strong>die</strong> reichlich spenden, haben<br />
hier für guten Umsatz gebetet.<br />
UNESCO-Weltkulturerbe. Am<br />
letzten Tag verließen wir Kyoto in<br />
Richtung Osaka, der Hafenstadt.<br />
Unterwegs ein Abstecher nach<br />
Nara, 710 gegründet als Endstation<br />
der Seidenstraße, ein ehemaliges<br />
Zentr<strong>um</strong> des Buddhismus. Die<br />
hier befindliche Todai-ji-Tempelanlage<br />
zählt auch z<strong>um</strong> UNESCO-<br />
Weltkulturerbe und besteht aus<br />
unterschiedlichen Untertempeln,<br />
Hallen, Pagoden und Toren, wird<br />
aber durch <strong>die</strong> Große Buddha-Halle<br />
dominiert. Diese Haupthalle ist<br />
der größte Holzbau der Welt und<br />
beherbergt <strong>die</strong> größte, 16 Meter<br />
hohe und mehrere Tonnen schwere<br />
bronzene Buddha-Statue Daibutsu,<br />
welche seit ihrer Errichtung im<br />
Jahr 751 allen Naturkatastrophen<br />
standgehalten hat. Ein Spaziergang<br />
durch den Narapark mit freilebenden,<br />
als Götterboten geltenden Hirschen,<br />
führte uns über einen mit<br />
1000 steinernen Laternen gesä<strong>um</strong>ten<br />
Weg zu dem Kasuga-Schrein.<br />
Der Schrein wurde von einer der<br />
Gründerfamilien Naras 768 errichtet<br />
und gemäß den Shinto-Regeln<br />
von Reinheit und Erneuerung alle<br />
20 Jahre zerstört und neu errichtet,<br />
über <strong>die</strong> Jahrhunderte hinweg bisher<br />
60 Mal.<br />
In Osaka hatte unsere Reiseleiterin<br />
noch einen Programmpunkt<br />
reserviert, den Besuch des Osaka<br />
Nationalmuse<strong>um</strong>s für Ethnologie.<br />
Über mehrere Etagen bot sich uns<br />
eine Zusammenfassung und Erklärung<br />
des bisher Gesehenen und<br />
Erlebten.<br />
Der Tag unserer Abreise war<br />
gekommen. Zu dem Regen vom<br />
Vortag kam inzwischen noch Wind<br />
mit erheblichen Böen hinzu. Ein<br />
Taifun hatte vor uns <strong>die</strong> Flugroute<br />
nach Shanghai gewählt und so<br />
Fachprogramm. Für <strong>die</strong> Ausbildung der<br />
Studenten wird ein Patientenroboter eingesetzt.<br />
verzögerte sich der Abflug nach<br />
Shanghai <strong>um</strong> fünf Stunden, wo unsere<br />
chinesische Reiseleiterin Lu<br />
trotz unserer Verspätung <strong>die</strong> alternative<br />
Beförderung mit dem Bus<br />
z<strong>um</strong> Hotel organisiert hatte.<br />
Dort trennten sich nun <strong>die</strong> Wege<br />
der Reisegruppe; ein Teil flog am<br />
nächsten Morgen nach Hause,<br />
während der Rest noch weitere<br />
Tage in Shanghai verbrachte.<br />
Dr. Manfred Jooß,<br />
Ute Ziegler-Cleven<br />
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ZBW 2/2018
Kursprogramm Februar / März 2018<br />
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24.02.2018<br />
02.03.2018<br />
16.03.-17.03.2018<br />
04.05.-05.05.2018<br />
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Web: www.ffz-fortbildung.de
Regionen 43<br />
Mannheimer Vesperkirche<br />
Anlaufpunkt für <strong>die</strong> Gestrandeten<br />
Nahrung für Leib und Seele – das möchte <strong>die</strong> Mannheimer Vesperkirche<br />
leisten. Über 500 Menschen erhalten in der Citykirche Konkor<strong>die</strong>n<br />
viel mehr als eine warme Mahlzeit. Sie bekommen Zuneigung, Rat und<br />
vor allem: das Gefühl, Mensch zu sein. Und auch <strong>die</strong> medizinische<br />
Betreuung gehört seit Jahren mit z<strong>um</strong> Angebot. Sie wurde in <strong>die</strong>sem<br />
Jahr erweitert. Die Allgemeinmediziner <strong>um</strong> Dr. Johannes Hechler erhielten<br />
in <strong>die</strong>sem Jahr zahnmedizinischen Beistand durch Dr. Bernhard<br />
Jäger. „Ich kann in der Kirche natürlich keine Untersuchungen vornehmen.<br />
