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Ausgabe_01_2023

Magazin der Stadtwerke Erfurt für Kunden und Erfurtfans, mit vielen Themen über unsere Stadt, spannende Menschen und großartige Ideen, Informationen und Tipps zu Produkten und Leistungen der Stadtwerke Erfurt in den Bereichen Strom, Gas, Wasser, Fernwärme, Bäder, egapark oder Nahverkehr

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„Wir müssen spielen,<br />

damit wir bleiben“<br />

Text Matthias Thüsing<br />

Foto Steve Bauerschmidt<br />

Die Sommerkomödie<br />

in der<br />

Erfurter<br />

Barfüßerruine –<br />

das ist in jedem<br />

August ein<br />

heiteres, frisches<br />

Bühnenerlebnis,<br />

gespielt für rund<br />

10.000 Zuschauer.<br />

Hinter den Kulissen<br />

ist es vor allem<br />

harte Arbeit gepaart<br />

mit viel<br />

Enthusiasmus.<br />

Gewinne will die<br />

gemeinnützige<br />

Sommerkomödie<br />

Erfurt gGbmH dabei<br />

gar nicht einfahren.<br />

Im Idealfall aber<br />

lassen sich hier ein<br />

paar Träume<br />

verwirklichen<br />

Eine recht gute Gelegenheit, Volker<br />

Nienstedt zufällig zu treffen, ist<br />

das Café Hilgenfeldt auf dem Erfurter<br />

Domplatz. „Das ist hier mein Arbeitszimmer“,<br />

sagt er. Auch an diesem späten Vormittag<br />

Ende Februar sitzt er an einem der Tische<br />

draußen vor dem Café und genießt - in dicker<br />

Jacke zwar – die ersten wärmenden Strahlen<br />

der Sonne. Nienstedt als Intendant hat zu einer<br />

kurzen Besprechung mit seinen Mitarbeiterinnen<br />

der Sommerkomödie gGmbH geladen.<br />

Die Premiere ist zwar noch fünf Monate<br />

entfernt. Doch mit der Planung der Saison<br />

<strong>2023</strong> ist bereits Anfang des Vorjahres begonnen<br />

worden. „Es beginnt damit, Stück und Regie<br />

auszusuchen“, sagt er. Der Regisseur beziehungsweise<br />

die Regisseurin wähle dann<br />

das Ensemble aus. Mit dem werden dann Verträge<br />

gemacht. Elf Schauspieler und Schauspielerinnen<br />

höchstens dürfe so ein Stück<br />

beschäftigen. Das aber sei nur ein Bruchteil<br />

derer, die zum Gelingen der Sommerkomödie<br />

beitragen. Eigentlich sei er das ganze Jahr<br />

damit beschäftigt, mit der Stadt, Lieferanten<br />

und den Dienstleistern rund um das Theater<br />

zu verhandeln.<br />

Volker Nienstedt ist gewesener Hamburger<br />

und begeisterter Erfurter, kritischer Bürger<br />

und Ratsherr, 67 Jahre alt und voller kindlicher<br />

Freude, wann immer es um Kultur gehe.<br />

Er ist Szene-Kneiper und seit 2<strong>01</strong>7 Intendant<br />

der Sommerkomödie. Damals hatte der Vorgängerverein,<br />

der das Angebot nach der<br />

Schließung des Schauspielhauses 2002 initiiert,<br />

über viele Jahre aufrechterhalten hatte,<br />

im Streit mit der Stadt die Brocken hingeworfen.<br />

Nienstedt und einige Freunde starteten<br />

daraufhin ein paar „Hast Du nicht Lust …“-Anrufe.<br />

Es fanden sich genug Mitstreiter. Und<br />

so macht Nienstedt eben seitdem Theater –<br />

selbst während Corona schafften er und sein<br />

Team es.<br />

Irgendwann in dieser Zeit entwickelte sich<br />

auch der Traum von Schokolade. Gemeint ist<br />

der französische Film mit Jonny Depp und<br />

Juliette Binoche, in dem eine junge, neu in<br />

den Ort zugezogene Frau ein konservatives<br />

Dorf mit ihrem Schokoladenladen verführt.<br />

„Das gibt es noch nicht als Theaterstück. Da<br />

müsste erst einmal ein Textbuch geschrieben<br />

werden“, träumt Nienstedt. „Aber das würde<br />

ich gerne auf die Bühne in der Barfüßerkirche<br />

bringen.“ Und gleichzeitig weiß er, dass<br />

es bis dahin ein weiter Weg wäre. Ein Drehbuch<br />

allein wäre es ja nicht. Auch die Rechte<br />

an dem Stück seien zu klären. „Vielleicht<br />

schaffe ich es ja noch, für meinen Nachfolger<br />

anzuschieben“, sagt er. Für 2025 könne er sich<br />

einen Rückzug von der Intendanz vorstellen.<br />

Irgendwann müsse auch einmal Schluss sein.<br />

In diesem Jahr steht aber erst einmal Molieres<br />

Menschenfeind auf dem Spielplan. Uraufgeführt<br />

am 4. Juni 1666 in Paris ist das<br />

Stück über die Folgen einer kompromisslosen<br />

Ehrlichkeit inmitten einer heuchlerischen<br />

Gesellschaft durch die Jahrhunderte gleichermaßen<br />

zeitlos komisch wie tragisch geblieben.<br />

Der Vorverkauf ist gut angelaufen.<br />

Einfach fällt es nicht, jedes Jahr aufs Neue<br />

Schauspieler für die Sommerkomödie zu finden.<br />

In Erfurt fehle ein Schauspielhaus. Immer<br />

mal wieder hole er sich Schauspieler und<br />

Schauspielerinnen aus der Schotte. Das sei<br />

ein tolles Haus. Trotzdem müsse er sich regelmäßig<br />

in der näheren wie weiteren Umgebung<br />

umschauen, wer Lust habe, seine Theaterferien<br />

im angestammten Ensemble für ein<br />

zweimonatiges Engagement in Erfurt zu opfern.<br />

„Ich bin stets auf der Suche nach unentdeckten<br />

Talenten“.<br />

Doch Schauspieler sind nur das Eine: Am<br />

Ende wirken 150 Personen rund um das Stück<br />

mit – vom Beleuchter über das Personal an der<br />

Bar, von der Tontechnikerin bis hin zu Security<br />

und Einlasskontrolle reichen die verschiedenen<br />

Gewerke. Und wenn alles vorbereitet ist<br />

und auch die seit Anfang Juli laufenden Proben<br />

abgeschlossen sind, können alle nur auf<br />

möglichst viele regenfreie Abende bis Ende<br />

August hoffen. Eine halbe Millionen Euro an<br />

<strong>Ausgabe</strong>n muss die Sommerkomödie in den<br />

28 Aufführungen einspielen. „Zwei Ausfallabende<br />

können wir uns leisten“, sagt Nienstedt.<br />

Dann werde es eng. Und eine Woche<br />

Regen würde die Sommerkomödie ruinieren.<br />

Denn aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit dürfe<br />

die Gesellschaft nur in sehr begrenztem Umfang<br />

finanzielle Polster ansparen. Und so lässt<br />

sich das wirtschaftliche Konzept der gGmbH<br />

in einem Satz gut erklären: „Wir müssen spielen,<br />

damit wir bleiben.“<br />

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