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Ausgabe_01_2023

Magazin der Stadtwerke Erfurt für Kunden und Erfurtfans, mit vielen Themen über unsere Stadt, spannende Menschen und großartige Ideen, Informationen und Tipps zu Produkten und Leistungen der Stadtwerke Erfurt in den Bereichen Strom, Gas, Wasser, Fernwärme, Bäder, egapark oder Nahverkehr

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zum Füttern<br />

Der Verein<br />

„Erfurter Tauben“<br />

kümmert sich um<br />

die rund 8.000<br />

verwilderten Vögel<br />

der Stadt<br />

Von Matthias Thüsing (Text)<br />

und Ute Martens (Illustration)<br />

Friedenssymbol, biblischer Bote zwischen Himmel<br />

und Erde und stets die Verkörperung des Guten in<br />

Sagen und Märchen – mit kaum einem Tier ist so<br />

viel Positives verbunden wie mit der Stadttaube<br />

(Columba livia forma domestica). Doch ihr Alltag in<br />

den meisten deutschen Städten ist trist. Die Vögel leben ein<br />

Leben in Stress, Hunger und Krankheit.<br />

Katja Sturm lockt die zwei Tauben auf dem Sims im ersten<br />

Stock mit kurzen Pfiffen zum Futter. In ihrer Hand hält sie eine<br />

große Tupperdose mit Körnern und Sämereien wie Erbsen,<br />

zerkleinerten Erdnüssen, Weizen und Mais. Doch noch zögern<br />

die Vögel, ihren Beobachtungsplatz in sicherer Höhe auf der<br />

Rückseite des ehemaligen Hotels Erfurter Hof zu verlassen.<br />

Unten auf dem Gehweg herrscht zu viel Betrieb: Reisende ziehen<br />

Rollkoffer klappernd hinter sich her. Ein Lastwagen parkt<br />

mit piependem Geräusch rückwärts ein. Fahrradfahrer sausen<br />

in halsbrecherischer Fahrt über den Gehsteig. Und die Tauben<br />

bleiben in sicherer Entfernung.<br />

„Tauben sind misstrauisch“, sagt Katja Sturm. Und so bleiben<br />

alle verlockenden Pfiffe an diesem Nachmittag vergebens<br />

– trotz des Hungers, den die Vögel haben. Katja Sturm<br />

ist ehrenamtliche Helferin des Vereins „Erfurter Tauben“. Seit<br />

drei Jahren gehört sie zu den rund 30 Mitgliedern, die hinter<br />

dem Bahnhof einmal täglich Tauben füttern dürfen. „Ich bin<br />

zum Taubenschutz gestoßen, als ich einmal ein verletztes Tier<br />

gefunden hatte und sich niemand so richtig verantwortlich<br />

fühlte oder kundig genug war”, sagt die 40-jährige gelernte<br />

Pädagogin. Sie recherchierte im Netz und stieß auf die Stadttaubenhilfe<br />

Weimar e. V., holte sich dort Rat und fand Gleichgesinnte,<br />

auch aus dem Erfurter Raum.<br />

Einige Zeit später wurde von dieser zunächst kleinen Gruppe<br />

im Jahre 2021 der Verein aus der Taufe gehoben. Dieser<br />

agiert nun selbst als Stadttaubenhilfe in Erfurt und ist Anlaufstelle<br />

für Hilfe<br />

und Beratung<br />

rund um<br />

die Tauben.<br />

„Wir haben es<br />

uns zur Aufgabe<br />

gemacht,<br />

Tauben zu helfen und uns für einen<br />

tierschutzgerechteren Umgang<br />

mit ihnen einzusetzen. Das Leben in Erfurt soll für<br />

alle lebenswert sein, sowohl für Mensch als auch Taube“, sagt<br />

auch Katharina Fromm-Heins. Die Studentin füttert zum Pressetermin<br />

gemeinsam mit Katja Sturm die Tauben am Bahnhof.<br />

Bis zu 8.000 der Vögel sollen im Stadtgebiet leben, etwa 150<br />

am Bahnhofsplatz.<br />

Stadttauben oder auch Straßentauben stammen ursprünglich<br />

von der Felsentaube ab. Einst aus der Gefangenschaft von<br />

Taubenzüchtern geflohen, haben sich viele dieser Flüchtlinge<br />

der vergangenen Jahrzehnte in unseren Städten eingenistet.<br />