Dafür stellt mir ein Kollege im Quadrat Q 5 ein Behandlungszimmer<br />
seiner Praxis zur Verfügung.“ Den ersten Zahn hat er dort<br />
bereits gezogen. Das Zahnärzteblatt druckt den Beitrag aus dem<br />
Darmstädter Echo vom 12. Januar nach.<br />
nicht großartig geändert“, so seine<br />
Beobachtung. „Es geht vor allem<br />
<strong>um</strong> Verbände und <strong>die</strong> Behandlung<br />
kleinerer Wunden.“ Gerade bei<br />
den Obdachlosen kommen Hautkrankheiten<br />
und Erkrankungen an<br />
den Füßen häufiger vor. „Es wurde<br />
nicht anders, es wurde nur mehr“,<br />
so der Arzt.<br />
Armut. Als Indikator für eine<br />
steigende Armut sieht er <strong>die</strong> seit<br />
Jahren steigende Zahl in der Essensausgabe<br />
aber nicht. „Es spricht sich<br />
einfach nur stärker her<strong>um</strong>. Hierher<br />
kommen <strong>die</strong> Gestrandeten.“<br />
Denen will auch Zahnarzt Dr.<br />
Berhard Jäger helfen. Andreas Kandefer,<br />
ein alter Freund, der mittlerweile<br />
bei den Johannitern eingesetzt<br />
wird, hatte den Friedrichsfelder zur<br />
Vesperkirche gebracht. „Ich bin<br />
in erster Linie Ansprechpartner“,<br />
so seine Erfahrung aus den ersten<br />
Tagen in der Citykirche. Denn <strong>die</strong><br />
Angst vor dem Arzt sei beim Zahnmediziner<br />
noch ein wenig stärker<br />
ausgeprägt. Trotzdem hilft er gerne.<br />
Vesperkirche. Zahnarzt Dr. Bernhard Jäger ist neu im Mediziner-Team der Vesperkirche.<br />
Menschen mit Rucksäcken und abgetragener<br />
Kleidung sind auch in<br />
der Vesperkirche zu Gast. In Taschen<br />
oder Plastiktüten tragen sie<br />
ihre gesamte Habe – z<strong>um</strong>indest den<br />
Teil, den sie nicht direkt am Körper<br />
tragen. Eine Arztpraxis haben viele<br />
schon lange nicht mehr von innen<br />
gesehen. Der fehlende Versicherungsschutz<br />
spielt dabei nur eine<br />
untergeordnete Rolle. „Oft ist es<br />
auch Schamgefühl, sich in ein Wartezimmer<br />
zu anderen Menschen<br />
zu setzen“, weiß Pfarrerin Ilka Sobottke.<br />
„Die Angst vor dem Arzt<br />
ist hier schon ausgeprägt“, erklärt<br />
Allgemeinmediziner Hechler. Seit<br />
er im Jahr 2003 seine Praxis in der<br />
Innenstadt aufgegeben hat, kam er<br />
über <strong>die</strong> Obdachlosensprechstunde<br />
der Stadt Mannheim mit der Vesperkirche<br />
in Kontakt.<br />
Unterstützung. Anfangs war der<br />
heute 76-Jährige zwei Mal pro Woche<br />
als Ansprechpartner vor Ort,<br />
unterstützte den Sanitäts<strong>die</strong>nst der<br />
Johanniter. Mittlerweile teilt er sich<br />
den Dienst mit weiteren pensionierten<br />
Kollegen, ist an fünf Tagen der<br />
Woche ein Arzt in der Kirche. „Die<br />
Behandlungen haben sich seither<br />
Foto: Gerold<br />
Medizinische Betreuung. Die<br />
medizinische Betreuung gehört für<br />
Pfarrerin Sobottke z<strong>um</strong> Gesamtangebot,<br />
das in jedem Jahr noch ein<br />
wenig ausgefeilter werde. „In <strong>die</strong>sem<br />
Jahr haben wir erstmals eine<br />
Friseurin, <strong>die</strong> an ihrem eigentlich<br />
freien Montag Termine an Obdachlose<br />
vergibt.“ Und außerdem:<br />
„Unser Eingangsbereich ist neu,<br />
wir haben eine bessere Beleuchtung<br />
und mehr Platz. Mein Eindruck ist,<br />
dass <strong>die</strong> Menschen dadurch viel<br />
freundlicher und entspannter zu<br />
uns kommen.“ Das sieht auch Harald<br />
so. Der heute 62-Jährige trägt<br />
seine Habe bei sich, strahlt, als ihm<br />
eine der Helferinnen den Kuchen<br />
z<strong>um</strong> Nachtisch bringt. „Die Vesperkirche<br />
ist für mich ein Gottesgeschenk.“<br />
Volker Endres<br />
Nachdruck mit<br />
freundlicher Genehmigung<br />
