DER KUNSTBLITZ | PANORAMA MUSEUM BAD FRANKENHAUSEN Widersprüchen und Verwandlungen, sucht Zusammenhänge und erfindet eine altmeisterlich geschulte, doch überaus zeitaktuelle figuratività, die auch vor kritischen Sujets nicht zurückschreckt, die zeitlos gültig ist und damit zugleich eine scharfsichtige Analyse der wirklich drängenden Fragen von Selbst- und Weltbefund ihrer Zeit leistet. Als Quellen dienen der Malerin uralte Göttergeschichten, Fabeln, mittelalterliche Legenden, Aspekte aus Alchemie und Mystik, Mirakelbücher und Märchen. Um den Bilderzählungen das nötige Maß an Gültigkeit zu verleihen, stützt sie sich programmatisch wie einst Werner Tübke auf Beispiele aus der Historie, den Mythen der Antike von den Kelten bis zu den alten Griechen, vor allem aber auf Zeugnisse der Kunstgeschichte. Solches bildnerische Vorgehen ermöglicht eine weitgespannte, produktive Deutungsoffenheit, eine Mehrsinnigkeit, die der Analyse und Interpretation bedarf, eines mehrschichtigen Betrachtens, das dank der Motivik und Bildsprache dieser Kunst, die jede allzu große Eindeutigkeit meidet, außerordentlichen Genuss verspricht und fortlaufend überraschende Erkenntnis verheißt. Die kritische Analyse zeitgeschichtlicher Zusammenhänge und des damit verbundenen menschlichen Verhaltens, von historischen Perspektiven und Strukturfragen der Macht, den Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen wie den Moralprinzipien des Menschseins bezeichnet das Wesen der Bilder von Alexandra Müller-Jontschewa. Manier, Mythos, Moral Verständige bildnerische Reflexion, das ist der Anspruch, den die Künstlerin auch an den Betrachter stellt, der aufgefordert ist, durch sinnliche Wahrnehmung und reflektiertes Schauen den Bildern auf den Grund zu kommen, diesem unikalen Zusammenwirken von meisterhafter malerischer und zeichnerischer Formulierung, pointierter Stoffwahl und moralischer Deutung. Manier, Mythos und Moral scheinen die drei wesentlichen Pfeiler dieser Kunst zu sein. Mit Manier ist der spezifisch kunsthistorische Sprach- und Ausdrucksmodus gemeint, der die besondere künstlerische Umsetzung der Themen beschreibt; Mythos bezeichnet die vorrangig gewählten Stoffe, seien sie der Antike entnommen, dem Mittelalter oder der unmittelbaren Vergangenheit, ja der Gegenwart; Moral schließlich resultiert aus den Sinnzuweisungen der Motive und Ikonografien, die vollendet beherrscht und einzigartig inszeniert sind. Damit aber gehört das Schaffen von Alexandra Müller-Jontschewa zum Kern dessen, was zeitgenössische Kunst von Wert überhaupt ausmacht. Gerd Lindner 24 FRÜHLING | <strong>2023</strong>
VON DER HEYDT M USEUM WUPPERTAL FRANZISKA HOLSTEIN FREUNDSCHAF TS- ANFR AGE N°2 1.4.–– 24.9. 2 3 Die Ausstellung wird gefördert durch Franziska Holstein, o.T. (12/18 II VD), <strong>2023</strong>, Siebdruck, <strong>2023</strong> © VG Bild- Kunst, Bonn <strong>2023</strong> / Courtesy Galerie Friese, Berlin 25