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ELMA_Magazin_AprMai_2023

Elternmagazin für April Mai 2023

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TITELTHEMA<br />

29<br />

Vögel sind da pragmatisch. Es könnte sein,<br />

dass du jetzt fliegen kannst? Super, dann raus<br />

aus dem Nest. Oh, du konntest es nicht? Sorry<br />

– der Nächste bitte! Wir Menscheneltern tun<br />

uns da etwas schwerer. Die Psychotherapeutin<br />

Irmtraud Tarr hat sich intensiv mit dem Thema<br />

beschäftigt und sieht bei jedem Loslassen<br />

in unserem Leben einen direkten Zusammenhang<br />

zur Geburt. In einem Interview mit der<br />

Zeitschrift „Psychologie heute“ hat sie es einmal<br />

so ausgedrückt: „Deswegen löst das Loslassen<br />

Sehnsüchte aus (…). Und eben auch Ängste<br />

vor dem Alleinsein, Getrenntsein, Verlassensein.<br />

Ich denke, im Loslassen ist eine ganz tiefe<br />

Lebenserfahrung verborgen. Es ist ein kleines<br />

Sterben, immer wieder.“ Wer einmal geliebt hat<br />

und den anderen weiterziehen lassen musste,<br />

der weiß, was sie mit diesem inneren Sterben<br />

meint.<br />

Viele werdende Mütter lieben das Gefühl während<br />

der Schwangerschaft – dieses Spüren des<br />

Lebens in einem, die Zweisamkeit, die Kommunikation<br />

mit dem Ungeborenen, bewusst und<br />

unbewusst. Kommt das Baby auf die Welt, löst<br />

es sich aus dem Mutterleib. Aus der Zweisamkeit<br />

kann Einsamkeit werden – ein Stück weit<br />

zumindest. Oft ist es nur ein diffuses Gefühl,<br />

das es der Mutter schwer macht, ihr Kind loszulassen,<br />

in die Welt gehen zu lassen. Und das<br />

die Geburt verzögert und schwieriger macht.<br />

Nicht umsonst sprechen wir von Ent-Bindung.<br />

Das Loslassen von Kindern – und später auch<br />

Jugendlichen und jungen Erwachsenen – ist<br />

ein wichtiger, oftmals auch schwieriger Prozess<br />

für Eltern. Aber unser Nachwuchs braucht den<br />

altersgerechten Freiraum, um sich zu entwickeln,<br />

um eigene Entscheidungen treffen, den<br />

eigenen Weg gehen zu können. Ist uns das<br />

nicht bewusst, machen wir es auch unserem<br />

Kind schwer. Jeder, der sein Kleines das erste<br />

Mal in einer Krippe oder Kita lassen muss, leidet.<br />

Der eine ein bisschen, der andere so sehr,<br />

dass er es auch dem Kind schwer macht, sich<br />

zu lösen. Dabei ist das EINE UNSERER WICH-<br />

TIGSTEN ELTERNAUFGABEN: DAS KIND ER-<br />

MUTIGEN, SEINEN WEG ZU GEHEN, UND ES<br />

DABEI UNTERSTÜTZEN, IHM HELFEN, SICHER<br />

UND SELBSTBEWUSST ZU WERDEN. EIN PRO-<br />

ZESS, DEN BEIDE SEITEN ERST LERNEN MÜS-<br />

SEN. Lektionen, die wir auf dem Spielplatz mit<br />

der hohen Rutsche genauso erfahren wie am<br />

ersten Schultag, wenn das Kind allein in diesem<br />

Riesengebäude verschwindet, wenn es das<br />

erste Mal auf Klassenfahrt fährt, genauso wie<br />

in dem Moment, in dem es peinlich ist, wenn<br />

wir unser Begrüßungsküsschen einfordern. Es<br />

sind die Momente, in denen wir von einer geplanten<br />

Übernachtungsparty erfahren, und die,<br />

in denen wir bemerken, dass unser Nachwuchs<br />

das erste Mal verliebt ist. Und wir plötzlich gar<br />

nicht mehr wichtig scheinen.

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