des Darmstädter Echo<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
ZBW 2/2018
44<br />
Kultur<br />
Reinhold Nägele im Kunstmuse<strong>um</strong> Stuttgart<br />
Chronist der Moderne<br />
Reinhold Nägele (Murrhardt 1884 – 1972 Stuttgart) erweist sich in<br />
vielen seiner Werke als präziser Beobachter historischer Ereignisse<br />
sowie des technischen Fortschritts im ersten Drittel des zwanzigsten<br />
Jahrhunderts. Die Ausstellung „Reinhold Nägele. Chronist der Moderne“<br />
im Kunstmuse<strong>um</strong> Stuttgart rückt mit einer Auswahl von rund<br />
90 Gemälden, Ra<strong>die</strong>rungen und Hinterglasmalereien besonders den<br />
städtebaulichen Wandel Stuttgarts in den Fokus.<br />
Stuttgarter Bahnhofsplatz. Ra<strong>die</strong>rung von Reinhold Nägele aus dem Jahr 1926.<br />
Der Maler und Grafiker Reinhold<br />
Nägele war zeitlebens eng mit der<br />
Region Stuttgart verbunden. Ausgangspunkt<br />
für <strong>die</strong> Ausstellung im<br />
Kunstmuse<strong>um</strong> Stuttgart sind Nägeles<br />
Werke aus den 1910er- bis<br />
1930er-Jahren. Dies entspricht jener<br />
Zeit, in der Nägele in Stuttgart als<br />
freischaffender Künstler tätig war<br />
und sich etablieren konnte, bevor<br />
er dann 1939 mit seiner jüdischen<br />
Frau Alice Nördlinger Deutschland<br />
verlassen und mit den zuvor ins Exil<br />
geschickten drei Söhnen ein neues<br />
Leben in den USA aufbauen musste.<br />
Zeitgeschichte. Im Fokus stehen<br />
hierbei jene Werke, <strong>die</strong> Nägele<br />
als Begleiter und scharfen<br />
Beobachter der baulichen, technischen<br />
und zeitgeschichtlichen<br />
Entwicklungen in den Jahren des<br />
gesellschaftlichen und politischen<br />
Wandels nach dem Ersten Weltkrieg<br />
ausweisen. Nägele ist aber<br />
keineswegs nur ein prosaischer<br />
Chronist: Er beschränkt sich nicht<br />
auf <strong>die</strong> nüchterne Dok<strong>um</strong>entation<br />
seiner Umgebung, sondern bringt<br />
seinen scharfsinnigen Blick auf <strong>die</strong><br />
Welt z<strong>um</strong> Ausdruck, indem er mit<br />
einem feinen und tiefsinnigen H<strong>um</strong>or<br />
verschiedene Ereignisse und<br />
Situationen kommentiert. Er öffnet<br />
uns <strong>die</strong> Augen für das Menschlich-<br />
Skurrile der alltäglichen Realität.<br />
Dennoch bewahrt er als Zeitzeuge<br />
auch eine kritische Distanz zu den<br />
Dingen und Geschehnissen.<br />
So erklärt sich vielleicht der Umstand,<br />
dass er häufig <strong>die</strong> Vogelperspektive<br />
für seine Schilderungen<br />
wählt. Darüber hinaus beweisen<br />
seine detailreichen, miniaturhaften<br />
Bildkompositionen ein besonderes<br />
maltechnisches und koloristisches<br />
Geschick sowie ein hervorragendes<br />
Gespür für den Zusammenklang<br />
von Linien, Formen, Farben und<br />
rä<strong>um</strong>lichen Anordnungen.<br />
Foto: Kunstmuse<strong>um</strong> Stuttgart © VG Bild-Kunst, Bonn 2017<br />
Aktualität. Die Ausstellung zeigt<br />
seine Bedeutung als Beobachter<br />
von zeitgeschichtlichen Ereignissen<br />
sowie den technischen und<br />
städtebaulichen. Gerade weil viele<br />
der von Nägele dargestellten Orte –<br />
Gebäude, Plätze und Straßenzüge –<br />
heute noch existieren, lädt <strong>die</strong> Ausstellung<br />
dazu ein, Stuttgart und<br />
seine Umgebung anhand der Veränderungen<br />
zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />
kennenzulernen. Vor dem<br />
Hintergrund heutiger Stuttgarter<br />
Bauvorhaben sind <strong>die</strong>se Bilder aktueller<br />
denn je. Präsentiert werden<br />
in der Ausstellung außerdem Arbeiten,<br />
in denen der Maler und Grafiker<br />