Die Häuserfronten mit ihren Simsen, Winkeln und Fensterbänken<br />

ersetzen ihnen die natürlichen Brutfelsen. 500 Millionen<br />

Tiere sollen weltweit in den Städten leben.<br />

Nicht jedem Städter gefällt das. Tauben, wo sie massenhaft<br />

auftreten, koten Fensterbänke und Balkone mit sogenanntem<br />

Hungerkot zu, der durch Mangel- und Fehlernährung<br />

entsteht. Als verwilderte Haustiere, ähnlich wie Straßenkatzen<br />

oder -hunde, sind sie daher auf menschliche Hilfe angewiesen.<br />

Viele Erfurter Tauben leben in den Randbezirken der<br />

Stadt. Gerade die Plattenbauten bieten den Vögeln einen Lebensraum,<br />

der den felsigen Landschaften des natürlichen Verbreitungsgebiets<br />

ihrer Vorfahren recht nahekommt.<br />

Doch der Lebensraum ist nur die eine Seite des Stadtlebens.<br />

Die Futtersuche gestaltet sich schon weitaus schwieriger. Tauben<br />

sind Körnerfresser – doch in der Stadt fehlt es an ausreichenden<br />

Grün- und Feldflächen, auf denen alle Tauben satt<br />

werden könnten, vor allem im Winter. Umliegende Felder suchen<br />

die standorttreuen Vögel kaum auf. „Sie suchen unter<br />

Mülleimern, vor Lebensmittelgeschäften, picken Brotkrumen<br />

oder andere Essensreste auf den Straßen auf, die sie nicht gut<br />

vertragen und leiden dadurch unter Verdauungsproblemen<br />

und ständigem Hunger“, sagt Katharina Fromm-Heins. Das<br />

führe zu Krankheiten und vorzeitigem Tod. „Eine Taube könnte<br />

gute 15 Jahre alt werden, jedoch halten sie bedingt durch<br />

das harte Leben in der Stadt durchschnittlich kaum zwei Jahre<br />

durch“, sagt Katja Sturm. Dieses Elend versucht „Erfurter<br />

Tauben“ zu lindern. Was allen anderen Erfurtern streng verboten<br />

ist, darf der Verein an diesem Ort in der Innenstadt:<br />

Tauben füttern. Finanziert werde das Futter aus Spenden und<br />

Vereinsmitteln.<br />

Ein zentraler Baustein des Konzeptes ist die kontrollierte<br />

Fütterung, weiß auch die Stadtverwaltung. Denn sie habe<br />

gleich mehrere Vorteile. „Zum einen entfällt damit die Futtersuche.<br />

Die Tiere sind seltener im Stadtbild zu sehen. Bürger<br />

und Touristen fühlen sich weniger gestört“, erklärt<br />

Dr. Ulrich Kreis, der Leiter des Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamtes.<br />

Zum anderen seien die Tauben durch<br />

artgerechtes Futter gesünder. Auf die Populationsgröße habe<br />

die Fütterung übrigens keine Auswirkung. Der angezüchtete<br />

Bruttrieb werde unabhängig vom Nahrungsangebot ausgelebt.<br />

Aus diesem Grund setzt sich der Verein auch für betreute<br />

Taubenschläge nach dem Augsburger Modell ein, in denen<br />

die Eier der Tauben gegen Attrappen getauscht werden und<br />

so die Population verringert werden kann.<br />

Zum Pressetermin bleiben die Vögel fern. Nicht einmal die<br />

beiden Tauben auf dem Sims am Erfurter Hof treibt der Hunger<br />

hinunter in die belebte Straße. Das erlebe der Verein öfter,<br />

sagt Katja Sturm. Man werde das im Oktober gestartete<br />

Programm am Futterplatz noch eine Weile fortführen, immer<br />

in der Hoffnung, dass die Tauben die neue hochwertige Futterquelle<br />

annehmen werden. Anschließend wolle man mit der<br />

Stadt gemeinsam überlegen, ob andere oder weitere Futterplätze<br />

Sinn machen könnten.<br />

Kontakt: Erfurter Tauben e. V.<br />

IBAN DE88 8205 1000 <strong>01</strong>63 1459 54<br />

Paypal: erfurter.tauben@gmail.com<br />

Notfalltelefon <strong>01</strong>76 88463096<br />

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