einen besonderen, zuweilen<br />
ironischen und kuriosen Blick auf<br />
Episoden des kulturellen und politischen<br />
Lebens sowie verschiedene<br />
zeitgeschichtliche Ereignisse wirft.<br />
Das Kunstmuse<strong>um</strong> Stuttgart besitzt<br />
mit 116 Werken einen der <strong>um</strong>fangreichsten<br />
öffentlichen Bestände<br />
des Künstlers, der für <strong>die</strong> Ausstellung<br />
<strong>um</strong> wichtige Leihgaben ergänzt<br />
wird. Im Zuge der Recherchen<br />
konnten Neuentdeckungen im<br />
Privatbesitz gemacht werden, <strong>die</strong><br />
bislang nicht im Werkverzeichnis<br />
zu Nägele aufgeführt und erstmals<br />
öffentlich zu sehen sind.<br />
Kunstmuse<strong>um</strong> Stuttgart/IZZ<br />
Info<br />
Reinhold Nägele<br />
Chronist der Moderne<br />
bis 3. Juni 2018<br />
Öffnungszeiten<br />
Di bis So 10 bis18 Uhr<br />
Fr 10 bis 21 Uhr<br />
Eintritt<br />
6 Euro, ermäßigt 4 Euro<br />
Informationen<br />
Kunstmuse<strong>um</strong> Stuttgart<br />
Kleiner Schlossplatz 1<br />
70173 Stuttgart<br />
Tel.: 0711-216 196 00<br />
www.kunstmuse<strong>um</strong>-stuttgart.de<br />
ZBW 2/2018<br />
www.zahnaerzteblatt.de
Namen und Nachrichten 45<br />
Zahnärztliche Hilfseinsätze<br />
Unterstützung gesucht<br />
Für <strong>die</strong> Unterstützung der Projekte<br />
in Haiti, der Dominikanischen Republik,<br />
Jamaika und Kuba möchten<br />
wir uns auf <strong>die</strong>sem Weg bei<br />
allen Spendern bedanken. Dadurch<br />
konnten viele Projekte unterstützt<br />
werden. So hatten junge Kolleginnen<br />
und Kollegen <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />
an einem Hilfseinsatz teilzunehmen<br />
und über vier Tonnen Material<br />
konnten in <strong>die</strong> von den Hurrikans<br />
betroffenen Gebiete verschickt<br />
werden.<br />
2017 waren sieben Gruppen und<br />
zahlreiche einzelreisende Freiwillige<br />
unterwegs, <strong>um</strong> Menschen in<br />
abgelegenen Regionen zahnärztlich<br />
zu versorgen. Viele kleine<br />
Spenden s<strong>um</strong>mierten sich zu einer<br />
beachtlichen Menge und oft war<br />
man über so manches kleine Detail<br />
froh, denn in <strong>die</strong>sen Gegenden<br />
hat man keine Möglichkeit, schnell<br />
mal was im Depot zu holen. Deshalb<br />
sind wir auch weiterhin auf<br />
Unterstützung angewiesen, sowohl<br />
in Hinblick auf nicht mehr benötigte<br />
Materialien, als auch auf Geldspenden.<br />
Wir freuen uns auch über<br />
Materialien, <strong>die</strong> nicht mehr für<br />
<strong>die</strong> Behandlung geeignet sind. Sie<br />
wurden z<strong>um</strong> Beispiel an Studentenkurse<br />
weitergegeben. Nicht überall<br />
ist <strong>die</strong> Ausstattung so mustergültig<br />
wie hierzulande – so konnten wir<br />
erleben, wie mancherorts in Studentenkursen<br />
nur Knetmassen für<br />
das Üben von Füllungen zur Verfügung<br />
stehen.<br />
Dank der Firma Kulzer ist <strong>die</strong> Abwicklung<br />
von Altgoldspenden sehr<br />
einfach: Kulzer bietet über seinen<br />
Außen<strong>die</strong>nst <strong>die</strong> Möglichkeit an, das<br />
Altgold einzusammeln und übernimmt<br />
gegen Spendenbescheinigung<br />
<strong>die</strong> Scheidekosten so dass uns<br />
der gespendete Betrag zu 100 Prozent<br />
zugutekommt. Für den gespendeten<br />
Betrag gibt es selbstverständlich<br />
eine Spendenbescheinigung.<br />
Neben der Verbesserung der<br />
zahnärztlichen Versorgung in abgelegenen<br />
Regionen, der Unterstützung<br />
von Waisenhäusern und<br />
Schulen wollen wir langfristig<br />
Arbeitsplätze schaffen und zur<br />
Verbesserung der Ausbildung beitragen.<br />
Interessierte aus allen zahnmedizinischen<br />
Fachberufen sind<br />
eingeladen, an einer Gruppenreise<br />
teilzunehmen bzw. auch individuell<br />
als Freiwillige bei unseren Partnern<br />
vor Ort zu einen selbstgewählten<br />
Zeitra<strong>um</strong> tätig zu werden.<br />
DIANO – Dental International<br />
Aid Networking Organisation ist<br />
eine auf Hilfe im zahnmedizinischen<br />
Bereich spezialisierte Organisation<br />
mit Sitz in Singen, <strong>die</strong><br />
sich auf Haiti, <strong>die</strong> Dominikanische<br />
Republik, Jamaika und Kuba spezialisiert<br />
hat. Unsere Partner sind<br />
<strong>die</strong> Universitäten in Port au Prince/Haiti,<br />
Kingston/Jamaika, Manzanillo/Kuba<br />
und Santiago de los<br />
Caballeros/Dominikanische Republik.<br />
Hinzu kommen Waisenhäuser<br />
in Cap Haitien und Tiburon/Haiti,<br />
Schulen in Terrier Rouge, ebenfalls<br />
in Haiti. In der Dominikanischen<br />
Republik arbeiten wir mit der<br />
Monkey Jungle Clinic sowie der<br />
Mariposa-Schule, in Puerto Plata<br />
und vor allem dem Erzbist<strong>um</strong> in<br />
Santiago zusammen. Die Universitäten<br />
Kingston/Jamaika und Port au<br />
Prince/Haiti haben ein sogenanntes<br />
„Outreach Mission Program“, das<br />
bedeutet, überwiegend Studenten<br />
gehen mit mobilen Kliniken aufs<br />
Land, <strong>um</strong> dort zu behandeln. Gerade<br />
hier ist <strong>die</strong> Unterstützung aus<br />
Deutschland sehr willkommen, sowohl<br />
hinsichtlich Materialien als<br />
auch von Freiwilligen. Diese Missionen<br />
sind bei Studenten sehr beliebt,<br />
kehren sie doch ausnahmslos<br />
begeistert und reich an Erfahrungen<br />
von ihren Famulaturen zurück.<br />
<br />
Tobias Bauer<br />
Info<br />
Weitere Informationen erhalten<br />
Sie bei: DIANO e. V., Tobias Bauer,<br />
Hauptstr. 42, 78224 Singen,<br />
Tel. 07731/62212, E-Mail: dental.<br />
aid.project@googlemail.com.<br />
Informationen zur Edelmetallaufbereitung<br />
bei Kulzer und zur<br />
aktuellen Scheidgut-Aktion erhalten<br />
Praxen über <strong>die</strong> Hotline<br />
0800/4372-522, im Internet<br />
unter www.kulzer.de/scheidgut,<br />
sowie über <strong>die</strong> Heraeus Kulzer<br />
Fachberater im Außen<strong>die</strong>nst.<br />
Zitat<br />
„War<strong>um</strong> Menschen <strong>die</strong> AfD<br />
wählen, wird mir ewig verschlossen<br />
bleiben. Das<br />
Einzige, was ich an der AfD<br />
positiv finde, ist, dass dadurch<br />
klar ist, wie wertvoll<br />
es ist, ein liberales, weltoffenes<br />
Land zu verteidigen.“<br />
Wolfgang Kubicki MdB, stellv. FDP-<br />
Vorsitzender im FAZ-Interview<br />
Sportweltspiele der Medizin auf Malta<br />
Foto: FDP<br />
Sportevent für Mediziner<br />
Die 39. Sportweltspiele der Medizin<br />
und Gesundheit finden vom 16.<br />
bis 23. Juni 2018 auf der Insel Malta<br />
statt, <strong>die</strong> in <strong>die</strong>sem Jahr Kulturhauptstadt<br />
Europas ist. Seit 40 Jahren<br />
begeistern <strong>die</strong> Sportweltspiele<br />
jedes Jahr bis zu 2000 sportliche<br />
Mediziner, Ärzte, Apotheker und<br />
Kollegen aus den gesundheitlichen<br />
und pflegenden Berufen. Die Wettkämpfe<br />
der Sportwelt spiele werden<br />
in fairer Atmosphäre ausgetragen<br />
und bieten den Teilnehmern <strong>die</strong><br />
Möglichkeit in über 20 Sportdisziplinen<br />
an den Start zu gehen. Von<br />
Tennis und Golf über Leichtathletik<br />
und Schwimmen, Radrennen<br />
und Fußball bis hin z<strong>um</strong> Orientierungslauf<br />
und Segeln reicht <strong>die</strong><br />
Liste der Disziplinen. Neben den<br />
sportlichen Wettkämpfen bieten<br />
<strong>die</strong> Sportweltspiele einen internationalen<br />
Kongress für Sportmedizin<br />
und einen Erfahrungsaustausch<br />
mit Kollegen. Weitere Informationen<br />
finden Sie im Internet unter<br />
www.sportweltspiele.de. IZZ<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
ZBW 2/2018
46<br />
Termine<br />
» Kompaktseminar FVDZ Baden-Württemberg und Berger Finanz<strong>die</strong>nstleistungen GmbH<br />
Wo?<br />
Zahnärztehaus<br />
Stuttgart<br />
Albstadtweg 9<br />
70567 Stuttgart<br />
Information und<br />
Anmeldung:<br />
Samstag, 3. März 2018<br />
8.30 Uhr bis ca. 16.30 Uhr<br />
Referenten:<br />
Gebühr:<br />
FVDZ e. V. - Landesverband BW<br />
Albstadtweg 9<br />
70567 Stuttgart<br />
„Planen Sie Ihre Zukunft“/Fühlen Sie Ihrer Zukunft<br />
auf den Zahn – Ihr Weg zur erfolgreichen Praxis<br />
Referenten aus Standespolitik und Wirtschaft<br />
FVDZ-Mitglieder: kostenlos,<br />
Nichtmitglieder: 40 Euro<br />
Fortbildungspunkte: 7<br />
Tel. 0711 – 78 03 090<br />
Fax. 0711 – 78 03 092<br />
Mail: info@fvdz-bw.de<br />
Internet: www.fvdz-bw.de (Termine)<br />
Berger Finanz<strong>die</strong>nstleistungen GmbH<br />
Wettbachstr. 11<br />
71063 Sindelfingen<br />
Tel: 07031 - 79 37 15<br />
Fax: 07031 - 79 37 149<br />
Mail: berger@befin.de<br />
» Zahnärztlicher Arbeitskreis für Praxisführung und Fortbildung e. V. (Z.A.P.F. e. V.)<br />
Wo?<br />
Zahnärztehaus<br />
Stuttgart<br />
Albstadtweg 9<br />
70567 Stuttgart<br />
Information und<br />
Anmeldung:<br />
Montag, 5. März 2018<br />
19.30 Uhr bis ca. 22.00 Uhr<br />
Referent:<br />
Gebühr:<br />
Z.A.P.F. e. V.<br />
Margit Giese<br />
Großer Lückenweg 13<br />
75175 Pforzheim<br />
Die einfache und kostengünstige Gestaltung des<br />
zahnärztlichen Privatvermögens<br />
Volker Looman, Stuttgart<br />
Mitglieder: kostenlos, Nichtmitglieder: 50 Euro<br />
Fortbildungspunkte: 3<br />
Tel. 07231 – 96 56 46<br />
Fax: 07231 – 96 56 44<br />
Mail: kurse@zapf.org<br />
Internet: www.zapf.org<br />
» VA-Seminar Baden-Württembergische Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte<br />
Wo?<br />
Heilbronn<br />
Samstag, 10. März 2018<br />
9.30 Uhr bis 13.00 Uhr<br />
Die Anmeldung erbitten wir formlos<br />
schriftlich (mit Angabe der Verwaltungsn<strong>um</strong>mer)<br />
per Email oder Telefax.<br />
Die Anmeldungen werden in der<br />
Reihenfolge ihres Eingangs berücksichtigt.<br />
Mindestteilnehmerzahl: 20 Pers.<br />
Höchstteilnehmerzahl: 60 Pers.<br />
Was bedeutet berufsständische Versorgung und<br />
was bringt Ihnen <strong>die</strong> Versorgungsanstalt?<br />
Wesen und Wert der berufsständischen Versorgung,<br />
Die verschiedenen Finanzierungsverfahren, Das Finanzierungsverfahren<br />
der Versorgungsanstalt, Funktion<br />
des Deckungsstocks, Versorgungsabgaben (Pflicht<br />
und Gestaltungsmöglichkeit), Versorgungsleistungen<br />
(Anspruch, Berechnung und Höhe), Abgrenzung<br />
gegenüber anderen Vorsorgeformen, Steuerliche Behandlung<br />
von Abgaben und Versorgungsleistungen<br />
nach dem Alterseinkünftegesetz, Vermögensanlage<br />
der Versorgungsanstalt<br />
Information und<br />
Anmeldung:<br />
Gebühr:<br />
Baden-Württembergische<br />
Versorgungsanstalt für Ärzte,<br />
Zahnärzte und Tierärzte<br />
Gartenstraße 63<br />
72074 Tübingen<br />
30 Euro (Tagungskosten und Mittagessen inkl.)<br />
Mail: info@bwva.de<br />
Fax: 07071 – 26 934<br />
ZBW 2/2018<br />
www.zahnaerzteblatt.de
Termine 47<br />
» Dentimed GmbH – Qualitätsverbund in Nord-Württemberg<br />
Wo?<br />
Sportstudio in der<br />
Mercedes-Benz-Arena<br />
des VfB Stuttgart<br />
Mercedesstraße 87<br />
70372 Stuttgart<br />
Mittwoch, 25. April 2018<br />
19.30 Uhr bis ca. 22.00 Uhr<br />
Referent:<br />
Gebühr:<br />
Innovative Behandlungskonzepte unter Einsatz<br />
neuer Restaurantionsmaterialien und der CAD/<br />
CAM-Technologie - Ein Update<br />
Prof. Dr. Daniel Edelhoff, München<br />
Mitglieder: 75 Euro, Nichtmitglieder: 175 Euro<br />
Fortbildungspunkte: 3<br />
Information und<br />
Anmeldung:<br />
Dentimed GmbH<br />
Engstlatter Weg 14<br />
70567 Stuttgart<br />
Tel. 0711 – 48 99 236 Mi. 9-12 Uhr<br />
Fax: 0711 – 48 99 237<br />
Mail: info@dentimed-gmbh.de<br />
Internet: www.dentimed.org<br />
Amtliche Mitteilungen<br />
Verlust von<br />
Zahnarztausweisen<br />
Die Ausweise von<br />
Dr. Ralf Heim<br />
Auf Staufen 6<br />
72458 Albstadt<br />
Geb. 19.05.1961<br />
Horst Schmidts<br />
Am Vogelstal 2<br />
78652 Deißlingen<br />
Geb. 23.02.1924<br />
Ausweis: 1.6.2000<br />
Dr. Gunnar Vinzenz<br />
Heiligensetzer<br />
Bahnhofpl. 1<br />
88074 Meckenbeuren<br />
Geb. 01.01.1964<br />
Dr. Michael Fischer<br />
Kr<strong>um</strong>mer Weg 48/1<br />
72762 Reutlingen<br />
Geb. 19.02.1970<br />
Ausweis: 10.5.2017<br />
Dr. med. dent. / Univ. Budapest<br />
Sonja Vetterlein<br />
Mayenner Str. 29<br />
71332 Waiblingen<br />
Geb. 12.06.1969<br />
Ausweis: 27.5.2016<br />
Dr. Bernd Ganter<br />
Boch<strong>um</strong>er Str. 4<br />
76185 Karlsruhe<br />
Geb. 29.02.1960<br />
Ausweis: 15.7.1996<br />
wurden verloren, gestohlen beziehungsweise<br />
nicht zurückgegeben<br />
und werden für ungültig erklärt.<br />
Landeszahnärztekammer Baden-<br />
Württemberg mit den Bezirkszahnärztekammern<br />
BZK Freiburg<br />
Merzhauser Str. 114-116<br />
79100 Freiburg<br />
Tel.: (07 61) 45 06-0<br />
Fax: (07 61) 45 06-450<br />
BZK Karlsruhe<br />
Joseph-Meyer-Str. 8 – 10<br />
68167 Mannheim<br />
Tel.: (06 21) 3 80 00-0<br />
Fax: (06 21) 3 80 00-1 70<br />
BZK Stuttgart<br />
Albstadtweg 9<br />
70567 Stuttgart<br />
Tel.: (07 11) 78 77-0<br />
Fax: (07 11) 78 77-238<br />
BZK Tübingen<br />
Bismarckstr. 96<br />
72072 Tübingen<br />
Tel.: (0 70 71) 9 11-0<br />
Fax: (0 70 71) 9 11-209/233<br />
BZK Tübingen<br />
Bismarckstr. 96<br />
72072 Tübingen<br />
Tel.: (0 70 71) 9 11-0<br />
Fax: (0 70 71) 9 11-209/233<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
ZBW 2/2018
Zu guter Letzt 51<br />
Karikatur: Rürup<br />
Impress<strong>um</strong><br />
Herausgeber:<br />
Dr. Torsten Tomppert, Präsident der Landeszahnärztekammer<br />
Baden-Württemberg (LZK BW), und<br />
Dr. Ute Maier, Vorsitzende des Vorstands der<br />
Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-<br />
Württemberg (KZV BW), für das Informationszentr<strong>um</strong><br />
Zahngesundheit Baden-Württemberg – eine<br />
Einrichtung der LZK BW und KZV BW.<br />
Redaktion:<br />
Johannes Clausen, HC (ChR, verantw.)<br />
Informationszentr<strong>um</strong> Zahngesundheit<br />
Baden-Württemberg<br />
Telefon: 0711/222 966-10<br />
E-Mail: johannes.clausen@izz-online.de<br />
E-Mail: gabi.billischek@izz-online.de<br />
Andrea Mader (am),<br />
Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg<br />
Telefon: 0711/228 45-29<br />
E-Mail: mader@lzk-bw.de<br />
Guido Reiter (gr),<br />
Kassenzahnärztliche Vereinigung Baden-Württemberg<br />
Telefon: 0711/78 77-220<br />
E-Mail: guido.reiter@kzvbw.de<br />
Redaktionsassistenz: Gabriele Billischek<br />
Layout: Gabriele Billischek, Anna Munk<br />
Anschrift der Redaktion:<br />
Informationszentr<strong>um</strong> Zahngesundheit Baden-<br />
Württemberg, Königstraße 26, 70173 Stuttgart<br />
Telefon: 0711/222 966-14<br />
Telefax: 0711/222 966-21<br />
E-Mail: info@zahnaerzteblatt.de<br />
Autoren <strong>die</strong>ser Ausgabe: Tobias Bauer, Gabriele<br />
Billischek, Dr. Wolfgang Bok, Johannes Clausen,<br />
Volker Endres, Prof. Dr. Werner Götz, Prof. Dr. Bernd<br />
Haller, Christian Ignatzi, Dr. Manfred Jooß, Dorothea<br />
Kallenberg, Andrea Mader, Tobias Kaiser, Dr. Ute Maier,<br />
Dr. Malte Michaelis, Dr. Katharina Reichenmiller, Guido<br />
Reiter, Claudia Richter, Prof. Dr. Axel Spahr, Prof. Dr.<br />
Steffen Stenger, Dr. Sebastian F. Zenk, Dr. Norbert Struß,<br />
Ute Ziegler-Cleven.<br />
Titelseite: Foto: Maximilian von Lachner<br />
Verantwortlich für Amtliche Mitteilungen der<br />
Kassenzahnärztlichen Vereinigung<br />
Baden-Württemberg (KZV BW):<br />
Dr. Ute Maier, Vorsitzende des Vorstands der<br />
Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg<br />
(KZV BW), KdöR<br />
Albstadtweg 9, 70567 Stuttgart<br />
Verantwortlich für Amtliche Mitteilungen der<br />
Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg<br />
(LZK BW):<br />
Dr. Torsten Tomppert, Präsident der Landeszahnärztekammer<br />
Baden-Württemberg (LZK BW), KdöR<br />
Albstadtweg 9, 70567 Stuttgart<br />
Hinweise: Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe<br />
gekürzt zu veröffentlichen. Ein Anspruch auf<br />
Veröffentlichung besteht nicht. Bei Einsendungen an<br />
<strong>die</strong> Redaktion wird der vollen oder auszugsweisen<br />
Veröffentlichung zugestimmt.Unaufgefordert eingegangene<br />
Fortbildungsmanuskripte können nicht veröffentlicht<br />
werden, da <strong>die</strong> Redaktion nur mit wissenschaftlichen<br />
Autoren vereinbarte Fortbildungsbeiträge veröffentlicht.<br />
Alle Rechte an dem Druckerzeugnis, insbesondere<br />
Titel-, Namens- und Nutzungsrechte etc., stehen<br />
ausschließlich den Herausgebern zu. Mit Annahme des<br />
Manuskripts zur Publikation erwerben <strong>die</strong> Herausgeber<br />
das ausschließliche Nutzungsrecht, das <strong>die</strong> Erstellung<br />
von Fort- und Sonderdrucken, auch für Auftraggeber<br />
aus der Industrie, das Einstellen des ZBW ins Internet,<br />
<strong>die</strong> Übersetzung in andere Sprachen, <strong>die</strong> Erteilung von<br />
Abdruckgenehmigungen für Teile, Abbildungen oder<br />
<strong>die</strong> gesamte Arbeit an andere Verlage sowie Nachdrucke<br />
in Me<strong>die</strong>n der Herausgeber, <strong>die</strong> fotomechanische sowie<br />
elektronische Vervielfältigung und <strong>die</strong> Wiederverwendung<br />
von Abbildungen <strong>um</strong>fasst. Dabei ist <strong>die</strong> Quelle anzugeben.<br />
Änderungen und Hinzufügungen zu Originalpublikationen<br />
bedürfen der Zustimmung des Autors und der Herausgeber.<br />
Bezugspreis:<br />
Jahresabonnement inkl. MwSt. € 90,-<br />
Einzelverkaufspreis inkl. MwSt. € 7,50<br />
Bestellungen werden vom Verlag entgegengenommen.<br />
Die Kündigungsfrist für Abonnements beträgt 6 Wochen<br />
z<strong>um</strong> Ende des Bezugszeitra<strong>um</strong>es. Für <strong>die</strong> Mitglieder der<br />
Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg ist der<br />
Bezugspreis mit dem Mitgliedsbeitrag abgegolten.<br />
Verlag:<br />
Rheinische Post Verlagsgesellschaft mbH<br />
Geschäftsführung: Dr. Karl Hans Arnold, Patrick<br />
Ludwig, Hans Peter Bork, Johannes Werle, Tom Bender<br />
Zülpicher Straße 10, 40196 Düsseldorf<br />
Sebastian Hofer | Leiter Corporate Publishing<br />
Sarina Ihme | Produktmanagerin Corporate Publishing<br />
Tel. 0211 505-2404 | Fax 0211 505-1002404<br />
sarina.ihme@rheinische-post.de<br />
www.rp-media.de<br />
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L.N. Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMe<strong>die</strong>n<br />
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ZBW 2/2018
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